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{"created":"2022-01-31T12:32:28.713394+00:00","id":"lit16414","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Baumann, E.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 5: 244-256","fulltext":[{"file":"p0244.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnlst des aktiven Sauerstoffs.\nVon E\u00ab Baiaan.\n(Au\u00bb der chemischen Abtheilung des physiologischen Instituts zu Berlin.) (Der Redaktion zugegangen am 11. April 1084).\nAusser dem gew\u00f6hnlichen inaktiven Sauerstoff und dem Ozon existirt eine dritte Modification des Sauerstoffs der aktive oder nascirende Sauerstoff. Der aktive Sauerstoff kann so wenig als der nascirende Wasserstoff isolirt dargestellt werden. Seine Bildung oder sein Auftreten l\u00e4sst sich daher nur vermittelst seiner Einwirkung auf andere K\u00f6rper feststellen. Der aktive Sauerstoff (0) ist das kr\u00e4ftigste Oxydationsmittel welches wir kennen, und ist im Stande sich direckt mit dem inaktiven Sauerstoff (Oa) zu Ozon (Oa) zu verbinden. Das Ozon tritt daher, wie Clausius zuerst hervorgehoben hat, nur da auf, wo eine Activirung des Sauerstoffs erfolgt. Dieser Satz gilt nicht umgekehrt. Denn die Activirung des Sauerstoffs kann unter Bedingungen erfolgen, unter welchen eine Ozonbildung nicht stattfinden kann; dies ist der Fall, wenn leicht oxydirbare Substanzen in der Weise mit dem aktiven Sauerstoff in Ber\u00fchrung sind, dass der letztere v\u00f6llig zur Oxydation jener K\u00f6rper verbraucht wird. So entsteht bekanntlich Ozon bei der Activirung des Sauerstoffs der Luft durch feuchten Phosphor; es entsteht dagegen nicht, wenn die den Phosphor umgebende Atmosph\u00e4re den Dampf von Alkohol, Aether und \u00e4hnlichen Stoffen enth\u00e4lt.\nDa das Ozon gleichfalls sehr energisch oxydirend wirkt und in dieser Beziehung dem aktiven Sauerstoff wenig nachsteht, da es ausserdem nur da gebildet wird, wo aktiver Sauerstoff auftritt, so ist eine Unterscheidung beider in den","page":244},{"file":"p0245.txt","language":"de","ocr_de":"245\nmeisten F\u00e4llen mit nicht unerheblichen Schwierigkeiten verkn\u00fcpft und Wirkungen des aktiven Sauerstoffs sind oft dem Ozon zugeschrieben worden. Sch\u00f6nbein war z. B. der Meinung\u00ab dass die bei der Ozonisirung der Luft durch feuchten Phosphor neben dem Ozon stets auftretende salpetrige S\u00e4ure durch Einwirkung des Ozons, auf den Stickstoff der Luft gebildet worden sei. Erst durch die sorgf\u00e4ltigen Versuche von Garius* 1 *) wurde der sichere Nachweis gef\u00fchrt, dass das Ozon den Stickstoff nicht zu oxydiren vermag. Die Versuche \u00fcber die Activirung des Sauerstoffs bei Gegenwart von organischen Substanzen Sliessen auf andere Complicationen, welche die Deutung der beobachteten Erscheinungen erschwerten; diese bestehen wesentlich darin, dass bei der Activirung des Sauerstoffs durch organische Stoffe, eine ganze Reihe von Erscheinungen hervorgerufen werden, die schwierig oder gar nicht von einander unterschieden werden k\u00f6nnen; in vielen F\u00e4llen w\u00e8rden dabei neben Wasserstoffsuperoxyd auch sehr energisch oxydirende organische Substanzen gebildet, deren Natur noch wenig aufgekl\u00e4rt ist. Als Beispiele hierf\u00fcr k\u00f6nnen die zahlreichen Beobachtungen \u00fcber die Aktivirung des Sauerstoffs durch Terpentin\u00f6l und \u00e4hnliche K\u00f6rper angezogen werden. Sch\u00f6nbein9) machte zuerst die Angabe, dass beim Stehen von Terpentin\u00f6l an der Luft Antozon gebildet werde ; Berthelot*), Houzeau4) schlossen dagegen aus ihren Versuchen, dass in dem ozonisirten Terpentin\u00f6l eine sauerstoffhaltige organische Verbindung enthalten sei, welche ihren Sauerstoff sehr leicht an oxydirbare Substanzen abgibt. In neuester Zeit wurde mehrfach die Meinung vertreten, dass das ozonisirte Terpentin\u00f6l oder Benzin den aktiven Sauerstoff als solchen in sich einschliesse oder gel\u00f6st enthalte. L\u00f6w*) spricht sich \u00fcber die oxydirenden Wirkungen des Terpentin\u00f6ls, das einige Zeit der Luft ausgesetzt worden war, in folgender Weise aus:\n*) Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. 174, S. 1. a) Journ. f. prakt. Chemie Bd. 77, S. 257; Bd. 80, S. 266.\n*) Annales de chimie et de physiologie, T. 8, p. 58, 426.\n*) Comptes rendus, T. 50, p. 829.\t.\nl) Zeitschr. 5 Chemie 1870, S. 611*\nZeitschrift t. physiologische Chemie V.\t.17","page":245},{"file":"p0246.txt","language":"de","ocr_de":"246\n\u00abWas nun das Terpentin\u00f6l betrifft, so erkl\u00e4re ich mir \u00abdie activen Eigenschaften desselben dahin, dass atomistischer \u00abSauerstoff, den wir Antozon nennen k\u00f6nnen in lockerer, \u00abmehr physikalischer wie chemischer Verbindung, noch mit \u00abder W\u00e4rmeh\u00fclle umgeben in dem Oele gel\u00f6st ist, dass der-\u00abselbe erst nach l\u00e4ngerer Zeit eine Harz- und Wasserbildung \u00abherbeif\u00fchrt, dass derselbe im Stande ist, mit Wasser direkt \u00abdas Peroxyd des Wasserstoffs zu liefern und dass er f\u00e4hig \u00abist wie Ozon Jodkalium zu zerlegen.\u00bb\nFudakowski1) erkl\u00e4rt das \u00abActivwerden\u00bb von Benzin und \u00e4hnlichen Stoffen gleichfalls durch die erst eintretende Spaltung des Sauerstoffs in Atome und \u00e4ussert sich weiterhin \u00fcber die oxydirende Wirkung des Benzins, wie folgt: \u00abob den aktiven K\u00f6rper im Benzin Ozon oder der atomistische Sauerstoff Low\u2019s bildet, das bleibt in undurchdringlichem Dunkel.\u00bb\nSch\u00e4r2) entwickelte ausgehend von den Beobachtungen Sch\u00f6nbein\u2019s \u00fcber das Antozon eine sehr klare Vorstellung \u00fcber die Activirung des Sauerstoffs im Terpentin\u00f6l, l\u00e4sst es aber auch unentschieden, \u00abob der aktive Sauerstoff an den \u00abKohlenwasserstoff, entweder der Struktur des Wasserstoff-\u00ab Superoxyds analog, oder als einzelnes Atom halb physikalisch, \u00abhalb chemisch gebunden ist.\u00bb\nSowohl L\u00f6w als Sch\u00e6r vergleichen resp. identificiren den aktiven oder atomistischen Sauerstoff mit dem Antozon Sch\u00f6nbein\u2019s. In der That lassen sich mehrere Erscheinungen, welche Sch\u00f6nbein als Wirkungen des Antozons beschrieben hat, auf den aktiven Sauerstoff zur\u00fcckf\u00fchren, vor allem die von Sch\u00f6nbein dem Antozon zugeschriebene Eigenschaft mit Wasser Wasserstoffsuperoxyd zu bilden. Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem activen Sauerstoff und dem Antozon Sch\u00f6nbein\u2019s besteht nur darin, dass der aktive Sauerstoff nur in der Zeiteinheit existirt, und daher nicht dargestellt, sondern nur durch seine Reaktionen erkannt werden kann, w\u00e4hrend Sch\u00f6nbein das Antozon f\u00fcr eine\n*) Berichte d. deutsch, chem. Gesellsch., Bd. 6, S. 108.\n') Ebendas. Bd. 6, S. 408.","page":246},{"file":"p0247.txt","language":"de","ocr_de":"247\ndem Ozon \u00e4hnliche isolirbare Sauerstoffmodification hielt. Jedenfalls geb\u00fchrt aber Sch\u00f6nbein das Verdienst zuerst erkannt zu haben, dass neben dem Ozon eine dritte Sauerstoffmodification existiren muss, wenn derselbe auch hinsicht- . lieh der Qualit\u00e4ten dieser Sauerstoffmodification mancherlei T\u00e4uschungen nicht entgangen ist.\nVor einiger Zeit hat Ho pp e-Sey 1er1) eine Reihe von Versuchen \u00fcber die Activirung des Sauerstoffs mitgetheilt, bei welchen der aktive Sauerstoff, unter wesentlich einfacheren als den bisher bekannten Bedingungen auftriit. Hoppe-Seyler zeigte, dass der nascirende Wasserstoff selbst im Stande ist den Sauerstoff zu aktiviren und dadurch die kr\u00e4ftigsten Oxydationen zu vermitteln. Will man sich eine Vorstellung von diesen Oxydationen machen, so bleibt keine andere M\u00f6glichkeit der Erkl\u00e4rung, als dass der nascirende ' Wasserstoff, indem er sich aus dem Molecul (Os) ein Atom aneignet, das andere in Freiheit setzt und dadurch aktiv macht. Obwohl die Annahme gerechtfertigt erscheint, dass bei allen Oxydationen durch den inaktiven Sauerstoff immer \u2019 eine Spaltung der Sauerstoffmolecule stattfindet, so sind bis jetzt andere Versuche, welche so klar und einfach, wie .die von H o p p e - S e y 1 e r beschriebenen Oxydationen durch Palladiumwasserstoff das Auftreten des aktiven Sauerstoffs beweisen, nicht bekannt. Dieselben besitzen daher eine principielle Bedeutung f\u00fcr die Lehre vom aktiven Sauerstoff und der Oxydationsvorg\u00e4nge in den Organismen. Das gleichzeitige Auftreten von Ozon neben dem aktiven Sauerstoff, welches den Nachweis des letzteren bei fr\u00fcheren Versuchen erschwerte oder verhinderte, ist hier v\u00f6llig ausgeschlossen. Bringt man Palladiumwasserstoff in ein Becherglas das Wasser und einige Tropfen Jodkaliumst\u00e4rke enth\u00e4lt, so dass das Palladiumblech. etwa zur H\u00e4lfte von der Fl\u00fcssigkeit bedeckt ist, so tritt wie Hoppe-Seyler gezeigt hat, nach einigen Minuten eine Blauf\u00e4rbung durch Bildung von Jodst\u00e4rke ein, und nach V* bis 1 Stunde ist die Fl\u00fcssigkeit intensiv blau gef\u00e4rbt. L\u00e4sst man\n*) Zeitschrift f. physiologische Chemie, Bd. II, S. 24, und Ber. d; deutsch, ehern. Gesellschaft, Bd. 12, S. 1551.\nw","page":247},{"file":"p0248.txt","language":"de","ocr_de":"248\nin gleicher Weise das mit Wasserstoff beladene Palladium-blech mit Wasser allein etwa 1 Stunde lang in Ber\u00fchrung, entfernt alsdann das Palladiumblech aus dem Wasser und setzt in demselben Momente einige Tropfen Jodkaliumst\u00e4rke zu dem Wasser, so tritt keine Spur einer Bl\u00e4uung ein, ein Beweis, dass das Wasser kein Ozon enthielt und dass der active Sauerstoff in demselben wenige Secunden nachdem die Quelle der Activirung entfernt ist, nicht mehr nachgewiesen werden Kann. L\u00e4sst man das Palladiurablech l\u00e4ngere Zeit 6\u2014 12 Stunden in reinem Wasser bei Luftzutritt stehen, so sind in demselben kleine Mengen von Wasserstoffsuperoxyd durch Jodkaliumst\u00e4rke und Eisenvitriol deutlich nachweisbar. Die Bildung des Wasserstoffsuperoxyds kann auffallend erscheinen in einer Fl\u00fcssigkeit, in welcher sich zugleich eine Quelle der WasserstoffentWickelung befindet, sie ist aber erkl\u00e4rlich durch den Umstand, dass der gew\u00f6hnliche Wasserstoff ohne Einwirkung auf das Wasserstoffsuperoxyd ist, welches, einmal gebildet, in dem Wasser sich vertheilt und dadurch theilweise der Ber\u00fchrung mit dem aktiven Wasserstoff entzogen wird.\nHoppe-Seyler hat durch Palladiumwasserstoff einige Oxydationen vermittelt, welche unter diesen Umst\u00e4nden genau ebenso verlaufen wie im Organismus, z. B. die Oxydation des Benzols zu Phenol und mehratomigen Phenolen, des Toluols zu Benzo\u00ebs\u00e2ure; er hat ferner eine Reaktion des Palladiumwasserstoffs beschrieben, welche direkt in unzweideutiger Weise zeigt, dass die durch den Palladium Wasserstoff vermittelten Oxydationen durch das Auftreten von aktivem Sauerstoff veranlasst werden ; diese Reaktion besteht in dem Nachweis, dass beim Ueberleiten von Luft \u00fcber Palladiumwasserstoff f aus dem Stickstoff der Luft salpetrige S\u00e4ure gebildet wird, eine Oxydation, welche bekanntlich weder durch das Ozon noch durch andere oxydirend wirkende Agentien mit Ausnahme des aktiven Sauerstoffs ausgef\u00fchrt werden kann. Auch die Bildung des Wasserstoffsuperoxyds unter den oben geschilderten Bedingungen ist ein direkter Beleg f\u00fcr das Auftreten des aktiven Sauerstoffs.","page":248},{"file":"p0249.txt","language":"de","ocr_de":"249\nDa der nascirende Sauerstoff und das Ozon die kr\u00e4ftigsten Oxydationsmittel sind, die wir kennen, vom aktiven Sauerstoff andere Eigenschaften als seine oxydirenden Wirkungen \u00fcberhaupt nicht ermittelt werden k\u00f6nnen, so ist es von Interesse festzustellen, in welcher-Weise sich diese beiden Modificationen des Sauerstoffs hinsichtlich ihrer Einwirkung auf andere Stoffe von einander unterscheiden lassen. Von solchen Unterschieden sind bis jetzt folgende bekannt:\n1)\tDer aktive Sauerstoff verbindet sich mit dem inaktiven Sauerstoff zu Ozon, das nachweisbar ist in all\u2019 den F\u00e4llen, wo seine Bildung nicht durch die Gegenwart leichter oxydirbarer Stoffe verhindert wird.\n2)\tDer aktive Sauerstoff oxydirt das Wasser zu Wasserstoffsuperoxyd; letzteres entsteht nicht bei der Einwirkung von Ozon auf reines Wasser. Diese Unterscheidung hat bereits Sch\u00f6nbein f\u00fcr das Ozon und Antozon angegeben.\n3)\tDer aktive Sauerstoff oxydirt den Stickstoff der atmosph\u00e4rischen Luft zu salpetriger und Salpeters\u00e4ure; Sch\u00f6nbein hatte diese Reaktion auch dem Ozon zugeschrieben; sp\u00e4tere Versuche lehrten indessen, dass das Ozon den Stickstoff der Luft nicht zu oxydiren vermag.\nEs schien mir von Interesse gerade diese Unterschiede, durch welche der aktive Sauerstoff allein scharf charakterisirt werden kann, etwas weiter zu verfolgen. Hierzu bot eine sehr interessante Beobachtung von Remsen und S.\u00f6uth-worth eine willkommene Gelegenheit. Diese theilten vor einiger Zeit die Beobachtung mit, dass das Ozon bei gew\u00f6hnlicher Temperatur das Kohlenoxyd nicht zu oxydiren im Stande ist1). Es schien im Voraus nicht zweifelhaft, dass der aktive Sauerstoff diese Oxydation bei gew\u00f6hnlicher Temperatur wohl ausf\u00fchren w\u00fcrde. Ich habe zun\u00e4chst die Versuche von Remsen und Southworth wiederholt und bin zu genau demselben Resultate gelangt wie die genannten Autoren ; l\u00e4sst man ozonisirte Luft mit Kohlenoxyd sechs bis acht Stunden lang durch Barytwasser hindurchtreten, So findet keine Abscheidung von kohlensaurem Baryt statt. Nat\u00fcrlich\n'j Berichte der deutsch, chem. Gesellschaft, 9, 1415.","page":249},{"file":"p0250.txt","language":"de","ocr_de":"250\nwar in diesen wie in den sp\u00e4ter zu beschreibenden Versuchen die gr\u00f6sste Sorgfalt darauf gerichtet, jede Spur von Kohlens\u00e4ure aus dem Kohlenoxyd und der Luft, bevor die Gase zum Versuche dienten, zu entfernen. Schliesst man dagegen Palladium Wasserstoff in einer ger\u00e4umigen Glasr\u00f6hre, welche einige Ccm. klares Kalkwasser enth\u00e4lt mit einem Gemenge von reinem Kohlenoxyd und Sauerstoff ein, so bleibt das Kalkwasser zun\u00e4chst v\u00f6llig klar, nach einigen Stunden ist aber eine deutliche Tr\u00fcbung sichtbar und nach einigen Tagen setzt sich ein Niederschlag von kohlensaurem Kalk in der R\u00f6hre ab. Noch deutlicher zeigte sich die Oxydation des Kohlenoxyds durch Vermittelung des Palladium Wasserstoffs in folgendem Versuche. Aus einem Gasometer, welcher eine kohlens\u00e4urefreie Mischung von 3 Vol. Sauerstoff und 1 Vol. Kohlenoxyd enthielt, wurde ein langsamer Strom erst durch eine Waschflasche, welche klares Barytwasser enthielt und von da durch eine R\u00f6hre geleitet, in welcher sich Palladium-wasserstoflf befand ; aus dieser R\u00f6hre trat der Gasstrom wieder durch eine Flasche mit klarem Barytwasser. Nach 4 st\u00e4ndigem Durchleiten war das Barytwasser, welches sich zwischen dem Gasometer und der R\u00f6hre mit dem Palladiumblech befand, v\u00f6llig klar geblieben, dagegen zeigte sich in der zweiten Flasche mit Barytwasser eine deutliche Tr\u00fcbung von kohlensaurem Baryt, die sich bei weiterem inst\u00e4ndigen Durchleiten des Gases allm\u00e4lig vermehrte. Das Barytwasser in der ersten Flasche war auch am Ende des Versuchs noch v\u00f6llig klar.\nDas ungleiche Verhalten von Ozon und aktivem Sauerstoff l\u00e4sst sich noch k\u00fcrzer durch folgenden Versuch demon-striren : Ein langsamer Strom von kohlens\u00e4urefreier Luft wurde durch eine Flasche in welcher sich feuchter Phosphor befindet, und von da in eine zweite Flasche \u00fcbergeleitet, in welcher die ozonisirte Luft einem etwas langsameren Strom eines kohlens\u00e4urefreien Gemenges von 3 Volum Sauerstoff und 1 Volum Kohlenoxyd begegnet; aus dieser Flasche treten die Gase durch klares Barytwasser. Das Barytwasser blieb, nachdem aus dem Apparate selbst erst alle Kohlens\u00e4ure entfernt war, bei 6 st\u00e4ndigem Durchleiten der Gase v\u00f6llig klar.","page":250},{"file":"p0251.txt","language":"de","ocr_de":"251\nWurde dagegen die Mischung von Kohlenoxyd und Sauerstoff in die Flaschen eingeleitet, in welcher der Phosphor sich befand, und nach unserer Vorstellung aktiver Sauerstoff auf-treten muss, so ist das Resultat ein ganz anderes: das vorgelegte Barytwasser wird schon nach kurzer Zeit tr\u00fcbe und im Laufe einer Stunde bildet sich ein reichlicher Ni\u00ebderschlag von kohlensaurem Baryt.\nAus den mitgetheilten Versuchen geht hervor, dass auch das Verhalten des Kohlenoxyds gegen aktiven Sauerstoff zur Erkennung des letzeren ben\u00fctzt werden kann; insbesondere kann es auch zur Entscheidung der Frage dienen, ob bei Oxydationen, welche durch das Ozon bewirkt werden, aktiver Sauerstoff auftritt. Die oxydirende Wirkung des Ozons wird sehr h\u00e4ufig in der Weise erkl\u00e4rt, dass das Ozon dabei zun\u00e4chst in ein Molec\u00fcl von gew\u00f6hnlichem Sauerstoff und ein freies Atom Sauerstoff zerfalle, und dass somit die oxydirende Wirkung des Ozons auf der Bildung von nascirendein Sauerstoff beruhe. Es ist ersichtlich, dass diese Vorstellung sich unterscheidet von einer zweiten Erkl\u00e4rung, nach welcher das Ozon durch direkte \u00fcebertragung eines Sauerstoffatomes, welches nicht zun\u00e4chst als freies Atom, d. h. als nascirender Sauerstoff auftritt, oxydirt.\nWenn bei der Zersetzung des Ozons durch oxydirbare Substanzen in der That zun\u00e4chst aktiver Sauerstoff .auftritt, so ist zu erwarten, dass dabei auch Oxydationen eintreten, welche dem aktiven Sauerstoff zum Unterschiede vom Ozon eigenth\u00fcmlich sind.\nEine \u00e4hnliche Frage hat vor Kurzem Berthelot1) angeregt, indem er untersuchte, ob bei der Zersetzung des Ozons durch Barytwasser bei Gegenwart von Stickstoff salpetrige oder Salpeters\u00e4ure gebildet werde. Bert helot fand, dass bei dieser Zersetzung d\u00e8s Ozons keine Spur von Stickstoffoxyden gebildet wird; mit diesem Erg\u00e9bniss steht die Beobachtung von Remsen und Southworth (loc. cit.) im Einkl\u00e4nge, dass bei der Zersetzung des Ozons durch Baryt-\nl) Berichte der deutsch, chem. Gesellschaft/ 10, \u00ce33.","page":251},{"file":"p0252.txt","language":"de","ocr_de":"253\nwasser bei Gegenwart von Kohlenoxyd keine Kohlens\u00e4ure gebildet wird.\nGegen diese Versuchsanordnung l\u00e4sst sich indessen in Betreff der Entscheidung der vorliegenden Frage einwenden, dass bei der Zersetzung des Ozons durch Barytwasser \u00fcber-haupt keine Oxydation eintritt; bekannt ist ja auch, dass bei der Zersetzung des Ozons durch Wasserstoffsuperoxyd nur inaktiver Sauerstoff gebildet wird. Ich habe daher in dem folgenden Versuche das Ozon durch metallisches Eisen zerst\u00f6rt: durch feuchten Phosphor ozonisirte Luft wurde in eine Flasche geleitet in welche zugleich ein sehr langsamer Strom von kohlens\u00e4urefreiem Kohlenoxyd eingef\u00fchrt wurde* * am Boden der Flasche befand sich eine d\u00fcnne Schicht von Eisenn\u00e4geln ; die vereinigten Gase passirten von da aus eine 4 dec. lange R\u00f6hre, welche mit Eisenn\u00e4geln gef\u00fcllt war, und traten dann durch Barytwasser. Der Versuch ergab, dass das in die zweite Flasche eingetretene Ozon durch das metallische Eisen, das sich an der Oberfl\u00e4che oxydirte, v\u00f6llig zerst\u00f6rt wurde; in dem vorgelegten Barytwasser war auch nach 4 st\u00e4ndigem Durchleiten der Gase keine Abscheidung von kohlensaurem Baryt bemerkbar. Daraus geht hervor, dass bei der Oxydation des Eisens durch das Ozon kein ak\u00fcver Sauerstoff auftritt, sondern eine direkte Uebertragung des Sauerstoffs vom Ozon auf das Eisen statthat. Es kann fraglich erscheinen, ob man dieser Erfahrung eine allgemeine Geltung beimessen darf. Denn es sind Oxydationsvorg\u00e4nge, welche durch Ozon eingeleitet worden, bekannt, bei welchen Wasserstoffsuperoxyd auftritt. So hat Houzeau1) Wasser-stoffsuperoyd nachgewiesen bei der Einwirkung von Ozon auf Alkohol und Aether, Houzeau\u00bb) und Thenard8) fanden dasselbe bei der Oxydation von Indigweissschwefels\u00e4ure durch Ozon. Das Auftreten des Wasserstoffsuperoxyds im erstgenannten Falle l\u00e4sst sich ungezwungen in der Weise erkl\u00e4ren: durch Einwirkung von Ozon auf Alkohol und Aether ent-\n*) Comptes rendus, T. 75, p. 142.\n') Ebendaselbst, T 75, p. 349.\n\u2022) Ebendaselbst, T. 75, p. 458.","page":252},{"file":"p0253.txt","language":"de","ocr_de":"253\nstehen zun\u00e4chst Aldehyd und \u00e4hnliche Substanzen, welche ihrerseits nicht sowohl aus dem Ozon als aus dem gew\u00f6hnlichen Sauerstoff aktiven Sauerstoff zu bilden verm\u00f6gen der mit Wasser Wasserstoffsuperoxyd bildet. F\u00fcr eine analoge Erkl\u00e4rung des Auftretens von Wasserstoffsuperoxyd bei der Einwirkung von Ozon auf Jodkalium, welches Engl er und Nasse1 * *) beobachteten, bei der Zersetzung des Ozons durch Ammoniak, bei welcher Carius8) kleine Mengen von Wasserstoffsuperoxyd gefunden hat, fehlen allerdings zur Zeit gen\u00fcgende Anhaltspunkte.\nAm Eing\u00e4nge dieser Mittheilung habe ich den Versuchen Hoppe-Seyler\u2019s \u00fcber die Activirung des Sauerstoffs eine principielle Bedeutung f\u00fcr das Verst\u00e4ndnis^ der Oxydationsvorg\u00e4nge in den Organismen beigemessen, 1 ) weil sie die Activirung des Sauerstoffs unter den einfachsten bis jetzt bekannten Bedingungen constatirten, 2) weil sie den Nachweis lieferten, dass Oxydationen, die der Organismus ausf\u00fchrt, und welche ausserhalb des Organismus bis dahin nicht realisirt werden konnten, wie die Oxydation des Benzols und Phenol, durch den aktiven Sauerstoff bewirkt w\u00e9rden k\u00f6nnen, 3) weil dieselben den nascirenden Wasserstoff selbst als einen Erreger des Sauerstoffs kennen lehrten, und manche Thatsachen daf\u00fcr sprechen, dass auch in den \u2022 Organismen nascirender Wasserstoff eine Quelle der Erregung des Sauerstoffs ist. Bekannt ist die reichliche Wasserstoffentwiekelung, welche durch niedere Organismen in faulenden Fl\u00fcssigkeiten, in welchen zugleich energische Oxydationen stattfinden, bewirkt wird; bekannt sind ausserdem eine Reihe von Reduc-tionserscheinungen in den Organismen, die als Wirkungen von nascirenden Wasserstoff zu betrachten sind. In einem k\u00fcrzlich erschienenen Aufsatze des Herrn Nene kl1) wird diese von Pr eusse und mir4) vertretene Auffassung einer Kritik unterzogen, deren Motivirung mich zu einigen Bemer-\n*) Annalen d. Chemie und Pharmacie, Bd. 164, S. 215. \u2022\n*) Ebendaselbst, Bd. 174, S. 3t.\n\u2022) Journal f. prakt. Chemie, N. F., Bd. 23, S. 87\u201496. \u25a0\n4) Zeitschrift f. physiol. Chemie, Bd. 3. 8. 168 und Bd. 4, 8.456.","page":253},{"file":"p0254.txt","language":"de","ocr_de":"254\nkungen veranlasst. Herr Nencki1) hatte sich fr\u00fcher im Allgemeinen einverstanden erkl\u00e4rt mit der Bedeutung, welche wir den Versuchen Hoppe-Seyler\u2019s f\u00fcr die Lehre von der Oxydation in den Organismen beilegten, insofern es sich dabei um den aktiven Sauerstoff handle, protestirte aber gegen die Auffassung, dass in den lebenden Geweben nas-cirender Wasserstoff \u00fcberhaupt auftreten k\u00f6nne. Neuerdings ist Herr Nencki* *) indessen zu der Meinung gelangt, dass die Versuche Hoppe-Seyler\u2019s weder viel Richtiges noch Neues enthalten.\nDes Weiteren macht Herr Nencki mir den Vorwurf, ich wolle unsere s\u00e4mmtlichen Kenntnisse \u00fcber die physiologische Oxydation haupts\u00e4chlich Hoppe-Seyler zuschreiben ;\ner f\u00fchlt daher das Bed\u00fcrfniss mich an der Hand der Ent-\u00bb\nWickelung unserer Vorstellungen \u00fcber die Oxydationsvorg\u00e4nge in den Organismen dahin zu belehren, dass der aktive Sauerstoff es sei, durch welchen diese Oxydationen bewirkt werden. Pr eusse und ich hatten uns \u00fcber diesen Punkt schon fr\u00fcher, wie folgt, ge\u00e4ussert: \u00abDa diese Vorstellung (dass die Oxydationen im Organismus auf der Aktivirung des Sauerstoffs beruhen) allen Versuchen Hoppe-Seyler\u2019s zu Grunde gelegt war, so muss eine Discussion hier\u00fcber gegenw\u00e4rtig als \u00fcberfl\u00fcssig erscheinen.\u00bb Die Belehrung des Herrn Nencki muss somit nach dieser Seite als wenig angebracht erscheinen; indessen wird wohl Herr Nencki selbst aus seiner Darlegung unserer Kenntnisse \u00fcber die physiologische Oxydation die Ueberzeugung gewonnen haben, dass Versuche wie die Oxydation von erhitztem Benzol durch Ozon, welche er noch k\u00fcrzlich publicirte*) keine Gesichtspunkte f\u00fcr die Frage der Oxydationsvorg\u00e4nge in den Organismen, liefern k\u00f6nnen.\nHerr Nencki belehrt P r e u s s e und mich mit einigem Nachdruck auch dar\u00fcber, dass der aktive Sauerstoff von dem wir behauptet hatten, er lasse sich nicht darstellen, in pflanzlichen und thierischen Geweben durch die Bl\u00e4uung von Guajak-\n') Zeitschrift f. physiol. Chemie, Bd. 4, S. 342.\n') Journal f. prakt. Chemie, N. F., Bd. 23, S. 87\u20149G.\n*) Diese Zeitschrift, B4. 4, S. 339 ff.","page":254},{"file":"p0255.txt","language":"de","ocr_de":"255\nharz nachgewiesen worden sei. Diese Belehrung scheint indessen doch nicht sehr aufrichtig gemeint zu sein, denn Herr Nencki erw\u00e4hnt auf der n\u00e4chsten Seite, dass schon H u i z i n g a die Unsicherheit der Reaktion mit Tinctura guajaci hervorgehoben habe. Die letztere hat in der That der aktive Sauerstoff nicht nur mit dem Ozon, sondern bei Gegenwart von l\u00f6slichen Fermenten auch mit Wasserstoffsuperoxyd gemein, wie schon Sch\u00f6nbein nachgewiesen hat\nHerr Nencki sucht endlich die Angabe von Hoppe-Seyler, dass bei der F\u00e4ulniss die Bildung von freiem Wasserstoff nur dort erfolgt, wo Sauerstoff nicht zugegen ist, durch folgenden Versuch zu widerlegen: 500 gr. frisches Ochsenpancreas und ein Liter Wasser werden in einem 3,5 Liter haltenden Kolben, der im \u00fcbrigen. mit Sauerstoff gef\u00fcllt ist, der F\u00e4ulniss \u00fcberlassen und vqn Zeit zu Zeit umgesch\u00fcttelt. Das entwickelte Gas enthielt \u2014 wie nicht anders zu erwarten war \u2014 sowohl Wasserstoff als Sauerstoff und zwar in zwei aufgefangenen Portionen von letzterem mehr als zur Oxydation des vorhandenen Wasserstoffs erforderlich gewesen w\u00e4re. Herr Nencki stellt mit diesem Versuche\n. *\tt\t\u2022 *\ndas Urtheil seiner Leser auf eine eigent\u00fcmliche Probe. Dass der Sauerstoff \u00fcber einer faulenden Fl\u00fcssigkeit in relativ kurzer Zeit vollst\u00e4ndig verschwindet, davon kann man sich sehr leicht \u00fcberzeugen, wenn man eine h\u00e4moglobinhaltige Fl\u00fcssigkeit mit F\u00e4ulnissfermenten und Sauerstoff in einer Glasr\u00f6hre einschliesst. Da der nascirende Wasserstoff selbst den Sauerstoff zu activiren vermag, so kann man unm\u00f6glich in Abrede ziehen, dass der Sauerstoff zum gr\u00f6sseren oder kleineren Theile von dem nascirenden Wasserstoff gebunden wird. Eine Activirung des Sauerstoffs durch den nascirenden Wasserstoff kann aber nur da stattfinden, wo der Wasserstoff entsteht und wenn die Wasserstoffatome selbst mit Sauerstoffmoleculen in directe Ber\u00fchrung kommen. Sollte Herr Nencki in der That der Meinung sein, dass bei seinem Versuche die in der faulenden Masse sich entwickelnden einzelnen Wasserstoffatome \u00fcberall mit Sauerstoff in Ber\u00fchrung gekommen sind? Bei der Versuchsaaordnung des Herrn","page":255},{"file":"p0256.txt","language":"de","ocr_de":"Nencki konnte eine solche Ber\u00fchrung \u00bb1er Wasserstoffatome mit dem Sauerstoff nur unmittelbar an der Oberfl\u00e4che des F\u00e4ulnissbreies stattfinden. Das zeitweilige Sch\u00fctteln brachte von Zeit zu Zeit eine etwas gr\u00f6ssere Oberfl\u00e4che der Fl\u00fcssigkeit auf Augenblicke mit dem Sauerstoff in Ber\u00fchrung; die Hauptmenge des Wasserstoffs konnte daher nur in mole-cularem Zustande mit dem Sauerstoff in Ber\u00fchrung kommen und dass diese Gase nicht auf'einander einwirkten, kann wohl kaum \u00fcberraschen. Wenn Herr Nencki sich daf\u00fcr interessirt h\u00e4tte zu pr\u00fcfen, in wie weit die Voraussetzung, dass die einzelnen Wasserstoffatome direct mit Sauerstoff in Ber\u00fchrung kommen, bei seinem Versuche erf\u00fcllt ist, so w\u00fcrde er vielleicht weniger rasch zu dem pathetischen Schl\u00fcsse gelangt sein: \u00abich aber sage, die Angaben von Hoppe-Seyler sind einfach nicht wahr.\u00bb\n258","page":256}],"identifier":"lit16414","issued":"1881","language":"de","pages":"244-256","startpages":"244","title":"Zur Kenntniss des aktiven Sauerstoffs","type":"Journal Article","volume":"5"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:32:28.713399+00:00"}