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{"created":"2022-01-31T12:45:35.036913+00:00","id":"lit16855","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"M\u00f6rner, C. Th.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 16: 255-267","fulltext":[{"file":"p0255.txt","language":"de","ocr_de":"I\nZur Kenntniss des Verhaltens der Gallus- und Gerbs\u00e4ure im\nOrganismus.\nVon\nCurl Th. Morncr (Upsala).\n(Aus ,l,.m Universit\u00e4ts-Laboratorium, Abtb. der med. Fao.. in Freiburg i. B.) (Der Redaction zngcgaugen am 21. December I89i;)\nBei ihrer neuerlich publicirlen, eingehenden Untersuchung: l;eber das Wesen der Alkaptonuric\u00bb') haben sich Wolkoiv und Baumann der Eigenschaft der IJomogentisins\u00e4ure, Silber-mlrat in ainmoniakalischer L\u00f6sung zu reduciren, zur quantitativen Bestimmung dieses Stoffes im Harne bedient. Professor Baumann hat mir g\u00fctigst vorgeschlagen, zu pr\u00fcfen, ob dieses Verfahren auch zur quantitativen Sch\u00e4tzung der Gerbs\u00e4ure iresp. nahe verwandter Stoffe), besonders bei ihrem Vorkommen im Harne, verwendbar sei, um dann, wenn die Sache sich g\u00fcnstig herausstellto, durch angcstelltc Thierversuche zu erfahren, in welchem Grade die im Organismus cingef\u00fchrlc baure, event, ihre Zersctzungsproducte, mit dem Harne wieder ausgeschieden werden.\nBis auf Weiteres \u00fcbergehe ich die in der Litteratur lefindhchen, diese Frage ber\u00fchrenden Angaben; ihnen ist indessen gemeinsam, dass sie alle, in Ermangelung einer verwendbaren quantitativen Methode, nur qualitative Verh\u00e4ltnisse ' \u00ab handeln. Aus den fr\u00fcheren Untersuchungen einiger Forscher\n*) Zeitschr. f. phys. Chemie, Bd. XV, S. *228. Zeitschrift f\u00fcr physiologische Chemie. XVI.","page":255},{"file":"p0256.txt","language":"de","ocr_de":"256\ngeht hervor, dass nach Eingabe von Gerbs\u00e4ure Galluss\u00e4ure erscheint. Ich habe es f\u00fcr n\u00fctzlich erachtet, diese n\u00e4he Verwandte S\u00e4ure') in einigen Richtungen zu untersuchen.\nI. Versuche \u00fcber Galluss\u00e4ure.\nAnf\u00e4nglich wurden die Reactioneri, die f\u00fcr qualitative Nachweise sp\u00e4ter Verwendung fanden. bez\u00fcglich ihrer Empfindlichkeit controllirt. Beim Arbeiten mit Harn, dem Galluss\u00e4ure in verschiedenen Verh\u00e4ltn ssen beigemengt war, erwiesen\nsich eine ammoniakalische Silberl\u00f6sung und eine (mit Weins\u00e4ure bereitete) amrnoniakalisehe Eisenchloridl\u00f6sung*) als besonders empfindliche Reagent ien ; beide zeigten als niedrigste Grenze noch einen Gehalt des Harns von 0,001 \u00b0/0 Gallus-\ns\u00e4ure an.\nEs wurde dann die von Wolkow und Baumarin bei Alkaptonharn angewandte Methode einer n\u00e4heren Pr\u00fcfung unterworfen und nach dem Beseitigen einiger Fehlerquellen auch f\u00fcr die Bestimmung der Galluss\u00e4ure inv Harne gut verwendbar befunden.\nWas die Ausf\u00fchrung betrifft, wurde den von Wolkow und Bau in ann gegebenen Vorschriften haupts\u00e4chlich gefolgt ; einige Details m\u00f6gen doch hier erw\u00e4hnt werden:\n1. Um den Endpunkt zu bestimmen, wurde die von dem reducirten Silber abfiltrirte Fl\u00fcssigkeit ausschliesslich mit Salzs\u00e4ure gepr\u00fcft. Nach einigen zum Orientiren nothweudigen Proben wurde eine Reihe, in welcher eine jede nachfolgende Probe mit je 0,2 cbcrn. N./10-Silberl\u00f6sung mehr versetzt wurde, angestellt. Beim Pr\u00fcfen der Filtrate ergaben sich dann zwei naheliegende Proben , von denen die eine keine, die \u00e4ndere\n') Wie bekannt, ist Galluss\u00e4ure als Trioxj benzo\u00ebs\u00e2ure aufzufassen ; C\u00abH2 (OH), GOOH. Durch Zusanunentrelen von v2 Molek\u00fclen Galluss\u00e4ure mit Auslreteii einer Molek\u00fcle H20 entsteht die Gerbs\u00e4ure (Digalius-\n; ; \u25a0 v ' t cftH2(OH)8co ^^00^\t* 1\nsaure) : <\t/\t:\nfC6Ha(GH)8 OCOOH.\n/\t2) 1 Th. Eisemhloiidlos. (20o|0) + 1 Th. Weins\u00e4urel\u00fcs. (-itV\u2019fJ\n+ V Tb. Ammon (10%) ; der gew\u00f6lmticlien sauren \u00a3isenclilorHli\u00d6sun|| vorzuziehen.","page":256},{"file":"p0257.txt","language":"de","ocr_de":"eine schwache Tr\u00fcbung erlitt. Als Ausdruck der verbrauchten Menge Sdberl\u00f6sung wurde der Durchschnittswert!, der gefundenen Zahlen angesehen, z. B.: $*-+.0,7 = (!.(; cbcm.\n\u201d In der einzelnen Harnprobe wurden, je nach reichlicherem oder sp\u00e4rlicherem Vorkommen der S\u00e4ure, |<>_f,n<bcm abgemessen. Pr\u00fcfung der Filtrate erfolgte nach t\u00ab .Minuten'\n\"\u2022eiche Einwirkungsdauer Controllversuche als hinreichend erwiesen.\n\u2022\t'\td\n3.\tIn je 10 cbcm. abgemessenen Harns wurde nach Zusatz der Silberl\u00f6sung 1 cbcm. conc. (oder :i cbcm. lOpro-cenliges) Amnion hinzugef\u00fcgt. Aus controlli,ende,. Versuchen ging hervor, dass diese Menge unter allen Verh\u00e4ltnissen hinreichend war und die Endreaction nicht nachtheilig beeinflusst Wenn man dagegen eine gr\u00f6ssere Quantit\u00e4t des Ammons z. I!. \u00f6\u201410 cbcm. conc. Ammon auf 10 ehern. Harn, verwendete, hielt der bei Neutralismen des Filtrats mit Salzs\u00e4ure entstehende Salmiak eine betr\u00e4chtliche Menge Chlorsilber in Losung und die Endreaction wurde unzuverl\u00e4ssig.\n4.\tDer Reductionsprocess wurde in kleinen, mit St\u00f6pseln .-erschlossenen Flaschen vorgenommen; nach Zusatz der Reagentien wurde die Fl\u00fcssigkeit durch ein- oder zweimaliges langsames Umdrehen vermischt und dann in Ruhe hingcstelit.\nSch\u00fctteln der Probe, besonders wenn es in offenen Haschen geschah, verursachte n\u00e4mlich constant niedrigere and von verschiedener Intensit\u00e4t des Sch\u00fctteins abh\u00e4ngige wechselnde Reductionszahlen, was der Oxydation eines Theiles \u20221er Galluss\u00e4ure durch Luftsauerstoff offenbar zuzuschreiben ist.\nen, ?- Eme Correc,ion der gefundenen cbcm.-Anzahl der -Verlosung, in meinen Versuchen 0,3 cbcm. pro 10 cbcm. an-\ngewendeten Harns (t,3 cbcm. pro 50 cbcm.) betragend, wurde\nvorgenommen und sollte bei Arbeiten dieser Art wenn m\u00f6glich 111 Betracht kommen.\nDiese Correction r\u00fchrt aus folgendem Ergebnisse her:\n' ergleichung zweier Gallussaurel\u00f6sungen desselben Ge-la es, von denen die eine mit Wasser, die andere mit Harn","page":257},{"file":"p0258.txt","language":"de","ocr_de":"-\t'\t; 258\t-\nbereitet war, pel es auf, dass der Werth der verbrauchten SUberl\u00f6simg im letzteren Falle stets ein wenig h\u00f6her war als im ersteren, und die Ursache wurde aufgekl\u00e4rt, wenn normaler Harn allein mit ammon. Silberl\u00f6sung versetzt wurde.\nDie darin befindliche Harns\u00e4ure gab mit einem kleineren Theile der zugesetzten Silberl\u00f6sung einen in Ammon unl\u00f6slichen Niederschlag, der beim Filtriren zur\u00fcckgehalten wurde,\nUm Durchschnittszahlen dieses \u00abSilberverbrauchs\u00bb meines ^ normalen Harns zu ermitteln, wurde in vier verschiedenen 24 st \u00fcndigen Harnpartien dieser Silberverbrauch bestimmt Und aus den gefundenen Werthen (1,3, 1,2, 1,5,1,2) als Mittel worth 1,3 ebenr. pr. 50 ebem. normalen Harns berechnet, weiche Correction bei den folgenden quantitativen Bestimmungen in Ber\u00fccksichtigung kam.\nDas Ueductionsverm\u00f6gen der Galluss\u00e4ure belief sich auf 3(1 cbcni. N./10-Silberl\u00f6sung pr. 0,1 gr. S\u00e4ure.\t\u25a0\nNachdem die Methoden des qualitativen Nachweises und der quantitativen Bestimmung controllirt waren, ging ich zu Stoffwechselversuchen \u00fcber.\nIm Ganzen stellte ich 12 verschiedene Versuche mit Galluss\u00e4ure an mir selbst *) an, deren allgemeine Anordnung aus folgender Erl\u00e4uterung ersichtlich wird :\nMittags, gew\u00f6hnlich nach einer kleinen Mahlzeit, nahm ich eine abgewogene, in Oblatkapseln eingeschlossene Quantit\u00e4t reiner, krystallisirter Galluss\u00e4ure ein.\nNach 20\u201428 Stunden, d. h. wenn die qualitative Harnuntersuchung auf Galluss\u00e4ure ganz negativ ausfiel, wurde die ganze bis dahin entleerte Harnmenge, nachdem sie gemischt und gemessen war, der qualitativen und quantitativen Untersuchung unterworfen.\nU Qualitative Untersuchung.\nSchon beim ersten Versuche nach Einnehmen von 2 gr. Galluss\u00e4ure zeigte es sich, dass dem Harn eine, ammon. Silberl\u00f6sung reducirende, Substanz beigemengt war. Diese und andere\n') K\u00f6rpergewicht 86 Kil\u00f6gr.","page":258},{"file":"p0259.txt","language":"de","ocr_de":"259\nvon den Versuchen stammende Harnpartien zeichneten sich durch Folgendes aus:\t< \u2022'\n1.\tNach Zusatz einiger Tropfen Ammon oder Lauge nahm der llarn bei Sch\u00fctteln eine immer dunkler werdende Farbe an.\n2.\tMit ammon. Silberl\u00f6sung trat bald Ausscheidung eines grauschwarzen Niederschlages ein.\n3- Eisenchloridl\u00f6sung rief einen graublauen Niederschlag, ammon. (weins\u00e4urehaltige) Eisenchloridl\u00f6sung eine i Olli violette (burgunder\u00e4hnliche) F\u00e4rbung, eine L\u00f6sung von Forrosulphat nach kurzer Zeit eine schmutzig blauviolette Farbe hervor.\n4.\tMi 11on\u2019s Reagens (ohne Erw\u00e4rmung) gab einen sch\u00f6nen, lachsfarbenen Niederschlag in ge]brother Fl\u00fcssigkeit.\n5.\tDer Harn wurde niemals von Leiml\u00f6sung getr\u00fcbt.\nDa diese s\u00e4mmtlichen Reactionen einem mit Galluss\u00e4ure versetzten Harne zukamen, war die Gegenwart dieser S\u00e4ure im \\ \u00e8isuehsharne schon mit grosser Wahrscheinlichkeit erwiesen und wurde durch folgende Versuche weiter festgosteilt :\nMit Schwefels\u00e4ure bis 0,1 \u00b0/0 anges\u00e4uert wurden 2 Liter \u2019 eines Versuchsharnes mit 1 Liter Aether gesch\u00fcttelt. Nach Verdunsten des abgehobenen Aethers wurde der R\u00fcckstand in Wasser aufgenommen und die durch Aufkochen mit Thierkohle entf\u00e4rbte Fl\u00fcssigkeit, die Galluss\u00e4urereactionen stark-und rein gab, langsam im Wasserbade concentrirt, wobei lange, feine und farblose Krystallnadeln sich abzuscheiden anfingen und nach 24st\u00fcndigem Aufbewahren im Exsiccator eine reichliche Krystallisation typischer Galluss\u00e4urenadeln auf-hut. Dass Galluss\u00e4ure also in den Harn \u00fcbergeht, wurde hiermit ersichtlich gemacht und die Angaben J\u00fcdellV) und Stockmann\u2019s*) weiter best\u00e4tigt.\nDie Frage, ob die Galluss\u00e4ure als solche oder m\u00f6glicherweise, wie viele andere Substanzen der aromatischen Gruppe, m Paarung mit Schwefels\u00e4ure im Harne auftrete, wurde bei darauf gerichteter Untersuchung zu Gunsten der erstgenannten M\u00f6glichkeit entschieden.\n') Inaug.-Dissert., G\u00f6ttingen 1869.\n3) Brit, medic. Journ., 1887, S. 1077.","page":259},{"file":"p0260.txt","language":"de","ocr_de":"260\nEtwaige andersartige, aus der eingenommenen Gallus-saure stammende Producte waren nicht an zu treffen.\n2. Quantit\u00e4tive Untersuchung.\nPa es sieh bei der qualitativen Pr\u00fcfung heraussteilte, dass man im Versuchsharne mit Galluss\u00e4ure allein zu rechnen hatte, war die Anwendung der fr\u00fcher erw\u00e4hnten Methode\nzur quantitativen Bestimmung der Galluss\u00e4ure erm\u00f6glicht worden.\nTab. I (Mensch).\nNo.\tEin* j genommene r i (tJllIllH- ! s\u00e4ure. 1 1. Kr-\t:\u25a0 v ; Harnmenge : | oben\u00bb.\tGalluss\u00e4ure* g>h\u00bblt des Harns.\tIm Harne ausgesetaiedeue Galluss\u00e4ure.\t\t\n\t\t\t\tAbsolute Menge.\t\tR*-lat ive Menge 1\u00b0 ,, der eingenommen, n Galluss\u00e4 re).\nf.\tG\t2860\t0,0*12\t\t1,78\t\u2014\t30\n2.\t4\t1970\t0,080\t'\t1,58 |\t\t39 1\n3.\t\u25a0\u25a0 1\t2030\t0,051\t103\t. 1,30\t\u2022> I\n4.\tQ ' ' m t\t1550\t0,018\t0,28\t\t14 )\n5.\t2\t1150\t0,054\t0,62\t0,43\t31\t21\nm\t: 2 .\t2240\t0,017\t0,88\t\t.19)\n7.\t.\t1.5\t2020\t0,003\t0,06 i\t\t\n8.\t1,5\t1570\t0.\u00d60G\tv () 07 0,09 \\ \u2019 '\t\tm 5\n9.\t1\t2430\tapprox.0,001\tapprox.0,002 / _\t-\t\t2 {\n10.\t\u2022\u2022-Mi:.7 =\t2400\t\u00bb 0,001\t\u00bb 0.002\tU,U2\tM *\nn\t0.5\tI960\t\u00bb 0,001\t\t0,02\t\u25a0\n12.\t0,25\t1260\t0 '\u25a0\t\t; o\t\u2014 0\nAus der lner angef\u00fchrten Zusammenstellung der Resultate : geht unzweideutig hervor, dass, im Ganzen genommen, die im Harne auftretende Galluss\u00e4uremenge von der Gr\u00f6sse der eingenommenen Menge ziemlich abh\u00e4ngig ist, so n\u00e4mlich, dass sie mit steigenden Dosen sowohl absolut als relativ zunimmt. Indession verl\u00e4uft diese Zunahme nicht in gieichm\u00e4ssiger Progression, sondern bietet einen kritischen Punkt (zwischen 1^) 2 gr. gelegen) dar. W\u00e4hrend n\u00e4mlich von eingenommenen 0,25 gr. nicht eine Spur, von 0,5\u20141 gr. so \u00e4usserst kleine Quantit\u00e4ten, dass sie Spuren gleichgesetzt werden k\u00f6nnen, und von 1,5 gr. noch ganz wenig (5\u00b0/0 der eingenommenen","page":260},{"file":"p0261.txt","language":"de","ocr_de":"2G1\nQuantit\u00e4t) im Harne wiederzufmden ist, steigt die eliminirte Menge boi eingenommenen 1 gr. 'schnell bis auf etwa 10\u2022/ hinauf, um dann bei 4\u2014(*\u00bb gr. etwa 30\u00b0/0 auszumachen.\nNiemals fand sich also die ganze, nicht einmal ann\u00e4hernd die ganze Menge der eingenommenen Galluss\u00e4ure im Harne wieder; ein gr\u00f6sserer oder geringerer Theil war beim Passir\u00e9n durch den Organismus \u00abverschwunden\u00bb.\nAm n\u00e4chsten lag die Vermutlmng, dass der \u00fcbrige Theil der Resorption entgangen war und so mit den Excrementen den K\u00f6rper verlasse. Doch die Untersuchung der Faces*) raubte dieser Annahme ihre St\u00fctze; Galluss\u00e4ure oder eine ihr verwandte Substanz wurde in den F\u00e4ces gar nicht oder h\u00f6chstens spurenweise angetroffen.\nWenn man weiter in Betracht nimmt, dass, wie schon angef\u00fchrt, der llarn keine weiteren Umselzungsprod\u00fccte der Galluss\u00e4ure aufzuweisen hatte, ist man berechtigt mit grosser Wahrscheinlickeit zu schliessen, dass der \u00fcbrige Theil, der im Harne nicht anzutreffen war und welcher in allen F\u00e4llen den gr\u00f6sseren Theil darstellte, im Organismus vollst\u00e4ndige Verbrennung erlitten hatte.\nMit Galluss\u00e4ure stellte ich auch einen Hundeversuch an,\u2019 welcher, wie auch einige sp\u00e4ter zu erw\u00e4hnende Versuche, folgenderweise angeordnet wurde: Der Versuchshund (mittelgrosser Rattenhund) verweilte in einem mit Zinkplatten wasserdicht ausgeschlagenen K\u00e4fig, dessen schief abfallender Boden\nes erm\u00f6glichte, den Harn in einer mit ein wenig verd\u00fcnnter Schwefels\u00e4ure beschickten Glasflasche aufzusammeln. Es bot sich keine Schwierigkeit dar, die abgewogene und in ein St\u00fcckchen Filtrirpapier eingewickelte Dosis des Versuchsmittels (hier 5 gr. Galluss\u00e4ure) mit zwei Fingern in die Speiser\u00f6hre niederzustossen.\nNach 3 Tagen sp\u00fclle\\ man den Boden des K\u00e4figs mit Wasser ab und der aufgesammelte Harn nebst Sp\u00fclwasser gelangte zur Untersuchung.\n\u2019) Die Faces wurden mit warmem, schwefelsaurehaltigem Weingeist digerirt; das Filtrat nach partiellem Verjagen des Weingeistes und Zusatz von Ammon mit nmmon. Eisenchlorid- und Silberl\u00f6sung gepr\u00fcft.","page":261},{"file":"p0262.txt","language":"de","ocr_de":"Mit den fr\u00fcheren Versuchen an Menschen stand dieser Hundeversueh bez\u00fcglich der qualitativen Verh\u00e4ltnisse in vollen, Einklang; Gallussaure konnte auch hier mit Leichtigkeit in krystallisirter Form erhalten werden. Bei quantitativer Pr\u00fcfung wurden 1,08 gr. von den eingegebenen 5 gr., d. i. 22\u00b0/0 dieser Quantit\u00e4t entsprechend, w iedergefunden.\nVersuche mit Gerbs\u00e4ure.\nWie schon bemerkt, bieten s\u00e4mmlliehe in der Litteratur bisher zu findenden Untersuchungen \u00fcber das Verhallen der Gerbs\u00e4ure im Thierorganismus ausschliesslich qualitative Angaben dar, und auch diese gehen ziemlich auseinander, was zum Tlieil davon abh\u00e4ngen mag, dass sie sich auf verschiedene Thierarten beziehen.\nDie erste hierher geh\u00f6rende Angabe erschien schon im Jahre 1824, worin W\u00fchler\u2019) \u00fcber das Vorkommen der Gallus-s\u00e4ui-e im Hundeharn, nach Darreichung der Gerbs\u00e4ure, berichtet. Sp\u00e4ter (1848) gaben Wohl er und Fr erd eh s*) als l>ei solchen Versuchen im Harne auzufindende Substanzen Galluss\u00e4ure und Pyrogalluss\u00e4ure an; Gerbs\u00e4ure hatten sie dagegen nicht gefunden.\nSp\u00e4tere Untersuchungen kommen unten zur Erw\u00e4hnung.\nBez\u00fcglich der allgemeinen Versuchsanordnung ist es hinreichend, auf vorige Abtheilung zu verweisen.\n1. Qualitative Pr\u00fcfung.\nNach Einnehmen einer gen\u00fcgenden Quantit\u00e4t Gerbs\u00e4ure war Galluss\u00e4ure sowohl bei Menschen- als Hundeversuche mittels qualitativer Reactionen und der Krystallform mit Bestimmtheit im Harne nachzuweisen. Da weiter Wohl er und I* i erichs, Baumann9) sammt Stock mann bei Hunde-, S t o c k m a n n ausserdem bei Menschen- und Kaninchen -Versuchen \u00fcbereinstimmend Galluss\u00e4ure in den Harn \u00fcbergehend gefunden haben, kann man dieses Verhalten als ein in weiter\n') Zoitsrhr. f. Physiologie v. Tiedemann, Bd. I, S. 140.\n2) Annalen Liebig\u2019s, Bd. LXV, S 3&V.\n8) Zeitschr. f. phys. Chemie, Bd. VI, S. 183.","page":262},{"file":"p0263.txt","language":"de","ocr_de":"Ausdehnung gellendes und in vollem Maasse conslatirtes Factum betrachten.\nAnders stellt es mit der Wohler und Freriehs\u2019sclien Angabe, dass Pyrogalluss\u00e4ure auch gebildet werde, welche sie ausschliesslich auf das Verhalten des Harns einem einzigen Reagenz (Eisenoxydulsalz) gegen\u00fcber gr\u00fcnden. Wenn auch \u00ablieso Reaction wirklich einen Unterschied zwischen Galluss\u00e4ure und Pyrogalluss\u00fcure darbietet, ware es doch kaum gestattet, daraus allein auf Pyrogalluss\u00fcure zu sch Hessen.\nMir ist es indessen ganz unerkl\u00e4rlich, wie man Eisenoxydulsalz als eine Diflerentialreagenz dieser beiden Saufen li\u00e2t au 1st eilen k\u00f6nnen (es sollte mit Galluss\u00e4ure keine, mit Pyrogalluss\u00fcure eine blaue F\u00e4rbung geben). Mit L\u00f6sungen reiner Gallus- und Pyrogalluss\u00fcure und bei verschiedener Concentration in Wasser und Harn exporimentirehd, habe ich m ihrem Verhallen gingen eine frisch bereitete L\u00f6sung oxydfreien Ferrosulphats keinen Unterschied bemerkt; in\" beiden ^ allen stellte sich nach kurzer Zeit eine blauviolette F\u00e4rbung ein.\nDa die erste Angabe \u00fcber das Vorkommen der Pyrogalluss\u00e4ure im Harne allem Anscheine nach aus einer falschen Voraussetzung hervorgegangen ist, da weiter die M\u00f6glichkeit ihrer Bildung im Organismus h\u00f6chst unwahrscheinlich ist, und schliesslich Stockmann, der hierher geh\u00f6rende qualitative Verh\u00e4ltnisse am eingehendsten studirt hat, weder im Menschen-nocli Hundeharn eine Spur von Pyrogalluss\u00e4ure angetrolTen hat, habe ich es nicht f\u00fcr noting gehalten, dieser Pr\u00e4ge eine weitere Aufmerksamkeit zu widmen.\nDie Frage, ob Gerbs\u00e4ure unver\u00e4ndert in Harn \u00fcbergehen kann, ist von verschiedenen Forschern nicht in derselben Richtung beantwortet worden, ln meinen F\u00e4llen war weder bei Menschen- noch bei Hundeversuchen (No. 14, 18) eine Spur von Gerbs\u00e4ure zu entdecken\u2019), ein Resultat,\u2019 das\n\u2018j Die Pr\u00fcfung wurde fotgenderweise nusgef\u00f6lirt: 1 Liter des ains wurde mit neutr. Bleiacetat bis zu deutlichem Bleigesehmack ver-Z ' I)er ausgewaschene Niederschlag in ein wenig Wasser mit Schwefelwasserstoff vollst\u00e4ndig zerlegt. Nach Filtriren wurde die mit Natrium-earhonat neutralisirte Fl\u00fcssigkeit (100 chcm. messend; = lOfacl.e Con-","page":263},{"file":"p0264.txt","language":"de","ocr_de":"mit dem von Stockmann unter denselben VcrsUchs-bedingungon (Mensch, Hund) erhaltenen \u00fcbereinstimmt.\nWenn Stockmann dagegen mit Kaninchen experimen-lirte, land er, wie auch Lew in1), Gerbs\u00e4ure nebst mehr oder weniger Galluss\u00e4ure im Harne der Thiere, was nach Darreichung von Gerbs\u00e4ure in neutraler Verbindung, als Alkalitannat, auch f\u00fcr Hunde galt.\nEs ist somit ganz unzweifelhaft, dass diese Frage nicht eine allgemein g\u00fctige Antwort erhalten kann, indem sowohl die Art der Versuchsthiere, als die Form, in welcher Gerbs\u00e4ure dargereicht wird, das Resultat beeinflussen.\n& Quantitative Untersuchung.\nDie Menge der Galluss\u00e4ure im Harne wurde nach der fr\u00fcher erw\u00e4hnten Methode bestimmt.\nTab\u00ab II\u00ab\na) Mensch.\n\\ . \u2022\u2022 1 .. No. ' ' \u2018\t\u2018 \" \u2022\t'\u25a0\t; J\t^\t\u2022\u2022 '\t\u2022\t\u25a0i: Eingenommene Gerbs\u00e4ure. gr.\t!\tHarunienge, ebem.\tGalluss\u00e4ure-gelialt des Harns. %\tIm Harne aUsgeschicdeuo Galluss\u00e4ure.\t\n\t\t\t\tAbsolute Menge. gr.\tKe 1 at i ve Menge der l inge, nomraeiien Galluss\u00e4ure).\n14\t: . ; ! s :\t1800\t0,006\t0,11\t\n15\t4\t:!\t1870\t\t0\t\n10\t\t2360\t0\t0\t0\n17\t: 2 ; ' ,/\u00ee\t1350\t0\t0\t0\nb) Hund.\n18 |\t10\ti 1000\t0,005\t0,05\n19 ' 1\t5\tj 1000\t0,005\t0,05\nAnf\u00e4nglich wurden 2 gr. Gerbs\u00e4ure eingenommen, ohne dass weder in der 24st\u00e4ndigen Harnpartie im Ganzen, noth\nCentration) theils direct, theils nach langsamem Concentriren am Wasserbade bis Jlft (50 ehern. Ins 100 ehern.; d. h. eine 50fache Concentration der im urspr\u00fcnglichen Harne m\u00f6glicherweise vorhandenen Gerbs\u00e4ure) mit Leiml\u00f6sung unter geeigneten Vorsiehtsmassregeln gepr\u00fcft. Das Resultat war entschieden negativ,\n\u2018) Virchow\u2019s Archiv, Bd. 81 (1880), S. 74.\n\u00cej\u00ee In Klystier.","page":264},{"file":"p0265.txt","language":"de","ocr_de":"in einzelnen gepr\u00fcften Portionen auch \u00abeine Spur von Galluss\u00e4ure aufzufinden war.\nKeinen wesentlichen Unterschied boten die zwei folgenden Versuche (1 gr.) dar. In beiden Fallen freilich war ui einer kleinen, ungef\u00e4hr 2 Stunden nach Einnehmen gelassenen Portion eine Andeutung zur Gallussuurereaction mit ammonia-kalischer Eisenchloridl\u00f6sung wahrzunehmen, die indessen in den folgenden Portionen oder in der ganzen rMstiuidigen Ilarnpartie nicht zu entdecken war. Auch in diesen Versuchen konnte man also den Gehalt des Ilarns an Galluss\u00e4ure gleich Null setzen.\t'\nErst nachdem die eingenommene Cerbs\u00e4\u00fcremonge bis auf 8 gr. gestiegen war, trat Galluss\u00e4ure in erw\u00e4hnenswerther Quantit\u00e4t im Harne auf.\nSowohl bei diesem an mir selbst angestellten Versuche (No. H), als bei den zwei Hundeversuchen (No. 18, 19) f\u00fcllt es auf, welcher unbedeutende \u00dfruchlheil der eingenommenen Gerbs\u00e4ure, 0,5\u2014 1 \u00b0/0 derselben, in den Harn als Galluss\u00e4ure \u00fcbergetreten ist.\nHier noch mehr, als bei den fr\u00fcher erw\u00e4hnten Gallus-\ns\u00e4ureexperimenten, lag die M\u00f6glichkeit am n\u00e4chsten, dass die Gerbs\u00e4ure mit im Magen und D\u00fcnndarm befindlichen Eiweissstoffen unresorbirbare Verbindungen eingegangen war und dann mit den Faces ausgef\u00fchrt wurde. Dieses angenommen, sollte die Resorption mehr unbehindert Vorgehen und- die Ausscheidung durch den Ilarn erheblicher seinwenn die Gerbs\u00e4ure im leeren Masldarm applicirt wurde.\nEin Versuch dieser Art kam zur Ausf\u00fchrung ; 4gr Gerbs\u00e4ure nahm ich als Klystier zu mir. Doch eben so wenig wie wenn 4 gr. per os eingenommen waren, fand sich liier Galluss\u00e4ure in nachweisbarer Menge im Harne wieder.\nUm die Frage weiter forlzuf\u00fchren, wurden die Excremente von den Versuchen No. 14 und 15 + 17 in der fr\u00fcher an-angegebenon Weise (S. 261) untersucht. Gerbs\u00e4ure oder GaUus-s\u00e4ure waren aber in den Excremcnten nicht vorhanden, und damit die Annahme, dass die Gerbs\u00e4ure auf diesem Wege den K\u00f6rper verlasse, als unrichtig erwiesen.","page":265},{"file":"p0266.txt","language":"de","ocr_de":"Aus den bisher hervorgehobenen Befunden geht mit grosser Wahrscheinlichkeit hervor, dass die Gerbs\u00e4ure nach ihrer Resorption zum \u00e4liergr\u00f6ssten Theile einer vollst\u00e4ndigen Verbrennung unterworfen war.\nWenn wir Weiter die Versuche (sowohl Menschen- wie Thierversuche), welche hinsichtlich der Gr\u00f6sse der eingegebenen Dosen einander gleichkommen, zusammenstellen, ergibt sich ein deutlich ausgesprochener Unterschied in dem Verhalten der Galluss\u00e4ure und Gerbs\u00e4ure, wenn sie im Organismus eingef\u00fchrt sind.\nEs mag hier nur daran erinnert werden, dass es nach der Theorie kein Hindern iss f\u00fcr die Annahme gibt, dass sich eine gewisse Quantit\u00e4t (z. B. 1 gr.) Gerbs\u00e4ure im Organismus in eine ann\u00e4hernd gleich grosse Quantit\u00e4t (1,05 gr.) Galluss\u00e4ure um-wandeln kann; da weiter sowohl Galluss\u00e4ure als Gerbs\u00e4ure, wie schon besprochen ist, thals\u00e4chlich als Galluss\u00e4ure in den Ham \u00fcbertreten, liegt die aphoristische Annahme, dass dieselbe Quantit\u00e4t der beiden S\u00e4uren, wenn in den K\u00f6rper eingef\u00fchrt, eine in beiden F\u00e4llen ann\u00e4hernd gleich grosse Gallus-saurequantit\u00e4t im Harne erscheinen lassen sollte1), ziemlieh nahe.\nMit den thats\u00e4chlichen Verh\u00e4ltnissen stimmt indessen diese Annahme bei Weitem nicht \u00fcberein, wor\u00fcber Tab. HI n\u00e4here Auskunft ertheilt.\nTab. III.\na) Mensch;\n\t\tI\tIm Harne ausgeschiedene Galluss\u00e4ure.\t\t\t\nN<*. der Versuche.\tEingenommene Menge. \u00abr.\tAbsolute Menge (gr.t.\t\t1\tRelative Menge (%>.\t\n\t\tBei Gallus-s\u00e4ure-ciugabe.\tBei Gerbs\u00e4ure- cingabe.\tJ Bei Gallus-j s\u00e4\u00bb re- \u2022 | eingabe.\t\u25a0\u25a0 - Bei. ;; Gerbs\u00e4n re-eiimabe.\n4, 5, 6. 17\t\u2022 . ' \u2022 \u00bb 143\t0,43\t\t}\u25a0 ' 21 ..\tWW, ;\n2, 3,15,16\t1,40\t1,30\t0\t!\t\u25a0 32\t;\t0\n1, 14\t6,78 v-\t1,78 b) H\t0,11 und.\t30\tO l \u25a0:\n13, 1\u00bb\t5 \u25a0 ./\tr\t1,08\t0,05\t22\t\nl) Wenn man z. B. nach Eingabe von 5 gr. Galluss\u00e4ure 1 gr. im Harne Wieder gefunden hatte, w\u00e4re nach eingegebenen 5 gr. Gerbs\u00e4ure ebenfalls ann\u00e4hernd 1 gr. Galluss\u00e4ure zu erwarten.","page":266},{"file":"p0267.txt","language":"de","ocr_de":"267\nIndem Galluss\u00e4ure bei Eingaben von 2 gr. mit etwa 20\u00b0/ von 4gr. mit etwa 30\u00b0/o im Harne erscheint, liefert Gerbs\u00e4ure! in denselben ansehnlichen Dosen genommen, keine nachweisbare Menge Und bei Dosen von 6-8 gr. doch nur eine kleine, 1 /0 der eingenommenen Dosis, entsprechende Galluss\u00e4urc-menge, gegen etwa 30\u00b0/0 bei denselben Dosen der Galluss\u00e4ure.\nMit dem blossen Constatiren dies bemerkenswerthon Factums muss ich mich hier begn\u00fcgen, die Erkl\u00e4rung desselben dagegen hingestellt sein lassen.\nIndessen mag es gestattet sein, die M\u00f6glichkeit einer Erkl\u00e4rung, welcher die gr\u00f6sste Wahrscheinlichkeit zuzukomrneh scheint, hervorzuheben.\nIn den Magen und oberen Theil des D\u00fcnndarmsgolangeiid, geht die Gerbs\u00e4ure mit Eiweissstoflcn schwer l\u00f6sliche Verbindungen ein, aus denen sie, weiter in den Darm hcrunler-\nger\u00fcckt, bei dort herrschender alkalischer Reaction ailmali\" freigelassen wird.\tR\nAlso allm\u00e4lig zur Resorption gelangend, tritt sie (oh als Gerbs\u00e4ure oder schon in Galluss\u00e4ure umgewandelt, steht dahin) nur in kleiner Menge und w\u00e4hrend einer l\u00e4ngeren Zeitdauer\nm das Blut \u00fcber, was ihre relative vollst\u00e4ndige Verbrennung beg\u00fcnstigen muss.\t;*\nMit der Galluss\u00e4ure steht es anders. Da sie keine Neigun-besdzt, schwer l\u00f6sliche Verbindungen einzugohen, unterliegt sie einer schnellen Resorption, tritt in das Blut in bedeutenderer Menge auf, so dass einem relativ gr\u00f6sseren Theile (vor Verbrennung gesch\u00fctzt) Gelegenheit gegeben wird, durch die Nieren ausgeschieden zu werden.\nZum Schluss m\u00f6chte es mir gestattet sein, Herrn Professor Dr. Baumann f\u00fcr die freundlichste Aufnahme in sein Laboratorium meinen aufrichtigsten Dank ausz\u00fcsprechen..","page":267}],"identifier":"lit16855","issued":"1892","language":"de","pages":"255-267","startpages":"255","title":"Zur Kenntniss des Verhaltens der Gallus- und Gerbs\u00e4ure im Organismus","type":"Journal Article","volume":"16"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:45:35.036919+00:00"}