Open Access
{"created":"2022-01-31T12:44:08.562196+00:00","id":"lit16886","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Uschinsky","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 17: 220-228","fulltext":[{"file":"p0220.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Frage von der Schwefel Wasserstoff Vergiftung.\nDr. Uschinsky (aus Petersburg)-\n(Aus dom Laboratorium dos Herrn Professor Bau mann.)\n(Der Redaction angegangen am 18. Juli 1892.)\nDie Frage nach der Todesursache bei Schwefel Wasserstoff-Vergiftung wurde in der letzten Zeit in den Arbeiten von Pohl1) und Lehmann!) einer erneuten Pr\u00fcfung unterworfen, Die alte Anschauung, nach welcher der Tod bei dieser Vergiftung ein Erstickungstod sei, gegen welche zuerst Hoppe-V-S e y 1 e r sich ausgesprochen hat, ist durch diese Untersuchungen als irrig erwiesen worden. Nach P o h 1 wird bei Schwefelwasserstoffvergiftung erst Natriumsulfid gebildet, welches den Tod durch Nervencentrenl\u00e4hmungen im Gehirn und zum Tlieil auch im R\u00fcckenmark verursacht. Nach Lehmann, der verschiedene Mengen von Schwefelwasserstoff die Thiere ein-athmen liess, ist der Tod bei dieser Vergiftung nicht allein auf die L\u00e4hmung des Centralnervensystems und auf Bl\u00fctver-\u00e4nderungen oder dergleichen zur\u00fcckzuf\u00fchren, sondern aueli auf Ver\u00e4nderungen in der Lunge (Lungen\u00f6dem), von welchen weiter unten die Rede sein wird.\nIn den beiden genannten Arbeiten ist die Litteratur der Frage ziemlich vollst\u00e4ndig angef\u00fchrt, auf deren Wiedergabe ich hier verzichte.\n. I) Pohl, Ueb. die Wirkungsweise des Schwefelwasserstoffs und d. Schwefelalkalien, Arch. f. experim. Pathol, und Pharmakol., Bd. XXH,\nS. 1, 1S87.\t'\t\u2022\n2) Lehmann, Experiment. Studien \u00fcb. d. Einfluss technisch und.\nhygienisch wichtiger Gase und D\u00e4mpfe auf d. Organismus, Th. V ; Schwefelwasserstoff, Arch. f. Hygiene, Bd. XIV, H. 2, 1802. S. 135.","page":220},{"file":"p0221.txt","language":"de","ocr_de":"Aul' Vorschlag des Herrn Prof. Baumann habe ich einige Beobachtungen \u00fcber die Wirkung des Schwefelwasserstoffe auf Tliiere gemacht, uni einerseits zu sehen, ob Schwefelwasserstoff wirklich eine narcotisirende Wirkung aus\u00fcben kann, wie es besonders von Prof. Schulz') behauptet wird, der sogar die narcotisirende Wirkung des Sulfonals dem Schwefelwasserstoff, der, nach seiner Ansicht, im Organismus aus Sulfonal gebildet werde, zuschreibt, und andererseits die Blutver\u00e4nderungen bei dieser Vergiftung zu studiren.\nLeider habe ich von der Arbeit von Lehmann erst Kenntniss bekommen, als ich meine Versuche schon beinahe beendigt hatte, und deshalb konnte ich sie nicht so benutzen wie ich es sonst gew\u00fcnscht hatte. Meine Arbeit ist danach nur als eine kleine Erg\u00e4nzung der sch\u00f6nen Arbeit von Leb-in a n n anzusehen.\nIch habe zun\u00e4chst einige Versuche angestellt, um \u00fcber die Schnelligkeit der Ver\u00e4nderungen des Blutes durch bestimmte Mengen von Schwefelwasserstoff eine Vorstellung zu gewinnen. Zu diesem Zwecke wurde eine kleine Menge von Frosch-, Kaninchen- oder Rinderblut mit Wasser oder 0,C\u00b0/o Chlornatriuml\u00f6sung verd\u00fcnnt, bis im Spectrum deutliche \"streifen erschienen ; zu dieser Fl\u00fcssigkeit wurde eine bestimmte Menge \\on Schwefelwasserstoff in w\u00e4sseriger L\u00f6sung zugegeben und \u2022lie Zeit der ersten Erscheinung des Streifens von Schwefel-meth\u00e4moglobin im Roth neben C im Spectrum beobachtet Diese Zeit steht in voller Abh\u00e4ngigkeit von der Menge dr\u00ab /.ugesetzten Schwefelwasserstoffs und schwankt in ziemlich breiten Grenzen. Setzt man z. B. zu '/, ebem. des Blutes, welches mit physiologischer Chlornatriuml\u00f6sung bis 10 ebem. (also 20mal) verd\u00fcnnt ist, 2 mgr. Schwefelwasserstoff zu,.,so erscheint der Streifen im Roth schon nach 15\u201420 Sekunden, w\u00e4hrend wenn man zu derselben Menge desselben und ebenso verd\u00fcnnten Blutes 0,2 mgr. Schwefelwasserstoff zusetzt, der Streifen erst nach 8\u20149 Minuten bemerkbar wird. Einmal\n'1 Sehiilz, Schlaf machende Wirkung von Schwefelwasserstoff, M\u00fcnchen. Medic. Wochenblatt, No. IG, 19. Apr. 1891","page":221},{"file":"p0222.txt","language":"de","ocr_de":"gebildet ist aber diese Verbindung best\u00e4ndig und kann sogar der F\u00e4ulniss, wie Hoppe-Sey 1 er gezeigt hat, lange Zeit widerstehen. Diese Verbindung wird nur im sauerstoffhaltigen Blut und nur von einem Theil des H\u00e4moglobins gebildet, w\u00e4hrend ein anderer Theil sehr sch\u00f6ne Oxyh\u00e4moglobinstreifen zeigt und leicht, selbst blos beim Stehen in einem geschlossenen Befass, reducirt wird, und auch sehr leicht wieder den Sauerstoff annimmt. Wenn man gr\u00f6ssere Mengen von Schwefelwasserstoff zugiesst, so zerlegt sich das H\u00e4moglobin und man bekommt nur unbestimmte und undeutliche Streifen im Spectrum. Das Blut bekommt ein schmutziggr\u00fcnes Aussehen und es f\u00e4llt Schwefel und Albumin aus (Hoppe-Seyler). Wenn aber auch hier Spuren von H\u00e4moglobin erhalten bleiben, so zeigen sie noch immer die normalen Eigenschaften:\nMeine Thierversuche habe ich an Fr\u00f6schen und Kaninchen angestellt. Die Fr\u00f6sche wurden in den oberen Theil eines ziemlich grossen Exsiccators gesetzt, in die untere Abtheilung desselben wurde Schwetelwasserstoffwasser gegossen. Die Fr\u00f6sche werden bald unruhig, die Athmung wird zuerst beschleunigt, bald aber, nach 4\u20146 Minuten, verlangsamt. Die K\u00f6rperbewegungen werden schlaff und apathisch, obschon die Reflexe noch erhalten sind, und endlich liegen die Fr\u00f6sche bewegungslos auf dem Bauch. Nimmt man sie Jetzt heraus, so erholen sie sich sehr leicht und springen nach Verlauf von einigen Minuten ganz gut. L\u00e4sst man sie im Apparate liegen, so gehe!i sie nach :30\u201440 Minuten zu Grunde, wobei man im Blute immer ganz deutlich den Streifen im Roth und die beiden Oxyh\u00e4moglobinstreifen sieht.\nDen Kaninchen habe ich Schwefelwasserstoff in w\u00e4sseriger L\u00f6sung von bestimmtem Gehalt (gew\u00f6hnlich 2,2 2,7 mgi. Schwefelwasserstoff in 1 cbcm., was durch Titrirung mit Jodl\u00f6sung jedesmal gepr\u00fcft wurde) in\u2019s Rectum, unter die Haut, in die Bauchh\u00f6hle und in\u2019s Blut injicirt. Wenn man ungef\u00e4hr w 14\u201418 mgr. Schwefelwasserstoff in\u2019s Rectum injicirt, so erscheinen die Vergiftungssymptome schon nach einer Minute. Das Thier wird unruhig, macht einige falsche Schritte und legt sich auf die Seite. Die Athmung wird seltener; die Reflexe","page":222},{"file":"p0223.txt","language":"de","ocr_de":"223\nsind gut erhalten. L\u00e4sst man das Thier ruhig liegen, so= erholt cs sich allm\u00e4lig nach */,\u20148/t Stunden. Bei gr\u00f6sseren Dosen, 20\u201425 mgr., Schwefelwasserstoffs treten Kr\u00e4mpfe ein, wobei alle Muskeln Theil nehmen; es zeigen sich besonders Opistotonus und starker Spasmus des Diaphragma; manchmal wirft sich das Thier nach allen Seiten und springt wie ein Ball bis V, Meter vom Boden in die H\u00f6he. Nach den Kr\u00e4mpfen liegt das Thier ganz matt, indem es selten athmet, auf dem Boden, kann aber doch manchmal sich noch erholen, \u00f6fters aber geht es allm\u00e4lig zu Grunde.\nBei noch gr\u00f6sseren Dosen, 20\u201425 mgr., Schwefelwasserstoffs treten Opistotonus, Kr\u00e4mpfe in allen Muskeln, Spasmus des Diaphragmas und sehr bald auch der Tod ein. Der Spasmus des Diaphragmas l\u00e4sst sich durch die Ausdehnung des Bauches bei stark contrahirten \u00e4usseren Bauchmuskeln (recti und obliqui abdominis) und durch die vergeblichen Atomversuche, wobei nur die Gesichtsmuskeln contrahirt werden, erkennen. Bei der Section, welche gew\u00f6hnlich unmittelbar nach dem Tode gemacht wurde, konnte man. immer noch schwache Herzcontractionen sehen. Das Herz, besonders die rechte H\u00e4lfte, war immer stark mit Blut \u00fcberf\u00e4llt. Lungen-' \u00f6dem habe ich nie bemerkt, die Lungen waren ziemlich blutreich, aber ganz trocken, ihre R\u00e4nder waren manchmal ein wenig emphysematos. Unmittelbar nach dem Tode sieht man entweder keinen oder nur einen kaum bemerkbaren Streifen im Roth neben den Oxyh\u00e4moglobinstreifen im Blutspectruin, l\u00e4sst man aber die Leiche liegen, so erscheint der Streifen bei (\u00ce nach 10\u201415 Minuten deutlicher, zuerst in den Gef\u00f6ssen, welche nahe am Rectum liegen, sp\u00e4ter auch in den anderen. '\nWenn man Schwefelwasserstoffwasser in\u2019s Blut injicirt, >o h\u00e4ngt die Toxicit\u00e4t desselben von der Schnelligkeit des Einspritzens ab. 8-12 mgr. Schwefelwasserstoff in die Vena femoralis w\u00e4hrend 15\u201420 Sekunden injicirt, verursachen den lod eines Kaninchens von 1700\u20142000 mgr. K\u00f6rpergewicht, w\u00e4hrend man 20 mgr. Schwefelwasserstoff in dieselbe Vene, oder in die Art. femoralis, ohne dass der Tod eintritt, ein-ffihren kann, wenn man nur 1 mgr. w\u00e4hrend einer Minute\nt","page":223},{"file":"p0224.txt","language":"de","ocr_de":". 224 . :.r r:\ninjicirt. In diesen Fallen konnte man manchmal im Blute einen sehr schwachen Streifen bei C sehen.\nNur wenn man Schwefelwasserstoff in die Art. carotis injicirt, so \u00fcbt er eine st\u00e4rkere Wirkung, als wenn er in die anderen Theile des Gelasssystems eingef\u00fchrt wird. Hier gen\u00fcgen schon 7\u201410 mgr. Schwefelwasserstoff selbst bei langsamem (w\u00e4hrend 3\u20144 Minuten) Einspritzen, um ein Kaninchen unter den oben beschriebenen Symptomen zum Tode zu bringen. Einen solchen Unterschied in der Wirkung des Schwefelwasserstoffs vom arteriellen und vom ven\u00f6sen Blute aus hat auch (11. Bernard\u2019) gesehen, indem er sagt, dass der Schwefelwasserstoff nur im arteriellen Blute giftig wirke.\nDieser Umstand scheint mir indessen daf\u00fcr zu sprechen, dass der Tod gerade durch die L\u00e4hmung des Centralnervensystems verursacht wird. Die peripheren Nerven sowie die Muskeln scheinen verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig weniger afficirt zu werden, was durch das Ueberleben des Herzens, sowie dadurch, dass z. B, beim Einf\u00fchren sogar grosser Mengen von Schwefelwasserstoff in die Art. femoralis nur eine ziemlich bald vor\u00fcbergehende Paresis der Pfote ein tritt.\nEinspritzungen von Schwefelwasserstoff in die Bauchh\u00f6hle verursachen dieselben Erscheinungen und ebenso raschen toxischen Effect, wie das Einspritzen direct in\u2019s Blut. Die toxische Dosis ist auch ungef\u00e4hr 10\u201412 mgr. f\u00fcr ein mittelgrosses Kaninchen.\nAlle Beobachter bemerken, dass bei Schwefelwasserstoffvergiftungen die Exspirationsluft Schwefelwasserstoff enth\u00e4lt. Ueber die Menge von Schwefelwasserstoff, welche auf diesem Wege aus dem Blute wieder ausgeschieden werden kann, liegen aber keine Erfahrungen vor. Ich habe auch bemerkt, dass unmittelbar nach Injectionen von Schwefelwasserstoff die aus-geathmete Luft Spuren von Schwefelwasserstoff enth\u00e4lt, welche durch den Geruch und die Schw\u00e4rzung von Bleipapier nachgewiesen werden k\u00f6nnen. Bei einem Versuch* bei welchem einem Kaninchen eine t\u00f6dtliche Dosis8) (15 mgr. ungef\u00e4hr)\nl) Cl. Bernard, Le\u00e7ons de Toxicologie,\n-> Das Thier athmete noch nach 10 Minuten.","page":224},{"file":"p0225.txt","language":"de","ocr_de":".Schwefelwasserstoffs beigebracht und die ausgeschiedene Lui'jt \u00ablurch Bleil\u00f6sung geleitet wurde, zeigte sich, dass der Gehalt \u00bb1er ausgeathnieten Luft an Schwefelwasserstoff so gering war, dass es nicht m\u00f6glich war, ihn auch nur ann\u00e4hernd zu bestimmen. Dieser Versuch zeigt, dass nur ein sehr geringer\nTlieil des eingef\u00fchrten Schwefelwasserstoffs durch die Lungen wieder ausgeschieden wird.\nDie Section ergab bei den zuletzt genannten Versuchen dieselben Erscheinungen, wie es oben beschrieben ist. Lungen\u00f6dem habe ich auch hier nie gesehen ; wohl \u00f6fters waren die Lungen blutreich, die R\u00e4nder ein wenig emphysematos, was man gewiss dem Diaphragma-Spasmus und dem Inspirationskrampfe, welche man immer vor dem Tode bemerken konnte, zuschreiben konnte.\t*\nNach meinen Versuchen also kann das Lungen\u00f6dem nicht als Todesursache gelten und der Umstand, dass Lehmann es immer gesehen hat, steht gewiss in Beziehung mit der Art der Vergiftung, welche er angewendet hat, so zwar, dass bei der Vergiftung durch die eingeathmete Luft einerseits das zarte Lungengewebe \u00f6rtlich gereizt wurde, andererseits die Agonie ver-h\u00e4ltnissm\u00e4ssig viel l\u00e4nger als bei meinen Versuchen gedauert hat.\nDas Blut zeigte unmittelbar nach dem Tode zwei Oxy-li\u00e4moglobinstreifen, konnte sehr leicht reducirt und wieder durch Sch\u00fctteln mit Luft oxydirt werden; gerann auch normal. Selten konnte man gleich nach dem Tode den Schwcfel-meth\u00e4moglobinstreifen sehen; l\u00e4sst man aber das Blut in einem Befasse stehen, so ist der Streifen nach einiger Zeit manchmal sehr gut zu sehen. Das zeigt also, dass, wie Hopper Seyler schon vor langer Zeit angegeben hat, Schwefelwasserstoff, ehe das Schwefelmeth\u00e4moglobin sich bildet, seine giftige Wirkung aus\u00fcbt, indem er im Blutserum als solcher oder als Natriumsulfid ') gel\u00f6st ist. Die Blutver\u00e4nder\u00fcngen treten erst nach dem Tode ein und cs wird nur ein geringster Theil des Blutes ver\u00e4ndert; dieser Umstand ist ein weiterer Beweis daf\u00fcr, dass auch die Blutver\u00e4nderungen nicht die Todesursache\n') Vor gl. Diakonow, Metlic.-chemisch. Untorsuch, von lloppo-*eyler, S. 251.","page":225},{"file":"p0226.txt","language":"de","ocr_de":"sein k\u00f6nnen, Wir wissen ja, dass die Thiere beinahe das Doppelte von der zu in Leben nothwendigcn Menge von Blut besitzen.\nDas Blut, welches mit Schwefelwasserstoff behandelt ist, besitzt keine giftigen Eigenschaften. Pohl (1. c.) hat schon nachgewiesen, dass das mit Schwefel natrium behandelte Blut weniger giftig wirkt als die Application von Natriumsulfid selbst. Der Umstand; dass Poh l aber immerhin noch giftige Wirkung sah, als er das mit Schwefelnatrium gesch\u00fcttelte Blut Thieren injicirte, findet ohne Zweifel seine Erkl\u00e4rung dadurch, dass so behandeltes Blut, wie Pohl angibt, noch nach Schwefelwasserstoff roch und somit noch unver\u00e4ndertes Schwefelnatrium enthielt, wodurch die unmittelbare Wirkung dieser Substanz noch zur Geltung kam.f ; ;:, \u2022:\nDurch meine Versuche wird vollkommen bewiesen, dass die Giftigkeit des Schwefelwasserstoffs \u00fcberhaupt nicht aut der \\ Bildung des Schwefehneth\u00e4moglobins beruhen kann, weil man eben von schwefelmeth\u00e4moglobinhaltigem Blute, welches aber frei von Schwefelwasserstoff und Schwefelnatrium ist, so grosse Mengen den Thieren injiciren kann, dass man im circulirenden Blut das Sehwefelmeth\u00e4moglobin aufs deutlichste wahrnehmen kann, ohne dass die Thiere den geringsten Schaden nehmen.\nIch habe frisches defibrinirtes Kaninchenblut mit solchem Quantum Schwefelwasserstoff in physiologischer Chlornatriuml\u00f6sung gemischt, dass in jeden 10 cbcm. der Mischung 11 mgr. Schwefelwasserstoff waren, Hess diese Mischung 4 Stunden lang in einem geschlossenen Gef\u00e4sse stehen, wobei die Mischung eine dunkelgr\u00fcne Farbe angenommen hat, und habe von dieser Mischung 13\u201414 cbcm., was also ungef\u00e4hr 15 mgr. Schwefelwasserstoff ent sprich t, in die Vena cruralis eines mittelgrossen Kaninchens eingespritzt (2 Versuche).\nDie Thiere zeigten keine Vergiftungssymptome und blieben ganz munter. Unmittelbar nach dem Einspritzen konnte man im Blutspectrum (eine Probe Blut wurde aus einer Ohrenvenv genommen) den Schwefelmeth\u00e4moglobinstreifen sehen, aber schon eine Stunde sp\u00e4ter war er nicht mehr zu sehen. Leider konnte ich den Harn von den Kaninchen nicht sammeln: def","page":226},{"file":"p0227.txt","language":"de","ocr_de":"Ham war bal'd nach dem Versuch' ein wenig r\u00f6thlicli. Ein Tiieil des eingef\u00fchrten Schwefel wasserst offs wird gewiss als Sehwefehneth\u00e4moglobinverhindung durch die Nieren, vielleicht auch durch die Leber ausgeschieden*\nA\\ as die narcotisirende \\\\ irkung des Schwefelwasserstoffs\u2019 betrifft, so habe ich sie nie bemerken k\u00f6nnen, weder bei kleinen, noch bei gr\u00f6sseren Dosen. Das Stillliegen der Fr\u00f6sche und der Kaninchen, ihr apathischer Zustand hat keine Aehnlichkeit mit einer Narcose; vielmehr handelt es sich um Schwache und Ermattung, wobei das Bewusstsein nicht verloren ist und wobei \u00fcberhaupt keine Bet\u00e4ubung der Hirnrinde .exist irt1).\nDie von Schul/* angegebene Bildung von Schwefelwasserstoff aus Sulfonal durch absterbende Gewebe habe ich auch nicht best\u00e4tigen k\u00f6nnen. Ich habe die Leber und manche Muskeln von einem unmittelbar vor dem Versuche get\u00f6dteten Kaninchen genommen, sie rasch zerkleinert in frisch defibrinirtes Kaninchenblut gelegt, eine ges\u00e4ttigte L\u00f6sung von Sulfonal in physiologischer Chlornatriuml\u00f6sung zugesetzt und 2-^3 Stunden in einem Brutofen bei 39-40\u00b0 C., wobei durch\u2019* Blut ein Luitstrom gef\u00fchrt war, digerirt. In der durchgeleiteten Luft habe ich keine Spuren von Schwefelwasserstoff durch Blej-papier nachweisen k\u00f6nnen und habe auch keinen Schwefelwasserstoffgeruch bemerkt. Es ist nicht zweifelhaft, dass das von Schulz beobachtete Auftreten von Schwefelwasserstoff eine Folge eines* eingetretenen F\u00e4\u00fclnissprocesses war. F\u00fcr die 'Inrichtigkeit der Angaben von Schulz sprechen aber auch noch andere sehr gewichtige Thatsachen. Baumann und K\u00e4st2) haben gefunden, dass der dem Sulfonal ganz analog zusammengesetzte Dimethylsulfondimethylmetlian auf Hunde und Menschen ganz, wirkungslos ist. weil er keine Aethyl-grnppen enth\u00e4lt. Wenn die Wirkung des Sulfonals, Trionals\nl) Wollt\u00bb* man diese Erscheinungen hei der Schwefelwasserstoff\nVergiftung als eine narcotisirende, Wirkung bezeichnen, so wurde mai cine solche Wirkung auch noch manchmal anderen (\u00abiften, z; B. den Phosphor. znschreihen k\u00f6nnen, wo in Wirklichkeit an eine solche \\Virkunjj nicht zu denken ist.\ns) Zeitschrift f. physiolog. Chemie. Bd. 1 i.\nrJ.","page":227},{"file":"p0228.txt","language":"de","ocr_de":"und Tetronals, wie Schul z meint, auf der Bildung von Schwefel-waiserstoft beruhte, so wird es ganz unverst\u00e4ndlich, weshalb die Methylverbindung nicht ebenso wirksam ist als die Aetliyl-verbindung. Eine Vergleichung der Formeln des wirksamen und des unwirksamen Disulfons wird das Gesagte ohne Weiteres erl\u00e4utern :\ngh3 8 M so8ch3 cii3 \u00c4 r I so\u00e2e\u00e2H5\nGH, \u25a0\t\u2022 S02CH3\tCH,\tSOtCaH5\nDimethylsulfondimethylmethan\tS\u00fclfonal.\n\u25a0 (unwirksam).\nEinen anderen Beweis daf\u00fcr, dass die Sulfonalwirkung unm\u00f6glich auf der Abspaltung von Schwefelwasserstoff beruhen kann, liefert die Thatsache, dass auch nach langem Gebrauch von S\u00fclfonal die Ausscheidung der Schwefels\u00e4ure im Harn nicht vermehrt wird1). W\u00fcrde Schwefelwasserstoff' aus dem S\u00fclfonal abgespalten, so m\u00fcsste, wie die Versuch\u00a3*von Regensburger*) und andere Beobachtungen lehren, bald eine sehr erhebliche Vermehrung der Schwefels\u00e4ure im Harne eintr\u00ebten.\n\u25a0j/i,-'..;Zum Schl\u00fcsse erf\u00fclle ich die angenehme Pflicht, dem hochgeehrten Herrn Prof. Bau mann f\u00fcr die g\u00fctige Anregung zu der vorliegenden Arbeit, sowie f\u00fcr seinen bei Abfassung derselben mir in liebensw\u00fcrdigster Weise ertheilten Rath und viel tache Unterst\u00fctzung meinen herzlichsten Dank auszusprechen. - ; ;\t.\n*1 Smith, Therapeutische Monatshefte.\tj","page":228}],"identifier":"lit16886","issued":"1893","language":"de","pages":"220-228","startpages":"220","title":"Zur Frage von der Schwefelwasserstoffvergiftung","type":"Journal Article","volume":"17"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:44:08.562202+00:00"}