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{"created":"2022-01-31T12:38:31.750264+00:00","id":"lit16424","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Schipiloff, Catherine","role":"author"},{"name":"A. Danilevsky","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 5: 349-365","fulltext":[{"file":"p0349.txt","language":"de","ocr_de":"c\nUeber die Natur der anisotropen Substanzen des quergestreiften Muskels und ihre r\u00e4umliche Verthqilung\nim Muskelbiindel.\nVon Catherine SchipUofT und A. Danilevsky.\n(!><t lti'daklion\tam 22. Juni 1881);\nWenn man dem Muskelb\u00fcndel durch die von einem der Verfasser beschriebene Methode\u00bb), n\u00e4mlich durch eine zur S\u00e4ttigung des Myosins unzureichende Menge Salzsaure, alles Myosin entzieht und die gequollene Muskelmasse so lange mit destillirtem Wasser wascht, bis die Saure fast entfernt ist, so erhalt man nach dem Durchseihen durch ein Sieb, gelatin\u00f6s gequollene Parlikelcben der Muskelb\u00fcndeK Behandelt man diese auf dem Objecttr\u00e4ger mit Alkohol oder mit Wasser, dem eine Spur Soda zugesetzt ist, so werden die sonst \u00e4usserst durchsichtigen Gebilde je nach der Gr\u00f6sse ihres S\u00e4ureyor-lustes mehr und mehr sichtbar und geben dann einige, sonst\nschwer zu beobachtende Besonderheiten der Muskelstructur zu erkennen.\nBetrachtet man diese gequollenen Bfjndelclien in verschiedenen Stadien ihrer Behandlung mit der erw\u00e4hnten Soda-\u00f6sune, so wild man in unverkennbarer Weise von der Existenz der von W. Krause2) angenommenen \u00abMuskel-k\u00e4stchen\u00bb sofort \u00fcberzeugt. Es ist kaum eine bessere Methode m\u00f6glich,, diese Gebilde klar und sicher anschaulich zu machen, als die eben erw\u00e4hnte.\nV) Diese Zeitschrif! 1881. Bd. V, S. 158.\t;\nKrause. Gotting. Nachr. 18\u00bb>8 Nr. 17; Zeitsdir. f. Biologie, Bd. V, S. 411; Pfl\u00fcgers Arcli, Bd. VII, S 508..\nZeitschrift f. physiol. Chemie V.\tg.j","page":349},{"file":"p0350.txt","language":"de","ocr_de":"m\nEs war nicht unsere Absicht, die feinere Structur dieser Gebilde zu untersuchen, darum setzen wir die n\u00e4here Kennt-niss dieses von W. Krause entdeckten Baues voraus, krause s Methode beruht auch auf S\u00e4ureeinwirkung, nur haben wir keinen UeberschUssdieses Reagens angewandt, wasbei Krause h\u00f6chst wahrscheinlich geschah. Ueberl\u00e4sst man die myosinfreien B\u00fcndel der Einwirkung einer im Verh\u00e4ltnis zur\nS\u00e4ttigungscapacit\u00e4t des Myosins \u00fcbersch\u00fcssigen Salzs\u00e4uremenge, so findet man, gest\u00fctzt auf Untersuchungen in verschiedenen Wirkungsstadien, dass die differenfen Gebilde, welche die Muskelk\u00e4stchen componiren, sich nicht in gleicher Weise gegen\u00fcber der S\u00e4ure verhalten, sondern sich in drei gut unterscheidbare Substanzen eintheilen lassen,\na)\tDie erste, welche die longitudinalen (in der Richtung der longitudinalen Muskelb\u00fcndelaxe) K\u00e4stchenw\u00e4nde bildet, ist am leichtesten in der verd\u00fcnnten S\u00e4ure l\u00f6slich; quillt zuvor\nst\u00e4rker an und wird dadurch ohne Neutralisation der\nS\u00e4ure am schwersten sichtbar.\nb)\tDie zweite ist gegen die S\u00e4ure viel resistenter, sowohl in Bezug auf Quellung als auch in Bezug aut L\u00f6slichkeit, diese bildet die beiden Querw\u00e4nde eines jeden K\u00e4stchens.\nc)\tDie dritte Substanz bildet die Quermembran (Querlinie Krauses), diese wird nur durch sehr lang fortgesetzte S\u00e4urewirkung zerst\u00f6rt, eine Resistenz, welche schon Krause hervorhob. Die Zerst\u00f6rung aber wird nicht von einer starken Quellung, wie dieses f\u00fcr a und b gilt, begleitet. Diese Substanz schien daher von vornherein nicht derselben Natur wie die eigentlichen K\u00e4stchenw\u00e4nde zu sein, was sich auch durch weitere torschung bew\u00e4hit hat. Voi ihrer Aufl\u00f6sung zeigt dieses Gebilde keinen gleichm\u00e4ssigen Bau, sondern l\u00e4sst vermuthen, dass diese \u00abMembran\u00bb (?) auch iin normalen Zustande aus verschmolzenen Abtheilungen besteht. Uebrigens \u00fcberlassen wir diese Frage den ilistologen.\nDie sogenannten Bowman\u2019sehen Discs, welche sich, wie bekannt, mit sehr verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure darstellen lassen, sind njehts weiter als eine den B\u00fcndelquerschnitt durch-","page":350},{"file":"p0351.txt","language":"de","ocr_de":"351\nlaufende doppelte Reihe von K\u00e4stchenquerwanden die in ihrer Mitte die Quermembran einschliesst. Sie entstehen nur dann, wenn ein Ueberschuss*) der S\u00e4ure vorhanden war, welcher die am leichtesten l\u00f6sli\u00f6hen L\u00e4ngswandungen zerst\u00f6rt hat. Man kann diesen Process sehr sch\u00f6n verfolgen.\nMyosin, das durch die zuerst angewandte Salzs\u00e4ure entfernt wird, bildet neben andern Substanzen den Inhalt der Krause'sehen K\u00e4stchen. Behandelt man unter dem Mikro-scope ein Muskelb\u00fcndel mit h\u00f6chst verd\u00fcnnter (0,01 %) Salzs\u00e4ure und setzt nach dem Aufquellen eine ebenso verd\u00fcnnte Soda-l\u00f6sung hinzu, so bilden sich im Innern des B\u00fcndels, sowie in der Umgebung feink\u00f6rnige Niederschl\u00e4ge. Myosin f\u00fcllt aber den K\u00e4stchenraum nicht allein aus, denn der K\u00e4stcheninhalt ist nicht homogen. Es ist bekannt, dass das lebende, eben so wie das abgestoibene und sogar mit gewissen Agentien behandelte Muskelb\u00fcndel oder vielmehr derjenige Theil desselben, welcher dem Krause\u2019sehen K\u00e4stchen entspricht, nicht nur im gew\u00f6hnlichen sondern auch im \u2022* polarisjrtem Lichte als aus ungleichen Partien oder Substanzen zusammengesetzt erkannt wird. Weiterhin ist auch bekannt, dass das B\u00fcndel nach der Behandlung mit viel Wasser dieselbe Doppelbrechung, zeigt, wie vorher, was die Verfasser best\u00e4tigen k\u00f6nnen. Man m\u00fcsste daraus schon schliessen, dass die doppelbrechenden Substanzen durch Wasser dem B\u00fcndel nicht entzogen werden. Da aber nicht nur Myosin sondern auch andere Partien in dem gewaschenen B\u00fcndel Zur\u00fcckbleiben, so ist die doppelbrechende Eigenschaft nicht sofort und allein dem Myosin zuzuschreiben.\t,\nH\u00e4lt man sich der Bequemlicheit halber an das in Hermann\u2019s Handbuch der Physiologie2) gegebene Schema und ber\u00fccksichtigt man das oben Gesagte, so sieht inan ein, dass die Doppelbrechung auch den nach vollst\u00e4ndiger Entfernung des Myosins hinlerbleibcnden K\u00e4stchen Wandungen zuertheilt werden muss, da die oben erw\u00e4hnten Querw\u00e4nde welche ja die Nebenscheibe der Autoren verstellen-, -schwach\n*) Im oben bezeiclmelem Sinne.\n*) L. Hermann Y Handbuch der Physiologie, Bd. I, \u00efh. I, S. H\n1","page":351},{"file":"p0352.txt","language":"de","ocr_de":"352\nanisotrop sein sollen. Die Quermembran ist nach Krause auch doppelbrechend, was auch von anderen Forschern best\u00e4tigt wurde1). Wir haben uns darum die Frage gestellt, welcher Natur diejenigen Stoffe sind, welche dem myosinhaltigen und myosinfreien Muskelb\u00fcndel seine doppelbrechende Eigenschaften erlheilen. Im Laufe unserer Versuche haben wir uns begn\u00fcgt, bloss die Anwesenheit oder die Abwesenheit der Doppelbrechung zu eonstatiren, ohne auf ihren optischen Character n\u00e4her einzugehen. Wir fangen die Mittheilung unserer Versuche .mit dem myosinfreien Muskelb\u00fcndel an.\nDas durch eine Spur S\u00e4ure stark gequollene myosinfreie B\u00fcndel zeigt keine Spur Doppelbrechung.\nDas v\u00f6llig s\u00e4urefreie oder durch Alkohol- oder Soda-Zusatz sehr wenig zusammengezogene myosinfreie B\u00fcndelchon zeigt eine sichere, aber ganz schwache Doppelbrechung. St\u00e4rkeres Schrumpfen verst\u00e4rkt die Doppelbrechung nur wenig, was durch Alkohol, Glycerin oder concentrirte Tanninl\u00f6sung hergestellt werden kann.\nDas mit Wasser gewaschene, aber noch myosinhaltige Muskelb\u00fcndel zeigt ziemlich starke Doppelbrechung besonders nach Alkoholzusatz und Entfernung des \u00fcbersch\u00fcssigem Wassers. Man m\u00fcsste daraus schliessen, dass der gr\u00f6sste Theil der Doppelbrechung von dem leicht ent fernbaren Myosin herr\u00fchrt. Sollte vielleicht die \u00fcbrige Doppelbrechung auch von einer Myosinart, welche nicht so leicht dem B\u00fcndel entzogen werden kann und welche das K\u00e4stchensystem aufbauen hilft, abh\u00e4ngenV\nFolgende Thatsachen antworten auf diese Fragen negativ.\nMan nehme ganz mageres Fleisch, entferne sorgf\u00e4ltig das Bindegewebe, Fett und die Nervcnst\u00e4mmchen, zerkleinere fein, wasche vollst\u00e4ndig mit Wasser aus und seihe durch ein Sieb, dessen Maschen ungef\u00e4hr die Gr\u00f6sse eines Quadrat-Millimeters besitzen. Die durchgegatigenc Masse wird nach tier angegebenen Methode1) mit ungen\u00fcgender Menge Salzs\u00e4ure in viel Wasser behandelt und hinterher mit Wasser vollst\u00e4ndig von der salzsauren Myosinl\u00f6sung befreit. Man\n1 ) Krause. Pfl\u00fcgers Archiv, Bd. 7, S. 008. 500.\nDiese Zeitschrift, 1881, Bd. V, S. 158.","page":352},{"file":"p0353.txt","language":"de","ocr_de":"353\nerh\u00e4lt auf diese Weise das K\u00e4stchensystem des B\u00fcndels mit einer Beimischung anderer Gewebe, wie Befasse und Nerven. Der bei weitem gr\u00f6ssere Tlieil der Masse wird aber durch die Muskelb\u00fcndel selbst ropr\u00e4sontirt. W\u00e4re in diesem schwach doppelbrechendem B\u00fcndelrest noch schwerl\u00f6s!iclies Myosin vorhanden, so mussten sich in ihm. wenigstens einige der charakteristischen Myosineigenschaften wie(tcffinden. Heines Myosin1) hinterl\u00e4sst eine schwach alkalische Asche, welches freies Calciumoxyd enth\u00e4lt. Ein Tlieil des Calciums ist im Myosin an organische Atomgruppen gebunden. Verbrennt man aber die myosinfreie B\u00fcndelnmsse und gl\u00fcht st\u00e4rk die Asche, so liefert sie mit wenig Wasser aufgekocht eine saure L\u00f6sung, die nicht nur Lakmus r\u00f6thet, sondern sogar Trop\u00e4olin OO so ver\u00e4ndert, wie es nur durch freie Minerals\u00e4uren geschieht. Diese w\u00e4sserige L\u00f6sung enth\u00e4lt in der That eine verh\u00e4ltnissrn\u00e4ssig grosse Menge Phosphors\u00e4ure. Der in Wasser unl\u00f6sliche Aschentheil l\u00f6st sich in verd\u00fcnnter Salpeters\u00e4ure oder Salzs\u00e4ure auf und besteht aus Calcium, Magnesium und wiederum Phosphors\u00e4ure. Die Substanz enth\u00e4lt also eine grosse Menge an organische Atomgruppen gebundene Phosphor-s\u00e4ure. Dieses Verh\u00e4ltniss erinnert sogleich an Lecithin, welches ja als solches von Diacono ws) und in seinem Zersetzungs-product \u2014 der Glycerinphosphors\u00e4ure \u2014 von Valenciennes und From y3) als Bestandtheil des Muskels aufgefunden wurde.\nIn der That zieht warmer Alkohol oder besser Aetlier-alkohol aus den v\u00f6llig myosin- und s\u00e4urefreien Muskelb\u00fcnd\u00e7ln eine verh\u00e4ltnissrn\u00e4ssig sehr grosse Menge eines .fett\u00e4hnlichen K\u00f6rpers aus, welcher sich nach dem Verhalten gegen heisse Kalilauge (Entwicklung stark alkalischer D\u00e4mpfe), nach seinem grossen Phosphors\u00e4uregehaty, nach der Zersetzlichkeit (Br\u00e4unung) beim Erhitzen als Lecithin kennzeichnet. Ersch\u00f6pft man die Muskelmasse m\u00f6glichst vollst\u00e4ndig mit warmen Aetheralkohol, so liefert die r\u00fcckst\u00e4ndige Substanz beim Veraschen nur noch Spuren von freier Phosphor s\u00e4ure, aber\n*) Diese Zeitschrift, 1881, Bd. V, S. 158.\no Centralblatt f\u00fcr die rnedicinischen Wissenschaften 18457, S; 674.\n') L. Hermann\u2019s Handbuch der Physiologie, Bd. I, S 276.","page":353},{"file":"p0354.txt","language":"de","ocr_de":"354\nviel mehr von derselben in Verbindung mit Calcium und Magnesium. Man kann also annehmen, dass s\u00e4mmtliche in der Asche frei erscheinende Phosphorsaure in dem myosin-freien Muskelb\u00fcndel als Lecithin vorhanden ist. Unser Befund dient nicht nur zur Best\u00e4tigung der Behauptungen der oben genannten Autoren, sondern auch zum Nachweis, dass Lecithin nicht im Inhalte, sondern an den Wandungen der Krauseschen K\u00e4stchen seinen Sitz hat.\nDen Eimvurf, dass das Lecithin des mit Wasser und S\u00e4ure ausgelaugten Muskels aus den Nerven stamme, k\u00f6nnen wir dadurch widerlegen, dass die Hauptmasse des auf die beschriebene Weise dargestcllten Lecithin unm\u00f6glich aus dieser Quelle seinen Ursprung nehmen kann. Wir haben n\u00e4mlich aus 700 gr. Fleisch, aus welchem Fett und Nerven sorgf\u00e4ltig entfernt waren, einmal 1,5 gr. ein andermal bis 2,0 gr. Lecithin1), darstellen k\u00f6nnen.\nEs war schon erw\u00e4hnt, dass das mit Wasser ausgewaschene aber myosinhaltige Muskjdb\u00fcndel starke Doppelbrechung zeigt, dass aber das myosinfreie, aber noch lecithinhaltige B\u00fcndel nur schwach doppeibrechend ist.\nWird aber Lecithin durch Aethoralkohol bei 40\u00b0 ent-\nfernt, so bleibt die Doppelbrechung, wenn auch die Substanz compacter geworden ist, vollst\u00e4ndig aus.\nDie Entfernung des Lecithins bewirkt noch eine andere wichtige Ver\u00e4nderung im B\u00fcndel. Es verliert n\u00e4mlich seine Querstreifung und seinen K\u00e4stchenbau und ist dann nichtsi mehr als ein die B\u00fcndelform behaltendes Aggregat von rundlich-ovalen, grossen, ziemlich stark licht brechenden K\u00f6rnern. Je mehr Lecithin extra hi rt ist, desto mehr B\u00fcndelchon trifft man mit dieser k\u00f6rnigen Beschaffenheit. Die doppelbrechende Eigenschaft ist nur an denjenigen B\u00fcndelehen, welche noch die Querstreifen zeigen, bemerkbar; niemals aber an diesen k\u00f6rnigen, desorganisirten Muskelst\u00fcckchen.\nBehandelt man die myosinfreien B\u00fcndel statt mit Aether-alkohol nur mit Alkohol oder 00% Weingeist, und wird die Mischung behufs der Leeithinexlraetion einige Stunden im\n') Vielleicht nicht ganz fettliei.","page":354},{"file":"p0355.txt","language":"de","ocr_de":"355\nSieden erhalten, so geht mit dem Lecithin auch die Doppelbrechung und die Organisation verloren, aber die B\u00fcndel sind durch Wirkung der Warme stark 'geschrumpft und m\u00fcssen f\u00fcr die Untersuchung in h\u00f6chst Verd\u00fcnnter Sodal\u00f6sung langsam aufquellen.\nSogar blosses Erhitzen des myosinfreien B\u00fcndels in zugeschmolzenem Rohr, mit Wasser auf 100\" w\u00e4hrend, einer Stunde, wodurch ein Theil des Lecithins zerst\u00f6rt wird, ruft auch in vielen B\u00fcndeln die k\u00f6rnige Beschaffenheit hervor, indem es ihre Organisation zerst\u00f6rt.\n\u2022\tt\nDaraus ergibt sich, dass diejenigen Agentien, welche wohl das Lecithin, nicht aber dit\u00bb eiweissartigen Stoffe l\u00f6sen, auch die Organisation des Kaschen banes zerst\u00f6ren und einen Zerfall ihrer Wandungen in regelm\u00e4ssig gestaltete, grosso K\u00f6rner bewirken. Die Dimensionen dieser K\u00f6rner sind kaum gr\u00f6sser als die Dimensionen der K\u00e4stchen selbst. Das Lecithin ist also kein bedeutungsloser Bestandtiieil des B\u00fcndels, sondern zusammen mit einer in verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure schwer l\u00f6slichen Ei weissart dient es zum Aufbau der das B\u00fcndel zusammensetzenden F\u00e4cher, oder K\u00e4stchen.\nAusserdem muss aus dem Angef\u00fchrten geschlossen weiden, dass die Doppelbrechung des myosinfreien B\u00fcndels lediglich vom Lecithin ab h\u00e4ngt, denn der Eiweissrest des B\u00fcndels zeigt keine Spur Doppelbrechung. Diese Behauptung wird dadurch bekr\u00e4ftigt, dass Lecithin aus Eidotter, so wie auch das br\u00e4unliche von uns aus Muskeln extrahirte Lecithin nach dem Verdampfen des Aether's, sei es krystallisirt, sei es amorph, sehr stark doppelbrechend ist.\nDie oben \u00fcber Lecithin und seine Rolle im Muskelb\u00fcndel angef\u00fchrten Thatsachen dienen zur Aufkl\u00e4rung einer l\u00e4ngst bekannten Erscheinung, welche man an Mnskelb\u00fcndeln beobachtete. Man weiss n\u00e4mlich, dass ein solches durch Einwirkung verschiedener Agentien in doppelter Art in feinere Theile zerlegt werden kann. Eine Gruppe von Reagentien zerlegen das B\u00fcndel in sogenannte Discs, die andere Gruppe zerspaltet es in Fibrillen. Betrachtet man beide Agentien-","page":355},{"file":"p0356.txt","language":"de","ocr_de":"356\ngruppen in ihren Verh\u00e4ltnissen zu denjenigen zwei Haupt-beslandtheilen des B\u00fcndels, welche seine F\u00e4cher oder K\u00e4stchen bilden, d. h. zu der schwerl\u00f6slichen Eiweissart und zuin Lecithin, so findet inan, dass alle diejenigen Agentien, die Lecithin mehr oder weniger leicht aufl\u00f6sen k\u00f6nnen, (Alkohol, Aetheralkohol) oder es leicht zerst\u00f6ren (verd\u00fcnnte Chroms\u00e4ure) das Muskelh\u00fcndel in Fibrillen spalten, dass dagegen diejenigen Substanzen, welche mehr Neigung haben die Eiweissstoffe aufzul\u00f6sen (sehr verd\u00fcnnte S\u00e4uren, verd\u00fcnnte 'Sodal\u00f6sung, Magensaft etc.) das B\u00fcndel in die Discs zerlegen. Im letzteren Falle werden, wie schon oben bemerkt wurde, die longitudinalen K\u00e4stchenw\u00e4nde sainrnt Myosin aufgel\u00f6st, die K\u00e4stchenquerw\u00e4nde aber eines und desselben B\u00fcndelquerschnitts bleiben im Zusammenh\u00e4nge und ein Paar derselben durch die Querlinie Krause's geschieden, bildenden Disc. Im ersteren Falle dagegen bleiben die longitudinalen K\u00e4st dien w\u00e4nde intact, es wird aber das Lecithin des Discs entfernt und dadurch die K\u00e4stchenquerw\u00e4nde eines B\u00fcndel-qirerschnitts von einander losgetrennt. Da durch die erste Agentiengruppe zugleich mit der Aufl\u00f6sung des Lecithins die Eiweisstofle stark coagulirt und resistenter gemacht werden, so muss der Inhalt im festen Zusammenh\u00e4nge mit den K\u00e4stchen wanden bleiben. Diese beiden Wirkungen, die Los-trennung der Querw\u00e4nde in der Richtung des B\u00fcndelquerschnittes und die gr\u00f6ssere Resistenz in der longitudinalen Reihe der K\u00e4stchen muss zum Zerfall in Fibrillen f\u00fchren.\nDiese Erkl\u00e4rung f\u00fchrt aber zu der Voraussetzung, dass das Lecithin, wenn es wirklich eine Art Kittsubstanz im B\u00fcndel durstellt, (im anatomischen Sinne) nicht gleichm\u00e4ssig im myosinfreien B\u00fcndel vertheilt* sein kann, sondern stellenweise angehauft sein muss, dass demgem\u00e4ss, laut oben gezogenem Schluss auch die Doppelbrechung eines solchen B\u00fcndels ungleichartig \u00fcber seine feinere Partien vertheilt sein muss. Leider konnten wir wegen Mangel an sehr starken Vergr\u00f6s-serungen, welche hier unbedingt nothwendig sind, diese Frage nicht zur einer sicheren Entscheidung bringen.\nEs war oben erw\u00e4hnt, dass das mit Wasser gewaschene","page":356},{"file":"p0357.txt","language":"de","ocr_de":"357\naber noch myosinhaltige Muskelb\u00fcndel bei Weitem st\u00e4rkere Doppelbrechung zeigt, als das mit Salzs\u00e4ure behandelte. Es war daraus zu schlossen, dass entweder Myosin selbst oder eine andere mit ihm zusammen verschwindend^ Substanz die Ursache dieser Erscheinung ist. Allein in dem salzsauren Auszug des gewaschenen Muskelbreies findet man neben Myosin keine anderen Substanzen. Um aber die Sicherheit zu gewinnen, dass eben Myosin die starke Doppelbrechung bedingt, musste man diese letztere Erscheinung am isolirten Myosin nachweisen. Dies ist uns auch in folgenden Versuchen gelungen.\nZuerst haben wir uns \u00fcberzeugt, dass sehr concent rirte, dickliche Myosinl\u00f6sungen (in Salzs\u00e4ure oder in Salmiak) in Tropfenform oder in einer bis 8 mm. hohen Schicht kerne sicher nachweisbare Doppelbrechung erzeugen. Dies stimmt mit der bekannten Erfahrung \u00fcberein, nach welcher durch S\u00e4ure oder Alkali stark gequollene Muskelb\u00fcndel ihre Doppel- < brechung einb\u00fcssen.1) Es war daraus klar, dass im doppelbrechenden Muskelb\u00fcndel Myosin weder stark gequollen, noch gel\u00f6st zugegen ist. Jedenfalls aber muss es sich dort stark mit Wasser, oder w\u00e4sserigen Salzl\u00f6sungen impr\u00e4gnirt vorfinden. Wir haben uns also bem\u00fcht, das isolirte Myosin in einem analogen Zustand \u00fcberzuf\u00fchren.\nWird auf einem. Objecttr\u00e4ger ein Tropfen einer m\u00f6glichst conceritrirten ein oder mehrere Male filtrirten salzsauren Myosinl\u00f6.sung (welche mit zur S\u00e4ttigung ungen\u00fcgender Menge Salzs\u00e4ure dargestellt ist) sehr vorsichtig eingetrocknet, so erh\u00e4lt man einen durchsichtigen, muscheligen Fleck,, welchem man verschiedene Dicke geben kann. Dieser Myosinfleck zeigt nun sehr sch\u00f6ne Doppelbrechung, mag er im ganz trockenen oder durch Hauchen feucht gemachten oder durch wenig Wasser zur Gelatine gequollenen Zustande mit dem Polarisations-apparate untersucht werden.\nWird eine salzsaure Myosinl\u00f6sung durch Sodazusatz neutralisirt und der Niederschlag durch einen minimalen\n) Valentin. Die Untersuchung der Pflanzen- und Thiergewebe in polarisirtem Lichte, 1861, S. 278.","page":357},{"file":"p0358.txt","language":"de","ocr_de":"358\nIJeberschuss dos Alkali wieder gel\u00f6st und wird mit dieser Irischen alkalischen L\u00f6sung ein trockener Fleck wie oben erzeugt, so findet inan ihn trocken oder feucht, auch doppelbrechend.\n.Wird Myosin durch vorsichtige Neutralisation seiner sauren L\u00f6sung gef\u00e4llt, durch Fliesspapier rasch vom meisten Wasser befreit, so zeigt der Niederschlag sicher nachweisbare, wenn auch schwache Doppelbrechung. Je mehr Wasser dem Niederschlage durch Fliesspapier oder durch Alkoholzusatz entzogen wird, desto st\u00e4rker wird die Doppelbrechung.\nAus seiner Salmiakl\u00f6sung wird Myosin durch \u00fcusserst wenig S\u00e4ure in grossen durchscheinenden Klumpen ausgo-schieden. Dieser Niederschlag ist unter denselben Bedingungen sogar etwas starker doppelbrechend als der in salzsaurer L\u00f6sung erzeugte.\nDieselben Eigenschaften besitzt das durch Alkohol aus Salmiakl\u00f6sung ausgeschiedene Myosin, nachdem es, wie oben erw\u00e4hnt, mit Wasser mehrere Male rasch nach einander abgesp\u00fclt war.\nDer Contr\u00f4le wegen haben wir vollkommen dieselben Versuche mit sauren und alkalischen L\u00f6sungen von Serumalbumin, Eieralbumin und Casein ausgef\u00fchrt, aber unter keiner Bedingung konnten wir in den trockenen, feuchten und nassen K\u00f6rpern eine Spur Doppelbrechung auflinden. (Eine Ausnahme macht eine dicke, scharf getrocknete Schicht dieser Stoffe, welche stellenweise, besonders an Bissen Doppelbrechung zeigt, doch ist dieser Sachverhalt f\u00fcr unsere Frage nicht massgebend). Die Doppelbrechung ist f\u00fcr Myosin so charakteristisch, dass man zwischen vielen Trocken flecken oder feuchten Niederschl\u00e4gen die dem Myosin ungeh\u00f6rigen sofort erkennen kann.\nDie angef\u00fchrten Beobachtungen zwingen zu der Annahme, dass die Doppelbrechung des 'mit Wasser ausgewaschenen, aber myosinhaltigen Muskelb\u00fcndels (resp. des K\u00e4slcheninhalles) von Myosin her r\u00fchrt. Mit diesem Ergebnis\u00ab unserer Versuche sind eigentlich die Hauptfragen \u00fcber die Natur der anisotropen Substanzen des Muskel-","page":358},{"file":"p0359.txt","language":"de","ocr_de":"359\nb\u00fcndels, sowie auch ihre r\u00e4umliche Vertheilung gen\u00fcgend heantwortet, denn es bleibt nichts \u00fcbrig als amtunehmen, dass die die Mitte der Muskellacher einnehmenden, von den Ilistologen schon lange als stark doppelbrechend ange^ sproclienen Querscheiben, Myosinlager darstellen. Man k\u00f6nnte sie am besten als Myo si lisch ei heben des Faches oder des K\u00e4stchens bezeichnen.\nAllein wir haben in unseren Bestrebungen die Natur der anisotropen Substanzen des Muskels besser-zu erkennen, einen Schritt weiter gemacht und wir wollen auch diese nicht uninteressanten Beobachtungen hier niederlegen.\nWird gut mit Wasser ausgewaschener Muskelbrei behufs der Myosinextraction mit ungen\u00fcgender Salzs\u00e4uremenge oder mit Salmiak bearbeitet, so quellen sofort die Muskelst\u00fcckchen auf, werden durchsichtig und bilden durch Verklebung ein zusammenh\u00e4ngendes Magma, \u00fcber dem sich eine dickliche tr\u00fcbe Fl\u00fcssigkeit ansammell. Bringt man die ganze Mischung auf ein Filter aus dickem Filtrirpapicr, so l\u00e4uft (abgesehen von den ersten Paar Cubiccentimetern, welche man aufs-Filter zur\u00fcckgiesst) eine schwach tr\u00fcbe, (salzsaure L\u00f6sung) oder stark opalescirende (Salmiakl\u00f6sung) Fl\u00fcssigkeit durch. Giesst man den gr\u00f6ssten Theil des Filtrats aufs Filter zur\u00fcck, so bemerkt man, dass die tr\u00fcbe Fl\u00fcssigkeit, je \u00f6fter , sie die zusammengeklebte, gequollene Masse passiren muss, desto klarer und d\u00fcnnfl\u00fcssiger wird. Alle L\u00f6sungen;' aber enthalten nichts als Myosin. Ja wenn man das zuerst erhaltene tr\u00fcbe Filtrat f\u00fcr sich durch sehr dichtes Filtrirpapicr viehn\u00e4l durchgelien l\u00e4sst, so beobachtet man dieselbe Erscheinung. Man kann also sagen, dass ein Theil des Myosins aus den erw\u00e4hnten L\u00f6sungen sich allm\u00e4lig in den Poren des Papiers absetzt und sie verstopft. Dieses kann aber nur bei ei'ueni K\u00f6rper, der sich nicht in wahrer L\u00f6sung, sondern in suspen-dirtem Zustande in der Fl\u00fcssigkeit vorfmdet, der Fall Sein. Beachten wir ferner noch, dass je klarer und' d\u00fcnnfl\u00fcssiger die salzsaure Myosinl\u00f6sung durch wiederholte Filtration geworden ist, desto schw\u00e4cher die Doppelbrechung \\vird, welche ihre Trockenflecken und Ausscheidungen erzeugt, so","page":359},{"file":"p0360.txt","language":"de","ocr_de":"360\nsehen wir, dass haupts\u00e4chlich die vom Papier abgehaltenen feinen Myosinpartikelchen es sind, welche die Doppelbrechung bedingen.\nSehr unerwartet war f\u00fcr uns folgender Befund: Myosin, Welches durch gelindes ( 10\u201450\") Erw\u00e4rmen mit einem gegen\u00fcber seiner S\u00e4ttigungscapacit\u00e4t schwachen Uebersehtiss von verd\u00fcnnter Sal/.s\u00e4ure, vollst\u00e4ndig in Syntonin \u00fcbergef\u00fchrt ward, zeigte seine Doppelbrechung unter denselben Bedingungen wie vorher. Eine solche salzsaure Synloninl\u00f6sung ist nur wenig klarer als die urspr\u00fcngliche Myosinl\u00f6sung. Auch sie wird durch \u00f6fteres Filtriren durch dasselbe St\u00fcck dichten Fillrirpapier klarer, d\u00fcnntl\u00fcssigor und schw\u00e4cher doppelbrechend.\nErhitzt man dagegen Myosin oder Syntonin, welche gute Doppelbrechung zeigten mit st\u00e4rkerer (etwa 2%) Salzs\u00e4ure Oiler mit nur einem kleinen S\u00e4ure\u00fcberschuss, aber mit viel Wasser, l\u00e4ngere Zeit auf 70\u201400\u00b0, so beobachtet man, dass die L\u00f6sungen sich kl\u00e4ren und die Substanz ihre Doppelbrechung allm\u00e4lig ganz und gar verliert. Solche optisch inactiven Syntoninl\u00f6sungen sind wahre L\u00f6sungen und zeigen nach ott maligen Filtriren stets dieselbe Concentration, obwohl sie auch ganz schwache \u00dcpalescenz aufweisen. Durch diese Behandlung werden also die vermutheten Myosin- (und auch die optisch-activen Syntonin-) Partikelchen zerst\u00f6rt und in wahre L\u00f6sung \u00fcbergef\u00fchrt. Das was die Salzs\u00e4ure im Ueber-schuss und in der Hitze ziemlich schnell herbeif\u00fchrt, wird h\u00f6chst wahrscheinlich von nicht \u00fcbersch\u00fcssiger Salzs\u00e4ure auch in der K\u00e4lte, aber nur zum kleinen Tlieil und unvoll-st\u00e4ndig bewirkt. Darin muss wahrscheinlich die Thalsache, dass Myosin aus der Salmiakl\u00f6sung st\u00e4rkere Doppelbrechung zeigt als aus sauren L\u00f6sungen, ihre Erkl\u00e4rung linden. Zu allem dem muss aber die wichtige Bemerkung hinzugef\u00fcgt werden, dass der chemische Character des Syntoil ins nach dem Verlust seiner Doppelbrechung und seinem U eher gang in wahre L\u00f6sung nicht ver\u00e4ndert wird.\nMan muss daraus schliessen, dass in beiden optisch","page":360},{"file":"p0361.txt","language":"de","ocr_de":"361\nverschiedenen Zust\u00e4nden Syntonin chemisch gleich, physikalisch aber verschieden gestaltet ist. Wir konnten kein Mittel finden durch welches man dem Myosin unter Erhaltung seines chemischen Charakters, seine Doppelbrechung nehmen k\u00f6nnte, \u00abloch werden weiter unten Versuche, welche dieses Resultat auf einem Umwege erreichten, angef\u00fchrt werden. Wir k\u00f6nnen also jetzt gleich die Behauptung aufstellen, dass. Myosin und Syntonin in zwei physikalisch verschiedenen Zust\u00e4nden existiren k\u00f6nnen: erstens in ausserst feinen, mit dem Mikroscope unsichtbaren Partikelchen und zugleich doppelbrechend, zweitens ohne diese beiden Eigenschaften.\nIst die Doppelbrechung im Allgemeinen die Function eines krystalloiden Zustandes, was doch f\u00fcr die meisten F\u00e4lle richtig sein muss, so wird man durch die hier niedergelegten Beobachtungen zu der h\u00f6chst wahrscheinlichen Annahme gef\u00fchrt, dass die d o p p e 1 b r e c h e n d e n M y o s i n - u n d Syn ton in modificationcn in krystalloiden Partikelchen existiren. Da die Myosinscheibchen (Querscheibe) des Muskelfaches doppelbrechend sind, so muss man den krystalloiden Zustand auch f\u00fcr das Myosin des\u2019. \u2022 Muskelb\u00fcndels annehmen.\t\u25a0\nSehr bemerkenswerlh ist die Thatsache, dass Myosin in Syntonin \u00fcbergehen kann unter Beibehaltung seiner Doppelbrechung, d. h. seiner krystalloiden Gestalt. Das beweist nur, \u2022 dass diese krystalloide Gestalt nicht in jeder Hinsicht den gew\u00f6hnlichen festen Krystallen analog ist. Unter Erhaltung ihrer krystalloiden Gestaltung m\u00fcssen die Myosinp\u00e4r-t i k e 1 c h e n so weit nachgiebig und mit Wasser impr\u00e4g-nirt (Krystallisationswasser?) sein, dass dadurch eine leichte A t o m v e r s c li i e b u n g i n e i n z e 1 n e n M o 1 e c \u00fc 1 en\ndes Krystal loi ds erm\u00f6glich t ist.\nDie oben erw\u00e4hnte Beobachtung, nach welcher frische ' m\u00f6glichst conccntrirte Myosin- und Syntoninl\u00f6sungen keine Doppelbrechung selbst in dicken Schichten zeigen, steht in scheinbaren Widerspruche mit den eben erzielten Resultaten \u00fcber den krystalloiden Zustand dieser Stoffe. Dieser Wider-","page":361},{"file":"p0362.txt","language":"de","ocr_de":"362\nSpruch ist aber wahrscheinlich so zu erkl\u00e4ren, nass in einer L\u00f6sung die krystalloidon Partikelchen so verschiedenartig gelagert oder sich gegenseitig bewegen, dass sie niemals in der Schlichtung des Auges in optisch gleichsinniger Lagerung zu stehen kommen und dadurch ihre optischen EflVcte gegenseitig neutralisiren. Dagegen heim Eintrocknen ihrer L\u00f6sungen oder bei Ausscheidung aus dieser L\u00f6sung verschmelzen die Partikelchen in den Niederschl\u00e4gen unter Behaltung gleicher Axenrichtungen, wodurch der optische EiTect des krystalloiden Zustandes zum Vorschein kommen kann. Dieselbe optisch gleichsinnige Lagerung m\u00fcssen die krystalloiden Myosinpartikelchen auch im Muskelb\u00fcudel im Verh\u00e4ltnis* zu der Muskelb\u00fcndelaxe einnchmen.\nUnsere Ansicht \u00fcber den Myosinzustand im Muskel-b\u00fcndel ist wie man sieht, eine mehr thats\u00e4chliche Entwickelung der Br\u00fcck ersehen Hypothese \u00fcber die Existenz der doppelbrcchenden Elemente oder Disdiaklasten').\nEs war von Interesse zu erfahren, ob durch irgend welche Mittel Myosin dazu gebracht werden kann, dass es als chemischer K\u00f6rper unver\u00e4ndert fort bestellen kann ohne den krystalloiden Zustand (resp. Doppelbrechung) zu zeigen. Zur Entscheidung dieser Frage haben wir folgende Gruppe von Versuchen angestellt.\nEine salzsaure Myosinl\u00f6sung wurde in drei Theile geschieden. Der erste Theil hat nach Ausweis der Trop\u00e4olin-reaktion einen ganz kleinen S\u00e4ure\u00fcberschuss erhalten und wurde durch gelindes Erhitzen vollst\u00e4ndig in doppelbrechendes Syntonin verwandelt.\nDer zweite Theil wurde mit viel Wasser und einem gr\u00f6sseren Ueberschuss der Salzs\u00e4ure so lange auf dem Wasserbade stark erhitzt, bis ein Trockenfleck und das Neutrali-sationspr\u00e4cipitat einer Probe dieser Fl\u00fcssigkeit keine Doppelbrechung mehr zeigte, die L\u00f6sung aber alle Syntoninreactionen gab. Es war auf diese Weise ein einfach brechendes Syntonin dargestellt. Aus beiden Syntoninarten wurde nach der in\n*) E. Br\u00fccke. Untersuchungen \u00fcber den Bau der Muskelfaser mit Hilfe des pularisirten Lichtes, Wien 1858.","page":362},{"file":"p0363.txt","language":"de","ocr_de":"J\n303\ndieser Zeitschrift angegebenen Methode'1) Myosin regenerirt und auf* sein optisches Vorhalten wie oben untersucht.\nAus mehreren Versuchen ergab sich, 1) dass aus doppel-brechendem Syntonin Myosin leichter und vollst\u00e4ndiger vege-nerirt wird und das Produkt auch doppolbrechcnd ist ; 2) (lass das (\u2018iufachhrechemh\u00bb Syntonin unvollst\u00e4ndiger in Myosin ilhergef\u00fchrt wird und das entstandene Product keine Doppelbrechung zeigt. Das letzierhaltene Myosin zeigt alle chemischen Haupteigenschafion des Myosins. Mann kann also sagen,dass dieser letzte K\u00f6rper wie Syntonin auch in zwei physikalisch verschied on e u M o d L fi cuti one n ex i -stireii kann.\t. ,\n\u25a0Wir haben bis jetzt die doppelbrechende Eigenschaft des Myosins studirt, so lange es Myosin oder Syntonin bleibt. Myosin kann aber noch einer chemischen Umwandlung unterliegen, in Folge deren es weder Myosin- noch Syntonin ist, sondern einen in sehr verd\u00fcnnten S\u00e4uren, Salzen und selbst Alkalien wenig l\u00f6slichen K\u00f6rper vorstellt. Diese* Ver\u00e4nderungen werden am besten durch Erhitzen oder durch Behandlung der Myosinsalmiakl\u00f6sung mit viel Wasser hervorgerufen.2) Dieses wenig l\u00f6sliche Umwundlungsprodukt zeigt keine Spur einer Doppelbrechung.\nDie beobachtete doppelbrechende Eigenschaft des Myosins ist bis jetzt von uns als Produkt der Organisation aufgefunden worden. Ob man die einfachbrechende Myosinmodi-fication durch irgend welche Mittel in den krystalloideri, doppelbrechendcn Zustand wird \u00fcberf\u00fchren k\u00f6nnen, diese Frage bleibt den k\u00fcnftigen Forschungen \u00fcberlassen.\nDie doppelbrechenden Myosin- und auch Syntonin-modificationen werden aus ihren L\u00f6sungen in Form klumpen-\n') Loc. eit.\na) Dieser K\u00f6rper, welchen ich oberfl\u00e4chlich schon beschrieben habe, (diese Zeitschrift 1X81, Bd. V, S. 158) hat im Laufe-dieser Untersuchung deswegen meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, weil seine chemischen und physikalischen Eigenschaften denen des Eiweissstoffes 1er K\u00e4stchenwaiidungen sehr \u00e4hnlich sind. Er ist darum von mir einem eingehenderen Studium unterzogen worden, wor\u00fcber ich besonders berichten werde.\tU. \u2022","page":363},{"file":"p0364.txt","language":"de","ocr_de":"364\nartiger, mehr oder weniger durchscheinender, ziemlich grosser Massen gefallt. Ja sogar die aus verd\u00fcnnteren L\u00f6sungen ausgefall ten Fl\u00f6ckchen zeigen die Neigung grosse zusammenh\u00e4ngende Flocken zu bilden. Dagegen scheiden sich die einfachbrechenden Modificationen dieser K\u00f6rper stets in kleinen, nicht durchscheinenden, mattweisen Flocken aus.\nDie Salmiakl\u00f6sung des Myosins (doppelbrechend) ist stets nicht nur opalescirend, sondern auch ziemlich fluorcs-cirend wovon man sich leicht mittelst eines Nicols uberzeugen kann. In der salzsauren Myosinl\u00f6sung ist die Fluorescenz bedeutend schw\u00e4cher ausgesprochen, vielleicht desshalb, weil die krystalloiden Myosinpartikelchen in saurer L\u00f6sung sich in einem etwas gequollenen Zustand befinden. Dasselbe gilt auch f\u00fcr eine saure Syntoninl\u00f6sung. Die einfachbrechenden Modificationen beider K\u00f6rper zeigen zwar Opalescenz, aber nur Spuren von Fluorescenz.\nFassen wir die Ergebnisse unserer Beobachtungen zusammen, so halten wir uns f\u00fcr berechtigt, Folgendes behaupten zu k\u00f6nnen:\nI.\tWir best\u00e4tigen im Allgemeinen die Angabe von W. Krause, dass das Muskelb\u00fcndel ein festeres Ger\u00fcst, welches als K\u00e4stchensystem erscheinen kann, enth\u00e4lt.\nII.\tDieses isolirle K\u00e4stchensystem ist schwach doppelbrechend. Die Doppelbrechung h\u00e4ngt lediglich vom Lecithin ab.\nIII.\tDas Lecithin ist an der Organisation dieses K\u00e4stchensystems so weit betheiligt, dass ohne seine Gegenwart diese Organisation zu Grunde geht und das Eiweisssubstrat der K\u00e4stchenwandungen wie einzelne Grundsteine eines Geb\u00e4udes zum Vorschein kommen.\nIV.\tDie anisotrope Substanz des K\u00e4stcheninhaltes besteht aus Myosin, welches die beiden Querscheiben (Myosinscheiben) bildet.","page":364},{"file":"p0365.txt","language":"de","ocr_de":"365\nV.\tDie doppelbrechende Eigenschaft dieser Myosinscheiben h\u00e4ngt von einem krystalloiden Zustand des Myosins, in welchem eine gewisse Zahl seiner Molek\u00fcle zusammengelagert sind, ab.\nVI.\tMyosin geht in L\u00f6sung \u00fcber und kann sogar manche chemische und physikalische Ver\u00e4nderungen erleiden (Verwandlung in Syntonin, Ausscheidung, Wiederl\u00f6sung etc.) ohne diese kr y stall oi de Gestalt zu verlieren.1)\nVII.\tDie von E. Br\u00fccke hypothetisch angenommenen doppelbrechenden Elemente \u2014 Disdia-klasten finden in unseren krystalloiden Myosinpartikelchen ihre thats\u00e4chliche Grundlage \\\n) Diese elastischen, mit Wasser mehr oder weniger impr\u00e4gnirten, ihre Form hartn\u00e4ckig behaltenden, f\u00fcr Atomverschiebung in den Mole* killen, also f\u00fcr chemische HeactiJnen im Innern zug\u00e4nglichen Myosinpartikelchen sind bis jetzt die einzigen Objecte, welche geeignet sind als Repr\u00e4sentanten der von C. von N\u00e4geli (Theorie der G\u00e4hrung, M\u00fcnchen 1879) hypothetisch angenommenen \u00abMicellen\u00bb zu dienen.' -.D,\nGenf, im Juni 1881.\nZeitschrift f. physiol. rVuilf\u00bb V.","page":365}],"identifier":"lit16424","issued":"1881","language":"de","pages":"349-365","startpages":"349","title":"Ueber die Natur der anisotropen Substanzen des quergestreiften Muskels und ihre r\u00e4umliche Vertheilung im Muskelb\u00fcndel","type":"Journal Article","volume":"5"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:38:31.750269+00:00"}