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{"created":"2022-01-31T12:47:00.275014+00:00","id":"lit16817","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Winternitz, H.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 15: 189-201","fulltext":[{"file":"p0189.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber Eiweiss im normalen Harn.\nVou\nHugo Winternitz.\n(Ans \u00bblern physiologisch \u2022 chemischen Institut in Strassburg.) (Der Redaction angegangen am 31. December 1H90.)\nDurchgeht man die Litteratur, welche sich mit der Frage der physiologischen Albuminurie besch\u00e4ftigt, so fallt einem die Unsicherheit des Begriffes \u00ab physiologische Albuminurie \u00bb auf oder vielmehr die Thatsache, dass die Autoren eine sehr verschiedene Auffassung dieses Begriffes erkennen lassen.\nSenator1), der die Ansicht vertritt, dass der Urin immer Eiweiss enthalte, aber nur zeitweise in einer f\u00fcr uns leicht erkennbaren Menge, erkl\u00e4rt gleichwohl, dass \u00abphysiologische Albuminurie\u00bb nicht gleichbedeutend sei mit \u00abnormalem Gehalt des Harns an Eiweiss\u00bb, sondern dass zur physiologischen Albuminurie die Nachweisbarkeit des Albumins im Harn des gesunden Menschen \u00abohne weitere Vorbereitung, als etwa Filtriren, durch die Eiweissreagentien \u00bb geh\u00f6re. Posner* *) dagegen spricht als physiologische Albuminurie die Erscheinung an, dass \u00abin der That einem jeden beliebigen Urin Spuren von Eiweiss beigemischt sind, die sich durch empfindliche Methoden leicht und sicher nachweisen lassen\u00bb. Diese beiden Auffassungen des Begriffes der physiologischen Albuminurie, die bald mehr bald weniger modificirt bei allen Autoren\nl) Senator, \u00abDie Albuminurie in physiol, u. klin. Beziehung etc \u00bb, -\u2022 Auf!., 1890, Seite 34 uhd an anderen Stellen.\n*) Posner, Berliner klinische Wochenschrift, No. 41,\t\u2022\nZeitschrift f\u00fcr physiologische Chemie. XV.\t13","page":189},{"file":"p0190.txt","language":"de","ocr_de":"190\nwiederkehren, m\u00fcssen nun streng von einander geschieden werden. Es ist hierbei ein wesentlicher Unterschied zu machen zwischen dem klinischen und dem rein chemischen Standpunkt. Stellt man sich auf den ersteren, so ist die Frage nach der Gesundheit der Versuchsperson, deren Harn untersucht wurde von der gr\u00f6ssten Wichtigkeit, ja der Werth der gefundenen Thatsachen wird einzig davon abh\u00e4ngen, ob die Annahme, dass die Versuchspersonen gesund waren, auch wirklich einwandfrei ist; stellt man sich dagegen auf den letzteren, so tragt es sich nicht, ob die Person gesund ist, sondern es handelt sich einzig darum, ob der zu untersuchende Harn normal ist oder nicht. Ergiebt er nach den \u00fcblichen Proben im Reagensglas Eiweissgehalt, so ist er f\u00fcr eine weitere Untersuchung in diesem Sinne ungeeignet, gleichgiltig, ob dieser Eiweissgehalt eine physiologische Ursache (Muskelanstrengung, Enegungszust\u00e4nde, Verdauung etc.) hat oder eine pathologische.\nDie Untersuchung der ersten Frage, d. h. der Frage nach der physiologischen Albuminurie im klinisch-statistischen Sinne lag mir fern, um so mehr als die gr\u00fcndlichen und zahlreichen Beobachtungen der verschiedensten Autoren\u2019) diese Frage endgiltig im bejahenden Sinne entschieden haben. Anders steht es mit der Frage der physiologischen Albuminurie im chemischen Sinne, mit der Frage, ob jeder beliebige (normale) Harn stets und unter jeder Bedingung Eiweiss enthalten m\u00fcsse. Von \u00e4lteren Angaben abgesehen, haben sich mit dieser Frage in letzter Zeit Senator vom theoretischen Standpunkt, Posner* *) und Leu be3) vom experimentellchemischen Standpunkt eingehend besch\u00e4ftigt. W\u00e4hrend jener auf Grund seiner Untersuchungen dieselbe unbedingt bejahen\n\u2018) Die betreffende Litteratur findet man ziemlich ersch\u00f6pfend angef\u00fchrt bei Senator, \u00ab Die Albuminurie in phys. u. klin. Beziehung etc. * und in v. Nor den\u2019s Publication \u00abUeber Albuminurie bei gesunden Menschen\u00bb, D. Arch. f. klin. Med., Bd. XXXVIII.\n*) Posner, \u00ablieber Eiweiss im normalen Harn\u00bb, Virchow\u2019s Archiv, 104. Band, 1886.\ns) Leube. \u00abUeber physiologische Albuminurie\u00bb, Zeitschrift f\u00fcr klm. Medizin, Bd. XIII, H. 1.","page":190},{"file":"p0191.txt","language":"de","ocr_de":"191\nzu m\u00fcssen glaubt, verh\u00e4lt sich Leube skeptischer. Er findet, dass der normale Harn zwar h\u00e4ufig Spuren von Albumin enthalte, dass aber das Eiweiss einen nothw\u00e9ndigen Bestandteil des normalen Urins ausmache, kann er nicht zugeben. Dieser Umstand und die Ansicht, dass es gelingen w\u00fcrde, den von Posner in seinen Reactionen charakterisirten Ei weissk\u00f6rper durch Verarbeitung grosser Harnmengen in gr\u00f6sserer Quantit\u00e4t und isolirt von den \u00fcbrigen Harnbestandtheilen d\u00e4r-stellen zu k\u00f6nnen, veranlasste die im Folgenden zu schildernden systematisch angestellten Untersuchungen.\nUm unn\u00f6thige Wiederholungen zu vermeiden, sei Folgendes vorausgeschickt: Jeder bei den betreffenden Versuchen in Verwendung genommene Harn wurde vor Allem sorgf\u00e4ltig filtrirt. Dann wurden im Reagensglas die \u00fcblichen und unzweideutigsten Eiweissreactionen angestellt und zwar die Probe mit Essigs\u00e4ure und Ferrocyankalium, die Kochprobe unter Beobachtung der n\u00f6thigen Cautelen, meist auch noch die sog. Heller\u2019sche Probe. Ferner wurde die Reaction des Harns gepr\u00fcft und endlich wurden auch die \u00fcblichen Zuckerproben angestellt. Nur wenn der Harn nach jeder dieser Richtungen normal befunden wurde, fand er Verwendung. Beil\u00e4ufig sei bemerkt, dass ich nat\u00fcrlich bestrebt war, den Harn vollkommen gesunder Personen zur Untersuchung zu erhalten, weil ich nur bei diesen ein normales Verhalten voraussetzen durfte. An sich war aber f\u00fcr meine Untersuchungen, wie schon auseinandergesetzt, die Frage nach der Provenienz des Harns eine gleichgiltige.\nIch gehe jetzt zu der Besprechung der von mir angestellten Versuchsreihen \u00fcber.\nI. Versuchsreihe.\nDie Absicht, welcher die Anordnung dieser ersten Versuchsreihe zu Grunde lag, war die, das im normalen Ham event, vorkommende Eiweiss durch Concentration des ersteren \u00abauf ein kleines Volumen einzuengen, durch geeignete F\u00e4llungsmittel zu suspendiren, dann mit Ausschaltung der st\u00f6renden","page":191},{"file":"p0192.txt","language":"de","ocr_de":"192\nHarnbestandtheile (Harns\u00e4ure, Harnst off, Harnfarbstoff etc.) zu l\u00f6sen und in diesen L\u00f6sungen endlich nachzuweisen. Dabei wurde dem Gedanken, dass das Eiweiss bei dem Vorg\u00e4nge\nder Concentration gerinnen k\u00f6nnte, aus verschiedenen Gr\u00fcnden . zun\u00e4chst nicht Raum gegeben.\nDie Versuchsanordnung war folgende:\nEs wurden 2000 cbcm. Harn auf dem Wasserbade zum dicken Syrup eingedampft. Der eingedampfte Harn wurde hierauf im Becherglas mit ungef\u00e4hr dem vierfachen Volumen Alkohol versetzt. Dadurch sollten einerseits das etwa vorhandene und durch die Concentration des Harns in ein kleines Volumen eingebrachte Eiweiss gefallt und andererseits die bei den Reactionen ungemein st\u00f6renden Harnfarbstoffe ex-trahirt werden. Nach 24st\u00fcndigem Stehen wurde filtrirt (Filtrat 1), der R\u00fcckstand (I) in wenig Wasser gel\u00f6st und mit verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure bis zur stark sauren Reaction versetzt. Durch die Salzs\u00e4ure musste einerseits die Ausf\u00fcllung der Harns\u00e4ure bewirkt werden, andererseits aber eine L\u00f6sung der bei Gegenwart von Eiweiss durch den Zusatz von Alkohol entstandenen Ei Weissniederschl\u00e4ge. Nach 24 st\u00e4ndigem Stehen wurde der entstandene Niederschlag (II) filtrirt (Filtrat 2).\nAus theoretisch leicht einzusehenden Gr\u00fcnden musste erwartet werden, dass die event, vorhandenen Eiweissstoffe sich in diesem Filtrat (2) in L\u00f6sung befunden (neben anderen Harnbestandtheilen als Ca-, Mg-Verbindungen, Phosphaten etc.); es wurde daher der Untersuchung desselben besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Dasselbe ergab auf Zusatz einiger Tropfen Ferrocyankalium eine kaum wahrnehmbare Tr\u00fcbung, die sich zur Absclieidung auf dem Filter nicht eignete. Da diese Tr\u00fcbung \u00fcberdies erst bei l\u00e4ngerem Stehen in die Erscheinung getreten war, so schien cs mehr als zweifelhaft, ob sie auf Eiweiss bezogen werden d\u00fcrfe. Es wurden daher mit diesem Filtrat noch weitere Eiweissreactionen angestellt, soweit dies in einer salzsauren L\u00f6sung m\u00f6glich ist.\nDie sog. Heller\u2019sche Probe, welche im Reagensglas durch vorsichtiges \u00fceberschichten concentrirter Salpeters\u00e4ure","page":192},{"file":"p0193.txt","language":"de","ocr_de":"193\nangestellt wurde, fiel negativ aus. Es Hess sich damit keiii in Salpeters\u00e4ure unl\u00f6slicher Eiweissk\u00f6rper nachweisen.\nFerner wurde eine Portion des Filtrates mjt Na, CO, bis zur neutralen Reaction ges\u00e4ttigt und der entstandene Niederschlag filtrirt. Im Niederschlag1) konnten bei sorgf\u00e4ltiger chemischer und mikroskopischer Pr\u00fcfung Eiweissreact \u00efonen nicht erhalten werden. (L\u00f6sung des Niederschlages, in Essigs\u00e4ure; der l\u00f6sliche Antheil wurde mit Ferrocyankalium , der unl\u00f6sliche mikroskopisch auf Eiweiss gepr\u00fcft.)\nNun ging ich auf das Alkoholextract (Filtrat 1) zur\u00fcck, ln demselben entsteht zwar bei Zusatz von w\u00e4sseriger Tanninl\u00f6sung ein reichlicher Niederschlag, man wird indessen vergeblich in seiner essigsauren L\u00f6sung nach Eiweiss suchen. .\nEndlich wurde auch noch der mit I bezeichnete Niederschlag (Harns\u00e4ure) gepr\u00fcft, der durch die Salzs\u00e4ure gefallt worden war, dabei m\u00f6glicher Weise das Eiweiss mitgerissen und so seine L\u00f6sung in der verd\u00fcnnten Salzs\u00e4ure verhindert haben konnte. Er wurde mit Essigs\u00e4ure ausgewaschen, wobei nat\u00fcrlich die Harns\u00e4ure ungel\u00f6st blieb. In der essigsauren L\u00f6sung fand sich kein Eiweiss.\nDiese Versuchsreihe wurde nun\u2014 wie dies auch bei den anderen Versuchsreihen geschah \u2014 in derselben Anordnung ein- bis zweimal wiederholt, um eine Contr\u00f4le f\u00fcr die Richtigkeit der gemachten Beobachtungen zu gewinnen.\nII. Versuchsreihe.\nDer negative Ausfall der ersten Versuchsreihe gab Veranlassung, der Ansicht, welche Posner ausgesprochen hat, dass n\u00e4mlich das im normalen Urin in Spuren vorkommende Eiweiss beim Vorg\u00e4nge der Concentration coagulirt w\u00fcrde, Raum zu geben und in diesem Sinne die zweite Versuchsreihe abzu\u00e4ndern.\n*) Die Untersuchung des Filtrates wurde gleichfalls vorgehommen (Biuretprobe und Mil Ion\u2019s Reaction) u. zw. mit negativem Resultat. Dies schien um so nat\u00fcrlicher, als wohl hei der Neutralisation mit Na,COa alle vorhandenen nicht peptonartigen EiweissstofTe ausfalleu mussten, im Filtrat also nicht mehr vorhanden sein k\u00f6nnten.","page":193},{"file":"p0194.txt","language":"de","ocr_de":"194\nEs wurden 2000 cbcm. Harn (bei einer Wiederholung dieses Versuches 2500 cbcm.) auf dem Wasserbade bis zum dicken Syrup eingedampft und hierauf mit dem vierfachen Volumen Alkohol versetzt. Der Zusatz des Alkohols konnte in diesem Falle, wo angenommen wurde, dass das etwa vorhandene Eiweiss durch die Concentration des Harns coagulirt worden sei, nat\u00fcrlich nicht, wie in der ersten Versuchsreihe, den Sinn haben, das Eiweiss zu lallen. Er geschah blo\u00ab' um den Harnstoff und die st\u00f6renden HarnfarbstolTe zu ex-trahiren, andererseits aber auch, um eventuell nicht gerinnbare Eiweissstoffe zu f\u00e4llen. Denn da \u00fcber die Natur des zu findenden Eiweissstoffes zun\u00e4chst nichts bekannt war, so musste die M\u00f6glichkeit, dass nicht coagulable Eiweis\u00ab-stoflfe darin vork\u00e4men, Ber\u00fccksichtigung finden, wiewohl gegen\ndiese Annahme eigentlich schon das Resultat der ersten Ver-suchsreihe sprach.\nDer nach 24st\u00fcndigem Stehen entstandene Niederschlag wurde auf dem Asbestfilter gesammelt. Die Untersuchung des Alkoholextractes konnte in diesem Falle f\u00fcglich weg-gelassen werden, denn es hatte sich in Bezug darauf nichts gegen\u00fcber der ersten Versuchsreihe ge\u00e4ndert. Die Eiweissstoffe mussten sich vielmehr nach der Eingangs dieser Versuchsreihe besprochenen Annahme in coagulirtem Zustande auf dem Asbestfilter befinden.\nNun wurde der Niederschlag auf dem Filter zun\u00e4chst mit Wasser, dann mit verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure gewaschen, um die darin l\u00f6slichen Salze zu eliminiren. Auf die coagulirten Eiweissstoffe konnte dies keinen Einfluss haben, weil dieselben weder im Wasser, noch in verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure \u2014 dieselbe wirkte rfyir so lange auf den Niederschlag ein, als das Filtriren Zeit in Anspruch nahm - l\u00f6slich sind*). Uebrigens wurde, um der Contr\u00f4le halber, sowohl die Untersuchung des w\u00e4s-seiigen als auch des salzsauren Auszuges vorgenommen und ergab dasselbe Resultat, wie in der ersten Versuchsreihe. Erw\u00e4hnt muss indess werden, dass bei einer Wiederholung\n') Hoppe-Seyler, Handbuch der pliysiol.-rhern. Analyse, S. 280.","page":194},{"file":"p0195.txt","language":"de","ocr_de":"195\ndieser Versuchsreihe in dem mit verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure erzielten Auszug durch Ferrocyankalium ein deutlicher, filtrirbarer Niederschlag entstand, der sich jedoch bei n\u00e4herer Pr\u00fcfung, deren Methode sp\u00e4ter besprochen werden soll, als nicht eiweissartiger Natur erwies.\nNun wurde der auf dem Asbestfilter befindliche R\u00fcckstand, der sich bereits durch die vorausgegangenen Manipulationen ansehnlich verringert hatte, in tropfenweise zugef\u00fcgter, concentrirter Salzs\u00e4ure gel\u00f6st (dieselbe liess nat\u00fcrlich die Harns\u00e4ure unzerst\u00f6rt) und die durchfiltrirende Fl\u00fcssigkeit in einem Reagensglas, in dem sich wenige Cubikcentimeter Wasser befanden, aufgefangen. Da coagulirte Albuminstoffe durch concentrirte Salzs\u00e4ure unter Bildung von Acidalbumin und Pepton gel\u00f6st werden1), so mussten dieselben in dem so erhaltenen Filtrat ohne Weiteres nachweisbar sein. Als einzig entscheidende und anwendbare Reaction kam hier Ferrocyankalium in Betracht. Dasselbe brachte indess weder einen Niederschlag noch eine Tr\u00fcbung hervor. Erst am n\u00e4chsten Tage wies die Probe eine deutliche Tr\u00fcbung auf, die filtrirt werden konnte und bei n\u00e4herer Pr\u00fcfung \u2014 wie vorauszusehen war \u2014 keine Verbindung von Eiweiss mit Ferro-cy an Wasserstoff erkennen liess. Bei einer Wiederholung dieser Versuchsreihe wurde statt concentrirter Salzs\u00e4ure sehr starke Essigs\u00e4ure gew\u00e4hlt, allein mit demselben negativen Resultat.\nWiewohl ich bei meinen Untersuchungen die 10\u201420fache Quantit\u00e4t Harn, deren sich Posner bediente, in Verwendung genommen hatte, so gelang es mir sonach doch nicht, den positiven Nachweis f\u00fcr das Vorhandensein von Eiweiss. zu erbringen, wenigstens nicht bei den zu diesen Versuchen verwendeten Harnen. Da ich mich indess einer anderen Methode bedient hatte \u2014 gegen die indess kaum etwas einzuwenden sein d\u00fcrfte \u2014, so sah ich mich, um den Widerspruch zwischen \u00ablen Resultaten meiner Untersuchungen und den Posner\u2019schen zu l\u00f6sen, veranlasst, zun\u00e4chst die Versuche Posner\u2019s zu wiederholen.\nM Hoppe-Seyler. ebenda.","page":195},{"file":"p0196.txt","language":"de","ocr_de":"196\nZu diesen in gr\u00f6sserer Anzahl angcstellten Versuchen wurde der Harn verschiedener Personen und zwar stets in einer Quantit\u00e4t von 150\u2014 200 cbcm. verwendet. Der Harn wurde nach dem Vorg\u00e4nge Posner's mit dem dreifachen Volumen Alkohol versetzt. Nach 24- bis 48st\u00fcndigem Stehen wijrde der Niederschlag, der sich indessen meist klar und deutlich abgeschieden hatte, auf einem kleinen Filter gesam-me t. Beil\u00e4ufig sei bemerkt, dass ich Gerbs\u00e4ure zur F\u00e4llung nicht verwendet habe, weil sie einerseits, wie Posner aus-tuhrt keine Vortheile vor dem Alkohol hat, jedenfalls aber cen Nachtheil , dass sie. in ihren Niederschlag weit mehr normale Harnbestandtheile einbezieht als der Alkohol. Nachdem ich den Niederschlag auf dem Filter sorgf\u00e4ltig in Wasser ausgewaschen hatte und dadurch die im Wasser l\u00f6slichen Antheile beseitigt waren, wurde der R\u00fcckstand mit verd\u00fcnnter Essigs\u00e4ure behandelt. In der essigsauren L\u00f6sung erzielte ich auf Zusatz einiger Tropfen Ferrocyankalium eine mehr oder weniger deutliche Tr\u00fcbung, die sich nach kurzer Zeit als feiner Niederschlag absetzte. In den meisten F\u00e4llen gelang es, bei sofortigem Filtriren ein klares Filtrat und auf dem Filter einen mehr oder weniger erheblichen, gr\u00fcn-blauen Belag, der sich an der Luft bald intensiver blau f\u00e4rbte, als R\u00fcckstand zu erhalten. Es handelte sich nun darum, diese Ferrocyanverbindung auf ihre eiweissartige Natur zu pr\u00fcfen Die Schwierigkeit einer solchen Pr\u00fcfung liegt nun darin dass das Ferrocyankalium durch seine sich bildenden Zer-setzungsproducte die meisten Reactionen wesentlich beeintr\u00e4chtigt. Am n\u00e4chsten lag es, den Niederschlag mit Natronlauge zu behandeln und in der L\u00f6sung die Biuretreaction anzu-stelen. Setzte man zu dem auf einem sehr kleinen Filter gesammelten Niederschlag Natriumhydroxyd hinzu, so l\u00f6ste sich derselbe sofort farblos auf und es \u2018 filtrirte eine klare Fl\u00fcssigkeit hindurch. Mitunter musste das Filtrat allerdings mehrmals auf das Filter z\u00fcr\u00fcckgebracht werden, ehe es vollst\u00e4ndig klar hindurchlief. In der erhaltenen alkalischen L\u00f6sung des Ferrocyankalium-Niedersohlages wurde die Biuretreaction mit aller gebotenen Vorsicht angestellt. Dieselbe wurde zu-","page":196},{"file":"p0197.txt","language":"de","ocr_de":"1\n197\t.\nn\u00e4chst erw\u00e4rmt, dann wurde mit der Spitze eines Glasstabes ein Tropfen verd\u00fcnnter Kupfersulfatl\u00f6sung, hinzugef\u00fcgt und abermals erw\u00e4rmt. Trat die Reaction nicht ein, so Wurde noch ein weiterer, eventuell ein dritter Tropfen hinzugef\u00fcgt. Das Resultat war in allen F\u00e4llen ein negatives, statt einer violetten T\u00f6nung wurde gew\u00f6hnlich ein schmutziges Grau oder Blau erzielt. Um die Empfindlichkeit der Biurctreaction \u2014 in dieser Weise auf Ferrocyankalium-Niederschl\u00e4ge angewandt \u2014 zu pr\u00fcfen, wurde folgender Weg eingeschlagen : ln einigen Cubikcentimetern eines Eiweissharris wurde das Eiweiss durch Essigs\u00e4ure und Ferrocyankalium gef\u00e4llt und der erhaltene Niederschlag tiltrirt. Hierauf wurde mit der Spitze eines Glasstabes eine kleine Quantit\u00e4t dieses Ferro-<yankaliums-Niederschlages vom Filter genommen, in etwa 2 ebem. Natronlauge gel\u00f6st und mit Kupfersulfat in der gleichen Weise, wie oben angegeben, gepr\u00fcft. Selbsverst\u00e4nd-lich trat nun die Biuretreaction deutlich ein. Immerhin ergaben weitere Proben, dass, wenn die Quantit\u00e4t des verwendeten Niederschlages allzu gering war \u2014 also etwa so viel, als gerade auf der Spitze des Glasstabes Platz fand \u2014, die Reaction ausblieb. Es schien somit der Einwurf nicht unberechtigt, dass die aus 150\u2014200 ebem. Harn erzielten Ferrocyankalium-Niederschlage zu geringf\u00fcgig gewesen seien, um die Biuretprobe positiv ausfallen zu lassen.\nSomit musste eine Reaction gefunden werden, welche selbst bei den geringf\u00fcgigsten Niederschl\u00e4gen geeignet erscheint, um eine Pr\u00fcfung derselben auf Eiweiss zuzulassen, und welche andererseits f\u00fcr Eiweiss selbst ganz unzweideutig ist.\nEs wurde zu diesem Zwecke mit dem im Eiweissharn erhaltenen Ferrocyankalium-Niederschlage folgender Versuch gemacht: Ein kleiner Theil des Niederschlages \"wurde in con-centrirtcr HN03 gel\u00f6st und dann mit Mil Io n\u2019s Reagens ini Ueberschuss gekocht. Der Niederschlag, der sich schon in der concentrirten Salpeters\u00e4ure mit gelber Farbe gel\u00f6st hatte (Xanthoproteinreaction, die \u00fcbrigens viel zu zweideutig ist, um f\u00fcr unsere Zwecke Verwendung finden zu k\u00f6nnen), ballte sich beim Kochen zu einem gelben Kl\u00fcmpchen zusammen.","page":197},{"file":"p0198.txt","language":"de","ocr_de":"r 198\nohm? dass die charakteristische Millon\u2019sche Farbenreaction cintr\u00e2t. Bei Verwendung verd\u00fcnnter Salpeters\u00e4ure war der Erfolg derselbe. Es scheint also, dass durch die Salpeters\u00e4ure nicht allein das Ferrocyankalium \u2014 wie beabsichtigt war \u2014 zerst\u00f6rt, sondern auch das Eiweiss zu sehr ver\u00e4ndert wird.\nNun versuchte ich es, einen kleinen Theil des Ferro-cyankalium-Niederschlages direct in Millon\u2019s Reagens einzubringen. Derselbe wurde darin nicht gel\u00f6st, sondern blieb als kleines Kl\u00fcmpchen in der Fl\u00fcssigkeit suspendirt. Beim Kochen nahm dieses Kl\u00fcmpchen sofort die f\u00fcr Mi lion\u2019s Reaction charakteristische und ganz unzweideutige braun-lothe bis dunkel rot he F\u00e4rbung an. Controlversuche, die in der Art angestellt wurden, dass ein Tropfen Ferrocyankalium in Mi lion\u2019s Reagens eingebracht und damit gekocht wurde, zeigten, dass eine T\u00e4uschung absolut ausgeschlossen ist. Der eingefallene Tropfen Ferrocyankalium ballte sich gleichfalls zusammen, wurde dunkel blaugr\u00fcn, bei l\u00e4ngerem Kochen schien er sich mit gelber Farbe zu l\u00f6sen und es fiel ein hellgelber Niederschlag zu Boden.\nWeitere Versuche, welche der Empfindlichkeit dieser Reaction galten, ergaben, dass der geringste Theil eines Eiweiss-Ferrocyan-Niederschlages, mit der Spitze eines Glasstabes in Mi 11 on\u2019s Reagens eingebracht, beim Kochen sofort die charakteristische F\u00e4rbung annimmt. Von Wichtigkeit, namentlich f\u00fcr die feinen Niederschl\u00e4ge, um die es sich hei diesen Versuchen handelt, d\u00fcrfte folgende Verwendung der Reaction sein, welche es erm\u00f6glicht, allerfeinste Niederschl\u00e4ge, bei denen man kleine Theile nicht gut vom Filter herunterbringen kann, direct aut dem Filter mit Millon\u2019s Reagens zu pr\u00fcfen. Man kocht zu diesem Zweck 1\u20142 ebem. von Millon\u2019s Reagens und bringt sie direct auf das Filter. Unter der Einwirkung des kochenden Reagens wird das Filter, soweit es von feinsten Theilchcn des Ferrocyankalium-Nieder-s\u00e7hlages bedeckt ist , rosaroth bis dunkelroth. Handelt es sich um keine Eiweiss Verbindung, so wird der Niederschlag unter der Einwirkung des heissen Reagens gelb, so wie","page":198},{"file":"p0199.txt","language":"de","ocr_de":"199\ndies nach dem vorher geschilderten Controlversuche zu erwarten stand.\nWendet man nun diese Reaction bei den durch das Posner\u2019sche Verfahren entstandenen Ferrocyankalium-Nieder-schl\u00e4gen an, so \u00fcberzeugt man sich leicht, dass dieselben nicht eiweissartiger Natur sind. Nur einmal erhielt ich die Reaction an einem kleinen Theil des Niederschlages, den ich mit der Spitze eines Glasstabes in Millon\u2019s Reagens ein^ gebracht hatte. Ich benutzte nun den Rest des Niederschlages, um ihn in Natronlauge zu l\u00f6sen und damit die Biuretreaction anzustellen. Auch diese ergab ein positives Resultat, Der Niederschlag war also eine Eiweissverbindung. Ich werde auf diesen Versuch, der mit den \u00fcbrigen in scheinbarem Widerspruch steht, am Schl\u00fcsse dieser Arbeit zur\u00fcckkommen.\nNun seien noch einige Controlversuche angef\u00fchrt, die\nf\u00fcr die Beurtheilung des Gegenstandes nicht ohne Interesse\n\u2022 * , .\u00ab.\nsein d\u00fcrften.\nI. 200 cbcm. normalen Harns wurden mit einem cbcm. Ei weissharn versetzt. Die so erhaltene Mischung erwies sich den im Reagensglas ausgef\u00fchrten Untersuchungen gegen\u00fcber als \u00abeiweissfrei\u00bb. Darauf wurden 150 cbcm. abgemessn, mit 450 cbcm. Alkohol gef\u00e4llt und in der fr\u00fcher geschilderten Weise weiter behandelt. Der in der ossigsauren L\u00f6sung durch Ferrocyankalium erzielte Niederschlag \u2014 derselbe schien keineswegs gr\u00f6sser als in den \u00fcbrigen F\u00e4llen, zeigte dagegen eine weniger blaugr\u00fcne, sondern mehr milchig getr\u00fcbte F\u00e4rbung \u2014 wurde filtrirt. Ein kleiner Theil des auf dem Filter gebliebenen R\u00fcckstandes wurde mit der Spitze- eines Glasstabes in Mi lion's Reagens gebracht, der Rest in Natronlauge gel\u00f6st und mit Kupfersulfat behandelt. Beide Proben ergaben deutlich die Anwesenheit von Eiweiss. . Die nachtr\u00e4glich vorgenommene quantitative Eiweissbestimmung des Harns\u2019), von dem 1 cbcm. in der oben angegebenen-Weise verwendet wurde, ergab 0,6_85\u00b0/0 Eiweissgehalt. Die 200 cbcm. Harn enthielten sonach, bei Zusatz 1 cbtfnn Eiweissharns,\nt\n\u2019) Dieselbe wurde nach der Methode von Scherer ansgef\u00fchrt.","page":199},{"file":"p0200.txt","language":"de","ocr_de":"200\n0,00085 Eiweiss, oder in \u00b0/0 ausgedr\u00fcckt: 0,00342\u00b0/0 Eiweissgehalt.\nII. Einige cbcm. des zum Versuch 1 verwendeten Eiweissharns wurden mit ebenso viel cbcm. destillirten W assers versetzt ; von dieser Mischung wurde nun wieder ein cbcm. zu 200 cbcm. Harrt zugesetzt, Dieser Harn enthielt sonach \u2014 da der nun zugesetzte Eiweissharn einen hiweissgehalt von 0,3425 #/0 hatte und 1 cbcm. davon z\u00fcgelt worden war \u2014 in 200 cbcm. 0,003425 Eiweiss, oder in 70 ausgedr\u00fcckt: 0,00171% Eiweiss.\n150 cbcm. des so erhaltenen Harns wurden nun in der n\u00e4mlichen Weise, wie dies f\u00fcr I auseinandergesetzt wurde, behandelt. Der Ferrocyankalium-Niederschlag ergab in derselben Weise und ohne dass die Reactionen weniger intensiv ausgefallen waren \u2014 diesen Eindruck habe ich wenigstens empfangen \u2014 mit Natronlauge und Kupfersulfat einerseits und mit Mil Ion\u2019s Reagens andererseits positive Resultate f\u00fcr die Anwesenheit von Eiweiss.\nEs w\u00e4re nun allerdings von einem gewissen Interesse, zu ermitteln, wie weit die Verd\u00fcnnung des zugesetzten Cubik-centimeter Ei weissharns getrieben werden respective wie weit man mit der Quantit\u00e4t des zugesetzten Eiweisses heruntergehen k\u00f6nnte, um noch immer positive Reactionen zu erhalten: aber einerseits ging die Untersuchung dieser Frage \u00fcber den Rahmen der vorstehenden Arbeit hinaus und andererseits ist dies bei der Kleinheit der in Frage kommenden Eiweissmengen von so untergeordneter Bedeutung, dass ich mich in dieser Beziehung mit den beiden angef\u00fchrten Versuchen begn\u00fcgen zu d\u00fcrfen glaubte.\nAVas die \u00fcbrigen von Posner in der essigsauren L\u00f6sung angestellten Reactionen betrifft1), so m\u00f6chte ich dazu Folgendes bemerken : Denselben d\u00fcrfte unzweifelhaft nur dann ein Werth beizumessen sein, wenn sie in Uebereinstimmung mit der Ferrocyankalium-Reaction auftreten. Ich selber habe sie nie\n') Metaphospliors\u00e4ure, Salpeters\u00e4ure. Phosphorwolframs\u00e4ure etc.","page":200},{"file":"p0201.txt","language":"de","ocr_de":"201\nconstant und auch dann meist zweifelhaft a\u00fcftreten sehen. Was die am Alkoholniederschlag direct angestellte Adam-kiewicz\u2019sche Reaction (sowohl vor als nach dem Auswaschen mit Wasser) anlangt, so hat mir dieselbe nur selten versagt.\nOb man sie indess auf einen Eiweissk\u00f6rper (vielleicht auf das1 von Leu be beschriebene Paralbumin oder auf den muc inartigen K\u00f6rper Hofmeister\u2019s) oder auf einen anderen Bestandteil des Harns zu beziehen hat, durfte wohl schwer zu \u00bbntscheiden sein.\n\u00ab\nUebersehe ich nun das Resultat meiner im Vorstehenden mitgetheilten Untersuchungen, so befinde ich mich damit in. Widerspruch mit der Anschauung Posner\u2019s, dass jeder normale Urin Eiweiss enthalte, und ich st\u00fctze mich dabei namentlich auf das Ergebniss der von mir mitgetheilten Versuchsreihe II und auf die Thatsache, dass der Posner\u2019sehe Ferrocyankalium-Niederschlag bei meinen \u2014 allerdings in ver-hiiltnissm\u00e4ssig geringer Zahl \u2014 angesteilten Versuchen nur einmal sich als eine Eiweissverbindung erwies. Ich komme vielmehr zu demselben Schluss, den schon Leu be') gezogen hat: Das Vorhandensein von Eiweiss geh\u00f6rt nicht zum Begriff des normalen Urins. Dagegen scheint allerdings das * Vorkommen von Eiweiss, wenn auch nur in Spuren, eine keineswegs seltene Erscheinung zu sein. Daf\u00fcr sprechen die zahlreichen Untersuchungen Posner\u2019s und Leube\u2019s, daf\u00fcr t. glaube ich auch den Versuch ansprechen zu d\u00fcrfen, bei welchem ich, wie fr\u00fcher mitgetheilt, wider Erwarten Eiweiss im \u00abnormalen Harn\u00bb fand. Das wird indess um so weniger Wunder nehmen, als ja nach den Angaben Senator\u2019s*) und anderer Autoren innerhalb \u00abphysiologischer Grenzen\u00bb Eiweissausscheidungen bis zu 0,4 pro Mille Vorkommen k\u00f6nnen.\n*) Leube, Zeitschrift f\u00fcr klin. Medizin, H\u00abl. XIII, Heft L\n-) Senator, \u00abDie Albuminurie \u00ab*tc. >, S. ty.","page":201}],"identifier":"lit16817","issued":"1891","language":"de","pages":"189-201","startpages":"189","title":"Ueber Eiweiss im normalen Harn","type":"Journal Article","volume":"15"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:47:00.275020+00:00"}