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{"created":"2022-01-31T13:38:51.681199+00:00","id":"lit16896","links":{},"metadata":{"alternative":"Handbuch der Physiologie. Band 6: Handbuch der Physiologie des Gesammt-Stoffwechsels und der Fortpflanzung","contributors":[{"name":"Voit, Carl von","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"In: Handbuch der Physiologie. Band 6: Handbuch der Physiologie des Gesammt-Stoffwechsels und der Fortpflanzung, edited by Ludimar Hermann, 1-575. Leipzig: Vogel","fulltext":[{"file":"a0005.txt","language":"de","ocr_de":"HANDBUCH\nDER\nPHYSIOLOGIE.","page":0},{"file":"a0006.txt","language":"de","ocr_de":"HANDBUCH\nDER\nPHYSIOLOGIE\nERARBEITET VON\nProf. H. AUBERT in Rostock, Prof. C. ECKHARD in Giessen, Prof. TH. W. ENGELMANN in Utrecht, Prof. SIGM. EXNER in Wien, Prof. A. FICK in W\u00fcrzburg, weil. Prof. O. FUNKE in Freiburg, Dr. P. GR\u00dcTZNER in Breslau, Prof. R. HEIDENHAIN in Breslau, Prof. Y. HENSEN in Kiel, Prof. E.HERING in Prag, Prof.L. HERMANN in Z\u00fcrich, Prof H. HUPPERT in Prag, Prof. W. K\u00dcHNE in Heidelberg, Prof B. LUCHSINGER in Bern, Prof. R. MAL Y in Graz, Prof SIGM. MAYER in Prag, Prof. O. NASSE in Halle, Prof. A. ROLLETT in Graz, Prof. J. ROSENTHAL in Erlangen, Prof. M. v. YINTSCHGAU in Innsbruck, Prof. C. v. VOIT in M\u00fcnchen, Prof. W. v. WITTICH in K\u00f6nigsberg, Prof. N. ZUNTZ in Bonn.\nHERAUSGEGEBEN\nTON\nDR. L. HERMANN,\nPROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSIT\u00c4T Z\u00dcRICH.\nSECHSTER BAND.\nI. THEIL.\nLEIPZIG,\nVERLAG VON F. C. W. VOGEL.\n1881.","page":0},{"file":"a0007.txt","language":"de","ocr_de":"UND DER\nERSTER THEIL.\nPHYSIOLOGIE DES ALLGEMEINEN STOFFWECHSELS\nUND DER\nERN\u00c4HRUNG\nC. von Voit in M\u00fcnchen.\n7400 T\u00fcbingen\nLEIPZIG\nVERLAG VON F. C. W. VOGEL. 1881.","page":0},{"file":"a0008.txt","language":"de","ocr_de":"MAX-PLAN CK* IN STITUT *\u00dcR WISSENSCHAFTSGESCHICHTE\nBibliothek\n\u00d6\u00f6^5}T\nDas Uebersetzimgsrecht ist yorbehalten.","page":0},{"file":"a0009content.txt","language":"de","ocr_de":"INHALTSVERZEICHNIS\u00bb\nzu Band VI. Theil 1.\nPHYSIOLOGIE DES GESAMMT-STOFFWECHSELS UND\nDER FORTPFLANZUNG.\nI.\nPhysiologie des allgemeinen Stoffwechsels und der Ern\u00e4hrung\nvon\nProf. C. von Voit.\nSeite\nEinleitung-............................................\nErster Abschnitt. Der allgemeine Stoffwechsel\n]. Capitel. Ziele der Untersuchung des Gesammtstoffverbrauchcs und Geschichtliches \u00fcber diese Bestrebungen........................... 6\n2.\tCapitel. Wege des Stoffverlustes und Methoden zur Ermittlung\ndes Stoffverbrauches....................................................13\nI.\tBestimmung Apr Zusammensetzung\tder\tEinnahmen................. 18\nII. Bestimmung der in den Excreten ausgeschiedenen Elemente .\t.\t24\n1.\tMessung der Ausscheidung des Stickstoffs und des Verbrauches\nder stickstoffhaltigen Stoffe....................................24\nA)\tIm\tHarn......................................................24\nB)\tIm\tKoth......................................................30\nC)\tIn\tder Perspiration..........................................36\n1)\tWird Stickgas in der Perspiration ausgeschieden? ...\t37\n2)\tStickstoffdeticit im Harn und Koth.........................42\n3)\tBilanzversuch von Pettenkofer und Voit; Harnstofff\u00fctte-\nrung; Erscheinen der Aschebestandtheile, der Phosphors\u00e4ure und des Schwefels....................................48\n4)\tAusscheidung von Ammoniak im Athem.........................49\n5)\tStickstoffverlust durch die ITorngebilde...................51\n6)\tStickstoffverlust durch den Auswurf und den Schweiss .\t53\n7)\tDarf man zur Feststellung des Stickstoffumsatzes dieWiLL-\nVARRENTEAPp\u2019sche Methode der Stickstoffbestimmung anwenden ?...................................................54\nD)\tSchl\u00fcsse aus den Stickstoffmengen der Excrete auf den Verbrauch der stickstoffhaltigen\tStoffe im K\u00f6rper....................56\n2.\tMessung der Ausscheidung des Kohlenstoffs, Wasserstoffs und\nSauerstoffs und des Verbrauchs der kohlenstoffhaltigen Stoffe, sowie der Aufnahme des Sauerstoffs...............................66\n3.\tMessung der Ausscheidung der \u00fcbrigen Elemente und Bedeutung der Ermittlung derselben.......................................77\n3.\tCapitel. Der Stoffverbrauch im thierisclien Organismus unter\nverschiedenen Verh\u00e4ltnissen.............................................81\nI. Stoffverbrauch beim Hunger...........................................82\n1.\tAuch ohne Zufuhr wird bis zum Tode Eiweiss und Fett zersetzt\t84\n2.\tStoffumsatz bei verschiedenen hungernden Organismen ...\t85","page":0},{"file":"a0010.txt","language":"de","ocr_de":"YI\nInhalts verzeichniss.\n3.\tAenderung der Zersetzung bei dem gleichen Thier in der n\u00e4mlichen Versuchsreihe......................................\n4.\tVerschiedenheit der Zersetzung bei dem gleichen Thier in verschiedenen Versuchsreihen.......................................\n5.\tEinfluss der Fettmenge am K\u00f6rper auf den Eiweissumsatz.\u2019 .\n6.\tAbnahme der einzelnen Organe beim Hunger\nII. Stoffverbrauch bei Zufuhr eiweissartiger Stoffe...............\n1.\tZunahme der Eiweisszersetzung bei wachsender Eiweisszufuhr\n2.\tDie Gr\u00f6sse der Eiweisszufuhr bestimmt nicht ausschliesslich\nden Eiweissumsatz....................................\nA)\tVerschiedener Umsatz am ersten Tage der Zufuhr einer bestimmten Eiweissmenge bei dem gleichen Thier ....\nB)\tVerschiedener Umsatz an den sich folgenden Tagen der\ngleichen F\u00fctterungsreihe..................................\n0.\tDer Eiweissumsatz ist nicht proportional der Gesammteiweiss-\nmenge am K\u00f6rper.........................................\n4.\tMit den verschiedensten Eiweissmengen der Nahrung ist Stickstoffgleichgewicht m\u00f6glich.............................\n5.\tVerh\u00e4ltniss des Ansatzes und der Abgabe von Eiweiss .\t.\t.\n6.\tKann man durch Zufuhr von Eiweiss auch die Fettabgabe\nvom K\u00f6rper verh\u00fcten?.........................................\nIII.\tStoffverbrauch bei Zufuhr von Pepton..........................\nIV.\tStoffverbrauch bei Zufuhr von Leim oder leimgebenden Geweben\n1.\tDer Umsatz des Eiweisses bei Darreichung von Leim .\t.\t.\n2.\tDer Umsatz des Fettes bei Darreichung von Leim .\nV. Stoffverbrauch. bei Zufuhr von Fett und Kohlehydraten . . . .\n1.\tBei ausschliesslicher Zufuhr von Fett.......................\n2.\tBei Zufuhr von Fleisch und Fett.............................\nA)\tVerhalten der Eiweisszersetzung..........................\nB)\t'S erhalten der Fettzersetzung............................\n3.\tBei Zufuhr von Kohlehydraten und von Fleisch mit Kohlehydraten\nA)\tVerhalten der Eiweisszersetzung..........................\nB)\tVerhalten der Fettzersetzung..............................\nVI. Einfluss der Wasserzufuhr auf den Stoffverbrauch...............\nVII. Einfluss einiger Salze auf den Stoffverbrauch..................\n1.\tKochsalz....................................................\n2.\tGlaubersalz.................................................\n3.\tSalmiak.....................................................\n4.\tKohlensaures Natron.........................................\n5.\tKohlensaures Ammoniak.......................................\n6.\tPhosphorsaures Natron.......................................\n7.\tSalpeter....................................................\n8.\tEssigsaures Natron..........................................\n9.\tBorax.......................................................\nVIII. Einfluss einiger weiterer organischer und anorganischer Stoffe auf\nden Umsatz im K\u00f6rper...........................................\n1.\tGlycerin....................................................\n2.\tFetts\u00e4uren..................................................\n3.\tAlkohol.....................................................\n4.\tBenzoes\u00e4ure und Salicyls\u00e4ure................................\n5.\tBenzamid....................................................\n6.\tAsparagin...................................................\n7.\tInfusum von Kaffee, Thee und Coca...........................\n8.\tMorphium....................................................\n9.\tChinin......................................................\n10.\tDigitalis.................................... ...............\n11.\tEisen........................................................\n12.\tJod..........................................................\n13.\tQuecksilber..................................................\n14.\tArsenige S\u00e4ure und Brechweinstein............................\n15.\tPhosphor.....................................................\nSeite\n88\n91\n93\n95\n103\t,\n104\n108\n108\n110\n110\n111 j 113 ^\n115 119 ' 122 124 \\ 126 127 127 129 129\n134\n138\n138\n144\n152\n157\n157\n160\n161\n162\n163\n163\n164 164 164\n166 166 169 169 *\n172\n173\n173\n174\n177\n178 180 180 181 181 181 184","page":0},{"file":"a0011.txt","language":"de","ocr_de":"Inhaltsverzeichnis.\nYII\nSeite\nIX.\tEinfluss der Th\u00e4tigkeit der Muskeln, der Nerven und anderer Organe\nauf den Gesammtstoffumsatz........................................187\n1.\tMuskelarbeit..................................................187\n2.\tAthemmechanik.................................................202\n3.\tL\u00e4hmung der Muskeln durch Curare und Durchschneidung des\nR\u00fcckenmarks .... *.............................................203\n4.\tRuhe w\u00e4hrend des Schlafs......................................204\n5.\tEinfluss der Reizung der Sinnesnerven.........................205\n6.\tEinfluss der Th\u00e4tigkeit des Gehirns...........................208\n7.\tEinfluss der Th\u00e4tigkeit des Darms.............................209\nX.\tEinfluss der Temperatur der umgebenden Luft auf den Stoff\u00fcmsatz 211\nXI.\tEinfluss einiger patholog. Yorg\u00e4ngei im K\u00f6rper auf d. Stoff\u00fcmsatz 219\n1.\tStoff\u00fcmsatz nach Blutentziehung...............................220\n2.\tStoffumsatz bei Respirationsst\u00f6rungen.........................222\n3.\tStoff\u00fcmsatz bei der Zuckerharnruhr............................225\n4.\tStoff\u00fcmsatz beim Fieber.......................................230\n4.\tCapitel. Die Fettbildung im Thierk\u00f6rper............................235\nI. Gr\u00fcnde, welche f\u00fcr die Entstehung von Fett aus Kohlehydraten\ngeltend gemacht wurden............................................236\nII.\tAblagerung von Nahrungsfett im Thierk\u00f6rper.......................241\nIII.\tGr\u00fcnde f\u00fcr die Entstehung von Fett aus Eiweiss...................243\nIY. Versuche am h\u00f6heren Thiere, welche den Uebergang von Eiweiss\nin Fett als normalen Vorgang darthun..............................248\nY.\tAus den Kohlehydraten wird beim Fleischfresser wahrscheinlich\nkein Fett gebildet................................................251\nYI. Entsteht beim Pflanzenfresser aus Kohlehydrat\tFett? ....\t254\nYII. Bildung von Fett aus Fetts\u00e4uren..................................260\nVIII.\tZusammenfassung des jetzigen Standes der Lehre von der Fettbildung im Thierk\u00f6rper..................................................262\n5.\tCapitel. Die Ursachen der Stoffzersetzung im thierischen Organismus ............................................................264\nI. Fr\u00fchere Vorstellungen \u00fcber die Ursache der Stoffzersetzung .\t.\t265\nII. Lavoisier's und Liebig\u2019s Theorien................................266\nIII.\tTheorie von der Luxusconsumption.................................269\nIV.\tWiderlegung der Theorie von der Luxusconsumption..............271\nV.\tUntergang organisirter Formen....................................275\nYI. Rolle des Sauerstoffs beim Stoffumsatz............................279\nYII. Ungeformte Fermente als Ursache des Stoff\u00fcmsatzes................286\nVIII. Die Ursachen des Stoffumsatzes finden sich gr\u00f6sstentheils an der\nOrganisation und nicht in den\tS\u00e4ften.............................289\nIX.\tVerhalten des aus dem Darmkanale resorbirten Eiweisses .\t.\t.\t292\nX.\tModus des Eiweisszerfalls........................................295\nXI.\tN\u00e4heres \u00fcber die Vorg\u00e4nge des Stoff\u00fcmsatzes unter der Wirkung\nder Organisation.................................................300\n1.\tEs zerf\u00e4llt nur circulirendes gel\u00f6stes Eiweiss und nicht das\nOrganeiweiss...................................................300\n2.\tDie Masse und Leistungsf\u00e4higkeit der Zellen, sowie die Qua-\nlit\u00e4t und Quantit\u00e4t des ihnen zugef\u00fchrten Zersetzungsmaterials bestimmen den Umsatz...........................................308\nXII.\tWodurch erh\u00e4lt das Organisirte die F\u00e4higkeit der Stoffzerlegung? 321\nZweiter Abschnitt. Die Ern\u00e4hrung. Verh\u00fctung des StofFverlustes vom Thierk\u00f6rper..........................................................327\nAllgemeines und Geschichtliches \u00fcber die Bedeutung der Nahrungsstoffe 345 1. Capitel. Bedeutung der einzelnen\tNahrungsstoffe..........................345\nI. Anorganische Nahrungsstoffe......................................345\n1.\tDas Wasser.....................................................345\n2.\tDie Aschebestandtheile.....................................351","page":0},{"file":"a0012.txt","language":"de","ocr_de":"VIII\nInhaltsverzeichniss.\nSeite\nA)\tDie Alkalien................................................362\nB)\tDie alkalischen Erden.......................................371\nC)\tEisen, Kiesels\u00e4ure und\tFluorcalcium.........................382\nII. Organische Nahrungsstoffe........................................387\n1.\tStickstoffhaltige Nahrungsstoffe...............................387\nA)\tDie eiweissartigen Stoffe . \u2019...............................387\nB)\tDas Pepton................................................. 393\nC)\tDie leimgebenden Gewebe und\tder Leim...........395\nD)\tWeitere stickstoffhaltige Stoffe............................401\n2.\tStickstofffreie organische Nahrungsstoffe......................403\nA)\tDie Neutralfette............................................403\nB)\tDie Fetts\u00e4uren..............................................409\nC)\tDas Glycerin................................................409\nD)\tDie Kohlehydrate............................................410\nE)\tDer Alkohol, die organischen\tS\u00e4uren, die \u00e4therischen Oele 415\nIII. Nahrungs\u00e4quivalente...............................................417\n2.\tCapitel. Bedeutung der Gew\u00fcrz- und\tGenussmittel.........420\nI.\tGegohrene alkoholische Getr\u00e4nke...................................429\n1.\tWein und Branntwein............................................429\n2.\tDas Bier.......................................................431\nII.\tAlkaloidhaltige Substanzen.......................................432\n1.\tKaffee.........................................................432\n2.\tThee...........................................................435\n3.\tCacao und Chocolade............................................430\n4.\tTabak, Coca....................................................437\n3.\tCapitel. Die Nahrungsmittel............................................438\nI.\tDie animalischen Nahrungsmittel...................................441\n1.\tMuskeltieisch..................................................441\n2.\tDie Milch......................................................453\n3.\tDie Yogeleier..................................................459\nII.\tDie vegetabilischen Nahrungsmittel...............................461\n1.\tDie K\u00f6rnerfr\u00fcchte (Samen) und deren\tProducte...................463\nA)\tDie Cerealien ..............................................463\nB)\tDie Leguminosen.............................................475\n2.\tKnollen und Wurzeln............................................476\n3.\tGr\u00fcne Gem\u00fcse, Salatpflanzen, K\u00fcchenkr\u00e4uter.....................478\n4.\tReife Fr\u00fcchte, Obst, Schw\u00e4mme..................................480\n5.\tBemerkungen \u00fcber die Ausn\u00fctzung der Yegetabilien durch die\nPflanzenfresser.................................................481\nIII.\tUeber die Unterschiede der animalischen und vegetabilischen Nah-\nrungsmittel in ihrer Bedeutung f\u00fcr die Ern\u00e4hrung und \u00fcber die Verdaulichkeit im Allgemeinen.....................................4S4\n4.\tCapitel. Die Nahrung...................................................491\nI.\tAllgemeine Anforderungen an die Nahrung...........................491\n1.\tEs muss jeder Nahrungsstoff in gen\u00fcgender Menge vorhanden sein 495\n2.\tDie einzelnen Nahrungsstoffe m\u00fcssen in richtigem Yerh\u00e4ltniss\ngegeben werden..................................................496\n3.\tDie Nahrungsmittel m\u00fcssen aus dem Darmkanal in die S\u00e4fte\naufgenommen werden k\u00f6nnen.......................................501\n4.\tEs m\u00fcssen ausser den Nahrungsmitteln auch Genussmittel gegeben werden......................................................507\nII.\tFeststellung der Nahrung f\u00fcr einen Organismus und die Bilanz der\nEinnahmen und Ausgaben............................................508\nIY. Nahrung nicht arbeitender und arbeitsunf\u00e4higer Menschen .\t.\t528\nY. Nahrung noch wachsender\tOrganismen...........................532\nVI. Nahrung bei weiteren Ausgaben des K\u00f6rpers (besonders bei der\nMilchabsonderung)..............................................545\nVII. Nahrung in verschiedenen\tKlimaten............................551\nAnhang: Hunger und Durst.................................................560","page":0},{"file":"p0001.txt","language":"de","ocr_de":"PHYSIOLOGIE\nDES\nALLGEMEINEN STOFFWECHSELS\nUND DER\nERN\u00c4HRUNG\nProf. Dr. CARL V. VOIT in M\u00fcnchen.\nHandbuch der Physiologie. Bd. VI.\n1","page":1},{"file":"p0003.txt","language":"de","ocr_de":"EINLEITUNG.\nIn den lebenden thierischen Organismen, gleichg\u00fcltig ob sie zu den einfachsten organisirten Gebilden geh\u00f6ren, oder ob sie aus tausenden von Zellen und Abk\u00f6mmlingen derselben aufgebaut sind, finden fortw\u00e4hrend durch Ursachen, welche sp\u00e4ter eingehend besprochen werden sollen, mannigfaltige Ver\u00e4nderungen der sie zusammensetzenden oder in sie aufgenommenen chemischen Verbindungen statt.\nDabei handelt es sich im Grossen und Ganzen um einen allm\u00e4hlichen Zerfall oder eine Spaltung h\u00f6chst complicirt gebauter Molek\u00fcle in fester gef\u00fcgte einfachere, wodurch zugleich Spannkr\u00e4fte in lebendige Kr\u00e4fte \u00fcbergehen, welche die Lebenserscheinungen bedingen.\nDie Gewebe des Thierk\u00f6rpers bestehen aus einer Anzahl von Elementen \u2014 Sauerstoff, Wasserstoff, Kohlenstoff, Stickstoff, Schwefel, Phosphor, Chlor, Silicium, Fluor, Kalium, Natrium, Calcium, Magnesium und Eisen \u2014, welche zu gewissen organischen und unorganischen Verbindungen vereinigt sind. Beide Klassen von Stoffen sind absolut noth wendig zum Bau einer Zellen oder eines Gewebes. Die organischen, zu denen vor Allem die Eiweissk\u00f6rper und ihre n\u00e4chsten Derivate, ferner die Fette und Kohlehydrate geh\u00f6ren, halten nur locker zusammen, ihre Atome gruppiren sich durch geringf\u00fcgige Einwirkungen innerhalb des Molek\u00fcls anders oder lagern sich zu neuen Molek\u00fclen zusammen, wodurch sie geeignet sind der Organisation diejenigen Eigenschaften zu verleihen, welche haupts\u00e4chlich das Leben erm\u00f6glichen. Die anorganischen Stoffe (das Wasser und einige Aschebestandtheile, vorz\u00fcglich die phosphorsauren Alkalien, die Chloralkalien und die phosphorsauren Erden) zersetzen sich im Allgemeinen nicht so leicht wie die ersteren und durchsetzen den Organismus gr\u00f6sstentheils ohne Aenderung ihrer Atomgruppirung, sie sind aber sowohl in den Geweben als auch in den S\u00e4ften in einer gewissen Verbindung mit den organischen Stoffen, da sie in denselben\nl*","page":3},{"file":"p0004.txt","language":"de","ocr_de":"4 Voit, Physiologie des allgemeinen Stoffwechsels u. d. Ern\u00e4hrung. Einleitung.\nin ziemlich constanten Mengen sich linden und erst bei dem Zerfall der organischen Stoffe frei und \u00fcberfl\u00fcssig werden. Jedoch kommen auch Ver\u00e4nderungen der anorganischen Verbindungen im K\u00f6rper vor, wie z. B. die Zersetzung des Chlornatriums in den Dr\u00fcsenzellen des Magens oder der Uebergang des neutralen phosphorsauren Alkalis des Blutes in das saure Salz des Harns.\nDie Endproducte des genannten allm\u00e4hlichen Zerfalls der organischen Verbindungen des Thierk\u00f6rpers sind im Allgemeinen reicher an Sauerstoff als die Anfangsglieder, es findet daher dabei schliesslich und vorwiegend das statt, was man oxydative Spaltung nennt. Es entstehen als einfachste Endprodukte: Kohlens\u00e4ure, Wasser, Schwefels\u00e4ure, Phosphors\u00e4ure, in denen die Elemente mit so viel Sauerstoff verbunden sind, als sie \u00fcberhaupt aufnehmen k\u00f6nnen, ferner Ammoniak in geringer Menge. Jedoch sind manche Endprodukte nicht bis in diese einfachsten Verbindungen verwandelt, sondern noch etwas complicirter gebaut wie z. B. die ammoniakartigen Verbindungen, in denen der Wasserstoff des Ammoniaks durch andere Atomgruppen vertreten ist.\nDie Spaltung geht also in der Regel nicht bis zu den Elementen fort. Als Element tritt nur Wasserstoff bei der G\u00e4hrung gewisser Nahrungsstoffe im Darmkanal auf; im Uebrigen finden wir schliesslich einfache Verbindungen, in denen alle die Elemente enthalten sind, welche vorher als zur Zusammensetzung des Thierleibes nothig aufgez\u00e4hlt wurden.\nZwischen den Ausscheidungsprodukten und den verwickelten Verbindungen, an denen der erste Zerfall stattfindet, existiren viele Zwischenstufen. Bei diesen merkw\u00fcrdigen chemischen Processen, deren Darlegung nicht zur Lehre des die Resultate der Th\u00e4tigkeit s\u00e4mmtlicher Organe zusammenfassenden allgemeinen Stoffwechsels geh\u00f6rt, handelt es sich nicht immer um Oxydationen und um einen Uebergang complicirter Verbindungen in einfachere, es finden dabei auch in den einzelnen Organen Reduktionen statt und es f\u00fcgen sich sogar einfachere Atomcomplexe zu einem complicirten Molek\u00fcl durch Synthese unter Aufspeicherung von Spannkraft zusammen, aber das schliessliche Gesammtresultat ist, wie gesagt, eine Spaltung spannkraftf\u00fchrender Stoffe unter Aufnahme von Sauerstoff und Freiwerden von lebendiger Kraft.\nDie organischen Endprodukte der Umsetzung haben keine Bedeutung mehr f\u00fcr die Zellen und Gewebe, ja sie hemmen die Th\u00e4tigkeit derselben und m\u00fcssen daher entfernt werden, wenn nicht das Leben gef\u00e4hrdende St\u00f6rungen eintreten sollen. Ausserdem werden","page":4},{"file":"p0005.txt","language":"de","ocr_de":"Einleitung.\no\naber auch manche f\u00fcr den K\u00f6rper an und f\u00fcr sich noch brauchbaie Stoffe und h\u00f6her zusammengesetzte chemische Verbindungen, ja selbst organisirte Gebilde in geringer Menge ausgeschieden.\nDer durch alle diese Vorg\u00e4nge auftretende Verlust an nothwen-digen Stoffen muss, wenn der Bestand des Organismus und das Leben auf die Dauer erhalten bleiben soll, durch Zufuhr von neuen Stoffen entweder ersetzt oder indem die letzteren anstatt der im K\u00f6rper befindlichen zerfallen, verh\u00fctet werden. Diejenigen Stoffe, welche eine solche Wirkung besitzen und welche im Allgemeinen den in den Organen abgelagerten gleich sind, nennt man Nahrungsstoffe; das Gemische von Nahrungsstoffen, das den K\u00f6rper auf seinem stofflichen Zustand erh\u00e4lt oder ihn in einen gew\u00fcnschten stofflichen Zustand bringt, ist eine Nahrung.\nAuf solche Weise findet sich in dem Thierleib ein best\u00e4ndiger Verlust und eine best\u00e4ndige Aufnahme chemischer Verbindungen, also ein Wechsel der Stoffe. Man hat diesen Vorgang mit dem Namen \u201eStoffwechsel\u201c belegt, womit man allerdings, wie noch gezeigt werden soll, im Laufe der Zeit verschiedene Begriffe verband.","page":5},{"file":"p0006.txt","language":"de","ocr_de":"ERSTER ABSCHNITT.\nDER ALLGEMEINE STOFFWECHSEL.\nERSTES CAP1TEL.\nZiele der Untersuchung\ndes Ge s am ni t s toffverbrauclies nnd Gesell icli tli clies \u00fcber diese Bestrebungen.1\nJede thierische Zelle, sowie jeder Abk\u00f6mmling einer solchen, zeigt einen Stoffverbrauch. Die Produkte desselben sind jedoch nicht \u00fcberall die n\u00e4mlichen, denn jedes Organ eines complicirten Thierleibes liefert seine besondern Umsetzungsprodukte, die Leber z. B. andere als der Muskel. Da aber alle Organe durch die gleiche Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit gespeist werden, so kann der Grund des ungleichen Erfolges nur in der histologischen und chemischen Verschiedenheit der Organe d. h. in den durch die Organisation gesetzten verschiedenen Bedingungen gesucht werden.\nMan war deshalb bestrebt, die Vorg\u00e4nge in den isolirten Organen wie z. B. in der Speicheldr\u00fcse, der Leber, der Niere u. s. w. unter mancherlei Einfl\u00fcssen zu untersuchen, und es gelang auch schon, Manches \u00fcber die in ihnen stattfindenden Processe zu erfahren. Es wird aber nur schwer m\u00f6glich sein, Quantitatives \u00fcber den Verbrauch eines bestimmten Organes unter den dem lebenden Organismus entsprechenden Bedingungen, wo viele andere Organe auf die Th\u00e4tig-keit des einen von Einfluss sind, zu ermitteln d. h. den Antheil, den jedes Organ am Gesammtstoffwechsel hat, zu erfahren. Es w\u00e4re zu dem Zwecke, z. B. bei der Leber, eine genaue Untersuchung des in einer gewissen Zeit zu- und abstr\u00f6menden Blutes, der unterdess er-\n1 Voit, Ztscbr. f. Biologie. I. S. 69\u201489. 1865.","page":6},{"file":"p0007.txt","language":"de","ocr_de":"Ziele der Untersuchung des Gesammtstoffverbrauches.\t(\nzeugten Lymphe und Galle, sowie der Lebersubstanz auf alle m\u00f6glichen Bestandteile notwendig.\nWohl aber sind wir im Stande, das, was in dieser Beziehung s\u00e4mmtliche Organe eines K\u00f6rpers, die ja immer nur in innigem Wechsel verkehr mit einander t\u00e4tig sind, zusammen unter den verschiedensten Umst\u00e4nden leisten, zu messen.\nSowie wir in die Ausdehnung und den Betrieb eines grossen Fabrikgesch\u00e4ftes einen vollkommen gen\u00fcgenden Einblick bekommen, wenn wir aus den B\u00fcchern die in einem Jahre angekauften Rohmaterialien, die verkauften Waaren und die noch vorhandenen Vorr\u00e4te an beiden ihrer Menge und ihrem Werth nach erfahren, und dazu nicht zu wissen brauchen, was unterdess mit jedem St\u00fcckchen 2-eschehen ist oder in welchen Maschinen es verarbeitet worden ist, so verm\u00f6gen wir auch aus der stofflichen Th\u00e4tigkeit des Gesammt-organismus eine grosse Anzahl der wichtigsten Lebenserscheinungen zu entnehmen, ohne den Beitrag der einzelnen Organe oder die Zwischenprodukte des Zerfalls zu kennen. Sowie es t\u00f6richt w\u00e4re, zum Zwecke der Ern\u00e4hrung des Gesammtorganismus zuerst die f\u00fcr jedes Organ n\u00f6tigen Nahrungsstoffe zu eruiren und sie dann f\u00fcr jedes derselben gesondert zuzuf\u00fchren, so w\u00e4re es auch verkehrt, den tiefen Einblick, den uns die Bestimmung des GesammtVerbrauchs eines Thierk\u00f6rpers giebt, zu verschm\u00e4hen und ihn erst durch die Zusammensetzung der Th\u00e4tigkeit der einzelnen Organe construiren zu wollen. Ja selbst wenn es m\u00f6glich w\u00e4re, den Umsatz jedes Organs f\u00fcr sich zu ermitteln, so k\u00f6nnte man mit demselben Rechte dies Beginnen f\u00fcr nutzlos halten, bevor nicht der Anteil jeder Zelle des Organs am Ganzen erkannt w\u00e4re.\nWir finden durch die Untersuchung des Gesammtumsatzes, wie die mannigfachen Einfl\u00fcsse, denen der K\u00f6rper ausgesetzt ist, auf den Stoffzerfall in ihm einwirken, ob ein Stoff ein Nahrungsstoff ist, ob ein Gemische von Stoffen eine Nahrung f\u00fcr einen gegebenen Organismus darstellt, ferner unter welchen Bedingungen eine Ablagerung oder ein Verlust von Stoffen stattfindet. Zur L\u00f6sung der vielen Fragen der Art kann man sich nur an den Gesammtorganismus, in welchem s\u00e4mmtliche Theile in steter Wechselbeziehung zusammen arbeiten, wenden. Da ausserdem alle Wirkungen in einem Organismus oder alle Lebenserscheinungen nur durch die bei der chemischen Umsetzung frei werdenden Kr\u00e4fte erm\u00f6glicht werden, so erhalten wir durch das Studium der Zersetzungen in einem Thierk\u00f6rper zugleich ein Maass f\u00fcr das Leben.\nEs ist darnach die Aufgabe gestellt, den Verbrauch in einem","page":7},{"file":"p0008.txt","language":"de","ocr_de":"8 \"Y oit. Allg. Stoffwechsel. 1. Cap. Ziele der Untersuchung cl. Stoffverbrauches etc.\nThierk\u00f6rper aus eleu Zersetzungsprodukten zu ermitteln: zun\u00e4chst durch die Feststellung der Elemente der Ausscheidungen im Vergleich mit denen der Einnahmen ; es ist aber auch, wie noch gezeigt werden wird, bis zu einem gewissen Grade m\u00f6glich, daraus auf den Umsatz der chemischen Verbindungen, in welchen jene Elemente stecken, zu schliessen.\nDie unbrauchbaren Produkte des Zerfalls verlassen den K\u00f6rper des h\u00f6heren Thieres durch besondere Organe, vorz\u00fcglich durch die Niere, die Lunge, die Haut und den Darm. Im Allgemeinen gehen die gas- und dampff\u00f6rmigen Stoffe durch Haut und Lunge, die in der Harnfl\u00fcssigkeit l\u00f6slichen durch die Niere, die darin unl\u00f6slichen durch den Darm weg.\nGeschichtliches zur Untersuchung des Stoffverbrauches.\nEs hat lange gew\u00e4hnt, bis die uns jetzt selbstverst\u00e4ndlich erscheinende Erkenntniss der Bedeutung der Exkrete gewonnen war, da fr\u00fcher namentlich die Chemie noch nicht so weit entwickelt war, um den Zusammenhang der Erscheinungen zu erfassen. Denn wenn man auch schon seit den \u00e4ltesten Zeiten auf die Beschaffenheit von Harn und Koth achtete, und auch ahnte, dass darin, sowie auch in der ausgeathmeten Luft, f\u00fcr den K\u00f6rper Sch\u00e4dliches enthalten ist, so blieb man doch bei der Unbekanntschaft mit den im K\u00f6rper und den Exkreten befindlichen Substanzen \u00fcber die Bedeutung aller dieser Vorg\u00e4nge ganz im Unklaren; noch weniger konnte man daran denken, die Mengen der n\u00e4heren Bestandteile der Einnahmen und Ausgaben zu ermitteln.\nIn einem ersten Zeitr\u00e4ume besch\u00e4ftigte man sich damit, mittelst der Wage die Gr\u00f6sse der Zufuhr durch Speisen und Getr\u00e4nke beim Menschen zu bestimmen und zu sehen, wie sich die Ausgaben des K\u00f6rpers auf den Harn, den Koth und die insensible Perspiration durch Haut und Lungen vertheilen. Diese bis in die neuere Zeit fortgesetzten Beobachtungen wurden vorz\u00fcglich durch die W\u00e4gungen des Sanctorius veranlasst. Es war zwar schon l\u00e4ngst aufgefallen, dass das Gewicht eines ausgewachsenen Menschen trotz der ungeheuren Menge der in einem Jahre eingef\u00fchrten Nahrung nicht zunimmt, dass also eine entsprechende Quantit\u00e4t von Stoff in anderer Form vom K\u00f6rper abgegeben wird. Es war auch die best\u00e4ndige Gewichtsabnahme des K\u00f6rpers, ohne Entleerung von Harn und Koth, durch unsichtbare Verluste, durch die insensible Perspiration, bekannt. Sanctorius1 war jedoch der erste, der mit gr\u00f6sster Ausdauer die Ursachen und die Maasse dieser Ausd\u00fcnstung festzustellen suchte. Alle die vielen sp\u00e4teren Beobachter'2 in dieser Richtung sind im Wesentlichen nicht weiter\n1\tSanctorius, De medicina statica asphorismi. Yenet. 1614. (Ohne n\u00e4here Zah-lenangaben.)\n2\tDionysius Dodart, M\u00e9m. de l\u2019acad. de Paris avant 1699.1. p. 276. (Ohne n\u00e4here Zahlenangaben.)\u2014 Jac. Keill , Tentamina physico-medica. London 1718. (Genaues Tagebuch.) \u2014 De Gorter, De perspirat. insensibili Sanctoriana. Leiden 1725. \u2014 G. Rye, Essays on epidemic diseases. Dublin 1734. \u2014 Franz Home, Medical facts. \u2014 \u2014 Joh. Linings, Philos. Transact. London 1743. p. 491, 1745. p. 318. \u2014 Boissierde","page":8},{"file":"p0009.txt","language":"de","ocr_de":"Geschichtliches.\n9\ngekommen als er: sie bestimmten das Quantum von Speise und Trank, sowie das Verh\u00e4ltniss des Harns zur Perspiration unter verschiedenen Le-bensverh\u00e4ltnissen, und fanden die gr\u00f6ssten Schwankungen in der sensiblen Perspiration je nach dem W\u00e4rme- und Feuchtigkeitsgrad der umgebenden Luft, beim Schlafen und Wachen, bei Ruhe und Arbeit, bei Hunger und Nahrungsaufnahme.\nSo lehrreich auch in gewisser Beziehung diese ersten quantitativen Versuche \u00fcber die Ausscheidungen des K\u00f6rpers waren, so war es doch nicht m\u00f6glich auf dem betretenen Wege zu einer weiteren Einsicht des Zusammenhangs der Erscheinungen zu gelangen; dazu geh\u00f6rte die Kennt-niss der in den Einnahmen und Ausgaben des Organismus enthaltenen n\u00e4heren Bestandtheile. Es war daher jeder Fortschritt auf diesem Gebiete enge verkn\u00fcpft mit der Entwicklung der Chemie.\nF\u00fcr die letztere war bekanntlich zun\u00e4chst die Erkenntniss der verschiedenen Gasarten von entscheidender Bedeutung geworden. So kam es, dass auch die gasf\u00f6rmigen Ausscheidungen des Thierk\u00f6rpers zuerst n\u00e4her bekannt und untersucht wurden. Man fand allm\u00e4hlich, dass die Thiere in der Athemluft Kohlens\u00e4ure ausscheiden (Black 17 57), dass die eingeatlimete Luft aus Stickstoff und Sauerstoff besteht (Scheele und Priestley 177 2) und der letztere Stoff) der allein die Verbrennung und Athmung unterh\u00e4lt, in das Blut eintritt (Priestley 1 7 76). Den wahren Zusammenhang der Erscheinungen der Verbrennung und Athmung erkannte aber erst Lavoisier * 1. Er erschloss aus seinen Versuchen, dass der Sauerstoff der Verbrenner sei, indem derselbe sich mit dem verbrennenden Stoff verbindet. Dadurch that er den gr\u00f6ssten jemals gemachten Schritt zur Einsicht in die Bedeutung der Zersetzungen im K\u00f6rper und begr\u00fcndete er das Verst\u00e4ndniss von den Oxydationsprocessen und dem Verbrauch im thierischen Organismus: der aus der Luft aufgenommene Sauerstoff vereinigt sich darnach in der Lunge mit dem Kohlenstoff und Wasserstoff einer im Blute befindlichen, aus den Processen im Thierk\u00f6rper hervorgehenden kohlenstoff- und wasserstoffreichen Fl\u00fcssigkeit und wird in der Kohlens\u00e4ure und einem Theile des Wassers wieder ausgeschieden.\nLavoisier begn\u00fcgte sich aber bei dieser qualitativen Erkenntniss nicht ; er machte am Menschen, zum Theil in Gemeinschaft mit Seguin, quantitative Bestimmungen \u00fcber die Sauerstoffaufnahme und \u00fcber den Einfluss der Nahrung, der Arbeit und der K\u00e4lte auf dieselbe. Er gelangte dabei zu Resultaten, welche durch neuere Versuche nur best\u00e4tigt werden konnten. Diese Experimente und die sp\u00e4ter noch zu erw\u00e4hnenden Schl\u00fcsse Lavoisier\u2019s'2 sind unstreitig die Grundlage f\u00fcr unsere heutigen Kenntnisse \u00fcber die Zersetzungen im Thierk\u00f6rper.\nSauvages, Physiologia. \u2014 Bryan Robinson, On food and discharges of human body. London 1778. \u2014 Dalton, The Edinburgh new philos. Journ. Nov. 1832. \u2014 Rawitz, Ueber d. einfachen Nahrungsmittel. Berlin 1842. \u2014 Rigg, Medical Times. 1842. p.278. \u2014 Valentin, Repert. f. Anat. u. Physiol. 1843. Bd. 8. S. 389. \u2014 Volz, Ber. d. Karlsruher Naturforscherversammlung. 1858. S.205.\n1\tLavoisier, Sur la respiration des animaux et sur les changements qui arrivent \u00e0 l\u2019air en passant par leur poumon. 1777.\n2\tLavoisier, Oeuvres. II. p. 676; lu \u00e0 la soci\u00e9t\u00e9 de m\u00e9decine en 1785 ; M\u00e9m. de 1 acad. des sciences 1789. p. 185, Oeuvres IL p. 688 ; M\u00e9m. de l\u2019acad. des sciences 1790. p. 77, Oeuvres II. p. 704.","page":9},{"file":"p0010.txt","language":"de","ocr_de":"10 Voit, Allg. Stoffwechsel. 1. Cap. Ziele der Untersuchung d. Stoffverbrauches etc.\nDie nachfolgenden zahlreichen Untersuchungen \u00fcber die Respiration der Thiere haben nur zum kleineren Theile mit der uns hier besch\u00e4ftigenden Frage : des Zusammenhangs der Ausscheidungsprodukte mit den im K\u00f6rper stattfindenden Stoffzersetzungen, zu thun; die meisten befassen sich mit der Erforschung der Vorg\u00e4nge des Austausches der Gase in der Lunge, dem Blute und den Geweben, oder sie suchen, ohne Stellung einer bestimmten Frage und ohne geh\u00f6rige Ber\u00fccksichtigung anderer Momente, einfach die Gr\u00f6sse des Sauerstoffverbrauchs und der Kohlens\u00e4ureabgabe bei verschiedenen Organismen, wie sie sich gerade darboten, zu bestimmen. Die in unser Gebiet geh\u00f6rigen Resultate, namentlich der neueren Arbeiten, werden sp\u00e4ter Verwerthung finden.\nDie in der Nahrung in den K\u00f6rper eingef\u00fchrten und ihn durch Harn und Koth verlassenden Stoffe konnten erst nach weiteren Fortschritten in der Chemie in Ber\u00fccksichtigung gezogen werden. Dies geschah zun\u00e4chst durch die Ausbildung der Elementaranalyse der organischen Verbindungen, welche ebenfalls von Lavoisier ausging. Er hat dadurch die stofflichen Elementarbestandtheile der Pflanzen- und Thiersubstanzen festgestellt und den Weg in die Chemie der organisirten Welt gebahnt.\nW\u00e4hrend man vorher nur das Gewicht von Speise und Trank, sowie das der insensiblen Perspiration, des Harns und des Koths feststellte, ging man jetzt daran, die Elementarzusammensetzung derselben zu erforschen, indem man ihren Gehalt an Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff und Asche bestimmte. Die Untersuchung der gasf\u00f6rmigen Ausscheidungen durch Haut und Lunge war dabei in den meisten F\u00e4llen nicht m\u00f6glich, wesshalb man sich damit begn\u00fcgte, die Elemente der Nahrung, des Harns und des Koths festzustellen und dann aus der Differenz die der Perspiration zu berechnen, indem man die nur selten zutreffende Voraussetzung machte, dass stets genau alle Bestandteile der Einfuhr sich im Verlauf eines Tages in den Exkreten wieder vorfinden. Es wird sich sp\u00e4ter ergeben, dass diese Versuche der'damaligen Zeit noch'an vielen anderen Fehlern leiden. Es geh\u00f6ren hierher die sogenannten Stoffwechselgleichungen von Boussingault 1 am Pferd, der Kuh, dem Schwein und der Taube; von Sacc - am Huhn; von Valentin1 2 3 am Pferd; von Barral4 5 6, John Dalton 5 und Liebig 6 am Menschen. Der Gewinn dieser m\u00fchseligen Untersuchungen war aber f\u00fcr die Erkenntniss der Stoffwechselvorg\u00e4nge im K\u00f6rper nicht so bedeutend, als man vielleicht erwartet hatte. Man hatte f\u00fcr einzelne F\u00e4lle Zahlen gewonnen, aus denen jedoch keine allgemein g\u00fctigen Regeln zu entnehmen waren. Es war nur eine Vergleichung m\u00f6glich, wieviel in dem betreffenden Falle von den Elementen der Nahrung in den einzelnen Exkreten wieder zum Vorschein kommt; man er-\n1\tBoussingault, Ann. d. chim. etphys. LXI. p. 12S. 1839; (3) XL p. 433. 1844.\n2\tSacc, Ann. d. scienc. natur. Sept. 1847.\n3\tValentin, Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. I. S. 367. 1842.\n4\tBarral, Ann. d. chim. etphys. (3) XXV. p. 129. 1849; statique chimique*des animaux. 1850.\n5\tDalton, The Edinburgh new philos. Journ. Nov. 1832, Jan. 1833; Manchester memoirs, New series. II. p. 27.\n6\tLiebig, Die organ. Chemie in ihrer Anwendung auf Physiol, u. Pathol. 1842.\nS. 14.","page":10},{"file":"p0011.txt","language":"de","ocr_de":"Geschichtliches.\n11\nhielt aber keine Aufschl\u00fcsse \u00fcber die grossen Differenzen in den Zersetzungsprocessen bei ein und demselben Organismus unter verschiedenen Umst\u00e4nden und \u00fcber die Stoffe, welche der Zerst\u00f6rung anheimfallen.\nEin solcher Einblick war erst denkbar, als man die in der Nahrung, in den Organen und den Exkreten befindlichen Stoffe, in welchen die vorher gefundenen Elemente stecken, kennen lernte. Es war allm\u00e4hlich gelungen, aus dem Harn und anderen Ex- und Sekreten des Thierk\u00f6rpers allerlei Verbindungen zu isoliren, wie z. B. Milchs\u00e4ure, Harns\u00e4ure, Harnstoff, Hippurs\u00e4ure, Kreatin, Kreatinin, die Gallens\u00e4uren u. s. w. Man fand ferner in den Organen der Pflanzen und Thiere verschiedene Kohlehydrate und Fette \u2019, sowie allerlei Eiweissstoffe vor. Diese Hauptbestandteile des Leibes und der Nahrung hatten durch chemische Agentien im Laboratorium eine Reihe der merkw\u00fcrdigsten Umwandlungen erfahren, wodurch die Beziehungen der mancherlei Stoffe zu einander klar hervortraten ; die dabei erhaltenen Stoffe waren zum Theil die gleichen wie die im Organismus vorkommenden Ausscheidungsprodukte. Es gelang weiter, die n\u00e4here Zusammensetzung und auch die Constitution vieler dieser Substanzen zu ermitteln, ja sie aus den Komponenten durch Synthese aufzubauen.\nDiese die organische Chemie begr\u00fcndenden Entdeckungen, an denen Liebig so reichen Antheil hatte, lieferten ihm, fassend auf den von Lavoisier durch seine Versuche am Menschen gefundenen Thatsachen, das Material f\u00fcr seine befruchtenden Ideen \u00fcber die Processe im thierischen Organismus. F\u00fcr Lavoisier gab es nur eine in den Lungen stattfindende Oxydation des Kohlenstoffs und Wasserstoffs einer im Blute befindlichen, an diesen beiden Elementen reichen Fl\u00fcssigkeit. Liebig - wurde durch die Kenntniss der Bestandteile der Organe und Exkrete zu dem Schl\u00fcsse gedr\u00e4ngt, dass aus den verschiedenen, die Organe constituirenden compli-cirten Substanzen die einfacheren Ausscheidungsprodukte allm\u00e4hlich hervorgehen , wesshalb er die Umsetzung Schritt f\u00fcr Schritt auf Grund chemischer Untersuchungen bis zu den Exkretionsstoffen zu verfolgen suchte. Er hob weiterhin die ungleiche Bedeutung der zum Aufbau der Gebilde im Thierk\u00f6rper n\u00f6tigen Stoffe, namentlich der stickstoffhaltigen und der stickstofffreien, hervor; er sprach auch die Meinung aus, dass s\u00e4mmtlicher Stickstoff der zersetzten stickstoffhaltigen Substanzen im Harn entfernt werde und daher die Gr\u00f6sse der Zersetzung der letzteren aus dem Stickstoffgehalte des Harns gemessen werden k\u00f6nne.\nDadurch war der Forschung auf unserem Gebiete eine neue Richtung gegeben, welche sie bis jetzt behielt. Es war damit ganz bestimmt der Zweck hingestellt, den die Untersuchungen \u00fcber den thierischen Haushalt haben : es sollen aus der Qualit\u00e4t und Quantit\u00e4t der Exkretionsstoffe R\u00fcckschl\u00fcsse auf die im K\u00f6rper umgesetzten Stoffe gezogen werden, und es war ferner den Physiologen als Aufgabe gegeben worden, die Ab\u00e4nderungen der Zersetzungen unter den mannigfaltigsten Umst\u00e4nden, namentlich bei verschiedener Art und Menge der Nahrungszufuhr, zu studiren und so die Gesetze derselben zu finden.\n1\tChevreul. Recherches sur les corps gras d\u2019orgine animale. Paris 1S23.\n2\tLiebig, Hie organ. Chemie in ihrer Anwendung auf Physiol, u. Pathol. 1842; Chemische Briefe : Die Chemie in ihrer Anwendung auf Agrikultur und Physiologie 1846.","page":11},{"file":"p0012.txt","language":"de","ocr_de":"12 Voit, Allg. Stoffwechsel. 1. Cap. Ziele der Untersuchung d. Stoffverbrauches etc.\nDa man damals die stickstoffhaltigen Substanzen f\u00fcr die Lebensvorg\u00e4nge fast allein f\u00fcr maassgebend hielt, und unter den Exkreten die im Harn befindlichen stickstoffhaltigen Substanzen am leichtesten bestimmbar schienen, so befassten sich anfangs die Meisten nur mit dem letzteren Exkrete und mit der Verfolgung der Zersetzung der stickstoffhaltigen Verbindungen, namentlich Frerichs, Lehmann, Bischoff und ich. Andere suchten nur aus der Kohlens\u00e4ureausscheidung in der Respiration und aus der Sauerstoffaufnahme die Intensit\u00e4t des Umsatzes zu entnehmen, unter diesen vorz\u00fcglich R\u00e9gnault und Reiset sowie neuerdings Pfl\u00fcger an Thieren, Scharling und Vierordt am Menschen. Nur Wenige waren bestrebt, s\u00e4mmtliche Produkte der Zerst\u00f6rung zu gleicher Zeit abzufangen, um von dem Gesammtverbrauch im Organismus eine Vorstellung zu bekommen; dies geschah in einigen F\u00e4llen von Bidder und Schmidt, sp\u00e4ter in grosser Ausdehnung f\u00fcr verschiedene Organismen von Pettenkofer und mir, f\u00fcr das Rind und das Schaf von Henneberg. Der Verlauf und Gewinn aller dieser Bestrebungen wird aus den nachfolgenden Mittheilungen erhellen.\nWenn es gelingen soll, aus den Umsetzung^- und Ausscheidungsprodukten den Gesammtstoffwechsel eines Thierk\u00f6rpers zu messen, so m\u00fcssen selbstverst\u00e4ndlich alle Ausscheidungen, soweit sie f\u00fcr die Beurtheilung jener Vorg\u00e4nge von Belang sind, zur Bestimmung der in ihnen enthaltenen Stoffe oder Elemente gesammelt werden.\nMan ist aber auch im Stande nur einen Theil des Verbrauchs, n\u00e4mlich den Wechsel einzelner Elemente, z. B. des Stickstoffs, des Kohlenstoffs oder des Calciums zu verfolgen. Dann muss ebenfalls die ganze Quantit\u00e4t des betreffenden Elements aus den Exkreten erhalten werden. So giebt die Ermittlung des im Harn ausgeschiedenen Calciums keine Einsicht in den Umsatz dieses Elements, weil ausserdem im Koth noch viel von demselben sich befindet; eine Analyse des Harnstoffs im Harn l\u00e4sst nicht ohne Weiteres einen Schluss auf die Gr\u00f6sse der Zerst\u00f6rung stickstoffhaltiger Substanzen im K\u00f6rper zu, deren Produkte sich noch in anderen Stoffen des Harns, im Koth und m\u00f6glicherweise auch in der Respirationsluft finden; ebenso ist die Bestimmung des durch Haut und Lungen entfernten Kohlenstoffs kein Maass f\u00fcr den Verbrauch des Kohlenstoffs, welcher in sehr schwankenden Mengen auch im Harn und Koth ausgeschieden wird, noch weniger aber ein Maass des Stoffwechsels \u00fcberhaupt, da im K\u00f6rper nicht nur eine einzige kohlenstoffhaltige organische Verbindung zur Zersetzung gelangt, sondern meist mehrere von ganz ungleicher Bedeutung und von verschiedenem Kohlenstoffgehalt in sehr wechselnder Proportion in den Zerfall gezogen werden.","page":12},{"file":"p0013.txt","language":"de","ocr_de":"Wege des Stoffverlustes.\n13\nZWEITES CAPITEL.\nWege des Stoffverlustes lind Methoden zur Ermittlung des Stoffverbrauclies.\nEs giebt bekanntlich eine Anzahl von Wegen, auf welchen der K\u00f6rper Stoffe verliert. Nicht alle diese Stoffe sind Endprodukte oxydativer Spaltungen, wenn letztere auch einen grossen Bruchtheil derselben darstellen. Es werden n\u00e4mlich auch manche f\u00fcr den K\u00f6rper an und f\u00fcr sich noch brauchbare Stoffe unter den in ihm gegebenen Bedingungen unver\u00e4ndert abgegeben wie z. B. Wasser durch Verdunstung, sowie aus dem Blute in den Harn und Koih \u00fcbertretende Aschebestandtheile; oder es verlassen gewisse mit dem Eiweiss in den Zellen und S\u00e4ften n\u00e4her verbundene Stoffe, z. B. Wasser, Aschebestandtheile u. s. w., wenn sie durch die Zerst\u00f6rung desselben frei und \u00fcbersch\u00fcssig geworden sind, den K\u00f6rper. Auch h\u00f6her zusammengesetzte chemische Verbindungen werden in allerlei Sekreten ausgeschieden, in der Milch, dem Samen, dem Nasenschleim, dem Speichel, dem Schweiss, dem Talg, in den Residuen der Darms\u00e4fte. Selbst organisirte Gebilde gehen in geringer Menge zu Verlust durch Abstossung von Epidermisschuppen und Epithelzellen, von Haaren und N\u00e4geln. Endlich werden in die S\u00e4fte gerathene \u00fcberfl\u00fcssige oder unbrauchbare Materien als solche oder ver\u00e4ndert, gr\u00f6sstentheils im Harn und Koth, wieder entfernt.\nEs ist einleuchtend, dass man den Gesammtstoffwechsel fast -nur an grossen Organismen bestimmen kann; an kleinen und niederen Thiereu vermag man nur Theile desselben zu messen.\nF\u00fcr gew\u00f6hnlich hat man zur Feststellung des Stoffverbrauchs nur die Exkrete der Niere und des Darmes, sowie die gas- und dampff\u00f6rmigen Ausscheidungen der Haut und der Lunge, welche den weitaus gr\u00f6ssten Theil des Verlustes ausmachen, zu ber\u00fccksichtigen.\nIn dem Harn befinden sich neben unbrauchbaren Endprodukten des Zerfalls, welche haupts\u00e4chlich den umgesetzten Stickstoff entf\u00fchren, und neben den dabei frei und \u00fcbersch\u00fcssig gewordenen Asche-bestandtheilen und Wasser noch solche Stoffe, welche, obwohl f\u00fcr den K\u00f6rper nothwendig, in der Niere die S\u00e4fte verlassen, wie z. B. ein Theil des Wassers und der Salze, oder zuf\u00e4llig in den Organismus gelangt f\u00fcr ihn nicht verwerthbar sind.\nDurch Haut und Lunge gehen in Gasform Stoffe weg, zum","page":13},{"file":"p0014.txt","language":"de","ocr_de":"14 Yoit, Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. Wege des Stoffverlustes etc.\ngr\u00f6ssten Tlieil Produkte der Oxydation, aber auch einfach verdunstendes Wasser und andere Gase in geringer Menge (Wasserstoff, Grubengas), welche zum Theil im Darmkanale bei der Verdauung entstanden sind.\nIm Koth werden nicht nur unverdaut gebliebene Theile der Nahrung entfernt, sondern auch Stoffwechselprodukte, n\u00e4mlich die Residuen der Darms\u00e4fte, Epithelzellen und Schleim des Darmkanals, sowie in der Harnfl\u00fcssigkeit nicht l\u00f6sliche Stoffe, welche vielleicht direkt aus dem Blute durch die Epithelzellen ausgeschieden werden (Eisen, phosphorsaurer Kalk).\nUnter Umst\u00e4nden kann jedoch ausserdem die Absonderung der Schweissdr\u00fcsen in erheblicher Menge Stoffe (Wasser, Kochsalz, Harnstoff) entf\u00fchren. Auch ist der Verlust durch die Abstossung der Horngebilde, der Epidermisschuppen, der Haare und N\u00e4gel, zeitweise nicht unbetr\u00e4chtlich und muss dann ber\u00fccksichtigt werden. Die Absonderung der Talgdr\u00fcsen braucht zu unserem Zwecke wohl kaum beachtet zu werden, zudem sie sich mit dem Sekrete der Schweissdr\u00fcsen und mit der Hautabschuppung vermengt. Ebenso kommt die Abscheidung von Speichel, Nasenschleim, Thr\u00e4nen, Ohrenschmalz, Samen und Menstrualblut bei Stoffwechseluntersuchungen gew\u00f6hnlich nicht in Betracht. Nur in besonderen F\u00e4llen ist es n\u00f6thig, den Stoffverlust durch die Milch, durch Eier, oder durch die Ausstossung von Jungen zu bestimmen. Ueber die Gr\u00f6sse einiger dieser Verluste wird sp\u00e4ter noch berichtet werden.\nWir betrachten nun die Methoden der Ermittlung der einzelnen Elemente und der Stoffe der Einnahmen und Ausgaben zum Zwecke der Feststellung des Stoffverbrauchs im Thierk\u00f6rper.1 * * * S F\u00fcr den Fleischfresser und den Menschen sind dieselben gr\u00f6sstentheils von mir ausgebildet worden, f\u00fcr den Pflanzenfresser von Henneberg und Stohmann ; eine vortreffliche Zusammenstellung der f\u00fcr den Pflanzenfresser geeigneten Versuchsmethoden hat E. Wolff geliefert. Bei den fr\u00fcheren Versuchen der Art analysirte man den in einer Versuchs-\n1 Allgemeines \u00fcber die Methoden, mit Ausschluss derjenigen der Bestimmung\nder Athemprodukte. bei : Bidder u. Schmidt, Die Verdauungss\u00e4fte u. d. Stoffwechsel\nS ^92 1852 \u2022 Voit, Physiol.-chem. Unters. Augsburg 1857 ; Bischoff u. Voit, Die Ge-\nsetze der Ern\u00e4hrung des Fleischfressers. S. 36\u201438 u. S. 267\u2014303. Leipzig 1860; Voit, Unters \u00fcber den Einfluss des Kochsalzes, des Kaffees und der Muskelbewegungen auf den Stoffwechsel. S. 3\u20147 u. S. 229-253. M\u00fcnchen 1860; Voit, Ztschr. f. Biologie. I.\nS 89\u2014168 u. S. 283\u2014314. 1865; J. Banke, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1862. S. 311 ; Pettenkofer u. Voit, Ztschr. f. Biologie. II. S. 465\u2014478. 1866 ; Henneberg u. StoH-mann Beitr\u00e4ge zur Begr\u00fcndung einer rationellen F\u00fctterung der Wiederk\u00e4uer. Heft I. S. 19I29 S. 70\u201482, S. 140\u2014188. 1860; Heft IL S. 1\u201417, S. 21\u201451. 1864; Henneberg, Neue Beitr\u00e4ge. Heftl. S. 3\u201478 (Einleitung). 1870; Wolff, Die Ern\u00e4hrung der landwirthschaftl. Nutzthiere. S. 1 \u201441. 1876.","page":14},{"file":"p0015.txt","language":"de","ocr_de":"Methoden zur Ermittlung des Stoffverbrauches\n15\nreihe von kurzer Zeitdauer anfallenden, meist auf den Stallboden entleerten Harn und Kotli, und eine Probe der nach Belieben verzehrten und meist sehr zusammengesetzten Nahrung. Ich habe eingesehen, dass man zur Erzielung genauer Resultate den auf die Versuchsreihe treffenden Harn und Kotli vollst\u00e4ndig sammeln und eine m\u00f6glichst einfache, ihrer Zusammensetzung nach leicht bestimmbare Nahrung w\u00e4hlen m\u00fcsse; ausserdem sind alle die Bedingungen, welche von Einfluss auf die Zersetzung sind, gleichm\u00e4ssig zu erhalten. Es ist unbegreiflich, dass diese selbstverst\u00e4ndlichen Forderungen noch nicht bei allen Stoffwechsel versuch en erf\u00fcllt werden.\nEs ist noting, einige allgemeine Bemerkungen, welche f\u00fcr alle Versuche in dieser Richtung gelten, vorauszuschicken.\nFr\u00fcher glaubte man aus der procentigen Zusammensetzung eines irgendwie gelassenen Harns oder einer Portion aufgefangener Athemluft Schl\u00fcsse auf die Zersetzungen im K\u00f6rper ziehen zu k\u00f6nnen; es braucht jetzt nicht mehr n\u00e4her er\u00f6rtert zu werden, wesshalb solche Untersuchungen f\u00fcr unsern Zweck nicht den mindesten Werth besitzen. Man sah nach unz\u00e4hligen unbrauchbaren Analysen ein, dass man die absolute Menge der Bestandteile der w\u00e4hrend eines bestimmten Zeitraums gelieferten Ex-krete kennen m\u00fcsse. Als solchen nahm man meistenteils, ohne sich von Anfang an der Bedeutung dieser Wahl klar bewusst zu sein, die Zeit von 24 Stunden an, wahrscheinlich nur deshalb, weil dieselbe die im gew\u00f6hnlichen Leben gebr\u00e4uchliche Einheit darstellt h\nEs geht nur in besonderen F\u00e4llen an, aus einer beliebigen k\u00fcrzeren Beobachtungszeit auf 24 Stunden zu rechnen, denn die Menge der ausgeschiedenen Stoffe ist durchaus nicht in jedem Augenblicke oder in jeder Stunde gleich, sondern sie ist vielmehr durch allerlei Einfl\u00fcsse den bedeutendsten Schwankungen ausgesetzt. Man erf\u00e4hrt z. B. aus einer zweist\u00fcndigen Tagesbeobachtung der Kohlens\u00e4ureausscheidung eines hungernden Thieres durch Multiplikation mit dem Faktor 12 nicht die Gr\u00f6sse derselben f\u00fcr 24 Stunden, da in gleicher Nachtzeit wegen der Ruhe des K\u00f6rpers ansehnlich weniger Kohlens\u00e4ure geliefert wird. Den gr\u00f6ssten Einfluss \u00fcbt aber die Qualit\u00e4t und Quantit\u00e4t der Nahrung aus ; aus einer dreist\u00fcndigen Beobachtung gleich nach einer reichlichen Nahrungsaufnahme w\u00fcrde man daher f\u00fcr 24 Stunden viel zu hohe Werthe berechnen.\nMan darf ferner nicht ohne Weiteres die in einem bestimmten Zeitraum, z. B. in 24 Stunden, beliebig entleerten Exkrete untersuchen, sondern es muss der K\u00f6rper in einer bestimmten Weise zu solchen Versuchen vorbereitet sein. Es ist klar, dass man nur diejenige Zeit als Einheit w\u00e4hlen darf, in der der K\u00f6rper sich am Anfang und Ende in dem gleichen stofflichen Zustande befindet oder in der die ihn treffenden Einfl\u00fcsse in ihrer stofflichen Wirkung abgelaufen sind.\nWill man nicht den Verbrauch w\u00e4hrend eines ganzen Tages messen, sondern nur \u00fcberhaupt die Wirkung irgend eines Agens auf den Umsatz\n1 Zuerst besonders von C. G. Lehmann f\u00fcr den Harn betont im Journ. f. prakt. Chem. XXV. S. 1-21 u. XXVII. S. 257.","page":15},{"file":"p0016.txt","language":"de","ocr_de":"16\nVoit, Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. Wege des Stoffverlustes etc.\ngewisser Elemente erkennen, so gen\u00fcgt in manchen F\u00e4llen eine Beobach-tungszeit von einer oder mehreren Stunden. Bei einige Tage hungernden Fleischfressern oder bei Pflanzenfressern, deren Darm mit einem vegetabilischen Nahrungsmittel angef\u00fcllt ist, schwankt die Zersetzung in kleineren Zeitr\u00e4umen unter sonst gleichen Umst\u00e4nden nur wenig, so dass hier direkt sich folgende Vergleichsversuche von k\u00fcrzerer Dauer m\u00f6glich sind, sobald die Exkrete vollst\u00e4ndig gewonnen werden k\u00f6nnen. Man hat auch hier und da beim Fleischfresser, welcher t\u00e4glich zu der n\u00e4mlichen Zeit ein bestimmtes zureichendes Futter f\u00fcr den ganzen Tag verzehrte, oder beim Menschen, der m\u00f6glichst gleiclim\u00e4ssig lebte, zu der gleichen Stunde nach der Nahrungsaufnahme die Untersuchung begonnen; man verglich also dabei die Werthe eines bestimmten Abschnittes sich folgender Tage mit einander, indem man voraussetzte, dass dann in gleichen Zeiten die Menge der Zersetzungsprodukte die gleiche ist. Der in einigen Stunden erzeugte Harn l\u00e4sst sich seiner geringen Quantit\u00e4t wegen meist nicht genau genug erhalten, auch wenn man ihn mit dem Katheter abnimmt; dagegen vermag man die Aufnahme von Sauerstoff und die Abgabe von Kohlens\u00e4ure durch die Respiration unter den angegebenen Verh\u00e4ltnissen mit gen\u00fcgender Genauigkeit zu bestimmen, besonders wenn man den die Wirkung eines Einflusses pr\u00fcfenden Versuch zwischen zwei Normalversuche einschliesst.\nBei den meisten Fragen jedoch, namentlich da, wo es sich um die Wirkung von Nahrungsstoffen auf den stofflichen Zustand des K\u00f6rpers handelt, ist als kleinste Periode die Zeit von 24 Stunden zu betrachten. Es muss dabei in der Versuchszeit das in den Darm Eingebrachte so weit als es \u00fcberhaupt m\u00f6glich ist, in die S\u00e4fte \u00fcbergegangen sein und in den Geweben seine Verwendung gefunden haben, oder es muss wenigstens, wenn die Verdauung des am Versuchstag Zugef\u00fclirten am Ende desselben noch nicht abgeschlossen sein sollte, wie es namentlich bei den fast den ganzen Tag an dem massigen Futter kauenden Pflanzenfressern der Fall ist, t\u00e4glich doch so viel resorbirt und verwerthet werden als verzehrt worden ist, d. h. es muss, wenn bei Beginn eines Versuchs die Verdauung eines Theils des Futters noch nicht abgeschlossen ist, am Ende sich wieder ebensoviel Unverdautes im Darm befinden. In beiden F\u00e4llen ist also der Darm zu Beginn und am Ende des Versuchstages in dem gleichen Zustande; im ersten ist der K\u00f6rper am Anfang und am Schl\u00fcsse n\u00fcchtern, im zweiten ist beide Male die Verdauung bis zum gleichen Punkte vorgeschritten.\nBeim Fleischfresser ist nun in der That, im Gegensatz zum Pflanzenfresser, in 24 Stunden, wenn die animalische Nahrung f\u00fcr den ganzen Tag bei Beginn desselben auf ein Mal aufgenommen wird, die Verdauung und Resorption, wenigstens zum weitaus gr\u00f6ssten Theil, vollendet, der Kotli gebildet und der Hungerzustand eingetreten. Es geht dies allerdings nicht mit Sicherheit daraus hervor, dass das Thier nach Verlauf von 24 Stunden mit wahrem Ileissliunger das neue Futter verzehrt, wohl aber daraus, dass es Monate lang, Tag f\u00fcr Tag, das gleiche Quantum geniesst. W\u00fcrde t\u00e4glich eine gewisse Menge davon nicht verdaut werden, so m\u00fcsste sich der Inhalt im Darm in Masse anh\u00e4ufen; ich habe aber einem Hunde w\u00e4hrend 21 Tagen t\u00e4glich 1500 Grm. Fleisch gegeben,","page":16},{"file":"p0017.txt","language":"de","ocr_de":"Wege des Stoffverlustes und Methoden zur Ermittlung des StoffVerbrauches. 17\nw\u00e4hrend 8 Tagen 2000 Grm. Fleisch, w\u00e4hrend 58 Tagen 500 Grm. Fleisch mit 200 Grm. Fett, w\u00e4hrend 26 Tagen 500 Grm. Fleisch mit 250 Grm. St\u00e4rkemehl, w\u00e4hrend 48 Tagen 1000 Grm. Fleisch mit 304 Grm. Milch, w\u00e4hrend 99 Tagen 658 Grm. Brod mit 304 Grm. Milch. Es wurde der Abschluss der Verdauung in dieser Zeit auch durch direkte Bestimmungen erwiesen. Bei einer Katze, welche 250 Grm. Fleisch gefressen hatte, fand ich 1 2 nach 24 Stunden den Darm bis auf den untersten Theil des Dickdarms ganz leer; auch aus den Entleerungen, welche h\u00e4ufig schon vor Ablauf von 24 Stunden den auf eine Nahrung treffenden normalen Ivoth nach Aussen bef\u00f6rdern, geht hervor, dass beim Fleischfresser die Verdauung der verschiedensten Nahrungsmittel in der Zeit von 24 Stunden vollendet ist; nach F\u00fctterung mit Knochen erscheint h\u00e4ufig schon nach 10 \u201412, ja schon nach 5J/2 Stunden der erste Knochenkoth. Nach Za-wilski 2 waren bei einem Hunde (von 14 Kilo Gewicht), welcher zur Bestimmung des Fettgehalts im Cliylus 151 Grm. Fett verzehrt hatte, im Magen und Darm nach 22 Stunden noch 16 Grm. Fett enthalten, nach 30 Stunden aber nur mehr 2 Grm. ; m\u00f6glicherweise wurde durch die Operation und die Narkose die Resorption im Darm etwas verz\u00f6gert.\nW\u00fcrde man eine k\u00fcrzere Zeit als 24 Stunden w\u00e4hlen, dann w\u00e4re selbst bei Aufnahme eines entsprechend geringeren Nahrungsquantums die Wirkung desselben noch nicht abgeschlossen; bei l\u00e4ngeren Perioden m\u00fcsste man mehr Nahrung geben, welche aber dann nicht auf ein Mal verzehrt werden k\u00f6nnte.\nSchon aus diesem Grunde sind beim Fleischfresser die Untersuchungen \u00fcber den Einfluss von Nahrungsstoffen auf den Verbrauch im K\u00f6rper viel einfacher wie beim Pflanzenfresser : man vermag bei ihm den Effekt eines Futters ohne Mitwirkung der vorausgehenden Periode Tag f\u00fcr Tag zu verfolgen. Beim Menschen ist dies schon schwieriger, da er gew\u00f6hnt ist, in drei oder mehr Mahlzeiten seine Nahrung aufzunehmen, und daher am Ende des Versuchstags die letzte Mahlzeit m\u00f6glicherweise noch nicht ganz verdaut und resorbirt ist; man darf daher bei ihm die letzte Mahlzeit nicht sp\u00e4ter als 12\u201414 Stunden vor Schluss des Versuchstags reichen. Beim Pflanzenfresser, welcher meist noch kurz vor Beendigung eines Versuchstages an seinem Futter kaut und bei dem sich vielleicht das vor vier Tagen Verzehrte noch an der Zersetzung betheiligt, muss man l\u00e4ngere Zeit ein Futter geben, um seine Wirkung zu erkennen, und sind die vor\u00fcbergehenden Wirkungen desselben nicht rein zu erhalten.\nEs wird dabei vorausgesetzt, dass in der angenommenen Zeit das angenagte Molek\u00fcl bis in die Endprodukte zerfallen ist und letztere auch ausgeschieden sind, oder dass bei den chemischen Processen im K\u00f6rper in beachtenswertlier Quantit\u00e4t nur Fett erzeugt und zeitweise aufgespeichert wird. In der That, betrachtet man einen gr\u00f6sseren thierischen Organismus im Ganzen, so findet man darin von organischen Substanzen vorwiegend eiweissartige Stoffe und n\u00e4chste Abk\u00f6mmlinge derselben (leimgebende Stoffe, Hornsubstanzen) und Fett (Lecithin); alle andern Stoffe sind Zwischenprodukte, welche gegen erstere nur in verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig geringer Menge\n1\tVoit, Ztschr. f. Biologie. II. S. 41 u. 43. 1866.\n2\tZawilski, Arbeiten d. physiol. Anstalt zu Leipzig 1876. 11. Jahrg.\nHandbuch, der Physiologie. Bd. VI.\t2","page":17},{"file":"p0018.txt","language":"de","ocr_de":"18 Voit, Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. Wege des Stoffverllistes etc.\nVorkommen (Glykogen, Zucker, Milchs\u00e4ure etc.) oder schon Aussclieidungs-produkte, die sich normal nicht in ber\u00fccksichtigenswerther Menge ansammeln (Harnstoff, Kohlens\u00e4ure etc.). Man muss dabei noch bedenken, dass meistentheils bei Beginn und am Ende eines Versuchstags die Zwischen- und Endprodukte in gleicher Menge sich finden. In den Muskeln sind z. B. keine erheblichen Unterschiede in dem Kreatingehalte unter verschiedenen Umst\u00e4nden nachgewiesen worden1; auch fand sich im Muskel eines seit 4 Monaten hungernden Murmelthieres das Kreatin in normaler Menge vor.2 Der Harnstoff- und Kohlens\u00e4uregehalt in den S\u00e4ften ist normal keinen grossen Schwankungen unterworfen; ebenso das Glykogen in der Leber und den Muskeln, wenn wie gew\u00f6hnlich beim Fleischfresser am Ende des Versuchstags wieder der Hungerzustand eingetreten ist. Selbst wenn die intermedi\u00e4ren Processe bei Abschluss des Versuchs noch nicht abgelaufen sind, also noch Zwischenprodukte im K\u00f6rper angeh\u00e4uft sind wie beim Pflanzenfresser, so ist doch bei gleicher Nahrungszufuhr nach einiger Zeit am Ende jedes Versuchstags die gleiche Menge derselben vorhanden, d. h. von den Tags vorher aufgespeicherten Zwischenprodukten so viel in die Endprodukte verwandelt und ausgeschieden, als am letzten Tage liegen bleiben.\nWill man demnach die Wirkung irgend eines Agens auf den Stoffverbrauch w\u00e4hrend 24 Stunden pr\u00fcfen, so muss man einen bestimmten, genau gekannten Zustand des Organismus vor sich haben ; man nimmt zu dem Zwecke entweder den Hungerzustand zu einer Zeit, wo t\u00e4glich die gleiche Quantit\u00e4t von Stoff zerst\u00f6rt wird, oder den Zustand der v\u00f6lligen Erhaltung des K\u00f6rpers durch eine Nahrung, den sogenannten Gleichgewichtszustand der Einnahmen und Ausgaben, bei dem ebenfalls die Zersetzungen unver\u00e4ndert bleiben.\nEs gilt nun die w\u00e4hrend der Zeit von 24 Stunden (oder einer anderen Zeiteinheit) unter bestimmten Umst\u00e4nden in den Einnahmen aufgenommenen Elemente und Bestandtheile und die in den Exkreten, welche auf diese Zeit und diese Einnahmen treffen, ausgeschiedenen Elemente und Bestandtheile zu ermitteln, um daraus den Stoffverbrauch im K\u00f6rper festzustellen.\nI. Bestimmung der Zusammensetzung der Einnahmen.\nDa zu den Einfl\u00fcssen, welche auf den Stoffverbrauch im K\u00f6rper einwirken, vor Allem die in ihn von Aussen eingef\u00fchrten Stoffe geh\u00f6ren, und es nicht m\u00f6glich ist, \u00fcber die Zersetzungen im Thierleibe und ihre Ursachen ohne Ber\u00fccksichtigung derselben ins Klare zu\n1\tVoit, Ztschr. f. Biologie. IV. S. 82. 1868.\n2\tDerselbe, Ebenda. XIV. S. 118. 1878.","page":18},{"file":"p0019.txt","language":"de","ocr_de":"Bestimmung der Zusammensetzung der Einnahmen.\n19\nkommen, so ist es nothwendig, einige Bemerkungen \u00fcber die Art der Darreichung der Einnahmen bei Stoffwechselversuchen und \u00fcber die Ermittlung ihrer Zusammensetzung zu machen.\nEs werden in alle thierische Organismen, in die h\u00f6heren vom Darmschlauch aus, in die niederen von der \u00e4usseren Oberfl\u00e4che aus Stoffe in das Innere des Leibes aufgenommen, welche ihn vor Verlusten bewahren; ausserdem tritt durch bestimmte Organe oder durch die ganze K\u00f6rperoberfl\u00e4che der Sauerstoff der umgebenden Luft oder des Wassers ein, \u00fcber dessen Bestimmung sp\u00e4ter noch Einiges gesagt werden soll.\nZun\u00e4chst muss die Zusammensetzung der Zufuhr, ihr Gehalt an Elementen und an chemischen Verbindungen, m\u00f6glichst genau bekannt sein ; auch soll die Zufuhr in der gleichen Zusammensetzung f\u00fcr l\u00e4ngere Zeit leicht herstellbar sein.\nZu dem Zwecke w\u00e4re es unstreitig am besten, k\u00f6nnte man nur reine chemische Verbindungen (die reinen Nahrungsstoffe) z. B. reines Eiweiss, Fett, Zucker, St\u00e4rkemehl, Aschebestandtheile, oder Gemische derselben geben. Da aber die Menschen und auch die Thiere nur selten solche geschmacklose Gemenge auf die Dauer aufzunehmen oder zu ertragen verm\u00f6gen, so bleibt f\u00fcr die meisten F\u00e4lle nichts anderes \u00fcbrig als schon durch die Natur zusammengesetzte Mischungen (die Nahrungsmittel) zu w\u00e4hlen. Jedoch w\u00e4re es wohl m\u00f6glich und ganz verdienstvoll, die Grundversuche, nachdem vorher der Weg mit Hilfe der letzteren Mischungen gefunden worden ist, mit den reinen Stoffen zu wiederholen, obwohl sich dabei sicherlich im Wesentlichen keine anderen Resultate ergeben werden.\nMan w\u00e4hlt also die reinen Nahrungsstoffe oder solche Nahrungsmittel aus, welche m\u00f6glichst einfach zusammengesetzt und gleich-m\u00e4ssig zu erhalten sind, was f\u00fcr den Fleischfresser viel leichter ist wie f\u00fcr den Pflanzenfresser.\nF\u00fcr den Fleischfresser hat man als reine Nahrungsstoffe Blut-faserstoff (Magendie) oder mit heissem Wasser ersch\u00f6pftes Fleisch-pulver (Forster und Kemmerich) oder die mit heissem Wasser ausgezogenen coagulirten Eiweissstoffe des Blutes (Panum) gegeben; ausserdem St\u00e4rkemehl, Zucker, Fett, Leim u. s. w.\nF\u00fcr l\u00e4nger w\u00e4hrende Versuchsreihen w\u00e4hlt man als eiweisshaltiges Nahrungsmittel am besten mit der Scheere sorgf\u00e4ltig von Knochen, Sehnen, B\u00e4ndern und Fett befreites frisches Muskelfleisch von nicht gem\u00e4steten Rindern oder Pferden, da es die Thiere meist am liebsten und auf die Dauer verzehren und seine Beschaffung in","page":19},{"file":"p0020.txt","language":"de","ocr_de":"20 Voit, Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. Wege des Stoffverlustes etc.\ngr\u00f6sseren Quantit\u00e4ten leicht m\u00f6glich ist. Solches Muskelfleisch ist allerdings ein complicirt zusammengesetztes Ding. Im Wesentlichen kann man es aber als aus eiweissartigen Stoffen, Aschebestandtheilen und Wasser bestehend betrachten. Das darin zu etwa 1.6 % enthaltene leimgebende Gewebe wirkt in Gegenwart von \u00fcbersch\u00fcssigem Eiweiss nahezu wie letzteres; die Extraktivstoffe, welche 1,9% des Fleisches ausmachen und ohngef\u00e4hr 7 % des Gesammtstickstoffs desselben einsckliessen, lassen die aus dem Stickstoffgehalt des Fleisches berechnete Eiweisszufuhr etwas zu hoch erscheinen, aber auch entsprechend den Eiweisszerfall, da der Stickstoff der Extraktivstoffe unver\u00e4ndert in den Harn \u00fcbergeht.\nIch1 habe das Fleisch von ungem\u00e4steten Rindern sorgsam ausgeschnitten, so dass es nur noch 0,9 \u00b0/o Fett an Aether abgab, und nach einer Anzahl Analysen einen Mittelwerth von 75.9% Wasser und 3.4 % Stickstoff angenommen. Man hat dagegen eingewendet, dass die Annahme einer solchen Mittelzahl nicht genau sei und namentlich die Menge des Stickstoffs im Fleisch sehr ungleich sei. Es ist dies ganz richtig, wenn man Fleisch von Rindern, die unter den verschiedensten Verh\u00e4ltnissen sich befanden, analysirt oder gar Fleisch von verschiedenen Thieren vergleicht. Finden von mir angegebenen Fall, f\u00fcr das Fleisch vom ungem\u00e4steten Rind, habe ich die Fehlergrenzen genau angegeben. Nach meinen Bestimmungen ist der Wassergehalt dieses Fleisches allerdings ziemlich schwankend, jedoch in geringerem Grad der Stickstoffgehalt (um 0.3 %). Die jedesmalige Ausf\u00fchrung einer oder mehrerer Stickstoffbestimmungen in einer neuen Portion Fleisch h\u00e4tte die Untersuchung wesentlich erschwert und doch zu keinen andern Ergebnissen gef\u00fchrt. Aus gewissen Gr\u00fcnden habe ich 2 nicht die von mir erhaltene mittlere Zahl (3.59 % ), sondern die niedrigste (3.4 \u00b0/o) den Berechnungen zu Grunde gelegt.\nDie meisten Beobachter geben den gleichen Werth an. Nach Grouven 3 4 5 findet sich im magern Ochsenfleisch im Mittel 3.41% Stickstoff; nach Stohmann 4 bei der Ziege 3.33 %, beim Lamm 3.32 %, beim Pferd 3.35 %. S. L. Schenk 5 hat gemeint, man m\u00fcsse auf eine einigermaassen genaue Zahl f\u00fcr den Stickstoffgehalt des Fleisches Verzicht leisten, da er im Fleisch des Rindes in 6 Analysen Schwankungen von 3.30\u20143.84% Stickstoff erhielt; in einem Falle aber, wo er von ein und demselben St\u00fcck Fleisch zwei Analysen ausf\u00fchrte, bekam er 3.49 und 3.84 % Stickstoff, was nur zeigt, dass seine Methode Fehler einschliesst. Auch nach Nowak6 soll der Stickstoffgehalt des Fleisches sehr variiren bei ver-\n1 Voit. Physiol.-chem. Unters. S. 16 u. 17. 1857 ; Ztschr. f. Biologie. I. S. 96 u.\n97. 1865.\t2 Voit, Ztschr. f. Biologie. I. S. 98.1865.\n3\tGrouven, Physiol.-chem. F\u00fctterungsversuche. S. 86. 1861.\n4\tStohmann, Ztschr. f. Biologie. VI. S. 239. 1870.\n5\tSchenk, Sitzgsber. d. Wiener Acad. 2. Abth. LXI. Jan.-Heft. 1870; Anat-physiol. Unters. S. 38. Wien 1872.\n6\tNowak, Sitzgsber. d. Wiener Acad. 2. Abth. LXIII. Jan.-Heft. S. 26. 1871 u. 2. Abth. LXIV. 1871.","page":20},{"file":"p0021.txt","language":"de","ocr_de":"Bestimmung cler Zusammensetzung der Einnahmen.\n21\nschiedenen Thierindividuen und in verschiedenen Muskelpartien desselben Thiers. Dies ist jedoch bei dem gereinigten Fleisch ungem\u00e4steter Rinder nicht in so hohem Grade der Fall. So hat Petersen 1 bei Doppelanalysen des gleichen Fleisches vom gem\u00e4steten Rind nur Schwankungen von 0.02 % im Stickstoff bekommen und bei verschiedenen Individuen von 3.23 bis 3.35 % (Mittel 3.29 %). In derselben Weise lauten auch die Mittheilungen von H. Huppert 1 2, nach denen beim gem\u00e4steten Thiere Differenzen von 2.97\u20143.52 % (Mittel 3.32 %) Stickstoff Vorkommen. Unter Hupperts 39 Analysen finden sich nur f\u00fcnf unter 3.20 % und nur vier \u00fcber 3.42 % ; die dann noch bleibende Differenz von 0.22 % erscheint noch geringer, wenn man bedenkt, dass der mittlere Fehler der Analyse der n\u00e4mlichen Fleischprobe 0.06% betr\u00e4gt. Ich weiss aus Erfahrung, dass sich die Schwankungen nahezu ausgleichen, wenn man f\u00fcr l\u00e4ngere Reihen von un-gem\u00e4steten Rindern aus grossen Muskelst\u00fccken das Material ausschneidet.\nF\u00fcr die meisten Versuche, wo es sich nicht um eine absolut genaue Kenntniss des Stickstoffverbrauchs, sondern nur um eine der Wahrheit nahe kommende handelt, ist die Annahme einer Mittelzahl f\u00fcr das Fleisch (3.4%) unter den von mir angegebenen Umst\u00e4nden gewiss berechtigt. Ich gestehe aber zu, dass es zur Beantwortung der Frage, ob aller ausgeschiedene Stickstoff im Harn und Koth erscheint, besser und sicherer ist, den ganzen Fleischvorrath f\u00fcr den Versuch von einem Thier auszuschneiden, durch die Fleischhackmaschine zu treiben und Proben davon zur Analyse auszustechen; dies ist auch bei dem von Max Gruber3 in meinem Laboratorium angestellten entscheidenden Versuche geschehen. Ueber die neuerdings vielfach discutirte Frage, ob der Stickstoffgehalt mittelst Natronkalk nach Will-Varrentrapp genau genug bestimmt werden k\u00f6nne, oder ob man dazu die Methode mit Kupferoxyd nach Dumas nehmen m\u00fcsse, werde ich mich sp\u00e4ter noch \u00e4ussern.\nDem Fleischfresser werden ausser dem Muskelfleisch und den genannten reinen Nahrungsstoffen nur selten noch andere Nahrungsmittel gegeben. F\u00fcr das Brod, das manchmal gef\u00fcttert wurde, habe ich ebenfalls in den meisten F\u00e4llen Mittelzahlen angenommen. Es wurde dabei von dem gleichen B\u00e4cker eine bestimmte Sorte Roggen-brod genommen, welches den Tag vorher gebacken und von der Rinde befreit war. Unter diesen Umst\u00e4nden waren die Schwankungen im Wasser- und Stickstoffgehalte so gering, dass ich glaubte, mich mit einer Mittelzahl begn\u00fcgen zu d\u00fcrfen, zudem durch eine t\u00e4gliche Analyse kaum ein genauerer Werth zu erhalten ist, da an ein und demselben Laibchen Brod, je nachdem man die Probe mehr von\n1\tPetersen, Ztschr. f. Biologie. VII. S. 166. 1871.\n2\tHuppert, Ztschr. f. Biologie. VII. S. 354. 1871.\n3\tM. Gruber, Ztschr. f. Biologie. XVI. S. 367.1880.","page":21},{"file":"p0022.txt","language":"de","ocr_de":"22\nVoit, Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. Wege des Stoffverlustes etc.\nAussen oder mehr von der Mitte nimmt, \u00e4hnliche Differenzen sich zeigen. F\u00fcr ganz genaue Bestimmungen habe ich aus einem gr\u00f6sseren Vorrathe von Mehl von bekannter Zusammensetzung f\u00fcr die einzelnen Versuchstage gleiche Mengen abgewogen und verbacken lassen.\nIn der Mehrzahl der F\u00e4lle verzehrt der fleischfressende Hund das f\u00fcr 24 Stunden ausreichende Futter bei Beginn des Versuchstages in wenigen Minuten; nur selten z. B. bei Darreichung von Brod w\u00e4hrt es l\u00e4ngere Zeit, jedoch nie \u00fcber 6 Stunden. Hier und da macht es jedoch grosse Schwierigkeiten den Tkieren, die eines ihnen unangenehmen Zusatzes oder irgend einer Marotte wegen die Aufnahme des Futters verweigern, dasselbe beizubringen. Man muss dann den Nahrungsstoffen alle m\u00f6glichen Formen geben und allerlei Kunstgriffe zur Ueberredung und T\u00e4uschung des Thieres gebrauchen; bei Anwendung von Fleisch empfiehlt es sich, dasselbe zu sieden und durch die wohlschmeckende Br\u00fche die widerlichen Zugaben zu verdecken (Salkowski). Manchmal bleibt nichts anderes \u00fcbrig als die Aufnahme durch Einschieben in den Rachen zu erzwingen.\nDie schon zubereiteten Speisen des Menschen lassen sich nur in einzelnen F\u00e4llen mit gen\u00fcgender Genauigkeit untersuchen, da sie meist aus mehreren Substanzen hergestellt sind und dadurch eine zu complicate und auch ungleichm\u00e4ssige Zusammensetzung haben. Es ist z. B. nicht m\u00f6glich zu ermitteln, was in einem St\u00fcck Braten oder einem Gem\u00fcse geboten wird. Man muss daher f\u00fcr ihn die Speisen aus den reinen Nahrungsstoffen oder aus m\u00f6glichst einfachen, ihrer Zusammensetzung nach leicht bestimmbaren ungekochten Nahrungsmitteln (aus ausgeschnittenem Fleisch, Milch, Eiereiweiss, Weizenmehl, Schmalz, Butter, St\u00e4rkemehl, Zucker u. s. w.) hersteilen. F\u00fcr l\u00e4ngere Versuchsreihen verschafft man sich einen Vorrath des Nahrungsmittels, entnimmt nach der Mischung die Proben zur Analyse und wiegt gleich die Portionen f\u00fcr jeden Tag ab; so geschieht dies mit dem Mehl, das man zur Bereitung irgend eines Geb\u00e4ckes verwenden will. Es ist dies ein sehr m\u00fchsames und zeitraubendes Gesch\u00e4ft und doch ist die Nahrung f\u00fcr den Menschen, der eine gr\u00f6ssere Mannigfaltigkeit in der Kost liebt, nicht so gleichm\u00e4ssig herzustellen wie die weniger complicate f\u00fcr den Hund. Die meisten der fr\u00fcheren am Menschen angestellten Versuche \u00fcber den Stoffverbrauch sind nicht brauchbar, weil bei ihnen diese unerl\u00e4sslichen Cautelen bei Bereitung der Nahrung nicht angewendet wurden. Die Speisen werden gew\u00f6hnlich auf 3 \u2014 5 Mahlzeiten vertheilt; die letzte, die Abendmahlzeit, wird aus schon angegebenen Gr\u00fcnden 14 Stunden vor Abschluss des Versuchstages gehalten.","page":22},{"file":"p0023.txt","language":"de","ocr_de":"Bestimmung der Zusammensetzung der Einnahmen.\n23\nEs wird schwerlich gelingen f\u00fcr den Pflanzenfresser; wenigstens f\u00fcr den gr\u00f6sseren, das Futter aus Nahrungsstoffen oder einfachen Nahrungsmitteln nach Belieben zu mischen, da er meist eine Ausf\u00fcllmasse f\u00fcr den Darm bedarf, Heu oder Stroh, von der er ebenfalls einen Antheil ver-werthet. Die gew\u00f6hnliche Nahrung der Wiederk\u00e4uer oder Einhufer ist meist etwas so complicirtes, und ihre Zusammensetzung ist zum Theil noch so wenig bekannt, dass es kaum m\u00f6glich ist, an ihnen die Fundamentalversuche \u00fcber die allgemeine Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe zu machen. Man wird daher nur die Fragen, die sich speciell auf die Er-1 2 n\u00e4hrungsverh\u00e4ltnisse dieser Thiere beziehen, an ihnen zu l\u00f6sen suchen. Bei der grossen Masse des Futters ist eine einigermaassen brauchbare Bestimmung der Zusammensetzung desselben sehr schwierig; die Schwierigkeiten wachsen noch, wenn die Thiere aus der Futtermischung die ihnen zusagenden Theile aussuchen und nicht alles auffressen.\nMan muss die Proben f\u00fcr die Analyse aus dem f\u00fcr den ganzen Versuch vorliegenden Vorrathe des gleichm\u00e4ssig gemischten Nahrungsmittels mit besonderer Sorgfalt entnehmen, um eine richtige Mittelprobe zu bekommen. Dies gelingt wohl bei den sogenannten concentrirten Futtermitteln (K\u00f6rnern, Oelkuchen, Schrot etc.), nicht so leicht aber beim Rauli-futter (Heu und Stroh) und dem Gr\u00fcnfutter, oder bei den Knollen und Wurzeln. Wie man die Proben nimmt, sie zur Analyse vorbereitet und deren Bestandteile ermittelt, das ist in den dar\u00fcber handelnden Schriften nachzusehen.1\nDie Bestimmung der einzelnen Nahrungsstoffe in den Vegetabilien ist mit besonderen Schwierigkeiten verkn\u00fcpft. In den tierischen Substanzen, deren Eiweissk\u00f6rper in ihrer Zusammensetzung nur wenig verschieden sind und die ausser dem Eiweiss nur wenig Stickstoff enthalten, kann man mit ann\u00e4hernder Genauigkeit aus dem Stickstoffgehalt den Gehalt an Eiweiss entnehmen. Dagegen variiren die Eiweissarten aus dem Pflanzenreiche sehr in ihrer Zusammensetzung und namentlich in ihrem Stickstoffgehalt (im Maximum um 25 %), wie vorz\u00fcglich Ritthausen 2 gezeigt hat. Gew\u00f6hnlich benutzt man zur Berechnung des Eiweisses aus dem gefundenen Stickstoff den Faktor 6.25, so dass man im ersteren einen durchschnittlichen Stickstoffgehalt von 16 % annimmt, aber bei den meisten Getreidearten, den H\u00fclsenfr\u00fcchten und Oelsamen betr\u00e4gt der Stickstoffgehalt 16.66% (also der Faktor 6). Ausserdem ist der Stickstoff der Pflanzentheile nicht aller auf Eiweiss zu beziehen, denn man trifft in gewissen vegetabilischen Substanzen noch andere stickstoffhaltige Stoffe3 : Salpeters\u00e4ure, Ammoniak und Amide (Glutamin, Betain, Asparagin) in nicht\n1\tHenneberg u. Stohhann, Beitr\u00e4ge zur Begr\u00fcndung einer rationellen F\u00fctterung der Wiederk\u00e4uer. Heft 1. S. 140. 1860 u. Heft 2. S. 25. 1864. \u2014 K\u00fchn, Journ. f. Landwirthschaft. 1865. S. 297. \u2014 E.Wolff, Anleitung zur chemischen Untersuchung landwirthschaftlich wichtiger Stoffe. 3. Aufl. S. 120 u. 171. 1875.\n2\tRitthausen, Die Eiweissk\u00f6rper d, Getreidearten, H\u00fclsenfr\u00fcchte u. Oelsamen. Bonn 1872.\n3\tH. u. E. Schulze, Landw. Versuchsstationen. IX. 1867. \u2014 Sutter u. Alwins, Oeconom. Fortschritte. I. S. 107. \u2014 Zoller, Journ. f. Landw. 1866. S. 469. \u2014 Grouven u. F\u00fchling, Landw. Versuchsstationen. IX. S. 9 u. 150. 1867. \u2014 E. Schulze u. A. Urich, Ebenda. XVIII. S. 296, XX. S. 193. \u2014 E. Schulze u. J. Barbi\u00e9ri. Landw. Jahrb\u00fccher. VI. S. 157. 1877 ; Landw. Versuchsstationen. XXI. S. 63.","page":23},{"file":"p0024.txt","language":"de","ocr_de":"24 Yoit, Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. Wege des Stoffverlustes etc.\nunerheblicher Menge, namentlich in den R\u00fcben, im Mais und in den Kartoffeln; in den R\u00fcben treffen nach E. Schulze und A. Urich nur 20 \u00b0/o des darin enthaltenen Stickstoffes auf Eiweiss, in den Kartoffeln nach Schulze nur 56.2%. E. Schulze suchte diese stickstoffhaltigen Stoffe durch Dialyse von den Eiweissk\u00f6rpern zu trennen.\nDie aus den Pflanzen hergestellte Rohfaser ist nicht rein, sie enth\u00e4lt noch Asche und Stickstoff, weshalb man die Asche und das aus dem Stickstoff berechnete Eiweiss abzieht.1 Aber auch die darnach noch bleibende Rohfaser ist in ihrer Zusammensetzung wechselnd; die Versuche die darin enthaltene reine Cellulose zu bestimmen '2 haben bis jetzt zu keinem g\u00fcnstigen Resultate gef\u00fchrt.3\nIm Aetherextrakt aus Vegetabilien finden sich ausser Neutralfetten noch Wachs, Chlorophyll, Farbstoffe, deren Abtrennung noch nicht gelungen ist.4\nDen ganzen Rest nach Bestimmung des Eiweisses, des Fettes, der Rohfaser und der Asche fasst man unter dem Namen stickstofffreie Extraktstoffe zusammen; unter ihnen sind allerlei zucker- St\u00e4rkemehl- gummi-und pektinartige Substanzen, gel\u00f6stes Lignin und noch manche unbekannte Stoffe enthalten.\nII. Bestimmung der in den Exkreten ausgescliiedenen\nElemente.\n1. Messung der Ausscheidung des Stickstoffs und des Verbrauches\nder stickstoffhaltigen Stoffe.\nA) Im Harn.\nDie n\u00e4chste und wichtigste Aufgabe ist die, den Harn bis auf den letzten Tropfen genau zu gewinnen. Man hat fr\u00fcher wohl auf eine m\u00f6glichst genaue Bestimmung der Bestandtheile des Harns geachtet, jedoch auf die vollst\u00e4ndige Aufsammlung desselben, als auf etwas Untergeordnetes, keinen besondern Werth gelegt, und doch ist gerade hierin die peinlichste Sorgfalt erforderlich.\nBeim erwachsenen Menschen ist dies leicht m\u00f6glich ; beim Tliiere macht es jedoch grosse Schwierigkeiten.\nBei den Versuchen von Boussingault 5 am Pferd, der Kuh und dem Schwein, von Valentin 6 am Pferd, von Sacc 7 an H\u00fchnern, und selbst\n1\tG. K\u00fchn, Grouven, Physiol.-chemische F\u00fctterungsversuche. S. 63. 1864.\n2\tF. Schulze, Beitrag zur Kenntniss des Lignins. Rostock 1856; Chem. Cen-tralbl. 1857. S. 321. \u2014 G. K\u00fchn, Journ. f. Landw. 1866. S. 297.\n3\tLandw. Versuchsstationen. XIII. S. 40. u. 232, XVI. S. 419. 1870. \u2014 Stoh-mann, Ztschr. f. Biologie. VI. S. 209. 1870.\n4\tJ. K\u00f6nig, Landw. Versuchsstationen. XIII. S. 241. \u2014 E. Schulze u. Maer-cker, Journ.f. Landw. 1871. S. 58. \u2014 Grouven, Physiol.-chem. F\u00fctterungsversuche. S. 434. 1864.\n5\tBoussingault, Ann. d. chim. etphys. LXI. p. 128. 1839.\n6\tValentin, Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. I. S. 367. 1842.\n7\tSacc, Ann. d. sc. nat. Sept. 1847.","page":24},{"file":"p0025.txt","language":"de","ocr_de":"In den Exkreten ansgeschiedene Elemente. Im Harn.\n25\nbei vielen der sp\u00e4teren, namentlich an Hunden, hat man die Thiere ohne Weiteres den Harn auf den Boden des K\u00e4figs oder Stalles entleeren lassen und denselben dann gesammelt. Es versteht sich von selbst, dass dabei eine genaue Bestimmung unm\u00f6glich ist, da unbekannte Mengen von Harn verloren gehen. Derselbe l\u00e4uft nicht vollst\u00e4ndig vom Boden ab, verspritzt beim Entleeren an den Wandungen des K\u00e4figs und benetzt auch zum Theil beim Hineintreten oder Hineinlegen die Pfoten und Haare des Thieres. Der Verlust kann procentig ein sehr bedeutender werden, namentlich wenn die Harnmenge, wie z. B. beim Hunger, eine geringe ist oder die Hunde sich gew\u00f6hnen, hundertmal im Tag in kleinen Portionen den Harn zu lassen. Ich 1 habe durch Ausgiessen einer verd\u00fcnnten Kochsalzl\u00f6sung auf den Boden des Hundek\u00e4figs den Verlust bestimmt und im leeren K\u00e4fig 13.9% der Fl\u00fcssigkeit mit 6.9% des Kochsalzes, bei Anwesenheit des Thieres jedoch 15 \u2014 35.9 % der Fl\u00fcssigkeit mit 9.9\u201431.6 % des Kochsalzes eingebiisst. Bei einem Versuch an einer Taube \u00fcberzeugte ich mich, dass ohne eine besondere Vorrichtung das Thier in den Exkrementen herumtritt und sie auch gelegentlich zwischen die Gitterst\u00e4be des K\u00e4figs hindurchspritzt.\nKeine Einrichtung des Stalles beseitigt diesen Fehler vollst\u00e4ndig; das einzig sichere Mittel, jeden Verlust zu vermeiden, ist den Harn direkt aufzufangen. Es ist dies f\u00fcr die Erhaltung richtiger Resultate von wesentlicher Bedeutung.\nHunde lassen sich in kurzer Zeit so abrickten, dass sie den Harn niemals in den K\u00e4fig, sondern nur ausserhalb desselben in ein untergehaltenes Glas entleeren. Man f\u00fchrt sie zu dem Zweck je nach Bedarf ein- bis dreimal des Tags ins Freie. Dies geht jedoch nur bei gr\u00f6sseren Hunden, etwa bis zu einem Gewicht von 8 Kilo und bei m\u00e4nnlichen Thieren. Ich habe bei meinen Versuchen an Hunden ausschliesslich dieses Verfahren als das nat\u00fcrlichste angewendet. C. Ph. Falck2 hat zuerst gelehrt bei H\u00fcndinnen durch Spaltung des vordem Theils der Vulva die M\u00fcndung der Harnr\u00f6hre blos zu legen, so dass man t\u00e4glich am Ende des Versuchstages den Harn vollst\u00e4ndig mit dem Katheter entleeren kann. Auch m\u00e4nnliche Hunde lassen sich mit sehr feinen elastischen R\u00f6hrchen katheterisiren3; jedoch fragt es sich, ob dieser Eingriff l\u00e4ngere Zeit hindurch, z. B. bei l\u00e4nger w\u00e4hrenden Reihen von Ern\u00e4hrungsversuchen ertragen wird.\nBei K\u00fchen habe ich4 w\u00e4hrend 6 Tagen und sp\u00e4ter M. Fleischer5\n1\tVoit, Ztschr. f. Biologie. IV. S. 319. 1868.\n2\tFalck, Arcb. f. pathol. Anat. IX. S. 56.1856, LIII.S. 282.1871 ; sp\u00e4ter F.Fede, Contribuzione alia fisiologia della digestione e della nutrizione. Napoli 1868.\n3\tPan\u00fcm, Nordisktmed. Arkiv. VI. No. 12. 1874, f\u00fchrt den Katheter ein und saugt den Harn durch eine am \u00e4ussern Ende desselben angepasste Spritze ab. \u2014 Falck, Arch. f. pathol. Anat. 1875. S. 58. \u2014 Fraenkel, Ebenda. LXVII. S. 273.\n1876, katheterisirt weibliche Hunde ohne Operation und sp\u00fclt zuletzt die Blase mit Wasser aus. 4 Voit, Ztschr. f. Biologie. V. S. 118. 1869.\n5 Fleischer, Arch. f. pathol. Anat. LI. S. 30. 1870.","page":25},{"file":"p0026.txt","language":"de","ocr_de":"26\nVoit, Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. \"Wege des Stoffverlustes etc.\nin Hohenheim w\u00e4hrend 8 Tagen den Harn direkt in K\u00fcbeln aufgefangen; es ist dies Gesch\u00e4ft aber \u00e4usserst m\u00fchselig, da man Tag und Nacht das Thier beobachten und stets bereit sein muss. Ich habe Tauben bei Monate lang w\u00e4hrenden Versuchsreihen auf eine geriefelte Stange gesetzt und dieselben oberhalb mittelst zweier an den Wurzeln der Fl\u00fcgel befestigter Schn\u00fcre angebunden ; die Exkremente wurden auf einer darunter liegenden grossen Glasplatte gesammelt. J. Forster1 und Knieriem2 3 4 5 schlossen Tauben und H\u00fchner in kleine enge Holzst\u00e4llchen ein, aus denen nur Kopf und Hintertheil des Thieres hervorragen, so dass eine vollst\u00e4ndige Sammlung der Dejektionen leicht m\u00f6glich ist. G\u00e4nse habe ich in weitmaschige Netze, welche die Cloake frei Hessen, eingeh\u00e4ngt und die Exkrete gegen ein schief gestelltes Weissblech spritzen lassen, von wo sie in eine Porzellanschale abliefen.\nMan hat allerlei Einrichtungen ersonnen, um den Harn mit m\u00f6glichst geringem Verluste zu erhalten, wenn es nicht durchf\u00fchrbar war, denselben direkt abzufangen.\nHenneberg & Stohmann11 Hessen die Ochsen den Harn auf den geneigten Boden des Stalles entleeren, von wo er in eine Cisterne einfloss; der Boden wurde t\u00e4glich 2mal mit destillirtem Wasser abgesp\u00fclt; durch Abwaschen mit Wasser bestimmten sie den am Boden haftenden Harn und Koth und ferner durch Ausgussversuche den Verlust durch Wasserverdunstung. F\u00fcr Ziegen f\u00fchrte Stohmann 4 einen Zwangsstall ein, in dem. sich die Thiere wohl niederlegen, aber nicht wesentlich r\u00fcckw\u00e4rts und seitw\u00e4rts bewegen konnten; der Harn floss durch die L\u00f6cher einer am Boden befindlichen Blechtafel ab, die t\u00e4glich mit Wasser abgespritzt wurde. Aehnliche Zwangsst\u00e4lle wendeten fr\u00fcher schon Hellriegel, Hofmeister, M\u00e4rcker u. A. bei Hammeln an. Am Leib der Thiere zu befestigende Beutel, durch welche der Harn fast ohne Verlust gesammelt werden kann, haben Grouven beim Ochsen, Hellriegel bei Hammeln, K\u00fchn bei K\u00fchen, J. Lehmann & Soxhlet bei K\u00e4lbern, Wolff bei Pferden gebraucht '.\nBei kleineren Thieren (kleinen Hunden, Katzen, Kaninchen) l\u00e4sst sich f\u00fcr manche Versuche der Harn ann\u00e4hernd erhalten, wenn man fill den raschen Ablauf desselben Sorge tr\u00e4gt; so hat man cylindrische Blecli-gef\u00e4sse mit einem aus einem Drahtgitter bestehenden Boden, durch dessen\n1\tF\u00f6rster, Ztschr. f. Biologie. XII. S. 454. 1876.\n2\tKnieriem, Ebenda. XIII. S. 39. 1877.\t.\t\u201e\n3\tHenneberg u. Stohmann, Beitr\u00e4ge zur Begr\u00fcndung einer rationellen 4 utte-rung der Wiederk\u00e4uer. Heft 1. S. 19 u. 70. 1860, Heft 2. S. 21. 1864. - Henneberg, Neue Beitr\u00e4ge. S. 291. 1872.\n4\tStohmann, Ztschr. f. Biologie. VI. S. 205. 1870. \u2014 Hellriegel, Landw. \\ er-suchsstationen. VIL S. 245. 1865. \u2014 MAERCKERbei Henneberg, Neue Beitrage. 1872.\ng pj 2\n5\tGrouven, Physiol.-ehern. F\u00fctterungsversuche. 2. Ber. S. 55. 1864. Hellriegel, Landw. Versuchsstationen. VII. S. 246. - Lehmann, Ebenda. I. S. 77. 1859. \u2014 Soxhlet, Erster Bericht \u00fcber Arbeiten d. k. k. landw. A ersuchsstation zu V \u00eeen 1878. S. 2. \u2014 Wolff, Landw. Jahrb\u00fccher. VIII. S. 22. 1879.","page":26},{"file":"p0027.txt","language":"de","ocr_de":"In clen Exkreten ausgeschiedene Elemente. Im Harn.\n27\nMaschen der Harn in einen weiten Trichter abfliesst, genommen oder auch umgest\u00fcrzte Schwefels\u00e4ureballons mit abgesprengtem Boden 1 2.\nEs handelt sich aber meistentheils nicht allein darum, den entleerten Harn vollst\u00e4ndig zu sammeln, sondern auch den w\u00e4hrend einer bestimmten Zeit (von 24 Stunden) im Organismus gebildeten Harn genau zu erhalten. Der an einem Versuchstage beliebig ge-lassene Harn kann noch mehr oder weniger von dem am vorausgehenden Tage erzeugten einschliessen oder auch nicht allen auf den Versuchstag treffenden enthalten, wenn n\u00e4mlich am Schluss desselben die Blase noch nicht ganz entleert ist. Es kann ja Vorkommen, dass ein Thier w\u00e4hrend eines ganzen Tages gar keinen Harn l\u00e4sst, obwohl derselbe aus der Niere in die Blase in ganz normaler Menge abgeschieden worden ist. Es soll also am Anf\u00e4nge und am Ende jedes Tages die Harnblase vollkommen leer sein, damit der an demselben gewonnene Harn ausschliesslich und genau den an ihm erzeugten repr\u00e4sentirt. Auch wenn es nicht darauf ankommt, den Stoffverbrauch an einzelnen Tagen zu kennen, sondern nur den in einem l\u00e4ngeren Zeitabschnitte, so darf doch am Beginn und Schluss kein Harn in der Blase sich befinden, wenn nicht die Periode so lang und die Gesammtharnmenge so gross ist, dass jener Fehler nicht in Betracht kommt.\nDie vollkommene Entleerung der Blase vor Beginn und beim Schluss jedes Versuchstages ist beim Menschen wiederum leicht zu erreichen, schwieriger bei Thieren. Bei abgerichteten gr\u00f6sseren Hunden gelingt es wohl, allen auf einen Tag treffenden Harn zu erhalten; die Thiere sind nur in dieser Beziehung ziemlich verschieden. Manche lassen, wenn man sie am Ende des Versuchstages, der von 8 Uhr fr\u00fch bis zur selben Stunde des n\u00e4chsten Tages w\u00e4hren soll, ins Freie bringt, auf ein Mal s\u00e4mmt-lichen Harn von 24 Stunden bis auf den letzten Tropfen. Andere muss man \u00f6fters zum Harnlassen herumf\u00fchren, namentlich wenn viel Wasser in der Nahrung aufgenommen worden ist, z. B. Mittags, Abends und fr\u00fch vor Beginn des neuen Tags. Wieder andere entleeren die klarnblase nicht vollst\u00e4ndig, wesshalb man sie am Schluss des Versuchstags n\u00f6thigt, mehrmals Harn zu lassen, bis zuletzt nur mehr wenige Tropfen herausgepresst werden. Durch Katheterisiren erreicht man den gleichen Zweck, wenn die Thiere dasselbe l\u00e4ngere Zeit hindurch ertragen. Auf solche Weise verschwinden die fr\u00fcher beobachteten betr\u00e4chtlichen Schwankungen der Ausscheidung unter sonst gleichen Verh\u00e4ltnissen und erh\u00e4lt man in langen Pveihen Tag f\u00fcr Tag ganz \u00fcbereinstimmende Werthe; nur bei Beachtung dieser Cautelen sind die Versuche einzelner Tage zu verwerthen.\n1\tVoit, Ztsckr. f. Biologie. II. S. 51. u. S. 326. 1866.\n2\tLeube, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1872. No. 30. \u2014 Ed. Heiss, Ztschr. f. Biologie. XII. S. 156. 1876.","page":27},{"file":"p0028.txt","language":"de","ocr_de":"28 Voit, Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. Wege des Stoffverlustes etc.\nKleinere Hunde, Katzen oder Kaninchen 1 kann man nicht in der Art abrichten, auch nicht Pferde und Rinder. Bei ihnen ist die Harnausscheidung1 daher eine unregelm\u00e4ssige und man ist nur selten im Stande, die Resultate einzelner Tage zu ben\u00fctzen oder die allm\u00e4hliche Aenderung des K\u00f6rpers unter dem Einfl\u00fcsse eines Nahrungsstoffes zu verfolgen. Man vermag bei ihnen in der Regel nur aus Versuchen, welche l\u00e4ngere Zeit, eine oder mehrere Wochen dauern, so dass das Zur\u00fcckbleiben von Harn vor und nach einer Versuchsreihe nicht wesentlich in Betracht kommt, Schl\u00fcsse zu ziehen. Diese Schwankungen der t\u00e4glichen Ausscheidungen erscheinen bei kleinen Thieren allerdings absolut nicht sehr gross, sie geben aber h\u00f6chst bedeutende procentige Differenzen, denn wenn bei ihnen die t\u00e4gliche Stickstoffausfuhr im Harn zwischen 1.1 und 1.3 Grm. hin- und hergeht, so betr\u00e4gt dies schon 18%. Man w\u00fcrde eine Versuchsreihe an einem grossen Hunde, in welcher ganz unregelm\u00e4ssig Differenzen von 110\u2014130 Grm. Harnstoff Vorkommen, f\u00fcr unbrauchbar zur Feststellung der Wirkung eines Agens auf den Eiweissumsatz erkl\u00e4ren. Um sich nicht durch kleine Zahlen t\u00e4uschen zu lassen, ist es immer besser, f\u00fcr jenen Zweck grosse Thiere zu w\u00e4hlen.\nIst auf die angegebene Weise der Harn des betreffenden Versuchstags vollst\u00e4ndig gewonnen, dann hat man seinen Gehalt an Stickstoff zu bestimmen. Es kann sich allerdings bei gewissen Untersuchungen fragen, wieviel von irgend einem der Harnbestandtheile, von Harnstoff, Harns\u00e4ure, Kreatin u. s. w. ausgeschieden werde, aber bei Feststellung des Verbrauchs an Stickstoff oder stickstoffhaltigen Stoffen im K\u00f6rper giebt selbstverst\u00e4ndlich nur die Ermittlung der ganzen Stickstoffmenge im Harn Aufschluss.\nDies geschieht auf verschiedene Weise. Ich 2 3 habe zuerst 5 \u201410 Ccm. Harn auf den in einer kleinen tubulirten Retorte befindlichen Natronkalk gegossen, erhitzt und das \u00fcbergehende Ammoniak in verd\u00fcnnter Schwefels\u00e4ure von bekanntem Gehalt aufgefangen. Diese etwas umst\u00e4ndlich zu handhabende Methode ist durch Schneider und Seegen 3 sehr vereinfacht worden; dieselbe giebt bei richtiger Handhabung und einigen Vorsichtsmaassregeln 4, namentlich wenn man schliesslich unter Erw\u00e4rmen der Birne gr\u00f6ssere Mengen von Luft mittelst Saugflaschen durchzieht, in kurzer Zeit brauchbare Resultate. Ungleich sicherer ist das von mir 5 zuerst ben\u00fctzte Verfahren, 5\u201410 Ccm. des Harns auf eine in einem flachen Porzellansch\u00e4lchen befindliche Schicht feinen Quarz- oder Glaspulvers auszugiessen (unter Zusatz von etwas Oxals\u00e4ure), auf dem Wasserbade zu trocknen und dann mit Natronkalk auf die gew\u00f6hnliche Weise im Rohr zu verbrennen. Da nach dem Eintrocknen das Quarzpulver mit dem Harn fest zusammenbackt und nur mit M\u00fche ohne Verlust los zu l\u00f6sen ist, so ist es am besten,\n1\tSalkowski spritzt den Kaninchen Wasser in den Magen ein, um die Harnmenge zu vermehren (Ztschr. f. physiol. Chemie. I. S. 12. 1878).\n2\tVoit, Physiol.-ehern. Unters. S. 7. Augsburg 1857.\n3\tSeegen, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XLIX. S. 6. 1864.\n4\tW. Schr\u00f6der, Ztschr. f. physiol. Chemie. III. S. 70. 1879.\n5\tVoit, Ztschr. f. Biologie. I. S. 115. 1865.","page":28},{"file":"p0029.txt","language":"de","ocr_de":"In den Exkreten ausgeschiedene Elemente. Im Harn.\t29\ndie von Hofmeister angegebenen kleinen Sch\u00e4lchen aus d\u00fcnnem Glas anzuwenden, die mit dem trockenen Harn und Quarz zu einem feinen Pulver zerstossen werden. Statt des Quarzpulvers kann man auch Scliwer-spath oder Gyps nehmen C Ich wende jetzt nur mehr das letztere Verfahren als das genaueste an. Die Bestimmung des Harn Stickstoffs mit Kupferoxyd nach Dumas giebt, wie M. Gruber dargethan hat, die gleichen Resultate wie die mit Natronkalk.\nDa der Harnstoff in dem Harn des Menschen und vieler Thiere den haupts\u00e4chlichsten stickstoffhaltigen Bestandtheil ausmacht, so hat man vielfach bei Stoffwechseluntersuchungen nur die Gr\u00f6sse der Harnstoffausscheidung zu ermitteln gesucht und zwar namentlich nach der bekannten Liebig-sclien Titrirmetliode -. Die letztere giebt aber den Harnstoff nicht genau an, so wenig wie die \u00fcbrigen Methoden der Harnstoffbestimmung1 2 3, da auch noch andere Harnbestandtheile durch die Quecksilberl\u00f6sung gef\u00e4llt werden. Ich habe durch Vergleichung des direkt bestimmten und des aus dem (nach Liebig bestimmten) Harnstoff berechneten Stickstoffs dargethan, dass sich aus letzterem f\u00fcr den concentrirten Hundeharn der Stickstoff bei richtiger Ausf\u00fchrung mit gen\u00fcgender Genauigkeit entnehmen l\u00e4sst4. Auch im nicht zu verd\u00fcnnten Menschenharn geben die beiden Analysen gut \u00fcbereinstimmende Resultate 5, in verd\u00fcnntem Menschenharn dagegen k\u00f6nnen gewaltige Differenzen auftreten, wesshalb ich seit langer Zeit im menschlichen Harn den Stickstoff nur mehr direkt bestimme 6. Unumg\u00e4nglich nothwendig ist selbstverst\u00e4ndlich die direkte Stickstoffbestimmung in den Harnen, in welchen sich ausser Harnstoff in erheblicher\n1\tWashburne, Bull. d. 1. soc. chirn. d. Paris. XXV. p. 498. 1876. \u2014 Bidder u. Schmidt (Die Verdauungss\u00e4fte u. der Stoffwechsel. S. 293. 1852) haben den Harn auf Quarzpulver eingetrocknet und den noch feuchten R\u00fcckstand mit Kupferoxyd vermischt und verbrannt. \u2014 Siehe auch M. Gruber, Ztschr. f. Biologie. XVI. S. 367 und Hornberger u. Prehn, Landw. Versuchsstationen. XXIV. S. 22. 1879.\n2\tLiebig, Ueber eine neue Methode zur Bestimmung von Kochsalz und Harnstoff im Harn. Heidelberg 1853. \u2014 Henneberg, Stohmann u. Rautenberg, Ann. d. Chem. u. Pharm. CXXIV. S. 181. \u2014 Rautenberg, Ebenda CXXXIH. S. 55. 1865. \u2014 Nowak, Sitzgsber. d. Wiener Acad. 3. Abth. LXVII. Jan.-Heft. 1872. \u2014 Pfl\u00fcger, Arch. f. d. ges. Physiol. XXI.\n3\tRagsky, Ann. d. Chem. u. Pharm. LVI. S. 29. \u2014 Heintz, Ann. d. Physik. LXVIII. S. 393. \u2014 Bunsen, Ann. d. Chem. u. Pharm. LXV. S. 375. \u2014 Modificationen von Bunsen: Schultzen u. Nencki, Ztschr. f. Biologie. VIII. S. 139. 1872 und Bunge, Ztschr. f. analyt. Chem. XIII. S. 128.1873. \u2014 H\u00fcfner, Journ. f. pract. Chem. N. F. III. S. 1. 1871 ; Ztschr. f. physiol. Chem. I. S. 350. 1878 ; Ztschr. f. analyt. Chem. XVII. S. 517. 1878. \u2014 Schleich, Journ. f. pract. Chem. N. F. X. S. 260.1874. \u2014 Wagner, Ztschr. f. analyt. Chem. IV. 1874. \u2014 Plehn, Ber. d. d. chem. Ges. VIII. S. 582. 1875; Arch. f. Anat. u. Physiol. 1875. S. 304.\n4\tVoit, Physiol.-chem. Unters. 1857. S. 12 ; Ztschr. f. Biologie. I. S. 118 u. 120. 1865, sowie viele vergl. Bestimmungen in einzelnen Abhandlungen, namentlich bei Max Gruber, Ztschr. f. Biologie. XVI. S. 367. 1880.\n5\tVoit, Ztschr. f. Biologie. I. S. 130. 1865, IL S. 469. 1866, sowie viele vergl. Bestimmungen in einzelnen Abhandlungen.\n6\tMan berechnet in diesem Falle nach Liebig\u2019s Methode meist zu viel Stickstoff; siehe hier\u00fcber auch: S. Schenk, Sitzgsber. d. Wiener Acad. 2. Abth. LIX. F ehr.-Heft. 1869. \u2014 Kratschmer, Ebenda. 3. Abth. LXVI. Oct.-Heft. 1872 (in dem verd\u00fcnnten diabetischen Harn). \u2014 G. Smirnoff, Studier i den pat ologiske kv\u00e4fveom-s\u00e4ttingen. Academisk Afkandl. Helsingfors 1876. \u2014 Schleich fand nach Seegen\u2019s Methode am meisten Stickstoff, nach der von H\u00fcfner 10\u00b0/o weniger, nach der von Liebig mittlere Mengen.","page":29},{"file":"p0030.txt","language":"de","ocr_de":"30\nVoit, Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. Wege des Stoffverlustes etc.\nMenge noch andere stickstoffhaltige Stoffe finden, wie z. B. im Harn der meisten Pflanzenfresser. Die nur zu h\u00e4ufig ohne jegliche Kritik und Sach-kenntniss gemachte Anwendung der LiEBiG\u2019schen Harnstoffbestimmung im menschlichen Harn bei Stoffwechseluntersuchungen hat viel Unheil gestiftet; die meisten dieser Untersuchungen besitzen nicht den mindesten Werth.\nB) Im Koth.\nBeim Koth handelt es sich zun\u00e4chst wieder wie beim Harn um eine genaue Aufsammlung, welche beim Menschen leicht ist, ebenso beim Hund, der bald zu gew\u00f6hnen ist, denselben ausserhalb des K\u00e4figs in eine Schale zu entleeren. Ist der Koth von fester Beschaffenheit, wie z. B. der des Schafes, des Kaninchens, der Ziege u. s. w., dann ist er auch im K\u00e4fig, ohne wesentliche Verunreinigung mit Harn, genau genug aufzusammeln; ist er dagegen weicher und breiartig wie der des Rindes oder des Schweins, so m\u00fcssen besondere Vorsichtsmaassregeln und Vorrichtungen zum Sammeln desselben angewendet werden; f\u00fcr gr\u00f6ssere Pflanzenfresser hat man auch besondere Kothbeutel construirt.1\nSchwieriger ist es, den auf einen bestimmten Zeitraum und auf eine bestimmte Nahrung treffenden Koth zu erhalten. Es w\u00e4re ganz fehlerhaft, wollte man den im Laufe eines Tages entleerten Koth als auf die an diesem Tage verzehrte Nahrung treffend ansehen, wie man es fr\u00fcher allgemein gethan hat. Dies ist nicht einmal f\u00fcr den Menschen g\u00fcltig, der gew\u00f6hnt ist, regelm\u00e4ssig in der Fr\u00fche vor Beginn eines neuen Versuchstages Koth zu entleeren; aus den Versuchen Rubner\u2019s2 geht hervor, .dass f\u00fcr gew\u00f6hnlich, selbst bei Pflanzenkost, zwei bis drei Tage verstreichen, bis der von einer Nahrung herr\u00fchrende Koth zum Vorschein kommt. Das fleischfressende Thier liefert bei Fleischkost nur etwa alle f\u00fcnf Tage eine kleine Menge Koth ; der Pflanzenfresser dagegen hat zwar an einem Tage h\u00e4ufige Darmentleerungen (bis zu 12 und mehr), aber die Residuen der Nahrung bleiben meist vier bis f\u00fcnf Tage in betr\u00e4chtlichen Massen in dem grossen Blind- und Dickdarm zur\u00fcck.\nW\u00e4hrend beim Fleischfresser im Laufe von 24 Stunden die Verdauung der Nahrung und die Ausscheidung der Zersetzungsprodukte beendet ist, w\u00e4hrt dies beim Pflanzenfresser, namentlich beim Wiederk\u00e4uer, weit l\u00e4nger. Die Zeit, innerhalb der bei ihm die ersten und letzten Reste\n1\tSiehe hier\u00fcber: Henneberg u. Stohmann, Beitr\u00e4ge etc. Heftl. S. 19. 1860. \u2014 Stohmann, Ztschr. f. Biologie. VI. S. 205. 1870. \u2014 Heiden, Deutsche Monatsscbr. f. Landwirtschaft, 1874. S. 6. Kothbeutel wurden angewendet bei Hammeln von Hellriegel u. Lucanus, sp\u00e4ter von Henneberg, Neue Beitr\u00e4ge. Heft. 1. S. 74. 1870 und bei Schweinen von Weiske u. Wildt, Ztschr. f. Biologie. X. S. 7. 1874.\n2\tRubner, Ztschr. f. Biologie. XVII. S. 115. 1879.","page":30},{"file":"p0031.txt","language":"de","ocr_de":"In den Exkreten ausgeschiedene Elemente. Im Koth.\n31\neines bestimmten Futters durch den Darm ausgeschieden werden, ist oft sehr bedeutenden Schwankungen unterworfen. Nach Henneberg & Stoh-mann 1 erscheinen bei einer Ver\u00e4nderung im Futter des Ochsen die ersten unverdauten Reste (von Weizenstroh) im Koth erst 34\u201447 Stunden nach Beginn der neuen F\u00fctterung, und betr\u00e4gt die durchschnittliche Verdauungszeit etwa 5 Tage. Als Stohmann 2 Ziegen nach F\u00fctterung mit Wiesenheu und Leinmehl ausschliesslich Wiesenheu reichte, fanden sich erst 7 Tage nach der Futter\u00e4nderung keine Spuren von Leinsamen mehr in den F\u00e4ces. Bei Hammeln dauert es nach Weiske1 2 3 7\u20148 Tage, bis die letzten Reste eines Futters durch den Darm ausgeschieden sind; bei Kaninchen finden sich sogar noch 25 Tage nach beendeter Heuf\u00fctterung rohfaserhaltige Kothballen. Bei V\u00f6geln scheint dagegen nach den Beobachtungen Weiske\u2019s die Aufenthaltsdauer des Futters im Darm sehr kurz zu sein; wenigstens giebt Weiske an, dass bei G\u00e4nsen schon nach 3 Stunden 25 Minuten von den verzehrten Gerstenk\u00f6rnern die ersten im Koth zum Vorschein kommen, dass nach weiteren 3 Stunden der Koth nur Gerstenk\u00f6rner enth\u00e4lt und 3^2 Stunden nach Weglassen der Gerste keine mehr im Koth sich findet. Das Saugkalb 4 entleert meist t\u00e4glich nur ein Mal F\u00e4ces und zwar kurze Zeit nach der Fr\u00fchmahlzeit, es verh\u00e4lt sich also \u00e4hnlich dem Fleischfresser.\nDie grossen Kothmassen bei den Pflanzenfressern, welche viel mehr Bestandtheile enthalten als der Harn, sind bei Stoffwechselversuchen sehr misslich. Das Pferd Valentin\u2019s5, von einem Gewicht von 425 Kilo, nahm t\u00e4glich 10 Kilo Heu und 2 Kilo Hafer (mit 10.6 Kilo Trockensubstanz) auf und entleerte dabei im Mittel nur 5 Kilo Harn (mit 0.39 Kilo Trockensubstanz), aber 17 Kilo Koth (mit 6.27 Kilo Trockensubstanz). Die von mir 6 7 beobachtete Milchkuh lieferte t\u00e4glich im Mittel 30.2 Kilo Koth (mit 4.6 Kilo Trockensubstanz); ein Ochse von 545 Kilo Gewicht enth\u00e4lt bei Strohf\u00fctterung 9.1 Kilo Inhalt im Magen und Darm\u201c, ein Hammel von 45.5 Kilo Gewicht bei Aufnahme von Wiesenheu 7.25 Kilo8.\nDa die Menge des Kothes beim Fleischfresser nur eine geringe ist (beim Hund von 35 Kilo im Durchschnitt 10 Grm. trockener Koth im Tag) und der Stickstoffgehalt desselben (0.65 Grm.) gegen\u00fcber dem des Harns in der Regel verschwindend klein ist, so macht bei ihm der Fehler durch die unregelm\u00e4ssige Entleerung des Koths meist nur wenig aus. Gr\u00f6sser ist er schon beim Menschen bei gemischter\n1\tHenneberg u. Stohmann, Neue Beitr\u00e4ge. Heft 2. S. 132. 1863.\n2\tStohmann, Biologische Studien. Heft 1. S. 41. 1873.\n3\tWeiske, Journ. f. Landw. XXVI. S. 175. 1878. \u2014 Siehe \u00fcber die Zeit der Verdauung bei Pflanzenfressern noch: Grouven, Erster Bericht \u00fcber die Arbeiten in Salzm\u00fcnd. S. 230.1862; J. Lehmann, Amts- u. Anzeigeblatt f. d. s\u00e4chs. landw. Vereine. 1859. S. 40, 1865. S. 20.\n4\tSoxhlet, Erster Bericht \u00fcber Arbeiten d. k. k. landw. chem. Versuchsstation in Wien. 1878. S. 4.\n5\tValentin, Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. I. S. 390. 1842.\n6\tVoit, Ztschr. f. Biologie. V. S. 120. 1869.\n7\tGrouven, Physiol.-chem. F\u00fctterungsversuche. S. 137. 1864.\n8\tWolff, Die landw Versuchsstation Hohenheim. S. 72. 1870; Landw. Jahrb. 1872. Heft 4.","page":31},{"file":"p0032.txt","language":"de","ocr_de":"32\nVoit, Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. Wege des Stoffverlustes etc.\nKost; sehr betr\u00e4chtlich kann er aber beim Pflanzenfresser werden, bei dem manchmal1 in dem massigen Kotli mehr Stickstoff ausgeschieden wird als im Harn.\nMan muss daher nach einem Mittel suchen, durch das man den auf eine bestimmte Nahrung anfallenden Koth abzugrenzen vermag. Bidder und Schmidt'2 haben zuerst bemerkt, dass beim Hund der schwarze pechartige Koth nach Fleischf\u00fctterung sich leicht von den volumin\u00f6sen, dem Brod \u00e4hnlichen Exkrementen nach Aufnahme von Schwarzbrod unterscheiden l\u00e4sst. Ich3 4 5 habe genauer die Beschaffenheit des Koths des Hundes bei F\u00fctterung mit verschiedenen Nahrungsmitteln untersucht und dieselbe zur scharfen Abtrennung der Koth-sorten benutzt. Giebt man dem Thier mindestens 18 Stunden vor Beginn einer Versuchsreihe, in welcher als Nahrung Fleisch oder Fleisch unter Zusatz von Fett, Zucker, St\u00e4rkemehl, Leim u. s. w. dient, weiche Knochen (etwa 60 Grm.) und ebenso nach Abschluss der Reihe, so ist der Fleischkoth zwischen dem leicht erkenntlichen weissen, kr\u00fcmeligen Knockenkotk eingeschlossen und kann genau abgegrenzt werden. Allerdings ist man dadurch nicht im Stande etwas \u00fcber die Menge des an jedem Tage erzeugten Koths auszusagen; da aber dieselbe bei gleicher Nahrung Tag f\u00fcr Tag nahezu die gleiche sein wird, so ist es m\u00f6glich, die t\u00e4gliche Kothausscheidung zu berechnen.\nAdamkiewicz 4 liess den Hund zur genauen Abgrenzung des Koths am Anfang und am Ende jeder Reihe einen kleinen Badeschwamm verschlucken, der dann in den F\u00e4ces an der gew\u00fcnschten Stelle prompt wieder erscheinen soll. Salkowski und J. Munk0 trennten die Kothsorten mit vier kleinen Korkst\u00fcckchen ab, die sie am Abend des letzten Tages einer Versuchsreihe dem Thier gaben ; es w\u00e4re sehr werthvoll, wenn dies m\u00f6glich w\u00e4re, da man dadurch den Koth einzelner Tage zu bestimmen verm\u00f6chte.\nBeim Menschen ist eine sichere Abtrennung des Koths mit gr\u00f6sseren Schwierigkeiten verbunden. J. Ranke6 nahm zu dem Zwecke\n1\tz. B. Hennebekg u. Stohmann, Beitr\u00e4ge. Heft 1. S. 39. 1860 : Ein Ochse schied im Tag durchschnittlich in den Darmexkrementen 44.5 Grm. Stickstoff aus, im Harn nur 28.5 Grm.\n2\tBidder u. Schmidt, Die Verdauungss\u00e4fte und der Stoffwechsel. S. 217. 1852.\n3\tVoit, Physiol.-ehern. Unters. 1857. S. 14. \u2014 Bischoff u. Voit, Die Gesetze d. Ern\u00e4hrung des Fleischfressers. S. 289. 1860.\n4\tAdamkiewicz, Die Natur und der N\u00e4hrwerth des Peptons. S. 82. 1877.\n5\tSalkowski u. Munk, Arch. f. pathol. Anat. LXXVI. S. 125 ; Ztschr. f. physiol. Chemie. IL S.37. 1877; Arch. f. pathol. Anat. LXXX. S.45. 1880. Wenn Tschirwinsky (Ztschr. f. Biologie. XV. S. 117. 1879) damit nicht zurecht gekommen ist, so tr\u00e4gt vielleicht die zu grosse Anzahl der von ihm gegebenen Korkst\u00fcckchen die Schuld.\n6\tRanke, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1862. S. 315.","page":32},{"file":"p0033.txt","language":"de","ocr_de":"Ausscheidung des Stickstoffs im Kotk.\n33\nam Tage vor dem Versuch Preisselbeeren, deren H\u00fclsen an ihrer rothen Farbe den betreffenden Koth erkennen lassen ; dieselben verschieben sich jedoch leicht auf weitere Strecken. Die Sonderung des Koths nach vegetabilischer cellulosehaltiger Nahrung erreichte Weiske \\ indem er vorher und nachher rein animalische, cellulosefreie Nahrung darreichte. Nach den Erfahrungen von Rubner1 2 ben\u00fctzt man beim Menschen am besten Milch zur Trennung des Koths, welche, wenn nicht Diarrh\u00f6en eintreten, einen ganz charakteristischen weissen, ziemlich festen Koth liefert. Den Tag vor dem Versuch l\u00e4sst man 2 Liter Milch trinken, die letzte Portion 16 Stunden vor Beginn des Versuchs; am letzten Versuchstage wird 15 Stunden vor Schluss desselben die letzte Mahlzeit eingenommen, und dann 6 Stunden nach Beendigung der Reihe mit der Aufnahme von 2 Liter Milch begonnen.\nBei dem\u2018Pflanzenfresser, der den ganzen Tag hindurch an seinem Futter zehrt, ist eine derartige Trennung nicht m\u00f6glich, weil bei ihm die Kotksorten nicht so verschieden sind und die neu aufgenommenen Massen die alten nicht vor sich herschieben, sondern eine Vermengung beider stattfindet, ja das in den Blinddarm neu eintretende an dem mit \u00e4lterem Inhalt erf\u00fcllten m\u00e4chtigen wurmf\u00f6rmigen Anhang vor\u00fcber gehen kann. Es bleibt daher beim Pflanzenfresser (Wiederk\u00e4uer, Einhufer) nur \u00fcbrig, die F\u00fctterung mit einem bestimmten Nahrungsmittel so lange (mindestens 5 bis 10 Tage) fortzusetzen, bis sicher ausschliesslich auf sie treffender Koth erscheint und dann erst die eigentliche Versuchsperiode zu beginnen. Man setzt dabei, was mit Recht geschehen kann, voraus, dass sich bei Beginn und am Schluss der Periode gleiche Mengen Koth im Darm befinden. Je l\u00e4nger die Versuchsreihe w\u00e4hrt, desto geringer ist der dadurch begangene Fehler.\nDadurch dass man fr\u00fcher diese Cautelen nicht beachtete, und den auf eine bestimmte Nahrung treffenden Koth nicht kannte, also Koth mit in Betracht zog, der gar nicht zum Versuch geh\u00f6rte, oder dazu geh\u00f6rigen, noch im Darm befindlichen nicht ber\u00fccksichtigte, machte man, namentlich bei Pflanzenfressern, die gr\u00f6ssten Fehler.\nIn dem Koth befindet sich nicht nur das, was von der eingef\u00fchrten Nahrung nicht in die S\u00e4fte aufgenommen worden ist, sondern es sind darin auch die Residuen der Verdauungss\u00e4fte, Schleim und Epithelien des Darms und vielleicht noch aus der Darmoberfl\u00e4che direkt ausgeschiedene Stoffwechselprodukte (Eisen, phosphorsaurer Kalk) enthalten. Es ist schwierig, die Reste der Nahrung von den Stoffen der letzten Kategorie zu trennen, und doch w\u00e4re es vielfach\n1\tWeiske, Ztschr. f. Biologie. YI. S. 458. 1870.\n2\tRubner, Ztschr. f. Biologie. XY. S. 119. 1879. Handbuch der Physiologie. Bd. VI.\n3","page":33},{"file":"p0034.txt","language":"de","ocr_de":"34\nVoit, Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. Wege des Stoffverlustes etc.\nvon Bedeutung; es w\u00e4re speciell f\u00fcr die Kenntniss des Stickstoffverbrauchs im K\u00f6rper wichtig zu wissen, wieviel von dem im Koth enthaltenen Stickstoff als Produkt der Zersetzungen im K\u00f6rper aufzufassen ist und wieviel davon nur unverdauter Antheil der Nahrung ist.\nIch habe durch meine Untersuchungen des Kothes des Fleischfressers Anhaltspunkte f\u00fcr die Beurtheilung dieser Frage gegeben. Die wichtigste Thatsache 1 ist die, dass auch bei v\u00f6lligem Hunger noch ein schwarzer, pechartiger Koth ausgeschieden wird. Bei einem 30 Kilo schweren Hunde betrug die Menge desselben, durch Knochen abgegrenzt, im Tag etwa 1.88 Grm. trocken mit 0.15 Grm. Stickstoff; die 13 Tage lang hungernde, 3 Kilo schwere Katze lieferte im Tag 0.15 Grm. trockenen Koths mit 0.01 Grm. Stickstoff. Das im f\u00f6talen Darm angesammelte Mekonium, welches offenbar die gleiche Quelle hat wie der Hungerkoth, hat auch im- Allgemeinen die gleiche Zusammensetzung, wie der letztere. Bei F\u00fctterung mit reinem Muskelfleisch wird ebenfalls ein pechartiger schwarzer Koth, der sogenannte Fleischkoth, entleert, wiederum von derselben Beschaffenheit wie der Hungerkoth; seine Menge ist durchaus nicht proportional der Menge des verzehrten Fleisches 2, wie es doch sein m\u00fcsste, wenn er wesentlich unverdaute Theile der Nahrung enthielte, denn der trockene Fleischkoth schwankt bei einem Hunde von 35 Kilo Gewicht und einer Zufuhr von 500\u20142500 Grm. reinem Fleisch zwischen 8.5\u201420.9 Grm. mit 0.55\u20141.36 Grm. Stickstoff; im Mittel betr\u00e4gt der trockene Koth nur etwa 3 \u00b0/o der Trockensubstanz des verzehrten Fleisches (mit 1.3% des Stickstoffs des letzteren). Im reinen Fleischkoth finden sich ferner so gut wie keine Nahrungsreste vor, wenn nicht eine abnorm grosse Menge von Fleisch verzehrt worden ist und Diarrh\u00f6en eintreten, keine Muskelfasern, kein Eiweiss, keiner der charakteristischen Stoffe des Fleisches. Man kann daraus wohl schliessen, dass der reine Fleischkoth, wenigstens zum weitaus gr\u00f6ssten Theil aus den Residuen der Verdauungss\u00e4fte besteht und die Menge desselben bei reichlicherer Fleischaufnahme w\u00e4chst, weil dabei mehr Verdauungss\u00e4fte abgesondert werden. Giebt man zum Fleisch Fett hinzu, so findet sich, wachsend mit der Fettgabe, jedoch nicht verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig, Fett im Koth; Zuckerzusatz vermehrt die Beschaffenheit und Menge des Koths nicht, wenn nicht Diarrh\u00f6en erfolgen ; auch St\u00e4rkemehl kann in ziemlicher Quantit\u00e4t dazu gegeben\n1\tVoit, Ztschr. f. Biologie. IL S. 308. I860.\n2\tBischoff u. Voit, Die Gesetze d. Ern\u00e4hrung des Fleischfressers. S. 292. 1860.","page":34},{"file":"p0035.txt","language":"de","ocr_de":"Ausscheidung des Stickstoffs im Koth.\n35\nwerden, bis eine Vermehrung der Kothmenge eintritt und unver\u00e4ndertes St\u00e4rkemehl ausgeschieden wird. In diesen F\u00e4llen \u00fcberwiegen also noch die Reste der Verdauungss\u00e4fte. Bei F\u00fctterung mit Brod oder mit Kartoffeln tritt dagegen ein massiger Koth auf, zum gr\u00f6ssten Theil aus wenig ver\u00e4ndertem Brod oder Kartoffeln bestehend, gegen welche daher die Stoffwechselprodukte verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig zur\u00fccktreten und nur schwer zu bestimmen sind. Bei Hunger und bei F\u00fctterung mit Fleisch oder mit Fleisch unter Zusatz reiner Nahrungsstoffe sind jedoch die beim Fleischfresser im Darm ausgeschiedenen Stoffwechselprodukte und deren Stickstoffgehalt ann\u00e4hernd zu bemessen.\nSchwieriger ist es beim Menschen, hier\u00fcber etwas auszusagen; es ist dies nur dann m\u00f6glich, wenn man reine Nahrungsmittel reicht und den Koth genau abgrenzt, wie es bei den Versuchen von M. Rubner geschehen ist. Bei Zufuhr von Eiern oder von Fleisch wog der im Tag austretende trockene Koth 13 \u201417 Grm. mit 0.6 \u20141.2 Grm. Stickstoff. Es ist wahrscheinlich, dass auch dieser Koth beim Menschen wie beim Hunde gr\u00f6sstentheils aus Ausscheidungen aus dem K\u00f6rper in das Darmrohr besteht, denn als Rubner einem Manne eine nahezu stickstofffreie, aus St\u00e4rkemehl, Zucker und Schmalz bestehende Kost (mit 1.36 Grm. Stickstoff) gab, wurden noch 1.39 Grm. Stickstoff im Koth aufgefunden. Milch, dann die Vegetabilien, namentlich die Gem\u00fcse und das Schwarzbrod, vermehren durch unverdaut bleibendes die Kothquantit\u00e4t, so dass die Produkte des Stoffwechsels relativ nur in geringer Menge zugegen sind.\nDas Unverdaute tritt aber beim Pflanzenfresser, welcher cellulosereiche Futtermittel verzehrt, so gewaltig hervor, dass die Reste der Darms\u00e4fte dagegen fast verschwinden. Es ist wahrscheinlich, dass bei den grossen Pflanzenfressern (Rind und Pferd) diese letzteren Residuen ansehnlich mehr betragen als beim Hund oder Menschen, jedoch besitzt man noch keine genauere Angabe \u00fcber deren Menge. Man kann bei Pflanzenfressern nur schwer die betreffende Ausscheidung beim Hunger oder bei Zufuhr stickstofffreier Stoffe bestimmen, da auch nach l\u00e4ngerem Hunger noch ein betr\u00e4chtlicher Inhalt im Magen und Blinddarm sich findet und es lange Zeit w\u00e4hrt bis durch stickstofffreie Substanzen der Darminhalt ganz verdr\u00e4ngt ist. Wenn ein Hund von 35 Kilo Gewicht bei Erhaltungsfutter 10 Grm. trockenen Koth mit 0.65 Grm. Stickstoff als Stoffwechselprodukt ausscheidet, so tr\u00e4fen dem Gewicht nach auf einen Ochsen von 500 Kilo\n1 Rubner, Ztsckr. f. Biologie. XV. S. 19S. 1S79. \u2014 Parkes (Proceed, of the Royal Soc. 1867. No. 89 u. 94) fand bei stickstofffreier Kost 0.4\u20140.6 Grm. Stickstoff im Koth.\n3*","page":35},{"file":"p0036.txt","language":"de","ocr_de":"36 Voit, Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. Wege des Stoffverlustes etc.\nGewicht 143 Grm. mit 9.3 Grm. Stickstoff, das sind etwa 1.5% des trockenen Futters oder 3\u20144 % des trockenen Kotlis.\nGrouven 1 hatte bei Ochsen die Beobachtung gemacht, dass bei sehr d\u00fcrftigem Flitter (Strohf\u00fctterung) nicht selten der Koth mehr Stickstoff enth\u00e4lt als das Futter. Henneberg & Stohmann1 2 glaubten eine Vorstellung von den bei Ochsen im Koth ausgeschiedenen Stoffwechselprodukten zu gewinnen, indem sie den \u00e4usserst m\u00f6glichen Gehalt desselben an Gallen-bestandtheilen zu ermitteln suchten; zu dem Zweck betrachteten sie das Aether- und Alkoholextrakt des Kothes als Maximum der stickstofffreien Gallenstoffe und erschlossen sie aus dem Stickstoff des w\u00e4ssrigen Auszugs die Menge des vorhandenen Taurins. Andere meinten, den Stickstoff' der im Koth befindlichen Stoffwechselprodukte zu erhalten, wenn sie im Aetlier-und Alkoholextrakt dieses Element bestimmten und sodann aus dem im Wasserextrakt vorhandenen organisch gebundenen Schwefel den dem Taurin entsprechenden Stickstoff berechneten3. Jedoch bekommt man dadurch keinen irgendwie sicheren Aufschluss \u00fcber die Quantit\u00e4t der Produkte des Stoffwechsels im Koth und \u00fcber deren Stickstoffgehalt, denn man ber\u00fccksichtigt dabei nur die Gallenbestandtheile, durch welche doch nicht allein jene Produkte ausgef\u00fchrt werden; die \u00fcbrigen Verdauungss\u00e4fte, welche zum Theil sogar mehr feste Bestandtheile liefern als die Galle, hinterlassen sicherlich ebenfalls ihre Residuen, deren Menge aber unbekannt bleibt. Ja selbst die Zersetzungsprodukte der Gallens\u00e4uren lassen sich dadurch nicht genau erfahren, da sie m\u00f6glicherweise in Aether und Alkohol nicht mehr l\u00f6slich sind, dagegen andere im Darm aus den Nahrungsstoften hervorgegangene stickstoffhaltige Zersetzungsprodukte in Aether und Alkohol l\u00f6slich sein k\u00f6nnen.\nO) In der Perspiration.4\nEine der f\u00fcr die Feststellung des Stoffverbrauchs im Thierk\u00f6rper wichtigsten Fragen ist die, ob der Stickstoff der zersetzten stickstoffhaltigen Substanzen nur im Harn und Koth, oder auch zum Theil durch Haut und Lungen oder vielleicht noch auf anderen Wegen entfernt wird, d. h. ob man aus dem Stickstoffgehalte des auf die angegebene Weise gesammelten Harns und Koths die Stickstoffabgabe vom K\u00f6rper messen kann. Zur Bestimmung des Stickstoffverlustes vom K\u00f6rper muss man selbstverst\u00e4ndlich den abgegebenen Stickstoff vollkommen oder wenigstens so weit erhalten, dass der nicht bestimmte Rest vernachl\u00e4ssigt werden darf; sollte also ausser Harn und Koth noch anderweit Stickstoff in erheblicher Menge den K\u00f6rper\n1\tGrouven. Physiol.-cbem. F\u00fcttenmgsversuche. S. 307. ff. 1864.\n2\tHenneberg u. Stohmann, Beitr\u00e4ge. Heft 2. S. 366. 1864.\n3\tHierher geh\u00f6ren: G. K\u00fchn, Aronstein u. H. Schulze, Journ. f.Landw. 1867. S. 6; Maerckeru. Schulze. Ebenda. 1871. S. 49; Wildt, Landw. Jahrb\u00fccher. 1S77. Jahrg. 6. S. 150; J. K\u00f6nig, Landw. Versuchsstationen. XIII. S. 241; Wolff, Ern\u00e4hrung der landw. Nutzthiere. S. 46. 1876; E. Heiden u. Fr. Voigt, Oesterr. landw. Wochenblatt. 1876. S. 580.\n4\tVoit, Ztschr. f. Biologie. IL S. 6 u. 189.1866, IV. S. 297.1868.","page":36},{"file":"p0037.txt","language":"de","ocr_de":"Ausscheidung des Stickstoffs in der Perspiration.\n37\nverlassen, so ist es nothwendig zur Erreichung des genannten Zweckes auch diesen Stickstoff aufzufangen.\nEs ist in den letzten Decennien hier\u00fcber viel untersucht und gestritten worden; die Sache ist aber jetzt dahin entschieden, dass der weitaus gr\u00f6sste Theil des Stickstoffs, soweit es zur Beantwortung der hierauf bez\u00fcglichen Fragen der Ern\u00e4hrung zu wissen n\u00f6thig ist, im Harn und Koth sich vorfindet.\n1) Wird Stickgas in der Perspiration ausgeschieden?\nDie ersten Untersuchungen in dieser Richtung besch\u00e4ftigten sich damit zu ermitteln, ob der Stickstoff der atmosph\u00e4rischen Luft bei dem Athemprocesse betheiligt ist, Bei der grossen Menge dieses Gases in der atmosph\u00e4rischen Luft schien dies in hohem Grade wahrscheinlich: es h\u00e4tte ja unter Eintritt dieses Stickstoffs stickstoffhaltige K\u00f6rpersubstanz wie in der Pflanze aufgebaut werden k\u00f6nnen. Man hatte aber bald erkannt, dass der Stickstoff der Luft bei der Athmung keineswegs eine solche Rolle spielt wie etwa der Sauerstoff oder die Kohlens\u00e4ure; es blieb aber zweifelhaft, ob derselbe nicht vielleicht doch in geringerem Grade daran Antheil nimmt oder ob nicht Stickgas aus stickstoffhaltigen Bestandteilen des Thieres abgespalten wird.\nLavoisier1 2 gab zuerst bestimmtest an, dass durch das Athmen des Menschen keine merkliche Aenderung des Stickstoffgehaltes der Luft eintrete ; leider kennen wir die von ihm befolgte Methode nicht genau, wir wissen nur, dass alle seine Resultate \u00fcber den Sauerstoffverbrauch unter verschiedenen Einfl\u00fcssen sich durch die neueren Untersuchungen bewahrheitet haben.\nEs h\u00e4tte keinen Vortkeil die Versuche aller der Autoren aufzuz\u00e4hlen, welche sich dem Ausspruch Lavoisier\u2019s anschlossen, sowie derer welche eine Aufnahme von Stickgas in den K\u00f6rper oder eine Abgabe desselben annahmen. Wir k\u00f6nnen wohl nach den jetzigen Erfahrungen mit Sicherheit sagen, dass die Methode aller dieser Versuche nicht genau genug war, um unsere Frage zu entscheiden. Von den fr\u00fcheren ist nur die ber\u00fchmte Arbeit von R\u00e9gnault und Reiset -\u00fcber die Respiration der Thiere zu ber\u00fccksichtigen. Dieselben ben\u00fctzten bekanntlich ein Prinzip und einen Apparat, der bei sorgf\u00e4ltiger Behandlung besser als irgend ein anderer eine Alteration im\n1\tLavoisiee et Seguin, M\u00e9m. cl. l\u2019acad. d. sc. 1789. p. 185. \u2014 Oeuvres de Lavoisier. II. p. GSS. \u2014 Drei Briefe Lavoisier\u2019s an Black vom 19. Nov. 1790 in Report of the British Association, p. 189. Edinburgh 1871.\n2\tR\u00e9gnault u. Reiset, Ann. d. chim. etphys. (3) XXVII. p. 32. 1849; Ann. d. Chem. u. Pharm. LXXIII. S 92. 129. 257. 1850.","page":37},{"file":"p0038.txt","language":"de","ocr_de":"38 Voit. Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. Wege des Stoffverlustes etc.\nStickstoffgehalte der Luft erkennen l\u00e4sst, da die urspr\u00fcngliche Stickstoffmenge im Atkemraum bleibt, die ausgeathmete Kohlens\u00e4ure weggenommen und f\u00fcr den verbrauchten Sauerstoff neuer zugelassen wird; so kann jede Aenderung des Stickstoffs durch das Thier, welches l\u00e4ngere Zeit unter der Glocke zubringt, bemerkbar werden. R\u00e9gnault und Reiset hatten unter normalen Verh\u00e4ltnissen in keinem einzigen Falle eine betr\u00e4chtliche Aenderung des Stickstoffs gefunden und mit Entschiedenheit den gegentheiligen Angaben widersprochen ; sie hatten bald eine geringe Abnahme, bald eine geringe Zunahme des anf\u00e4nglichen Stickstoffgehaltes, also durchaus kein gesetzm\u00e4s-siges Verhalten wahrgenommen, und sie vermieden es weiter gehende Schl\u00fcsse daraus zu ziehen.\nObwohl nach R\u00e9gnault und Reiset der Antheil des Stickgases bei der Respiration sich als ein geringf\u00fcgiger, sehr schwankender und zuf\u00e4lliger ergab, so schlossen doch sp\u00e4ter die Meisten, nachdem man auf andere Weise eine Stickstoffabgabe durch Haut und Lunge gefunden zu haben glaubte, dass jene Versuche eine Abgabe von Stickstoff aus den im K\u00f6rper zersetzten stickstoffhaltigen Stoffen bewiesen.\nWir wissen jetzt, dass solche Versuche zu den schwierigsten geh\u00f6ren, da alle Fehler auf den Stickstoff fallen. Es ist zun\u00e4chst nur bei besonderen Vorsichtsmaassregeln m\u00f6glich bei einem so grossen Apparate. mit den vielen Verbindungsstellen und bei der Luftbewegung durch Saugvorrichtungen die Diffusion und das Eindringen des Stickstoffs der atmosph\u00e4rischen Luft vollst\u00e4ndig abzusehliessen ; die Versuche von H\u00fcfner *, bei denen es sich um ungleich einfachere Apparate handelt, haben diese Schwierigkeit besonders deutlich illustrirt. Es gelingt ferner nicht, \u00fcber 100 Liter ganz reinen Sauerstoffgases herzustellen und zu einem l\u00e4ngeren Versuche aufzubewahren; aller Stickstoff desselben, der in einer kleinen Probe kaum erkennbar ist, sammelt sich aber nach und nach in dem Athem-raum an ; Scheremetjewski 2 giebt an, dass Sauerstoffgas, das in einer mit einem vorz\u00fcglich gearbeiteten und \u00fcberall unter Wasser stehenden Messinghahn verschlossenen Flasche sich befand, nach einigen Wochen viel Stickstoff enthielt, weshalb es noting ist an jedem Versuchstage eine Probe des Gasvorraths zu analysiren. Ich behaupte nicht, dass die von R\u00e9gnault\n1\tH\u00fcfner. Journ. f. pract. Cliem. (2) XVIII. S. 292. Derselbe hatte bei Einwirkung von Pankreasferment auf Fibrin in anscheinend hermetisch verschlossenen B\u00e4umen das Vorkommen von Stickgas constatirt (Journ. f. pract. Chemie. X. S. 1. 1874. XI. S. 43. 1875) und es schien, als ob dasselbe aus den stickstoffhaltigen organischen Substanzen sich entwickelt h\u00e4tte. Bei erneuter Untersuchung fand er&anfangs stets wieder das Stickgas ; zuletzt stellte sich aber heraus, dass dieses Gas nur ein Eindringling von aussen ist, herzugelassen durch die Unsicherheit und Unzuverl\u00e4ssigkeit der ben\u00fctzten, wenngleich sehr dicken Kautschukverbindungen. Seitdem Ludwig gewisse Kautschukverbindungen an der Quecksilberpumpe vermeidet. wird ein excessiver Gehalt an Stickstoff im Blut nie mehr beobachtet.\n2\tScheremetjewski, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. W iss. 1868. S. 154.","page":38},{"file":"p0039.txt","language":"de","ocr_de":"Ausscheidung des Stickstoffs in der Perspiration.\n39\nund Reiset gefundene Zunahme und Abnahme des Stickstoffgehaltes ganz auf solchen unvermeidlichen Fehlern beruht, aber kleine Differenzen in der Menge des Stickstoffs ergeben sich mit Noth wendigkeit aus der Anordnung des Versuchs, und es wird nach der ganzen Anlage desselben h\u00e4ufiger ein Eindringen als ein Heraustreten dieses Gases stattfinden m\u00fcssen.\nDass namentlich bei derartigen f\u00fcr gr\u00f6ssere Thiere gebauten Apparaten solche Ereignisse eintreten und in letzteren oder in der Methode irgendwo eine betr\u00e4chtliche und nicht constante Fehlerquelle sich findet, beweisen schlagend die sp\u00e4teren Versuche von J. Reiset 1 \u00fcber die Respiration von landwirtschaftlichen Haustieren, bei welchen im Versuche Nr. III ein Schaf, das bedeutenden Meteorismus bekam, in 14 Stunden 42 Grm. (33 Liter) Stickgas ausgeschieden haben soll, ansehnlich mehr als in dieser Zeit im Harn und Koth sowie im Futter enthalten ist1 2 3 4 5.\nBei Gelegenheit von neueren Respirationsversuchen an kleinen Thieren, welche mit allen Hilfsmitteln aufs Sorgf\u00e4ltigste angestellt wurden, hat man die Frage nach einer Aenderung des Stickstoffs unentschieden lassen m\u00fcssen, da man nicht im Stande war, mit Sicherheit eine Aufnahme oder Abgabe desselben nachzuweisen. So beobachtete Sanders-Ezn 3 bei Kaninchen in 36 Beobachtungen 24, die auf eine vollkommene Gleichg\u00fcltigkeit dieses Gases schliessen lassen, und acht, welche auf eine Absorption desselben hindeuten; Scheremetjewski4 fand in 17 F\u00e4llen 12 negative und 5 positive Werthe f\u00fcr den Stickstoff, die er nicht aus Fehlern der Versuchsanordnung ableiten konnte. Im Laboratorium Pfl\u00fcger\u2019s hatte H. Schulz 5 bei Fr\u00f6schen mittelst eines kleinen modificirten R\u00e9gnault -sehen Apparates eine scheinbare Stickstoffexhalation bemerkt; G. Cola-santi6 7 8, der bei Meerschweinchen innerhalb 3 \u2014 6 Stunden keine Aenderung in dem Stickstoffgehalt des Athemraumes nachweisen konnte, spricht sich dahin aus, dass h\u00f6chst wahrscheinlich die Vermehrung des Stickstoffs auf einem Beobachtungsfehler beruhe. Auch nach Speck 7 verh\u00e4lt sich der Stickstoff bei der Respiration des Menschen ganz indifferent. Es w\u00e4re sehr wichtig, nochmals Versuche in dieser Richtung anzustellen, bei \u2022 denen auf alle Fehlerquellen R\u00fccksicht genommen ist und die Genauigkeit der Anzeigen des Apparates durch Verbrennen von Stearinkerzen im Respirationsraume gepr\u00fcft ist, ob nicht dabei ebenfalls bald ein Zuwachs, bald ein Verlust von Stickstoff in demselben erhalten wird. R\u00e9gnault 8 wehrt sich sehr mit Unrecht gegen ein solches Verfahren, das er ein barbarisches nennt, weil beim Brennen der Kerze nicht nur Kohlens\u00e4ure und Wasser, sondern auch andere unvollst\u00e4ndig verbrannte Gase auftreten ; dies hindert aber doch nicht die verlangte Contr\u00f4le, da ja die Thiere ebenfalls neben Kohlens\u00e4ure und Wasser solche Gase entwickeln.\n1\tReiset, Ann. d. chim. et phys. (3) LXIX. p. 129. 1863; Compt. rend. LVI. p. 740. 1863. Dabei fand er bei Hammeln f\u00fcr den Tag 4.00\u201412.94 Grm., bei K\u00e4lbern 6.7 Grm. Stickstoff.\n2\tSiehe hier\u00fcber: Pettenkofer, Ztschr. f. Biologie. I. S. 38. 1865.\n3\tSanders-Ezn, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1867. S. 77.\n4\tScheremetjewski, Ebenda. 1868. S. 158.\n5\tSchulz, Arch. f. d. ges. Physiol. XIV. S. 84. 1877.\n6\tColasanti, Ebenda. XIV. S. 95. 1877.\n7\tSpeck, Arch. f. exper. Pathol, u. Pharmakol. XII. S. 1. 1879.\n8\tR\u00e9gnault bei Seegen, Sitzgsber. d. Wiener Acad. 1871. 2. Abth. S. 29.","page":39},{"file":"p0040.txt","language":"de","ocr_de":"40 Voit, Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. Wege des Stoffverlustes etc.\nDie Respirationsversuche von Seegen & Nowak 1 f\u00fcllen diese L\u00fccke nicht aus ; die Fehler ihrer Methode liegen so deutlich vor, dass man ihre Resultate ohne Weiteres f\u00fcr unrichtig erkl\u00e4ren kann 1 2. Sie haben grosse Mengen von Sauerstoff f\u00fcr die bis zu 110 Stunden w\u00e4hrende Athmung noting; derselbe wird in einem mit Wasser gef\u00fcllten, mit einer Oelschicht abgesperrten Gasometer, Tage lang auf bewahrt. Abgesehen .davon, dass es sehr schwierig ist, so bedeutende Massen von Sauerstoffgas frei von Stickstoff herzustellen, l\u00e4sst es sich zeigen, dass eine Oelschicht die Diffusion der Gase von dem Wasser nach der Luft im Gasometer durchaus nicht hindert, und dass Stickgas in die letztere \u00dcbertritt; enth\u00e4lt der Sauerstoff nur 0.44 \u00b0/o Stickstoff, so gen\u00fcgt dies, die beobachtete Stickstoffvermehrung zu decken. Der Sauerstoff darf zu solchen Versuchen nicht, wie es Seegen & Nowak getlian haben, aus chlorsaurem Kali mit Braunstein bereitet werden; er kann dann Stickstoff aus salpetersauren Salzen oder aus stickstoffhaltigen organischen Substanzen einschliessen. Das aus chlorsaurem Kali und Braunstein hergestellte Sauerstoffgas enth\u00e4lt Chlor und ein Jodkalium zerlegendes Gas, woher wahrscheinlich die von Seegen & Nowak an den Thieren beobachteten Krankheitserscheinungen kommen. Die Thiere lassen w\u00e4hrend des mehrt\u00e4gigen Versuchs Harn und Kotli in den K\u00e4fig und beschmutzen sich ; aus dem in ammo-niakalische G\u00e4hrung \u00fcbergegangenen Harn entwickelt sich Ammoniak, aus welchem beim Leiten \u00fcber gl\u00fchendes Kupferoxyd Stickstoff entbunden wird. W\u00e4hrend R\u00e9gnault und Reiset zur Erzielung einer gleichm\u00e4ssigen Temperatur im ganzen Atliemraum den Kasten unter Wasser versenken, maassen Seegen & Nowak die Temperatur des in der Luft befindlichen bis zu 310 Liter fassenden Versuchsraumes mit einem einzigen Thermometer ; es ist aber ganz unm\u00f6glich, dass dieselbe an allen Theilen des Raumes, sowie in den 17.33 Liter Luft einschliessenden Nebenapparaten, in denen die Luft sogar \u00fcber gl\u00fchendes Kupferoxyd geleitet wird, die gleiche ist ; eine Differenz von wenigen Graden vermag schon den ganzen Stickstoffuberschuss zu erkl\u00e4ren. Die Versuche von Seegen & Nowak stehen in Widerspruch mit denen von R\u00e9gnault und Reiset, welche bald eine geringe Zunahme, bald eine Abnahme des Stickstoffs in regellosen Schwankungen gefunden haben, w\u00e4hrend erstere stets eine betr\u00e4chtliche Vermehrung desselben erhielten.\nIch bin jedoch \u00fcberzeugt, dass auch die genauesten Versuche manchmal eine Abgabe, manchmal eine Aufnahme von Stickstoff in geringen Mengen ergeben werden und ergeben m\u00fcssen. Der abgegebene Stickstoff r\u00fchrt aber wie der aufgenommene von der atmosph\u00e4rischen Luft her; das Stickgas derselben tritt durch Diffusion in den K\u00f6rper ein, aus dem es, ohne eine chemische Ver\u00e4nderung erfahren zu haben, wieder entlassen wird.3 Das Thier bringt nicht unbetr\u00e4chtliche Mengen von Stickgas in den Athemraum mit. In\n1\tSeegen u. Nowak. Ebenda. 3. Abtli. LXXI. Aprilheft 1875 ; Arch. f. d. ges. Physiol. XIX. S. 347.1879.\n2\tPettenkofer u. Voit, Ztschr. f. Biologie. XVI. 1880.\n3\tVoit, Ztschr. f. Biologie. II. S. 198. 1860.","page":40},{"file":"p0041.txt","language":"de","ocr_de":"Ausscheidung des Stickstoffs in der Perspiration.\n41\nallen S\u00e4ften ist Stickgas absorbirt. Im Dannkanal befindet sich, von der verschluckten Luft herr\u00fchrend, Stickgas; der gekaute Bissen ist ganz mit Luftbl\u00e4schen durchsetzt, und es sammelt sich aus ihnen im Magen ein Gasgemenge an, urspr\u00fcnglich von der Zusammensetzung der atmosph\u00e4rischen Luft, aus dem aber der Sauerstoff und der Stickstoff nach und nach verschwinden. Auch in der festen und fl\u00fcssigen Nahrung wird Stickgas eingef\u00fchrt. In betr\u00e4chtlicher Menge findet sich dieses Gas in der Lunge und den Athemwegen des Thieres, in dem \u00e4usseren Geh\u00f6rgang, an der Oberfl\u00e4che des K\u00f6rpers zwischen den Haaren und Federn, bei V\u00f6geln in den lufthaltigen Knochen u. s. w. Aller dieser Stickstoff vermehrt unter Umst\u00e4nden den Stickstoff des Athemraumes, oder es geht in anderen F\u00e4llen, wenn z. B. in dem Harn absorbirtes Stickgas bei der Entleerung desselben abgegeben worden ist, Stickgas aus dem Athemraum in den K\u00f6rper \u00fcber. Darum fanden auch die beiden franz\u00f6sischen Forscher bei dem ganzen Vorg\u00e4nge nicht die mindeste Gesetzm\u00e4ssigkeit auf.\nAndere Gase sind im Stande den im K\u00f6rper in der angegebenen Weise befindlichen Stickstoff auszutreiben. Dies ist der Fall, wenn sich im Thiere mehr Kohlens\u00e4ure ansammelt, wie es bei den meisten Respirationsversuchen, wo die Kohlens\u00e4ure im Athemraum in gr\u00f6sserer Menge als normal vorhanden ist, stattfindet. Darum haben schon Allen und Pepys beobachtet, dass Meerschweinchen, welche eine Luft aus 1 Theil Sauerstoff und 4 Theilen Wasserstoff athmeten, eine Stickstoffmenge ausschieden, die das Volumen des Thieres sechsmal \u00fcbertraf; in gleicher Weise sahen R\u00e9gnault und Reiset bei einem Kaninchen, das in eine Luft gesetzt wurde, in welcher der Stickstoff durch Wasserstoff ersetzt war, in 24 Stunden eine Stickstoffausscheidung von 1.25 Grm., w\u00e4hrend Kaninchen f\u00fcr gew\u00f6hnlich nur 0.125\u20140.269 Grm. Stickgas in dieser Zeit lieferten; ein Hund gab unter den angegebenen Umst\u00e4nden 0.45 Grm. Stickstoff ab, gegen\u00fcber einer normalen Ausscheidung von 0.105 Grm. Es fand sich ferner bei Reiset\u2019s Pflanzenfressern die h\u00f6chste Stickstoffansammlung im Athemraum, wenn im Darmkanal w\u00e4hrend der Verdauung Grubengas, Wasserstoff und Kohlens\u00e4ure sich entwickelten; die Menge des Stickstoffs stieg und fiel mit der Menge des Grubengases. P. Bert erhielt unter den Blutgasen, wenn er nach vorausgehendem h\u00f6heren Druck einen niederen gab, 70\u201490 Vol. \u00b0/o Stickstoff.\nHier ist nicht zu verkennen, dass das Wasserstoffgas oder das Grubengas oder die Kohlens\u00e4ure oder der niedere Druck den im K\u00f6rper befindlichen, aus der atmosph\u00e4rischen Luft stammenden Stickstoff verjagt, und wenn dabei so grosse Mengen frei werden k\u00f6nnen,","page":41},{"file":"p0042.txt","language":"de","ocr_de":"42\nVoit, Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. Wege des Stoffverlustes etc.\ndaun muss wolil die gew\u00f6hnliche Abscheidung' oder Aufnahme einer viel kleineren Menge von Stickstoff auf dem gleichen Vorg\u00e4nge beruhen.\nAuch wenn durch die besten Hilfsmittel eine Abgabe von Stickgas vom Thier sicher gestellt w\u00e4re, so w\u00e4re damit doch noch nicht bewiesen, dass dasselbe aus den stickstoffhaltigen Substanzen des Organismus abgetrennt worden ist. Es m\u00fcsste dann immer noch gepr\u00fcft werden, und zwar vor Allem durch die Untersuchung der Stickstoffabgabe auf anderen Wegen, wie weit derselbe, ob ganz oder nur theilweise, von einem Wechsel des Stickstoffs der atmosph\u00e4rischen Luft herr\u00fchrt, welcher Wechsel unter gewissen Umst\u00e4nden stattfinden muss. Somit sind also die Respirationsversuche nur im Stande die Gr\u00f6sse der Abscheidung gasf\u00f6rmigen Stickstoffs, aber nicht ihren Ursprung darzuthun. Wir kennen \u00fcbrigens bis jetzt keine einzige Thatsache, die eine Bildung von Stickgas aus den stickstoffhaltigen Bestandtheilen h\u00f6herer Thiere bei den in ihnen vorkommenden Oxydationsprocessen wahrscheinlich macht ; selbst im Darmkanal tritt nach den Untersuchungen der Darmgase von Planer 1 und R\u00fcge 1 2 3 4 kein Stickgas auf, und H\u00fcfner 3 hat, wie gesagt, nachgewiesen, dass das von Kunkel 4 und ihm fr\u00fcher bei k\u00fcnstlicher Pankreasverdauung mit Ausschluss von niederen Pilzen erhaltene Stickgas aus der Luft eingedrungen ist. Dagegen wird angegeben, dass pflanzliche Organismen w\u00e4hrend ihres Lebens freies Stickgas als Produkt des Stoffwechsels ausathmen 5.\n2) Stickstoffdeficit im Harn und Kotk.\nSchon vor dem Erscheinen der R\u00e9gnault - REiSET\u2019schen Arbeit hatte man die Frage nach den Ausscheidungswegen der stickstoffhaltigen Zersetzungsprodukte auf eine andere Weise zu beantworten gesucht; man bestimmte n\u00e4mlich in kurzen Versuchsreihen, wieviel von der bekannten Stickstoffmenge der Nahrung im Harn und Koth wieder aufzufinden ist, um daraus den Stickstoffantheil, der den K\u00f6rper m\u00f6glicherweise durch Haut und Lungen verl\u00e4sst, zu berechnen, Es geh\u00f6ren hierher die schon vorher erw\u00e4hnten Versuche von Boussingault 6 am Pferd, der Kuh, dem Schwein und der Taube,\n1\tPlaner, Sitzgsber. d. V iener Acad. XLII. S. 307. 1861.\n2\tR\u00fcge, Ebenda. XLIY. S. 739.\t^\t__\n3\tH\u00fcfner. Journ. f. pract. Chem. X. S. 1. Hi4, XI. &. 43. IS<5, XAIII. S. _0_.\n4\tKunkel, W\u00fcrzburger Verh. N. F. VIII. S. 134.\n5\tDraper, Ann. d. cbim. etpbys. (3) XI. p. 226. H. T. Brown, Ber. d. dtscb.\ncbem. Ges. 1872. S. 4S4.\n6 Boussingault, Ann. d. cbim. etpbys. 1844, (3) XIV. p. 443 u. 451. 1845.\nLXI. p. 113 u. 128. 1839. (3) XI. p. 433.","page":42},{"file":"p0043.txt","language":"de","ocr_de":"Stickstoffdeficit im Harn und Koth.\n43\nvon Sacc 1 an H\u00fcbnern, von Valentin1 2 am Pferd, von Rigg3 4 5 6 und Barral 4 am Menschen.\nDieselben stimmen s\u00e4mmtlich darin \u00fcberein, dass ein grosser Theil des von den Thieren im Futter verzehrten Stickstoffs nicht im Harn und Koth zu finden ist, welchen sie einfach durch die Perspiration Weggehen Hessen. Dieser Antheil betrug bei Boussingault\u2019s Versuchen 13 \u2014 55 \u00b0/o, bei denen von Sacc 59 %, von Valentin 17%, von Rigg 49% und von Barral 40\u201452%.\nMan nannte dies das Stickstoffdeficit und hielt durch dasselbe den Abgang von Stickstoff im Athem f\u00fcr erwiesen und zwar in Uebereinstimmung mit den Resultaten von R\u00e9gnault und Reiset, ohne zu bedenken, dass letztere auch eine Aufnahme von Stickstoff und bei einer Abgabe nicht entfernt so hohe Werfhe aufgefunden hatten.\nLehmann 5 kam f\u00fcr den Menschen zu einem mit dem Barral-schen nicht sehr \u00fcbereinstimmenden Ergebnisse, indem er nach Verzehrung von 32 St\u00fcck gekochten H\u00fchnereiern mit 30.16 Grm. Stickstoff im Laufe von 24 Stunden 25.6 Grm., also 85%, allein im Harnstoff des Harns ausschied.\nDie ersten sorgf\u00e4ltigeren Versuchsreihen haben Bidder und Schmidt 6 an Fleischfressern angestellt und zwar vier an Katzen und drei an Hunden; sie erhielten dabei in zwei F\u00e4llen an Katzen bei reichlicher und l\u00e4ngerer F\u00fctterung mit reinem Muskelfleisch nur ein Stickstoffdeficit von 2\u20143% im Harn und Koth. Sie waren dadurch \u00fcberzeugt, dass der weitaus gr\u00f6sste Theil des Stickstoffs der im K\u00f6rper zersetzten Stoffe im Harn und Koth entfernt werde, und betrachteten daher jeden Abgang von Stickstoff als Ansatz stickstoffhaltiger Substanz am K\u00f6rper und jedes Plus als Verlust desselben; sie f\u00fchlten sich ausserdem damit ganz in Uebereinstimmung mit den direkten Bestimmungen von R\u00e9gnault und Reiset.\nEin Jahr nach dem Erscheinen des BiDDEE-ScHMiDT\u2019schen Werkes hatte Bischoff 7 die von Liebig erfundene einfache Methode der Bestimmung des Harnstoffs zu umfassenden Versuchen an zwei Hunden benutzt. Dabei ergab sich constant, wie bei den fr\u00fcheren Ver-\n1\tSacc, Neue Denkschriften d. allg. Schweiz. Ges. f. d. ges. Naturwiss. VIL S. 7.\n1845.\n2\tValentin, 'Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. I. S. 396. 1842.\n3\tRigg, Medical Times. 1842. p. 278.\n4\tBarral, Ann. d. chiru. et phys. (3) XXV. p. 129. 1849. \u2014 Chossat hatte fr\u00fcher angegeben, dass beim Menschen der Stickstoff der genossenen Nahrung im Harn (bis auf 9%) erscheint (Magendie\u2019s Journ. V. p. 65).\n5\tLEHMaNN, Journ. f. pract. Chem. XXVII. S. 257. 1842.\n6\tBidder u. Schmidt, Die Verdauungss\u00e4fte und der Stoffwechsel. S. 333 u. 339.\n1852.\n7\tBisch\u00f6fe, Der Harnstoff als Maass des Stoffwechsels. 1853.","page":43},{"file":"p0044.txt","language":"de","ocr_de":"44\nVoit, Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. Wege des Stoffverlustes etc.\nsuchen von Boussingault , dass ein ansehnlicher Theil des Stickstoffs des Flitters (im Mittel 30%) im Harn und Koth fehlt. Auch F. Hoppe - Seyler 1 hatte bei siebent\u00e4giger F\u00fctterung eines Hundes ein Deficit von 15% erhalten. Damit war es selbstverst\u00e4ndlich unm\u00f6glich, den Stickstoffverbrauch im K\u00f6rper aus der Stickstoffausscheidung im Harn und Koth zu entnehmen.\nIch 1 2 habe nun bei zwei Hunden, welche ich mit grossen Mengen sorgf\u00e4ltig gereinigten Fleisches f\u00fctterte und bei denen ich den Harn direkt auffing und den Koth abgrenzte, in 5 Versuchsreihen ganz das gleiche Resultat erhalten wie vorher Bidder und Schmidt: die h\u00f6chst bedeutende Menge des im Fleisch eingef\u00fchrten Stickstoffs konnte bis auf 0.1\u20142% im Harn und Koth wieder aufgefunden werden. Ich hatte mir klar gemacht, dass man fr\u00fcher bei Versuchen der Art in manchen St\u00fccken unrichtig, in anderen nicht genau genug verfahren war. Man muss alle die Cautelen einhalten, die ich vorher schon bei Betrachtung der Methoden angegeben habe : man muss namentlich eine Nahrung geben, welche leicht in gleichm\u00e4ssiger und bekannter Zusammensetzung herzustellen ist, der auf diese Nahrung treffende Harn muss vollst\u00e4ndig direkt aufgefangen und der Koth abgegrenzt werden.\nEs kann selbstverst\u00e4ndlich nur unter gewissen Voraussetzungen ebensoviel Stickstoff im Harn und Koth enthalten sein als in den Einnahmen eingef\u00fchrt worden ist, n\u00e4mlich nur dann, wenn der Organismus mit der Stickstoffmenge der letzteren eben zureicht, und davon nichts ansetzt oder nichts von sich abgiebt. Dies l\u00e4sst sich beim Fleischfresser leicht durch grosse Gaben reinen Fleischs erreichen ; Zusatz stickstofffreier Stoffe zu mittleren Fleischmengen bewirkt h\u00e4ufig einen langw\u00e4hrenden Ansatz von Stickstoff am K\u00f6rper, also ein scheinbares Deficit.\nBei Ber\u00fccksichtigung aller dieser Cautelen findet man unter den genannten Voraussetzungen beim Hund in Versuchsreihen von langer Dauer Tag f\u00fcr Tag ebensoviel Stickstoff im Harn und Koth als im\nverzehrten reinen Muskelfleisch enthalten ist. Dieser Zustand .wird\n\u00bb\ndas Stickstoffgleichgewicht genannt.\nBeweise daf\u00fcr finden sich unter den zahlreichen Versuchen von Bischoff und mir3 und in den von mir4 allein ausgef\u00fchrten sp\u00e4teren Reihen:\n1\tHoppe-Seyler, Arch. f. pathol. Anat. X. S. 144. 1856.\n2\tVoit, Physiol.-ehern. Unters. 1857.\n3\tBischoff u. Voit, Die Gesetze der Ern\u00e4hrung des Fleischiressers. 1860.\n4\tVoit, Ztschr. f. Biologie. II. S. 25. 1866.","page":44},{"file":"p0045.txt","language":"de","ocr_de":"Stickstoffdeficit im Harn und Koth.\n45\n1.\tin 49 Tagen in 73500 Grm. Fleisch = 2499.0 Grm. Stickstoff\n|im Harn................=\t2495.0\t\u201e\t\u201e\n\\im Koth................=\t30.6\t\u201e\nSumma = 2525.6 Grm. Stickstoff' Differenz =-(-26.6\t\u201e = 1.0%\n2.\tin 23 Tagen in 34500 Grm. Fleisch = 1173.0 Grm. Stickstoff\njim Harn................=\t1163.5\t..\t\u201e\nlim Koth ....\t. =\t13.4\t\u201e_______\u201e_______\nSumma = 1176.9 Grm. Stickstoff Differenz = + 3.9\t\u201e =0.3%\n3.\tin 5S Tagen in 29000 Grm. Fleisch = 986.0 Grm. Stickstoff\n(mit 11600 Grm. Fett)\nJim Harn................=\t943.7\t\u201e\nJim Koth................=\t39.1\t\u201e\t\u201e\nSumma = 9S2.8 Grm. Stickstoff Differenz = \u20143.2 = 0.3%.\nEin mit allen Hilfsmitteln aufs Genaueste ausgef\u00fchrter Versuch der Art ist mit dem gleichen Resultate von M. Gruber1 angestellt worden. Er gab einem Hunde w\u00e4hrend 17 Tagen in reinem Fleisch 368.53 Grm. Stickstoff (nach Dumas bestimmt) und erhielt im Harn und Koth 368.28 Grm. wieder.\nIch habe gezeigt, dass f\u00fcr alle Hunde, welche i\u00e7h in dieser Richtung untersucht habe, unter den verschiedensten Verh\u00e4ltnissen das Gleiche gilt, was sp\u00e4ter von vielen Anderen best\u00e4tigt wurde2.\nAber nicht nur f\u00fcr Katzen und Hunde wurde der genannte Satz dargethan, sondern auch f\u00fcr andere Organismen, nachdem einmal die richtigen Prinzipien der Untersuchung erkannt waren.\nJ. Ranke 3 hat auf die Aufforderung von Bischoff und mir die beim Hunde festgestellten Grunds\u00e4tze der Untersuchung auf den Menschen angewandt. W\u00e4hrend vorher Barral 50% des Stickstoffs der Nahrung im Harn und Koth nicht erhielt, fand Ranke denselben in drei Reihen bis auf 0.1\u20144% wieder auf. Sp\u00e4ter haben Pettenko-fer und ich4 das gleiche f\u00fcr den Menschen bei mittlerer Kost best\u00e4tigt ; es ergaben sich dabei Schwankungen im positiven und negativen Sinn bis zu h\u00f6chstens 2.5%. Bei genauer Ber\u00fccksichtigung der Kost gelang es dann auch Anderen 5 das Stickstoffgleichgewicht beim Menschen herzustellen.\n1\tM. Gruber, Ztsckr. f. Biologie. XVI. S. 367. 1880.\n2\tDie gegentheiligen Angaben von Seegen (Sitzgsber. d. Wiener Acad. LY. 1867) beruhen auf Versuchsfeldern ; siehe Voit, Ztschr. f. Biologie. IY. S. 297. 1868 u. M. Gruber, Ebenda. XYI. S. 367. 1880.\n3\tRanke, Arch. f. Anat. n. Physiol. 1862. S. 311.\n4\tPettenkofer u. Voit, Ztschr. f. Biologie. II. 1866, die f\u00fcnf Versuche S. 4S8 bis 500.\n5\tSie wert, Ztschr. f. d. ges. Naturwiss. XXXI. S. 458. \u2014 Boeck, Ztschr. f. Biologie. Y. S. 402. 1869. \u2014 Rubner, Ebenda. XY. S. 124 u. 127. 1879.","page":45},{"file":"p0046.txt","language":"de","ocr_de":"46\nVoit, Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. AY ege des Stoffverlustes etc.\nWeitere Untersuchungen der Art wurden an pflanzenfressenden S\u00e4ugethieren, vorz\u00fcglich an Wiederk\u00e4uern, gemacht; obwohl diese Thiere nach dem vorher Gesagten ganz besondere Schwierigkeiten, namentlich der Aufsammlung des Harns, entgegenstellen, so wurde doch alsbald erkannt, dass die Angaben von Boussingault nicht richtig sein k\u00f6nnen. Henneberg und Stohmann 1 fanden in m\u00fchevollen und exakten Versuchen, bei denen die Beobachtungsfehler der t\u00e4glichen Stickstoffbestimmung (\u00b1 5\u201410 Grm.) festgestellt waren, an Ochsen, dass auch bei diesen Thieren bei Erhaltungsfutter der Stickstoff nahezu vollst\u00e4ndig (\u00b1 1.8\u2014'7.2%) im Harn und Koth erscheint und also der Stickstoff innerhalb gewisser und enger Grenzen keinen andern Ausgang hat als in den beiden letzteren Exkreten; sp\u00e4ter bekam Henneberg2 unter gleichen Umst\u00e4nden nur Differenzen von 0.4\u20143.7%. Auch Grouven3 und dann G. K\u00fchn4, sowie M. Fleischer5 erhielten beim Ochsen und der Milchkuh das n\u00e4mliche Resultat. Ich 6 habe ebenfalls bei einer milchenden Kuh, welche mit einem seit l\u00e4ngerer Zeit verzehrten Futter im Beharrungszustande sich befand, in sechs Tagen in der Milch, dem direkt aufgefangenen Harn und Koth ebensoviel Stickstoff erhalten (bis auf 1.1%) als im Futter verzehrt worden war.\nVersuche an Schafen von E. Schulze und M. Maercker 7 und von Henneberg s thaten die gleiche Thatsache dar und zeigten die vollst\u00e4ndige Unrichtigkeit der Angaben von Reiset 9, nach denen H\u00e4m-mel 52% des Stickstoffs in der Perspiration verlieren sollten.\n1\tHenneberg u. Stohmann, Beitr\u00e4ge zur Begr\u00fcndung einer rationellen F\u00fctterung der Wiederk\u00e4uer. 1860. Heft 1,1864. Heft 2.\n2\tHenneberg, Neue Beitr\u00e4ge zur Begr\u00fcndung einer rationellen F\u00fctterung der Wiederk\u00e4uer. 1871. Heft 1. S. 380.\n3\tGrouven, Physiol.-chem. F\u00fctterungsversuche. 2. Ber. b. 121. 1864.\n4\tK\u00fchn, Landw. Versuchsstationen. X. S. 418. 1868, XII. S. 443. 1869.\n5\tFleischer, Arch. f. path. Anat. LI. 1870.\n6\tVoit, Ztschr. f. Biologie. V. S. 122. 1869. Ich erhielt in 6 Tagen:\nin 78.960 Kilo Heu = 1089.65 Grm. Stickstoff\nin 14.718\t\u201e\tMehl\t=\t359.12\t\u201e_______\u201e________\nEinnahme = 1448.77 Grm. Stickstoff in 130.774 Liter Harn = 562.35 Grm. Stickstoff in 57.295\t\u201e\tMilch\t=\t293.08\t\u201e\nin 181.132 Kilo\tKoth\t==\t575.71\t\u201e_______\u201e________\nAusgabe = 1431.14 Grm. Stickstoff\n7\tSchulze u. Maercker. Journ. f.Landw. V. S. 1. 202. 284.347. 1870; Sitzgsber.\nWiener Acad. I. S. 435. 1869.\t\u201e\n8 Henneberg, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1869. Xo. Id. S. 225.\n9 Beiset, Compt. rend. LAT. p. 569. 1863. Nach ihm hatten 2 Hammel in\n168 Tagen ergeben:\nStickstoff im Futter .\t.\t.\t<368\nim Harn und Koth 4295\nGrm.\nRp.i 942\nDifferenz\nGrm. Ansatz\n3073 Grm. = 42%\n2130\t..\t= 28 \u00b0/o","page":46},{"file":"p0047.txt","language":"de","ocr_de":"Stickstoffdeficit im Harn und Koth.\n47\nF\u00fcr die Ziege konnte Stohmann 1 das N\u00e4mliche erweisen ; nur bei sehr eiweissreichem Futter glaubte er eine Zeit lang ein Deficit annehmen zu m\u00fcssen, erneute Untersuchungen ergaben aber Fehler in seinen fr\u00fcheren Bestimmungen, hervorgerufen durch mangelhafte Aufsammlung des Harns. Auch die von E. Wolff* 1 2 in Hohenheim an Pferden ausgef\u00fchrten Untersuchungen lassen dasselbe Verhalten f\u00fcr dieses Thier erschlossen.\nEin sehr bedeutender Theil des Stickstoffs der Nahrung fehlte nach den fr\u00fcheren Angaben in den Exkrementen der V\u00f6gel, bis zu 35\u201459% bei Tauben und H\u00fchnern. Ich 3 habe eine ausgewachsene Taube, deren Exkremente auf einer grossen Glasplatte auf die fr\u00fcher angegebene Weise ganz rein und ohne Verlust gesammelt wurden, w\u00e4hrend 124 Tagen aus einem grossen Vorrath von Erbsen, deren Stickstoffgehalt durch Proben festgestellt war, gef\u00fcttert. In den verzehrten 3642.7 Grm. Erbsen befanden sich 149.4 Grm. Stickstoff d. i. etwa zehnmal mehr als der Gesammtstickstoff des Thieres, in den 976 Grm. trockener Exkremente waren dagegen 145.9 Grm. Stickstoff; es fehlten also nur 2.3% des Stickstoffs, wobei noch zu bedenken ist, dass das Gewicht der Taube, gleich im Anf\u00e4nge der F\u00fctterung um 70 Grm. zunahm, welche bei Annahme eines Ansatzes von Fleisch 2.4 Grm. Stickstoff enthalten h\u00e4tten. Bei seinen Stoffwechselversuchen an H\u00fchnern hat Meissner4 5 constatirt, dass auch bei diesen ein irgend erhebliches Stickstoffdeficit nicht existirt.\nAuch f\u00fcr wirbellose Thiere, n\u00e4mlich f\u00fcr die Seidenraupen, wurde von Peligot 5 das n\u00e4mliche Gesetz festgestellt. Er untersuchte den Stickstoffgehalt einer Anzahl eben aus den Eiern ausgeschl\u00fcpfter Raupen; ihren Kameraden wurden nun Maulbeerbl\u00e4tter von bekann-\nEin Hammel soll im Durchschnitt bei einer t\u00e4glichen Zufuhr von 11.4 Grm. Stickstoff 6 Grm. Stickstoff in der Perspiration verlieren = 52%. Siehe auch J\u00f6rgensen, Jahrb. f. pract. Pharm.\n1\tStohmann, Journ. f. Landw. N. F. III. S. 135. 1868, S. 163.1869; Centralbl. f. d. med.Wiss. 1869. No. 21. S. 322 ; Ztschr. d. landw. Central-Vereins d. Prov. Sachsen. 1869. S. 201, 1870. No. 3; Ztschr. f. Biologie. VI. S. 204. 1870; Biologische Studien. Heft 1. S. 121. 1873.\n2\tWolff, Landw. Jahrb. VIII. Suppl. S. 22 u. 40. 1879. Er fand z. B. :\nV im Harn V im Koth iV der Ausgabe \u00c4 im F utter 76.76\t44.74\t121.50\t117.25\n95.70\t51.06\t146.76\t150.43\n145.29\t66.72\t212,01\t213.76\nHofmeister in Dresden hatte beim Pferd noch Differenzen von 12\u201416% (Landw. Versuchsstationen. VIL S. 413. 1865, VIII. S. 99. 1866).\n3\tVoit, Sitzgsber. d. bayr. Acad. 1863. 10. Jan.; Ann. d. Chem. u. Pharm. 2. Suppl.-Bd. S. 238. 1862.\n4\tMeissner, Ztschr. f. rat. Med. (3) XXXI. S. 185 u. 195. 1868. (Mit einer Kritik gegen die Versuche von Sacc.)\n5\tPeligot, Compt. rend. LXI. p. 866. 1865; Ann. d. chim. etphys. XII. p. 445.\n1867.","page":47},{"file":"p0048.txt","language":"de","ocr_de":"48\nYoit, Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. Wege des Stoffverlustes etc.\ntem Stickstoffgebalte vorgesetzt und die Quantit\u00e4t des Verzehrten bestimmt; als die Raupen ausgewachsen und eben im Begriffe waren sich einzuspinnen, ermittelte er die Menge des jetzt in ihnen enthaltenen Stickstoffs. Darnach verglich er den Stickstoff der Einnahmen mit der Summe des Stickstoffs der Ausgaben und des am K\u00f6rper angesetzten. In vier Versuchsreihen ergab sich nur eine Differenz von + 0.2\u20142.1%.\nDurch alle diese Untersuchungen ist wohl bewiesen, dass das sogenannte Stickstoffdeficit nicht existirt und der Stickstoff der im K\u00f6rper zersetzten Substanzen seinen Ausweg zum weitaus gr\u00f6ssten Theil, soweit als es f\u00fcr die sp\u00e4teren Schlussfolgerungen in Betracht kommt, im Harn und Koth nimmt.\n3) Bilanzversuch von Pettenkofer und mir ; Harnstofff\u00fctterung ; Erscheinen der Aschebestandthe\u00fce, der Phosphors\u00e4ure und des Schwefels.\nMan kann aber noch weitere Beobachtungen daf\u00fcr beibringen. Pettenkofer und ich ! haben zuerst mit allen Cautelen die Elemente aller Einnahmen und Ausgaben des K\u00f6rpers eines grossen Hundes in einer Reihe von Tagen direkt ermittelt d. h. die ganze Bilanz derselben gezogen. Das Thier war 21 Tage lang mit je 1500 Grm. reinem Fleisch gef\u00fcttert worden und befand sich damit im Stickstoffgleichgewicht; die Bestandtheile des Harns und Koths wurden best\u00e4ndig, die der Respiration w\u00e4hrend 5 Tagen controlirt. Die Elemente der Einnahmen und Ausgaben \u2014 Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff und Asche \u2014 stimmen darin so genau als es nur immer m\u00f6glich ist, \u00fcberein und ebenso die bei den Respirationsversuchen aus den Gewichtsverh\u00e4ltnissen abgeleitete Sauerstoffmenge mit derjenigen, welche zur Oxydation der im K\u00f6rper zersetzten Substanz n\u00f6tliig ist. Eine solche Uebereinstimmung ist bei einer uncon-trolirten Abgabe von Stickstoff aus den stickstoffhaltigen Bestandteilen der Nahrung oder des K\u00f6rpers vollkommen unm\u00f6glich, denn mit diesem Stickstoff m\u00fcssten doch noch andere Elemente verbunden gewesen sein, die irgendwo h\u00e4tten auftreten m\u00fcssen.\nIch 1 2 habe ferner Hunden, die sich im Stickstoffgleichgewicht mit einer bestimmten Portion reinen Fleischs befanden, zu ihrer Nahrung noch reinen Harnstoff zugesetzt. Wenn Stickstoff in unbestimmter Menge und auf unbekannte Weise verloren ginge, so m\u00fcsste doch, sollte man denken, ein Theil des Stickstoffs des verzehrten Harnstoffs sich dabei ebenso wie der der \u00fcbrigen stickstoffhaltigen Zersetzungspro-\n1\tPettenkofer u. Voit, Ann. d. Clieni. ii. Pharm. 2. Suppl.-lid. S. 3(31. 1863; Sitzgsber. d. bayr. Acad. 1863. 16. Mai.\n2\tVoit, Ztschr. f. Biologie. II. S. 50 u. 227. 1866.","page":48},{"file":"p0049.txt","language":"de","ocr_de":"Ausscheidung von Ammoniak im Atkern.\n49\ndukte betlieiligen; man findet aber hier nach wie vor nicht nur den Stickstoff der eiweisshaltigen Nahrung, sondern auch den des Harnstoffs genau auf.\nEndlich l\u00e4sst sich nicht nur aller Stickstoff der Nahrung, sondern zugleich auch die Asche derselben1 2 und eine Anzahl einzelner Aschebestandtheile unter den genannten Cautelen vollst\u00e4ndig im Harn und Koth naehweisen. W\u00fcrde dabei noch weiterer Stickstoff vom K\u00f6rper abgegeben, so w\u00e4re diese Uebereinstimmung der gasf\u00f6rmig nicht ausscheidbaren Aschebestandtheile unm\u00f6glich, da die mit diesem Stickstoff verbunden gewesenen Aschebestandtheile ebenfalls, und zwar im Harn und Koth, h\u00e4tten entfernt werden m\u00fcssen. Beim Hund konnte in einer grossen Anzahl von Beispielen und in langen Reihen beim Stickstoffgleichgewicht auch Gleichgewicht der Asche der Einnahmen und Ausgaben nachgewiesen werden; die Differenz betrug nur 0.2\u20143.1 \u00b0/o. Auch bei dem 124 Tage lang fortgesetzten, vorher erw\u00e4hnten Taubenversuch deckte sich neben dem Stickstoff auch die Asche (und die Phosphors\u00e4ure) der Zufuhr und der Exkremente vollkommen. Ebenso hat E. Bischoff 2 auch die Ausscheidungsverh\u00e4ltnisse der Phosphors\u00e4ure bei Hunden studirt, deren Stickstoffverbrauch bekannt war; war ebensoviel Stickstoff im Harn und Koth zu finden wie in der Nahrung, so bestand auch Gleichgewicht in der Phosphors\u00e4ure, war dagegen mehr oder weniger Stickstoff in den beiden Exkreten enthalten, dann war dies auch mit der Phosphors\u00e4ure in demselben Verh\u00e4ltniss der Fall. Auch der Schwefel des verzehrten Fleisches l\u00e4sst sich zugleich mit dem Stickstoff im Harn und Koth auffinden3 ; namentlich hat M. Gruber bei seinem schon erw\u00e4hnten Versuche ausser dem Stickstoff der Einnahmen auch allen Schwefel derselben in den Ausgaben wieder erhalten: in den ersteren waren 12.770 Grm. Schwefel, in den letzteren 12.785 Grm.; es ist also unm\u00f6glich, dass noch weiter Stickstoff aus dem Leibe des Thieres gasf\u00f6rmig abgegeben worden ist.\n4) Ausscheidung von Ammoniak im Atkem.\nNeben einer Abgabe von Stickgas durch die Perspiration hat man auch einen Verlust von Stickstoff in anderen stickstoffhaltigen Stoffen durch die Haut oder die Lunge angenommen.\n1\tVoit, Ztsckr. f Biologie. IL S. 53. 186(3.\n2\tE. Bischoff, Ztsckr. f. Biologie. III. S. 309. 1367 (sch\u00f6nes Beispiel S. 310 hei\nF\u00fctterung mit 2000 Fleisch). Aeknliches fand Stohmann hei einer milchgebenden Ziege: Stickstoff und Phosphors\u00e4ure gehen zusammen, und da wo der K\u00f6rper reicher an Stickstoff wird, tindet auch Ansatz von Phosphors\u00e4ure statt (Biolog. Studien. ls73. Heft 1. S. 150).\t3 Bischoff u. \"Voit, Die Gesetze der Ern\u00e4hrung d.\nFleischfressers. S.277. 1360. \u2014 M. Gruber, Ztsckr. f. Biologie. XVI. S. 397. 1830.\nHandbuch der Physiologie. Bd. VI.\t4","page":49},{"file":"p0050.txt","language":"de","ocr_de":"50 Voit, Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. Wege des Stoffverlustes etc.\nMan hat vielfach gemeint, dass Ammoniak durch Haut und Lunge ausgeschieden werde. Es spricht jedoch kein einziger Versuch daf\u00fcr, dass die Menge des dabei austretenden Ammoniaks (oder fl\u00fcchtiger Ammoniakbasen) eine bei Stoffwechselversuchen in Betracht kommende sei. Man st\u00fctzte sich dabei meist auf einen qualitativen Nachweis des Ammoniaks mit Proben, welche die kleinsten Spuren desselben noch angeben, zuletzt besonders auf Thiry\u2019s 1 Versuche ; dieselben sind aber durch Bachl 2 widerlegt worden, welcher dar-that, dass dabei das Ammoniak aus der angewandten Kalilauge stammt. Die quantitativen Bestimmungen ergaben stets nur sehr zweifelhafte Spuren.\nThomson 1 2 3, dessen Methode nicht bekannt ist, giebt f\u00fcr den Menschen f\u00fcr 24 Stunden 0.0516 Grm. Ammoniak im Athem an, W. Reuling4 5 6 nur 0,0187 Grm., die er aus der eingeathmeten Luft abstammen l\u00e4sst. R\u00e9gnault & Reiset 5 nahmen bei ihren Versuchen sorgf\u00e4ltig auf Ammoniak R\u00fccksicht; es hatte sich im Athemraum in 24 Stunden bei Hunden 0.0156 Grm. Ammoniak angesammelt, bei Kaninchen 0.0102 Grm., bei H\u00fchnern 0.007 5 Grm. ; da aber ohne Thier in der n\u00e4mlichen Zeit 0.0 1 8 Grm. Ammoniak sich anh\u00e4uften, so sprachen sie sich f\u00fcr die Abwesenheit von Ammoniak in den Perspirationsgasen aus. Bei der Untersuchung der \u00fcber einen grossen Hund und einen Menschen w\u00e4hrend eines Tages gestrichenen Luft fanden Pettenkofer und ich 0 nicht mehr Ammoniak als in der in den Athemraum eintretenden Luft schon enthalten war. Lossen7 * erhielt bei einer genauen Bestimmung beim Menschen f\u00fcr den Tag nur 0.011 Grm. Ammoniak. Aus den Analysen von Grouven 8 berechnet sich f\u00fcr 24 Stunden beim Menschen im Mittel 0.0488 Grm. Ammoniak, beim Ochsen 0.38 Grm., bei einem Esel 0.2154 Grm., bei Hammeln 0.035 Grm. und bei einem grossen Hunde 0.039S Grm. S. L. Schenk9 setzte einen wohl gewaschenen Hund (von 8.8 Kilo) in ein Glasgef\u00e4ss, durch das er ammoniak-freie Luft leitete; nach 1 \u2014 1 fg Stunden pr\u00fcfte er das an den W\u00e4nden des Gef\u00e4sses und am Thier condensirte Wasser auf Ammoniak. In dem ersteren fand er, auf 24 Stunden berechnet, im Mittel 0.07 0 Grm., im letzteren 0.0498 Grm., im Ganzen also 0.1198 Grm., viel mehr als irgend ein anderer Versuch ergeben hatte. In der Hautperspiration war kein Ammoniak nachzuweisen, daher er die ganze Menge desselben von der Lunge abstammen l\u00e4sst.\n1\tTrtry. Ztschr. f. rat. Med. (3) XVII. S. 166. 1863.\n2\tBachl, Ztschr. f. Biologie. V. S. 61. 1S69.\n3\tThomson, Philos. magaz. and Journ. of science. XXX. p. 124. 1847.\n4\tReuling, Ueber den Ammoniakgehalt der exspirirten Luft. Biss, inaug. Giessen 1854.\n5\tR\u00e9gnault 11. Reiset, Ann. d. Chem. u. Pharm. LXXIII. S. 308. 1S5U.\n6\tPettenkofer u. Voit, Ann. d. Chem. u. Pharm. 2. Suppl.-Bd. S. 59.1862.\n7\tLossen, Ztschr. f. Biologie. I. S. 207. 1865.\nS Grouven. Physiol.-chem. F\u00fctterungsversuche. 2. Ber. S. 119 u. 235. 1864.\n9 Schenk, Arch. f. d. ges. Physiol. III. S. 470. 1870.","page":50},{"file":"p0051.txt","language":"de","ocr_de":"Stickstoffverlust durch Horngebilde.\n51\nWas man auch \u00fcber den Ursprung dieser minimalen Ammoniakmengen f\u00fcr eine Ansicht haben m\u00f6ge, so viel steht doch jedenfalls fest, dass die Abgabe von Ammoniak durch Haut und Lunge verschwindend klein ist und bei unseren Versuchen ganz vernachl\u00e4ssigt werden kann.\n5) Stickstoffverlust durch die Horngebilde.\nEs ist gewiss, dass die von der Oberhaut sich abschuppenden Epi-dermispl\u00e4ttchen oder die ausfallenden Haare unter Umst\u00e4nden, z. \u00df. beim Haarwechsel der Tliiere eine berticksichtigenswerthe Menge von Stickstoff entf\u00fchren k\u00f6nnen; f\u00fcr gew\u00f6hnlich ist dies aber nicht der Fall. Valentin1 sch\u00e4tzte beim Pferd den Verlust an Epidermis und Haaren zu 5 Grm. t\u00e4glich. Ich'2 3 4 habe bei einem Hunde w\u00e4hrend 565 Tagen, auch zur Zeit der H\u00e4rung, die ausgefallenen Haare und Epidermis-schuppen gewogen; im Mittel wurden f\u00fcr den Tag 1.2 Grm. derselben mit 0.18 Grm. Stickstoff abgestossen, im Maximum bei der st\u00e4rksten H\u00e4rung 3.9 Grm. mit 0.6 Grm. Stickstoff. Bei Ochsen bestimmte Grouven 3 in den Monaten Februar, M\u00e4rz und April einen durchschnittlichen t\u00e4glichen Haarverlust von 4.8 Grm., in den \u00fcbrigen Monaten von nur 2.1 Grm.; in Weende1 ergaben sich bei denselben Thieren (von 700 Kilo Gewicht) im Mai bis August t\u00e4glich 15 bis 19.5 Grm. Haare mit 2.2\u20142.8 Grm. Stickstoff (gegen 100\u2014200 Grm. Stickstoff in den \u00fcbrigen Exkreten). Selbst bei Schaafen mit raschem und reichlichem Haarwuchs gehen im Tag nur 0.8\u20140.9 Grm. Stickstoff in die Wolle \u00fcber.5 6 Funke0 hat allerdings f\u00fcr den Menschen das Gewicht der t\u00e4glich abfallenden Epidermisschuppen zu 6 Grm. mit 0.71 Grm. Stickstoff berechnet ; da er aber dabei von ganz fehlerhaften Pr\u00e4missen ausging, wie Bisch\u00f6fe7 und ich8 9 dargethan haben, so ist diese Zahl sicherlich viel zu hoch gegriffen.\nNeuerdings hat Moleschott die Stickstoffausgabe durch die Horngebilde beim Menschen, durch die ausfallenden Haare, die wachsenden N\u00e4gel und die Oberhaut, zu bestimmen gesucht. Er liess bei einer Anzahl Menschen alle Monate die Haare in gleicher L\u00e4nge\n1\tValentin, Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. I. S. 432. 1842.\n2\tVoit, Ztschr. f. Biologie. II. S. 207. I860.\n3\tGrouven, Physiol.-chem. F\u00fctterungsversuche. 2. Bericht. S. 82. 1864.\n4\tHenneberg, Neue Beitr\u00e4ge. 1872. Heft 1. S. 307.\n5\tE. Schulze u. M. Maercker, Journ. f. pract. Chemie. CVIII. S. 193. 1869. \u2014 IIenneberg, Neue Beitr\u00e4ge. 1870. Heft 1. S. 84.\n6\tFunke, Unters, zur Naturlehre des Menschen u. der Tliiere. IV. S. 36. 1858.\n7\tBischoff, Ztschr. f. rat. Med. (3) XIV. S. 1.\n8\tVoit, Ztschr. f. Biologie. II. S. 209. 1866.\n9\tMoleschott, Unters, zur Naturlehre d. Menschen und der Thiere XII. S. 187.\n4*","page":51},{"file":"p0052.txt","language":"de","ocr_de":"52\nVoit, Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. Wege des Stoffverlustes etc.\nabschneiden ; es treffen dabei im Mittel f\u00fcr den Tag 0.20 Grm. Haare mit 0.0287 Grm. Stickstoff; die mittlere Nagelerzeugung betrug, wenn die N\u00e4gel alle 2S Tage geschnitten wurden, im Tag 0.005 Grm. mit 0.00073 Grm. Stickstoff. Den Oberhautverlust bestimmte er auf eigen-th\u00fcmliche Weise; aus dem Gewicht und der Oberfl\u00e4che eines nach einem Furunkel sich vom Finger abl\u00f6senden Oberhautlappens berechnete er aus der bekannten Gesammtoberfl\u00e4che des menschlichen K\u00f6rpers das Gewicht der ganzen Oberhaut zu 488.5 Grm. mit 71.419 Grm. Stickstoff; da nun das abgestossene St\u00fcck Oberhaut in 34 Tagen vollst\u00e4ndig erneuert war, so schliesst er, dass regelm\u00e4ssig in 34 Tagen die ganze Oberhaut von 488.5 Grm. zu Grunde geht und durch neue ersetzt ist; f\u00fcr den Tag treffen darnach 14.35 Grm. Oberhaut mit 2.1 Grm. Stickstoff. Dies gilt aber nur f\u00fcr den Fall, dass bei einem Menschen die ganze Oberhaut abgezogen ist, jedoch durchaus nicht f\u00fcr den normalen Ersatz. W\u00fcrden die Oberhautsch\u00fcppchen nicht durch Reiben u. s. w. abgeschilfert, die Haare und N\u00e4gel nicht geschnitten, dann w\u00fcrden sie nur bis zu einer gewissen Gr\u00f6sse wachsen, n\u00e4mlich bis die vorhandene Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit sich mit dem zu ern\u00e4hrenden Material in einen Gleichgewichtszustand versetzt hat l, anfangs rascher, dann immer langsamer und langsamer. Entfernt man die Theile, dann wachsen sie wieder, weil die Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit im Ueberschuss ist. Es werden demnach die Haare oder N\u00e4gel, wenn sie einmal bis zu einer gewissen L\u00e4nge angewachsen sind, im Tag ungleich weniger zunehmen, als Moleschott bei dem regelm\u00e4ssigen Schneiden derselben gefunden hat; dies geht schon aus seiner Beobachtung hervor, dass die Haare rascher wachsen, wenn man sie \u00f6fter schneidet, In noch viel h\u00f6herem Grade macht sich dies aber bei der Oberhaut geltend, welche an einer Stelle ganz entfernt worden war. Es sind daher Moleschott\u2019s Zahlen, von so grossem Interesse sie im Uebrigen sind, nicht geeignet zu entscheiden, wie gross der Verlust an Horngebilden unter normalen Verh\u00e4ltnissen ist, und daf\u00fcr sicherlich wesentlich zu hoch. Wo k\u00e4men denn die 14 Grm. Oberhaut t\u00e4glich hin, man m\u00fcsste doch etwas von ihnen\n1 Nach Berthold (Arch. f. Anat. u. Physiol. 1850. S. 156) braucht ein Nagel im Winter 152 Tage, im Sommer nur 116 Tage zum Wachsen; Kinder ersetzen den Nagel schneller als Erwachsene, Greise am langsamsten. Wenn hei fieberhaften Krankheiten und Ern\u00e4hrungsst\u00f6rungen oder auch beim Hunger die Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit in ungen\u00fcgender Menge zugef\u00fchrt wird, dann steht das Wachs-thum still, und es zeigen sich constante Ver\u00e4nderungen : an den N\u00e4geln ein halbmondf\u00f6rmiger lichter Querstreifen mit einer Furche, ebenso an den Hufen; an den Haaren und namentlich an der Wolle der Schafe d\u00fcnnere Stellen (Alfred Vogel, Deutsch. Arch. f. klin. Med. VII. S. 333).","page":52},{"file":"p0053.txt","language":"de","ocr_de":"Stickstoffverlust durch Auswurf und Schweiss.\n53\nwahrnebmen. Man w\u00fcrde einen \u00e4hnlichen Fehler begehen, wollte man aus dem raschen Ers\u00e4tze des Blutes nach reichlichen Blutentziehungen auf eine ebenso intensive stetige Neubildung von Blut schliessen.1\n6) Stickstoffverlust durch den Auswurf und den Schweiss.\nNach den Ermittlungen von Fr. Renk2 enth\u00e4lt der Auswurf, selbst bei grossen Mengen, nur wenig Stickstoff: bei Bronchitis im Maximum in 24 Stunden 3.15 Grm. feste Theile mit 0.23 Grm. Stickstoff, bei Phthisis 6.72 Grm. feste Theile mit 0.75 Grm. Stickstoff.\nAuch durch den Schweiss kann unzweifelhaft Stickstoff zu Verlust gehen, jedoch wohl nur, wenn wirklich geschwitzt wird, also nicht bei den gew\u00f6hnlichen Stoffwechselversuchen am Menschen oder an Tliie-ren. Es ist daher der nur in besonderen F\u00e4llen auftretende Schweiss nicht, wie Funke3 4 glaubte, im Stande das fr\u00fcher angenommene Stickstoffdeficit zu decken. Derselbe hat, durch falsche Annahmen verf\u00fchrt, eine viel zu hohe und ganz unm\u00f6gliche Zahl f\u00fcr die Schweiss-menge beim Menschen und den darin enthaltenen Stickstoff angenommen, wie Bjschoff 1 und ich 5 nachgewiesen haben. Wenn jedoch ein Mensch oder ein Thier bei einem Versuche recht stark und andauernd schwitzen sollte, z. B. bei starker Arbeit in der Hitze oder im Dampfbad, so tritt gewiss mit den \u00fcbrigen Sckweissbestand-theilen auch etwas Stickstoff aus und wird dem Harn entzogen, dann ist aber ein solcher Versuch zur Feststellung des Verbrauchs an stickstoffhaltiger Substanz im K\u00f6rper nicht zu benutzen. Dass aber selbst bei starkem Schwitzen durch den Schweiss nur unbetr\u00e4chtliche und kaum in R\u00fccksicht kommende Stickstoffmengen entleert werden, zeigen die Versuche von J. Ranke6 7, der nach einem Schwitzbad, keine Aenderung im Harnstoffgehalte des Harns, wohl aber eine sehr merkbare (von 3 Grm.) im Kochsalzgehalte desselben wahrnahm. Allerdings fand Leube t, nachdem er sich durch eine\nt Auch E. Salkowski hat sich gegen Moleschott\u2019s Angaben ge\u00e4ussert (Arch, f. pathol. Anat. LXXIX. S. 555).\n2\tBenk, Ztschr. f. Biologie. XT. S. 102. 1875.\n3\tFijnke. Unters, zur Naturlehre des Menschen und der Thiere. IV. S. 36. 185^.\n4\tBischoff, Ztschr. f. rat. Med. (3) XIV. S. 14.\n5\tVoit, Ztschr. f. Biologie. II. S. 209. 1866.\n6\tBanke, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1862. S. 325.\n7\tLeube, Arch. f. klin. Med. VII. S. 1. 1870. \u2014 Deininger, Ebenda. VIL S. 587. 1870. Dagegen hat Herm. Oppenheim (Arch. f. d. ges. Physiol. XXII. S. 49. 1880) bei gleich gehaltener Nahrung nach einer massigen, durch Pilocarpin hervorgebrachten Schweisssecretion die Stickstoffausscheidung im Harn und Koth nicht wesentlich ge\u00e4ndert gefunden, wenn der Wasserverlust durch Mehreinfuhr von Getr\u00e4nk erg\u00e4nzt wurde.","page":53},{"file":"p0054.txt","language":"de","ocr_de":"54\nVoit, Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. Wege des Stoffverlustes etc.\nconstante Nahrung\u2019 (mit 23 Grin. Stickstoff) in das Stickstoffgleichgewicht versetzt hatte, nach einem Schwitzbad mit nachfolgender Einwicklung ein Deficit von 2 Grm. Stickstoff im Harn und Koth, und zwar noch als er dabei durch Wassertrinken die normale Menge von Harn herstellte.\nEine kritische Betrachtung der fr\u00fcheren Versuche, bei denen ein Stickstoffdeficit erhalten worden war, l\u00e4sst die Ursachen erkennen, welche zu den fehlerhaften Resultaten gef\u00fchrt haben, die sich bei richtiger Anordnung vermeiden lassen.1\n7) Darf man zur Feststellung des Stickstoffumsatzes die AVill-Varrentrapp-sche Methode der Stickstoffbestimmung anwenden?\nSeegen und Noavak2 haben die Beweiskraft der Versuche, bei welchen aller Stickstoff der Nahrung im Harn und Koth gefunden worden war, bestritten, da es mittelst der dabei angewandten Methode der Stickstoffbestimmung mit Natronkalk nach Will-Varrentrapp nicht m\u00f6glich sei, den Stickstoffgehalt der Eiweissstoffe der Nahrung zu ermitteln; dieselbe gebe bei letzteren stets zu niedrige Werthe, wesshalb man sich dabei der DuMAs\u2019schen Methode, der Verbrennung mit Kupferoxyd, bedienen m\u00fcsse. Es war zuerst von Toldt 3 bemerkt worden, dass bei der Analyse von Fleischproben mit Natronkalk wesentlich weniger Stickstoff erscheint als bei der mit Kupferoxyd; zu dem gleichen Resultate kam dann f\u00fcr verschiedene Fleischsorten Nowak 4, und sp\u00e4ter f\u00fcr die Eiweissk\u00f6rper \u00fcberhaupt Seegen und Noavak. Die letzteren fanden die gr\u00f6ssten Differenzen in den Angaben der beiden Methoden, und behaupteten daher, dass von mir und Anderen in den Bilanzen die Stickstoffmenge der Einfuhr zu niedrig angesetzt worden sei. Bei dem \u00fcber diese Methodenfrage entbrannten Streit traten einige auf die Seite von Seegen und Noavak, die meisten Avaren jedoch nicht im Stande Avesentliche Differenzen mit den beiden Methoden zu finden.\nG. Musso 5 6 und auch L. Liebermann \u00fc erhielten f\u00fcr die Milch nach Will-VarrentrApp ansehnlich Aveniger Stickstoff; dagegen gaben Peter-\n1\tVoit. Ztschr. f. Biologie. IL S. 1S9. 1866, IV. S. 297. 1868.\n2\tSeegen u. Nowak, Arch. f. d. ges. Physiol. VIL S. 284. 1873, IX. S. 227 ; Sitzgsber. d. Wiener Acad. LXXII. 2. Abth. Juniheft. 1875.\n3\tToldt hei Seegen, Sitzgsber. d.Wiener Acad. 2. Abth. LXIII. Jan.-Heft 1871.\n4\tNowak, Ebenda. 2. Abth. LXIV. Oct.-Heft. 1871 ; Journ.f. pract. Chem. N. F. VIL S. 200; Ztschr. f. analyt. Chem. XII. S. 316.\n5\tMusso, Ztschr. f. analyt. Chem. XAH. S. 406. 1877.\n6\tLiebermann, Ann. d. Chemie. CLXXXII. S. 103. 1S76.","page":54},{"file":"p0055.txt","language":"de","ocr_de":"Methoden der Bestimmung des Stickstoffs.\n55\nsen1 (f\u00fcr Fleisch), Abesser & Maercker 2 3, Woroschiloff 3 (f\u00fcr Fleisch), Kreusler4, Fleischer5, Weiske & Wildt6 7 8 9, Ritthausen 7 an, entweder gar keine oder nur sehr geringe Unterschiede zwischen den Ergebnissen der beiden Methoden beobachtet zu haben. Erst sp\u00e4ter hatte H. Settegast s unter Ritthausen\u2019s Leitung bei der Verbrennung der Albuminate mit Natronkalk ein bedeutendes Minus an Stickstoff bekommen; Ritt-iiausen 9 musste zwar bald darauf erkl\u00e4ren, dass dieses Resultat gr\u00f6ssten-theils durch einen Fehler der Kupferoxydmethode, n\u00e4mlich durch den Wasserstoffgehalt des im Wasserstoffstrom reducirten Kupfers, hervorgebracht worden sei, aber er blieb dabei, die Verbrennung mit Natronkalk w\u00e4re unzuverl\u00e4ssig und g\u00e4be f\u00fcr die Albuminate zu niedrige Werthe, wenn auch nicht in dem Maasse als Seegen & Nowak angegeben.\nEs sind offenbar von denen, welche Differenzen mit den beiden Methoden erhielten, tlieils mit der einen, tkeils mit der anderen Fehler gemacht worden; es erfordert in der That mannigfache Uebung dieselben ganz richtig in allen Einzelheiten zu handhaben.10 M. Gruber 11 hat durch die sorgf\u00e4ltigsten Untersuchungen gezeigt, dass bei richtiger Ausf\u00fchrung der Analyse nicht der mindeste Unterschied besteht, wenigstens nicht f\u00fcr die von mir bei den Stoffwechselversuchen benutzten eiweisshaltigen Substanzen (Fleisch und Erbsen). Bei seinem Versuche am Hund geschahen die Stickstoffbestimmungen sowohl im Fleisch als auch im Harn und Kotk nach beiden Methoden; im verzehrten Fleisch befanden sich, nach Dumas bestimmt, 368.53 Grm. Stickstoff, nach Will und Varrentrapp 367.20 Grm., wogegen im Harn und Kotk 368.28 Grm. wieder austraten.\nEs war dieses Resultat mit Bestimmtheit vorauszusehen, denn es w\u00e4re doch einer der sonderbarsten Zuf\u00e4lle gewesen, wenn stets gerade der bei der Verbrennung mit Natronkalk nicht erhaltene Tlieil im gasf\u00f6rmigen\n1\tPetersen, Ztsckr. f. Biologie. VII. S. 166. 1871.\n2\tAbesser u. Maercker, Sitzgsber. d. naturf. Ges. zu Halle. 1873. 25. Jan. ; Arch, f. d. ges. Physiol. VIII. S. 195; Ztschr. f. analyt. Chem. XII. S. 447. \u2014 Abesser, \u00fcber die Methode der Stickstoffbestimmung in proteinhaltigen Substanzen und im Harn. Diss. inaug. Rostock 1873.\n3\tWoroschiloff, Berl. klin. Woch. 187 3. No. 8.\n4\tKreusler, Journ. f. Landw. 1874. S. 286: Ztschr. f. analyt. Chem. XII. S. 354.\n1873.\n5\tFleischer, Ebenda. 1874. S. 2S8.\n6\tWeiske u. Wildt, Ztschr. f. Biologie. X. S. 12. 1874.\n7\tRitthausen, Journ. f. pract. Chem. VIII. S. 10. 1874.\n8\tSettegast, Arch. f. d. ges. Physiol. XVI. S. 293; Journ. f. pract. Chem. N. F. XVI. S. 237. 1877.\n9\tRitthausen, Arch. f. cl. ges. Physiol. XVIII. S. 236.\t^\n10\tSiehe hier\u00fcber noch: Makris, Ann. d. Chem. CLXXX1V. S. 371. 18<6; Ztschr. f. analyt. Chem. XVI. S. 249. \u2014 Ritthausen u. Kreusler, Journ. f. pract. Chem. CXI. S. 307. 1871. \u2014 V\u00f6lker, Chem. Centralbl. 1876. \u2014 Kreusler, Landw. V ersuchsstatio non..\n] 1 Gruber, Ztschr. f. Biologie. XVI. S. 367. 1880. Nur mit Kynurens\u00e4ure und Fibrinpepton erh\u00e4lt man mit Natronkalk zu niedrige Zahlen f\u00fcr den Stickstoff.","page":55},{"file":"p0056.txt","language":"de","ocr_de":"56\nVoit, Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. Wege des Stoftverlustes etc.\nZustand den K\u00f6rper verlassen h\u00e4tte, nicht nur beim Hund, sondern auch bei der Taube und bei vielen anderen Organismen, und zwar bei Versuchen, bei welchen die \u00fcbrigen Elemente der Nahrung zu gleicher Zeit vollst\u00e4ndig mit dem Stickstoff\u2019 gefunden worden sind. Bei reichlicherer Zufuhr von Fleisch beim Hund w\u00e4chst die Stickstoffausscheidung im Harn und Koth, bis sie eben wieder den mit Natronkalk im Fleisch gefundenen Werth erreicht, auf dem sie dann verharrt; giebt man dann wieder weniger Fleisch, so sinkt die Ausscheidung allm\u00e4hlich, bis abermals jener Punkt erreicht ist ; bei einer anderweitigen Stickstoftabgabe w\u00e4re dies Verhalten auch unter den gewagtesten Annahmen nicht zu erkl\u00e4ren.\nEs ist nach allem dem festgestellt, dass der weitaus gr\u00f6sste Theil des von dem Verbrauch der stickstoffhaltigen Stoffe im K\u00f6rper stammenden Stickstoffs, soweit als er zu Schlussfolgerungen \u00fcber den Stoffwechsel in Betracht kommt, im Harn und Koth enthalten ist. Der Verlust auf anderen Wegen ist unter normalen Verh\u00e4ltnissen so gering, dass er vernachl\u00e4ssigt werden kann. Die Methoden in diesem Theile der Physiologie sind jetzt so ausgebildet und verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig so vereinfacht, dass sich mit ihnen die wichtigsten Fragen des thieri-schen Haushalts beantworten lassen. Der Verbrauch des Stickstoffs im Thierk\u00f6rper l\u00e4sst sich bei reinlichem und sorgf\u00e4ltigem Arbeiten mit der gr\u00f6ssten Genauigkeit feststellen. Diejenigen welche in dieser Richtung sich noch nicht besch\u00e4ftigt, oder ohne die noth wendigen Kautelen ihre Versuche gemacht haben, haben keine Vorstellung von der Sicherheit der Untersuchung; keine Funktion des Thierk\u00f6rpers l\u00e4sst sich mit gr\u00f6sserer Zuverl\u00e4ssigkeit ermitteln. Ich will es unternehmen den Stickstoffgehalt einer grossen Portion reinen Fleischs durch den Organismus so genau zu finden wie mit der Elementaranalyse.\nD) Schl\u00fcsse aus den Stickstoffmengen der Exkrete auf den Verbrauch der stickstoffhaltigen Stoffe im K\u00f6rper.\nZun\u00e4chst ist aus der Stickstoffausscheidung zu entnehmen, wieviel Stickstoff aus den im K\u00f6rper zerst\u00f6rten stickstoffhaltigen Stoffen in Zersetzungsprodukte \u00fcbergegangen und mit ihnen ausgeschieden worden ist. Bei dem Fleischfresser darf, wie ich schon (S. 34) angegeben habe, in den meisten F\u00e4llen, z. B. bei Aufnahme von Fleisch (mit allerlei Zus\u00e4tzen) der Koth als Residuum der Verdauungss\u00e4fte betrachtet werden, daher hier die Menge des Stickstoffs im Harn und Koth auch den Umsatz an Stickstoff im K\u00f6rper ausdr\u00fcckt; der Stickstoff der Stoffwechselprodnkte im Koth betr\u00e4gt dabei im Mittel nur etwa 1 \u00b0/o der gesammten Stickstoffabgabe. Anders ist es dagegen bei Aufnahme von Brod, wo der massige Koth nur einen kleinen,","page":56},{"file":"p0057.txt","language":"de","ocr_de":"Schl\u00fcsse aus der Stickstoffausscheidung.\n57\naber unbekannten Bruclitheil an eigentlichen Stott Wechselprodukten enth\u00e4lt, und man darauf angewiesen ist, den Verlust von Stickstoff aus den Zersetzungen im K\u00f6rper ausschliesslich aus dem Stickstoff des Harns zu entnehmen. Aehnlich ist es auch beim Menschen bei gemischter oder vegetabilischer Kost, besonders aber beim Pflanzenfresser, f\u00fcr den vorl\u00e4ufig nichts anderes \u00fcbrig bleibt als den Verbrauch an Stickstoff im K\u00f6rper aus dem Stickstoff des Harns zu erschlossen und den auf den Koth treffenden Th eil des ersteren zu vernachl\u00e4ssigen.\nIch habe zuerst f\u00fcr den Fleischfresser gezeigt, dass wenn die Nahrung, namentlich deren Stickstoffgehalt unver\u00e4ndert bleibt und dabei der K\u00f6rper sich eben erh\u00e4lt, in langen Reihen Tag f\u00fcr Tag die Stickstoffausscheidung innerhalb enger Grenzen die gleiche ist. Es wirken demnach auf den Stickstoffverbrauch nicht unbekannte und fortw\u00e4hrend wechselnde Einfl\u00fcsse der Aussenwelt oder unregelm\u00e4ssige Aenderungen im K\u00f6rper ein, wie man fr\u00fcher h\u00e4ufig aus den beobachteten grossen Schwankungen der Stickstoffausscheidung unter sonst gleich scheinenden Umst\u00e4nden geschlossen hat. Diese Schwankungen r\u00fchren von Versuchsfehlern her: von einem verschiedenen Gehalt der Zufuhr an Stickstoff, von Verlusten an Harn, namentlich aber von dem unvollst\u00e4ndigen und unregelm\u00e4ssigen Entleeren der Harnblase. Ich kann eine ganze Anzahl solcher Reihen als Beweis auff\u00fchren 1 ; die noch vorhandenen kleinen Differenzen sind nicht von beliebigen Aenderungen der Zersetzungen im K\u00f6rper bedingt, sondern von der Unm\u00f6glichkeit auch bei gut abgerichteten Hunden t\u00e4glich am Ende des Versuchstags die Harnblase v\u00f6llig leer zu erhalten. Es ist von der gr\u00f6ssten Bedeutung, dass man unter den genannten Umst\u00e4nden den Stickstoffverbrauch beim Fleischfresser v\u00f6llig gleich halten kann; wir erkennen daraus, dass uns die Einfl\u00fcsse auf denselben bekannt sind und wir sie zu beherrschen verm\u00f6gen. Man ist daher im Stande aus der Aenderung der Stickstoffausscheidung unter bestimmten Einwirkungen Schl\u00fcsse zu ziehen. Zeigen sich bei geh\u00f6riger Ausf\u00fchrung des Versuchs gr\u00f6ssere regelm\u00e4ssig wiederkehrende Aenderungen, so r\u00fchren diese nicht von zuf\u00e4lligen Unregelm\u00e4ssigkeiten z. B. in der Harnausscheidung her, sondern von der Wirkung der neu eingef\u00fchrten Bedingung auf den Stickstoffumsatz.\nWenn beim Uebergang zu reichlicherer Fleischf\u00fctterung in den ersten Tagen weniger Stickstoff ausgeschieden wird als sp\u00e4ter und sich die Menge desselben von Tag zu Tag steigert, bis sie nach 3\u20146 Tagen wieder ganz\n1 Voit. Ztsckr. f. Biologie. II. S. 217. 1866.","page":57},{"file":"p0058.txt","language":"de","ocr_de":"58\nVoit, Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. Wege des Stoffverlustes etc.\ngleichm\u00e4ssig bleibt, so k\u00f6nnte man glauben, es werde vielleicht in den ersten Tagen weniger Fleisch verdaut und es adaptire sich der Darm erst allm\u00e4hlich an die gr\u00f6ssere Masse. In diesem Falle m\u00fcsste das anfangs unverdaut Gebliebene sich im Darmkanale aufstauen und schliesslich unver\u00e4ndert mit dem Kotli abgehen, oder es m\u00fcsste sp\u00e4ter die Verdauung dieses Antheils stattfinden und daher einige Zeit sogar mehr derselben unterliegen als im Fleisch t\u00e4glich zugef\u00fchrt wird, was sich in einer \u00fcber den Stickstoffgehalt des Fleisches hinausgehenden Vermehrung der Stickstoffausscheidung im Harn ausdr\u00fccken w\u00fcrde. Es tritt aber nichts der Art ein und zwar deshalb, weil nach meinen Beobachtungen in 24 Stunden die Nahrung des Fleischfressers vollkommen zu Kotli geworden ist. Die n\u00e4mlichen Gr\u00fcnde sprechen dagegen, dass das beim Uebergang zu einer geringeren Fleischzufuhr oder zum Hungerzustande beobachtete ansehnliche Plus an Stickstoff im Harn von einem w\u00e4hrend der vorausgegangenen Tage nicht angegriffenen Rest von Fleisch im Darm abstammt.\nMit mehr Wahrscheinlichkeit k\u00f6nnte man die besprochenen regelm\u00e4ssigen Aenderungen in der Stickstoffausscheidung bei dem Wechsel in der Quantit\u00e4t des in der Nahrung zugef\u00fchrten Stickstoffs von einer Zur\u00fcckhaltung oder einer Abgabe von fr\u00fcher zur\u00fcckgehaltenen stickstoffhaltigen Zersetzungsprodukten im K\u00f6rper, z. B. von Harnstoff, erkl\u00e4ren wollen : man k\u00f6nnte also meinen, es sammelten sich bei reichlicher Zersetzung stickstoffhaltiger Substanz mehr stickstoffhaltige Zersetzungsprodukte in den Organen und S\u00e4ften an, es werde dagegen beim Uebergang zu einem geringeren Verbrauch von den vorher aufgespeicherten Zerfallprodukten abgegeben.\nNun weiss man aber nichts davon, dass der Gehalt an stickstoffhaltigen Ausscheidungsstoffen in den Organen und S\u00e4ften so sehr schwankend ist und sich nach der Menge, in der sie erzeugt werden, richtet (S. 18). Die leicht l\u00f6slichen Zwischenprodukte werden bei normalen Kreislaufsverh\u00e4ltnissen rasch aus den Geweben fortgeschafft : man ist nicht im Stande, im frischen Muskel freie Milchs\u00e4ure, in der frischen Leber Galle oder Zucker nachzuweisen. Ich habe im Muskel bei den verschiedensten Ern\u00e4hrungsverh\u00e4ltnissen nur wenig schwankende Kreatinmengen gefunden '. Es ist allerdings Harnstoff im Blute und in einzelnen Organen, z. B. der Leber und der Milz, vorhanden, jedoch enthalten die in gr\u00f6sster Masse im K\u00f6rper befindlichen Organe, die Muskeln, normal sicherlich keinen Harnstoff ; im Harnstoffgehalte des Blutes, der Leber oder der Milz sind keine erheblichen Unterschiede bei verschiedener Ern\u00e4hrungsweise zu entdecken, man darf froh sein, wenn es gelingt, den Harnstoff sicher nachzuweisen. Wenn die Angaben von Picard- \u00fcber den Gehalt des Blutes an Harnstoff richtig sind, so befinden sich in der ganzen Blutmasse eines 35 Kilo schweren Hundes nur 0.4 Grm. Harnstoff. Es k\u00f6nnen also normal nur geringe Mengen von Harnstoff im K\u00f6rper angesammelt sein und ausgewaschen werden. Dagegen ist es leicht verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig grosse Quantit\u00e4ten von Harnstoff in den Muskeln sowie in allen Organen und S\u00e4ften\n1\tNach B. Demant (Ztschr. f. physiol. Chem. III. S. 381) ist sogar im Pecto-ralmuskel von Tauben nach 8 t\u00e4gigem Hunger wesentlich mehr Kreatin als normal.\n2\tPicard, de la pr\u00e9sence de Pur\u00e9e dans le sang. Strasbourg 1852.","page":58},{"file":"p0059.txt","language":"de","ocr_de":"Schl\u00fcsse aus der Stickstoffausscheidung.\n59\nnachzuweisen, wenn der Harn, wie z. B. bei der Cholera, w\u00e4hrend einiger Tage nicht ausgeschieden worden ist, wo gegen 90 Grm. Harnstoff zu-riickgehalten werden. Es w\u00e4re nicht undenkbar, dass man bei einem in voller Verdauung begriffenen Tliiere ansehnliche Mengen von stickstoffhaltigen Zwischenprodukten tr\u00e4fe, jedoch muss man bedenken, dass bei Stoffwechselversuchen am Schluss des Versuchstags die durch die Nahrungsaufnahme eingeleiteten Processe abgelaufen sein m\u00fcssen und dei Fleischfresser und der Mensch sich nach dieser Zeit im Hungerzustande befinden (S. 16).\nF\u00fcr das Chlornatrium ist bei gr\u00f6sseren Gaben eine Aufspeicherung wohl nachzuweisen, sowie eine Abgabe des Angesammelten bei R\u00fcckkehr zur geringeren Gabe, jedoch handelt es sich hier nur um h\u00f6chstens 4 Gim. Kochsalz f\u00fcr den ganzen K\u00f6rper h Das Kochsalz ist aber ein nothwen-diger Bestandteil der S\u00e4fte und kann darin innerhalb gewisser Grenzen schwanken ; von anderen Stoffen, welche wie der Harnstoff nicht zur Zusammensetzung des K\u00f6rpers geh\u00f6ren, z. B. das Glaubersalz, erscheint jeden Tag die gegebene Menge wieder in den Exkreten.\nDie vorher schon (S. 48) angegebenen Versuche der F\u00fctterung mit Harnstoff, bei welchen der letztere am gleichen Tage vollkommen wieder entleert wird, thun dar, dass der Harnstoff nicht in beriicksiehtigens-werther Menge im K\u00f6rper zur\u00fcckbleibt.\nIch kann noch einen anderen Beweis f\u00fcr diesen Satz beibringen. Reicht man einem Hunde viel Leim mit wenig Fleisch, so wird eine grosse Menge von Harnstoff entleert ; w\u00fcrde nun ein Theil desselben im K\u00f6rper zur\u00fcckgehalten werden, so m\u00fcsste, wenn man einen Hungertag folgen l\u00e4sst, betr\u00e4chtlich mehr Harnstoff ausgeschieden werden wie nach Darreichung jener geringen Gabe von Fleisch allein. Ich habe nun einem Hunde von 22 Kilo Gewicht 200 Grm. Fleisch mit 200 Grm. Leim gegeben, wonach er im Tag im Mittel 7 2.9 Grm. Harnstoff entleerte; am darauffolgenden Hungertage erschienen nur 16.3 Grm. Harnstoff, nicht mehr als gew\u00f6hnlich beim Hunger nach vorausgehender F\u00fctterung mit 200 Grm. Fleisch. Es kann demnach hier kein Harnstoff oder ein anderes stickstoffhaltiges Zersetzungsprodukt zur\u00fcckgehalten worden sein.\nEs bleibt nach allen diesen Betrachtungen nichts anderes \u00fcbrig als anzunehmen, dass der w\u00e4hrend eines Versuchstags im Harn und in den Residuen der Verdauungss\u00e4fte im Koth entleerte Stickstoff aus den an diesem Tage im K\u00f6rper zerst\u00f6rten complicirlen stickstoffhaltigen Verbindungen abstammt; man kann daher aus dem Stickstoffgehalte der Exkrete auf den Untergang solcher stickstoffhaltiger Substanzen schliessen und alle Schwankungen in der Stickstoffausscheidung auf eine Aenderung in der Zerst\u00f6rung derselben beziehen.\nScheidet ein hungerndes oder ungen\u00fcgend ern\u00e4hrtes Thier mehr Stickstoff aus, als in den Einnahmen enthalten ist, so sagen wir,\n1 Voit, Unters, \u00fcber den Einfluss des Kochsalzes etc. auf den Stoffwechsel. S. 43. I860.","page":59},{"file":"p0060.txt","language":"de","ocr_de":"60\nVoit, Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. Wege des Stoffverlustes etc.\ndass dieser Stickstoff von zersetzten K\u00f6rperbestandtheilen herr\u00fchrt. Findet man die gleiche Menge von Stickstoff in den Ausgaben wie in den Einnahmen, so ist der Stickstoffgehalt des K\u00f6rpers gleich geblieben. Enthalten dagegen die Exkrete weniger Stickstoff als die Zufuhr, dann muss der K\u00f6rper an Stickstoff reicher geworden sein (Bidder und Schmidt, Bischoff und ich f\nBeim Fleischfresser, und meist auch beim Menschen, bei welchen unter den angegebenen Voraussetzungen die Verdauung und Verwerfung der Nahrungsstoffe nach 24 Stunden abgelaufen ist, bekommen wir durch den Vergleich des t\u00e4glich aufgenommenen und abgegebenen Stickstoffs einen Einblick in den Verbrauch dieses Elementes unter dem Einfl\u00fcsse der betreffenden Nahrung. Dies ist jedoch bei dem Pflanzenfresser nicht der Fall ; derselbe beh\u00e4lt l\u00e4ngere Zeit die Futterreste im Blinddarm und resorbirt noch davon, so dass Mischwirkungen des an einem Tage verzehrten Futters und des vorausgehenden eintreten; man kann daher bei ihm auch nicht an den ersten Tagen einer wechselnden F\u00fctterung aus dem Stickstoff der Einnahmen und Ausgaben Schl\u00fcsse auf die volle Wirkung des neuen Futters ziehen, da dasselbe im Laufe eines Tages nicht ganz verdaut ist, und nebenbei noch von dem der fr\u00fcheren Tage gezehrt wird. Vor\u00fcbergehende Erfolge einer F\u00fctterung sind beim Pflanzenfresser nicht rein zu erkennen, es sind bei ihm nur die Resultate l\u00e4ngerer Reihen zu verwerfen.\nWir betrachten also den im Harn und Kotli entleerten Stickstoff als ein Maass f\u00fcr die Zersetzung der wichtigen stickstoffhaltigen Stoffe im Organismus. Was sind das aber f\u00fcr stickstoffhaltige Stoffe, in denen der zur Ausscheidung gekommene Stickstoff im K\u00f6rper enthalten war?\nEs kann wohl nicht zweifelhaft sein, dass beim Fleischfresser unter den gew\u00f6hnlichen Versuchsbedingungen, und in gewissen F\u00e4llen auch beim Pflanzenfresser, dieser Stickstoff zum weitaus gr\u00f6ssten Theile in eiweissartigen Stoffen und deren n\u00e4chsten Abk\u00f6mmlingen, den leimgebenden Stoffen, sich befand, gegen welche die anderen stickstoffhaltigen Stoffe der Organe und der Nahrung f\u00fcr gew\u00f6hnlich sehr zur\u00fccktreten ; dabei ist es vorl\u00e4ufig gleichg\u00fcltig, ob er von den Bestandtheilen des Organismus oder von denen der eben eingenommenen Nahrung abstammt. W\u00e4re es durchf\u00fchrbar als Nahrung reine Eiweissstoffe mit Fett oder Zucker zu reichen, dann k\u00f6nnte\n1 Bidder u. Schmidt, Die Verdauung und der Stoffwechsel. S. 302. 308. 334 etc. 1852. \u2014 Bischoff u.Voit, Die Gesetze der Ern\u00e4hrung des Fleischfressers. S. 32. 1860.","page":60},{"file":"p0061.txt","language":"de","ocr_de":"Schl\u00fcsse aus der Stickstoffausscheidung.\n61\nmau, unter der Voraussetzung' dass die Menge der im K\u00f6rper angesammelten stickstoffhaltigen Zersetzungsprodukte (Kreatin, Lecithin, Harnstoff u. s. w.) sich nicht ge\u00e4ndert hat, den ausgeschiedenen Stickstoff nur von Eiweiss (oder Leim) ableiten. Giebt man aber Fleisch, so werden damit ausser Eiweiss (und leimgebendem Gewebe) noch weitere stickstoffhaltige Stoffe, die Extraktivstoffe, eingef\u00fchrt, deren Stickstoff etwa 70 o des Gesammtstickstoffs betr\u00e4gt; berechnet man daher hier den Stickstoff als nur im Eiweiss befindlich, so wird man die Zufuhr und den Verbrauch an Eiweiss etwas zu hoch veranschlagen (S. 20), was jedoch bei allen Versuchen mit Fleisch gleich-m\u00e4ssig geschieht. In \u00e4hnlicher Weise wird bei einem Ansatz von Eiweiss z. B. in den Muskeln in der Regel auch Kreatin abgelagert oder bei einer Abgabe von Eiweiss aus den Muskeln Kreatin abgegeben; der Stickstoff dieses Kreatins wird f\u00e4lschlich als Eiweiss in Rechnung gebracht, was aber der wahren Eiweissmenge gegen\u00fcber ganz zur\u00fccktritt. Ich habe fr\u00fcher schon (S. 23) auseinandergesetzt, dass man aus dem Stickstoffgehalt der Nahrung des Pflanzenfressers in manchen F\u00e4llen nicht den Eiweissgehalt derselben zu entnehmen vermag, weil die Zusammensetzung der vegetabilischen Eiweissarten sehr verschieden ist, vorz\u00fcglich aber weil in manchen Pflanzentheilen (R\u00fcben, Mais, Kartoffeln) noch andere stickstoffhaltige Stoffe in erheblicher Menge Vorkommen. Will man zur Vermeidung des Fehlers nur den wirklichen Eiweissgehalt der Nahrung ber\u00fccksichtigen, dann muss man, um den Eiweissverbrauch zu erhalten, auch wissen, wieviel von dem Stickstoff der Exkrete von den Extraktivstoffen der Nahrung und des K\u00f6rpers herr\u00fchrt.\nDie leimgebenden Gewebe bewirken keinen erheblichen Fehler, obwohl sie in ziemlich bedeutender Menge im K\u00f6rper Vorkommen, da ihr Wechsel wahrscheinlich gering ist gegen\u00fcber dem des Eiweisses in den Muskeln, der Leber u. s. w. ; ausserdem weicht ihr Stickstoffgehalt nur wenig von dem des Eiweisses ab und ist ihre stoffliche Bedeutung bei Gegenwart von Eiweiss kaum von der des letzteren verschieden.\nDas namentlich in den Nerven und Nervencentralorganen befindliche stickstoffhaltige Lecithin kommt ebenfalls f\u00fcr gew\u00f6hnlich nicht in Betracht, schon deshalb nicht weil seine Menge im Vergleich zu der des Eiweisses verschwindend klein ist. Es ist ferner die Quantit\u00e4t desselben im Gehirn und R\u00fcckenmark unter den verschiedensten Verh\u00e4ltnissen z. B. bei verhungerten und wohlgen\u00e4hrten Thieren gleich gefunden worden; wenn daher auch gegen jede Wahrscheinlichkeit t\u00e4glich viel im K\u00f6rper abgelagertes Lecithin zerst\u00f6rt werden","page":61},{"file":"p0062.txt","language":"de","ocr_de":"62\nVoit, Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. Wege des Stoftverlustes etc.\nsollte, so m\u00fcsste es alsbald wieder aus zersetztem Eiweiss ersetzt werden, so dass die aus der Stickstoffausscheidung\u2019 berechnete Gr\u00f6sse des Eiweisszerfalls dadurch nicht alterirt wird. Ich werde sp\u00e4ter bei Betrachtung des Phosphorverbrauchs noch Einiges hier\u00fcber angeben.\nW\u00fcrden in gewissen F\u00e4llen wesentliche Aenderungen in dem Gehalte der Organe an stickstoffhaltigen Zwischen- und Zersetzungsprodukten eintreten, wovon uns aber nach den fr\u00fcheren Betrachtungen nichts bekannt ist, dann w\u00e4re es dabei allerdings nicht thunlich, aus dem Stickstoff der Exkrete auf das Verhalten des Eiweisses im K\u00f6rper zu schliessen.\nF\u00fcr unsere Betrachtungen ist es auch gleichg\u00fcltig, sollte sich wirklich, wie namentlich L. Hermann annimmt, bei der Muskelarbeit das Eiweiss spalten in einen stickstofffreien sich weiter zersetzenden Antheil und in einen stickstoffhaltigen, der dann theilweise und zwar mit Hilfe der aus der Nahrung stammenden stickstofffreien Stoffe wieder zu Eiweiss regenerirt wird, so dass also mehr Eiweiss im K\u00f6rper zerf\u00e4llt als der Stickstoffausscheidung entspricht. Wir wollen und k\u00f6nnen in diesem Falle nur angeben, welche Aenderung schliesslich im Eiweissgehalte des K\u00f6rpers eingetreten ist.\nEs ist selbstverst\u00e4ndlich, dass bei Aufnahme von anderen stickstoffhaltigen Stoffen z. B. von Leim, von viel Lecithin in Gehirnsubstanz, von Kreatin in Fleischextrakt u. s. w., welche ihren Stickstoff in den Harn senden, nicht ohne Weiteres aus dem Stickstoffgehalt von Harn und Koth der Eiweisszerfall zu entnehmen ist.\nDie gesammte fettfreie stickstoffhaltige Substanz des Thierk\u00f6rpers (mit Blut, Haut, Haaren, H\u00f6rnern und Klauen) hat die Zusammensetzung des Eiweisses d. h. sie stimmt in ihrer Menge mit dem aus dem gefundenen Stickstoff berechneten Eiweiss \u00fcberein, wie Hex-neberg 1 nach den Schlachtresultaten von Lawes und Gilbert 2 ermittelte.\nUnter diesen Voraussetzungen darf man den in den Exkreten gefundenen Stickstoff auf trockene eiweissartige Substanz mit 15.5 bis 16.0\u00b0 o Stickstoff berechnen und ohne wesentlichen Fehler annehmen, derselbe sei vorher in einer entsprechenden Eiweissmenge enthalten gewesen. Dass diese Rechnung auf Eiweiss lichtig ist, und dei gr\u00f6sste Theil des Stickstoffs wirklich in Eiweiss steckt, geht auch aus der unge\u00e4nderten Relation des Stickstoffs und Schwefels der\n1\tHenneberg, Neue Beitr\u00e4ge etc. 1. Hett. S. 10. 1.870.\n2\tLawes u. Gilbert, Philos. Transact. II. p. 493. 1859.","page":62},{"file":"p0063.txt","language":"de","ocr_de":"Schl\u00fcsse aus der Stickstoffausscheidung.\n63\nAusgaben bei Stickstoffgleichgewicht, bei Abgabe oder Ansatz von Stickstoff hervor; dies k\u00f6nnte nicht sein, wenn andere stickstoffhaltige, aber schwefelfreie Stoffe oder Stoffe von anderem Schwefelgehalt als das Eiweiss eingriffen, wie z. B. Leim, Lecithin, Extraktivstoffe u. s. w. Wenn ferner nach Aufnahme von Leim stets aller Stickstoff desselben Tag f\u00fcr Tag wieder ausgeschieden wird, w\u00e4hrend nach Aufnahme von Eiweiss h\u00e4ufig eine Ablagerung von Stickstoff im K\u00f6rper stattfindet, so ist keine einfachere Erkl\u00e4rung m\u00f6glich, als dass im letzteren Falle wirklich Eiweiss angesetzt worden ist, dagegen der Leim dazu nicht tauglich ist.\nEine solche Rechnung sagt vor der Hand nur aus, wie viel trockenes Eiweiss zersetzt worden sein muss, um die Stickstoffmenge der Exkrete zu liefern und nicht, ob die \u00fcbrigen Elemente des Ei-weisses, z. B. der Kohlenstoff oder Wasserstoff ebenfalls aus dem K\u00f6rper entfernt worden sind. Es ist auch dabei nichts dar\u00fcber vorausgesetzt, in welchen Organen des K\u00f6rpers das zerst\u00f6rte Eiweiss vorhanden war oder ob letzteres vom K\u00f6rper oder von der Nahrung herr\u00fchrt. Obwohl die Umrechnung des Stickstoffs auf trockenes Eiweiss gewiss geringe Fehler in sich einschliesst, so habe ich dieselbe doch ausgef\u00fchrt, da sie einen weit tieferen Einblick in die Vorg\u00e4nge des Stoffverbrauchs gestattet als die einfache Angabe des Stickstoffverlustes. Betrachtet man den Stickstoff als Maass des Ei-weissverbrauchs, so kann man auf das Gleichbleiben des Eiweissstandes im K\u00f6rper schliessen, wenn in den Ausgaben soviel Stickstoff wie in den Einnahmen sich befindet, oder auf einen Verlust von Eiweiss bei einem Ueberschuss von Stickstoff in den Exkreten oder endlich auf eine Ablagerung von Eiweiss, wenn in den Exkreten nicht aller Stickstoff der Einnahmen erscheint. Es giebt Chemiker, welche meinen, man k\u00f6nne \u00fcber das Verhalten des Eiweisses im Organismus nichts aussagen, so lange die Constitution desselben noch ganz unbekannt sei; a'ber auch bei genauer Kenntniss der Struktur des Eiweisses wird sich an den Bedingungen der Zersetzung desselben nichts \u00e4ndern und auch ohne dieselbe k\u00f6nnen alle jene Versuche und Betrachtungen angestellt werden, so gut wie \u00fcber die Zersetzung des Fettes im K\u00f6rper, dessen n\u00e4here Bestandteile bekannt sind.\nMan kann aber noch einen Schritt weiter gehen und den Stickstoff statt auf trockenes Eiweiss auf sogenanntes Fleisch umrechnen. In der Nahrung wird dem Fleischfresser als eiweisshaltige Substanz vorz\u00fcglich Muskelfleisch geboten und dieses oder eine ihm entsprechende Menge von Stoffen im K\u00f6rper zersetzt wie der Bilanzversuch","page":63},{"file":"p0064.txt","language":"de","ocr_de":"64\nVoit, Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. Wege des Stoffverlustes etc.\nvon Pettenkofer und mir 1 darthut, bei welchem eine mit den Elementen des dargereichten Fleisches genau \u00fcbereinstimmende Quantit\u00e4t von Elementen ausgeschieden wurde. In den Organen des Thierk\u00f6rpers ist das Eiweiss aber auch mit einer gewissen Menge von Wasser, Asehebestandtheilen u. s. w. innig verbunden, welche bei Zerst\u00f6rung des Eiweisses \u00fcberfl\u00fcssig werden und zugleich mit den Zersetzungsprodukten des Eiweisses Weggehen, oder bei einem Ansatz von Eiweiss ebenfalls abgelagert werden m\u00fcssen. Es hat daher f\u00fcr die Uebersicht und die rasche Vergleichung manche Vortheile statt auf trockenes Eiweiss auf Eiweiss in Verbindung mit einer gewissen Wasser- und Aschemenge zu rechnen.\nDies ist um so mehr zul\u00e4ssig, da alle blutreichen Organe des K\u00f6rpers (Muskeln, Leber, Milz, die \u00fcbrigen Dr\u00fcsen, die graue Masse des Gehirns, Blut u. s. w.), in welchen der Hauptumsatz stattfindet, im trockenen Zustande nahezu die gleiche Elementarzusammensetzung, sowie auch den gleichen Wasser- und Aschegehalt besitzen, wie die Analysen von Playfair und Boeckmann2 ergeben.\nMan3 li\u00e2t desshalb, nach dem Stickstoffgehalt berechnet, eine Masse von mittlerer Zusammensetzung der Zerst\u00f6rung anheimfallen lassen und diese mit dem neutralen Ausdruck \u201eFleisch\u201c bezeichnet. Darunter soll nicht nur Muskelfleisch verstanden sein, sondern auch Leber, Gehirn u. s. w. ; der Thierz\u00fcchter spricht von einer Produktion von Fett und Fleisch, und rechnet zu letzterem neben den Muskeln auch die Dr\u00fcsen und andere Organe; er thut dies weil er den Erfolg seiner Bestrebungen in den Massen von Fleisch und Fett am Schlachtthier ersieht, gegen die alle anderen Substanzen verschwinden.\nF\u00fcr das \u201eFleisch\u201c nimmt man am besten die Zusammensetzung des Muskels an; der Muskel giebt einen Mittelwerth f\u00fcr alle blutreicheren Organe, er macht den bei weitem gr\u00f6ssten Theil der Organmasse des K\u00f6rpers nach Abzug des stabilen Skeletes aus und betheiligt sich in entsprechendem Maasse an dem Umsatz; er ist endlich, wie schon angegeben, in der Nahrung des Fleischfressers das haupts\u00e4chlichste Nahrungsmittel.\nDamit ist aber selbstverst\u00e4ndlich nicht gesagt, dass im Organismus beim Hunger nur die Muskeln der Zersetzung unterliegen oder nur Muskelsubstanz angesetzt werde; \u201eFleisch\u201c bedeutet zun\u00e4chst nur stickstoffhaltige Substanz und zwar mit einem Gehalt von 3.4 \u00b0,o\n1\tPettenkofer u. Voit, Ann. d. Chem. ii. Pharm. 2. Suppl.-Bcl. S. 361 ; Sitzgsber.\nd. bayr. Acad. 1863. S. 547.\n2\tVoit, Ztschr. f. Biologie. II. S. 213 u. 234. 1866.\n3\tVoit, Ebenda. II. S. 239. 1866, VII. S. 360. 1871.","page":64},{"file":"p0065.txt","language":"de","ocr_de":"Schl\u00fcsse aus der Stickstoffausscheidung.\n65\nStickstoff; ein Umsatz oder ein Ansatz von 100 Grm. Fleisch heisst nichts weiter als die Ausscheidung oder Ablagerung von 3.4 Grm. Stickstoff aus und in stickstoffhaltiger Substanz im Thierk\u00f6rper.\nDiese Bezeichnung hat nur den Zweck eine weitere Vorstellung von den Vorg\u00e4ngen bei der Zersetzung im K\u00f6rper zu geben, in welchem der Stickstoff in eiweissartiger oder leimgebender Substanz mit einer gewissen Menge von Wasser und Aschebestandtheilen verbunden ist, im Mittel und im grossen Ganzen von der chemischen Zusammensetzung des Muskelfleisches. Weiter wird daraus nichts entnommen; denn ob das Wasser, der Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und die Aschebestandtheile dieses Fleisches entfernt werden, entscheidet die n\u00e4here Analyse von Harn und Koth, sowie die der Perspiration.\nEs ist nicht nur eine Hypothese, f\u00fcr welche viel Wahrscheinlichkeitsgr\u00fcnde sprechen, dass Verlust und Ansatz von Stickstoff im Thierleib als \u201eFleisch\u201c geschieht, sondern es k\u00f6nnen Beweise daf\u00fcr beigebracht werden.\nDer vorher erw\u00e4hnte Bilanzversuch von Pettenkofer und mir1, bei dem die Elemente des verf\u00fctterten reinen Muskelfleisches vollst\u00e4ndig in den Exkreten wieder aufgefunden wurden, zeigt, dass im K\u00f6rper eine Substanz von der Zusammensetzung dieses Fleisches verbrannt worden ist und nichts Anderes. Fehlt in den Ausgaben ein Theil des Stickstoffs der Einnahmen, ist also ein Ansatz von \u201e Fleisch \u201c erfolgt, dann fehlt auch die entsprechende Menge von Kohlenstoff und anorganischen Stoffen. Beim Hunger wird ausser Fett eine Substanz von der Zusammensetzung des Fleisches, mit dem Wasser-, Kohlenstoff- und Aschegehalt desselben zerst\u00f6rt; ich habe bei einer hungernden Katze aus der Stickstoffausscheidung einen Verlust von 196 Grm. trockenem Fleisch berechnet und nach den Sektionsresultaten, im Vergleich mit einer andern nicht hungernden Katze, einen solchen von 191 Grm. gefunden. Das Verh\u00e4ltniss von Asche zu Stickstoff im Harn ist bei F\u00fctterung mit den verschiedensten Mengen von Fleisch 1 : 3.13, beim Hunger 1 : 3.02 d. h. es muss beim Hunger etwas von der Zusammensetzung des Fleisches zersetzt worden sein. In 90 Hungertagen beim Hund waren im Harn und Koth 257.1 Grm. Asche vorhanden ; das nach dem ausgeschiedenen Stickstoff berechnete Fleisch h\u00e4tte 260.9 Grm. Asche gegeben. Wird im K\u00f6rper eine stickstoffhaltige Substanz zersetzt, welche nicht Fleisch ist, so \u00e4ndert sich auch das Verh\u00e4ltniss von Stickstoff und Asche im Harn, wie z. B.\n1 Voit. Ztschr. f. Biologie. II. S. 356. 1S66.\nHandbuch der Physiologie. Bd. VI.","page":65},{"file":"p0066.txt","language":"de","ocr_de":"66\nVoit, Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. Wege des Stoffverlustes etc.\nbei F\u00fctterung mit Leim ; es trifft dabei um so weniger Asche auf die gleiche Menge Stickstoff, je mehr Leim verzehrt worden war.\nAuch einzelne Aschebestandtheile des berechneten Fleisches erscheinen unter gew\u00f6hnlichen Verh\u00e4ltnissen im Harn und Koth z. B. die Phosphors\u00e4ure, woraus wieder hervorgeht, dass dabei als stickstoffhaltige Substanz im K\u00f6rper eine solche von der Zusammensetzung des Fleisches dem Umsatz unterliegt. E. Bischoff ') hat dargethan, dass bei einem Ansatz stickstoffhaltiger Substanz auf eine gewisse Menge von Stickstoff auch eine bestimmte Menge Phosphors\u00e4ure und zwar in gleichem Verh\u00e4ltnis wie im Fleische fehlt und ferner bei einem Verlust derselben so viel Phosphors\u00e4ure abgegeben wird als dem Fleische entspricht.\nUm die Frage zu entscheiden, ob ein Eingriff oder eine Substanz den Eiweissverbrauch beeinflusst, muss man, \u00e4hnlich wie vorher (S. 18) f\u00fcr die Gesammtzersetzung angegeben worden ist, einen bestimmten, l\u00e4n-gere Zeit gleichbleibenden Umsatz an Eiweiss herbeif\u00fchren, nur dann darf eine Aenderung in demselben auf jene Einwirkungen bezogen werden. Dies kann auf mehrfache Weise geschehen. Man versetzt den Organismus unter den schon besprochenen Kautelen in das Stickstoffgleichgewicht. Da eine genaue Abgrenzung des 24st\u00fcndigen Harns dazu noting ist, w\u00e4hlt man am besten einen Fleischfresser, einen Hund mittlerer Gr\u00f6sse, bei dem man alle die sp\u00e4ter zu er\u00f6rternden Momente, welche einen Einfluss auf die Ehveisszersetzung aus\u00fcben, gleich h\u00e4lt, so z. B. die Wasseraufnahme, den Fettgehalt des K\u00f6rpers u. s. w. Man f\u00fcttert zu dem Zweck das Thier mit der gleichen Menge reinen Fleisches, bis jener Zustand eingetreten ist; dann l\u00e4sst man bei der gleichen F\u00fctterung das zu pr\u00fcfende Agens oder den Stoff einwirken und sieht zu, ob die Stickstoffausscheidung sich \u00e4ndert, und kehrt darnach zur urspr\u00fcnglichen Versuchsanordnung zur\u00fcck. Oder man reicht kleinere Quantit\u00e4ten von Fleisch mit Fett oder St\u00e4rkemehl, wmbei allerdings die Wirkung auf den Eiwreissumsatz nicht in so hohem Maasse und nicht so deutlich hervortritt. Oder man w\u00fchlt, namentlich wTenn die zu pr\u00fcfende Substanz leicht Erbrechen des Futters hervorbringt, wue z. B. Phosphor oder arsenige S\u00e4ure u. s. w. den Hangerzustand und zw-ar zu einer Zeit, wo die Stickstoffausscheidung t\u00e4glich eine gleiclnn\u00e4ssige geworden ist; nur ist dabei zu beachten, dass das Thier nicht verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig zu fettarm wird, weil dann die Eiw'eisszerst\u00f6rung w\u00e4chst; man w\u00e4hlt deshalb zu solchen Versuchen keine jungen, noch fettarmen Tliiere, sondern \u00e4ltere, fettreiche.\n2. Messung der Ausscheidung des Kohlenstoffs, Wasserstoffs und Sauerstoffs und des Verbrauchs der koldenstoffhaltigen Stoffe, sowie\nder Aufnahme des Sauerstoffs.\nW\u00e4hrend der Stickstoff fast vollst\u00e4ndig durch den Harn und Koth den K\u00f6rper verl\u00e4sst, geht der gr\u00f6sste Theil des Kohlenstoffs\n1 E. Bischoff, Ztschr. f. Biologie. III. S. 309. 1867.","page":66},{"file":"p0067.txt","language":"de","ocr_de":"Ausscheidung von Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff.\n67\ngasf\u00f6rmig durch Haut und Lungen weg und nur ein verh\u00e4ltniss-m\u00e4ssig kleiner Theil in organischen Zersetzungsprodukten durch den Harn und Kotli.\nDie Bestimmung des Kohlenstoffs, Wasserstoffs, Sauerstoffs und des Wassers in den beiden letzteren Exkreten geschieht nach den gew\u00f6hnlichen analytischen Methoden. Der Harn wird auf Quarzsand ausgegossen, getrocknet und mit Kupferoxyd verbrannt. Die Hauptsache ist, dass man den auf den Tag treffenden Harn und Koth genau erh\u00e4lt.\nDie durch Haut und Lungen stattfindende Ausscheidung von Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff und die Aufnahme von Sauerstoff werden mit Hilfe eines Respirationsapparates untersucht. Der Kohlenstoff findet sich bekanntlich fast nur in der Form von Kohlens\u00e4ure, der Wasserstoff in Wasser; jedoch gehen unter Umst\u00e4nden sehr geringe Mengen von Kohlenstoff in Grubengas weg, ausserdem noch Wasserstoffgas. Im Wesentlichen handelt es sich also um die Bestimmung der Abgabe von Kohlens\u00e4ure und Wasser und der Aufnahme von Sauerstoff.\nF\u00fcr die Untersuchung des Gesammtstoffumsatzes und der Ern\u00e4hrungsverh\u00e4ltnisse, wobei der Verlust durch Haut und Lunge w\u00e4hrend 24 Stunden zugleich mit dem Harn und Koth an gr\u00f6sseren thierischen Organismen ermittelt werden muss, kommen jetzt wohl * nur mehr zwei Arten von Apparaten in Betracht, die nach dem Princip von R\u00e9gnault und Reiset gebauten und der Pettenkofer-sche, bei welchen die Thiere unversehrt und frei in dem Athemraum sich befinden.\nAlle die Vorrichtungen, welche nur f\u00fcr kurze Zeit, f\u00fcr einige Minuten bis eine Stunde, die durch die Lunge oder auch durch Haut und Lunge abgeschiedenen Athemgase zu bestimmen gestatten, sind zwar zur L\u00f6sung mancher wichtiger Fragen, namentlich der Art und Weise : des Gasaustausches, vom hohen Werthe, aber f\u00fcr unsere Zwecke nur in gewissen F\u00e4llen brauchbar. Man kann sie nur da verwenden, wo die Wirkung von Einfl\u00fcssen von kurzer Dauer auf die Gr\u00f6sse der Kohlens\u00e4ureausscheidung und des Sauerstoffverbrauchs untersucht werden soll z. B. der Temperatur der umgebenden Luft, des Lichtes, des Rhythmus der Athembewegungen, der Muskelanstrengung u. s. w., jedoch geben sie keinen Aufschluss \u00fcber die im K\u00f6rper stattfindenden Zersetzungen und \u00fcber die Stoffe, in die der Sauerstoff eintritt und aus denen die Kohlens\u00e4ure stammt. Man bestimmt dabei zuerst w\u00e4hrend einer gewissen Zeit die Gr\u00f6sse des Gaswechsels, dann gleich darauf unter der Einwirkung des zu pr\u00fcfenden Agens, und end-","page":67},{"file":"p0068.txt","language":"de","ocr_de":"68\nVoit, Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. Wege des Stoffverlustes etc.\nlieh wieder ohne dieselbe. Es ist zugleich daf\u00fcr Sorge zu tragen, dass der K\u00f6rperzustand und alle \u00fcbrigen Bedingungen in den drei Zeitabschnitten die n\u00e4mlichen bleiben. Bei Pflanzenfressern mit vollem Darmkanal \u00e4ndert sich im Verlauf von einigen Stunden der Verbrauch nur wenig; beim Fleischfresser lassen sich am besten im Hungerzustande solche Vergleiche anstellen. Die Zeit des Versuchs darf keinesfalls so kurz sein, dass die in den S\u00e4ften und der Lunge schon befindliche Kohlens\u00e4ure, welche bei ausgiebigerer Ventilation ausgeschieden wird, im Betracht kommt.1\nBei Anwendung des Princips von R\u00e9gnault und Reiset 2, dessen sich wahrscheinlich auch Lavoisier und Seguin bei ihren Untersuchungen \u00fcber die Sauerstoffaufnahme des Menschen bedienten, kommen die Thiere bekanntlich unter eine Glocke mit einem bekannten Volum atmosph\u00e4rischer Luft; die vom Thier abgegebene Kohlens\u00e4ure wird durch Kalilauge weggenommen und der verbrauchte Sauerstoff aus einem Vorrathe dieses Gases ersetzt. Durch die Analyse der am Ende des Versuchs in der Glocke befindlichen Luft erf\u00e4hrt man die Aenderung des Stickstoffs und die Abgabe anderer Gase z. B. von Wasserstoff- oder Grubengas. Nach dem gleichen Princip ist der von Pfl\u00fcger3 4 und seinen Sch\u00fclern H. Schulz, Oertmann und Colasanti benutzte Apparat gebaut sowie der Apparat Reiset\u2019s. 4 Ein Vorzug dieser Classe von Apparaten ist, dass der Sauerstoffconsum direkt bestimmt wird; ein Nachtheil, dass die Thiere in einem mit Wasserdampf ges\u00e4ttigten Raum, in dem auch allerlei riechende Gase sich ansammeln, athmen und desshalb die Abgabe von Wasser nicht zu ermitteln ist, 4vas f\u00fcr manche Zwecke sehr w\u00fcnschenswerth ist.\n1\tZu diesen Apparaten geh\u00f6ren : a) f\u00fcr den Menschen die von Davy, Research, chem. and philos. London 1800 ; W. Allen u.W. H. Pepys, Philos. Transact. II. p. 249. 1808; Schweigger\u2019s Journ. f. Chem. u. Physik. I. S. 182. 1811; Prout, Thomson\u2019s Ann. of philos. II. p. 328. 1814 ; Andral etGAVARRET, Ann. d. chim. et phys. (3) VIII. p. 129. 1843; Vierordt, Physiol, d. Athmens. Carlsruhe 1845; Ed. Smith, Philos. Transact. CXLIX. P. II. p. 681. 1859; Lossen, Ztschr. f. Biologie. II. S. 244. 1866; Kowalewski, Sitzgsber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1866. 30. Mai. S. 111 ; Speck, Schriftend. Ges. z. F\u00f6rder. d. ges.Naturwiss. X. S. 3. 1871. \u2014 Dann auch der Kastenapparat von Scharling, Ann. d. Chem. u. Pharm. XLY. S. 214. 1843. \u2014 b) f\u00fcr kleine Thiere die von Marchand, Journ. f. pract. Chem. XXXIII. S. 129. 1S44 ; Let\u00e9llier, Ann. d. chim. et phys. (3) XIII. p. 478. 1845; Lehmann, Abhandl. bei Begr\u00fcndung d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1846. S. 463 ; Moleschott, Unters. IL S. 315. 1857 ; Sanders-Ezn, Sitzgsber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1867. 21. Mai; R\u00f6hrig u. Zuntz, Arch. f. d. ges.Physiol. IV. S. 57. 1871; letzterer angewandt mit einigen Ver\u00e4nderungen bei denVersuchen von Platen \u00fcber den Einfluss des Lichtes, von Zuntz \u00fcber die Wirkung des Curare, von Paalzow \u00fcber Hautreize, von Pfl\u00fcger \u00fcber W\u00e4rme, von Finkler u. Oertmann \u00fcber Athemmechanik.\n2\tR\u00e9gnault u. Reiset, Ann. d. Chem. u. Pharm. LXXIII. S. 92. 1850.\n3\tSchulz, Pfl\u00fcger\u2019s Apparat, Arch. f. d. ges. Physiol. XIV. S. 78. 1877.\n4\tReiset, Ann. d. chim. et phys. (3) LXIX. 1863.","page":68},{"file":"p0069.txt","language":"de","ocr_de":"Ausscheidung von Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff.\n69\nDer Respirationsapparat von Pettenkofer 1 ist f\u00fcr die Untersuchung\u2019 der Gasabgabe gr\u00f6sserer Thiere und des Menschen bestimmt. Ein Raum von passender Gr\u00f6sse wird so ventilirt, dass der Kohlens\u00e4ure- und Wassergehalt in demselben durch das darin athmende Thier nicht gr\u00f6sser wird als in gut gel\u00fcfteten Wohnr\u00e4umen; statt der weggenommenen, in einer grossen Gasuhr gemessenen unreinen Luft tritt das gleiche Volum frischer Luft von Aussen zu. Das Wasser und die Kohlens\u00e4ure werden in Doppelproben direkt ermittelt, der Sauerstoff nur berechnet wie bei der Elementaranalyse. Aus den Proben wird auf die Gesammtmenge der durch den Apparat gegangenen Luft gerechnet. Dass dieses Verfahren richtig ist, geht mit Sicherheit aus der Pr\u00fcfung des Apparates auf die Genauigkeit seiner Angaben hervor. Die der Kohlens\u00e4urebestimmung wird durch Controlversuche mit brennenden Stearinkerzen oder Oel von bekannter Elementarzusammensetzung gepr\u00fcft; die des Wassers durch Verdampfung einer bekannten Menge von Wasser aus einer Retorte. Dieselben ergeben, dass in dem grossen Apparate die Kohlens\u00e4ure bis auf 2 %, das Wasser bis auf 3 % genau erhalten wird. Keine andere Vorrichtung zur Untersuchung der Athemgase ist wie diese auf den Grad der Zuverl\u00e4ssigkeit ihrer Angaben gepr\u00fcft worden. Der Sauerstoffverbrauch ist nach den Kontrolversuchen auf etwa 2 % zu ermitteln ; bei grossen Hunden und Menschen betr\u00e4gt der Fehler in demselben nach einer Erhebung der Fehlergrenzen h\u00f6chstens 10%.1 2 3 4\nW\u00e4hrend Henneberg 3 und Stohmann 4 mit ihren nach dem Muster des PETTENKOFER\u2019schen hergestellten Apparaten ebenfalls im Stande waren die Kohlens\u00e4ure einer verbrannten Stearinkerze bis auf einige Procent zu erhalten, zeigte die Wasserbestimmung die gr\u00f6ssten Differenzen. Stohmann sucht die Fehler auf eine Condensation von Wasser an den Wandungen zur\u00fcckzuf\u00fchren, die also um so bedeutender werden, je gr\u00f6sser die Wandfl\u00e4chen sind und je h\u00f6her der Feuchtigkeitsgrad der Luft ist;\n1\tPettenkofer, Abhandl. d.math.-physik. Cl.d.bayr. Acad. 2. Abth. IX. S. 231 ; 1S62; Ann. d. Chem. u. Pharm. Suppl.-Bd. II. S. 1. 1862. Ueber die Bestimmung von AVasserstoff u. Grubengas : Pettenkofer u. Voit, Sitzgsber. d. bayr. Acad. II. S. 162.\n1862.\t\u2014 Ueber die Bestimmung desAYassers : Pettenkofer. Sitzgsber. d. bayr. Acad.\n1863.\t14. Febr. S. 152.\n2\tNach dem gleichen Princip wie der Pettenkofer\u2019sche Apparat sind gebaut die Apparate von: Liebermeister, Deutsch. Arch. f. klin. Med. VII. S. 75 (Bestimmung d. Kohlens\u00e4ure beim Menschen) : Renneberg, Neue Beitr\u00e4ge etc. 1870. 1. Heft u. Ber. d. deutsch, chem. Ges. III. S. 408. 1870 (zur Untersuch, d. Respiration d. Rindes und Schafs) ; Stohmann, Landw.A7ersuchsstationen. XIX. S. 81.1876 (f\u00fcr gr\u00f6ssere land-wirthschaftliche Nutzthiere); A7oit, Ztschr. f. Biologie. XI. S. 532. 1875 (Apparat f\u00fcr mittelgrosse Hunde und kleinere Thiere). \u2014 Auch Grouven hat einen Athemapparat f\u00fcr gr\u00f6ssere Thiere angegeben (Physiol.-chem. Unters. 1864. 2. Ber. S. 207).\n3\tHenneberg, Neue Beitr\u00e4ge. 1870. S. 39\u201467.\n4\tStohmann. Landw. Arersuchsstationen. XIX. S. 81 u. 159. 1876).","page":69},{"file":"p0070.txt","language":"de","ocr_de":"70 Voit, Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. Wege des Stoffverlustes etc.\nbei jeder Ver\u00e4nderung\u2019 des Feuchtigkeitsgehaltes der in die Kammern einstr\u00f6menden Luft wird bei zunehmender Feuchtigkeit eine Verdichtung von Wasser stattfinden, bei trockener Luft dagegen eine Wegnahme desselben. Er berechnet, dass dies im Maximum bei den grossen Apparaten in Weende und Leipzig 96 Grm. Wasser betragen k\u00f6nne, bei dem in M\u00fcnchen 31 Grm.; bei Versuchen mit grossen Thieren, z. B. Ochsen, die im Tag 5000 \u2014 6000 Wasser verdampfen, wird dadurch ein Fehler von h\u00f6chstens 2\u00b0/o bedingt, bei kleineren Thieren mit geringerer Wasserausscheidung, z. B. Ziegen, macht er 10% aus. Ich habe mit meinem Bruder Ernst und mit J. Forster1 eingehende Untersuchungen \u00fcber die Wasserbestimmung im Pettenkofer\u2019scIigii Apparate angestellt, um \u00fcber die Fehlerquellen ins Klare zu kommen und die Bestimmung m\u00f6glichst genau zu machen. Man darf zu den Controlversuchen f\u00fcr Wasser nicht Stearinkerzen nehmen, da sie zu wenig Wasser liefern und ihr Wasserstoff nicht vollst\u00e4ndig verbrennt, man muss soviel Wasser verdunsten als die Thiere an Wasserdampf abgeben. In diesem Falle erhielten wir das Wasser bis auf 3% wieder, so dass unser Apparat auch daf\u00fcr genaue Resultate giebt; es ist auch wesentlich, dass die W\u00e4nde der Kammer die gleiche Temperatur besitzen, wie die eintretende Luft und die Ventilation eine ausreichende ist, um Niederschl\u00e4ge von Wasser zu vermeiden.\nDie Respirationsversuche von R\u00e9gnault und Reiset sind, was die direkte Ermittlung des aufgenommenen Sauerstoffs betrifft, vielleicht die genauesten, die es giebt. Die beiden franz\u00f6sischen Forscher verfolgten aber dabei einen ganz anderen Zweck als Petten-kofer und ich, sie studirten in einseitiger Weise den Gas Wechsel bei verschiedenen Thieren ohne Zusammenhang mit den Zersetzungen im Thierk\u00f6rper und ohne zu fragen, aus welchen Stoffen die Kohlens\u00e4ure hervorgegangen ist. Sie haben daher keine Aufschl\u00fcsse gebracht \u00fcber den Stoffumsatz und die Vorg\u00e4nge bei der Ern\u00e4hrung, und konnten sie auch nicht bringen, da dabei auf den Harn und auf die Nahrung gar keine R\u00fccksicht genommen worden ist. Der Apparat von R\u00e9gnault und Reiset war nur f\u00fcr kleinere Thiere, bei denen ein direktes Auffangen des 24 st\u00fcndigen Harns nicht m\u00f6glich ist, geeignet ; die von Pettenkofer und mir an gr\u00f6sseren Hunden und Menschen erhaltenen Resultate h\u00e4tten durch jenen Apparat gar nicht gewonnen werden k\u00f6nnen.\nMan k\u00f6nnte allerdings daran denken, denselben zu vergr\u00f6ssern, so dass er auch f\u00fcr gr\u00f6ssere Hunde und f\u00fcr Menschen, also zur Untersuchung des Gesammtstoffwechsels brauchbar w\u00e4re. Es fragt sich aber sehr, ob dies gelingen w\u00fcrde, wenigstens ermuntern die ganz absonderlichen und unm\u00f6glichen Ergebnisse der REisET\u2019schen Untersuchung an Schafen nicht dazu. Die Schwierigkeiten und M\u00fchen bei Vergr\u00f6sserung des Apparates w\u00e4ren gewiss ganz ausserordentlich; es wird kaum aus-\n1 C. u. E. Voit u. J. Forster. Ztschr. f. Biologie. XL S. 126. 1875.","page":70},{"file":"p0071.txt","language":"de","ocr_de":"Ausscheidung von Kohlenstoff. Wasserstoff und Sauerstoff'.\n71\nf\u00fchrbar sein, die f\u00fcr das Athmen eines Menschen n\u00f6tbigen Quantit\u00e4ten von Sauerstoff (gegen 800 Liter) rein herzustellen und f\u00fcr einen 24stiin-digen Versuch bereit zu halten, sowie eine gen\u00fcgende Ventilation f\u00fcr ihn zu besorgen; man muss bedenken, dass die von R\u00e9gnault und Reiset ben\u00fctzten kleinen Hunde manchmal am Ersticken waren und wie todt aus der Glocke gezogen wurden.\nDurch Messung der Kohlens\u00e4ureabgabe durch Haut und Lunge erh\u00e4lt man nur einen Theil des Stoffumsatzes, und nicht einmal ganz den des Kohlenstoffs, da ein gewisser Antheil des letzteren auch im Harn und Kotli entfernt wird. Die Messung des Sauerstoffverbrauchs giebt ebenfalls kein Maass des Stoffwechsels ab; dies w\u00e4re dann der Fall wenn nur ein Stoff im K\u00f6rper oxydirt w\u00fcrde z. B. nur Fett oder nur Eiweiss. Da aber in der Mehrzahl der F\u00e4lle mehrere Stoffe mit ungleichem Kohlenstoffgehalt und Sauerstoffbed\u00fcrfniss verbrannt werden, ausser Eiweiss auch Fett oder Kohlehydrate in sehr wechselnden Proportionen, und desshalb das Verh\u00e4ltniss der Kohlens\u00e4ure zum Sauerstoff ein sehr verschiedenes ist, so kann weder durch die Kohlens\u00e4ure noch durch den Sauerstoff der Stoffwechsel gemessen werden. Es giebt allerdings die Kohlens\u00e4ureausscheidung und die Sauerstoffaufnahme eine der Wahrheit n\u00e4her kommende Sch\u00e4tzung des Gesammtverbrauchs wie der excernirte Stickstoff, weil sowohl die stickstoffhaltigen als auch die stickstofffreien im K\u00f6rper zerst\u00f6rten Stoffe Kohlenstoff enthalten und zwar dreimal mehr wie Stickstoff.\nWenn bei Zufuhr von Kohlehydraten diese zerst\u00f6rt werden, so kann trotz vermehrter Kohlens\u00e4ureausscheidung der Sauerstoffverbrauch kleiner sein wie beim Hunger, wo anstatt der Kohlehydrate das mehr Sauerstoff in Anspruch nehmende Fett verbrannt wird. \u2014 Ein Hund zersetzte nach den Versuchen von Pettenkofer und mir an einem Hungertage 40 Grm. trockenes Fleisch und 95 Grm. Fett (\u2014 135 Grm. Trockensubstanz) unter Aufnahme von 330 Grm. Sauerstoff; in einem zweiten Falle bei Darreichung von 500 Grm. Fleisch und Aufnahme der n\u00e4mlichen Sauerstoffmenge (329 Grm.) wurden 136 Grm. trockenes Fleisch und 47 Grm. Fett (= 183 Grm. Trockensubstanz) zerst\u00f6rt; darf man nun sagen, dass wegen des gleichen Sauerstoffverbrauchs der Umsatz an den beiden Tagen der gleiche war? \u2014 Ein ander Mal verfielen nach Aufnahme von 1800 Grm. Fleisch ausschliesslich 423 Grm. trockenes Fleisch der Zersetzung unter Einnahme von 592 Grm. Sauerstoff; ist hier nach dem Sauerstoffconsum beurtheilt der Stoffwechsel nahezu doppelt so gross wie beim Hunger? \u2014 Ich habe ein und denselben Hund ann\u00e4hernd auf seinem stofflichen Best\u00e4nde erhalten mit 1500 Grm. Fleisch, ferner mit 450 Grm. Fleisch unter Zusatz von 159 Grm. Fett, und endlich mit 436 Grm. Fleisch unter Zusatz von 250 Grm. St\u00e4rkemehl und 18 Grm. Fett; die Kohlens\u00e4ureabgabe war in allen drei F\u00e4llen nahezu die gleiche, dagegen schwankte","page":71},{"file":"p0072.txt","language":"de","ocr_de":"72 Voit, Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. Wege des Stoffverlustes etc.\nder Sauerstoffverbrauch um 34 %, es kann aber Niemand entscheiden, ob der Stoffwechsel in dem einen oder andern Fall gr\u00f6sser oder kleiner war. \u2014 Bei F\u00fctterung mit 350 Grm. Fett und einem t\u00e4glichen Verbrauch von 55 Grm. Eiweiss und 164 Grm. Fett (mit 219 Grm. Trockensubstanz) lieferte der Hund 519 Grm. Kohlens\u00e4ure und hatte zur Oxydation 522 Grm. Sauerstoff noting; bei F\u00fctterung mit 2000 Grm. Fleisch und einem Zerfall von 493 Grm. Eiweiss (mit 435 Grm. Trockensubstanz) lieferte das Thier 604 Grm. Kohlens\u00e4ure und nahm 517 Grm. Sauerstoff auf; es wurde also zuf\u00e4llig beide Male nahezu die gleiche Menge von Sauerstoff in Anspruch genommen, obwohl man bei der grundverschiedenen Zerst\u00f6rung im K\u00f6rper gewiss nicht den gleichen Stoffwechsel annehmen kann. \u2014 In dem vorher angegebenen Beispiel verzehrte der Hund 500 Grm. Fleisch und zerst\u00f6rte 137 Grm. trockenes Fleisch und 47 Grm. Fett (= 183 Grm. Gesammt-Trockensubstanz); die Menge des Sauerstoffs betrug 329 Grm., die der Kohlens\u00e4ure 343 Grm. Als aber das Thier 1500 Grm. Fleisch erhielt, nahm es bei Zersetzung von 282 Grm. Eiweiss oder von 269 Grm. Trockensubstanz nahezu die gleiche Menge von Sauerstoff (354 Grm.) auf wie vorher, d. h. es verbrauchte um 49% Trockensubstanz mehr wie bei F\u00fctterung mit 500 Grm. Fleisch trotz gleicher Quantit\u00e4t des Sauerstoffs.1\nAus diesen Beispielen geht auch zur Gen\u00fcge hervor, dass man aus dem Gleichbleiben der Kohlens\u00e4ureausscheidung und der Sauerstoffaufnahme nach dem Einspritzen einer Substanz z. B. von Zucker in das Blut nicht schliessen darf, diese Substanz sei nicht verbrannt, denn es kann sehr wohl der Zucker oxydirt, aber durch ihn ein anderer Stoff im K\u00f6rper z. B. Fett vor der Oxydation bewahrt worden sein.'2 Es ist ferner nicht m\u00f6glich, aus dem unver\u00e4nderten Sauerstoffverbrauch ein Gleichbleiben des Stoffwechsels und der Eiweisszersetzung zu entnehmen; letztere kann bei dem n\u00e4mlichen Sauerstoffverbrauch die gr\u00f6ssten Verschiedenheiten zeigen.3 Dass die Aufnahme des Sauerstoffs und die Abgabe der Kohlens\u00e4ure nicht\n1\tDas Verh\u00e4ltniss des in der Respiration aufgenommenen Sauerstoffs zu dem in der Kohlens\u00e4ure abgegebenen, der von Pfl\u00fcger sogenannte respiratorische Quotient, richtet sich vorz\u00fcglich nach den im K\u00f6rper zersetzten organischen Stoffen. Es kann ausschliesslich Eiweiss zerst\u00f6rt werden oder neben demselben die verschiedensten Mengen von Fett und von Kohlehydraten. Da diese Stoffe ungleiche Quantit\u00e4ten von Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff enthalten und nach der Ueberf\u00fchrung des Kohlenstoffs in Kohlens\u00e4ure mehr oder weniger Wasserstoff zur Oxydation noch \u00fcbrig bleibt, so f\u00e4llt jener Quotient verschieden aus, und zwar um so niedriger, je mehr Wasserstoff noch zu verbrennen ist, also am niedrigsten beim Zerfall von viel Fett, am h\u00f6chsten beim Zerfall von viel Kohlehydrat. Sind zu gewissen Zeiten nach der Nahrungsaufnahme noch unverhrannte Zwischenprodukte der Zersetzung im K\u00f6rper angeh\u00e4uft, oder werden Stoffe anderweit ausgeschieden z. B. Zucker im Harn oder Wasserstoff und Grubengas in der Perspiration, dann \u00e4ndert sich entsprechend der Quotient (siehe hier\u00fcber: Voit, Ztschr. f. Biologie. XIV. S. 124. 1878).\n2\tSiehe Scheremetjewski, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1868. 12. Dec. S. 154.\n3\tSiehe Oertmann, Arch. f. d. ges. Physiol. XV. S. 397. 1877.","page":72},{"file":"p0073.txt","language":"de","ocr_de":"Ausscheidung von Kohlenstoff, Wasserstoffund Sauerstoff.\n73\nden Zerfall der stickstofffreien Bestandtkeile angiebt, ist leicht einzusehen, da das Eiweiss bei seinem Zerfall auch Sauerstoff in Anspruch nimmt und Kohlens\u00e4ure liefert, ja unter Umst\u00e4nden ausschliesslich oxydirt wird. Man hat in der Menge der Kohlens\u00e4ure und des Sauerstoffs nur dann einen Maassstab f\u00fcr eine Aenderung in der Gr\u00f6sse des Stoffwechsels unter irgend welchem Einfl\u00fcsse, wenn aus anderweitigen Versuchen vorher bekannt ist, dass sich durch letzteren die Zersetzung nur eines Stoffes im K\u00f6rper \u00e4ndert z. B. nur die des Fettes und nicht die des Eiweisses, wie es bei der Muskelanstrengung oder in der K\u00e4lte der Fall ist. Zu einem Maass f\u00fcr den Stoffwechsel muss man die Menge aller im K\u00f6rper in einer gewissen Zeit in Zersetzung gerathenen Stoffe kennen.\nAus der Gesammtkoklenstoffausscheidung im Tag erh\u00e4lt man aber ein Maass des Kohlenstoffverbrauchs im K\u00f6rper; dieser Kohlenstoff kann in den verschiedensten Stoffen, stickstoffhaltigen und stickstofffreien, enthalten gewesen sein z. B. in Eiweiss, Fett, Kohlehydraten etc. Ohne weitere Untersuchungen weiss man daher nicht, woher der ausgeschiedene Kohlenstoff stammt.1\nHat man aber bei einem gr\u00f6sseren Organismus ausser dem Ge-sammtverbrauch an Kohlenstoff auch den an Stickstoff w\u00e4hrend eines Tages bestimmt, dann lassen sich daraus weitere Schl\u00fcsse auf die Stoffzersetzungen im K\u00f6rper machen.2\nAus der Stickstoffmenge der Exkrete erf\u00e4hrt man n\u00e4mlich unter den fr\u00fcher angegebenen Einschr\u00e4nkungen ohne wesentlichen Fehler die Umsatzgr\u00f6sse des Eiweisses, woraus sich der darin befindliche Kohlenstoff seiner Menge nach berechnen l\u00e4sst. Ist nun bei ausschliesslicher F\u00fctterung mit eiweissartiger Substanz ebenso viel Kohlenstoff ausgeschieden worden als im zersetzten Eiweiss enthalten ist, so ist nur Eiweiss zerst\u00f6rt worden und keine andere Substanz;\nso war es z. B. bei dem Bilanzversuch von Pettenkofer und mir.\n/\nwo w\u00e4hrend f\u00fcnf Tagen s\u00e4mmtliche Elemente des verf\u00fctterten Fleisches (7500 Grm.) genau in den Exkreten sich vorfanden.\nKommt mehr Kohlenstoff zur Ausscheidung als im zersetzten Eiweiss sich befindet, so muss irgend eine kohlenstoffhaltige, stickfreie Substanz des K\u00f6rpers noch zerst\u00f6rt worden sein. Es ist nach den fr\u00fcheren Darlegungen nicht m\u00f6glich, dass dabei noch mehr Eiweiss in Zerfall gerathen ist, von welchem wohl der gr\u00f6sste Theil des Kohlenstoffs ausgeschieden, der Stickstoff aber im K\u00f6rper in\n1\tSiehe Zuntz, Landw. Jahrb. 1S79. S. 95 (Anmerkung).\n2\tSolche Auslegungen der Versuchsresultate haben zuerst Bidder u. Schmidt, dann in gr\u00f6sserer Ausdehnung Pettenkofer und ich gemacht.","page":73},{"file":"p0074.txt","language":"de","ocr_de":"74\nVoit, Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. Wege des Stoffverlustes etc.\nZersetzungsprodukten wie z. B. in Kreatin oder in Harnstoff zur\u00fcckgehalten wurde, da eine solche Aufstapelung stickstoffhaltiger Zersetzungsprodukte in erheblicher Menge nicht vorkommt. War das Thier dabei im Hungerzustande bei leerem Darm, so kann der \u00fcbersch\u00fcssige Kohlenstoff auf nichts anderes als auf Fett bezogen werden. Ein hungerndes Thier nimmt im Wesentlichen an ei weissartiger (oder leimgebender) Substanz und an Fett ab ; der Verlust an anderen organischen Stoffen kommt gegen die grosse Menge der genannten nicht in Betracht. Denn Eiweiss (oder leimgebende Substanz) und Fett herrschen im K\u00f6rper der Art vor, wie jeder sich durch den Augenschein an den in den Fleischerl\u00e4den ausgestellten fettreichen Thierst\u00fccken \u00fcberzeugen kann, dass dagegen der Gehalt an den \u00fcbrigen stickstoffhaltigen und stickstofffreien Stoffen ein verschwindend kleiner ist. Es findet sich ja z. B. Glykogen in der Leber und in den Muskeln, aber die Menge desselben ist nur eine geringe ; wird ein Versuchstag in der fr\u00fcher angegebenen Weise abgeschlossen, so dass am Anfang und am Ende desselben der K\u00f6rper oder wenigstens der Darmkanal in dem gleichen Zustande sich befindet, dann ist der Vorrath des Glykogens in den Organen nur sehr wenig verschieden. In der Zwischenzeit bei voller Verdauung sind allerdings erfahrungsgem\u00e4ss solche Zwischenprodukte der Zersetzung von Eiweiss, Fett und Kohlehydraten in gr\u00f6sserer Menge vorhanden (S. 17 u. 59). Pettenkofer und ich 1 haben durch den Versuch am Hunde bewiesen, dass beim Hunger im Wesentlichen nur Eiweiss und Fett zu Grunde geht, denn es stimmt, wenn man aus der Stickstoffausscheidung den Eiweissverlust entnimmt und den \u00fcbersch\u00fcssigen Kohlenstoff auf Fett berechnet, die zur Verbrennung dieses Eiweisses und Fettes n\u00f6thige Sauerstoffmenge mit der wirklich aufgenommenen \u00fcberein. Man wird daher ohne erheblichen Fehler jenen \u00fcbersch\u00fcssigen Kohlenstoff auf vom K\u00f6rper abgegebenes Fett berechnen d\u00fcrfen, wenn man bei F\u00fctterung mit Eiweiss oder mit Fett oder mit beiden solchen zur Verf\u00fcgung hat. Man nimmt dabei als Mittel f\u00fcr alle Fette im Thierk\u00f6rper die Zusammensetzung von 76.50 \u00b0o Kohlenstoff, 11.90 \u00b0/o Wasserstoff und 11.60% Sauerstoff an.2\nFehlt dagegen eine gewisse Menge von Kohlenstoff der Nahrung, so kann diese unter den vorher gemachten Voraussetzungen nur in der Form von Fett im K\u00f6rper abgelagert worden sein, besonders wenn der Ansatz l\u00e4ngere Zeit fortw\u00e4hrt und das Thiei an Gewicht zunimmt und dick wird. Hat man Fett gef\u00fcttert, so war\n1\tPettenkofer u. Voit, Ztsclir. f. Biologie. V. S..372 u. 374. 1S69.\n2\tE. Schulze u. Reinecke. Lanclw. Versuchsstationen. IX. S. 97. 1S9 <.","page":74},{"file":"p0075.txt","language":"de","ocr_de":"Ausscheidung von Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff.\n7 \u00f6\ndieses voraussichtlich die Quelle des im Organismus abgesetzten Fettes. Bei Aufnahme von Eiweiss und Fett besteht die M\u00f6glichkeit, dass der fehlende Kohlenstoff aus dem Fett oder dem Eiweiss herr\u00fchrt; im letzteren Falle m\u00fcsste das verzehrte Fett zerst\u00f6rt, und aus dem Eiweiss bei dem Zerfall Fett entstanden und zur\u00fcckbehalten worden sein. L\u00e4sst sich aber bei ausschliesslicher Aufnahme von Eiweiss wohl aller Stickstoff, jedoch nicht aller Kohlenstoff desselben in den Exkreten finden, so ist aus dem Eiweiss Fett angesetzt worden. Man kann auch hier nicht an ein anderes stickstofffreies Produkt denken z. B. an Glykogen oder an Traubenzucker, denn dann w\u00fcrde sich bei l\u00e4ngerer Dauer der Versuchsreihe der Zucker in gewaltigen Quantit\u00e4ten anh\u00e4ufen; in einer 38t\u00e4gigen Reihe h\u00e4tte z B. die Kohlenstoffaufspeicherung nach den Respirationsversuchen am Hunde 1940 Grm. Traubenzucker entsprochen, eine Menge die zu keiner Zeit im K\u00f6rper dieses Thieres enthalten ist b Aus dem Studium der Stickstoff- oder Schwefelausscheidung erf\u00e4hrt man also nur, wieviel Eiweiss in den Zerfall gezogen worden ist, aber nicht ob die stickstofffreien Spaltungsprodukte (Fett) bis in die letzten Ausscheidungsstoffe verwandelt worden sind; dies wird erst durch die Untersuchung des Kohlenstoffverbrauchs entschieden.\nBesonders schwierig wird die Beurtheilung jedoch, wenn Kohlehydrate oder andere stickstofffreie Stoffe ausser Fett in die S\u00e4fte gelangt sind. Erscheint dabei ebensoviel Stickstoff und Kohlenstoff in den Exkreten als in dem dargereichten Eiweiss und den Kohlehydraten enthalten war und zwar in einer l\u00e4ngeren Reihe, so ist wohl der Schluss erlaubt, dass das Eiweiss und die Kohlehydrate zerst\u00f6rt worden sind und sich der K\u00f6rper eben auf seinem Bestand erhalten hat. Wird ein Plus von Kohlenstoff entfernt, dann darf man annehmen, dass das Eiweiss und das Kohlehydrat der Zersetzung anheimgefallen sind, und ausserdem noch eine im K\u00f6rper abgelagerte kohlenstoffhaltige, stickstofffreie Substanz, als welche auch hier nur das Fett in Betracht kommt; man m\u00fcsste denn die unwahrscheinliche Annahme machen wollen, dass aus den Kohlehydraten ganz oder theilweise Fett im K\u00f6rper entstanden ist und aufgespeichert wurde, w\u00e4hrend daf\u00fcr vorher in den Geweben abgelagertes Fett verbrannte; nicht minder gewagt scheint es mir zu meinen, es gerathe unter Umst\u00e4nden mehr Eiweiss, als der Stickstoffausscheidung entspricht, in Zerfall, der stickstoffhaltige Theil desselben \\ ei kn\u00fcpfe sich jedoch mit dem Koblehvdrat zu neuem Eiweiss\n1 Pettenkofer il. Voit, Ztsehr. f. Biologie. YII. S. 490. 1871.","page":75},{"file":"p0076.txt","language":"de","ocr_de":"76\nVoit, Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. \"Wege des Stoftverlustes etc.\nund der stickstofffreie werde v\u00f6llig oxydirt. Wird endlich weniger Kohlenstoff ausgeschieden als im zerst\u00f6rten Eiweiss und dem resor-birten Kohlehydrat sich befindet, so ist Kohlenstoff in irgend welcher Verbindung im K\u00f6rper zur\u00fcckgeblieben. Dies kann nach unseren Darlegungen nicht ein Kohlehydrat sein, wenigstens nicht, wenn das Thier nach Ablauf von 24 Stunden wieder n\u00fcchtern ist; hier kommt wiederum nur Fett, aus dem Eiweiss oder dem Kohlehydrat entstanden, in Frage. Nur wenn die Menge der im K\u00f6rper angeh\u00e4uften Zwischenprodukte der Zersetzung zu- oder abnimmt, namentlich bei Aenderung in der Kost, wo sich z. B. bei reichlicher F\u00fctterung mit Kohlehydraten mehr Glykogen in der Leber und in den Muskeln anh\u00e4uft, entsteht ein kleiner Fehler; zur Vermeidung desselben giebt man vor dem entscheidenden Respirationsversuche mehrere Tage lang die gleiche Nahrung, um die S\u00e4ttigung des K\u00f6rpers mit jenen Produkten abzuwarten.\nNach dem Angegebenen ist es selbstverst\u00e4ndlich, dass der Kreislauf des Kohlenstoffs im Thierk\u00f6rper nicht aus der Differenz des Kohlenstoffgehalts von Harn und Koth und des der Einnahmen zu entnehmen ist, wie es bei den Stoffwechselgleichungen von Boussin-gault und Barral u. s. w. geschah. Es finden in der Kohlenstoffmenge selbst beim ausgewachsenen Organismus, mehr als man fr\u00fcher dachte, Schwankungen, ein Ansatz oder ein Verlust, statt, die nur durch das Studium der gesammten Kohlenstoffabgabe zu verfolgen sind.\nWill man untersuchen, ob eine Substanz oder ein Eingriff von Einfluss ist auf den Kohlenstoff- oder Fettverbrauch, so muss man, wie es fr\u00fcher (S. 66) in entsprechender Weise f\u00fcr den Eiweissum-satz angegeben worden ist, vorher eine constante Ausscheidung des Kohlenstoffs herbeif\u00fchren und alle \u00fcbrigen Faktoren, welche von Einfluss darauf sind, gleich halten, so namentlich die Bewegung des Thieres oder die \u00e4ussere Temperatur.\nDie ganze Bedeutung eines Stoffes oder eines Agens f\u00fcr den Stoffwechsel und die Ern\u00e4hrung kann nur festgestellt werden, wenn man die Wirkungen desselben auf den Zerfall der haupts\u00e4chlichsten organischen Stoffe, also des Eiweisses, des Fettes u. s. w. oder auf den Stickstoff- und Kohlenstoff verbrauch ermittelt '. Es giebt Agentien, welche die Zersetzung des Eiweisses nicht \u00e4ndern, wohl aber die des Fettes ; andere welche nur auf letztere wirken, oder solche welche in ganz verschiedenem Grade den Eiweiss- und Fettzerfall beeinflussen.\n1 Siehe Im. Munk, Arch. f. path. Anat. LXXXI. S. 119. 1879, LXXX. S. 10. 1880.","page":76},{"file":"p0077.txt","language":"de","ocr_de":"Ausscheidung sonstiger im K\u00f6rper befindlicher Elemente.\nr ^ t (\n3. Messung der Ausscheidung der \u00fcbrigen Elemente und Bedeutung\nder Ermittlung derselben.\nEs kommen nach der Bestimmung' des Stickstoffs, Kohlenstoffs, Wasserstoffs und Sauerstoffs in den Exkreten f\u00fcr die Erledigung mancher Fragen auch noch die \u00fcbrigen im K\u00f6rper befindlichen Elemente, namentlich Schwefel, Phosphor, Chlor, Kalium, Natrium, Calcium, Magnesium und Eisen in Betracht,\nDiese Elemente werden, wenn wir von dem geringf\u00fcgigen Verlust durch die Horngebilde absehen, f\u00fcr gew\u00f6hnlich ausschliesslich im Harn und Koth, nur in seltenen F\u00e4llen mit dem Schweisse entfernt, und zwar vorz\u00fcglich in anorganischen Verbindungen, womit jedoch nicht gesagt ist, dass sich dieselben auch in diesen Verbindungen in den G-eweben und S\u00e4ften oder in der Nahrung befunden haben. Zum Theil sind sie jedoch auch in organischen Verbindungen enthalten z. B. ein Theil des Schwefels, oder mit solchen vereinigt wie z. B. Natrium mit Harns\u00e4ure.\nMan kann aus der Untersuchung der Einnahmen und Ausgaben entnehmen, ob der K\u00f6rper sich auf seinem Bestand an diesen Elementen erh\u00e4lt oder ob ein Ansatz oder eine Ablagerung derselben stattfindet. Nur zum Theil vermag man anzugeben, in welchen Verbindungen sie im Organismus enthalten waren; unser Wissen ist in dieser Beziehung noch sehr l\u00fcckenhaft. Da die Aschezusammensetzung f\u00fcr die S\u00e4fte und Gewebe, sowie f\u00fcr gewisse Organe eine ganz charakteristische ist, so ist es auch in gewissen F\u00e4llen m\u00f6glich zu entscheiden, in welchen Organen dieselben abgelagert waren.\nDer Schwefel ist im Harn nicht ausschliesslich, wie man fr\u00fcher glaubte, in Schwefels\u00e4ure enthalten, er kann daher daraus nicht vollst\u00e4ndig durch Chlorbaryum ausgef\u00e4llt werden l. Im Koth findet er\n1 Edm. Ronalds (Philos. Transact, of the Royal Society of London. IY. p. 461. 1846; Journ. f. pract. Chem. XLI. S. 185. 1847) hat zuerst angegeben, dass im Menschenharn nicht aller Schwefel in Schwefels\u00e4ure enthalten ist und ein Theil desselben erst nach der Verbrennung mit Salpeter gewonnen wird. Ich habe sp\u00e4ter das Gleiche f\u00fcr den Harn des Hundes und der Katze dargethan und dies Verhalten dann f\u00fcr die Stoffwechseluntersuchungen verwerthet (siehe Bischoff u. Voit, Die Gesetze der Ern\u00e4hrung des Fleischfressers. S. 279. 1860; Voit, Ztschr. f. Biologie. I. S. 127 u. 129. 1865, X. S. 216. 1874, Anmerkung; E. Bischoff, Ztschr. f. rat. Med. (3) XXL S. 149. 1864. Schmiedeberg fand im Harn von Hunden und Katzen unterschweflige S\u00e4ure (Arch. d. Heilk.VIII. S. 422.1867). Der Harn entwickelt mit Zink und Salzs\u00e4ure Schwefelwasserstoff nach Sch\u00f6nbein (Sitzgsber. d. bayr. Acad. 1864. S. 307), Sertoli (Gaz. med. ital. Lomb. 1869. p. 197), Loebisch (Sitzgsber. d. Wiener Acad. 2. Abth. LXIII. S. 488. 1871). Baumann entdeckte im Harn die gebundenen Schwefels\u00e4uren (Ztschr. f. physiol. Chem. I. S. 70. 1877 ; Arch. f. d. ges. Physiol. XIII. S. 285. 1876 ; Ztschr. f. analyt. Chem. XVII. S. 122. 1878 ; Salkowseu, Arch. f. pathol. Anat. LXXIX. S. 551 ; v. d. \\elden, Ebenda. LXX. S. 343. 1877). Schwefelcyan wiesen im Harn nach R. Gscheidlen (52. Jahresber. d. schles. Ges. f. vaterl. Cultur 1874.","page":77},{"file":"p0078.txt","language":"de","ocr_de":"78\nVoit, Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. Wege des Stoffverlustes etc.\nsich wahrscheinlich an Eisen gebunden vor, wenigstens entwickelt der Koth des Fleischfressers nach Aufnahme von Fleisch mit S\u00e4uren reichlich Schwefelwasserstoffgas. Um seine Gesammtmenge zu erhalten, muss man daher den trockenen Harn und Koth, sowie die Nahrung mit Aetzkali und Salpeter im Silbertiegel verbrennen * 1 ; die Untersuchung der Schwefels\u00e4uremenge im Harn hat daher f\u00fcr unsere Zwecke keine Bedeutung.\nIch habe auf diese Weise die Schwefelausscheidung bestimmt und mit der Schwefelzufuhr verglichen, und gezeigt, dass unter gewissen Verh\u00e4ltnissen aller Schwefel der Einnahmen in den Ausgaben wieder zu finden ist. Ich habe auch zuerst den excernirten Schwefel neben dem Stickstoff als Maass des Eiweissverbrauchs ben\u00fctzt ; man hat sp\u00e4ter in \u00e4hnlicher Art in manchen F\u00e4llen den Schwefelgehalt der Ausscheidungen ermittelt, um zu entscheiden, ob der dabei abgegebene Stickstoff aus dem schwefelhaltigen Eiweiss stammt oder aus irgend einem anderen stickstoffhaltigen, aber schwefelfreien Stoff. (E. Salkowski, Feder.) Jedoch muss man bei einer solchen Berechnung ausserordentlich vorsichtig sein, da die Schwefelmenge im Eiweiss im Verh\u00e4ltniss zum Stickstoff eine sehr geringe ist (1 : 16).'2 3\nDie Bestimmung des Schwefels der Einnahmen und Ausgaben lehrt uns also das gleiche wie die der Eiweisszersetzung, aus welcher der in den Exkreten befindliche Schwefel hervorgeht : Alles was f\u00fcr den Verbrauch an Eiweiss gilt, gilt auch f\u00fcr die Ausscheidung des Schwefels. Der gr\u00f6sste Theil des Schwefels wird im Harn entfernt ; beim Hund gehen nach F\u00fctterung mit 1800 Fleisch nur 3.4\u00b0 o, bei F\u00fctterung mit 500 Fleisch 10.6% des Schwefels der Einnahmen in den Koth \u00fcber; der im Koth vorhandene Schwefel ist nicht immer in unverdautem Eiweiss enthalten, wenigstens findet sich beim Hund nach F\u00fctterung mit reinem Fleisch in dem eiweissfreien Koth noch Schwefel vor, der wohl von dem Taurin der Galle abstammt4.\n1875. S. 207 ; Tagebl. d. 47. Vers. d. Naturf. u. Aerzte in Breslau. 1874. S. 98; Arch, f. d. ges. Physiol. XIV. S. 401); ebenso K\u00fclz (Sitzgsber. d. Ges. z. Bef\u00f6rder. d. ges. Naturw. in Marburg. 1875. S. 76) u. Munk (Arch. 1. pathol. Anat. LXIX. S. 354. 1877).\n1\tSiehe hier\u00fcber Bischoff u. Voit, Die Gesetze der Ern\u00e4hrung des Fleischfressers. S. 279 u. 302. 1860: Falck, Beitr. z. Physiol., Hygiene etc. 1875. S. 105; E Salkowski, Arch. f. pathol. Anat. LXVI. S. 12; Loebisch, Sitzgsber. d. Wiener Acad. 2. Abth. LXm. S. 13. 1871. \u2014 Wie es m\u00f6glich war, dass Bidder u. Schmidt den Schwefel der Einnahmen in den Ausgaben bei Hunden und Katzen wieder auffinden konnten, obwohl sie nur die Schwefels\u00e4ure im Harn mit Chlorbaryum\nf\u00e4llten, ist mir unklar geblieben.\t.\n2\tDie Angaben von Engelmann (Arch. f. Anat. u. Physiol. ISA. b. 14), wel-\ncher Maubt vor ihm w\u00e4re die Bedeutung der Ausscheidung des Schwefels in Verbindung mit der des Stickstoffs noch nicht gew\u00fcrdigt worden, sind nicht zuverl\u00e4ssig, da er die Qualit\u00e4t und Quantit\u00e4t der Speisen nicht gen\u00fcgend gleich hielt und ihre Zusammensetzung nicht kannte, ferner seine Methode der Schwefelbestimmung im Harn falsch war und der Harnstoff im Menschenharn nach Liebig\u2019s Methode ohne Ber\u00fccksichtigung des Chlors bestimmt wurde.\t.\n3\tSiehe hier\u00fcber auch : Kunkel, Arch. f. d. ges. Physiol. XI \\ . S. 344. 187i.","page":78},{"file":"p0079.txt","language":"de","ocr_de":"Ausscheidung sonstiger im K\u00f6rper befindlicher Elemente.\n79\nDas Element Phosphor ist bekanntlich zum weitaus gr\u00f6ssten Theile, sowohl in den Einnahmen als auch in den Ausgaben in anorganischen Stoffen, n\u00e4mlich' in Phosphors\u00e4ure in Verbindung mit Alkalien oder alkalischen Erden vorhanden. Nur im Lecithin (und Nucle\u00efn) ist dasselbe in einer organischen Verbindung enthalten.\nDie in den Geweben und S\u00e4ften befindlichen eiweissartigen Stoffe scheinen in einer gewissen Verbindung mit den Phosphaten zu stehen; letztere sind ihre steten Begleiter und besitzen wahrscheinlich eine hervorragende Bedeutung f\u00fcr die Organisation. E. Bischoff 1 hat gezeigt, dass beim hungernden Organismus auf eine bestimmte Menge von Stickstoff eine bestimmte Menge von Phosphors\u00e4ure im Harn entleert wird (im Verh\u00e4ltnis von 6.4 : 1), da mit der Zersetzung eiweissartiger Substanz auch die damit verbundene Phosphors\u00e4ure frei und \u00fcbersch\u00fcssig wird; das Verh\u00e4ltnis der beiden Stoffe ist hier nahezu dasselbe wie im Muskel (7.6 : 1). Bei F\u00fctterung mit Fleisch, wenn der Stickstoff und die Phosphors\u00e4ure der Nahrung genau im Harn und Koth erscheinen, ist das Verh\u00e4ltnis wie 8.1 : 1 ; bei einem Ansatz von Eiweiss fehlt eine entsprechende Menge von Phosphors\u00e4ure, bei einem Verlust von Eiweiss findet sich ein Plus derselben. E. Bischoff hat nicht gesagt, dass das Verh\u00e4ltnis von Stickstoff zur Phosphors\u00e4ure stets das gleiche w\u00e4re oder unter allen Umst\u00e4nden die ausgeschiedenen Phosphate auf zersetzte Eiweissstoffe zur\u00fcckzuf\u00fchren seien ; er hat nur f\u00fcr die von ihm untersuchten F\u00e4lle das Verh\u00e4ltnis ermittelt und selbst Umst\u00e4nde angegeben, unter denen es sich anders gestaltet.\nJenes Verh\u00e4ltnis richtet sich selbstverst\u00e4ndlich nach der Art der zugef\u00fchrten. Nahrung und nach den zersetzten K\u00f6rperbestandtheilen. Bei Aufnahme des stickstoffarmen Brods (3.3 : 1) war die Relation wie 3.8 : 1 ; bei an Phosphors\u00e4ure armer Nahrung ist umgekehrt verh\u00e4ltnism\u00e4ssig mehr Stickstoff im Harn.1 2 Wird in erheblicherer Menge Knochensubstanz (0.25 : 1) angegriffen, dann \u00e4ndert sich das Verh\u00e4ltnis etwas zu Gunsten der Phosphors\u00e4ure; die von E. Bischoff beobachtete relativ gr\u00f6ssere Ausscheidung der Phosphors\u00e4ure beim Hunger r\u00fchrt, Wie ich glaube, von den Knochen her, welche dabei nach den Bestimmungen von mir an der Katze und von Weiske am Kaninchen an Masse einbiissen. Man k\u00f6nnte auch meinen, es m\u00fcsse im Verh\u00e4ltnis zum Stickstoff mehr Phosphors\u00e4ure erscheinen, wenn das phosphorhaltige Lecithin (0.45 : 1) oder die Nerven-substanz in normalen oder pathologischen F\u00e4llen in gr\u00f6sserem Maassstabe zersetzt werden sollten; namentlich Zfelzer3 hat diese Ansicht aufgestellt\n1\tE. Bischoff. Ztschr. f. Biologie. III. S. 309. 1867.\n2\tWeiske, Ztschr. f. Biologie. VIL S. 179 u. 333. 1871. \u2014 F\u00f6rster, Ztschr. f. Biologie. IX. S. 297. 1873.\n3\tZfelzer, Beitr\u00e4ge zur Medicinalstatistik. Ill: Arch. f. pathol. Anat. LXVI.","page":79},{"file":"p0080.txt","language":"de","ocr_de":"80\nVoit. Allgemeiner Stoffwechsel. 2. Cap. Wege des Stoffverlustes etc.\nund den weiteren Schluss gezogen, dass deshalb der ausgeschiedene Stickstoff nicht ausschliesslich auf zersetztes Eiweiss bezogen werden d\u00fcrfe. Die Berechtigung dieser Anschauung kann ja nicht zweifelhaft sein; \u00fcberhaupt muss, wenn Organtheile mit ungleichem Verh\u00e4ltnis von Stickstoff und Phosphors\u00e4ure in wechselnder Quantit\u00e4t zerst\u00f6rt werden, die Relation dieser beiden Stoffe in den Exkreten sich \u00e4ndern. Aber es fragt sich, ob diese Ungleiclim\u00e4ssigkeit des Stoffwechsels gewisser Organe unter bestimmten Verh\u00e4ltnissen auch so gross ist, dass sie in den Exkreten sich bemerkbar macht und gemessen werden kann. Eine gr\u00f6ssere Betheiligung der Knochen an der Zersetzung l\u00e4sst sich wahrscheinlich erkennen, ob aber auch eine vermehrte Zersetzung von Lecithin oder Nervensubstanz ? Zuelzer nimmt einen regen Stoffumsatz in letzterer an, bei Erregungszust\u00e4nden eiue Herabsetzung desselben mit Verminderung der Phosphors\u00e4ure, bei geringerer Erregbarkeit dagegen eine Steigerung mit vermehrter Phosphors\u00e4ureausscheidung.* 1 M\u00f6glicherweise ist der Stoffumsatz in der Nervensubstanz gross, er findet aber f\u00fcr gew\u00f6hnlich zum gr\u00f6ssten Theile nicht am Organisirten, sondern an dem zugef\u00fchrten Ern\u00e4hrungsmaterial statt und es tritt alsbald f\u00fcr das Zerst\u00f6rte Ersatz ein, denn selbst bei dem verhungertem Thier ist das Gewicht des Gehirns und R\u00fcckenmarks nicht geringer geworden, so dass sich also das Verh\u00e4ltniss von Stickstoff zur Phosphors\u00e4ure auch bei sehr erh\u00f6hter Betheiligung dieser Organe an der Zersetzung nicht \u00e4ndert (S. 61). Nur wenn Lecithin im K\u00f6rper angesetzt oder abgegeben wird, wird jenes Verh\u00e4ltniss alterirt ; es kann aber sehr wohl das in der Markscheide der Nervenfaser befindliche Lecithin am Stoffwechsel der Nervensubstanz nur wenig betheiligt sein. Ausserdem ist die Menge der Phosphors\u00e4ure in der gesammten Nervenmasse eine sein-geringe gegen\u00fcber der in allen anderen Organen: ich sch\u00e4tze darin beim Menschen h\u00f6chstens 12 Grm. Phosphors\u00e4ure, in den Muskeln dagegen 130 Grm., in den Knochen \u00fcber 1400 Grm.; selbst eine erhebliche Aenderung im Umsatz der Nervensubstanz macht daher f\u00fcr das Ganze so gut wie nichts aus.\nBei einer Inconstanz jenes Verh\u00e4ltnisses muss, ehe man die Ursachen im Nerven sucht, erwiesen sein, dass die Knochenmasse mit der \u00fcberwiegenden Menge von Phosphors\u00e4ure an der Umwandlung nicht betheiligt ist. Man muss die Zusammensetzung der Einnahmen kennen und genau gleich halten, was namentlich f\u00fcr den Menschen, besonders f\u00fcr den kranken, eine sehr schwere Aufgabe ist; ein kleiner Fehler hierin \u00fcbt einen grossen Einfluss aus. Es darf dann nicht nur der Harn ber\u00fccksichtigt werden, denn in dem Koth wird ebenfalls und zwar in betr\u00e4chtlicher Menge Phosphors\u00e4ure ausgeschieden, die zum Theil aus dem Zerfall im\nS. 203; Berl. klin. Woch. 1877. No. 27. S. 387 ; Charit\u00e9-Annalen. 1874. S. 688; Ber. d. deutsch, chem. Ges. VIII. S. 1670. 1875.\n1 Siehe hier\u00fcber noch: Edlefsen, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1878. No. 29;\nR.\tL\u00e9pine. Revue mensuelle de m\u00e9d. et de chir. 1879. No. 7, 1880. p. 163 ; Lombroso, Arch. f. Psychiatrie. III. 1872 ; B. u. J. Teissier. Du diab\u00e8te phosphatique. Paris 1875 ; Mendel, \u00c4rch. f. Psychiatrie. III. S. 636. 1872; Str\u00fcbing, Arch. f. exper. Path. VI.\nS.\t272 ; Bokai (Orvosi Hetilap. 1879. No. 17) sah nach l\u00e4ngerer elektrischer Reizung des Centralnervensystems beim Hund eine Zunahme im Phosphors\u00e4uregehalt des Harns neben einem auffallenden Sinken des Harnstoffs (bei gut gen\u00e4hrten Thieren).","page":80},{"file":"p0081.txt","language":"de","ocr_de":"Der Stoffverbraueh im thierischen Organismus beim Hunger.\n81\nK\u00f6rper hervorgeht; ist die Ausn\u00fctzung\u2019 der Nahrung im Darmkanale eine andere, so wird die Relation von Stickstoff und Phosphors\u00e4ure im Harn wechseln, ebenso wenn Diarrh\u00f6en eintreten. Es zeigen sich endlich auch in k\u00fcrzeren Zeitr\u00e4umen zeitliche Verschiebungen in der Ausscheidung des Stickstoffs und der Phosphors\u00e4ure aus dem Organismus, wenn die Phosphors\u00e4ure eher entfernt wird als die stickstoffhaltigen Zersetzungsprodukte, die zu ihrer Bildung wahrscheinlich etwas l\u00e4ngere Zeit bed\u00fcrfen.\nMan ist daher bis jetzt noch nicht so weit aus der relativen Aenderung der Phosphors\u00e4uremenge im Harn irgend etwas Zuverl\u00e4ssiges \u00fcber solche einseitige Alterirungen des Stoffwechsels der Nervensubstanz, die jedenfalls nur einen kleinen Bruchtheil des Gesammtstoffwechsels betragen, auszusagen. Wir d\u00fcrfen vorl\u00e4ufig erfreut sein, dass wir im Stande sind aus dem Stickstoffverbrauch ann\u00e4hernd den Eiweissumsatz im Organismus zu entnehmen.\nUeber die \u00fcbrigen Elemente, namentlich das Chlor, die Alkalien, die alkalischen Erden und das Eisen wird sp\u00e4ter bei Betrachtung ihrer Bedeutung in der Nahrung noch Einiges gesagt werden.\nIn dem folgenden Capltel \u00fcber den Stoffverbrauch im thierischen Organismus unter verschiedenen Verh\u00e4ltnissen werde ich nur die Zersetzung der organischen Substanzen besprechen und auf den Wechsel des Wassers sowie der Aschebestandtheile, f\u00fcr welchen andere Bedingungen maassgebend sind, der Uebersichtlichkeit halber nicht ein-gehen, sondern das N\u00f6thige hier\u00fcber erst bei Er\u00f6rterung der Frage nach der Verh\u00fctung ihres Verlustes vom K\u00f6rper bringen.\nDRITTES CAPITEL.\nDer Stoffverbraueh. im thierischen Organismus unter verschiedenen Verh\u00e4ltnissen.\nEs ist nun die Aufgabe, alle diejenigen Umst\u00e4nde kennen zu lernen, welche den Stoffverbrauch im thierischen Organismus, vorz\u00fcglich die Zerst\u00f6rung der organischen stickstoffhaltigen und stickstofffreien Bestandteile in demselben, beeinflussen. Es ist bis jetzt schon eine grosse Anzahl solcher Einwirkungen bekannt. Da aber kein Moment auf diese Vorg\u00e4nge m\u00e4chtiger wirkt als die Zufuhr gewisser Stoffe aus dem Darmkanal, so ist es nothwendig, zun\u00e4chst den einfachsten Fall, die Verh\u00e4ltnisse beim Hunger kennen zu lernen, wo die Beschaffenheit des Organismus f\u00fcr sich allein die Zersetzungen bestimmt.\nHandbuclv der Physiologie. Bd. VI.\n6","page":81},{"file":"p0082.txt","language":"de","ocr_de":"82 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nI. Stoff verbrauch heim Hunger.\nAuch bei Entziehung der Nahrungsstoffe lebt der thierische Organismus noch eine Zeit lang fort. Er giebt dabei bis zum letzten Augenblicke Zersetzungs- und Ausscheidungsprodukte im Harn, dem Koth und der Perspiration ab: es m\u00fcssen also Bestandtkeile des Thierk\u00f6rpers entweder der Zerst\u00f6rung unterliegen oder unter den gegebenen Bedingungen als solche entfernt werden.\nEin verhungerter Organismus hat sehr an K\u00f6rpergewicht einge-b\u00fcsst, er ist bis zum Aeussersten abgemagert und scheint nur aus Haut und Knochen zu bestehen. Bei der Sektion findet man die meisten Organe in ihrer Masse sehr verringert, die Muskeln z. B. zu d\u00fcnnen Str\u00e4ngen geworden, das mit freiem Auge sichtbare Fett f\u00fcr gew\u00f6hnlich fast ganz verschwunden; nur die Knochen scheinen auf den ersten Blick keinen wesentlichen Verlust erlitten zu haben. Pathologische Ver\u00e4nderungen sind selbstverst\u00e4ndlich nicht wahrzunehmen, obwohl man sich fr\u00fcher wunderte, dass die Organe verhungerter Thiere gesund aussehen (Redi).\nBeim Hunger wird, wie schon fr\u00fcher (S. 34) angegeben wurde, auch noch Koth gebildet. Bei Pflanzenfressern r\u00fchrt der beim Hunger ausgeschiedene Koth gr\u00f6sstentheils von den im Darm noch befindlichen Nahrungsresten her. Bidder und Schmidt haben bei einer 18 Tage lang hungernden Katze beinahe t\u00e4glich Koth erhalten, und zwar d\u00fcnnbreiige, hellgraugr\u00fcne, sehr schleimreiche Faces, im Mittel 0.87 Grm. Trockensubstanz im Tag. Dies ist jedoch nach meinen Erfahrungen nicht die Regel; denn ich habe niemals weder beim Hunde noch bei der Katze w\u00e4hrend der Inanition Diarrh\u00f6en beobachtet. Die beiden letzteren Thiere entleeren in der Regel beim Hunger keinen Koth. Eine 13 Tage lang hungernde Katze liess beim Beginn des zweiten Tages 17 Grm. sehr festen Koths, der sicherlich zur vorausgehenden F\u00fctterung mit Fleisch geh\u00f6rte, w\u00e4hrend der \u00fcbrigen 12 Tage keinen mehr. Beim Hund habe ich den schwarzen z\u00e4hen wie Mekonium oder wie Koth nach reiner Fleischnahrung aussehenden Hungerkoth mit Knochen scharf abgegrenzt. Bei einem 30 Kilo schweren Thier erhielt ich so f\u00fcr 8 Tage 19.3 Grm. = im Tag 2.41 Grm. trockenen Koth, der ziemlich viel Haare enthielt; ein ander Mal in einem Zeitraum\tvon\t6 Tagen 8.2 Grm. = 1.36 Grm. f\u00fcr\tden Tag;\talso\tim\nMittel t\u00e4glich\t1.88 Grm. trockene Substanz. Dieser\tKoth enthielt\tf\u00fcr\nden Tag\t0.15\tGrm. Stickstoff, entsprechend 0.9 Grm.\tEiweiss.\tBei\tder\n13 Tage\tlang\thungernden, 3 Kilo schweren Katze\tfand sich\tbei\tder\nSektion im Darm 1.9 Grm. trockener Koth, demnach im Tag nur 0.15 Grm. mit 0.01 Grm. Stickstoff, somit sechsmal weniger wie bei dem von Bidder und Schmidt ben\u00fctzten Thier. Nach den Aufzeichnungen Valentin\u2019s1 lieferte ein schlafendes Murmelthier von 7 89 Grm. K\u00f6rpergewicht\n1 Valentin, Molescb. Unters. III. S. 206.","page":82},{"file":"p0083.txt","language":"de","ocr_de":"Der Stoffverbrauch im thierischen Organismus beim Hunger.\n83\nim Mittel t\u00e4glich 0.018 Grm. trockenen Koth mit 0.0021 Grm. Asche; ein Murmelthier von 1347 Grm. Gewicht 0.025 Grm. trockenen Koth mit 0.0032 Grm. Asche. Dieser Hungerkoth ist das Residuum der in den Darm entleerten Stoffe und kann seiner geringen Menge wegen f\u00fcr gew\u00f6hnlich vernachl\u00e4ssigt werden.\nUeber den StoftVerbrauch beim Hunger liegen von fr\u00fcheren Zeiten nur sp\u00e4rliche Angaben vor. Frerichs 1 hatte die Harnstoftausscheidung eines kleinen Hundes in zwei Beobachtungsreihen, einer von vier und einer von f\u00fcnf Tagen, sowie eines Kaninchens w\u00e4hrend drei Tagen untersucht; dabei waren noch keine Vorsichtsmaassregeln zum Auffangen des Harns getroffen und der Harnstoff offenbar noch mittelst der ganz unzuverl\u00e4ssigen Methode mit Salpeters\u00e4ure ermittelt. In einem ber\u00fchmt gewordenen Versuch bestimmten Bidder und Schmidt1 2 an einer Katze den Harnstoff des Harns nach Ragsky und Heintz, oder auch direkt durch Verbrennung mit Kupferoxyd den Stickstoff, und zugleich mehrmals im Tag w\u00e4hrend einer Stunde die Kohlens\u00e4ureabgabe. Da die Harnausscheidung im K\u00e4fig in sehr unregelm\u00e4ssigen Zeitr\u00e4umen erfolgte, so waren sie gen\u00f6thigt, die Mengen durch Rechnung auf die seit der vorausgegangenen Ausscheidung verflossenen Standen gleichm\u00e4ssig zu vertheilen ; von einer zweiten w\u00e4hrend 9 Tagen hungernden, dabei aber viel Wasser aufnehmenden Katze ist nur das Gesammtresultat berichtet. Bischoff3 theilte sechs F\u00e4lle mit, vier am Hunde und zwei an Kaninchen gewonnen, bei denen er die Harnstoffausscheidung nach Liebig\u2019s Methode ermittelte ; aber die Zahlen sind wegen des unregelm\u00e4ssigen Harnlassens sehr schwankend und geben kein klares Bild; der zweite Hund liess z. B. in 7 Hungertagen nur 3 mal Harn.\nSp\u00e4ter haben Bischoff und ich4, dann ich allein5 die Zersetzung der stickstoffhaltigen Stoffe beim hungernden Hunde unter den verschiedensten Umst\u00e4nden in der Art bestimmt, dass die Aenderung derselben von Tag zu Tag zu ersehen war. In vielen aus meinem Laboratorium und dem Anderer hervorgegangenen Arbeiten finden sich solche Hungerreihen6 7; zuletzt hat nochmals Falck 7 in einer sch\u00f6nen Reihe die Ausscheidung der Harnbestandtheile beim Hunde bis zum Tode des Thieres verfolgt. Am Huhn liegen Bestimmungen von Schimanski8 vor. Bei den Untersuchungen von Pettenkofer und mir9 wurden zum ersten Male \u00fcber den Stickstoff- und Kohlenstoffverbrauch, d. h. \u00fcber den Gesammt-stoffwechsel, w\u00e4hrend 24 Stunden und zwar f\u00fcr den Hund und den Men-\n1\tFrerichs, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1848. S. 469.\n2\tBidder u. Schmidt, Die Verdauungss\u00e4fte und der Stoffwechsel. 1852. S. 292.\n3\tBischoff, Der Harnstoff als Maass des Stoffwechsels. Giessen 1853.\n4\tBischoff u. Voit, Die Gesetze der Ern\u00e4hrung des Fleischfressers. 1860.\n5\tVoit, Ztschr. f. Biologie. II. S. 307. 1866.\n6\tSiehe z. B. Voit, Unters, \u00fcb. d. Einfluss d. Kochsalzes etc. S. 156 u. 157. 1860; E. Bischoff, Ztschr f. Biologie. III. S. 321. 1867 ; Bauer. Ebenda. VII. S. 71. 1871, VIII. S. 582. 1872, XIV. S. 537. 1878; Feder, Ebenda. XIII. S. 275. 278. 285. 1877, XIV. S. 176. u. 187. 1878.\n7\tF. A. Falck, Beitr. z. Physiol, etc. 1875. S. 1.\n8\tSchimanski. Ztschr. f. physiol. Chemie. III. S. 396. 1879. \u2014 Meyer, Beitr\u00e4ge zur Kenntniss des Stoffwechsels im Organismus der H\u00fchner. Diss. K\u00f6nigsberg 1877.\n9\tPettenkofer u. Voit, Ztschr. f. Biologie. II. S. 478. 1866, V. S. 369. 1869.\n6*","page":83},{"file":"p0084.txt","language":"de","ocr_de":"84 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nsehen Angaben gemacht. Es liegen ferner einzelne Mittheilungen \u00fcber die Harnstoffmengen bei hungernden Menschen vor.1 Endlich sind noch isolirte Bestimmungen der ausgeschiedenen Kohlens\u00e4ure und des aufgenommenen Sauerstoffs w\u00e4hrend des Hungers an verschiedenen Thieren, vorz\u00fcglich von R\u00e9gnault und Reiset2, gemacht worden, welche jedoch nichts \u00fcber den Zerfall im K\u00f6rper aussagen und nicht einmal den allm\u00e4hlichen Abfall in der Zersetzung erkennen lassen, da sie nur an einzelnen Tagen angestellt worden sind; sie ergaben nur eine geringere Kohlens\u00e4ure- und Sauerstoffmenge gegen\u00fcber der bei Nahrungsaufnahme.\nJ. Auch ohne Zufuhr wird bis zum Tode Eiweiss und Fett zersetzt.\nNoch im Jahre 1835 hat Joh. M\u00fcller3 gesagt: \u201eEs w\u00e4re sehr wichtig, zu wissen, ob der Harnstoff nur aus zersetztem, schon vorher ausgebildetem Thierstoffe entsteht, und sich also auch bei hungernden Thieren erzeugt, oder ob er sich aus den Nahrungsstoffen als ein unbrauchbares Produkt des Verdauungsprocesses erzeugt.\u201c Aus den genannten Untersuchungen geht nun vor Allem hervor, dass auch ohne Zufuhr die Stoffzersetzung im K\u00f6rper vor sich geht: es werden dabei unter allen Umst\u00e4nden stickstoffhaltige Stoffe oder Eiweiss zerst\u00f6rt und zugleich auch das im Vorrath vorhandene Fett. Es w\u00e4hren also in diesem Falle die Bedingungen der Zerst\u00f6rung noch fort, und es lebt daher der K\u00f6rper auf Kosten des in ihm vorhandenen Materials, das allm\u00e4hlich aufgezehrt wird.\nEs l\u00e4sst sich auch durch die Verfolgung des Stoffverbrauchs das, was man durch die Sektion eines verhungerten Thiers erf\u00e4hrt,\n1\tLassaigne fand zuerst im Harn eines seit 18 Tagen hungernden Wahnsinnigen noch viel Harnstoff (Journ. d. chim. m\u00e9d. I. p. 272. 1825). Ein sich aushungernder Geisteskranker schied nach Scherer in 24 Stunden noch 9.5 Grm. Harnstoff aus (W\u00fcrzburger Verhandl. III. S. 188). H. Ranke bestimmte am 1. Hungertag 19.7 und 22.7 Grm. Harnstoff (Beob. u. Versuche \u00fcber d. Ausscheidung der Harns\u00e4ure bei Menschen. 1858); J. Ranke bei einem Gewicht von 71.3 Kilo im Mittel aus drei einzelnen Hungertagen 19.2 Grm. (Arch. f. An at. u. Physiol. 1S62. S. 311); Ad. Schuster bei einem Gewicht von 52.5 Kilo nur 14.2 Grm. Harnstoff (Voit, Unters, d. Kostete. 1877. S. 151). 0. Sch\u00fcltzen erhielt bei einem 19 j\u00e4hr. M\u00e4dchen, welches nach 16 Tagen wegen Oesophagusverschluss verhungerte, an den zwei letzten Lebenstagen t\u00e4glich noch 6 Grm. Harnstoff (Arch. f. Anat. u. Physiol. 1863. S.31 ; Arch, f. wiss. Heilk. VI; De inanitione, Berol. diss. inaug. 1862); J. Seegen hei einem M\u00e4dchen von 24 Jahren bei fast vollst\u00e4ndiger Inanition 8.9 Harnstoff t\u00e4glich im Mittel (Sitzgsber. d. Wiener Acad. 2. Abth. LXIII. M\u00e4rzheft. 1871); Beigel, Nov. act. Acad. Leop. XXV. P. 1. p. 527 ; Franque, Beitr\u00e4ge zur Harnstoffausscheidung beim Menschen. Diss. inaug. W\u00fcrzburg 1855.\n2\tR\u00e9gnault u. Reiset an verschiedenen Thieren: Ann. d. chim. et phys. (3) XXVI. p. 299. 1849 ; siehe auch Letellier an Turteltauben: Compt. rend. XX. p. 794; Ann. d. chim. et phys. (3) XI. p. 150. 1844. Boussingault an Turteltauben, zugleich mit der Untersuchung der Exkremente: Ann. d. chim. et phys. (3) XI. p. 433. 1S44. Lavoisier ii. Seguin, M\u00e9m. de l\u2019acad. des sciences. 1789. p. 185 u. Scharling am Menschen, Ann. d. Chem. u. Pharm. XLV. S. 214. 1843.\n3\tJoh. M\u00fcller, Handb. d. Physiol. 1835. S. 569.\t;","page":84},{"file":"p0085.txt","language":"de","ocr_de":"Der Stoffverbrauch im tMerischen Organismus beim Hunger.\n85\nzeigen, n\u00e4mlich dass beim Hunger im Wesentlichen Eiweiss (oder leimgebende Stoffe) und Fett zerst\u00f6rt werden; zugleich mit den Zersetzungsprodukten werden auch die im Organisirten damit verbundenen Aschebestandtheile, sowie das Wasser ausgeschieden. Bei einem Hunde von 30 Kilo Gewicht wurden am 6. und 10. Hungertage aus dem abgeschiedenen Stickstoff der Verbrauch an Eiweiss und aus dem dar\u00fcber hinaus abgegebenen Kohlenstoff der an Fett! berechnet; die beiden haben zur Verbrennung nahezu soviel Sauerstoff n\u00f6thig als das Thier in derselben Zeit wirklich aufgenommen hat; auch beim Menschen ist dies ann\u00e4hernd der Fall und zwar am ersten Hungertage, 12 Stunden nach der letzten Nahrungsaufnahme. Beim Pflanzenfresser trifft dies voraussichtlich nicht zu, da bei ihm wenigstens in den ersten Hungertagen noch andere Stoffe, namentlich Kohlehydrate, aus dem Darm resorbirt werden. Es ist die angegebene Thatsache von nicht geringer Bedeutung, denn sie zeigt, dass die aus den Zersetzungsprodukten auf die im K\u00f6rper zersetzten Stoffe gezogenen Schlussfolgerungen im Wesentlichen richtig sind und die Abgabe anderer stickstoffhaltiger Substanzen wie Mucin, Lecithin u. s. w. oder auch stickstofffreier wie Glykogen, Zucker u. s. w. dagegen verschwindend klein ist.\nPettenkofer und ich haben f\u00fcr den Hund und den Menschen beim Hunger folgenden Gesammtverbrauch gefunden:\nHungertag\tK\u00f6rper- gewicht\tWasser auf\tC\u00df G o 5 5 KH hH\tHarnstoff\tKohlens\u00e4ure\tWasser in Respiration\t0 -4-3 . CO ^ ;h a 1 t/2\tUmsatz von trockenem Fleisch\tCO -4-^\u00bb in\nHund (3 \u201d 10\t31.210 30.050\t33 125\t121 142\t12.S 11.4\t366.3 259.4\t400.5 350.7\t358.1 302.0\t42 38\t107 S3\nMensch 1\t71.090\t1054.8\t1197.5\t26.8\t738.3\t828.9\t779.9\t80\t216\n2. Stoffumsatz bei verschiedenen hungernden Organismen.\nDer Verbrauch an organischer Substanz ist bei verschiedenen Organismen ein h\u00f6chst verschiedener; es dr\u00fcckt sich hier vor Allem der Einfluss der ungleichen K\u00f6rpermasse aus, welcher wesentlich gr\u00f6sser ist als der Einfluss der ungleichen K\u00f6rperbeschaffenheit bei ann\u00e4hernd gleichem Organgewicht.\nLeider ist das Beobachtungsmaterial, \u00fcber welches man in dieser","page":85},{"file":"p0086.txt","language":"de","ocr_de":"86 Voit. Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thicr. Organismus etc.\nBeziehung verf\u00fcgt, nur ein sehr sp\u00e4rliches; man kennt f\u00fcr eine Anzahl hungernder Thiere wohl den Verbrauch von Eiweiss, aber nur f\u00fcr einzelne wenige auch zugleich den von Fett.\nDieser Einfluss der K\u00f6rpermasse l\u00e4sst sich nicht nur f\u00fcr verschiedene Individuen der gleichen Thierspecies darthun, sondern auch f\u00fcr Organismen verschiedener Species und Gattungen.\n\tK\u00f6rpergewicht in Kilo\tHarnstoff im Tag\tHarnstoff auf 1 Kilo K\u00f6rpergewicht\nF\u00fcr Hunde:\t\t\t\nHund von Feder \t\t40.0\t15.6\t0.39\nAlter fetter Hund von Bischoff .\t35.0\t10.0\t0.29\nHund von mir\t\t33.0\t12.8\t0.39\nV\tV\t\t\t\t19.6\t10.7\t0.55\n1* ?? ?? \t\t10.1\t7.4\t0.73\n\tS.9\t7.3\t0.82\nHund von Rubner \t\t3.2\t3.6\t1.14\nF\u00fcr verschiedene Thiere:\t\t\t\nKaninchen von Bischoff (Mittel aus\t\t\t\n1 \u2014 6. Hungertag)\t\t\t1.2S\t1.5\t1.14\nKatze von Bidder u. Schmidt (Mittel\t\t\t\naus 3\u201415. Hungertag) ....\t1.S6\t3.7\t1.99\nKatze von mir (Mittel aus 2 \u2014 10.\t\t\t\nHungertag)\t\t2.61\t4.1\t1.57\nMensch (Schuster) erster Hungertag\t52.0\t14.2\t0.27\nMensch (Pettenkofer u. ich) erster\t\t\t\nHungertag\t\t71.0\t26.0\t0.36\nOchs von Grouven\t\t408.0\t73.0\t0.18\nEs wird Niemanden Wunder nehmen, wenn ein grosser Organismus mehr stickstoffhaltige Stoffe zerst\u00f6rt als ein kleiner. Bemerkenswerth ist es aber, dass man bei Reduktion der Wertke auf gleiches K\u00f6rpergewicht durchaus nicht die gleichen Zahlen erh\u00e4lt: das kleinere Thier verbraucht verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig viel mehr als das gr\u00f6ssere. Wenn ein Hund von 3 Kilo Gewicht etwa 3 Grm. Harnstoff ausscheidet, so erscheinen bei einem Hund von 33 Kilo nicht 33 Grm. Harnstoff, sondern nur 13 Grm. Es ist dies von ganz besonderer Bedeutung f\u00fcr die Erkl\u00e4rung der Zersetzungsprocesse im K\u00f6rper, denn dem relativ gr\u00f6sseren Umsatz bei dem kleineren Thier entspricht auch eine entsprechend gr\u00f6ssere Nahrungszufuhr sowie eine verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig gr\u00f6ssere Leistung und zwar sowohl in Hervorbringung mechanischer Arbeit als auch in Produktion von W\u00e4rme.\nMan k\u00f6nnte daran denken, ob das gr\u00f6ssere Thier vielleicht verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig mehr Knochen und weniger bei dem Umsatz betheiligte eiweissreiche Organe besitze. Es l\u00e4sst sich aber aus den vorliegen-","page":86},{"file":"p0087.txt","language":"de","ocr_de":"Der Stoffverbrauch im thierischen Organismus beim Hunger.\n87\nden W\u00e4gungen der Organe die Unrichtigkeit einer solchen Annahme leicht darthun. Wir k\u00f6nnen das Gewicht der Muskeln mit f\u00fcr unsern Zweck hinreichender Genauigkeit als Vergleichsmaassstab f\u00fcr die Organmasse und den Eiweissreichthum eines K\u00f6rpers benutzen. Ich habe f\u00fcr hungernde S\u00e4ugethiere folgende mittlere Werthe daf\u00fcr zusammengestellt:\n\tGewicht des K\u00f6rpers in Kilo\tHarnstoff im Tag\tMuskelmasse\tam K\u00f6rper\tHarnstoff auf 1 Kilo Muskel\n\t\t\tin Kilo\tin \u00b0/o\t\nMensch .\t.\t70.00\t19.2\t29.40\t42\t0.65\nHund .\t.\t.\t10.12\t7.4\t4.53\t45\t1.63\nKatze .\t.\t.\t2.50\t3.8\t1.13\t45\t3.37\nKaninchen .\t1.00\t1.8\t0.51\t51\t3.53\nEs ergiebt sich aus diesen Zahlen, dass nicht die Organ- oder Eiweissmasse am K\u00f6rper allein maassgebend f\u00fcr die Gr\u00f6sse der Ei-weisszersetzung ist, da bei einer doppelt so grossen Quantit\u00e4t der in den Organen befindlichen Eiweissstoffe nicht ein verdoppelter Umsatz stattfindet, sondern ein kleinerer Bruchtheil derselben den Einfl\u00fcssen, welche die Zerst\u00f6rung bedingen, verf\u00e4llt.\nIch kann diese Erscheinung nur in Zusammenhang bringen mit der von Vierordt 1 gefundenen gr\u00f6sseren Umlaufsgeschwindigkeit des Blutes bei kleineren Thieren, wesshalb bei letzteren durch gleiche Gewichtstheile der Organe in gleicher Zeit mehr Blut str\u00f6mt; es w\u00e4hrt n\u00e4mlich nach ihm die Dauer eines ganzen Kreislaufs:\nbeim\tPferd..........................31.5\tSek.\n\u201e\tHund (9.1\tKilo)................16.7\t\u201e\n\u201e\tKaninchen\t(1.9\tKilo) ....\t7.8\t\u201e\n\u201e\tHuhn............................5.2\t\u201e\n\u201e\tEichh\u00f6rnchen....................4.4\t\u201e\nIn dieser Zeit, entsprechend 26\u201428 Herzschl\u00e4gen, ist die ge-sammte Blutmenge im K\u00f6rper des Thieres herumgef\u00fchrt worden, so dass bei geringerer Kreislaufsdauer das Blut in gleicher Zeit \u00f6fter an einer gegebenen Stelle vorbeifliesst. Vierordt berechnete die Blutmengen, welche in 1 Minute durch 1 Kilo K\u00f6rper str\u00f6men:\nbeim Pferd.........................152 Grm.\n\u201e\tMensch......................... 207\t\u201e\n\u201e\tHund........................... 272\t\u201e\nbeider\tZiege.........................311\t\u201e\nbeim\tKaninchen...................... 592\t\u201e\n1 Vierordt, Die Erscheinungen und Gesetze der Stromgeschwindigkeiten des Blutes. S. 142. 1858.","page":87},{"file":"p0088.txt","language":"de","ocr_de":"88 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nDie Zufuhr der Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit ist demnach eine sehr verschiedene bei grossen und kleinen Thieren, wovon h\u00f6chst wahrscheinlich nach sp\u00e4teren Darlegungen auch der verschiedene Ei weisszerfall abh\u00e4ngig ist.\nEs ist in hohem Grade auffallend, dass sich der Fettverbrauch ganz anders verh\u00e4lt als der des Eiweisses, wie aus den wenigen vorliegenden Versuchen hervorgehen d\u00fcrfte. Es betrug n\u00e4mlich:\n\u2022\tK\u00f6rpergewicht in Kilo\tFleisch- verbrauch\t\tFettverbrauch\t\tKohlens\u00e4ure\t\n\t\tim Tag\tauf 1 Kilo\tim Tag\tauf 1 Kilo\tim Tag\tauf 1 Kilo\nMensch (Pettenkofer und ich)\t\t\t\t\t\t\t\n1. Hungertag\t\t71.0\t327\t4.6\t209\t2.94\t716\t10.1\nHund (Pettenkofer und ich\t\t\t\t\t\t\t\ni 6. Hungertag\t\t31.2\t175\t5.6\t107\t3.43\t366\t11.7\n'10. \u201e \t\t30.1\t154\t5.1\t83\t2.76\t289\t9.6\n(2.\t32.9\t341\t10.3\t86\t2.61\t380\t11.6\n{ 5.\t\u201e\t\t\t31.7\t167\t5.2\t103\t3.25\t358\t11.3\n! 8\t\t30.5\t138\t4.4\t99\t3.23\t335\t11.0\nHund (R\u00fcbner) 1. Hungertag .\t18.2\t192\t10.5\t60\t3.30\t240\t13.2\n,.\t,.\t3.\t17.2\t132\t7.6\t64\t3.70\t228\t13.2\nKatze (Bidder und Schmidt) .\t1.86\t50\t27.1\t7.4\t4.10\t39\t20.8\nKatze (Bidder und Schmidt) .\t2.83\t48\t16.9\t10.2 1\t3.61\t46\t16.3 1\nW\u00e4hrend also der Eiweisszerfall in der Gewichtseinheit des kleinen Thiers den im grossen Thier um mehr als das vierfache \u00fcbertrifft, ist der Unterschied in der Fettzersetzung nur gering; die Erkl\u00e4rung f\u00fcr diese Erscheinung kann erst sp\u00e4ter gegeben werden. Die Kohlens\u00e4ureausscheidung ist allerdings bei kleineren Thieren verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig gr\u00f6sser, was aber von der Mehrzersetzung des Eiweisses herr\u00fchrt.1\n3. Aenderung der Zersetzung bei dem gleichen Thier in der\nnci m Iich en T ersuchsreih e.\nBei dem gleichen Organismus ist in einer l\u00e4ngeren Hungerreihe die Zersetzung nicht Tag f\u00fcr Tag die gleiche, sondern sehr verschieden. Ueber den Menschen liegen keine sicheren Angaben in dieser Richtung vor, da an ihm der Gesammtumsatz nur vom ersten Hungertage untersucht worden ist. Die gleichzeitige Eiweiss- und Fettabgabe wurde von Bidder und Schmidt an einer Katze und von Pettenkofer und mir an einem Hunde studirt.\nI Nach R\u00e9gnault u. Reiset wird von kleinen V\u00f6geln relativ mehr Sauerstoff aufgenommen als von grossen; den relativ gr\u00f6sseren Sauerstoffverbrauch kleiner Thiere giebt auch P. Bert an (Soci\u00e9t\u00e9 de Biologie. 1868).","page":88},{"file":"p0089.txt","language":"de","ocr_de":"Der Stoffverbrauch im thierischen Organismus beim Hunger.\n89\nDie Katze der beiden Dorpater Forscher, welche sehr fettreich war und nach dem Hungertode immer noch 40 Grm. Fett enthielt, ergab t\u00e4glich einen Verbrauch von Eiweiss und Fett:\nHungertag\tEiweiss\tFett\tHungertag\tEiweiss\tFett\n1.\t24.5\t4.3\t10.\t10.2\t8.0\n2.\t16.4\t7.6\t11.\t9.1\t8.2\n3.\t12.9\t9.6\t12.\t8.4\t8.7\n4.\t11.7\t9.4\t13.\t10.5\t7.2\n5.\t14.7\t7.3\t14.\t10.5\t6.7\n6.\t13.4\t7.4\t15.\t9.1\t7.0\n7.\t11.9\t7.5\t16.\t9.3\t6.2\n8.\t12.1\t7.0\t17.\t5.0\t7.2\n9.\t12.5\t6.9\t18.\t2.4\t6.5\nDer Hund von Pettenkofer und mir erlitt folgenden Verlust:\nHungertag\tFleisch\tFett\tvorher verzehrt\n2.\t341\t86\t2500 Fleisch\n5.\t167\t103\t\u2014\n8.\t138\t99\t\u2014\n6.\t175\t107\t1500 Fleisch\n10.\t154\t83\t\u2014\nMan ersieht daraus, dass im Allgemeinen die Zersetzung der stickstoffhaltigen Stoffe allm\u00e4hlich abnimmt, besonders rapid an den ersten Tagen des Hungers und ebenso an den beiden letzten ; die Zerst\u00f6rung des Fetts ist dagegen bei reichlichem Eiweissumsatz an den ersten Tagen sogar geringer als sp\u00e4terhin, dann aber schwankt sie, wenn das Thier nicht unruhig ist, nur wenig bis zum Ende, so dass schliesslich auf 1 Kilo K\u00f6rpergewicht der Katze mehr Fett verbrannt wird. Es ist dies abermals ein Beweis, dass die Bedingungen f\u00fcr die Zersetzung der beiden Stoffe nicht die gleichen sind, wenn sie auch, wie wir uns noch \u00fcberzeugen werden, in gewisser Beziehung von einander abh\u00e4ngig sind.\nDie \u00fcbrigen bis jetzt vorhandenen Versuche ber\u00fccksichtigen nur den Umsatz der stickstoffhaltigen Stoffe und sind fast nur an Hunden gemacht.\nIch habe eine gr\u00f6ssere Anzahl solcher Reihen an ein und demselben Hunde angestellt und theile hier die in einigen derselben er-\nhaltenen Harnstoffzahlen als Beispiele mit, um die Aenderung des\nEiweisszerfalls an\t\tden ersten Hungertagen zu\t\t\tzeigen\t\t\n\tHarnstoff\t\tin\t\tHarnstoff\t\tin\nHungertag\tReihe 1.\tReihe 2.\tReihe 3.\tHungertag\tReihe l.\tReihe 2.\tReihe 3\n1.\t60.1\t26.5\t13.8\t6.\t13.3\t12.8\t12.6\n2.\t24.9\t18.6\t1 1.5\t7.\t12.5\t12.9\t11.3\n3.\t19.1\t15.7\t10.2\t8.\t10.1\t12.1\t10.7\n4.\t17.3\t14.9\t12.2\t9.\t\u2014\t11.9\t10.6\n5.\t12.3\t14.8\t12.1\t10.\t\u2014\t11.4\t\u2014","page":89},{"file":"p0090.txt","language":"de","ocr_de":"90 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nEs m\u00fcssen ferner noch die Resultate einiger bis zum Tode der Thiere fortgesetzter Reihen angegeben werden, um f\u00fcr weitere Schlussfolgerungen das Beweismaterial zu haben.\nEs fanden sich bei einer von mir untersuchten fleischreichen und fettarmen Katze:\nHungertag\tHarnstoff I Hungertag\tHarnstoff\tHungertag\tHarnstoff\n1.\t5.7\t6.\t3.7\t11.\t4.7\n2.\t4.5\t7.\t4.1\t12.\t6.1\n3.\t3.9\ti\t8.\t4.2\t13.\t6.1\n4.\t3.7\t1\t9.\t4.1\t\t\n5.\t3.8\t10.\t4.7\t\t\nEin von F. A.Falck untersuchter einj\u00e4hriger Hund, bei Beginn der Reihe 8880 Grm. und am Ende 4610 Grm. wiegend, dessen Fett w\u00e4hrend des 24t\u00e4g.Hungers fast,ganz verschwunden war, gab folgende Zahlen:\nHungertag\tHarnstoff\tHungertag\tHarnstoff\tHungertag\tHarnstoff\n1.\t10.13\t9.\t10.27\t17.\t12.61\n2.\t8.5 l\t10.\t11.53\t18.\t10.58\n3.\t8.57\t11.\t11.87\t19.\t9.86\n4.\t8.65\t12.\t13.02\t20.\t11.02\n5.\t8.19\t13.\t13.99\t21.\t4.26\n6.\t8.11\t14.\t14.04\t22.\t0.52\n,\u25a07 7.\t8.36\t15.\t12.84\t23.\t0.62\n8.\t9.25\t16.\t11.58\t24.\t(0.07)\nEin anderer gr\u00f6sserer, alter und fettreicher Hund Falck\u2019s ertrug den Hunger 60 Tage lang; sein Anfangsgewicht betrug 21.210 Kilo, das Endgewicht 10.830 Kilo; er lieferte:\nHungertag\tHarnstoff\tHungertag\tHarnstoff\tHungertag\tHarnstoff\n1.\t14.91\t21.\t7.33\t41.\t5.7 8\n2.\t11.27\t22.\t7.55\t42.\t4.62\n3.\t9.64\t23.\t7.39\t43.\t4.88\n4.\t9.60\t24.\t7.07\t44.\t4.63\n5.\t9.50\t25.\t7.92\t45.\t4.30\n6.\t10.89\t26.\t7.30\t46.\t4.01\n7.\t9.87\t27.\t7.19\t47.\t5.40\n8.\t9.10\t28.\t6.33\t48.\t4.00\n9.\t9.08\t29.\t6.50\t49.\t5.7 0\n10.\t8.40\t30.\t6.47\t50.\t5.07\n11.\t8.24\t31.\t6.39\t51.\t4.47\n12.\t10.44\t32.\t5.62\t52.\t4.25\n13.\t8.88\t33.\t5.67\t53.\t3.85\n14.\t8.95\t34.\t5.65\t54.\t4.82\n15.\t9.76\t35.\t5.59\t55.\t4.40\n16.\t8.89\t36.\t5.81\t56.\t5.43\n17.\t9.28\t37.\t5.62\t57.\t3.56\n18.\t8.47\t38.\t5.7 2\t58.\t4.06\n19.\t8.78\t39.\t5.36\t59.\t3.50\n20.\t7.92\t40.\t5.00\t60.\t(0.73)","page":90},{"file":"p0091.txt","language":"de","ocr_de":"Der Stoffverbrauch im thieriscben Organismus beim Hunger.\n91\nEs ist auch hier nicht zu verkennen, dass in den ersten Tagen die Stickstoffausscheidung oder Eiweisszersetzung bei Nahrungsentziehung sinkt und zwar besonders rasch bei hoher Anfangszersetzung, dass sie aber dann, wenn einmal ein bestimmter Abfall erreicht ist, nahezu gleich bleibt; sp\u00e4ter sieht man entweder ein fortw\u00e4hrendes Absinken oder eine Zunahme des Eiweisszerfalls. Die allm\u00e4hliche Abnahme der Zersetzung kann wohl von nichts anderem herr\u00fchren als von der Abnahme des im K\u00f6rper befindlichen zerst\u00f6rbaren Ei-weisses.\n4. Verschiedenheit der Zersetzung bei dem gleichen Thier in verschiedenen Versuchsreihen.\nDie Stickstoffausscheidung ist in verschiedenen Reihen bei dem gleichen Thier nach mehreren Hungertagen so ziemlich die gleiche, aber die Anfangsausscheidung ist ganz ausserordentlich verschieden, wie die vorher (S. 89) als Beispiele angef\u00fchrten drei Reihen am Hunde darthun. Diese grossen Schwankungen in der Eiweisszersetzung zeigen sich vor Allem abh\u00e4ngig von der w\u00e4hrend der vorausgehenden Nahrungsaufnahme verzehrten Eiweissmenge: je reichlicher vorher das Thier mit eiweissartigen Stoffen gef\u00fcttert worden war, desto h\u00f6her ist die Harnstoffzahl am ersten Hungertage, nach einer geringen Eiweisszufuhr dagegen, namentlich wenn zugleich stickstofffreie Substanzen gereicht worden sind, ist die anf\u00e4ngliche Ausscheidung nur wenig h\u00f6her als an den sp\u00e4teren Tagen. Bei dem n\u00e4mlichen Thier, einem Hund von 35 Kilo Gewicht, fanden sich am ersten Hungertage Schwankungen von 14\u201460 Grm. Harnstoff, nach einigen Tagen erschienen gleichm\u00e4ssig 1\u00d6 \u201412 Grm.\nWenn die allm\u00e4hliche Abnahme der Zersetzung in ein und derselben Hungerreihe von der Abnahme des im K\u00f6rper vorhandenen zerst\u00f6rbaren Eiweisses herr\u00fchrt, so muss man die Verschiedenheiten derselben am ersten Hungertage ebenfalls von ungleichen Mengen dieses Eiweisses ableiten.\nFrerichs hatte zuerst bemerkt, dass ein kleiner, durch Hunger und stickstofffreie Kost sehr herabgekommener Hund betr\u00e4chtlich weniger Harnstoff entleerte ; er suchte dies aus einer Abnahme der Blutconcen-tration beim Hunger zu erkl\u00e4ren, von der er die Gr\u00f6sse des Umsatzes abh\u00e4ngig sein liess. Darauf machte Bischoff \u00e4hnliche Erfahrungen ; sein Hund schied bei einem Gewicht von 25 Kilo t\u00e4glich im Mittel 14 Grm. Harnstoff beim Hunger aus, bei einem Gewicht von 35 Kilo nach reichlicher F\u00fctterung mit Fleisch 20 Grm., bei Zunahme des Gewichts auf 4 1 Kilo 21 Grm. Die gleiche Beobachtung machten sp\u00e4ter Bischoff und ich; wir bezogen die Differenzen zuerst auf eine Verschiedenheit in dem","page":91},{"file":"p0092.txt","language":"de","ocr_de":"92 oit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nErn\u00e4hrungszust\u00e4nde und Eiweissreiclithum des ganzen K\u00f6rpers, jedoch ist diese Erkl\u00e4rung, wie sich gleich zeigen wird, nicht umfassend genug.\nEs liess sieh vorher f\u00fcr verschieden grosse Organismen darthun, dass der Eiweisszerfall durchaus nicht proportional ist der Gesammt-eiweissmenge am K\u00f6rper, und diese also nicht ausschliesslich die Gr\u00f6sse des Zerfalls bestimmt. In gleicher Weise ist das rapide Sinken der Eiweisszersetzung an den ersten Hungertagen nicht entsprechend der Abnahme des Eiweissreichthums am ganzen K\u00f6rper, denn es nimmt an ihnen die Quantit\u00e4t des zerst\u00f6rten Eiweisses ungleich mehr ab als die des im K\u00f6rper befindlichen Eiweisses. Es ist also auch hier die Eiweissmenge am K\u00f6rper nicht allein maassgebend f\u00fcr die Gr\u00f6sse des Eiweissumsatzes. Es ist ganz unm\u00f6glich, dass wenn ein Hund am ersten Hungertage sechsmal mehr Eiweiss zersetzt als am achten, er am ersten sechsmal mehr Eiweiss am ganzen K\u00f6rper gehabt habe, w\u00e4hrend sein Gewicht nur von 33.8 Kilo auf 30.2 Kilo fiel; oder dass er in einer Reihe, in welcher er bei einem Gewicht von 33 Kilo am ersten Hungertage 14 Grm. Harnstoff ausschied, viermal \u00e4rmer an Eiweiss war, als in einer anderen Reihe bei dem n\u00e4mlichen K\u00f6rpergewicht und einer Entleerung von 60 Grm. Harnstoff. Das Thier zersetzt bei nur wenig verschiedener Eiweissmenge am ganzen K\u00f6rper die verschiedensten Quantit\u00e4ten von Eiweiss. An den sp\u00e4teren Hungertagen nimmt trotz des fortw\u00e4hrenden betr\u00e4chtlichen Eiweissverlustes die Harnstoffausscheidung kaum ab, w\u00e4hrend die Harnstoffdifferenz vom ersten und zweiten Hungertage bei geringerer Eiweisseinbusse sehr betr\u00e4chtlich ist.\nAlle diese Thatsachen lehren auf das Bestimmteste, dass nicht sowohl die ganze Masse des Eiweisses am K\u00f6rper, sondern vielmehr die Eiweissmenge der vorausgegangenen Nahrung und der dadurch hervorgerufene K\u00f6rperzustand die Ursache der unverh\u00e4ltnissm\u00e4ssi-gen Steigerung\u2019 des Eiweissumsatzes an den ersten Hungertagen ist. Ist dieser Einfluss vor\u00fcber, dann ist der Umsatz im Allgemeinen eine Zeit lang proportional der Abnahme des Gesammteiweisses am K\u00f6rper.\nWie man sich diese Verschiedenheit der Zersetzung erkl\u00e4ren kann, das soll sp\u00e4ter noch er\u00f6rtert werden, es ist aber nicht zweifelhaft, dass hier zwei Momente mitwirken: an den sp\u00e4teren Hungertagen ist es die grosse Masse der zelligen Gebilde, von deren Eiweiss t\u00e4glich ein bestimmter kleiner Brucktkeil zu Grunde geht, in der ersten Zeit dagegen ausserdem ein von der fr\u00fcheren Eiweisszufuhr abh\u00e4ngiger, wechselnder, gegen\u00fcber dem Eiweiss der Organe nur geringer Vorrath der leicht zerst\u00f6rbaren Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit.","page":92},{"file":"p0093.txt","language":"de","ocr_de":"Der Stoffverbrauch im thierischen Organismus beim Hunger.\n93\nAusserdem ist noch der Fettreichthum des K\u00f6rpers von wesentlichem Einfluss auf den Eiweissumsatz beim Hunger.\n5. Einfluss der Fettmenge am K\u00f6rper auf den Ehe eissums atz.\nEs wird noch angegeben werden, dass ein Zusatz von Fett oder Kohlehydraten zur Fleischnahrung die Zersetzung des Eiweisses vermindert, das Gleiche ist der Fall bei ausschliesslicher Darreichung jener stickstofffreien Stoffe. Aber auch das im K\u00f6rper schon abgelagerte Fett wirkt unter sonst gleichem Verh\u00e4ltnissen in derselben Weise hemmend ein. Der von Pettenkofer und mir untersuchte robuste Arbeiter verbrauchte bei einem K\u00f6rpergewicht von 71.1 Kilo am ersten Hungertage 333 Fleisch und 216 Fett; J. Ranke, der reicher an Fett war, bei einem Gewicht von 71.3 Kilo im Mittel nur 236 Grm. Fleisch und 194 Fett. Wenn im Verh\u00e4ltniss zum Eiweiss viel Fett am K\u00f6rper sich befindet, also z. B. nach l\u00e4ngerer F\u00fctterung mit viel Fett unter Zusatz von wenig Eiweiss, dann wird beim Hunger nur wenig Harnstoff entleert, von einem grossen Hunde statt 14 Grm. am ersten Tage nur 6\u201410 Grm.1 Die reichliche Eiweisszersetzung im Anfang des Hungers kann nicht von einem bedeutenden Fettverlust und einer dadurch hervorgebrachten relativen Eiweissvermehrung am K\u00f6rper bedingt sein; denn die Fettabnahme ist in den ersten Tagen geringer als sp\u00e4ter und es tritt ferner der Abfall in dem Ei-weissverbrauch noch in derselben Weise ein, wenn man auch durch Darreichung von Fett beim Eiweisshunger die Abgabe von Fett vom K\u00f6rper verh\u00fctet.2\nEs ist eine auffallende und wichtige Thatsache, dass junge ausgewachsene Thiere, welche noch mager sind, verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig mehr Eiweiss zersetzen als alte, welche meist absolut und relativ reich an Fett sind. M\u00f6glicherweise haben die jungen Zellen in h\u00f6herem Grade die F\u00e4higkeit Eiweiss zu zerlegen; aber die Hauptursache jener Erscheinung ist unstreitig das die Zersetzung beschr\u00e4nkende Fett.3 Ein von Falck beobachteter einj\u00e4hriger Hund von 20.0 Kilo Gewicht lieferte am ersten Hungertage 21.4 Harnstoff, ein viele Jahre altes fettes Thier von 21.2 Kilo Gewicht schied nur 14.9 Harnstoff aus.\nEs giebt noch ein Beispiel, das den Einfluss des Fettes darthut. In gewissen F\u00e4llen l\u00e4sst sich n\u00e4mlich an den sp\u00e4teren Hungertagen, nachdem l\u00e4ngere Zeit die Eiweisszersetzung ziemlich gleichm\u00e4ssig\n1\tVoit, Ztschr. f. Biol. II. S. 330. 1866.\n2\tDerselbe. Ebenda. II. S. 332. 1866.\n3\tL\u00e9pine, Nouv. diet. m\u00e9d. et chir. p. 483.","page":93},{"file":"p0094.txt","language":"de","ocr_de":"94 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\ngeblieben ist, wiederum ein Ansteigen derselben bemerken, manchmal selbst \u00fcber die anf\u00e4nglichen Werthe hinausgehend; dies findet dann statt, wenn der K\u00f6rper arm an Fett geworden ist.\nUnter den Versuchen von Frerichs findet sich einer, der vielleicht auf diese Weise zu deuten ist, indem ein durch Hunger und stickstofffreie Kost sehr heruntergekommener kleiner Hund am vierten Hungertag mehr Harnstoff ausschied als an den drei ersten. Bei einem Kaninchen sah Frerichs unter fortw\u00e4hrender Steigerung der Harnstoftausscheidung am vierten Hungertage den Tod eintreten; es ist dies jedoch nicht die Regel, wenigstens lassen die Versuche von Bischoff kein solches Anwachsen erkennen. Auch R\u00fcbner hat die rasche Zunahme der Eiweiss-zersetzung bei fastenden Kaninchen beobachtet, ebenso L\u00e9pine bei Meerschweinchen; ich m\u00f6chte dieselbe aber nicht ausschliesslich von dem Verschwinden des K\u00f6rperfettes ableiten, sondern auch, und zwar zum gr\u00f6ssten Tlieil, davon dass anfangs der Pflanzenfresser nicht hungert, vielmehr noch von dem im Darm befindlichen Vorrath stickstofffreier Substanz zehrt, die den Eiweissumsatz vermindert. Etwas \u00e4hnliches hat offenbar Grouven1 an Ochsen wahrgenommen, bei denen ebenfalls die sp\u00e4tere gr\u00f6ssere Stickstoffausscheidung ersichtlich ist.\nIch habe die Zunahme der Eiweisszersetzung zuerst mit Sicherheit an einer w\u00e4hrend 13 Tagen hungernden Katze beobachtet, w\u00e4hrend die 18 Tage lang hungernde Katze von Bidder und Schmidt nichts der Art zeigte, wie die vorher mitgetheilten Tabellen lehren. Als Grund daf\u00fcr habe ich die allm\u00e4hliche Abnahme des Fettes und die relative Zunahme des Eiweisses am K\u00f6rper gefunden ; ich zeigte, dass das Thier von Bidder und Schmidt fett war und noch nach dem Verhungern nicht alles Fett eingeb\u00fcsst hatte, w\u00e4hrend meine Katze ansehnlich mehr Muskelfleisch, jedoch nur wenig Fett besass und dasselbe zuletzt ganz einb\u00fcsste. Man sieht daher diese Erscheinung nach l\u00e4ngerem Hunger sicher eintreten bei fettarmen und an Eiweiss absolut und relativ reichen Thieren; wir haben '2 3 \u00f6fters, wenn beim Hunger die Wirkung irgend eines Agens auf den Eiweissum-satz untersucht werden sollte, zuletzt die Steigerung der Harnstoffausscheidung beobachtet, und zwar namentlich bei jungen Hunden, nicht bei alten; man muss daher zu solchen Versuchen \u00e4ltere und fettreiche Hunde w\u00e4hlen, bei denen bis zum Hungertod die Harnstoffausscheidung ganz langsam absinkt. Fr. Hofmann 3 hat diese Zunahme des Eiweisszerfalls als Zeichen f\u00fcr das Verschwinden des K\u00f6rperfettes ben\u00fctzt. Sp\u00e4ter hat Falck \u00e4hnliche Beobachtungen an Hunden gemacht und in gleicher Weise gedeutet; seine vorher an-\n1\tGrouven, Phys.-chem. F\u00fctterungsversuche. 1864. S. 127; siebe auch Henne-berg\u2019s kritisches Referat hier\u00fcber Journ. f. Landw. 1865. S. 48.\n2\tFeder, Ztschr. f. Biologie. XIV. S. 176. 1878.\n3\tHofmann, Ebenda. VIII. S. 165. 1872.","page":94},{"file":"p0095.txt","language":"de","ocr_de":"Abnahme der einzelnen Organe beim Hunger.\n95\ngegebenen Zahlen \u00fcber die Harnstoffmengen des jungen und des alten fettreichen Hundes liefern vortreffliche Beispiele hierf\u00fcr. Sehr interessante Versuche \u00fcber die Harns\u00e4ureausscheidung hungernder H\u00fchner hat H. SchimAnski 1 ver\u00f6ffentlicht ; er fand ebenfalls die Steigerung der Zersetzung, aber schon am 3\u20145. Hungertage bei jungen fettarmen Thieren, besonders nach vorausgehender Fleischf\u00fctterung, bei alten fetten Thieren erst sp\u00e4ter, vom 26. Hungertage an bis zum 33., ohne dass schliesslich das Fett alles verbraucht war. Der steigende Eiweisszerfall wird sich wahrscheinlich auch zeigen bei durch l\u00e4ngeren Hunger oder ungen\u00fcgende Zufuhr fettarm gewordenen Re-convalescenten, die dadurch rasch dem Tode zugef\u00fchrt werden.\n6. Abnahme der einzelnen Organe beim Hunger.\nUm einen weiteren Einblick in den Stoffverbrauch eines hungernden Organismus zu erhalten, ist es nothwendig, den Gewichtsverlust, welchen die einzelnen Organe beim Hunger erleiden, zu bestimmen. Es ist von grosser Bedeutung, dass die Organe an dem Gesammtverluste sich nicht in gleicher Weise betheiligen, sondern in sehr ungleicher.\nDie ersten Versuche der Art wurden von Chossat1 2, sp\u00e4ter von Schuchardt3, an Tauben gemacht: sie w\u00e4hlten wohlgen\u00e4hrte Tauben von gleichem Gewicht und Alter aus, t\u00f6dteten die einen und bestimmten die Gewichte ihrer Organe, die der andern erst nach dem Verhungern. Den gleichen Versuch stellten dann Bidder und Schmidt4 an einer Katze an, aber in nicht ganz entscheidender Weise: sie Hessen n\u00e4mlich eine Katze von 2572 Grm. K\u00f6rpergewicht verhungern und nahmen zur Feststellung der Organgewichte derselben am Beginn des Hungers einen jungen Kater von nur 1505 Grm. K\u00f6rpergewicht. Da sie keine direkte Uebertragung wegen des so sehr verschiedenen K\u00f6rpergewichtes machen konnten, berechneten sie, indem sie die wasserfreien Knochen am Stoffwechsel sich nicht betheiligen Hessen und ein constantes Gewichtsverh\u00e4ltniss derselben zum Ge-sammtgewicht des Thieres annahmen, zuerst das Anfangsgewicht der hungernden Katze und dann nach dem in der Gewichtseinheit des Vergleichsthiers f\u00fcr jedes Organ gefundenen Werth das Gewicht ihrer Organe am ersten Hungertage, wTas aber vor Allem wegen der gros-\n1\tSchimanski, Ztschr. f. physiol. Chem. III. S. 396. 1879.\n2\tChossat, M\u00e9m. pr\u00e9sent\u00e9s par divers savants \u00e0 Facad. roy. des sciences de l\u2019institut de France. VIII. p. 438. 1843.\n3\tSchuchardt, Quaedam de effectu, quem privatio sing. part, nutrimentura con-stituentium exercet etc. Diss. inaug. Marburg 1847.\n4\tBidder u. Schmidt, Die Verdauungss\u00e4fte und der Stoffwechsel. S. 327. 1852.","page":95},{"file":"p0096.txt","language":"de","ocr_de":"96 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nsen Differenz im K\u00f6rpergewicht und im Alter der Thiere nicht einwurfsfrei ist. Ich habe daher zwei Katzen von nahezu gleichem Gewicht zuerst zehn Tage lang in gleicher Weise mit Fleisch ern\u00e4hrt und dann die eine gleich get\u00f6dtet, die andere erst nach 13 t\u00e4gigem Hunger; aus dem Gewicht der einzelnen Organe in der Gewichtseinheit des ersteren Thiers wurden die Gewichte der Organe des zweiten Thiers bei Beginn der Hungerreihe entnommen.\nChossat fand nun, dass bei den hungernden Tauben 100 Grm. urspr\u00fcnglich vorhandenes frisches Organ an Gewicht verloren haben :\n\u00b0/o Verlust\nFettgewebe.................................93\nMilz.......................................71\nPankreas...................................64\nLeber......................................52\nHerz.......................................45\nD\u00e4rme......................................42\nMuskeln (willk\u00fcrliche).....................42\nMagen......................................40\nSchlundkopf, Speiser\u00f6hre...................34\nHaut.......................................33\nNieren.....................................32\nLungen.....................................22\nKehlkopf, Luftr\u00f6hre........................21\nKnochen....................................17\nAugen......................................10\nNervensystem................................2\nDarnach hat beim Hunger das Fett am meisten abgenommen, dann folgen das Blut, die blutreichen Organe und die Muskeln; aber auch die Knochen b\u00fcssten etwas von ihrer Masse ein, das Nervensystem dagegen, was am auffallendsten erschien, erhielt sich fast intakt. Die von Bidder und Schmidt nach nicht ganz richtigen Voraussetzungen gemachten Angaben stimmen in einigen wichtigen Punkten mit denen von Chossat nicht \u00fcberein. So verlieren z. B. die trockenen Muskeln der Taube nach Chossat nur 34%, die der Katze nach Bidder und Schmidt aber 65 % ; Gehirn und R\u00fcckenmark nach dem ersteren nur 7%, nach den letzteren 33% ; das Blut nach ersterem 62\u00b0/o, nach letzteren sogar 90%. Chossat fand eine Abnahme der Knochen um 17%, die Dorpater Forscher Hessen sie unver\u00e4ndert bleiben. Bei meinem eben erw\u00e4hnten Versuch an der Katze wurden folgende Werthe erhalten :\n1 Voit, Ztschr. f. Biologie. IL S. 351. 1866.","page":96},{"file":"p0097.txt","language":"de","ocr_de":"Abnahme der einzelnen Organe beim Hunger.\n97\n\t1017 Grm. Verlust vertheilen sich auf\t\tV erlust von 100 Grm. frischem Organ\tVerlust von 100 Grm. trocknem Organ\n\tfrisches Organ\ttrocknes Organ\t\t\nKnochen\t\t55\t_\t14\t\t\nMuskeln\t\t429\tUS\t31\t30\nLeber\t\t49\t17\t54\t57\nNieren\t\t7\t1\t26\t21\nMilz\t\t6\t1\t67\t63\nPankreas\t\t1\t\u2014\t17\t\u2014\nHoden \t\t1\t\u2014\t40\t\u2014\nLunge\t\t3\t1\t18\t19\nHerz\t\t0\t\u2014\t3\t\u2014\nDarm\t- .\t21\t\u2014\tIS\t\u2014-\nHirn und R\u00fcckenmark .\t1\t0\t3\t0\nHaut mit Haaren .\t.\t.\t89\t\u2014\t21\t\u2014\nFettgewebe\t\t267\t249\t97\t\u2014\nBlut\t\t37\t5\t27\t18\nMeine Beobachtungen scliliessen sich gr\u00f6sstentkeils denen von Chossat an; ich fand namentlich auch, dass das Nervensystem nicht an Gewicht abnimmt, dass aber die Knochen an Masse etwas ein-b\u00fcssen. Das Herz erleidet nach meinen W\u00e4gungen, wie nach denen von Bidder und Schmidt keinen Gewichtsverlust, w\u00e4hrend Chossat einen solchen von 45% angiebt.\nAm Gesammtverluste betheiligen sich in einer alle anderen Organe weitaus \u00fcbertreffenden Menge die Muskeln und das Fettgewebe, dann folgen die Haut, die Knochen, die Leber, das Blut und der Darmkanal. Das Blut verlor absolut nur 5 Grm. troekner Substanz, die Muskeln aber 118 Grm. Procentig d. h. um den gr\u00f6ssten Bruch-theil ihrer urspr\u00fcnglichen Masse nehmen ab : das Fettgewebe, die Leber, die Milz, die Hoden, dann erst kommen die Muskeln und das Blut. Die Abnahme der Knochen beim Hunger tkun entgegen der Annahme von Bidder und Schmidt auch die Versuche Weis-ke\u2019s 1 an noch wachsenden, 6 V2 Monate alten Kaninchen dar, welche dabei 3\u201412% ihres Skeletts verloren.\nDas Blut nimmt nahezu in demselben Verk\u00e4ltniss wie das K\u00f6rpergewicht und die Fleischmasse ab ; es verliert demnach nicht mehr als die \u00fcbrigen Organe des K\u00f6rpers auch, eine Thatsache, die f\u00fcr die Beurtkeilung des Ortes der Zersetzungen von entscheidendem Werthe ist. Die \u00e4lteren Angaben 1 2 \u00fcber den Verlust des Blutes beim\n1\tWeiske, Ztschr. f. Biologie. X. S. 442. 1874.\n2\tCollard de Martigny, Journ. d. physiol, exp\u00e9r. etpathol. VIII. p. 152. 1828. \u2014 Jones, Arch. d. 1. bibl. univers, d. Gen\u00e8ve. III. 1858. \u2014 Th. Chossat, tils, Arch. d. physiol. I. 1868. \u2014 Mathieu et Urbain, Ebenda. IV.\nHandbuch der Physiologie. Bd. VI.\t7","page":97},{"file":"p0098.txt","language":"de","ocr_de":"98 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nHunger sind nicht genau, da dabei nur die bei der Sektion aus-fliessende Quantit\u00e4t ber\u00fccksichtigt wurde. Ich habe dasselbe nach Welcker\u2019s Methode bestimmt wie schon fr\u00fcher Heidenhain 1 und Panum1 2, welche zu denselben Resultaten wie ich gelangt sind.\nDie Nichtabnahme von Gehirn und R\u00fcckenmark w\u00e4hrend des Hungerns, die auch Bibra3 an Kaninchen constatirte, l\u00e4sst bestimmte Schl\u00fcsse \u00fcber die Vorg\u00e4nge im Innern des K\u00f6rpers bei der Inanition zu. Man sieht nicht ein, warum diese Organe, die wenigstens in ihrer grauen Substanz sehr blutreich sind und dieselben Verh\u00e4ltnisse darbieten wie die \u00fcbrigen Theile des K\u00f6rpers keinen Substanzverlust erleiden sollten. Es bleibt nichts Anderes \u00fcbrig als anzunehmen, dass beim Hunger t\u00e4glich ein bestimmter Bruchtheil des eiweissartigen Inhalts der Organe verfl\u00fcssigt und noch unzersetzt an die S\u00e4fte abgegeben wird, mit denen das Abgeschmolzene in der Circulation im K\u00f6rper herumgef\u00fchrt wird; dabei kommt ein Tlieil dieses Eiweisses in den Organen zur Zersetzung, ein Theil dient aber zur Ern\u00e4hrung und zwar gerade derjenigen Organe, welche am meisten th\u00e4tig sind und die reichlichste Blutzufuhr erhalten, wie die Centralorgane des Nervensystems und das Herz4 5. Erwin Voit 5 hat das Gleiche bei den Knochen von Tauben beobachtet, welche sehr kalkarmes Futter erhielten ; die Knochen, welche bewegt werden, hatten kaum an Gewicht verloren, das Brustbein und der Sch\u00e4del waren aber zu ganz d\u00fcnnen, l\u00f6cherichen Gebilden geworden. Ein besonders \u00e9clatantes und interessantes Beispiel f\u00fcr die Liquidation des Eiweisses gewisser Organe und die Ern\u00e4hrung anderer Organe durch dasselbe hat F. Miescher6 neuerdings beim Rheinlachs gefunden; dieser Fisch hungert, nachdem er im besten Ern\u00e4hrungszustand aus dem Meer in das S\u00fcsswasser gezogen ist, 6-91-2 Monate lang und entwickelt trotzdem dabei seine Geschlechtsorgane, Hoden und Eierstock, zu einem enormen Umfang auf Kosten der abnehmenden Rumpfmuskeln. Man\n1\tHeidenhain, Disquis. criticae et experimentales de sanguinis quantitate in mammalium corpore exstantis. Halis 1857.\n2\tPanum. Arch. f. patliol. Anat. XXIX. S. 241. 1864.\n3\tBibra, Vgl. Unters, \u00fcber das Gehirn. S. 131. 1854. \u2014 Nach C. Aeby (Arch. f. exper. Path. u. Pharmakol. III. S. 180. 1874) bleibt der Wassergehalt des Gehirns schlafender Murmelthiere unver\u00e4ndert, w\u00e4hrend der des Muskels und Blutes ab-\nnimmt\n4\tIch finde \u00e4hnliche Gedanken schon bei Vierordt, Grundriss der Physio-\nlogie. S. 270. 1871 und bei Hermann, Grundriss der Physiologie. S. 200. 1877 ausgesprochen.\t\u201e\t.\t,\t\u201e\u201e\u201e\n5\tC. Voit, Amtl. Ber. d. \u00f6O.Vers. d. deutsch.Naturf. u. Aerzte mM\u00fcnchen 18 m.\nS. 242.\n6\tF. Miescher, Schweizer. Literatursammlung zur internationalen Fischereiausstellung in Berlin 1880.","page":98},{"file":"p0099.txt","language":"de","ocr_de":"Abnahme der einzelnen Organe beim Hunger.\n99\nist daher nicht im Stande aus der Gewichtsabnahme eines Organs bei der Inanition \u00fcber die Intensit\u00e4t des Stoffverbrauchs in ihm etwas zu erfahren. Ein Organ, welches sein Gewicht beim Hungern ann\u00e4hernd behauptet, kann einen geringen oder bedeutenden Stoffwechsel gehabt haben; im letzteren Falle hat es eben auf Kosten der schmelzenden Organe einen Ersatz erhalten.\nEs mag noch bemerkt werden, dass die Zusammensetzung der Organe beim Hunger sich nur wenig ver\u00e4ndert. Der Wasser- und Fettgehalt des Gehirns des verhungerten Thieres ist nach Bibra\u2019s und meinen Analysen nicht anders wie im gut gen\u00e4hrten Thier. Das Blut meiner hungernden Katze enthielt etwas mehr Trockensubstanz, Eiweiss und Blutk\u00f6rperchen1; dieselbe bekam zwar Wasser vorgesetzt, sie liess es aber, wie auch meist die hungernden Hunde, ganz unber\u00fchrt stehen und nahm doch nicht an Wasser ab, sondern sie behielt sogar eine gewisse Menge des Wassers der zersetzten K\u00f6rpertheile zur\u00fcck und wurde so relativ reicher an Wasser. Das Thier hatte n\u00e4mlich 196 Grm. trockenes Fleisch zerst\u00f6rt, das im K\u00f6rper mit etwa 616 Grm. Wasser vereinigt war; es hatte aber nach der Sektionscontrole nur 566 Grm. Wasser aus seinen Organen verloren, die zumeist einen etwas h\u00f6heren procentigen Wassergehalt zeigten als normale. Die Organe der hungernden Katze von Bidder und Schmidt sind dagegen wasser\u00e4rmer geworden. Es h\u00e4ngt dies von zuf\u00e4lligen Umst\u00e4nden ab und es ist daher nicht richtig, wenn man im Allgemeinen sagt, der Hunger liesse sich bei Aufnahme von Wasser leichter ertragen, es kommt \u00f6fters vor, dass der K\u00f6rper ohne Wasseraufnahme beim Hunger w\u00e4ssriger wird.'2\nMit dem beim Hunger zerst\u00f6rten Eiweiss und Fett ist in den Organen eine gewisse Menge von Wasser innig verbunden, mit 100 Theilen trockenem Fleisch etwa 315 Theile Wasser. Dieses Wasser wird nun entweder als \u00fcbersch\u00fcssig und unbrauchbar ausgeschieden, oder es wird im K\u00f6rper zur\u00fcckgehalten, um einen vorher erlittenen Verlust von Wasser zu ersetzen. Denn je nach den Bedingungen, welche von Einfluss auf die Wasserabgabe vom K\u00f6rper sind, verliert auch der hungernde Organismus Wasser, durch Verdunstung von der Haut und der Lunge und bei der Abscheidung von Harnbestandtheilen durch die Nieren.\nAusser dem Wasser werden beim Hunger auch noch Aschebestand-theile entfernt, solche welche in Verbindung mit dem verbrauchten Eiweiss waren und solche welche bei der Filtration der Harnbestandtheile mit-\n1\tNach Buntzen (Om. Ern\u00e4ringens og Blodtabets Indflydelse paa Blodet. Ex-perimental fysiologisk Unders\u00f6gelse. Doctordisputats. Kj\u00f6benhavn 1879) nimmt bei der Inanition die relative Menge der Blutk\u00f6rperchen zu; nach Wiederaufnahme von Nahrung nimmt sie ab und es wird erst nach langer und reichlicher Nahrungsaufnahme die normale relative Zahl wieder erreicht. Beim Hunger gehen also die rothen Blutk\u00f6rperchen langsamer zu Grunde als das Blutserum: nach Nahrungszufuhr wird das Blutserum rascher erneuert wie die Blutk\u00f6rperchen.\n2\tAuch Fr. Hofmann (Ztschr. f. Biologie. VIII. S. 171. 1872) fand nach 38 t\u00e4gigem Hunger bei einem Hunde die Organe nicht \u00e4rmer an Wasser; er erhielt:\"\nin der Leber 71.33% Wasser im Blut. . 76.23%\t\u201e\nim Muskel\t75.24%\t\u201e","page":99},{"file":"p0100.txt","language":"de","ocr_de":"100 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\ngerissen werden. Falck1 2 hat die Ausscheidung von Chlor, Schwefel und Phosphors\u00e4ure im Harn des hungernden Hundes verfolgt.\nNach der Gr\u00f6sse der Zerst\u00f6rung von Eiweiss und Fett und der Abgabe von Wasser richtet sich die Abnahme des K\u00f6rpergewichts bei der Inanition, welche daher weiter kein Interesse darbietet. Es ist leicht erkl\u00e4rlich, warum in der Mehrzahl der F\u00e4lle das Gewicht in den ersten Hungertagen am meisten sinkt, da hier noch viel Eiweiss zersetzt wird und viel Wasser zur Ausscheidung der Zersetzungsprodukte durch den Harn noting ist. Sp\u00e4ter wird der Gewichtsverlust kleiner und ziemlich constant wegen der geringen Schwankungen in der Verbrennung von Eiweiss und Fett. Kleine Organismen zeigen wegen der verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig gr\u00f6sseren Zersetzung und Wasserabgabe eine relativ bedeutendere Abnahme des K\u00f6rpergewichts; aus dem gleichen Grunde verlieren alte und fette Tliiere weniger als junge und magere.\nChossat hat bei seinen W\u00e4gungen verhungerter Tliiere (S\u00e4uge-thiere, V\u00f6gel, Amphibien und Fische) im Allgemeinen ersehen, dass dieselben zu Grunde gingen, wenn sie etwa 40 % ihres urspr\u00fcnglichen Gewichtes eingebtisst hatten; jedoch nahm er ziemlich bedeutende Schwankungen von dieser Mittelzahl wahr (20\u201450 %).\nEs wurde in dieser Hinsicht gefunden:\nThier\tAlter\tGewicht\t\u00b0/o Abnahme des Gewichts\tBeobachter\nHund\t\tIS St.\t313\t23 3\tFalck\n\t13'/2 St,\t1004\t48.1\t\u201e\n\t1 Jahr\t8880\t4S.1\t\n\tviele Jahre\t21210\t48.9\t,,\nKatze ....\t\u2014\t2572\t48 2\tBidder u. Schmidt I\nKaninchen .\t.\t.\t\u2014\t2100\t49.5\tWeiske -\n\t\u2014\t2000\t48.0\t\u201e\n\t\u2014\t2029\t37.8\tRubner\n\t\u2014\t1262\t42.3\t\nMeerschweinchen\t\u2014\t\u2014\t33.0\tChossat\nHuhn ....\t\u2014\t\u2014\t52.7\t\nTurteltaube .\t.\tjung\t\u2014\t25.0\tv\n\tmittel\t\u2014\t36.0\t\n\tausgewachsen\t\u2014\t45.6\t\nFeldtaube . .\t.\t\u2014\t\u2014\t40.4\tv\n\t\u2014\t\u2014\t34.2\tSchuchardt\nKr\u00e4he ....\t\u2014\t\u2014\t31.1\tChossat\nMan vermag aus diesen Zahlen nicht viel zu entnehmen, da n\u00e4here Angaben zu einer Beurtheilung z. B. \u00fcber das Alter und das\n1\tFalck berechnet aus dem Harnstoff eine Zerst\u00f6rung von 5277 Grm. Fleisch, aus dem Schwefel des Harns von nur 4234 Grm. ; er hat dabei aber den Koth ausser Acht gelassen und die Harnstoffbestimmung nach Liebig nie durch die direkte Stickstoffbestimmung controlirt; es ist m\u00f6glich, dass auch die kleine Menge des Schwefels im Fleisch leicht Fehler hervorruft. Die im Hungerkoth reichlich vorhandene Phosphors\u00e4ure hat er ebenfalls nicht ber\u00fccksichtigt.\n2\tWeiske, Ztschr. f. Biologie. X. S. 421. 1874.","page":100},{"file":"p0101.txt","language":"de","ocr_de":"Abnahme der einzelnen Organe beim Hunger.\n101\nGewicht der Tliiere, sowie \u00fcber den urspr\u00fcnglichen und schliess-lichen Gehalt an Fleisch und Fett fehlen. Es l\u00e4sst sich wohl .annehmen, dass eine gewisse Masse der Organe zum Leben nothwendig ist, und zwar relativ mehr beim kleineren Thier, und dass bei einem reichlichen Vorrath an Fett ein gr\u00f6sserer Bruchtheil des K\u00f6rpers bis zum Eintritt des Hungertodes verloren geht.\nF\u00fcr die Zeit des Verhungerns kommt es selbstverst\u00e4ndlich darauf an, wieviel die Gewichtseinheit des Thiers im Tag an Substanz verliert oder wie gross der Vorrath und Verbrauch von Eiweiss und Fett im K\u00f6rper ist, Der Hungertod tritt daher in sehr ungleicher Zeit, sowohl bei verschiedenen Thiergattungen als auch bei verschiedenen Individuen der n\u00e4mlichen Species ein.\nEs liegen hier\u00fcber folgende, theilweise recht unvollkommene Angaben vor:\nThier\tAlter\tGewicht\ti\t3 ' C\u00a3 2\t73 5 ^ H \u2018-H\t\u00a3\tI 60 o~~ 2 A 2 \"\u25a0*\tBeobachter\nPferd ....\t9 Jahre\t\t24\t\tMagendie 1\nHund ....\t18 St.\t313\t3.1\t8.6\tFalck\n\u2022 \u2022 \u2022 \u2022\t14 Tage\t1004\t13.9\t4.8\t\n. . . \u2022\t1 Jahr\t8880\t23.2\t2.7\t\n\u2022 \u2022 \u2022 \u2022\tviele Jahre\t21210\t60.3\t1.1\t,,\nKatze ....\t\u2014\t2572\t17\t\u2014\tBidder u. Schmidt\nKaninchen .\t.\t.\t\u2014\t\u2014\t10\t\u2014\tChossat\n\t\u2014\t2100\t32 ?\t\u2014\tWeiske\n\t.\u2014\t2000\t27 ?\t\u2014\t\u201e\n\t\u2014\t1095\u20141635\t9\t\u2014\tAnrep 2\nW\tV\t...\t\u2014\t2029 1 0 G 0\t15 7\t\u2014\tRubner\nRatten ....\t\u2014\t1zoz\t1\t\t\t\nMeerschweinchen\t-\u2014\t\t6.6\t\u2014\tChossat\nTurteltaube .\t.\tjung\t\u2014\t3.1\t8.1\t\nM\tW\t...\tmittel\t\u2014\t6.1\t5.9\t\n\t\terwachsen\t\u2014\t13.4\t3.5\t\nFeldtaube .\t.\t.\t\u2014\t-\u2014\t5.3\t\u2014\tSchuchardt\nHuhn ....\tjung\t1120\t12\t\u2014\tSCHIMANSKI\n\u201e ....\t\u00e4lter, tett\t1990\t34\t\u25a0\u2014-\t\u201d\nBei hungernden S\u00e4ugethieren ist die Menge des am K\u00f6rper abgelagerten Fettes und dessen Verh\u00e4ltniss zum Eiweiss in hohem Grade bestimmend f\u00fcr die Zeit, w\u00e4hrend welcher der Hunger ertragen werden kann. Fette Tliiere zersetzen weniger Eiweiss und schliessen nach dem Hungertode noch betr\u00e4chtliche Quantit\u00e4ten von Fett ein; sie halten daher die Entziehung der Nahrung ungleich\n1\tMagendie, Le\u00e7ons faites au Coll\u00e8ge de France 1S51 \u20141852. p. 29. Paris 1852.\n2\tAnrep, Arch. f. d. ges. Physiol. XXI. S. 69. 1879.","page":101},{"file":"p0102.txt","language":"de","ocr_de":"102 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nl\u00e4nger aus als fettarme, wenn auch fleischreiche Organismen, bei denen von Anfang an mehr Eiweiss zerst\u00f6rt wird, besonders aber sp\u00e4ter wenn das in geringer Menge am K\u00f6rper abgelagerte Fett auf-gebraucht ist. Die ziemlich fette Katze von Bidder und Schmidt von einem Gewicht von *2.5 Kilo lebte 18 Tage ohne Nahrungszufuhr; die meinige (3.1 Kilo schwer), welche arm an Fett und reich an Eiweiss war, befand sich am 14. Tage so elend, dass ich sie t\u00f6dtete. Der alte fette Hund Falck\u2019s (21.2 Kilo schwer) ging erst am 61. Tage der Inanition zu Grunde und enthielt noch reichlich Fett; ein 1 j\u00e4hriger Hund (8.88 Kilo schwer) schon am 24. Tage, wo aber das Fett am K\u00f6rper ganz verschwunden war.\nBei Ruhe und in warmer Luft wird weniger Fett oxydirt; bei anstrengender Arbeit und in der K\u00e4lte tritt daher fr\u00fcher der Hungertod ein. Die \u00e4usserst fettreichen schlafenden Murmelthiere bleiben bei den geringf\u00fcgigen Bewegungen und der niederen K\u00f6rpertemperatur 6 \u2014 7 Monate ohne Nahrung. Niedere Thiere, welche nur wenig zersetzen, k\u00f6nnen lange Zeit hungern, z. B. Fr\u00f6sche bis zu 9 Monaten ; Fliegen und Bienen haben dagegen wenig Fett in ihrem K\u00f6rper und machen lebhafte Bewegungen, weshalb sie zum Theil schon nach 1 Stunde verhungern sollen, mit Zuckerwasser gef\u00fcttert aber l\u00e4ngere Zeit auskalten l.\nKleine Thiere verbrauchen verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig mehr Eiweiss als gr\u00f6ssere, sie gehen daher, wie schon Collard de Martigny bemerkt hat, fr\u00fcher zu Grunde, fettarme Ratten z. B. am 2.\u20143. Tage. Junge Thiere, welche meist nur wenig Fett enthalten und relativ mehr Eiweiss zersetzen als ausgewachsene fettreiche sterben in k\u00fcrzerer Zeit ; Kinder erliegen dem Hunger schon am 3. oder 4. Tage, erwachsene normale Menschen je nach ihrer K\u00f6rperbesekaffenkeit am 8.\u201428. Tage, Melancholiker halten die Entziehung der Nahrung bis zu 42 Tagen aus.'2\nObwohl beim verhungerten Thier noch ein ansehnlicher Theil der Organmasse und in derselben eine betr\u00e4chtliche Menge von Eiweiss vorhanden ist und manchmal auch noch etwas Fett, so ist das Leben doch nicht mehr m\u00f6glich. Es ist durch Chossat sowie auch durch Bidder und Schmidt dargethan worden, dass die Eigentemperatur des Thiers in den letzten Lebenstagen betr\u00e4chtlich sinkt und demselben dadurch eine notkwendige Bedingung f\u00fcr das Leben entzogen wird. Es gelingt manchmal durch Einwickeln in warme T\u00fccher noch einige Zeit das Leben zu fristen, dann geht das Thier\n1\tD\u00f6nhoff, Arch. f. Anat. n. Physiol. 1872. S. 591.\n2\tHaller, Elementa physiologiae. VI. p. 169. 1777. \u2014 Tiedemann, Physiologie des Menschen. II. S. 39. 1836. \u2014 B\u00e9rard, Cours de physiologie. I. p. 538. 1848.","page":102},{"file":"p0103.txt","language":"de","ocr_de":"Stoffverbrauch bei Zufuhr eiweissartiger Stoffe.\n103\naber trotz normaler Eigenw\u00e4rme zu Grunde. Die Stoffzersetzung wird nach l\u00e4ngerem Hunger zu gering, um die n\u00f6thige W\u00e4rmemenge zu liefern und zuletzt wird nicht einmal die f\u00fcr die Atliem- und Herzbewegungen und f\u00fcr andere zum Leben geh\u00f6rige Bewegungen n\u00f6thige Kraft geliefert, wesshalb der Tod erfolgt.\nNachdem wir die Verh\u00e4ltnisse des Stoffverbrauchs im hungernden Organismus er\u00f6rtert haben, k\u00f6nnen wir jetzt die Ver\u00e4nderungen desselben unter dem Einfl\u00fcsse gewisser aus dem Darmkanal resorbirter Stoffe, welche wir sp\u00e4ter als Nahrungsstoffe kennen lernen werden, sowie unter der Wirkung anderer Stoffe und Agentien betrachten. Dass durch die Nahrungsaufnahme im Allgemeinen eine betr\u00e4chtliche Erh\u00f6hung des Stoffumsatzes hervorgebracht wird, haben die ersten und \u00e4ltesten Versuche ergeben, welche die sofortige Steigerung des Sauerstoffverbrauchs und der Kohlens\u00e4ureausscheidung durch die Lunge darthaten.1 Welche Stoffe aber dabei in gr\u00f6sserer Menge im K\u00f6rper zerst\u00f6rt werden, das wurde erst in der neueren Zeit erkannt.\nII. Stoffverbrauch bei Zufuhr eiweissartiger Stoffe.\nDie Principienfragen lassen sich auch hier wieder am besten an einem gr\u00f6sseren fleischfressenden S\u00e4ugethier, dem Hund, l\u00f6sen, da die Pflanzenfresser gew\u00f6hnlich nicht zu verm\u00f6gen sind, reine ei-weissartige Stoffe aufzunehmen, oder wenigstens einen Ballast zur Ausf\u00fcllung des Darms n\u00f6thig haben z. B. Stroh, von dem sie aber eine gewisse Menge verdauen und resorbiren, so dass man es dann nicht mehr mit der Eiweisswirkung f\u00fcr sich zu thun hat; nur Horn-sp\u00e4hne, welche Knieriem Kaninchen gab, k\u00f6nnen als unver\u00e4nderliches Ausf\u00fcllungsmittel dienen.\nIch habe fr\u00fcher (S. 19) angegeben, warum f\u00fcr den Fleischfresser als eiweisshaltiges Material reines Muskelfleisch am geeignetsten ist, welches abgesehen vom Wasser und den Aschebestandtheilen gr\u00f6ssten-theils aus eiweissartigen Stoffen besteht. Es sind jedoch auch reine Eiweissstoffe z. B. mit heissem Wasser ausgelaugtes Fleischpulver durch Kemmerich2 und J. Forster3, oder die mit heissem Wasser\n1\tLavoisier et Seguin, M\u00e9m. de l\u2019acad. des sciences. 1789; Oeuvres II. p. 688. \u2014 Scharling, Ann. d. Chem. u. Pharm. XLY. S. 214. 1843. \u2014 Vierordt, Physiologie des Athmens. 1845. \u2014 E. Smith, Philos. Transact. Roy. Soc. CXLIX. p. 6S1. 1859 1860. p. 715.\n2\tKemmerich, Arch. f. d. ges. Physiol. II. S. 75.\n3\tForster, Ztschr. f. Biologie. IX. S. 303. 1873. \u2014 Voit, Sitzgsber. d. bavr. Acad. Dec. 1869. S. 32.","page":103},{"file":"p0104.txt","language":"de","ocr_de":"104 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch ira thier. Organismus etc.\nersch\u00f6pften coagulirten Eiweissstoffe des Blutes sowie reiner Kleber durch Panum und Heiberg 1 zu Ern\u00e4h rungs versuchen mit dem n\u00e4mlichen Erfolge wie Fleisch verwendet worden. Die verschiedenen Modifikationen des Eiweisses haben h\u00f6chst wahrscheinlich s\u00e4mmtlich ganz die gleiche Wirkung auf den Stoffumsatz, jedoch liegen hier\u00fcber noch keine genauen Untersuchungen vor.\nDie fr\u00fcheren Versuche von mir und die darauf folgenden von Bisch\u00f6fe und mir waren die ersten, bei welchen eiweissartige Substanz oder Fleisch so rein als m\u00f6glich angewendet wurde, denn sowohl bei der ersten Arbeit von Bischoff als auch bei der von Bidder und Schmidt befand sich am Fleisch stets noch eine mehr oder weniger grosse Menge von Fett, so dass immer die Folgen einer zum Tlieil gemischten Nahrung hervortraten. Ausserdem waren diese Versuche nicht zahlreich genug, um alle die Verschiedenheiten der Wirkung der Eiweisszufuhr am gleichen Thier darzulegen. Die Reihen von Bidder und Schmidt, welchen es vorz\u00fcglich darum zu thun war, die Art der Vertheilung der Elemente der Nahrung auf die einzelnen Exkrete zu erforschen, beschr\u00e4nken sich auf eine 8 t\u00e4gige Untersuchung an einer Katze mit fortw\u00e4hrend wechselnden Mengen von Fleisch ; auf eine 9 t\u00e4gige Beobachtung an einer anderen Katze mit eben ausreichender Menge Fleisch; eine 51 l/z st\u00e4ndige zweite Reihe an derselben Katze mit verschiedenen gr\u00f6sseren Mengen von Fleisch und endlich auf eine 23 t\u00e4gige dritte Reihe wieder mit eben ausreichender Fleisch-menge. Nahezu alle Forscher beschr\u00e4nkten sich auf die Untersuchung der Ausgaben durch Harn und Ivotli oder die Feststellung des Eiweisszerfalles; die umfassendsten Untersuchungen \u00fcber den Gang der Eiweisszersetzung bei Zufuhr reiner eiweissartiger Substanz sind von Bischoff und mir2, dann sp\u00e4ter von mir allein3 an Hunden ausgef\u00fchrt worden. Nur Bidder und Schmidt bestimmten dabei ausserdem an einigen Stunden des Tages die Ausscheidung der Kohlens\u00e4ure; Pettenkofer und ich 4 ermittelten den ganzen Stoffverbrauch w\u00e4hrend 24 Stunden.\n7. Zunahme der Eiweisszersetzwu) bei wachsender Eiweisszufuhr.\nAlle welche Versuche in dieser Richtung angestellt haben, best\u00e4tigen, dass die Stickstoffausscheidung im Harn, also die Eiweiss-zersetzung im K\u00f6rper, alsbald in auffallendem Grade w\u00e4chst, sobald Eiweiss in den Darm eingef\u00fchrt wird.\nDies tritt schon aus den Bestimmungen der Harnstoffausscheidung bei Menschen, deren Kost verschiedene Mengen von Eiweiss enthielt, hervor ; aus diesem Grunde ist in der Mehrzahl der F\u00e4lle die Menge des Harnstoffs bei animalischer Kost gr\u00f6sser als bei vegetabilischer oder bei\n1\tPanum, Bidrag til Bedommelsen of Foderaidlernes Naringsverdi. Kiobenhavn 1566. \u2014 Heiberg, Om Urinstofi'productionen hos Hunde ved Foding med Bl\u00f6d og Ki\u00f6d tilberedt raa forskjellig maade 186b.\n2\tBischoff u. Voit, Die Gesetze der Ern\u00e4hrung des Fleischfressers. 1860.\n3\tVoit, Ztschr. f. Biologie. III. S. 1. 1S67.\n4\tPettenkofer u. Voit, Ebenda. VII. S. 433. 1871.","page":104},{"file":"p0105.txt","language":"de","ocr_de":"Zunahme der Eiweisszersetzung bei wachsender Eiweisszufuhr.\n105\neiner nur aus stickstofffreien Stoffen zusammengesetzten. So fand schon C. G-. Lehmann1 an sich selbst:\nbei\tanimalischer Kost (32 Eier mit 30.16 Stickstoff) 53.20\tGrm. Harnstoff\nbei\tgemischter Kost..................................32.50\t\u201e\t\u201e\nbei\tvegetabilischer Kost............................ 22.48\t\u201e\t\u201e\nbei\tstickstofffreier Kost............................15.41\t\u201e\t\u201e\nDie gleichen Beobachtungen haben Scherer, K\u00fcmmel, Franque, Haugh-ton 2 u. s. w. am Menschen gemacht.\nGenauer sind die an fleischfressenden Thieren nach Zufuhr von Fleisch erhaltenen Resultate. Ein kleiner Hund entleerte nach Frerichs3\nbeim Hunger im Tag 3 Grm. Harnstoff, bei Fleischnahrung 29 Grm.; Aelmliches fanden Bidder und Schmidt an Katzen und Bischoff 4 am Hunde. Der etwa 35 Kilo schwere Hund von Bischoff und mir schied nach mehrt\u00e4gigem Hunger im Tag 12 Grm. Harnstoff aus, bei Ern\u00e4hrung mit 2500 Grm. Fleisch aber 184 Grm.; es kann also der Umsatz der stickstoffhaltigen Stoffe bei demselben Organismus um das 15 fache gesteigert werden, ohne dass man irgend etwas Besonderes daran wahrnimmt.\nDie Steigerung des Eiweissumsatzes bei gr\u00f6sserer Zufuhr von Eiweiss in der ausserdem noch viel stickstofffreie Stoffe enthaltenden Nahrung ist auch f\u00fcr die pflanzenfressenden Tliiere, namentlich die Wiederk\u00e4uer, best\u00e4tigt worden durch Henneberg und Stohmann, Grouven, Schulze und Maercker und Weiske5, so dass in dieser Beziehung keine principiellen Unterschiede im Verhalten der verschiedenen Gruppen der S\u00e4ugethiere und wahrscheinlich auch s\u00e4mmtlicher thierischer Organismen bestehen.\nIm Allgemeinen w\u00e4chst bei Steigerung der Zufuhr an Eiweiss auch die Zersetzung desselben ziemlich gleichm\u00e4ssig an, wie die folgenden, an ein und demselben Hunde gewonnenen Zahlen darthun.6\nVerzehrte Fleischmenge im Tag in Grm.\tHarnstoffmenge im Tag in Grm.\tVerzehrte Fleischmenge im Tag in Grm.\tHarn stoffm enge im Tag in Grm.\n176\t27\t1200\t88\n300\t32\t1500\t106\n480\t35\t1800\t128\n500\t40\t1900\t139\n600\t49\t2000\t144\n800\t56\t2200\t154\n900\t68\t2500\t173\n1000\t77\t2660\t1S1\n1\tC. G. Lehmann. Journ. f. pract. Chem. XXV. S. 22, XXVII. S. 257 ; Lehrb. d. physiol. Chemie. II. S. 402. 1853. (Auch Krahmer, Journ. f. pract. Chem. XLI. S. 1.)\n2\tScherer, W\u00fcrzburger Verhandl. III. 1852. \u2014 Rummel, Ebenda. V. 1854. \u2014\nFranque, Beitr\u00e4ge zur Kenntniss der Harnstoffausscheidung beim Menschen. Diss. inaug. W\u00fcrzburg 1855. \u2014 Sam. Haughton, Dublin Quarterly Journ. of medic. Science. Aug. 1859 u. I860.\t3 Frerichs, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1848. S. 478.\n4 Bischoff, Der Harnstoff als Maass des Stoffwechsels. Giessen 1853. b Henneberg u. Stohmann, Beitr. zur Begr\u00fcndung einer rationellen F\u00fctterung der V iederk\u00e4uer. 2. Heft. S. 415. 1864. \u2014 Grouven, Phys.-chem. F\u00fctterungsversuche. 1864. \u2014 Henneberg, Ebenda. S. 385. 1871. \u2014 Stohmann, Ztschr. d. landw. Central-Ver. d. Prov. Sachsen. 1870. No. 3; Biol. Studien. 1873. Heft 1. \u2014 Schulze u. Maercker, Journ f. Landw. 1870. \u2014 Weiske. Ebenda. 1870.\n6 Voit, Ztschr. f. Biologie. III. S. 5. 1867.","page":105},{"file":"p0106.txt","language":"de","ocr_de":"106 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der StoffVerbrauch im thier. Organismus etc.\nIch bemerke gleich, dass bei keinem andern ans dem Zerfall organischer Stoffe stammenden Elemente Differenzen in diesem Grade Vorkommen wie bei dem Stickstoff. Auch die kleinste Vermehrung der Zufuhr von Eiweiss hat eine Steigerung der Zersetzung desselben zur Folge.\nEs steht diese Erscheinung offenbar in Beziehung zu der beim Hunger beobachteten, wornach auch bei Entziehung der Nahrung die Gr\u00f6sse der Zersetzung der stickstoffhaltigen Substanzen bedeutenden Schwankungen unterliegt: dieselben h\u00e4ngen vor Allem von der verschiedenen Menge eines im K\u00f6rper vorhandenen, vorz\u00fcglich von der vorausgehenden Nahrung herr\u00fchrenden Vorrathes zerst\u00f6rbaren Eiweisses ab. Das vom Darm aus in die S\u00e4ftemasse gelangende Eiweiss verh\u00e4lt sich in Hinsicht des Zerfalls (wenigstens zum gr\u00f6ssten Theil) nicht wie die grosse Masse des im K\u00f6rper abgelagerten Eiweisses, sondern vielmehr wie jener Vorrath von zerst\u00f6rbarem Eiweiss beim Hunger und bedingt wie dieser ein ganz unverh\u00e4ltniss-m\u00e4ssiges Anwachsen des Umsatzes.\nZugleich mit der Steigerung der Zersetzung bei vermehrter Zufuhr von Eiweiss wird der Verlust von Eiweiss vom K\u00f6rper, wie er beim Hunger stattfindet, immer kleiner und kleiner, aber nur sehr langsam, bis schliesslich ebenso viel Eiweiss eingef\u00fchrt als zerst\u00f6rt wird und der K\u00f6rper sich mit der dargereichten Eiweissmenge auf seinem Eiweissbestande erh\u00e4lt. Einige Beispiele werden das Gesagte klar machen:\n1 Fleischaufnahme\tFleischzersetzung\tFleisch\u00e4nderung am K\u00f6rper\n0\t223\t\u2014 223\n0\t190\t\u2014 190\n300\t379\t\u2014 79\n600\t665\t\u2014\t65\n900\t941\t\u2014 41\n1200\t1180\t-j-\t20\n1500\t1446\t+ 54\n0\t190\t\u2014 190\n250\t341\t\u2014 91\n350\t411\t\u2014 61\n400\t454\t\u2014\t54\n450\t471\t\u2014 21\n480\t492\t\u2014 12\nGiebt man also so viel Eiweiss als beim Hunger zersetzt wird, so reicht der K\u00f6rper damit nicht aus, sondern es wird die Eiweissabgabe nur etwas geringer und die Zersetzung w\u00e4chst; es be-","page":106},{"file":"p0107.txt","language":"de","ocr_de":"Zunahme der Eiweisszersetzung bei wachsender Eiweisszufuhr. 107\ndarf schliesslich gewaltiger Mengen, um den Eiweissverlust zu verh\u00fcten.\nEs ist f\u00fcr manche Vorstellungen von Wichtigkeit zu wissen, in welcher Zeit nach der Aufnahme des Eiweisses in den Darm die Zersetzung desselben im K\u00f6rper anw\u00e4chst, ihren H\u00f6hepunkt erreicht und wieder absinkt. Wir finden bei Becher1 einige Angaben \u00fcber den Gang der st\u00fcndlichen Harnstoffausscheidung beim Menschen nach einem gew\u00f6hnlichen Mittagessen ; es stieg dabei in der zweiten Stunde darnach die Harnstoff-menge, erlangt in der f\u00fcnften Stunde ihr Maximum und f\u00e4llt von da allm\u00e4hlich ab. Ich'2 habe ebenfalls an Menschen w\u00e4hrend 24 Stunden die st\u00fcndliche Harnstoffmenge nach Aufnahme einer sehr reichlichen, aus Fleisch und Eiern bestehenden Mahlzeit ermittelt: schon nach einer Stunde ist eine deutliche Vermehrung der Harnstoffmenge ersichtlich, welche immer zunehmend in der siebenten Stunde den h\u00f6chsten Punkt erreicht und dann w\u00e4hrend 17 Stunden langsam abnimmt. Ludwig3 hat die Resultate der beiden Reihen von Becher und mir in seinem Lehrbuch der Physiologie in Curven \u00fcbersichtlich dargestellt. Ferner hat Panum4 einem Hunde nach F\u00fctterung mit Fleisch st\u00fcndlich mit dem Katheter den Harn entleert und darin den Harnstoff bestimmt: er fand ebenfalls in der 2. und 3. Stunde ein starkes Ansteigen desselben mit dem Maximum in der 3.\u20146. Stunde; in 7\u20147 \u00c72 Stunden nach der Mahlzeit war die H\u00e4lfte der Harnstoffmenge secernirt, welche nach Aufnahme der betreffenden Fleischportion in 24 Stunden ausgeschieden wird. Zuletzt sind eingehende Versuche in dieser Richtung von C. Ph. Falck5 ver\u00f6ffentlicht worden, der allerdings der Meinung ist, man bem\u00fche sich vergeblich, eine Publikation nachzuweisen, aus der man ersehe, mit welcher Geschwindigkeit das Eiweiss der Nahrung im thierischen Organismus in Harnstoff verwandelt und durch den Harn ausgeschieden wird; wie Panum hat er Hunden eine gr\u00f6ssere Menge Fleisch verabreicht und den Harn st\u00fcndlich durch den Katheter entnommen. Bei Zufuhr von 500 Grm. Fleisch an einen 7 Kilo schweren Hund erreicht die Curve der Ausscheidung in der 7. Stunde den Gipfel, um dann wieder zu sinken; bei Zufuhr von 1500 Grm. Fleisch an einen 12.9 Kilo schweren Hund steigt die Curve rasch an, bleibt viele Stunden auf der H\u00f6he und f\u00e4llt erst mit der 14. Stunde ; im Mittel (1000 Grm. Fleisch f\u00fcr einen 12.7 Kilo schweren Hund) nimmt die Harnstoffmenge bis zur 12. Stunde zu und dann wieder ab. Nach Aufnahme von 1000 Grm. Fleisch befand sich ein Hund nach 13 bis 16 Stunden wieder auf der Hungerausscheidung ; ein anderer, welcher 1000\u20141500 Grm. Fleisch verzehrt hatte, war nach 24 Stunden noch nicht ganz auf diesem Zustande angelangt. Falck meint, es werde im Verlauf von 24 Stunden nicht aller Stickstoff des aufgenommenen Fleisches wieder ausgegeben; er kommt zu dieser unrichtigen Vorstellung,\n1\tBecher, Studien \u00fcber Respiration. 2. Abschn. S. 32. 39. Z\u00fcrich 1855.\n2\tVoit, Physiol.-chem. Untersuchungen. S. 42. Augsburg 1857.\n3\tLu\u00fcwig, Lehrb. d. Physiologie. 2. Aufl. II. S. 387. 1861.\n4\tPanum, Nordiskt med. Arkiv. VI. Nr. 12. 1874.\n5\tFalck, Beitr\u00e4ge zur Physiologie, Pharmakologien. Toxikologie. S. 185. Stuttgart 1875.","page":107},{"file":"p0108.txt","language":"de","ocr_de":"108 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nindem er von der st\u00fcndlichen Harnstoffmenge nach der Fleischzufulir diejenige Menge abzieht, welche das Thier beim Hunger geliefert hatte; dies darf selbstverst\u00e4ndlich nicht geschehen, weil unter dem Einfluss der Nahrung kein Eiweiss vom K\u00f6rper mehr abgegeben wird. Es w\u00e4re sein* wichtig zu wissen, ob die Ausscheidung der \u00fcbrigen Elemente des Fleisches, namentlich der Aschebestandtheile desselben, genau in derselben Weise erfolgt wie die des Stickstoffs oder ob hierin Verschiedenheiten existiren. Bis jetzt liegen Bestimmungen von Falck1 vor \u00fcber die Entfernung von einigen in den Magen oder die Jugularvene eingespritzten Stoffen aus dem K\u00f6rper: Harnstoff, phosphorsaures Natron und Chlornatrium kamen nach 6\u20149 Stunden vollst\u00e4ndig im Harn wieder zum Vorschein; dabei handelt es sich nur um die Abgabe eines f\u00fcr den K\u00f6rper \u00fcberfl\u00fcssigen Stoffes, bei der Ausscheidung des Stickstoffs einer verzehrten Eiweissportion dagegen um die Verdauung, Resorption und Zersetzung derselben in den Organen. Jedenfalls laufen alle diese Processe in ausserordentlich kurzer Zeit ab; zu einer Stunde, in der die Verdauung noch im vollen Gange ist, ist schon mindestens die H\u00e4lfte des in den Magen aufgenommenen Eiweisses zerst\u00f6rt und der Stickstoff desselben aus dem K\u00f6rper ausgestossen.\n2. Die Gr\u00f6sse der Eiweisszufuhr bestimmt nicht ausschliesslich den\nEi weissumsatz.\nDie Eiweisszersetzung ist aber nicht nur von der Gr\u00f6sse der Eiweisszufuhr abh\u00e4ngig; es m\u00fcsste sonst der Eiweisszerfall bei Darreichung der gleichen Eiweissmenge stets der gleiche sein und zwar bei ein und demselben Thier und bei verschiedenen Thieren. Da dies aber nicht der Fall ist, so kommen noch andere Momente mit ins Spiel.\nSowie verschieden grosse Organismen beim Hunger verschiedene Mengen von Eiweiss umsetzen, so ist auch der Erfolg nach Aufnahme des n\u00e4mlichen Eiweissquantums bei verschiedenen Thieren h\u00f6chst ungleich : ein grosser Hund reicht mit 500 Grm. Fleisch nicht aus und verliert dabei noch Eiweiss von seinem K\u00f6rper ; ein kleiner reicht nicht nur damit aus, sondern setzt noch Eiweiss an. Es ist also offenbar die K\u00f6rpermasse von entscheidendem Einfluss.\nDieselben Verschiedenheiten beobachtet man bei dein gleichen Thier, wenn es durch wechselnde Ern\u00e4hrungsweise auf einen andern Stand seines K\u00f6rpers gebracht worden ist.\nA) Verschiedener Umsatz am ersten Tage der Zufuhr einer bestimmten Eiweissmenge bei dem gleichen Thier.\nAm ersten Tage der Aufnahme einer bestimmten Eiweissmenge beobachtet man eine sehr ungleiche Stickstoffausscheidung im Harn,\n1 Falck, Arch. f. pathol. Anat. LUI. S. 2S2.1871 ; LIV. S. 173.1871 ; LVI. S. 315.\n1872.","page":108},{"file":"p0109.txt","language":"de","ocr_de":"Verh\u00e4ltniss der Eiweisszufuhr zum Eiweissumsatz.\n109\nganz entsprechend der wechselnden Harnstoffmenge am ersten Hun-gertage. Es ist also der daraus berechnete Fleischumsatz bei der gleichen Zufuhr grossen Schwankungen unterworfen; ich fand z. B.\nZufuhr an Fleisch\tUmsatz von Fleisch\n2000\t1365\u20142229\n1800\t1218\u20141511\n1700\t1474\u20141720\n1500\t1080 \u2014 1614\n1000\t1027\u20141153\n800\t769\u2014 892\n500\t522- 705\nEs l\u00e4sst sich leicht zeigen, dass diese Verschiedenheiten in der stofflichen Wirkung der gleichen Eiweissmenge von dem durch die vorausgegangene F\u00fctterung erzeugten K\u00f6rperzustand bedingt sind. Ist n\u00e4mlich vorher l\u00e4ngere Zeit weniger Eiweiss gegeben worden, dann erscheint regelm\u00e4ssig am ersten Tage der reichlicheren F\u00fctterung nicht aller Stickstoff der zugef\u00fchrten Eiweissmenge in den Ex-kreten ; ist aber ein ander Mal vorher viel Eiweiss verzehrt worden, so findet sich bei kleinerer Zufuhr mehr Stickstoff im Harn und Koth, als aufgenommen wurde. Dieses Minus und Plus an Stickstoff beim Uebergang zu einer gr\u00f6sseren oder geringeren G-abe von Eiweiss kann nach den fr\u00fcheren Betrachtungen (S. 58) nicht auf einer Zur\u00fcckhaltung oder Ausscheidung stickstoffreicher Zersetzungsprodukte beruhen, sondern im Wesentlichen nur auf einer Ablagerung oder einem Verlust von Eiweiss am K\u00f6rper. Es sind also z. B. bei einem durch eine reichliche Eiweissaufnahme sehr eiweissreich gewordenen K\u00f6rper 1500 Grm. Fleisch nicht gen\u00fcgend, um den vorher erlangten guten Stand zu erhalten, w\u00e4hrend dabei umgekehrt Eiweiss zum Ans\u00e4tze gelangt, wenn der Organismus durch sp\u00e4rliche Zufuhr von Eiweiss arm daran geworden ist.\nZu dem im K\u00f6rper, auch beim Hunger, schon befindlichen, sehl-verschieden grossen Vorrath an zerst\u00f6rbarem Eiweiss kommt das Eiweiss der Nahrung hinzu und die Summe beider bestimmt den Erfolg. Es ist f\u00fcr letzteren d. h. f\u00fcr die Gr\u00f6sse der Zersetzung gleichg\u00fcltig, ob das zerst\u00f6rbare Material beim Hunger durch die vorausgehende reichliche F\u00fctterung oder bei Nahrungsaufnahme durch eine mittlere Eiweisszufuhr zur gleichen H\u00f6he angewachsen ist: mein Hund schied am ersten Hungertage bei reichem Eiweissstande 60 Grm. Harnstoff aus, so viel als wenn er bei mittlerem Ern\u00e4hrungszustand des K\u00f6rpers 800 Grm. Fleisch verzehrt h\u00e4tte.","page":109},{"file":"p0110.txt","language":"de","ocr_de":"110 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nEs gebt schon daraus hervor, dass die Verh\u00e4ltnisse der Eiweiss-zersetzung beim Hunger nicht wesentlich, nicht qualitativ verschieden sind von denen bei Zufuhr von Eiweiss, sondern nur graduell; ja es besteht h\u00e4utig nicht einmal ein quantitativer Unterschied.\nB) Verschiedener Umsatz an den sich folgenden Tagen der gleichen\nF\u00fctterungsreihe.\nSetzt man die F\u00fctterung mit einer bestimmten ausreichenden Eiweissmenge fort, so w\u00e4chst nach vorausgehender sp\u00e4rlicherer Zufuhr der Eiweisszerfall von Tag zu Tag, bis er schliesslich constant bleibt und ebensoviel Stickstoff ausgeschieden als eingef\u00fchrt wird; nach vorausgehender gr\u00f6sserer Zufuhr nimmt dagegen der Zerfall immer mehr ab, bis er zuletzt wiederum constant bleibt und bei hinreichender Eiweissaufnahme Stickstoffeinnahme und Ausgabe sich decken.\n1 Tag\tFall 1. Fleischumsatz bei 1500 Fleisch (vorher 500 Fleisch)\tFall 2. Fleischumsatz bei 1000 Fleisch (vorher 1500 Fleisch)\n1\t1222\t1153\n9\t1310\t1086\n3\t1390\t1088\n4\t1410\t1080\n5\t1440\t1027\n6\t1450\t\u2014\n7\t1500\t\u2014\nEs ist klar, dass die allm\u00e4hliche Steigerung des Eiweissverbrauchs im ersten Falle von der Zunahme des zerst\u00f6rbaren Eiweisses im K\u00f6rper herr\u00fchrt, und der Abfall im zweiten Falle von dem Verlust an zerst\u00f6rbarem Eiweiss wie beim Hunger.\nIn einem eiweissreichen hungernden K\u00f6rper nimmt die Zersetzung an den ersten Tagen gewaltig ab ; bei dem Uebergang zu einer geringeren Eiweisszufuhr tritt dies nicht in dem Grade ein, da sich die Gr\u00f6sse des Abfalls nach der Differenz der verzehrten Eiweissmengen richtet. Ebenso w\u00e4chst bei reichlicher Eiweissgabe die Zerst\u00f6rung an den ersten Tagen rascher, und zwar um so mehr, je gr\u00f6sser die Differenz der aufgenommenen Eiweissquantit\u00e4ten ist.\n3. Der Eiweissumsatz ist nicht proportional der Gesammteiweiss-\nmenge am K\u00f6rper.\nEs hat sich bei den Hungerversuchen schon herausgestellt, dass der Eiweissumsatz nicht proportional ist der Gesammteiweissmenge","page":110},{"file":"p0111.txt","language":"de","ocr_de":"Verh\u00e4ltniss des Eiweissumsatzes zur Gesammteiweissmenge am K\u00f6rper. 111\nam K\u00f6rper; es ging dies namentlich aus dem Verhalten der Organismen von verschiedenem K\u00f6rpergewicht hervor und auch aus dem rapiden Abfall der Zersetzung an den ersten Hungertagen: ich schloss daher, dass nicht alles Eiweiss am K\u00f6rper sich den Bedingungen der Zersetzung gegen\u00fcber gleich verh\u00e4lt.\nGanz das N\u00e4mliche l\u00e4sst sich auch bei Zufuhr von Eiweiss durch die Nahrung darthun. Der von mir benutzte Hund lieferte bei Entziehung der Nahrung bei einem Gewicht von 32 Kilo (mit etwa 20 Kilo Fleisch) 16 Grm. Harnstoff; als er den Tag darauf bei einem etwas niederem Gewicht nach Aufnahme von 1800 Grm. Fleisch 93 Grm. Harnstoff ausschied, konnte er doch unm\u00f6glich sechsmal mehr Fleisch, d. i. 1200 Kilo an seinem K\u00f6rper gehabt haben. Ebensowenig wird Jemand annehmen wollen, der Hund sei, als er bei einem K\u00f6rpergewicht von 32 Kilo nach Verschlingen von 2500 Grm. Fleisch 184 Grm. Harnstoff entleerte, 15 mal reicher an Eiweiss gewesen wie an einem Hungertage, an dem er bei einem Gewicht von 33 Kilo nur 12 Grm. Harnstoff lieferte.\nNimmt man ein gewisses Quantum von Gesammteiweiss am K\u00f6rper an, so bildet, wenn bei Steigerung der Eiweisszufuhr eine allm\u00e4hliche Zunahme der Zersetzung stattfindet, das zerst\u00f6rte Eiweiss nicht Tag f\u00fcr Tag den gleichen Bruchtheil des Gesammteiweisses, sondern einen stets wachsenden ; umgekehrt ist es bei geringerer Eiweissaufnahme und Sinken der Zersetzung. Die Quantit\u00e4t des zerst\u00f6rten Eiweisses nimmt in diesen F\u00e4llen ungleich rascher zu und ab als der Eiweissgehalt des K\u00f6rpers. Es kann auch daraus, wie aus den Erfahrungen beim Hunger, nur entnommen werden, dass sich nicht alles Eiweiss im K\u00f6rper in gleichem Grade an den Vorg\u00e4ngen der Umsetzung betheiligt: es k\u00f6nnten sonst nicht ohne eine bedeutende Aenderung in der etwa 20 Kilo betragenden Fleischmasse des K\u00f6rpers je nach der Gr\u00f6sse der Zufuhr, welche aber nur 2.5\u201412.5 \u00b0/o der Gesammtfleischmenge betr\u00e4gt, t\u00e4glich 0.5 \u20142.5 Kilo Fleisch zersetzt werden.\n4. Mit den verschiedensten Eiweissmengen der JSahrung ist Stickst ojf-\ngleichgewicht m\u00f6glich.\nWenn ebensoviel Stickstoff' in den Exkreten sich vorfindet, als in dem verzehrten Eiweiss oder Fleisch eingef\u00fchrt worden war, dann erh\u00e4lt sich der K\u00f6rper auf seinem Eiweissstande: es ist das Stickstoffgleichgewicht vorhanden. Dies kann bei einem bestimmten Organismus mit den verschiedensten Eiweissmengen der Nahrung ge-","page":111},{"file":"p0112.txt","language":"de","ocr_de":"112 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der StoffVerbrauch im tbier. Organismus etc.\nschelten, denn derselbe vermag bei der gleichen Quantit\u00e4t von Ei-weiss am K\u00f6rper viel und wenig zugef\u00fchrtes Eiweiss zu zerst\u00f6ren. L\u00e4sst man z. B. ein Thier l\u00e4ngere Zeit hungern, wobei es ansehnlich Eiweiss von seinen Organen und Fett einb\u00fcsst, so setzt es bei nachheriger Aufnahme von reinem Fleisch nicht wieder das verlorene Eiweiss an, sondern nur sehr wenig, d. h. der an Organeiweiss \u00e4rmer gewordene K\u00f6rper zerst\u00f6rt noch nahezu so viel Nahrungseiweiss wie vorher.\nEs gibt f\u00fcr jeden Organismus eine obere und eine untere Grenze, \u00fcber und unter welche hinaus ein solcher Gleichgewichtszustand nicht mehr m\u00f6glich ist.\nDie obere Grenze ist in der Aufnahmsf\u00e4higkeit des Darms f\u00fcr Eiweiss gegeben. Das Maximum von reinem Fleisch, mit dem sich mein 35 Kilo schwerer Hund im Tag in das Stickstoffgleichgewicht zu setzen vermochte, war 2500 Grm., entsprechend 548 Grm. trockenem Eiweiss ; 2600 Grm. Fleisch war er noch im Stande zu verdauen, er setzte aber 126 Grm. davon am K\u00f6rper an; 2900 Grm. Fleisch verdaute er nicht mehr, es trat Erbrechen und Diarrhoe mit Entleerung von unver\u00e4ndertem Fleisch ein. Ein anderer Hund von 22 Kilo Gewicht konnte 2000 Grm. Fleisch verdauen, er zerst\u00f6rte jedoch nur 1762 Grm., der Rest gelangte zur Ablagerung. Der Mensch ertr\u00e4gt nicht auf die Dauer grosse Mengen von Eiweiss in der Form von reinem Fleisch. J. Ranke 1 zersetzte bei einem K\u00f6rpergewicht von 73 Kilo und einer Aufnahme von 1832 Grm. Fleisch nur 1300 Grm. Fleisch, an einem zweiten Tage von 2000 aufgenommenem Fleisch 1080 Grm., und an einem dritten Tage von 1281 Grm. Fleisch 969 Grm. G\u00fcnstigere Resultate erhielt M. Rubner1 2 ; er verzehrte bei einem K\u00f6rpergewicht von 72 Kilo 1435 Grm. Fleisch und zerst\u00f6rte dasselbe nahezu vollst\u00e4ndig, n\u00e4mlich 1424 Grm.; in einem zweiten Versuche zersetzte er von 1172 Grm. Fleisch 1139 Grm. F\u00fcr gew\u00f6hnlich leistet also der Mensch in dieser Beziehung wesentlich weniger als der halb so schwere Fleischfresser.\nDie untere Grenze, d. i. die kleinste Menge von Eiweiss, mit welcher das Stickstoffgleichgewicht noch eintritt, ist bei ein und demselben Organismus je nach dem K\u00f6rperzustand sehr verschiebbar. Auch bei dem herabgekommensten Zustande war es nicht m\u00f6glich, den Hund von 35 Kilo mit einer unter 480 Grm. fallenden Fleischmenge auf seinem Stickstoffgehalt zu erhalten, eine Menge, welche\n1\tJ. Ranke, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1S62. S. 345. 348. 350.\n2\tM. Rubner, Ztschr. f. Biologie. XV. S. 122. 1879.","page":112},{"file":"p0113.txt","language":"de","ocr_de":"Verh\u00e4ltnisse des Ansatzes und der Abgabe von Eiweiss.\n113\nunter allen Umst\u00e4nden \u00fcber die in den sp\u00e4teren Hungertagen verbrauchte Fleischmenge sich erhebt. Dies geschah, als das Thier nach 11 t\u00e4gigem Hunger allm\u00e4hlich steigende Fleischmengen erhielt. F\u00fcr gew\u00f6hnlich reichten 500 Grm. Fleisch nicht zu; denn bei einer 42 t\u00e4gigen F\u00fctterung mit 500 Grm. Fleisch wurde der K\u00f6rper allm\u00e4hlich um 2541 Grm. Fleisch \u00e4rmer und n\u00e4hrte sich nur sehr langsam dem Gleichgewicht; noch am letzten Tage verlor er 32 Grm. Fleisch und er w\u00fcrde dabei schliesslich sicherlich zu Grunde gegangen sein.\nZwischen 480 und 2500 Grm. konnte sich also der betreffende Hund mit jeder Fleischmenge zuletzt in das Stickstoffgleichgewicht versetzen; bei 480 Grm. Fleisch nimmt die Menge des Eiweisses im K\u00f6rper so lange ab, bis die Umsetzung von 480 Grm. Fleisch erreicht ist; bei 2500 Grm. Fleisch nimmt sie so lange zu, bis die 2500 Grm. Fleisch vollst\u00e4ndig zerst\u00f6rt werden.\nDie geringste Menge von reinem Eiweiss, mit welcher Stick-stolfgleichgewicht eintreten kann, ist nicht nur abh\u00e4ngig von dem Eiweissgehalt des K\u00f6rpers, sondern auch sehr von dem Fettgehalte desselben. Ein fettreicher Organismus braucht zu jenem Zwecke ungleich weniger Eiweiss, sowie er auch beim Hunger eine kleinere Menge desselben zerst\u00f6rt. Junge, fettarme Thiere haben viel mehr Eiweiss zur Erhaltung noting als alte und fette, und setzen sich rascher ins Stickstoffgleichgewicht. Wegen des gr\u00f6sseren Fettreichthums am K\u00f6rper setzte Ranke nach den obigen Mittheilungen weniger Eiweiss um wie Rubner. Magere Reconvalescenten kommen mit fettarmem Fleisch nicht in die H\u00f6he ; sie k\u00f6nnen nicht einmal so viel davon verzehren, dass ihr \u00e4rmlicher Eiweissstand erhalten wird.\nWegen der bedeutenderen Eiweissmasse im K\u00f6rper braucht ein grosses Thier unter sonst gleichen Verh\u00e4ltnissen zur Erhaltung absolut mehr Eiweiss als ein kleines. Letzteres muss jedoch zu dem Zwecke verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig mehr Eiweiss aufnehmen. Der Grund ist der n\u00e4mliche, welcher f\u00fcr die relativ gr\u00f6ssere Eiweisszersetzung des hungernden kleinen Organismus angegeben worden ist.\n5. Verh\u00e4ltnisse des Ansatzes und der Abgabe von Eiweiss.\nBefindet sich der K\u00f6rper einmal mit einer gewissen Quantit\u00e4t von Eiweiss oder reinem Fleisch im Stickstoffgleichgewicht, so \u00e4ndert sich der Eiweissumsatz nicht mehr, wenn nicht durch eine Abgabe von Fett eine Abmagerung an letzterem eintritt, Es findet nur dann ein Eiweissansatz statt, wenn mehr Eiweiss als vorher beim\nHandbuch der Physiologie. Bd. YI.\tg","page":113},{"file":"p0114.txt","language":"de","ocr_de":"114 Yoit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nGleichgewichtszustand gegeben wird, und zwar nur in den ersten 4\u20145 Tagen, anfangs in gr\u00f6sserem Maassstabe, dann allm\u00e4hlich abnehmend.\nF\u00fcr den Ansatz von Eiweiss entscheidet nicht die absolute Menge dieses Stoffs in der Nahrung, denn die letztere bestimmt ja nicht ausschliesslich die Gr\u00f6sse der Zersetzung, sondern auch der im Thier vorhandene Vorrath von zerst\u00f6rbarem Material, zu welchem das Eiweiss der Nahrung als Zuschuss hinzukommt. Ist dieser von der vorausgehenden Nahrung abh\u00e4ngige Vorrath klein, dann k\u00f6nnen bei meinem Hunde 600 Grm. Fleisch schon einen Ansatz bewerkstelligen, ist er dagegen gross, so reichen 2000 Grm. nicht hin.\nAuch bei der gr\u00f6ssten Menge der reinen Fleischnahrung w\u00e4hrt wegen der raschen Steigerung der Zerst\u00f6rung der Eiweissansatz nur wenige Tage an, es wird daher dadurch der K\u00f6rper nie reich an Eiweiss gemacht werden k\u00f6nnen. Die gr\u00f6sste Menge Fleisch, welche der Versuchshund in einem extremen Fall bei lange fortgesetzter F\u00fctterung mit grossen Rationen reinen Fleisches zum Ansatz bringen konnte, betrug 1365 Grm. (so viel als er bei gutem K\u00f6rperzustand in 3t\u00e4gigem Hunger wieder verliert), gew\u00f6hnlich nicht mehr als 500 Grm. Man vermag demnach mit Eiweiss oder Fleisch einen Organismus zwar auf dem anderswie erzeugten hohen Stand an Eiweiss zu erhalten, aber diesen Stand nicht herzustellen oder eine M\u00e4stung an Fleisch zu bewirken.\nAuch die Gr\u00f6sse der Differenz in der Menge des zugef\u00fchrten Eiweisses ist f\u00fcr den Ansatz des letztem nicht ausschliesslich maassgebend ; im Allgemeinen findet wohl bei gr\u00f6sserer Differenz eine bedeutendere Ablagerung statt, aber man erkennt aus den Versuchen, dass ausser dem im K\u00f6rper befindlichen Vorrath von zerst\u00f6rbarem Eiweiss und dem Zuschuss dazu aus der Nahrung noch ein weiteres Moment die Zersetzung und also auch den Ansatz dieses Stoffs bestimmt, n\u00e4mlich der Fettreichthum des K\u00f6rpers. Unter sonst gleichen Umst\u00e4nden wird von einem fetten Thier (wenn es vorher im Verh\u00e4ltniss zum Eiweiss viel Fett verzehrt hat) bis zum Eintritt des Stickstoffgleichgewichts mehr und w\u00e4hrend l\u00e4ngerer Zeit angesetzt und also weniger zersetzt als vom fettarmen und eiweissreichen. Dabei entscheidet nicht die absolute Menge von Fett am K\u00f6rper, sondern die relative zum Eiweiss b\n1 Folgendes Beispiel ist f\u00fcr das Gesagte sehr lehrreich. Als ich (Ztschr f Biologie V. S. 344. 1869) einen mit 1500 Grm. Fleisch im Stickstoffgleichgewicht befindlichen Hund 10 Tage hungern liess, verlor derselbe 2079 Grm. Fleisch und viel Fett von seinem K\u00f6rper, und setzte darauf bei abermaliger r\u00fctterung mit","page":114},{"file":"p0115.txt","language":"de","ocr_de":"115\nVerh\u00e4ltniss der Eiweisszufuhr zur Fettabgabe.\nGanz \u00e4hnlich stellen sich auch die Verh\u00e4ltnisse des Eiweissverlustes vom K\u00f6rper, wenn die Eiweissaufnahme eine geringere wird; derselbe ist am ersten Tage am bedeutendsten und nimmt dann allm\u00e4hlich ab, bis in einigen Tagen der neue Gleichgewichtszustand, wenn er sich \u00fcberhaupt hersteilen kann, erreicht ist. Im Allgemeinen ist auch hier bei einer grossen Differenz in der Zufuhr die Eiweissabgabe vom K\u00f6rper eine gr\u00f6ssere; doch ist ebenfalls der Fettgehalt des K\u00f6rpers von Einfluss, insofern der fettere Organismus l\u00e4ngere Zeit und daher mehr an Eiweiss einblisst.\nEs ist auffallend, dass wenn man l\u00e4ngere Zeit, namentlich schon etwas fettarm gewordenen Thieren, grosse Quantit\u00e4ten von reinem Fleisch gibt, mit denen anfangs Stickstoffgleichgewicht bestand, sp\u00e4ter eine Steigerung des Eiweissumsatzes eintritt, also der K\u00f6rper Eiweiss verliert, geradeso wie bei hungernden fettarmen Thieren h Es ist wahrscheinlich*, dass hier durch die reichlichen Fleischgaben der K\u00f6rper allm\u00e4hlich arm an Fett wird.\n6. Kann man durch Zufuhr von Eiweiss auch die Fettabgabe vom\nK\u00f6rper verh\u00fcten ?\nAus den vorstehenden Mittheilungen geht mit Sicherheit hervor, dass man mit Eiweiss (oder Fleisch) den K\u00f6rper eines Fleischfressers auf seinem Eiweissbestande erhalten kann ; es soll nun die wichtige Frage beantwortet werden, ob dadurch auch der beim Hunger stattfindende Kohlenstoff- oder Fettverlust aufgehoben wird. Dies ist nur durch Respirationsversuche zu entscheiden, indem man zusieht, ob dabei auch im eingenommenen und ausgeschiedenen Kohlenstoff Gleichgewicht besteht oder ob fortw\u00e4hrend mehr Kohlenstoff abgegeben wird als im verzehrten Fleisch enthalten ist. Bei den Versuchen von Bidder und Schmidt an Katzen wurde fetthaltiges Fleisch und meist auch etwas Fettgewebe gegeben, so dass sie hier\u00fcber keinen sicheren Entscheid bringen, wenn es auch durch sie schon wahrscheinlich wird, dass das verzehrte Eiweiss bei einem Fleischfresser nicht nur den Verlust von Eiweiss, sondern auch von Fett zu verh\u00fcten im Stande ist.\nGenauere Angaben liegen nur von Pettenkofer und mir* 1 2 vor,\n1500 Grm. Fleisch nicht die verlorenen 2079 Grm. Fleisch an, sondern gar nichts und war sofort im Stickstoffgleichgewicht. Darauf folgte wieder w\u00e4hrend 10 Tagen eine Entziehung von Eiweiss, jedoch wurden t\u00e4glich 100 Grm. Fett zur Vermeidung des Fettverlustes gegeben, wonach jetzt bei Zufuhr von 1500 Grm. Fleisch wegen der relativen Zunahme des Fettes am K\u00f6rper 542 Grm. Fleisch bis zum Stickstoffgleichgewicht zum Ansatz gelangten.\n1\tVon, Ztschr. f. Biologie. III. S. 71. 1867.\n2\tPettenkofer u. Voit, Ztschr. f. Biologie. VII. S. 439. 1871.","page":115},{"file":"p0116.txt","language":"de","ocr_de":"116 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nwobei ein Plus von Kohlenstoff in den Exkreten \u00fcber den der Einnahme als Abgabe von Fett vom K\u00f6rper, ein Minus als Aufspeicherung von Fett aus zersetztem Eiweiss betrachtet wurde. In S grossen Versuchsabschnitten wurden ansteigende Mengen von Fleisch verabreicht und dabei im Mittel folgende Werthe erhalten:\nNr.\tFleisch verzehrt\tFleisch zersetzt\tFleisch am K\u00f6rper\t\tFett am K\u00f6rper\tKohlen- s\u00e4ure\tSauerstoff auf* 1\tSauerstoff ! n\u00f6thig\n1\t0\t165\t\u2014\t165\t\u2014 95\t327\t330\t329\n2\t500\t599\t\u2014\t99\t\u2014 47\t356\t341\t332\n3\t1000\t1079\t\u2014\t79\t\u2014 19\t463\t453\t398\n4\t1500\t1499\t+\t1\t+ 29\t482\t435\t426\n5\t1500\t1500\t\t0\t+ 4\t547\t4S7\t477\n6\t1800\t1757\t+\t43\t+ i\t656\t\u2014\t592\n7\t2000\t2044\t\t44\t+ 58\t604\t517\t524\n8\t2500\t2512\t\u2014\t12\t+\t783\t\u2014\t688\nDaraus ergibt sich, dass bei kleineren Gaben von Fleisch der K\u00f6rper des 30 Kilo schweren Hundes noch Eiweiss und Fett verliert, dass aber mit steigenden Fleischquantit\u00e4ten der Verlust an beiden Stoffen immer geringer wird, bis endlich mit 1500 Grm. Fleisch der Eiweiss- und Fettbestand des K\u00f6rpers erhalten bleibt. Setzt man \u00fcber diese Grenze hinaus noch Fleisch in der Nahrung zu, so w\u00e4chst die Zerst\u00f6rung von Eiweiss bis zum abermaligen Stickstoff-gleiehgewicht, aber es fehlt ein gewisser Theil des Kohlenstoffs des zersetzten Eiweisses, welcher im K\u00f6rper zur\u00fcckbleibt. Nach den fr\u00fcheren Betrachtungen (S. 74) kann dieser fehlende Kohlenstoff nur in der Form von Fett enthalten sein; die beobachtete Kohlenstoffablagerung ist jedoch bei F\u00fctterung mit reinem Fleisch nie betr\u00e4chtlich, denn der daraus berechnete Fettansatz betr\u00e4gt nur 4\u201412 \u00b0/o des zersetzten trockenen Fleisches.\nVon der gr\u00f6ssten Bedeutung ist die als Bilanzversuch ver\u00f6ffentlichte 2 3 4 5 Versuchsreihe mit 1500 Grm. Fleisch, bei der die Elemente der Einnahmen sich mit denen der Ausgaben genau deckten, was beweist, dass wirklich nur das in den K\u00f6rper eingef\u00fchrte Fleisch zersetzt wurde und nichts anderes.\n1\trespir.\nQuotient\n1.\t72\n2.\t76\n3.\t74\n4.\t80\n5.\tSl\n7.\tS4\nMittel 78\n2\tPettenkofer u. Voit, Sitzgsber. d. bayr. Acad. I. S. 547. 1863 ; Ann. d. Chemie u. Pharm. 2. Suppl. S. 361.","page":116},{"file":"p0117.txt","language":"de","ocr_de":"Verh\u00e4ltniss der Eiweisszufuhr zur Fettabgabe.\n117\nDer Ansatz oder die Abgabe von Fett bei Zufuhr von reinem Fleisch zeigt sich abh\u00e4ngig von der Menge des zersetzten Eiweisses und dem Fettreichthum des K\u00f6rpers. Wird weniger Eiweiss in den Zerfall gezogen, dann wird noch das im Thierleib abgelagerte Fett angenagt; so kam z. B. am ersten Tage der F\u00fctterung mit 1500 Grm. Fleisch noch Eiweiss in betr\u00e4chtlicher Quantit\u00e4t zum Ansatz, es wurde also entsprechend weniger zerst\u00f6rt, was bewirkte, dass noch Fett vom K\u00f6rper abgegeben wurde. Ist ferner der Organismus durch eine vorausgehende gute F\u00fctterung reich an Fett geworden, so tritt stets bei reichlicher Eiweissaufnahme ein Fettverlust vom K\u00f6rper ein w\u00e4hrend umgekehrt in allen den F\u00e4llen, wo das Thier vorher gehungert hatte oder arm an Fett geworden war, Fett aus dem zersetzten Eiweiss aufgespeichert wird.1 2 Einer Keihe z. B. in welcher 1500 Grm. Fleisch gereicht wurden, ging eine 58 t\u00e4gige F\u00fctterung mit 500 Grm. Fleisch unter Zusatz von 200 Grm. Fett voraus, wodurch sehr viel Fett im Thier abgelagert worden war; die Folge war, dass in der ersten Zeit Eiweiss zum Ansatz kam und Fett vom K\u00f6rper zu Verlust ging, eine Thatsache, die allein die Erfolge der Bantingkur erkl\u00e4rt.3\nMan vermag demnach mit Eiweiss oder Fleisch den Organismus eines Fleischfressers sowohl auf seinem Best\u00e4nde an Eiweiss als auch an Fett zu erhalten, jedoch hat man davon h\u00f6chst bedeutende Mengen n\u00f6thig. Ein junger, nicht zu fetter Hund von 34 Kilo Gewicht braucht dazu 1500\u20141800 Grm. Fleisch mit 362\u2014434 Grm. trockenem Eiweiss; er verbraucht davon so viel, obwohl er beim Hunger nur 165 Grm. Fleisch oder 40 Grm. trockenes Eiweiss und 100 Grm. Fett zersetzt. Man kann aber durch reines Eiweiss nur einen auf andere Weise hergestellten guten Stand an Fett am K\u00f6rper erhalten, jedoch nicht einen durch Hunger oder ungen\u00fcgende Nahrung erlittenen Verlust daran wieder ersetzen, gerade so wie es unm\u00f6glich ist, den K\u00f6rper durch reines Eiweiss reich an diesem Stoffe zu machen.\n1\tPettenkofer u. Voit, Ztschr. f. Biologie. VIL S. 481.491.492. 1871.\n2\tDieselben, Ebenda. VIL S. 486.1871.\n3\tRanke hat einen Versuch an seiner Person verzeichnet, bei dem von ihm die Stickstoffausscheidung und von Pettenkofer und mir die Kohlenstoffausscheidung bestimmt wurde. In den 1300 Grm. zersetzten Fleisches und der zur Zubereitung derselben n\u00f6thigen geringen Fettquantit\u00e4t befanden sich 213 Grm. Kohlenstoff, in den Exkreten waren aber 264 Grm. enthalten, also wesentlich mehr, sodass vom K\u00f6rper Ranke\u2019s noch viel einer stickstofffreien Substanz, nach unseren Anschauungen Fett, abgegeben wurde. Er machte also durch Aufnahme der grossen Eiweissmenge (in 1832 Grm. Fleisch) unter Ansatz von Eiweiss vor\u00fcbergehend eine wahre Bantingkur durch, ein Beweis, dass er einen an Fett reichen K\u00f6rper besass. Ich bin \u00fcberzeugt, dass bei manchen Leuten das verzehrte Fleisch v\u00f6llig zersetzt und kein Fett abgegeben worden w\u00e4re.","page":117},{"file":"p0118.txt","language":"de","ocr_de":"118 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nDass die Kohlens\u00e4ureabgabe und die Sauerstoffaufnahme kein Maass f\u00fcr den Stoffwechsel sind, geht aus den Werth en derselben bei Hunger und reichlicher Fleischf\u00fctterung aufs Evidenteste hervor; es fand sich dabei:\n\tFleisch zersetzt\t\tFett zersetzt\tTrockensubstanz zersetzt\t\tKohlen- s\u00e4ure\t\tSauerstoff\t\nbei Hunger . .\t165\t100\t95\t135\t100\t327\t100\t330\t100\nbei 1500 Fleisch\t1500\t909\t(+ 4)\t362\t268\t547\t167\t487\t148\nW\u00e4hrend also bei Aufnahme von viel Eiweiss 9 mal mehr von letzterem zerst\u00f6rt wurde als bei Hunger und an Trockensubstanz 2.7 mal mehr, wuchs die Menge der Kohlens\u00e4ure und des Sauerstoffs doch ungleich weniger, da beim Hunger ausser dem Eiweiss noch eine andere Substanz, n\u00e4mlich Fett, in Verbrennung gerieth (S. 7 1).\nDer Sauerstoffverbrauch w\u00e4chst im Allgemeinen mit der Menge des verzehrten Fleisches. Durch die Mehrzersetzung von Eiweiss wird Fett vor der Oxydation gesch\u00fctzt, aber nicht in der Art, dass so viel Fett vor dem Zerfall bewahrt wird als das Plus von zersetztem Eiweiss Sauerstoff zur Verbrennung in Anspruch nimmt; am ersten Tage der F\u00fctterung mit 1500 Grm. Fleisch, wobei Eiweiss angesetzt und Fett abgegeben wurde, war die Sauerstoffaufnahme wegen der gr\u00f6sseren Fettzerst\u00f6rung eine sehr hohe, sie sank aber an den sp\u00e4teren Tagen allm\u00e4hlich trotz des steigenden Eiweisszerfalls, weil an ihnen Fett zur Ablagerung gelangte. Daraus und schon aus dem so sehr gesteigerten Sauerstoffconsum bei vermehrter Fleischaufnahme ergiebt sich eine f\u00fcr die sp\u00e4tere Ermittelung der Ursachen der Zersetzung im Organismus besonders wichtige Thatsache, dass in einen bestimmten K\u00f6rper nicht stets die gleiche Menge von Sauerstoff ein-tritt, welche dann ihre Wirkungen aus\u00fcbt und die prim\u00e4re Ursache der Zersetzung ist, sondern dass je nach der Quantit\u00e4t und Qualit\u00e4t der im K\u00f6rper zersetzten Stoffe der zur Verbrennung n\u00f6thige Sauerstoff aus der Luft geholt wird.\nDie Sauerstoffmenge, welche zur Ueberf\u00fchrung des aus der Stickstoff- und Kohlenstoffausscheidung berechneten in Zerfall gerathenen Eiweisses und Fettes in die sauerstoffreichen Ausscheidungsprodukte n\u00f6thig ist, stimmt mit der wirklich aufgenommenen Menge in der Mehrzahl der F\u00e4lle sehr gut, bis auf wenige Procent, \u00fcberein. Es ist dies zugleich ein Beweis daf\u00fcr, dass die Schl\u00fcsse auf das im K\u00f6rper zersetzte Material richtig sind und wirklich die angenommenen Stoffe verbrannt worden sind und keine anderen, z. B. statt des Fettes Zucker, wobei bedeutende Differenzen der berechneten und beobachteten Sauerstoffquantit\u00e4t auftreten m\u00fcssten.","page":118},{"file":"p0119.txt","language":"de","ocr_de":"Stoffverbrauch bei Zufuhr von Pepton.\n119\nIII. Stoffverbrauck bei Zufuhr you Pepton.\nEs ist von grosser Bedeutung, den Einfluss des Peptons auf den Stoffumsatz im Thierk\u00f6rper zu pr\u00fcfen: ob man mit demselben, wie mit dem gew\u00f6hnlichen nativen Eiweiss, den Eiweissverlust vom K\u00f6rper theilweise oder ganz verh\u00fcten oder vielleicht sogar einen Ansatz von Eiweiss bewirken, und zugleich die Abgabe von Fett vermindern oder aufheben kann.\nIch verstehe unter Pepton das in seiner procentigen Zusammensetzung mit den Eiweissstoffen identische Produkt, welches aus letzteren durch allerlei Einwirkungen unter Hydratation, vielleicht auch unter Vereinfachung der Molek\u00fclarverbindung hervorgegangen ist, nicht mehr durch Essigs\u00e4ure und Ferrocyankalium ausf\u00e4llt und keine durch eingreifendere Behandlung entstandenen weiteren Spaltungsstoffe enth\u00e4lt. 1\nAls man das Pepton zuerst als Produkt der Wirkung des Magensaftes auf eiweissartige Stoffe fand, liess man die letzteren vor der Resorption v\u00f6llig in Pepton \u00fcbergehen2, in welcher Anschauung man vorz\u00fcglich durch Funke\u2019s 3 Untersuchungen best\u00e4rkt wurde, nach denen das Pepton leichter durch Membranen filtrirt und ein geringeres osmotisches Aequivalent besitzt als das gew\u00f6hnliche Eiweiss. Man musste weiterhin consequenter Weise annehmen, dass das resorbirte Pepton sich in den S\u00e4ften oder Geweben alsbald wieder in Eiweiss zur\u00fcckverwandelt, was nicht unm\u00f6glich erscheint, seitdem Henninger4 5 und Hofmeister3 die Ueberf\u00fchrung von Pepton in Eiweiss ausserhalb des K\u00f6rpers dargethan haben.\nWenn es vollkommen sicher gestellt w\u00e4re, dass alles in den Darm eingef\u00fchrte Eiweiss vor der Resorption in Pepton \u00fcbergef\u00fchrt wird, dann w\u00e4re es nicht n\u00f6thig Versuche \u00fcber den Stoffumsatz nach Aufnahme von Pepton zu machen, da es dann unbestreitbar die n\u00e4mlichen Wirkungen zeigen m\u00fcsste wie das Eiweiss. Nun wird aber sicherlich ein Theil des Eiweisses, m\u00f6glicherweise ein sehr bedeu-\n1\tMulder, Arch, f. d. boll. Beitr. II. S. 1. 1858. \u2014 Meissner, Ztschr. f. rat. Med. (3) VII. S. 1, VIII. S. 230, X. S. 1, XII. S. 46, XIV. S. 303. \u2014 Thiry, Ztschr. f. rat. Med. XIV. S. 78. \u2014 Maly, Arch. f.d. ges. Physiol. X. S.600. \u2014 Henninger, Compt. rend. LXXXVI. p. 1464. \u2014 Herth, Ztschr. f. physiol. Chemie. I. S. 287.\n2\tLehmann, Lehrb. d. physiol. Chem. I. S. 318. 1853, IL S. 46. 70. 101. 256, III. S. 260.\n3\tFunke, Arch. f. pathol. Anat. XIII. S. 456.\n4\tHenninger, Compt. rend. LXXXVI. p. 1413 u. 1464. 1878; De la nature et du r\u00f4le physiologique des peptones. Paris 1878.\n5\tHofmeister, Ztschr. f. physiol. Chem. II. S. 206. 1878.","page":119},{"file":"p0120.txt","language":"de","ocr_de":"120 Voit. Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\ntender, als solches ans dem Darmkanal in die S\u00e4fte aufgenommen J, und es steht nicht fest, ob auch der Thierk\u00f6rper im Stande ist, das resorbirte Pepton in Eiweiss umzuwandeln. Es kann daher nur das Studium der Zersetzungsvorg\u00e4nge \u00fcber die Bedeutung des Peptons entscheiden.\nEs ist von vornherein wahrscheinlich, dass das Pepton leicht zersetzlich ist; durch Aufnahme von Wasser werden die chemischen Verbindungen bekanntlich in ihrem Gef\u00fcge gelockert und zum Zerfall geneigt; das Pepton geht auch leicht in krystallinische Derivate \u00fcber, z. B. in Leucin, Tyrosin, Asparagins\u00e4ure, Glutamins\u00e4ure. Darnach sollte man meinen, das Pepton zerfiele rasch im K\u00f6rper und gehe nicht mehr unter Wasserabgabe in Eiweiss \u00fcber, k\u00f6nne also auch nicht ganz die Rolle des Eiweisses beim Stoffumsatz \u00fcbernehmen. Br\u00fccke nahm auch diesen raschen Zerfall des Peptons an, und er liess nur unver\u00e4ndert resorbirtes Eiweiss in den Organen sich ablagern. Fick1 2 suchte daf\u00fcr den Beweis zu bringen, indem er nach-wies, dass die Einspritzung von Peptonl\u00f6sung in die Jugularvene eines Kaninchens in kurzer Zeit die Harnstoffausscheidung im Harn steigert; er will durch die Leichtzersetzlichkeit des Peptons im Gegensatz zum Eiweiss die vermehrte Stickstoffausscheidung nach reichlicher Eiweissaufnahme erkl\u00e4ren, und er nimmt an, dass nur der kleine Bruchtheil von Eiweiss, welcher der Peptonisirung entgeht, zum Ersatz der abgen\u00fctzten Gewebe diene.\nUeber den Stoffumsatz im K\u00f6rper unter dein Einfl\u00fcsse des Peptons liegen nur einige wenige Untersuchungen vor, welche keinen sicheren Entscheid brachten. Dieselben bieten deshalb grosse Schwierigkeiten dar, weil ganz reines Pepton nur schwer in gen\u00fcgender Menge zu Ern\u00e4hrungsversuchen an gr\u00f6sseren Hunden herzustellen ist und die Thiere dadurch leicht Diarrh\u00f6en bekommen, auch die ungewohnte, bitter schmeckende Speise zu verzehren verweigern. Ich halte es f\u00fcr unm\u00f6glich ausschliesslich so viel Pepton, selbst wenn es im Uebrigen v\u00f6llig die Bedeutung des Eiweisses haben sollte, zu geben, dass dabei ein Thier kein Eiweiss und kein Fett mehr vom K\u00f6rper verliert. Ein einwurfsfreier Versuch l\u00e4sst sich daher nur so anstellen, dass man zu der n\u00f6thigen Quantit\u00e4t stickstofffreier Stoffe Pepton giebt und zusieht, ob man den K\u00f6rper damit auf dem Stick-\n1\tBr\u00fccke, Sitzgsber. cl. Wiener Acad. XXXVII. S. 131. 1859, LIX. (2) S. 612. 1869. \u2014 Voitu. Bauer,Ztschr. f.Biologie. V. S.568. 1869. \u2014 Knapp, Gaz.hebd. 1857. p. 397.\n2\tFick, Arcb. f. d. ges. Physiol. V. S. 40. 1871 ; W\u00fcrzburger Verhandl. II. S. 122.\n1871.","page":120},{"file":"p0121.txt","language":"de","ocr_de":"Stoffverbrauch bei Zufuhr von Pepton.\n121\nStoffgleichgewicht erhalten und vielleicht in ihm noch Stickstoff zur Ablagerung bringen kann.\nEin einwandfreier Versuch der Art liegt bis jetzt nicht vor.\nPl\u00f6sz und Gyergyai1 haben das Verdienst zuerst die Stickstoffausscheidung bei Zufuhr von Pepton gepr\u00fcft zu haben. Sie gaben einem Hunde, ganz entsprechend obiger Anforderung, ein Gemische von Zucker, St\u00e4rkemehl, Fett und Pepton, und zwar nach l\u00e4ngerem Hunger. Aber das Thier hatte nur ein Gewicht von 2531 Grm., so dass es nicht m\u00f6glich war, den Harn direkt aufzufangen und von jedem Versuchstag abzugrenzen; bei Versuchen, bei welchen es auf kleine Mengen von Stickstoff ankommt, muss aber jeder Verlust von Harn vermieden sein und auf alle von mir angegebenen Kautelen geachtet werden. Es fand sich nun bei einer Aufnahme von 14.451 Grm. Stickstoff in 6 Tagen eine Ausscheidung von 13.463 Grm. im Harn und Koth, womit allerdings bei untadelhafter Versuchsanordnung bewiesen w\u00e4re, dass das Pepton wie Eiweiss wirkt.\nDarauf folgte die Untersuchung von Adamkiewicz2. Er gab in 4 Reihen einem 33 Kilo schweren Hunde zuerst Kartoffeln, Fleisch und Fett, oder auch Fleisch mit Fett, und f\u00fcgte dann Pepton hinzu; der Harn wurde direkt aufgefangen und die Stickstoffausscheidung im Harn und Koth bestimmt. Er fand so bei Zugabe von Pepton stets einen Ansatz von Stickstoff, w\u00e4hrend ohne dasselbe der K\u00f6rper im Stickstoffgleichgewicht war oder noch Stickstoff von sich abgab ; er schloss daraus, dass das Pepton als Eiweiss zum Ansatz gelangte. Da aber neben dein Pepton immer auch Eiweiss gereicht wurde, ferner in allen F\u00e4llen die Ablagerung von Eiweiss am K\u00f6rper geringer war als die Eiweisszufuhr und die Stickstoffausfuhr gr\u00f6sser als der Stickstoffgehalt des Peptons, so ist der andere Schluss ebenso gerechtfertigt, ja ungleich wahrscheinlicher, dass das Pepton ganz der Zerst\u00f6rung anheimfiel, aber einen Theil des zugleich gegebenen Eiweisses vor dem Zerfall sch\u00fctzte, welches dann angesetzt wurde.\nAdamkiewicz hat diesen Einwand wohl ber\u00fccksichtigt, aber vorz\u00fcglich aus der nicht gesteigerten Phosphors\u00e4ureallsscheidung auf die Umwandlung des Peptons in Eiweiss geschlossen. Er meint n\u00e4mlich, bei einem Ansatz von Eiweiss aus Pepton m\u00fcsse die Phosphors\u00e4ure des letzteren zum gr\u00f6ssten Theil abgelagert werden, sie m\u00fcsse dagegen bei Zer-\n1\tPl\u00f6sz u. Gyergyai, Arch. f. d. ges. Physiol. IX. S. 325. 1874, X. S. 536. 1875.\n2\tAdamkiewicz, Die Natur und der N\u00e4hrwerth des Peptons. Berlin 1877. \u2014 Da Adamkiewicz annimmt, dass das Eiweiss aus dem Darm nur als Pepton re-sorbirt wird, so ist es unm\u00f6glich anzugeben, woher das angesetzte Eiweiss stammt, ob aus dem als solchen gegebenen Pepton oder aus dem aus Eiweiss entstandenen Pepton.","page":121},{"file":"p0122.txt","language":"de","ocr_de":"122 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nSt\u00f6rung des Peptons vollst\u00e4ndig im Harn erscheinen. Nun ist es aber f\u00fcr die Ausscheidung der Phosphors\u00e4ure v\u00f6llig gleichg\u00fcltig, ob die Peptone als Eiweiss Zur\u00fcckbleiben oder ob sie statt des Eiweisses zerst\u00f6rt werden. Es wird n\u00e4mlich im Thierk\u00f6rper nie Eiweiss angesetzt ohne eine gewisse Menge von Pliosphors\u00e4ure. Bei der ersten Annahme findet sich in den Peptonen weniger Phosphors\u00e4ure, um aus ihnen Eiweiss zum Ansatz zu bringen und es wird daher von derjenigen Pliosphors\u00e4ure, welche vorher in den Harn \u00fcbergegangen war, ein entsprechender Theil weggenommen und desshalb im Harn um so viel weniger ausgeschieden. Bei der zweiten Annahme bedarf das unter dem Einfluss des Peptons angesetzte Eiweiss ebenfalls Pliosphors\u00e4ure, die also in derselben Menge wie vorher dem Harn entzogen wird.\nBei einer zweiten Arbeit von Adamkiewicz 1 erhielt ein Hund von nahezu 20 Kilo Gewicht, welcher beim Hunger im Mittel t\u00e4glich nur 3.67 Grm. Stickstoff ausschied, am zweiten Tage je 50 Grm. Pepton (mit 7.75 Grm. Stickstoff), wobei er im Mittel 8.52 Grm. Stickstoff im Harn entleerte; den Tag darauf bekam er zum Pepton noch 100 Grm. Speck, wornach sich nur 5.74 Grm. Stickstoff im Harn fanden. Es w\u00e4re also hier aus 50 Grm. Pepton (unter Zusatz von 100 Grm. Speck) etwas Stickstoff zum Ansatz gelangt.\nIch habe nach Untersuchungen von Dr. Feder allen Grund anzunehmen, dass das dargereichte Pepton im K\u00f6rper vollst\u00e4ndig zerst\u00f6rt wird und kein Ansatz von Eiweiss daraus erfolgt, dass es aber durch seine Zerst\u00f6rung den Zerfall des Eiweisses in den Zellen und Geweben fast ganz oder ganz aufheben kann und dann nur so viel Eiweiss vom Organismus abgegeben wird als in den abgestossenen organisirten Gebilden enthalten ist.\nIV. Stoffverbraueli bei Zufuhr von Leim oder leimgebenden\nGeweben.\nDer Leim hat eine andere chemische Zusammensetzung als das Eiweiss, aus welchem letzteren das mit dem Leim identische leimgebende Gewebe durch die Zellenth\u00e4tigkeit hervorgegangen ist. Er bildet keinen normalen Bestandtheil des K\u00f6rpers, er gelangt aber in die S\u00e4fte, wenn er sich als solcher in der Nahrung befindet oder aus dem leimgebenden Gewebe durch die Verdauung entstanden ist. Es ist daher von Wichtigkeit zu wissen, welchen Einfluss der Leim und das leimgebende Gewebe auf die Zersetzung im K\u00f6rper aus\u00fcben.\n1 Adamkiewicz, Arch. f. pathol. Anat. LXXY. S. 144.","page":122},{"file":"p0123.txt","language":"de","ocr_de":"Stoffverbrauch bei Zufuhr von Leim.\n123\nObwohl schon fr\u00fcher allerlei Ern\u00e4hrungsversuelie mit Leimgallerte angestellt worden waren, so hatte man doch nicht die Stickstoff- oder die Kohlenstoffausscheidung, d. i. den Stoffverbrauch bei F\u00fctterung mit Leim bestimmt. Frerichs1 2 3 4 machte zuerst mit klarem Blicke darauf aufmerksam, dass solche Versuche fehlten und vordem die Resultate jener F\u00fctterungen nicht sicher gedeutet werden k\u00f6nnten.\nClaude Bernard und Barreswil 2 wollten nach Einspritzen einer w\u00e4ssrigen L\u00f6sung von Hausenblase in die Vena jugularis, ja selbst nach Aufnahme von Leim in den Magen Leim im Harn nachgewiesen haben, und meinten, der Leim werde ganz unver\u00e4ndert wieder ausgeschieden. Schon Frerichs war nicht im Stande diese Angabe zu best\u00e4tigen. Es k\u00f6nnte ja m\u00f6glicherweise nach Injektion einer Leiml\u00f6sung in eine Vene ein Theil des Leims rasch wieder durch die Nieren entfernt werden, dass dies aber nach Aufnahme auch der gr\u00f6ssten Mengen von Leim in den Magen nicht geschieht, vermag ich mit aller Sicherheit zu sagen; wahrscheinlich haben die beiden Forscher bei ihren Versuchen nicht Acht gegeben, wie es h\u00e4ufig geschehen ist und noch geschieht, und den von dem Thier in den K\u00e4fig entleerten Harn, in welchem auch diarrhoische Fl\u00fcssigkeit mit Leim enthalten war, gepr\u00fcft. In \u00e4hnlicher Weise hat sich wahrscheinlich auch Eichhorst 3 t\u00e4uschen lassen, als er Zucker und Eiweiss nach Einspritzung dieser Stoffe in den Dickdarm im normalen Harn antraf.\nBoussingault 4 f\u00fctterte Enten mit Leim und fand denselben nicht im Kothe wieder, wie er erwartet hatte; der gr\u00f6sste Theil des Leimes war vielmehr zur Resorption gelangt und hatte eine Vermehrung der Harus\u00e4ureausscheidung bedingt; er schrieb daher dem Leim n\u00e4hrende Eigenschaften zu und zwar dieselben wie dem St\u00e4rkemehl oder dem Zucker, welche die stickstoffhaltigen Stoffe theilweise vor der Zerst\u00f6rung sch\u00fctzen. Auch Frerichs sah bei Hunden nach Leimgenuss eine starke Vermehrung des Harnstoffs, ebenso Bischoff 5 6. Sie meinten ebenfalls, dass der Leim ein Nahrungsmittel sei, dass er zwar die stickstoffhaltigen Nahrungsstoffe nicht ersetze, jedoch ihren Umsatz wie die stickstofflosen Stoffe beschr\u00e4nke. In dem gleichen Sinne sprach sich auch Don-ders 6 aus.\nAlle diese Versuche brachten aber nicht zur Entscheidung, ob der Leim ohne irgend eine Einwirkung auf den Stoffumsatz im K\u00f6rper zersetzt wird, oder ob er im Stande ist, den Zerfall eines Stoffes zu vermindern oder vielleicht ganz zu verh\u00fcten. Bischoff und ich 7 haben zuerst in einigen F\u00e4llen beim Hunde die Umsetzung des Leims und die Zersetzung des Eiweisses unter seinem Einfl\u00fcsse studirt, sp\u00e4ter ist dies von mir 8 in gr\u00f6sserer Ausdehnung geschehen, und dabei zugleich auch das Verhalten der stickstofffreien Stoffe untersucht worden.\n1\tFrerichs, Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. III. 1. S. 683. 1845.\n2\tCl. Bernard u. Barreswil, Journ. f. pract. Chemie. XXXIII. S. 58. 1844.\n3\tEichhorst, Arch. f. d. ges. Physiol. IV. S. 570.\n4\tBoussingault, Ann. d. chim. etphys. (3) XVIII. p. 444. 1846.\n5\tBischoff, Der Harnstoff als Maass des Stoffwechsels. S. 70. Giessen 1853.\n6\tDonders, Die Nahrungsstoffe. S. 72. 1853.\n7\tBischoff u. Voit, Die Gesetze der Ern\u00e4hrung d. Fleischfressers. S. 215. 1860.\n8\tVoit, Ztschr. f. Biologie. VIII. S. 297. 1872.","page":123},{"file":"p0124.txt","language":"de","ocr_de":"124 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\n1. Der Umsatz des Eiweisses bei Darreichung von Leim.\nDer Stickstoff des Leims wird auch hei den gr\u00f6ssten Gaben vollst\u00e4ndig ausgeschieden, ja es findet sich stets etwas mehr Stickstoff in den Exkreten vor als im Leim enthalten ist; daraus ist zu entnehmen, dass der Leim leicht zersetzt wird und zwar leichter als das Eiweiss, dass er ferner das letztere vor der Zerst\u00f6rung sch\u00fctzt, aber den K\u00f6rper nicht ganz vor dem Verlust daran zu bewahren vermag. Man k\u00f6nnte die Resultate der Versuche nur noch unter der h\u00f6chst unwahrscheinlichen Annahme erkl\u00e4ren, es werde der verzehrte Leim ganz oder theilweise als Eiweiss oder leimgebendes Gewebe abgelagert und entsprechend Eiweiss vom K\u00f6rper in den Zerfall gezogen.1\nAn einem Hunde von 32 Kilo Gewicht (Versuch 1\u20146) und an einem anderen grossen Hunde von 40 \u2014 50 Kilo Gewicht (Versuch \"\u201411) wurden die folgenden Hauptresultate erhalten:\nNr.\tN\ta h r u n g\t\tStickstoff'\t\tFleisch\t\t\n\tFleisch\tLeim\tN-frei\tauf\tab\tzersetzt\tam K\u00f6rper]\t\n1\t2000\t0\t0\t68.0\t67.0\t1970\t\t30\n\t2000\t200\t0\t96.0\t83.2\t1624\t+\t376\n2\t500\t0\t300 F.\t17.0\t15.5\t456\t\t44\n\t500\t0\t0\t17.0\t17.7\t522\t\t22\n\t500\t200\t0\t45.1\t43.5\t446\t+\t54\n3\t400\t300\t0\t55.6\t52.1\t297\t+\t103\n4\t400\t0\t200 F.\t13.6\t15.3\t450\t\t\t50\n\t400\t0\t250 Z.\t13.6\t14.9\t439\t\t39\n\t400\t200\t0\t42.1\t40.6\t356\t+\t44\n5\t200\t200\t0\t34.8\t38.8\t318\t\u2014\t118\n\t200\t300\t0\t48.8\t51.6\t282\t\u2014\t82\n6\t0\t200\t0\t28.5\t32.4\t118\t\u2014\t118\n\t0\t200\t200 F.\t2g.5\t30.8\t69\t\u2014\t69\n\t200\t200\t0\t35.3\t34.4\t175\t+\t25\n7\t300\t100\t200\t25.7\t28.6\t384\t\u2014\t84\n\t300\t200\t200\t40.9\t39.8\t268\t+\t32\n8\t0\t0\t200\t1.4\t9.7\t246\t\u2014\t246\n\t0\t0\t0\t0\t11.5\t338\t\u2014\t338\n\t0\t200\t200\t30.1\t33.7\t105\t\u2014\t105\n9\t300\t200\t200\t40.4\t41.3\t327\t\u2014\t27\n\t300\t0\t200\t10.6\t19.6\t566\t\u2014\t266\n10\t200\t200\t200\t37.0\t41.2\t324\t\u2014\t124\n\t200\t0\t200\t7.2\t18.6\t534\t\u2014\t334\n11\t0\t300\t200\t44.0\t46.1\t59\t\u2014\t59\n1 Paul Tatarinoff meint (Centralbl. f. d. med. Wiss. 1877. No. 16), der Leim erspare nicht deshalb das Eiweiss bis zu einem gewissen Grade, weil er statt des letzteren zersetzt werde, sondern weil aus dem Leim Produkte gebildet w\u00fcrden,","page":124},{"file":"p0125.txt","language":"de","ocr_de":"Umsatz des Eiweisses bei Darreichung von Leim.\n125\nAns diesen Beispielen geht zun\u00e4chst hervor, dass der Leim, wie die Fette and Kohlehydrate, stets Eiweiss erspart, da ohne ihn mehr Eiweiss zersetzt wird. Er \u00fcbt diese Wirkung bei gr\u00f6sseren und kleineren Quantit\u00e4ten des zugleich mit dem Leim gereichten Fleisches (Nr. 1. 2), und er hat sie, namentlich bei kleineren Quantit\u00e4ten des letzteren, in viel h\u00f6herem Maasse als die Fette und Kohlehydrate (Nr. 2. 4. 6. 9. 10): bei dem grossen Hunde ersetzten 168 Grm. trockener Leim 84 Grm. trockenes Fleisch oder Eiweiss.\nBei ausschliesslicher Aufnahme von Leim verliert der K\u00f6rper nur wenig Eiweiss (Nr. 6), im Minimum in einer Reihe nur 51 Grm. Fleisch entsprechend, ganz ansehnlich weniger als beim Hunger und auch weniger als bei Darreichung der gr\u00f6ssten Fettmengen. Reichlichere Gaben von Leim ersparen mehr Eiweiss (Nr. 5 u. 7) ; stets aber wird, auch wenn man zu viel Leim das Maximum an Fett hinzuf\u00fcgt, noch Stickstoff oder Eiweiss vom K\u00f6rper abgegeben (Nr. 6. 8. 11). Ein Zusatz von Fett zu dem Leim macht ein st\u00e4rkeres Sinken des Eiweissumsatzes als Leim allein (Nr. 6. 9. 10). Auch bei dem h\u00f6chsten Leimquantum, welches dem Thier zugleich mit viel Fett beigebracht werden konnte (300 Grm. Leim mit 200 Grm. Fett in Nr. 11) fand kein Stickstoffansatz aus Leim statt: es ist daher der Leim nicht im Stande das Eiweiss ganz vor der Zerst\u00f6rung zu bewahren, wenn er auch einen grossen Theil desselben ersetzen kann.* 1 Zur Erhaltung des K\u00f6rpers an Eiweiss muss neben dem Leim immer etwas Eiweiss gegeben werden.2\nwelche einige Produkte der Eiweissstoffe zu ersetzen im Stande sind. Diese Meinung ist durch nichts erwiesen, und es ist auch nicht gesagt, welche Produkte hier in Betracht kommen sollen. Tatarinoff hat offenbar nicht bedacht, dass unter dem Einfl\u00fcsse des Leims dauernd fast gar kein Stickstoff mehr vom K\u00f6rper abgegeben wird.\n1\tNeuerdings hat Oerum unter Panum\u2019s Leitung (Nordiskt med. Arkiv. XI. No. 11. 1879) Versuche \u00fcber den N\u00e4hrwerth des Leims an Hunden angestellt und ist dabei zu den gleichen Besultaten wie ich gekommen. Bei ausschliesslicher Aufnahme von Leim war die Stickstoffmenge im Harn ebenfalls immer gr\u00f6sser als die im Leim. Als er zu einem Gemisch von St\u00e4rkemehl, Butter und Fleischextrakt einmal Fleisch, dann die entsprechende Menge von Leim gab, war bei Zusatz von Fleisch die Harnstoffmenge geringer als bei Zusatz von Leim; im ersteren Falle war in dem Harn weniger Stickstoff als im Fleisch, im letzteren Falle dagegen mehr als im Leim.\n2\tAuch noch aus einer anderen Beobachtung geht hervor, dass der aufgenommene Leim zersetzt wird und nicht nebenbei noch stickstoffhaltige Substanz vom K\u00f6rper. Beim Hunger wird nahezu so viel Asche ausgeschieden, als dem dabei zersetzten Fleisch entspricht. Bei ausschliesslicher Darreichung von Leim dagegen findet sich im Yerh\u00e4ltniss zum Harnstoff viel weniger Asche als beim Hunger oder bei Fleischf\u00fctterung, und die absolute Aschemenge ist wesentlich geringer wie die, welche das aus der Stickstoffausscheidung berechnete zersetzte h leisch enthalten w\u00fcrde (Bischoff u. Voit, Die Gesetze der Ern\u00e4hrung des Fleischfressers. S. 288. 300. 1860. \u2014 Voit, Ztschr. f. Biologie. I. S. 139. 1865). In dem verf\u00fctterten Ossein befanden sich 11.14 Grm. Schwefels\u00e4ure, im Harn und Koth","page":125},{"file":"p0126.txt","language":"de","ocr_de":"126 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nAuch bei F\u00fctterung der Hunde mit leimgebendem Gewebe ergiebt sich der gleiche Einfluss auf den Eiweissumsatz; derselbe ist von Etzinger 1 bei Darreichung von Knochen, Knorpel und Sehnen, und von mir* 1 2 bei Darreichung von Ossein untersucht worden. Die Thiere hungerten vorher, bis die Stickstoffausscheidung im Harn constant geworden war. Es wurde nun durch Zufuhr von 150 Grm. lufttrock-nem Knochenpulver mit 6.9 Grm. Stickstoff die Harnstoffausscheidung von 20.7 Grm. auf 28.7 Grm im Mittel gesteigert (= + 3.7 Grm. Stickstoff); es ist also jedenfalls aus den Knochen organische Substanz verdaut, in die S\u00e4fte aufgenommen und zersetzt worden, jedoch konnte eine Ersparung von Eiweiss durch die Knochen wegen der geringen Menge der aufgenommenen Substanz nicht dargethan werden. Von den verzehrten Knorpeln war im Koth nichts mehr zu entdecken; die Harnstoffmenge erfuhr dabei eine Zunahme um 11.7 Grm. = 5.5 Grm. Stickstoff gegen\u00fcber 13.1 Grm. Stickstoff in den Knorpeln; es war also durch letztere die Eiweisszersetzung vermindert worden. Ebenso wurden die Sehnen ganz verdaut; da sich in denselben 46.6 Grm. Stickstoff befanden, die Vermehrung des Stickstoffs im Harn aber nur 21.2 Grm. betrug, so hat wiederum eine Eiweiss-ersparniss stattgefunden. Als nach 6 t\u00e4gigem Hunger t\u00e4glich 357 Grm. trocknes Ossein unter Zusatz von 50 Grm. Fett, welche ihrem Stickstoffgehalt nach 1481 Grm. Fleisch entsprechen, gef\u00fcttert wurden, verlor der K\u00f6rper immer noch Stickstoff und zwar 8.4 Grm. (= 54 Grm. Eiweiss) gegen\u00fcber 10.2 Grm. (= 66 Grm. Eiweiss) beim Hunger. Also sind die leimgebenden Gewebe, wenn sie auch Eiweiss ersparen, so wenig wie der Leim im Stande den Eiweissverlust vom K\u00f6rper ganz zu verh\u00fcten und das Eiweiss vollst\u00e4ndig zu ersetzen.\n2. Der Umsatz des Fettes bei Darreichuni) von Leim.\nDie meisten fr\u00fcheren Forscher betrachteten den Leim als ein sogenanntes Respirationsmittel wie die Fette oder Kohlehydrate; es ist daher von Interesse zuzusehen, wie weit der Leim diese stickstofffreien Substanzen zu ersetzen im Stande ist und ob durch ihn die Fettabgabe vom K\u00f6rper vermindert oder aufgehoben werden kann. Zu dem Zwecke wurde nun von Pettenkofer und mir3 neben dem\nwurden 10.43 Grm. ausgeschieden ; w\u00e4re das Ossein als solches angesetzt und daf\u00fcr Eiweiss zerst\u00f6rt worden, so h\u00e4tten in den Exkreten 47.8 Grm. Schwefels\u00e4ure mehr sich befinden m\u00fcssen.\n1\tEtzinger, Ztschr. f. Biologie. X. S. 97. 1874.\n2\tVoit, Ebenda. X. S. 212. 1874.\n3\tPettenkofer u. Voit, Ztschr. f. Biologie. VIII. S. 371. 1872.","page":126},{"file":"p0127.txt","language":"de","ocr_de":"Stoffverbrauch bei ausschliesslicher Zufuhr von Fett.\n127\nVerbrauch an Stickstoff auch der an Kohlenstoff controlirt; unter der durch die Versuche gest\u00fctzten Annahme, dass aller Leim in Zeit von 24 Stunden zerst\u00f6rt wird, berechneten wir den in demselben enthaltenen Kohlenstoff, das Plus von Kohlenstoff in den Exkreten musste aus dem ausserdem zersetzten Eiweiss oder Fett stammen; da aber die Eiweisszersetzung aus der Stickstoffausscheidung bekannt ist, so vermag man den Verbrauch an Fett zu entnehmen.\nWir fanden nun, dass unter der Einwirkung des Leims ausser dem Eiweiss auch etwas Fett vor der Zerst\u00f6rung gesch\u00fctzt wird; seine Wirkung ist in dieser Beziehung jedoch keine grosse und sie steht zur\u00fcck gegen die der Fette und Kohlehydrate. Bei Aufnahme von 200 Grm. Leim verlor z. B. das Thier nur 15 Grm. Eiweiss und 33 Grm. Fett von seinem K\u00f6rper, am 10. Hungertage dagegen noch 37 Grm. Eiweiss und 83 Grm. Fett. Der Zusatz von Leim zu grossen Gaben von Fleisch bringt ausser viel Eiweiss auch Fett, wohl nur aus Eiweiss abgespalten, zum Ansatz.\nY. Stoffverbrauch bei Zufuhr von Fett und Kohlehydraten.\nNachdem gezeigt worden ist, dass durch Zufuhr eiweissartiger Stoffe unter ganz gewaltigem und unverh\u00e4ltnissm\u00e4ssigem Anwachsen des Eiweisszerfalls zuletzt kein Eiweiss mehr vom K\u00f6rper abgegeben wird und auch die Oxydation des Fettes allm\u00e4hlich abnimmt, ja schliesslich ganz aufh\u00f6rt, soll jetzt untersucht werden, welche Aen-derungen in dem Ums\u00e4tze des Eiweisses und des Fettes sich einstellen bei ausschliesslicher Aufnahme von stickstofffreien Stoffen, von Fett und Kohlehydraten (St\u00e4rkemehl und Traubenzucker) oder bei Zusatz dieser stickstofffreien Stoffe zu Eiweiss.\n1. Bei ausschliesslicher Zufuhr von FettA\nEs ist in hohem Grade wichtig, dass auch durch die gr\u00f6ssten\nGaben von Fett beim Hunde die Abgabe von Eiweiss vom K\u00f6rper\nnicht aufgehoben wird, sondern die Zerst\u00f6rung desselben ziemlich\nunver\u00e4ndert weiter geht; es tritt dadurch kaum eine Verminderung1 2,\n_ %\nja bei gr\u00f6sseren Fettgaben sogar eine kleine Vermehrung des Eiweisszerfalls ein. Bei alleiniger Zufuhr von Fett gehen desshalb die Thiere zu Grunde. Ich habe z. B. gefunden:\n1\tVoit, Ztschr. f. Biologie. Y. S. 329. 1869. \u2014 Pettenkofer u. Voit, Ebenda. Y. S.383.1869.\n2\tFrerichs (Arch. f. Anat. u. Physiol. 1848. S. 478) hat schon angegeben, dass bei F\u00fctterung eines kleinen Hundes mit Oel die Harnstofimenge ebenso gross ist wie beim Hunger.","page":127},{"file":"p0128.txt","language":"de","ocr_de":"128 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nFettzufuhr\tHarnstoff\tFettzufuhr\tHarnstoff\n0\t11.9\t300\t12.0\n0\t12.0\t0\t11.9\n100\t12.0\t0\t11.3\n200\t12.4\t\t\nDie Bedingungen der Zersetzung des Eiweisses bestehen also trotz der Gegenwart und der Verbrennung des Fettes fast unver\u00e4ndert fort.\nEbenso wird auch durch die Fettzufuhr die Zersetzung des Fettes kaum beeinflusst. Beim Hunger hatte der Hund von Pettenkofer und mir im Mittel t\u00e4glich 96 Grm. Fett eingebtisst; als er nun 100 Grm. Fett zugef\u00fchrt erhielt, oxydirte er im Mittel 97 Grm. Fett d. h. es wird durch das aus dem Darm in mittlerer Menge aufgenommene Fett der Fettverbrauch im K\u00f6rper nicht ge\u00e4ndert, jedoch der Fettverlust eben aufgehoben. Ber\u00fccksichtigt man die Ausscheidung von Stickstoff und von Fett im Koth, so ist der Fleisch- und Fettumsatz im eigentlichen K\u00f6rper hier etwas geringer als bei v\u00f6lligem Hunger; dem entsprechend ist auch die Kohlens\u00e4ureexhalation und der Sauer-stoftconsum etwas kleiner. Wir erhielten bei F\u00fctterung mit 100 und 350 Grm. Fett:\n\t100\tFett\t350 Fett\ni\tSter Tag\tlOter Tag\t\u2014\nFleischverbrauch\t\t159\t131\t227\n\t(= 3S.3 Eiweiss)\t(=31.6 Eiweiss)\t(= 54.7 Eiweiss)\nFettverbrauch\t\t94 #\t101\t164 ( = 1S6 Fettansatz)\nKohlens\u00e4ureabgabe ....\t302\t312\t520\nWasser durch Respiration\t223\t216\t\nSauerstoffe onsum\t\t202\t226\t\t 1\nBei geringerer Zersetzung von Eiweiss nimmt wie beim Hunger der Umsatz des Fettes zu. Sehr auffallend ist, dass bei Aufnahme einer \u00fcbersch\u00fcssigen Menge von Fett mehr von letzterem zerst\u00f6rt wird. Wie aus obigem Beispiele ersichtlich ist, kann bei ausschliesslicher F\u00fctterung mit Fett in ansehnlicher Menge Fett im K\u00f6rper abgelagert werden, trotzdem die Organe von ihrem Eiweiss verlieren; es ist nicht m\u00f6glich, dass der hierbei angesetzte Kohlenstoff aus dem Eiweiss stammt und der Kohlenstoff des Fettes daf\u00fcr verbrannt ist, denn der angesetzte Kohlenstoff betr\u00e4gt viel mehr, als der im zersetzten Eiweiss enthaltene.","page":128},{"file":"p0129.txt","language":"de","ocr_de":"Stoffverbrauch bei Zufuhr von Fleisch und Fett.\n129\n2. Bei Zufuhr von Fleisch und Feit.\nA) Verhalten der Eiweisszersetzung.\nDa bei ausschliesslicher F\u00fctterung mit Fleisch die Zersetzung von Eiweiss in einem fettreicheren K\u00f6rper eine geringere ist als in einem solchen, der weniger Fett in sich einschliesst, so ist es von vornherein wahrscheinlich, dass das zugleich mit dem Fleisch in den Darm eingebrachte Fett die n\u00e4mliche Wirkung aus\u00fcbt.\nTrotz reichlichster Fettzufuhr zugleich mit Gaben von Eiweiss h\u00f6rt, wie sich nach dem Erfolge bei ausschliesslicher Aufnahme von Fett wohl von selbst versteht, die Eiweisszersetzung im K\u00f6rper nie auf.\nGibt man allm\u00e4hlich steigende Mengen von reinem Fleisch ohne Fett, so w\u00e4chst, wie wir gesehen haben, die Zerst\u00f6rung desselben fast proportional an. Es \u00e4ndert sich daran im Allgemeinen nichts, wenn auch zu dem Fleisch Fett zugesetzt wird; denn auch bei der Gegenwart von Fett bringt die kleinste Steigerung des Fleischquantums in der Nahrung eine solche der Eiweisszersetzung hervor. Es ist daraus ersichtlich, dass der Zerfall des Eiweisses gr\u00f6sstentheils unabh\u00e4ngig von der Fettzufuhr ist, derselbe geht im Grossen und Ganzen weiter wie ohne Darreichung von Fett.\nEinen gewissen Einfluss auf den Eiweissumsatz \u00fcbt aber das Fett doch aus, derselbe ist jedoch gegen\u00fcber dem der Eiweisszufuhr sehr zur\u00fccktretend: das Fett macht n\u00e4mlich unter sonst gleichen Umst\u00e4nden den Eiweissverbrauch geringer, ebenso wie das im K\u00f6rper schon abgelagerte Fett. Nichtsdestoweniger bringt dieser geringf\u00fcgige Einfluss einen grossen Effect hervor.\nDie Beobachtungen von Bischoff 1 am Hunde schienen anzudeuten, dass unter der Einwirkung des Fettes der Nahrung weniger Eiweiss zerst\u00f6rt und der Ansatz desselben bef\u00f6rdert wird, obwohl sich manche auffallende Widerspr\u00fcche zeigten. Darauf that Botkin'1 2 die Ersparung des Eiweisses durch Fett in einem Versuche ebenfalls am Hunde dar; ganz sicher stellte sich dieser Erfolg bei den zahlreichen Versuchen von Bischoff und mir3 und meinen sp\u00e4teren4 heraus.\nEs l\u00e4sst sich leicht nachweisen, dass bei Zuf\u00fcgung von Fett zu Eiweiss die Stickstoffausscheidung etwas geringer wird, selbst dann, wenn das Eiweiss der Nahrung nicht hinreicht den K\u00f6rper auf seinem Eiweissbestande zu erhalten, und dass dieselbe nach Weglassung des Fettes wieder zur vorigen H\u00f6he ansteigt. Z. B.\n1\tBischoff, Der Harnstoff als Maass des Stoffwechsels. S. 143. Giessen 1853.\n2\tBotkin, Arch. f. pathol. Anat. XV. S. 3S0. 1858.\n3\tBischoff u. Voit, Die Gesetze der Ern\u00e4hrung d. Fleischfressers. S. 97. I860.\n4\tVoit, Ztschr. f. Biologie. V. S. 329.1869.\nHandbuch der Physiologie. Bd. VI.'\n9","page":129},{"file":"p0130.txt","language":"de","ocr_de":"130 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch imthier. Organismus etc.\nNahrung\t\tHarnstoff\tFleisch-\n1\tFett\t\tUmsatz\nFleisch\t\t.\t\n1. 1500\t0\t109.9\t|\t1512\n1500\t0\t110.7\t\n1500\t0\t109.2\t\n1500\t150\t102.0\t\n1500\t150\t103.6\t\n1500\t150\t107.3\t\u25ba\t1474\n1500\t150\t106.1\t\n1500\t150\t104.1\t\n1500\t150\t102.6\t'\n2.\t500\t0\t40.2\t556\n500\t100\t37.2\t520\n500\t0\t40.3\t557\nEs wird demnach unter dem Einfl\u00fcsse des Fettes weniger Ei-weiss umgesetzt. Die Quantit\u00e4t des dabei der Zerst\u00f6rung entzogenen Eiweisses ist jedoch nicht betr\u00e4chtlich. Absolut betr\u00e4gt dieselbe bei gleichbleibender Fleischration h\u00f6chstens 186 Grm. frisches oder45Grm. trockenes Fleisch und im Mittel nur 7 % (im Maximum 15 %) des vorher ohne das Fett zersetzten Fleisches.\nDie procentige Ersparung durch Fett ist bei reichlichen Eiweissmengen in der Nahrung nicht wesentlich anders als bei geringen, sie ist also nicht abh\u00e4ngig von der Gr\u00f6sse der Eiweisszufuhr; ja selbst die absolute Ersparung ist bei gr\u00f6sseren Eiweissquantit\u00e4ten nicht durchgehends betr\u00e4chtlicher. Die zu verschiedenen Zeiten beobachteten Differenzen in der Ersparung r\u00fchren eben nicht nur von dem Gehalt der Nahrung an Eiweiss und Fett her, sondern auch von der Beschaffenheit des K\u00f6rpers, vor Allem von dem Verh\u00e4lt-niss des schon in ihm befindlichen Eiweisses und Fettes; in einem fettreichen Leibe wird mehr Eiweiss unter dem Einfl\u00fcsse des Fettes der Nahrung gesch\u00fctzt und angesetzt als in einem mageren. \u2014\nBewirkt das Fett einen Ansatz von Eiweiss und wird dabei im Verh\u00e4ltniss zum Eiweiss der Nahrung viel Fett gegeben, so dass neben dem Eiweiss auch Fett abgelagert und somit die Relation von Fleisch und Fett am K\u00f6rper nicht zu Gunsten des Fleisches ge\u00e4ndert wird, wie es bei mittleren Fleischgaben mit reichlichem Fettzusatz der Fall ist, so w\u00e4hrt der Eiweissansatz lange Zeit an. W\u00e4hrend also bei ausschliesslicher Eiweissf\u00fctterung von einer gewissen unteren Grenze an mit jeder Eiweissmenge in der Nahrung, namentlich bei mageren Thieren, in wenigen Tagen wieder das Stickstoffgleichgewicht eintritt, wird letzteres bei Fettzusatz durch die Ersparung von Eiweiss ungleich langsamer erreicht. Der Hund von Bischoff","page":130},{"file":"p0131.txt","language":"de","ocr_de":"Stoffverbrauch bei Zufuhr von Fleisch und Fett.\n131\nund mir setzte z. B. bei Aufnahme von 500 Grm. Fleisch mit 250 Grm. Fett, nachdem er vorher wenig Fleisch, aber reichlich stickstofffreie Stoffe verzehrt hatte, w\u00e4hrend 32 Tagen am ersten und letzten Tage noch nahezu die gleiche Menge von Fleisch an, im Mittel t\u00e4glich 56 Grm., in der ganzen Beihe 1792 Grm.\nGanz anders ist es bei Darreichung gr\u00f6sserer Fleischmengen und verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig kleinerer Fettmengen. Hier wird der Ansatz von Eiweiss unter Steigerung der Zerst\u00f6rung von Tag zu Tag geringer, und in einigen Tagen ist das Stickstoffgleichgewicht erreicht, nicht viel sp\u00e4ter wie bei Aufnahme von reinem Fleisch ohne Fett, so dass der Gesammtfleischansatz dabei nicht betr\u00e4chtlich ist und wesentlich niedriger ausf\u00e4llt als bei kleineren Fleischmengen mit relativ mehr Fett. Es ergab sich z. B.:\nNahrung\t\tHarn stoff\tFleisch- ansatz\nFleisch\tFett\t\t\n1800\t0\t127.9\t26\n1800\t0\t127.6\t26\n1800\t250\t117.9\t162\n1800\t250\t113.5\t171i\n1800\t250\t120.7\t171/\n1800\t250\t115.7\t164i\n1800\t250\t119.7\t164/\n1800\t250\t127.5\tiii\n1800\t250\t130.0\tui\nUm die gr\u00f6sste Ablagerung von Eiweiss am K\u00f6rper zu erzielen, darf man daher nicht zu grosse Mengen davon, sei es ohne oder mit Fett, geben, sondern im Verh\u00e4ltniss zum Eiweiss viel Fett, und es ist n\u00f6thig auszuprobiren, womit man in dieser Beziehung am meisten erreicht, mit sehr grossen Gaben von Eiweiss und Fett w\u00e4hrend k\u00fcrzerer Zeit oder mit mittleren Gaben der beiden Stoffe w\u00e4hrend l\u00e4ngerer Zeit. Nach meinen Erfahrungen ist letzteres der Fall, da das Thier bei Zufuhr von viel Eiweiss meist nicht entsprechende Mengen von Fett aufnehmen kann; ich habe bei meinem Hunde nie eine gr\u00f6ssere Eiweissablagerung erhalten als bei Darreichung von 500 Grm. Fleisch mit 250 Grm. Fett.\nDiese Erfahrungen sind ganz in Uebereinstimmung mit den fr\u00fcheren bei ausschliesslicher Zufuhr von Fleisch in einem relativ fettarmen oder fettreichen Organismus, wo eben das im K\u00f6rper befindliche Fett ebenso wie ein Zusatz von Fett zum verzehrten Fleisch wirkt: im ersten Falle z. B. nach l\u00e4ngerem Hunger w\u00e4hrt der Eiweissansatz nur kurze Zeit und er ist gering; im letzteren Falle ver-\n9*","page":131},{"file":"p0132.txt","language":"de","ocr_de":"132 'S oit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\ngeht l\u00e4ngere Zeit bis zur Erreichung des Stickstoffgleichgewichts und wird mehr dabei angesetzt. \u2014\nSowie sich bei Ern\u00e4hrung mit reinem Fleisch die G-r\u00f6sse der Zersetzung des Eiweisses nicht ausschliesslich abh\u00e4ngig von der Zufuhr des letzteren zeigt, sondern zu verschiedenen Zeiten und in der n\u00e4mlichen Reihe der Erfolg ein sehr ungleicher ist, so ist dies auch bei Zuf\u00fcgung von Fett zum Fleisch der Fall. Die Ursachen sind beide Male die n\u00e4mlichen; es kommt auf die Beschaffenheit des Organismus an, zu welchem die Bestandtheile der Nahrung hinzutreten, vor Allem wieder auf das Quantum des vorher gereichten Eiweisses und das Verh\u00e4ltniss des Fetts zum Eiweiss im K\u00f6rper. Darum sieht man bei der gleichen Eiweiss- und Fettmenge der Nahrung zu verschiedenen Zeitperioden und an den sich folgenden Tagen ein und derselben Versuchsreihe eine ganz ungleiche Eiweisszersetzung erfolgen, einmal reicht der K\u00f6rper, wenn er relativ viel Eiweiss enth\u00e4lt, mit dem verzehrten Eiweiss nicht aus, das andere Mal setzt er, wenn er fettreich ist, Eiweiss an.1 So wurde z. B. nach Aufnahme von 500 Grm. Fleisch und 250 Grm. Fett zu verschiedenen Zeiten 395\u2014 759 Grm. Fleisch in den Zerfall gezogen, veranlasst durch den wechselnden Eiweissgehalt der vorausgehenden Nahrung. Ebenso wie bei Zufuhr von reinem Fleisch nimmt der Umsatz bei F\u00fctterung' mit einer bestimmten Menge von Fleisch und Fett allm\u00e4hlich, dem Gleichgewichtszustand entgegengehend, zu oder ab, je nachdem vorher weniger oder mehr Eiweiss gereicht worden ist. Ich erhielt z. B. folgenden Fleischumsatz :\n\tbei 750 Fleisch mit 250 Fett (vorher 500 Fleisch mit 250 Fett)\tbei 400 Fleisch mit 200 Fett (vorher 1800 Fleisch)\n1\t591\t635\t!\n2\t676\t564\n3\t709\t498\n4\t\u2014\t469\n5\t\u2014\t450\nVermehrt man bei gleichbleibender Fleischzufuhr die Fettmenge der Nahrung, so sieht man nicht immer, wie man voraussetzen sollte, eine weitere Verminderung des Eiweiss Verbrauchs. Die dabei eintretenden Aenderungen im letztem sind gering, und es scheint sich\n1 Auch bei den Versuchen an Pflanzenfressern hat sich der Einfluss des Ern\u00e4hrungszustandes des K\u00f6rpers, namentlich der Masse des K\u00f6rperfleisches, gezeigt : bei gleichem Futter ergab sich zu verschiedenen Zeitperioden ein ungleicher Eiweissumsatz (Hexxeberg u. Stohmanx, Beitr\u00e4ge zur Begr\u00fcndung einer rationellen F\u00fctterung der Wiederk\u00e4uer. 2. Heft. S. 439. 1864. \u2014 Hexxeberg, Neue Beitr\u00e4ge etc. S. 404. 1871. \u2014 Schulze u. Maercker. Journ. f. Landw. 1870 u. 1871.","page":132},{"file":"p0133.txt","language":"de","ocr_de":"Stoff verbrauch bei Zufuhr von Fleisch und Fett.\t13 3\nder Erfolg nach der Menge des zugleich gegebenen Fleisches zu richten: bei geringen Fleischgaben war durch steigende Fettmengen, ebenso wie bei ausschliesslicher Zufuhr von Fett, eine Zunahme des Eiweissumsatzes zu bemerken, bei mittleren Gaben ein Gleichbleiben, und bei grossen eine Herabsetzung desselben.\nEs ist fr\u00fcher gezeigt worden, dass ein auf gutem Ern\u00e4hrungsstande befindlicher Fleischfresser mit Eiweiss, in Verbindung mit den n\u00f6thigen Salzen und Wasser, sich dauernd auf seinem Eiweiss- und Fettbestande erh\u00e4lt; er braucht jedoch davon sehr bedeutende Mengen, denn ein wohl gen\u00e4hrter Hund von 34 Kilo Gewicht hat dazu 1500\u20141800 Grm. reines Fleisch, entsprechend 400 Grm. trockenem Eiweiss n\u00f6thig, ein Mensch von 72 Kilo Gewicht (ein junger Mann von mittlerem Fettgehalt) mindestens 1300 Grm. Fleisch.\nGibt man aber zum Eiweiss Fett hinzu, so kann man, da das Fett den Eiweissumsatz vermindert, von ersterem weglassen und mit wenig Fleisch unter Zusatz von Fett das N\u00e4mliche erreichen wie mit viel Fleisch allein d. h. den K\u00f6rper auf seinem Best\u00e4nde erhalten. Wenn z. B. bei Zufuhr von 500 Grm. reinem Fleisch der K\u00f6rper noch 60 Grm. Fleisch verliert, welcher Verlust erst durch Steigerung der Fleischzufuhr auf 1500 Grm. aufgehoben wird, so erh\u00e4lt sich der K\u00f6rper mit 500 Grm. Fleisch und 200 Grm. Fett, wenn letztere 60 Grm. Fleisch vor der Zersetzung zu bewahren im Stande sind.\nSowie man unter eine gewisse Gabe von reinem Fleisch nicht herabgehen darf, wenn der K\u00f6rper nicht an Eiweiss abnehmen soll, so gibt es auch bei reichlichstem Fettzusatz, selbst wenn dabei Fett angesetzt wird, eine untere Grenze der Eiweisszufuhr, unter welche man ohne Eiweissverlust vom K\u00f6rper nicht gehen darf. Diese geringste Menge von Eiweiss mit Fett steht auch bei einem herabgekommenen Thier immer h\u00f6her als die im gleichen Zustande beim Hunger sich zersetzende ; es ergab sich z. B.\n\tN a h r u n g\t\tFleischumsatz\tFleisch- \u00e4nderung\n\tFleisch\tFett\t\tam K\u00f6rper\n1\t0\t0\t195\t\u2014 195\n\t176\t50\u2014200\t238\t\u2014 62\n\t0\t0\t136\t\u2014 136\n\t150\t250\t233\t\u2014 S3\n\t250\t250\t270\t\u2014 20\n\t450\t250\t342\t4- 108\n2\t0\t0\t171\t\u2014 171\n\t500\t100\t439\t4- 61\no O\t0\t0\t169\t\u2014 169\n\t400\t200\t403\t- 3","page":133},{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"134 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nDas Thier h\u00e4tte darnach bei einem elenden K\u00f6rperzustande etwa 350 Grm. Fleisch mit Fett n\u00f6thig gehabt; die untere Grenze ist also bei Fettzugabe etwas niederer als bei Aufnahme von reinem Fleisch, von welchem in den meisten F\u00e4llen 500 Grm. nicht gen\u00fcgend f\u00fcr die Deckung des Eiweissverlustes waren. Die geringste Fleischmenge, mit welcher bei meinem Hunde ein Ansatz von Fleisch zu bemerken war, betrug 800 Grm. Schliesslich tritt auch bei Zusatz von Fett mit jeder innerhalb der unteren und oberen Grenze liegenden Fleischmenge das Stickstoffgleichgewicht ein.\nReines Eiweiss bringt wegen der Steigerung der Zersetzung nie einen ansehnlichen Ansatz von Eiweiss (oder Fett) hervor, man kann damit nur einen guten Zustand erhalten, aber nicht schaffen. Unter dem Einfl\u00fcsse des Fettes, wenn es im Verh\u00e4ltniss zum Eiweiss in der richtigen Menge gegeben wird, findet aber, durch die eiweiss-ersparende Wirkung desselben, ein dauernder Ansatz von Eiweiss statt.\nB) Verhalten der Fettzersetzung.\nEs fragt sich nun noch, wie sich der Umsatz des Fettes gestaltet, wenn zum Eiweiss der Nahrung Fett hinzugef\u00fcgt wird. Die Versuche von Pettenkofer und mir 1 haben hier\u00fcber folgende Resultate ergeben:\nNr.\tNah\tr u n g\tAenderung\t\tam K\u00f6rper\t\tKohlen- s\u00e4ure\tSauerstoff auf2\tSauerstoff n\u00f6thig\n\tFleisch\tFett\tFleisch zersetzt\tFleisch am K\u00f6rper\tFett zersetzt\tFett am K\u00f6rper\t\t\t\n1\t400\t200\t450\t\u2014 50\t159\t-j- 41\t591\t\t586\n2\t500\t100\t491\t+\t9\t66\t+ 34\t362\t375\t323\n3\t500\t200\t517\t\u2014 17\t109\t+ 91\t453\t317\t394\n4\t800\t350\t635\tfl- 165\t136\t+ 214\t598\t\u2014\t584\n5\t1500\t30\t1457\t+ 43\t0\t+ 32\t534\t438\t480\n6\t1500\t60\t1501\t\u2014 1\t21\t+ 39\t560\t503\t486\n7\t1500\t100\t1402\t+ 98\t9\t-j- 91\t535\t456\t479\n8\t1500\t100\t1451\t4- 49\t0\t-j- 109\t509\t397\t442\n9\t1500\t150\t1455\t+ 45\t14\tfl\u2014 136\t567\t521\t493\n1\tPettenkofek u. Voit, Ztschr. f. Biologie. IX. S. 30. 1873.\n2\trespir.\nQuotient\n2.\t70\n3.\t103\n5.\t88\n6.\t81\n7.\tS5\n8.\t93\n9.\t79\nMittel: 85","page":134},{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"StoffVerbraucb bei Zufuhr von Fleisch und Fett.\n135\nAus diesen Zahlen ergiebt sich, dass das aus der Nahrung stammende Fett in bedeutender Quantit\u00e4t zerst\u00f6rt werden kann, und zwar bei kleineren und mittleren Gaben von Fleisch (bis 800 Grm.), im Allgemeinen in etwas gr\u00f6sserer Menge als beim Hunger.\nDie s\u00e4mmtlichen Reihen bei Aufnahme von 1500 Grm. Fleisch thun dagegen dar, dass von dem Kohlenstoff der Nahrung nahezu so viel im K\u00f6rper zur\u00fcckbleibt als im Fett aufgenommen wurde. Es ist daher nicht daran zu zweifeln, dass das Fett abgelagert und der Kohlenstoff des zersetzten Eiweisses ausgeschieden worden ist. Das Eiweiss oder der aus ihm sich abspaltende an Kohlenstoff reiche Antheil muss leichter im K\u00f6rper zu Kohlens\u00e4ure (und Wasser) zerfallen als das Fett der Nahrung. Auch kann das Fett nicht aus dem Grunde das Eiweiss vor der Zersetzung sch\u00fctzen, weil es den Sauerstoff f\u00fcr sich in Beschlag nimmt, denn es \u00fcbt in diesen F\u00e4llen die sch\u00fctzende Wirkung aus, ohne selbst angegriffen zu werden; ja es wird umgekehrt das Fett durch das sich zersetzende Eiweiss oder die aus ihm sich abspaltenden kohlenstoffreichen Produkte vor der Zerst\u00f6rung bewahrt.1 Den leichteren Zerfall des Eiweisses im K\u00f6rper beweist auch das Resultat der beiden folgenden Versuche:\nNahi\tu n g\tFleisch\tFleisch\tFett\tFett\nFleisch\tFett\tzersetzt\tam K\u00f6rper\tzersetzt\tam K\u00f6rper\n1800\t0\t1757\t+ 43\t0\t+ 1\n400\t200\t450\t\u2014 50\t159\t+ 41\nW\u00fcrde das Eiweiss schwerer angegriffen als das Fett, dann m\u00fcsste doch von 1800 Grm. Fleisch ein guter Theil angesetzt und daf\u00fcr Fett vom K\u00f6rper zerst\u00f6rt werden. Das Fett wird offenbar erst in zweiter Linie nach dem Eiweiss in den Zerfall gezogen, wenn die Zellen noch das Verm\u00f6gen besitzen weitere Stoffe zu zerlegen, wie schon aus dem Fettverlust beim Hunger hervorgeht, der ebenfalls um so kleiner ausf\u00e4llt, je gr\u00f6sser der Eiweiss verbrauch ist.\nDem entsprechend muss das Fett der Nahrung um so weniger angegriffen werden, je mehr Eiweiss zersetzt oder je mehr kohlenstofffreie Substanz daraus abgetrennt wird. Ich kann ausser dem obigen noch einige Beispiele daf\u00fcr angeben:\n1 Schon Bidder u. Schmidt haben aus ihren Versuchen bei F\u00fctterung mit Fleisch und Fett den Schluss gezogen, dass in gewissen F\u00e4llen das Eiweiss zu Grunde geht und das Fett abgelagert wird (Die Verdauungss\u00e4fte und der Stoffwechsel. S. 363. 1852).","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"/\n136 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nNahrung\t\tFleisch\tFleisch\tFett\tFett\nFleisch\tFett\tzersetzt\tam K\u00f6rper\tzersetzt\tam K\u00f6rper\n500\t0\t560\t\u2014 66\t47\t\u2014\t47\n500\t100\t491\t+\t9\t66\t+ 34\n0\t100\t159\t\u2014 159\t94\t+\t9\n0\t350\t227\t\u2014 227\t164\t+ 1S6\n800\t350\t635\t+ 165\t136\t4- 214\nDer Verbrauch an Fett ist durchg\u00e4ngig um so gr\u00f6sser, je weniger Eiweiss zerst\u00f6rt wird.\nMein Hund von 35 Kilo Gewicht verbrauchte beim Hunger 38 Grm. Eiweiss und 107 Grm. Fett; bei Darreichung steigender Quantit\u00e4ten von reinem Eiweiss wird die Fettzersetzung im K\u00f6rper immer geringer, bis sie schliesslich ganz aufh\u00f6rt. In diesem Falle thun die aus der grossen Eiweissmenge abgespaltenen Materien stofflich die gleichen Dienste wie vorher die aus 38 Grm. Eiweiss und 107 Grm. Fett entstandenen. Es wird dadurch wahrscheinlich, dass aus dem Eiweiss bei dem Zerfall Fett hervorgeht und durch Eiweiss dann die Fettabgabe vom K\u00f6rper aufgehoben wird, wenn aus ihm die betreffende Fettmenge entstanden ist. Ist einmal in den Organen die Spaltung des Eiweisses in Fett und andere Produkte vor sich gegangen, so spielt das erzeugte Fett die gleiche Rolle wie das aus dem Darm eingetretene, nur ist ersteres, offenbar weil es sich fein vertheilt in den organisirten Gebilden befindet, leichter oxydirbar.\nGelangt bei gleichbleibender Eiweissaufnahme mehr Fett aus dem Darm in die S\u00e4fte, so wird auch etwas mehr Fett in den Zerfall gezogen, eben so wie es sich fr\u00fcher bei ausschliesslicher Zufuhr von Fett herausgestellt hatte. Wir erhielten z. B.\nNahrung\t\tFett\tFett\nFleisch\tFett\tzersetzt\tam K\u00f6rper\n500\t0\t47\t\u2014 47\n500\t100\t66\t+ 34\n500\t200\t109\t+ 91\nIn der gleichen Weise wie das Fett der Nahrung wirkt auch das im K\u00f6rper schon abgelagerte Fett: denn ein fettreicher K\u00f6rper zersetzt unter sonst gleichen Umst\u00e4nden von dem ihm zugef\u00fchrten Fett etwas mehr als ein magerer. Ganz entsprechendes wurde schon f\u00fcr den Fettansatz bei ausschliesslicher F\u00fctterung mit Fleisch beobachtet ; hatten die Thiere vorher reichlich Fett aufgespeichert, dann","page":136},{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"(\nStoffverbrauch bei Zufuhr von Fleisch und Fett.\t137\nwurde dabei noch Fett vom K\u00f6rper abgegeben, w\u00e4hrend bei fettarmem Zustande bei der gleichen Fleischzufuhr ein Ansatz von Fett erfolgte. Als der Hund w\u00e4hrend 58 Tagen t\u00e4glich 500 Grm. Fleisch mit 200 Grm. Fett erhielt, wobei er nahezu im Stickstoffgleichgewicht sich befand, jedoch bis zuletzt Fett ansetzte, wurde an den ersten Tagen weniger Fett zerst\u00f6rt als in den letzten. Ein fettarmer K\u00f6rper speichert also leichter Fett auf als ein an Fett reicher; er entzieht das Fett, zum Theil wegen der gr\u00f6sseren Eiweisszersetzung, den Bedingungen der Zerst\u00f6rung. Ist dagegen viel Fett am K\u00f6rper schon angesammelt, so stehen der weiteren Ablagerung gr\u00f6ssere Hindernisse im Wege.\nWill man Eiweiss und Fett in m\u00f6glichst grosser Menge zur Ablagerung bringen, so nimmt man mittlere Quantit\u00e4ten von Fleisch mit viel Fett; durch Aufnahme einer im Verh\u00e4ltniss zu Fett reichlichen Eiweissmenge wird in wenigen Tagen kein Ansatz von Eiweiss mehr erzielt, wohl aber noch von Fett, da durch die Eiweisszersetzung das Fett der Nahrung erspart wird.\nBei Aufnahme von Fleisch und Fett sind demnach die Umsetzungen im K\u00f6rper qualitativ die gleichen wie bei Aufnahme von reinem Fleisch, nur tritt meist der Punkt, wo ein Ansatz von Eiweiss und von Fett stattfindet, fr\u00fcher ein. Sie sind aber auch quantitativ die gleichen, wenn ein recht fettreicher Organismus das reine Fleisch zugef\u00fchrt erh\u00e4lt.\nJunge ausgewachsene Thiere haben, weil sie \u00e4rmer an Fett sind, mehr Eiweiss in ihrer Nahrung n\u00f6thig als alte, sowie sie auch bei Hunger mehr Eiweiss zerst\u00f6ren; sie verbrauchen aber auch, ihrer gr\u00f6sseren Lebhaftigkeit halber, mehr Fett.\nKleine Organismen zerst\u00f6ren beim Hunger verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig viel Eiweiss, w\u00e4hrend die Fettzersetzung relativ nur wenig w\u00e4chst. Das Gleiche findet sich auch bei Zufuhr von Fleisch und Fett. Ich habe f\u00fcr grosse und kleine Fleischfresser die geringste Quantit\u00e4t von Fleisch und Fett gesucht, mit welcher sie sich eben w\u00e4hrend langer Zeit auf ihrem Best\u00e4nde erhielten; es fand sich dabei:\nThier\tGewicht des Thieres\tNahrung\t\tauf 1 Kilo K\u00f6rper\t\n\t\tFleisch\tFett\tFleisch\tFett\nHund, alt und sehr fett .\t.\t42400\t500\t138\t11.8\t3.25\nHund\t\t39000\t500\t120\t12.8\t3.08\nHund, jung und nicht fett .\t27600\t400\t125\t14.5\t4.53\nHund, nicht fett ....\t4318\t150\t20\t34.7\t4.63\nKatze\t\t2750\t120\t15\t43.6\t5.45\nRatte\t\t263\t24\t5.5\t91.2\t20.91\nRatte\t\t150\t16.9\t5.1\t112.6\t34.00","page":137},{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der StoffVerbrauch im thier. Organismus etc.\nKleine Hunde und Katzen nehmen auf gleiches Gewicht fast das vierfache Eiweissquantum auf wie grosse Hunde, w\u00e4hrend der Fett-consurn nicht um das Doppelte steigt ; nur die kleinen, h\u00f6chst beweglichen Ratten verzehren mit der verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig enormen Eiweissquantit\u00e4t auch entsprechend mehr Fett. Die Ursache des relativ h\u00f6heren Eiweisszerfalls im kleinen Organismus ist die schon beim Hunger angegebene: es ist bei ihm nach Viekordt\u2019s Entdeckung der S\u00e4ftestrom ein ungleich lebhafterer; die Ursache der Mehrzersetzung des Fettes bei den Ratten ist die gr\u00f6ssere Muskelth\u00e4tigkeit dieser Thiere.\nMan k\u00f6nnte daraus versucht sein zu schliessen, dass die Organe oder Zellen des kleinen Organismus die F\u00e4higkeit besitzen mehr Stoff zu zerlegen als die des grossen; dies ist aber nicht so: sie haben beide die gleiche Maximalleistung, nur zersetzen erstere beim Hunger und bei der geringsten Zufuhr von Eiweiss und Fett aus den angegebenen Gr\u00fcnden mehr Material, namentlich mehr Eiweiss.\n3. Bei Zufuhr von Kohlehydraten mul von Fleisch mit Kohlehydraten.\nA) Verhalten der Eiweisszersetzung.\nDie verschiedenen Kohlehydrate (es sind St\u00e4rkemehl, Rohrzucker, Traubenzucker und Milchzucker gepr\u00fcft worden) verhalten sich in vielen St\u00fccken wie das Fett; die \u00fcbrigen Kohlehydrate wie z. B. Dextrin, oder das aus der Cellulose entstandene Produkt werden wohl alle qualitativ den gleichen Effekt haben. Es sollen hier vorz\u00fcglich die Unterschiede in den Wirkungen des Fettes und der Kohlehydrate auf den Umsatz im K\u00f6rper hervorgehoben werden.\nFrerichs 1 gab zuerst an, bei F\u00fctterung eines Hundes mit Amylum und Zucker ebensoviel Harnstoff gefunden zu haben wie bei vollst\u00e4ndiger Entziehung der Nahrung. Es wurde dann von F. Hoppe 2 gezeigt, dass bei Zusatz von Rohrzucker zu Fleisch vom Hunde weniger Harnstoff im Harn austritt, woraus er auf eine Ablagerung stickstoffhaltiger Substanz unter der Einwirkung des Zuckers schloss. Sp\u00e4ter thaten Bischoff und ich in einer gr\u00f6sseren Anzahl von Reihen bei verschiedenen Fleisch- und Kohlehydratgaben die geringere Stickstoffausscheidung unter dem Einfl\u00fcsse der letzteren dar. Endlich habe ich1 2 3 4 in ausgedehnten Untersuchungen die Rolle der Kohlehydrate bei dem Umsatz und Ansatz des Eiweisses,\n1\tFrerichs, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1848. S. 481.\n2\tHoppe, Arch. f. pathol. Anat, X. S. 144. 1855 ; siehe hier\u00fcber Voit, Ztschr. f. Biologie. IV. 302. 316.1868.\n3\tBisch\u00f6fe u. Voit, Die Gesetze der Ern\u00e4hrung d. Fleischfressers. S. 153. 1860.\n4\tVoit, Ztschr. f. Biologie. V. S. 431. 1869.","page":138},{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":"Stoffverbranch bei Zufuhr von Kohlehydraten und Fleisch.\n139\nsowie im Verein mit Pettenkofer 1 die Bedeutung derselben f\u00fcr die Ersparung und die Ablagerung von Fett im Thierk\u00f6rper studirt.\nSo wenig wie durch Fett allein kann durch ausschliessliche Darreichung von Kohlehydraten der Eiweissverbrauch im K\u00f6rper verh\u00fctet werden; selbst bei der reichlichsten Zufuhr von Kohlehydraten wird immer noch Eiweiss abgegeben und durch Zusatz derselben zu Fleisch die Zerst\u00f6rung des letzteren nicht aufgehoben, es bestehen also die Bedingungen der Eiweisszerst\u00f6rung dabei fort. Es ist daher nicht m\u00f6glich, Thiere bei ausschliesslicher Darreichung von Kohlehydraten l\u00e4ngere Zeit am Leben zu erhalten.2 Ich erhielt z. B.\nNah\trung\tFleisch- umsatz\nFleisch\tKohlehydrat\t\n0\t450 St.\t167\n0\t700 St.\t217\n0\t500 Z.\t224\n150\t350\u2014430 St.\t316\n200\t300 Z.\t269\nDie verschiedenen Kohlehydrate sind in gleichen Quantit\u00e4ten in ihrer Einwirkung auf den Zerfall des Eiweisses \u00e4quivalent. Ich habe dies wenigstens f\u00fcr das St\u00e4rkemehl, den Milchzucker und den Traubenzucker gepr\u00fcft, es gilt dies wahrscheinlich auch f\u00fcr die anderen Kohlehydrate :\n) Nah\trung\tHarnstoff\tFleisch- umsatz\nFleisch\ttrockenes Kohlehydrat\t\t\n400\t211 St.\t30.5\t431\n400\t227 Tr.-Z.\t32.3\t439\n500\t182 Tr.-Z.\t38.0\t532\n500\t168 St.\t37.8\t528\n2000\t180 M.-Z.\t125.7\t\t\n2000\t0\t132.2\t\u2014\n2000\t0\t143.7\t\u2014\n2000\t168 St.\t131.3\t\u2014\n2000\t168 St.\t125.3\t\u2014\nIm Allgemeinen nimmt auch bei Zusatz von Kohlehydraten der Eiweissverbrauch nahezu proportional mit der Fleischmenge der Nahrung zu:\n1\tPettenkofer u. Voit, Ebenda, IX. S. 435. 1873.\n2\tNach Oertmann (Arch. f. d. ges. Physiol. XV. S. 369) bleiben Kaninchen bei stickstoffloser Kost 22\u201461 Tage am Leben, w\u00e4hrend sie beim Hanger schon nach","page":139},{"file":"p0140.txt","language":"de","ocr_de":"140 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nNah\trung\tFleisch- umsatz\nFleisch\tKohlehydrat\t\n150\t100 \u2014 350 Z.\t224\n300\t250 Z.\t410\n500\t250 St.\t535\n800\t250 St.\t745\n1500\t200 St.\t1454\n2000\t200 Z.\t1894\nAuch die kleinste Steigerung in der Fleischzufuhr macht bei Gegenwart von Kohlehydraten eine Steigerung der Fleischzersetzung.\nWie das Fett ersparen die Kohlehydrate Eiweiss, indem sie unter sonst gleichen Umst\u00e4nden sowohl bei Eiweisshunger als auch bei Eiweisszufuhr den Verbrauch an Eiweiss geringer machen und dadurch f\u00fcr die Ern\u00e4hrung ebenfalls von grosser Bedeutung werden.* 1 Dies zeigen folgende Beispiele:\nNah\trung\tHarnstoff\tFleisch- umsatz\nFleisch\tKohlehydrat\t\t\n0\t0\t13.2\t181\n0\t500 St.\t10.9\t170\n500\t0\t39.2\t546\n500\t250 St.\t32.8\t47 5\n1500\t0\t114.9\t1599\n1500\t200 St.\t103.3\t1454\n2000\t0\t143.7\t1991\n2000\t200 St.\t131.1\t1825\n2000\t200 St.\t125.3\t1745\n2000\t300 St.\t124.6\t1736 - 1792\n2000\t300 St.\t134.3\t1868!\n2000\t300 St.\t126.8\t17661\nDie Ersparung von Eiweiss durch die Kohlehydrate ist nicht bedeutend, sie betr\u00e4gt im Mittel 9%, im h\u00f6chsten Falle 15 % des\n5 Tagen zu Grunde gingen. Aeltere und schwerere Thiere halten es bei Mangel an Eiweiss in der Nahrung l\u00e4nger aus:\nGewicht des Thiers Tod in Tagen\n771\t22\n1120 45 1200 27 1308 61 1360 35 1430 58\n1 Grouven giebt an (Physiol.-chem. F\u00fctterungsversuche. 2. Ber. 1864), dass durch Zusatz von stickstofffreien Nahrungsstoffen zum Futter (Stroh) des Ochsen der Fleischumsatz vermindert werde. Siehe auch die Zusammenstellung von Henneberg im Journ. f. Landw. 1865. S. 157; ebenso die Uebersicht der Weender Versuche bei Wolff, Ern\u00e4hrung d. landw. Nutzthiere. 1876. S. 293, aus denen hervorgeht, dass bei den Pflanzenfressern wegen des Vorwiegens der stickstofffreien Stoffe in dem Futter der Fleischansatz lange Zeit fortbesteht. Dass eine Vermehrung der stickstofffreien Substanzen in der Nahrung den Eiweissumsatz ver-","page":140},{"file":"p0141.txt","language":"de","ocr_de":"Stoffverbrauch bei Zufuhr von Kohlehydraten und Fleisch.\n141\nvorher gegebenen Eiweisses, und entspricht im Maximum 199 Grm. frischem oder 48 Grm. trocknem Fleisch. Die die Eiweisszersetzung hemmende Wirkung der Kohlehydrate tritt also, wie die des Fettes, sehr zur\u00fcck gegen die bef\u00f6rdernde der Eiweisszufuhr. Die Zerst\u00f6rung des Eiweisses ist daher nahezu unabh\u00e4ngig von den Kohlehydraten, ebenso wie vom Fett, und sie geht zum gr\u00f6ssten Theil vor sich, wie wenn keine Kohlehydrate vorhanden w\u00e4ren.\nDiese Wirkung der Kohlehydrate hat wde die gleiche des Fettes zun\u00e4chst zur Folge, dass man bei Zusatz derselben weniger Eiweiss n\u00f6thig hat, um den K\u00f6rper auf seinem Eiweissbestande zu erhalten als bei Zufuhr von Eiweiss allein und sie beg\u00fcnstigt ferner den Ansatz von Eiweiss.\nJe mehr Eiweiss man im Verh\u00e4ltniss zu den Kohlehydraten giebt, desto rascher tritt wieder Stickstoffgleichgewicht ein und desto b\u00e4lder h\u00f6rt der Eiweissansatz auf. Reicht man dagegen verh\u00e4ltniss-m\u00e4ssig grosse Quantit\u00e4ten von Kohlehydraten, also mittlere Eiweissmengen mit viel Kohlehydraten, so w\u00e4hrt der Ansatz von Eiweiss lange Zeit fort. Es wird demnach die Gr\u00f6sse des Eiweissansatzes wiederum nicht durch die absolute Eiweissmenge in der Nahrung, sondern durch die relative gegen\u00fcber den stickstofffreien Stoffen bestimmt.\nAuch hier ist neben der Nahrungszufuhr der K\u00f6rperzustand von bestimmendem Einfluss auf den Eiweissverbrauch; denn das vom Darmkanal aus Aufgenommene kommt nur zu dem im K\u00f6rper schon befindlichen Material hinzu, und der Effekt wird bestimmt durch den gegebenen K\u00f6rperzustand und dessen Ver\u00e4nderung durch die hinzutretenden Nahrungsstoffe. Es zeigt sich dem entsprechend abermals, dass die gleiche Eiweiss- und Kohlehydratmenge zu verschiedenen Zeiten einen sehr ungleichen Erfolg in dem Eiweissumsatz nach sich zieht, namentlich abh\u00e4ngig von der Gr\u00f6sse der vorausgehenden Eiweisszufuhr:\nNah\trung\tN a h r u n\tg vorher\tFleisch- umsatz\nFleisch\tKohlehydrat\tFleisch\tKohlehydrat\t\n500\t200 St.\t500\t200 Z.\t528\n500\t200 Z.\t750\t150 Z.\t623\n500\t200 St.\t1500\t0\t712\n700\t150 St.\t1700\t0\t773\n700\t150 Z.\t1930\t0\t1014\nmindert, geht aus den Weender Versuchen an Ochsen hervor, ebenso aus den Versuchen von Schulze u. Maercker an Schafen (Journ. f. Landw. 1870 u. 1871), und aus denen von Stohmann an Ziegen (Ztschr. f. Biologie. VI. S. 204. 1870).","page":141},{"file":"p0142.txt","language":"de","ocr_de":"142 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nd. h. es wird trotz gleicher Zufuhr stets mehr Eiweiss zersetzt, wenn in der vorausgehenden Reihe mehr Eiweiss verabreicht worden war.\nReicht am ersten Tage der F\u00fctterung mit einer Mischung von Eiweiss und Kohlehydraten das erstere nicht hin den Verlust von Eiweiss vom K\u00f6rper zu verh\u00fcten, dann nimmt die Eiweisszersetzung von Tag zu Tag ab, bis schliesslich, wenn die Eiweissmenge nicht gar zu gering ist, das Stickstoffgleichgewicht eintritt. Wird dagegen mehr Eiweiss gegeben, als dem fr\u00fcheren Verbrauch entspricht, so findet so lange ein Ansatz von Eiweiss statt bis der Umsatz desselben dadurch in dem Maasse w\u00e4chst, dass schliesslich wiederum das Stickstoffgleichgewicht in den Einnahmen und Ausgaben erfolgt z. B.\nNah\tr u n g\tNahrung vorher\t\tFleisch- umsatz\nFleisch\tKohlehydrat\tFleisch\tKohlehydrat\t\n0\t450 St.\t150\t430 St.\t203\n0\t450 St.\t\u2014\t\u2014\t130\n400\t400 St.\t1500\t200 St.\t611\n400\t400 St.\t\u2014\t\u2014\t525\n400\t400 St.\t\u2014\t\u2014\t456\n400\t400 St.\t\u2014\t\u2014\t447\n800\t450 St.\t\u2014\t450 St.\t436\n800\t450 St.\t\t\u2014\t621\n1800\t450 St.\t800\t450 St.\t1341\n1800\t450 St.\t\t\u2014\t1477\nW\u00e4hrend steigende Gaben von Fett bei gleicher Eiweisszufuhr nicht deutlich und constant den Eiweissumsatz vermindern, ja ihn in gewissen F\u00e4llen etwas erh\u00f6hen, bringt jede Vermehrung der Kohlehydrate eine Herabsetzung desselben hervor (wenn nicht dabei die Harnmenge eine Steigerung erf\u00e4hrt), wie die folgenden Versuche zeigen :\nNah\trung\tFleisch- umsatz\nFleisch\tKohlehydrat\t\n0\t370 Z.\t270\n0\t500 Z.\t224\n500\t300 Z.\t466\n500\t200 Z.\t505\n500\t100 Z.\t537\n2000\t100 M.-Z.\t1847\n2000\t200 M.-Z.\t1778\n2000\t200 M.-Z.\t1780","page":142},{"file":"p0143.txt","language":"de","ocr_de":"Stoffverbrauch bei Zufuhr von Kohlehydraten und Fleisch.\n143\nDie Kohlehydrate sind f\u00fcr den Eiweissansatz g\u00fcnstiger als das Fett, welches in gr\u00f6sseren Gaben keine weitere Verminderung des Eiweisszerfalls hervorbringt; die Kohlehydrate wirken in Beziehung der Ersparung von Eiweiss mehr als die gleiche Menge von Fett:\nN a h r u n g\t\tFleisch- umsatz\nFleisch\tN-frei\t\n500\t250 F.\t558\n500\t300 Z.\t466\n500\t200 Z.\t505\n800\t250 St.\t745\n800\t200 F.\t773\n2000\t200\u2014300 St.\t1792\n2000\t250 F.\t1883\nWegen der gr\u00f6sseren Verminderung des Eiweissumsatzes durch die Kohlehydrate setzen die Pflanzenfresser, welche meist auch ver-h\u00e4ltnissm\u00e4ssig sehr bedeutende Mengen von Kohlehydraten verzehren, leicht Eiweiss an.1\nNach diesen Darlegungen spielen die Kohlehydrate f\u00fcr die Erhaltung des K\u00f6rpers auf seinem Best\u00e4nde an Eiweiss dieselbe wichtige Rolle wie das Fett. Von reinem Fleisch braucht man grosse Quantit\u00e4ten, um den Gehalt eines Organismus an Eiweiss zu bewahren. Setzt man zu einer gr\u00f6sseren Fleischration Kohlehydrate zu, so wird der weitaus gr\u00f6sste Theil des Eiweisses in die Zersetzung hinein gezogen und nur ein kleiner Theil f\u00fcr kurze Zeit erspart.2 Da nun bei Darreichung einer mittleren Menge reinen Fleisches der K\u00f6rper nur mehr wenig Fleisch von sich abgiebt, die Kohlehydrate aber den Zerfall einer solchen Fleischmenge verhindern, so kann der Organismus mit einer mittleren Fleischmenge unter Zusatz von Kohlehydraten v\u00f6llig auf seinem Eiweissbestande erhalten werden, z. B.\n1\tNach Z\u00fcntz (Ztschr. f. wiss. Landw. 1879. S. 90) scheinen die Pflanzenfresser absolut und relativ zum Verbrauche der stickstofffreien K\u00f6rperbestand-theile weniger Eiweiss umzusetzen und deshalb leichter Fleisch anzusetzen; auch scheine die sparende Wirkung der Kohlehydrate st\u00e4rker als beim Hunde zu sein. Ich glaube nicht, dass dies sicher erwiesen ist; ich finde nur, dass Wolff (Die Ern\u00e4hrung der landw. Nutzthiere. S. 293. 1876) aus den Weender Versuchen entnimmt, dass der Ansatz von Eiweiss beim Rind unter sonst gleichen Umst\u00e4nden gr\u00f6sser zu sein scheine als beim Hund, was aber m\u00f6glicherweise nicht mit den Eigenschaften des Pflanzenfressers, sondern mit der Gr\u00f6sse des Thiers zusammenh\u00e4ngt, insofern gr\u00f6ssere Organismen verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig weniger zersetzen und zur Erhaltung brauchen.\n2\tAuch das Rind zerst\u00f6rt nach den Weender Versuchen (Wolff, Die Ern\u00e4hrung d. landw. Nutzthiere. S. 293. 1876) bei einseitiger Steigerung des Eiweisses im Futter den gr\u00f6ssten Theil desselben wieder.","page":143},{"file":"p0144.txt","language":"de","ocr_de":"144 Voit. Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nNahrung\t\tFleisch-\nFleisch\tKohlehydrate\tUmsatz\n500\t100-300 Z.\t502\n500\t0\t564\nEs giebt endlich auch f\u00fcr die Zufuhr von Eiweiss mit Kohlehydraten eine untere Grenze, unter welche man nicht gehen darf, ohne dass der K\u00f6rper Eiweiss verliert, und welche immer h\u00f6her steht als die Eiweisszersetzung beim Hunger unter sonst gleichen Umst\u00e4nden. Diese untere Grenze ist f\u00fcr einen bestimmten Organismus selbstverst\u00e4ndlich nicht immer die gleiche, sondern sie richtet sich nach dem jeweiligen Zustand des K\u00f6rpers: sie steht h\u00f6her, wenn der K\u00f6rper relativ reich an Eiweiss ist, und tiefer, wenn er arm an Eiweiss und reich an Fett ist. Es ergab sich z. B.\nNal\tl r u n g\tFleisch- umsatz\tAenderung im K\u00f6rperfleisch\nFleisch\tKohlehydrat\t\t\n150\t350\u2014430 St.\t316\t\u2014 166\n200\t300 Z.\t269\t\u2014 69\n300\t250 Z.\t410\t\u2014 110\n400\t400 St.\t4S3\t\u2014 83\n500\t250 St.\t475\t+ 25\n500\t250 St.\t535\t\u2014 35\n500\t200 Z.\t623\t\u2014 123\n500\t200 St.\t712\t\u2014 212\n800\t450 St.\t436\t+ 364\n800\t250 St.\t745\t+ 55\nW\u00e4hrend mein 35 Kilo schwerer Hund von reinem Fleisch bei einem durch Hunger sehr herabgekommenen Zustande mindestens 500 Grm. Fleisch zur Erhaltung des Eiweisses im K\u00f6rper noting hatte, ferner bei gleichzeitiger Fettaufnahme im Minimum 350 Grm. Fleisch verbrauchte, musste er zu dem gleichen Zwecke bei einem guten Ern\u00e4hrungsstande eben 500 Grm. Fleisch mit viel Kohlehydraten aufnehmen. \u2014\nB) Verhalten der Fettzersetzung.\nNach der Betrachtung des Einflusses der Kohlehydrate auf den Eiweissumsatz muss jetzt noch untersucht werden, wie sich dabei der Verbrauch der Kohlehydrate gestaltet, wie dieselben sich in Beziehung der Verh\u00fctung des Fettverlustes vom K\u00f6rper stellen, ob sie sich hierin qualitativ und quantitativ ebenso wie das Fett verhalten","page":144},{"file":"p0145.txt","language":"de","ocr_de":"Stoffverbrauch bei Zufuhr von Kohlehydraten und Fleisch.\n145\nund ob aus ihnen wie aus dem Fett ein Theil unzersetzt im K\u00f6rper z. B. als Fett abgelagert werden kann.\nDie haupts\u00e4chlichsten Resultate der hierauf bez\u00fcglichen Respirationsversuche von Pettenkofer und mir fasse ich in der folgenden Tabelle zusammen:\nNr.\tN\ta h r u n g\t\tAender\t\tun g\tim K\u00f6rper\t\t\tKohlens\u00e4ure\tCi\u2014\t1 c5\tj o -4-3 Ul o 2 c3 m\n\tO ui \u2019o\t-4-3 ci 'o o M\t-4-3 \u25a04-3 o Em\tFleisch zersetzt\tO ui :o *o ^\tKohlehydrat zersetzt\tFett\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\t\tu ta 4 3 CO\tvom K\u00f6rper ab\taus Eiweiss an\t\t\n1\t0\t379 St.\t17\t211\t\u2014 211\t379\t+ 17\t0\t24\t546\t\n2\t0\t608 St.\t22\t193\t\u2014 193\t608\t4- 22\t0\t22\t785\t\u2014\n3\t400\t211 St.\t10\t436\t\u2014 36\t211\t\u2014 10\t\u2014 8\t0\t545\t\u2014\n4\t400\t227 Z.\t0\t393\t+ 7\t227\t0\t\u2014 25\t0\t538\t\u2014\n5\t400\t344 St.\t6\t413\t\u2014 13\t344\t+ 6\t0\t39\t578\t467\n6\t500\t167 St.\t5\t568\t\u2014 68\t167\t+ 5\t0\t20\t416\t275\n7\t500\t182 Z.\t0\t537\t\u2014 37\t182\t0\t0\t16\t444\t255\n8\t500\t167 St.\t6\t530\t\u2014 30\t167\t+ 6\t0\t8\t422\t268\n9\t800\t379 St.\t14\t608\t4-192\t379\t+ 14\t0\t55\t664\t\u2014\n10\t1500\t172 St.\t4\t1475\t+ 25\t172\t+ 4\t0\t43\t679\t561\n11\t1800\t379 St.\t10\t1469\t+ 331\t379\t+ 10\t0\t112\tS41\t\u2014\nEs ist nach diesen Versuchen sicher, dass die Kohlehydrate im Stande sind, neben der Verminderung der Eiweisszersetzung auch eine solche der Fettzersetzung zu bewirken (Versuch Nr. 3. 4) und den Fettverlust vom K\u00f6rper ganz zu verh\u00fcten (Nr. 6. 7. 8); ja es tritt unter ihrem Einfl\u00fcsse sogar ein Ansatz von Kohlenstoff, wahrscheinlich in der Form von Fett ein (Nr. 1. 2. 5. 9. 10. 11). Die Kohlehydrate haben im K\u00f6rper den n\u00e4mlichen Erfolg auf den Fettverbrauch wie eine gewisse Menge der aus dem Eiweiss abgespaltenen kohlenstoffreichen Materie. In zwei sich direkt folgenden Reihen erhielt unser Hund einmal 1500 Grm. Fleisch, dann 500 Grm. Fleisch mit 167 Gfrm.St\u00e4rkemehl; beide Male wurde im K\u00f6rper Kohlenstoff\n\t5.\trespir. Quotient 90\n\t6.\t110\n\t7.\t126\n\t8.\t115\n\t10.\t89\nMittel\t\t106\nHunger . bei Fleisch\t\t72 7 8\nbei Fleisch\tu. Fett\t85\nAus der hoben Verh\u00e4ltnisszahl geht hervor, dass hier im K\u00f6rper Kohlehydrate zersetzt worden sind; die 100 \u00fcberschreitende Zahl zeigt eine Abgabe von Wasserstoff oder Kohlenwasserstoffen an.\nHandbuch der Physiologie. Bd. VI.\n10","page":145},{"file":"p0146.txt","language":"de","ocr_de":"146 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nzur\u00fcckbehalten und zwar nahezu die gleiche Menge. Die Differenz in der Fleischzersetzung beider Reihen betrug 931 Grm. ; es hatten daher die aus 931 Grm. Fleisch entstandenen Stoffe (= 224 Grm. Trockensubstanz) die gleiche Wirkung wie 167 Grm. St\u00e4rkemehl ausge\u00fcbt.\nDie verschiedenen Kohlehydrate haben in dieser Beziehung die gleiche Wirkung, wenigstens das St\u00e4rkemehl und der Traubenzucker.1 Dies geht aus den Beispielen Nr. 3 und 4, sowie aus den Beispielen Nr. 6. 7 und 8 hervor, bei denen nach nahezu gleicher Aufnahme von St\u00e4rkemehl und Traubenzucker auch die Zersetzung und das Verhalten des Fettes im K\u00f6rper die n\u00e4mlichen waren.\nDie Kohlehydrate sind ferner leicht zersetzlich, jedenfalls wesentlich leichter als das im K\u00f6rper abgelagerte oder aus dem Darm zugef\u00fchrte Fett. Sie werden sicherlich zum gr\u00f6ssten Theile im Lauf von 24 Stunden zerst\u00f6rt und unter Aufnahme von Sauerstoff schliesslich in Kohlens\u00e4ure und Wasser verwandelt; bei dem Fleischfresser geschieht dies wahrscheinlich mit den gr\u00f6ssten Mengen, 'welche das Thier ertragen und resorbiren kann.\nDies zeigt sich schon bei mittleren Gaben von Fleisch, wo von dem zugesetzten Fett ungleich weniger verbrannt wird als von den Kohlehydraten (a. a. O. S. 448 u. 469). Vor Allem geht dies aber aus dem so sehr verschiedenen Erfolge der Zugabe von Fett oder von St\u00e4rkemehl zu einer gr\u00f6sseren Menge von Fleisch hervor, welche den K\u00f6rper eben auf seinem Best\u00e4nde erh\u00e4lt. W\u00e4hrend n\u00e4mlich das Fett (30\u2014150 Grm.) keine Aenderung in der Kohlenstoffausscheidung hervorrief, also stets ganz angesetzt und nicht angegriffen wurde, machte das Kohlehydrat eine erhebliche Steigerung der Ausgabe des Kohlenstoffs (a. a. 0. S. 478 u. 479). Bei der gleichen Zufuhr von Kohlenstoff in 608 Grm. St\u00e4rkemehl und in 350 Grm. Fett ohne weiteren Zusatz kamen im ersten Falle 785 Grm. Kohlens\u00e4ure, im letzteren nur 520 Grm. Kohlens\u00e4ure im Athem zur Ausscheidung, da die Kohlehydrate ganz verbrannt, von dem Fett aber 186 Grm. = 53 % angesetzt wurden.\nEs ist h\u00f6chst unwahrscheinlich, dass die Steigerung der Kohlenstoffabgabe bei Zufuhr von Kohlehydraten von einer Mehrzerlegung des K\u00f6rperfettes herr\u00fchrt und dass dagegen die Kohlehydrate nach Umwandlung in Fett zum Ansatz gelangen, da bei Zusatz von Fett zu viel Fleisch kein Fett oxydirt wird.\nEs sind 200 Grm. St\u00e4rkemehl im Stande den Verlust von Koh-\n1 Pettenkofer u. Voit, Ztsclir. f. Biologie. IX. S. 469. 1873.","page":146},{"file":"p0147.txt","language":"de","ocr_de":"Stoffverbrauch bei Zufuhr von Kohlehydraten und Fleisch.\n147\nlenstoff vom K\u00f6rper, soweit er nicht im zersetzten Eiweiss steckt, zu verh\u00fcten; w\u00fcrden dabei wie sonst heim Hunger 100 Grm. Fett zerst\u00f6rt, so m\u00fcssten aus 200 Grm. Kohlehydrat 100 Grm. Fett hervorgehen, was ganz unm\u00f6glich ist; Alles erkl\u00e4rt sich aber ganz einfach unter der Annahme, dass das Kohlehydrat leichter in einfachere Produkte zerf\u00e4llt als das Fett und letzteres vor der Verbrennung sch\u00fctzt; erst wenn die Kohlehydrate der Nahrung nicht zureichen, wird dann das im K\u00f6rper befindliche Fett angegriffen. Es ist darnach auch wahrscheinlich, dass das von dem Darm aus in die S\u00e4fte gelangte Kohlehydrat leichter verbrannt wird als der aus dem Eiweiss sich abspaltende kohlenstoffreiche Antheil, wenigstens wenn und soweit er aus Fett besteht.\nIn den Reihen mit mittleren Gaben von Fleisch und Kohlehydraten (Nr. 3. 4. 6. 7. 8) stimmt die Kohlenstoffausgabe nahezu mit der Kohlenstoffeinnahme \u00fcberein. Bei Nr. 3 und 4 (400 Grm. Fleisch mit 211 Grm. St\u00e4rkemehl oder 227 Grm. Zucker) geht noch etwas Kohlenstoff vom K\u00f6rper, der wohl nur aus Fett abstammen kann, zu Verlust, so dass dabei sicherlich das leichter zersetzliche Kohlehydrat in 24 Stunden vollst\u00e4ndig zerst\u00f6rt worden ist. Bei Nr. 6. 7. 8. (500 Grm. Fleisch mit 167 Grm. St\u00e4rkemehl oder 182 Grm. Zucker) findet sich allerdings etwas weniger Kohlenstoff in den Ausscheidungen als in der Zufuhr, so dass etwas Kohlenstoff im K\u00f6rper aufgespeichert worden ist, welcher entweder vom zersetzten Eiweiss nach Abspaltung der stickstoffhaltigen Produkte oder vom Kohlehydrat herr\u00fchrt. Die so angesetzte Kohlenstoffmenge ist jedoch hier nicht betr\u00e4chtlich, wesshalb ich eine n\u00e4here Er\u00f6rterung und Entscheidung auf die folgenden F\u00e4lle versp\u00fcre, bei denen der Ansatz von Kohlenstoff gr\u00f6sser ist.\nDies letztere ist vorz\u00fcglich der Fall in den Reihen Nr. 1.2.5.9.10 und 11. Eine n\u00e4here Berechnung und Betrachtung derselben ergiebt:\nXr.\tNah\t1. rung\t2. Fehlender C in Fett ausgedr\u00fcckt\t3. Aus St\u00e4rke m\u00fcsste Fett werden in o/o\t4. Aus zersetztem tr. Fleisch m\u00fcsste Fett werden, in o/0\t5. Aus zersetztem Eiweiss m\u00fcsste Fett werden in \u00b0/o\t6. Das zersetzte Eiweiss liefert Fett\n\tFleisch\tKohlehydrat\t\t\t\t\t\n1\t0\t379\t24\t7\t47\t52\t24\n2\t. 0\t608\t22\t4\t47\t51\t22\n5\t400\t344\t39\t11\t39\t43\t45\n9\t800\t379\t55\t15\t37\t41\t67\n10\t1500\t172\t43\t25\t12\t13\t162\n11\t1800\t379\t112\t30\t31\t35\t162\n1 Unter der Annahme, dass aus dem Eiweiss 51.4% Fett hervorgehen k\u00f6nnen.\n10*","page":147},{"file":"p0148.txt","language":"de","ocr_de":"148 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nEs ist nicht denkbar, dass der t\u00e4glich fehlende Kohlenstoff im Leibe des Thiers in Zucker oder Glykogen oder Milchs\u00e4ure abgelagert worden ist, da dasselbe w\u00e4hrend l\u00e4ngerer Zeit das Kohlehydrat erhielt und schon in den ersten Tagen die S\u00e4ttigung des K\u00f6rpers mit diesen Substanzen eintreten musste. Der angesetzte Kohlenstoff kann nur in Fett zur\u00fcckbehalten worden sein, welches ja auch erfahrungsgem\u00e4ss unter dem Einfl\u00fcsse der Kohlehydrate angesetzt wird. Aber aus welchem Material bildet sich hier das Fett, aus den Zerfallprodukten des Ehveisses oder des Zuckers?\nNach der C\u00f6lumne 3 und 4 vorstehender Tabelle m\u00fcssten, um das abgelagerte Fett zu erzeugen, aus dem zersetzten trocknen Fleisch 12\u201447%, aus dem zersetzten St\u00e4rkemehl 4\u201430% Fett sich bilden. Da nun auch bei Aufnahme von reinem Fleisch ohne Kohlehydrate ein Ansatz von Kohlenstoff erfolgt und zwar auf Fett umgerechnet 29\u201458 Grm. :\nFleisch verzehrt\tF ettansatz\tAus zersetztem tr. Fleisch m\u00fcsste Fett werden in %\n1500\t29\t8\n2000\t58\t12\n2500\t57\t8\nso kann auf jeden Fall ein Tlieil des Kohlenstoffansatzes bei gleichzeitiger Verabreichung von Kohlehydraten auf Kosten des zersetzten Eiweisses geschehen.\nEs ist aber die Frage, ob man dabei den gesammten Kohlenstoffansatz aus dem Eiweiss ableiten darf oder ob man daf\u00fcr auch den Zucker herbeiziehen muss. Nehmen wir einstweilen mit Henne-berd 1 an, dass im \u00e4ussersten Falle aus dem Eiweiss 51.4% Fett hervorgehen k\u00f6nnen, so wird man f\u00fcr die vorliegenden Versuche am Fleischfresser das angesetzte Fett aus dem Eiweiss sich abspalten lassen d\u00fcrfen, wenn jene Maximalzahl (51.4%) nicht \u00fcberschritten wird. Diese Zahl wird nun in den Versuchen Nr. 5. 9. 10 und 11 nach der Columne 5 nicht erreicht, nach welcher sich dabei aus dem Eiweiss nur 13\u201443% Fett bilden m\u00fcssen; nur in den Versuchen 1 und 2, bei Aufnahme der gr\u00f6sstm\u00f6glichen St\u00e4rkemehlmengen ohne Zugabe von Fleisch finden sich die Zahlen 51 und 52%. Wir sind damit allerdings bis nahe an die Grenze gekommen, aber sie ist nicht \u00fcberschritten und es ist daher immerhin noch die Annahme gestattet, dass alles hier angesetzte Fett aus dem Eiweiss hervor-\n1 Henneberg, Lanclw. Versuchsstationen. X. S. 437. 136S; Neue Beitr\u00e4ge etc. S. 45. 1872.","page":148},{"file":"p0149.txt","language":"de","ocr_de":"Stoffverbrauch bei Zufuhr von Kohlehydraten und Fleisch.\n149\ngeht, wenn die Zahl von Henneberg eine m\u00f6gliche ist. Jedenfalls ist so viel sicher, dass sich aus dem Eiweiss Fett abspaltet und dass der gr\u00f6sste Theil des in obigen Versuchen bei Aufnahme von Kohlehydraten abgelagerten Fettes aus dem Eiweiss abzuleiten ist.\nDass das Eiweiss einen Antheil au jener Fettablagerung hat, beweist auch die aus unseren Zahlen hervorgehende Beobachtung, wornach die Gr\u00f6sse des Eiweisszerfalls von bestimmendem Einfluss f\u00fcr die Gr\u00f6sse des Fettansatzes ist und durchaus nicht die Kohlehydratzufuhr. Der absolute Fettansatz steht vielmehr in unverkennbarer Beziehung zur Menge des zersetzten Eiweisses und nicht zu der Quantit\u00e4t der aufgenommenen Kohlehydrate, wie folgende Zusammenstellung darthut :\n\tFleisch- verbrauch\tKohlehydrate\tFett am K\u00f6rper\t\n1\t211\t37S\t+\t24\n2\t193\t60S\t+\t22\n3\t436\t211\t\t8\n5\t413\t344\t+\t39\n6\t56S\t167\t+\t20\n9\t60S\t379\t+\t55\n10\t1475\t172\t+\t43\n11\t1469\t60S\t+\t112\nW\u00e4hrend bei ausschliesslicher F\u00fctterung mit 350 Grm. Fett 53% davon zum Ansatz gelangten, blieb nach Zufuhr von 608 Grm. St\u00e4rkemehl nur eine 22 Grm. Fett entsprechende Kohlenstoffmenge im K\u00f6rper zur\u00fcck. W\u00fcrde also dieses Fett aus dem St\u00e4rkemehl hervorgegangen sein, so w\u00e4ren aus letzterem nur etwa 5 % Fett entstanden und es w\u00e4re somit dasselbe in dieser Beziehung mindestens 13 mal weniger wirksam wie das Fett. Diese geringe Wirkung grosser Massen von Kohlehydrat erkl\u00e4rt sich nur aus dem geringen gleichzeitigen Eiweisszerfall. Die Kohlenstoffablagerung nimmt aber zu, sobald mehr Eiweiss gegeben wird. Bei gleichen Quantit\u00e4ten der Kohlehydrate (in Nr. 1. 5. 9 und 11 sowie in Nr. 6 und 10) ist der Fettansatz nahezu proportional dem Eiweissverbrauch: nach Aufnahme von 1800 Grm. Fleisch und 379 Grm. St\u00e4rkemehl war der Fettansatz f\u00fcnfmal gr\u00f6sser als nach Aufnahme der n\u00e4mlichen St\u00e4rkemenge ohne Fleisch, was nach der Anschauung der Erzeugung des Fettes aus Kohlehydraten gar nicht zu verstehen ist, wohl aber wenn das Fett aus dem Eiweiss sich bildet, das dabei in siebenmal gr\u00f6sserer Quantit\u00e4t zersetzt wird.\nDie Kohlehydrate zeigen allerdings auch eine Wirkung auf die","page":149},{"file":"p0150.txt","language":"de","ocr_de":"150 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nFettablagerung7 indem bei gr\u00f6sseren Mengen derselben mehr Kohlenstoff oder Fett angesetzt wird (wie in Nr. 3 und 5 oder in Nr. 10 und 11); dies tritt aber nur dann ein, wenn gen\u00fcgend Eiweiss zersetzt wird, also nicht beim Eiweisshunger (in Nr. 1 und 2), wo eine Steigerung der Kohlehydratgabe keine weitere Steigerung des Fettansatzes nach sich zieht, ein Zeichen, dass das Kohlehydrat nicht das Material f\u00fcr das Fett lieferte. Spaltet sich aus dem Eiweiss ein kohlenstoffreicher Antheil oder Fett ab, dann muss derselbe sich geradeso wie das Fett der Nahrung verhalten und durch den leicht zersetzlichen Zucker vor dem Zerfall besch\u00fctzt werden und zur Ablagerung kommen. Es ist daher f\u00fcr jede Eiweissmenge ein bestimmtes Kohlehydratquantum erforderlich, um alles aus ersterer entstandene Fett zum Ansatz zu bringen; dieser \u00e4usserste Fall muss eintreten bei ausschliesslicher Darreichung sehr grosser Kohlehydratmengen, wobei nur wenig Eiweiss zerst\u00f6rt wird.\nDie Resultate der Versuche mit Kohlehydratf\u00fctterung am Fleischfresser lassen sich deuten unter der Annahme, dass die Kohlehydrate stets ganz zu Kohlens\u00e4ure und Wasser verbrannt werden und dadurch das aus dem Eiweiss abgetrennte Fett sch\u00fctzen ; sie bleiben dagegen v\u00f6llig unverst\u00e4ndlich, wenn man aus den Kohlehydraten Fett hervorgehen l\u00e4sst.\nDamit soll selbstverst\u00e4ndlich nicht gesagt sein, dass unter keinen Umst\u00e4nden im Thier aus den Kohlehydraten Fett gebildet werden kann; es ist die Erzeugung von Fett aus Kohlehydraten nur f\u00fcr die bis jetzt beim Fleischfresser beobachteten F\u00e4lle h\u00f6chst unwahrscheinlich. Weiteres soll bei der n\u00e4heren Betrachtung der Fettbildung im Thierk\u00f6rper dargelegt werden. Obige Auseinandersetzungen waren n\u00f6thig, um die Rolle der Kohlehydrate zur Anschauung zu bringen.\nEs fragt sich endlich noch, in welchen Mengen der Zucker dem Fett in Beziehung der Aufhebung des Fettverlustes vom K\u00f6rper \u00e4quivalent ist d. h. wieviel man Zucker n\u00f6thig hat, um hierin den gleichen Dienst zu thun wie eine gewisse Menge von Fett. Diese wichtige Frage ist bis jetzt noch nicht eingehend untersucht worden; Pettenkofer und ich (a. a. O. S. 441. 448. 469. 534) haben in drei F\u00e4llen gelegentlich darauf R\u00fccksicht genommen. In einem Versuche zersetzten sich statt 100 Fett 142 St\u00e4rkemehl; in zwei weiteren, deren Resultate sicherer sind, f\u00fcr 100 Fett einmal 172, das andere Mal 179 St\u00e4rkemehl; das Mittel aus den beiden letzteren Versuchen gibt ein Verh\u00e4ltniss von 100:175. Das Bedeutungsvolle daran ist die Erkenntniss, dass die beiden Stoffe nicht in denjenigen Mengen oxy-","page":150},{"file":"p0151.txt","language":"de","ocr_de":"Stoffverbrauch bei Zufuhr von Kohlehydraten und Fleisch.\n151\ndirt werden und sich ersetzen, in denen sie Sauerstoff brauchen, um in die Endproducte, Kohlens\u00e4ure und Wasser, \u00fcberzugehen, denn darnach m\u00fcssten bekanntlich 100 Fett in ihren Wirkungen gleich sein 240 St\u00e4rkemehl b\nDie Vorg\u00e4nge bei F\u00fctterung mit Kohlehydraten lassen sich nach diesen Erfahrungen leicht \u00fcbersehen.\nReicht man ausschliesslich Kohlehydrate, so wird etwas weniger Eiweiss zersetzt als beim Hunger, aber der Zerfall desselben nie ganz aufgehoben; jedoch wird die Abgabe von Fett allm\u00e4hlich geringer, bis zuletzt bei einer gewissen Menge des Kohlehydrates kein Fett mehr vom K\u00f6rper abgegeben wird. So weit wirkt auch das aus dem Darm aufgenommene Fett analog den Kohlehydraten ; aber im Nachfolgenden unterscheidet es sich von diesen wesentlich. W\u00e4hrend n\u00e4mlich bei weiterer Vermehrung der Fettzufuhr Fett unver\u00e4ndert zum Ansatz gelangt, ist dies bei den Kohlehydraten nicht der Fall, diese werden vielmehr (wenigstens bei dem Fleischfresser) ganz zerst\u00f6rt und sch\u00fctzen nur das aus dem Eiweiss abgespaltene Fett vor der weiteren Zersetzung. Die gleichen Vorg\u00e4nge finden statt, wenn man zu den Kohlehydraten Eiweiss zugibt, nur wird dabei auch allm\u00e4hlich weniger, schliesslich kein Eiweiss vom K\u00f6rper abgegeben. Durch ihre Eiweiss ersparende Wirkung, welche bedeutender ist als die des Fettes, bringen die Kohlehydrate, ebenso wie die Fette, einen grossen Erfolg hervor, denn man braucht bei Zuf\u00fchrung derselben zur Erhaltung des Eiweissbestandes im Minimum eine ungleich geringere Menge von Eiweiss. Man kann leicht das geringste Quantum von Eiweiss und Kohlehydrat finden, bei dem der K\u00f6rper eben kein Eiweiss und kein Fett mehr einb\u00fcsst. Steigert man bei dieser geringsten Zufuhr von Eiweiss die des Kohlehydrats, so wird Fett angesetzt, aber (beim Fleischfresser) nicht mehr als im Maximum aus dem zersetzten Eiweiss hervorgehen kann. Vermehrt man dagegen bei der geringsten Kohlehydratgabe die Eiweissquan-\n1 Zuntz (Landw. Jahrb. 1879. S. 99) machte gegen diese unsere Resultate Einwendungen und meinte, es werde sicherlich Jedermann sehr gewagt erscheinen, daraus das Yerh\u00e4ltniss, in welchem Fett und St\u00e4rke einander im Organismus ersetzen, ableiten zu wollen. Zwei der Bedenken haben wir selbst schon hervorgehoben; das dritte besteht darin, dass wir in dem einen Versuche vergessen h\u00e4tten, die aus dem zersetzten Eiweiss angesetzten 8 Grm. Fett in Rechnung zu ziehen. Die Richtigkeit dieses Einwandes auch zugegeben, so verringert sich dadurch unsere Zahl 179 auf 166. Es ist vollkommen gleichg\u00fcltig, ob das mittlere Yerh\u00e4ltniss wie 100:175 ist oder wie 100:166. Ich sollte denken, man d\u00fcrfe nur erfreut sein, dass wir jetzt durch unsere Bem\u00fchungen so weit genau das Aequi-valentverh\u00e4ltniss dieser beiden Stoffe in ihrer Wirkung auf die Erhaltung des Fettbestandes im K\u00f6rper kennen, nachdem vorher lange Jahre hindurch vollkommen falsche Anschauungen hier\u00fcber bestanden haben.","page":151},{"file":"p0152.txt","language":"de","ocr_de":"152 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\ntit\u00e4t, so wird mehr Eiweiss zersetzt, aber es gelangt auch Eiweiss und ein Theil des aus dem zersetzten Eiweiss entstandenen Fettes zum Ansatz. L\u00e4sst man endlich bei reichlicher Eiweisszufuhr dem K\u00f6rper viel Kohlehydrate zukommen, so w\u00e4chst die Ablagerung des Eiweisses, besonders aber die des Fettes, jedoch wird auch hier nicht mehr von dem letzteren aufgespeichert als aus dem Eiweiss zu entstehen vermag. \u2014\nNach der Darstellung der Wirkung der haupts\u00e4chlichsten organischen Nahrungsstoffe auf den Stoffverbrauch im Thierk\u00f6rper muss jetzt noch die einer Anzahl anderer Stoffe und Agentien besprochen werden, um alle die Momente zu erfahren, welche auf die Zersetzung im Organismus, und zwar auf die des Eiweisses oder des Fettes, von Einfluss sind.\nVI. Einfluss der Wasserziifuhr auf den Stoffverbraucli.\nReichliche Aufnahme von Wasser bringt unter sonst gleichen Verh\u00e4ltnissen in der Mehrzahl der F\u00e4lle eine gr\u00f6ssere Stickstoffoder Harnstoffausscheidung hervor.\nBidder und Schmidt1 sind zu keinen bestimmten Resultaten hier\u00fcber gekommen; einmal geben sie an, dass Wasseraufnahme beim Hunger die Harnstoffmenge immer etwas steigere, aber nicht durch eine vermehrte Bildung, sondern durch eine erleichterte Transudation desselben ; an einer andern Stelle theilen sie mit, nach Injektion von Wasser in den Magen einer hungernden Katze weniger Harnstoff und eine Verringerung des Eiweissumsatzes gefunden zu haben, was jedoch von einer nach den jetzigen Erfahrungen unstatthaften Vergleichung mit einem andern Thiere herr\u00fchrt.2 3\nBischoff 3 bemerkte, dass beim Menschen, bei gew\u00f6hnlicher nicht genau geregelter Lebensweise, mit einer grossen Wassermenge im Harn auch mehr Harnstoff erscheine ; beim Hunde steigt nach ihm ebenfalls mit der Quantit\u00e4t des aufgenommenen Wassers auch die des Harnstoffs. Die Beobachtungen Bischoff\u2019s tliun aber im Wesentlichen nur dar, dass wenn aus irgend einem Grunde mehr Harnstoff im Harn ausgeschieden wird, zu gleicher Zeit mehr Wasser darin erscheint.\nDie fr\u00fcheren Untersuchungen am Menschen sind kaum beweisend, da bei ihnen die Stickstoff- und Nahrungszufuhr nicht gen\u00fcgend gleich-massig gehalten wurde, der Stickstoffgehalt der Speisen unbekannt wrar, und das LiEBiG\u2019sche Titrirverfahren bei den grossen dabei entleerten\n1\tBidder u. Schmidt, Die Verdauungss\u00e4fte und der Stoffwechsel. S. 312 u. 343.\n1852.\n2\tVoit, Ztschr. f. Biologie. H. S. 335. 1866.\n3\tBischoff, Der Harnstoff als Maass des Stoffwechsels. S. 20 u. 143.1853.","page":152},{"file":"p0153.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Wasserzufuhr auf den Stoftverbrauch.\n153\nHarnmengen keine genauen Resultate giebt. Dahin geh\u00f6ren die Bestimmungen von E. A. Genth Mosler1 2 und Becher3 4.\nGenth fand im Mittel aus 4\u20147 Beobachtungen:\nAufgenommene Fl\u00fcssigkeit\t\tHarnmenge\t\tHarnstoff\t\nWasser getrunken\tim Ganzen\tSchwankungen\tMittel\tSchwankungen\tMittel\n\t1485\t1050\u20141340\t1252\t36.8-44.1\t40.2\n2000\t3485\t2580-3600\t3203\t41.7\u201454.6\t48.9\n4000\t5485\t5200-5660\t5474\t48.6\u201458.3\t54.3\nM\u00f6hler schied f\u00fcr gew\u00f6hnlich 31.2 Grm. Harnstoff aus, bei Zugabe von 1566 Grm. Wasser aber 37.9 Grm. Als Becher 10.85 Liter Wasser trank, erschienen 11 \u201416 Grm. Harnstoff mehr als in der Norm.\nUm mit Sicherheit den Einfluss des Wassers darzuthun, muss man den K\u00f6rper mit einer bestimmten Eiweissmenge in das Stickstoffgleichgewicht bringen, oder bei einem nicht zu fettarmen hungernden Thier abwarten, bis die Stickstoffausscheidung eine gleich-massige geworden ist.\nIch habe zuerst diese Kautelen bei Versuchen am Hunde eingehalten. Es fand sich in einem Falle bei einem Hunde von 28 Kilo Gewicht 1):\nEinnahme\t\tHarnmenge\tHarnstoff\nFleisch\tWasser\t\t\n200\t0\t256\t28.3\n0\t0\t177\t16.7\n230\t0\t250\t28.0\n0\t1957\t742\t21.3\nDer Einfluss des Wassers ist hier ein nicht unbedeutender und betr\u00e4gt etwa 4.6 Grm. Harnstoff, was einer Steigerung von 25 \u00b0o entspricht.\nJ. Forster5 hat in einem Versuche, bei dem er an einem Hunde am 8. Hungertage nach Eintritt der gleichm\u00e4ssigen Stickstoffausschei-\n1\tGenth, Unters, \u00fcber den Einfluss des Wassertrinkens auf den Stoffwechsel. Wiesbaden 1856.\n2\tMosler, Arch. d. Ver. f. wiss. Heilk.III. 1857.\n3\tBecher, Studien \u00fcber Respiration. 2. Abschn. S. 46. 1855.\n4\tVoit, Unters, \u00fcb. d. Einfluss des Kochsalzes. S. 61. 1860.\n5\tForster, Ztschr. f. Biologie. XIV. S. 175. 1878. Hierher geh\u00f6rt auch eine weitere Beobachtung von J. F\u00f6rster (Sitzgsber. d. bayr. Acad. 1875. 3. Juli. S. 212). Spritzte er einem hungernden Hunde von 20 Kilo Gewicht 300 Ccm. einer 25 proc.","page":153},{"file":"p0154.txt","language":"de","ocr_de":"154 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\ndung 3 Liter Wasser in den Magen spritzte, nachstehende Zahlen erhalten, die eine Vermehrung der Harnstoffmenge um etwa 10 Grm. oder um 90 % ergehen.\n\tHarnmenge\tHarnstoff\tChlor\tGesammt- Schwefels\u00e4ure\n3\t260\t17.2\t\t\n4\t226\t15.1\t\u2014\t\u2014\n5\t198\t12.8\t\u2014\t1.263\n6\t177\t12.6\t0.108\t\u2014\n7\t171\t12.1\t0.175\t\u2014\n8\t2010\t22.9\t0.992\t1.563\n9\t385\t14.9\t0.325\t1.109\n10\t343\t18.6\t0.206\t1.602\n11\t255\t18.4\t\u2014\t\u2014\nIch1 habe gezeigt, dass eine st\u00e4rkere Wasseraufnahme nicht unter allen Umst\u00e4nden eine vermehrte Stickstoffausscheidung nach sich zieht, sondern nur dann, wenn dadurch zu gleicher Zeit eine reichlichere Harnentleerung hervorgerufen wird. Dient das aufgenommene Wasser dagegen nur dazu im K\u00f6rper angesetzt zu werden z. B. den durch starke Anstrengung oder hohe Temperatur der Luft herbeigef\u00fchrten Wasserverlust zu decken, dann tritt keine Aenderung in der Harnstoffmenge ein:\nW asser auf\tHarn- menge\tHarnstoff\n0\t190\t17.9\n520\t146\t13.3\n367\t140\t11.6\n1000\t137\t11.2\n500\t150\t12.5\nDie am Fleischfresser gefundene Thatsache, wurde auch f\u00fcr den Pflanzenfresser best\u00e4tigt. Nach einer Steigerung des Wasserconsums um 27% (1L1 Liter) nahm bei f\u00fcnf Versuchen Henneberg\u2019s 2 am Ochsen unter sonst gleichen Umst\u00e4nden und wenig vermehrter Harn-\nTraubenzuckerl\u00f6sung und sp\u00e4ter 350 Ccm. einer 1 proc. Kochsalzl\u00f6sung in die Yen. metatarsea ein, so stieg die Harnstoff\u00e4ussclieidung beide Male von 12 Grm. auf 18 Grm.\n1\tVoit, Ztschr. f. Biologie. IL S. 336. 1866.\n2\tHenneberg, Neue Beitr\u00e4ge etc. S. 395. 1871 ; siehe auch Wolff, Die Ern\u00e4hrung der landw. Nutzthiere. S. 310.1876.","page":154},{"file":"p0155.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Wasserzufulir auf den Stoffverbrauch.\n155\nmenge die Stickstoffabgabe um 7.2 \u00b0/o zu; jeder der Versuche w\u00e4hrte 17 Tage. Nach Stohmann 1 entleerte eine Ziege, welche stets das gleiche Futter erhielt, bei einem mittleren Consum von 3508 Grm. Wasser 28.52 Grm. Stickstoff im Harn, dagegen bei einmaliger Aufnahme von 6150 Grm. Wasser 33.1 Grm., was einer Zunahme von 11 \u00b0/o entspricht.\nAllerdings geben mehrere Forscher an, keine oder nur eine geringe Steigerung der Stickstoffabgabe im Harn nach reichlicher Wasseraufnahme gefunden zu haben.\nSeegen'1 2 3 reichte einem 30 Kilo schweren Hunde w\u00e4hrend 61 Tagen je 1200 Grm. Fleisch mit verschiedenen Quantit\u00e4ten von Trinkwasser (500\u20141800 Grm.) und konnte trotz Schwankungen in der mittleren t\u00e4glichen Harnmenge von 1260\u20142493 Grm. keinen deutlichen Ein-fluss des Wassers bemerken. A. Fraenkel 3 sah beim Hunde eine scheinbar nur geringf\u00fcgige Harnstoffvermehrung unter der Einwirkung des Wassers; jedoch stehen seine Versuchsresultate nicht im Widerspruch mit denen von mir und Forster; in einem Falle fand sich keine Zunahme der Harnstoffmenge, aber auch nur eine geringe der Harnmenge; in den beiden andern F\u00e4llen ist die absolute Harnstoffsteigerung allerdings nicht bedeutend, jedoch kommt es hier auf die procentige an. Ein Hund von 20 Kilo Gewicht zeigte ein Plus von 12 \u00b0/o an Harnstoff, als durch Einspritzen von Wasser mit der Schlundsonde die Harnmenge auf das f\u00fcnffache erh\u00f6ht wurde ; dasselbe Thier gab bei einer 4fachen Harnquantit\u00e4t 6.5 0,o Harnstoff mehr.\nBei dem Versuche von Forster waren die Differenzen in der Quantit\u00e4t des getrunkenen Wassers oder des entleerten Harns viel bedeutender als bei den letzteren Versuchen, weshalb auch die Wirkung eine gr\u00f6ssere war.\nDie Vermehrung der Stickstoff- oder Harnstoffausgabe nach Aufnahme grosser Fl\u00fcssigkeitsmengen, l\u00e4sst sich auf zweierlei Weise deuten. Es k\u00f6nnte sich, wie schon Bidder und Schmidt meinten, um eine Auswaschung des in dem K\u00f6rper angeh\u00e4uften Harnstoffs handeln, oder um eine reichlichere Bildung desselben durch einen verst\u00e4rkten Eiweisszerfall. Bischoff hat der ersteren Anschauung entgegen gehalten, dass der Harn nie mit Harnstoff ges\u00e4ttigt ist und das Wasser desselben l\u00e4ngst ausreicht den Harnstoff auszuziehen. Es w\u00e4re aber immerhin eine vollst\u00e4ndigere Auslaugung durch reich-\n1\tStohmann, Landw. Versuchsstationen. XII. S. 399 ; Ztschr. d. landw. Centralvereins d. Prov. Sachsen. 1870. No. 3 ; Biologische Studien. I. 137. 1873.\n2\tSeeoen, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LXIII. S. 16. 1871.\n3\tFraenkel, Arch. f. pathol. Anat. LXYII. S. 296. 1876, LXXI. S. 117. 1877.","page":155},{"file":"p0156.txt","language":"de","ocr_de":"156 Voit, \u00c0llg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nlichere Wassermengen m\u00f6glich. Meine fr\u00fcher mitgetheilten Beobachtungen (S. 58 u. 59) \u00fcber die v\u00f6llige Entleerung des Harnstoffs in Zeit von 24 Stunden, namentlich bei F\u00fctterung mit Harnstoff und mit Leim stehen der Annahme einer erheblichen Zur\u00fcckhaltung und nachherigen Auswaschung dieses Stoffs entgegen. Es ist nicht m\u00f6glich, dass die von Forster gefundene Vermehrung um etwa 10 Grm. von in den S\u00e4ften zur\u00fcckgehaltenem Harnstoff herr\u00fchrt. Die Chlorverbindungen sind in gr\u00f6sserer Quantit\u00e4t in den S\u00e4ften vorhanden als der Harnstoff, sie m\u00fcssten also doch durch das Wasser in h\u00f6herem Grade ausgewaschen werden als letzterer; und doch steigt bei Forster\u2019s Versuch die Chlorausscheidung trotz der enormen Wassermenge im Harn nur um 0.8 Grm., die Harnstoffausscheidung aber um 10 Grm. Wenn auch wirklich das den K\u00f6rper durchstr\u00f6mende Wasser etwas mehr Harnstoff entf\u00fchren sollte, so muss diese auslaugende Wirkung ihre Grenze mit der Ersch\u00f6pfung des Harnstoffs finden. H. Oppenheim 1 will nun auch dem entsprechend nur durch die ersten Quantit\u00e4ten mehr genossener Fl\u00fcssigkeit bei einem im Stickstoffgleichgewicht befindlichen Menschen die Harnstoffvermehrung erhalten haben; ein Plus von 2 Liter Wasser bewirkt n\u00e4mlich in den n\u00e4chsten 4 Stunden ein Ansteigen der Harnstoffmenge von 7 auf 12 Grm., erneute Wasseraufnahme in der 5. Stunde brachte aber kein weiteres Steigen hervor. Es ist jedoch dadurch eine Auslaugung des Harnstoffs nicht bewiesen und die Wirkung des Wassers auf den Eiweisszerfall nicht ausgeschlossen, denn es k\u00f6nnte ja nach der gr\u00f6sseren Eiweisszersetzung ein Ausgleich durch eine nachfolgende geringere stattfinden. Die Piesultate der Versuche von Henneberg am Rinde, welche auf 17 Tage sich ausdehnten, sind nur durch eine Verst\u00e4rkung des Eiweisszerfalls zu erkl\u00e4ren. Die letztere geht auch aus der gleichzeitigen vermehrten Schwefelausscheidung im Harn bei Forster\u2019s Versuch hervor.\nIch halte daher die gr\u00f6ssere Eiweisszersetzung nach reichlicher Wasserzufuhr f\u00fcr erwiesen, will aber nicht bestreiten, dass in geringem Grade auch eine Aussp\u00fclung von Harnstoff stattfindet. Wie man sich die Mehrzersetzung von Eiweiss erkl\u00e4ren kann, soll sp\u00e4ter er\u00f6rtert werden.\nOb reichliches Wassertrinken auch den Fettverbrauch beeinflusst,\nl Oppenheim, Arch. f. d. ges. Physiol. XXII. S. 49. 1880. \u2014 Auch Jaques Mayer (Centralbl. f. d. med. Wiss. 1880. No. 15) giebt an, bei einem im Stickstoffgleichgewicht befindlichen Hunde nicht immer mit reichlicher Wasserausscheidung eine Steigerung der Stickstoffausscheidung beobachtet zu haben; er nimmt bei einer Vermehrung ebenfalls eine bessere Auslaugung des Harnstoffs aus den S\u00e4ften an.","page":156},{"file":"p0157.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss des Kochsalzes auf den Stoffverbrauch.\n157\nist noch nicht n\u00e4her untersucht ; nur Bidder und Schmidt geben an, keine Aenderung in der Kohlens\u00e4ureausscheidung darnach gesehen zu haben.\nVII. Einfluss einiger Salze auf den StoArerbraucli.\n1. Kochsalz.\nEs ist seit langer Zeit eine ziemlich allgemein unter Aerzten und Landwirthen verbreitete Ansicht, dass eine Zugabe von Kochsalz den Stoffumsatz verst\u00e4rkt: ein Thier, dessen Nahrung man viel Kochsalz zusetzt, soll nicht fett werden.\nEs entscheidet \u00fcber den Einfluss des Kochsalzes auf den Stoffumsatz nicht, wenn man h\u00f6rt, dass die Thiere bei Salzaufnahme mehr Heu verzehren oder mehr Fleisch produciren ; das ist eine Wirkung auf den Appetit und nicht auf die Zersetzungen. Boussingault 1 fand bei Rindern unter der Einwirkung des Salzes einen so geringen Unterschied, dass er dasselbe von keinem Einfluss auf die Gewichtszunahme der Thiere oder auf ihren Fleisch-, Fett- und Milchertrag sein l\u00e4sst, wenn es auch f\u00fcr das Ansehen und die Beschaffenheit der Thiere entschieden eine g\u00fcnstige Wirkung zeigte.\nNach Baeral1 2 3 bef\u00f6rdert das Salz bei Hammeln die M\u00e4stung, indem bei gleichem Futter eine gr\u00f6ssere Gewichtszunahme erfolgt. Es h\u00e4tte daher entweder durch das Salz die Zersetzung eine geringere werden oder mehr Substanz aus dem Darm zur Resorption gelangen m\u00fcssen ; da nun nach Baeral letzteres nicht der Fall war, aber nach Kochsalzgenuss sich im Harn mehr Harnstoff fand, so m\u00fcsste der Verbrauch der stickstoffhaltigen Stoffe im K\u00f6rper zugenommen haben. Es ist daher sicherlich die eine der Angaben Barral\u2019s unrichtig.\nEingehende Versuche \u00fcber den Einfluss des Kochsalzes auf die Harnstoffausscheidung hat zuerst Tu. Bischoff 3 am Hunde bei F\u00fctterung mit 500 Grm. Fleisch angestellt. Er fand nun allerdings beide Male eine geringe Vermehrung des Harnstoffs (von 22.8 auf 26.5 Grm.); aber da das Thier sich nicht im Stickstoffgleichgewicht befand und die Harnstoffausscheidung h\u00f6chst unregelm\u00e4ssig war, so ist ein bestimmter Entscheid nicht m\u00f6glich.\nAuch Kaupp4 will beim Menschen durch Salzzugabe eine Vermehrung der Harnstoffmenge unter ziemlichen Schwankungen der Einzelzahlen im Mittel von 34 Grm. auf 36 Grm. gefunden haben; ich halte es jedoch bei der fr\u00fcher \u00fcblichen Art der Anstellung solcher Versuche am Menschen f\u00fcr unm\u00f6glich, die Speisen in ihrem Stickstoffgehalte so gleich zu halten, um mittlere Schwankungen von 1\u20142 Grm. Harnstoff auszuschliessen.\n1\tBoussingault, Ann. d. chim. etphys. (3) XIX. p. 117, XX. p. 113, XXII. 116.\n2\tBaeral, Statique chimique des animaux, p. 397. 439. 1850.\n3\tBischoff, Der Harnstoff als Maass des Stoffwechsels. S. 1 11. 1853; Ann. d. Chem. u. Pharm. K. R. XII. S. 109. 1853.\n4\tKaupp. Arch. f. physiol. Heilk. 1855. Jahrg. 14. S. 385.","page":157},{"file":"p0158.txt","language":"de","ocr_de":"158 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im tbier. Organismus etc.\nUm eine richtige Antwort auf die gestellte Frage zu erhalten, muss man den K\u00f6rper des Thiers auch hier wieder vorerst in das Stickstoffgleichgewicht bringen und zwar mit gr\u00f6sseren Mengen reinen Fleischs, das nur Spuren von Kochsalz in den Harn sendet, wobei jegliche Aenderung des Eiweissverbrauchs deutlich sichtbar ist.\nIch1 habe in einer 49 t\u00e4gigen F\u00fctterungsreihe mit 1500 Grm. Fleisch bei Zusatz von 0 bis 20 Grm. Kochsalz folgende mittlere Werthe erhalten:\nKochsalz\tHarnstoff\nauf\t\n0\t107.4\n5\t109.5\n10\t110.9\n20\t112.8\nEs steigt demnach offenbar mit der Kochsalzmenge die Menge des Harnstoffs; diese Steigerung ist jedoch nicht betr\u00e4chtlich, sie betr\u00e4gt nur gegen 5 %. Sp\u00e4ter hat Dehn '2 3 nach Aufnahme von 2 Grm. Chlorkalium an sich ebenfalls eine Harnstoffvermehrung (um 4 Grm). nachgewiesen ; ebenso fand Weiske 3 an Hammeln bei wachsender Kochsalzzufuhr eine Mehrausscheidung von Stickstoff im Harn.\nBischoff war nach seiner ersten Mittheilung geneigt, die Vermehrung von einem verst\u00e4rkten Umsatz an Eiweiss abzuleiten; sp\u00e4ter jedoch dachte er an eine Verminderung des von ihm stets beobachteten Deficits an Stickstoff in den Exkreten, und glaubte er den Grund hierf\u00fcr in der durch das Kochsalz bedingten vermehrten Wasseraufnahme und der rascheren Entfernung des Harnstoffs suchen zu m\u00fcssen. Diese letztere Erkl\u00e4rung kann aber nicht richtig sein, da das angenommene Deficit nicht existirt und mein Hund ohne Kochsalz ebensoviel Stickstoff im Harn und Koth ausschied als er im Fleisch erhielt.\nEs k\u00f6nnte sich aber hier m\u00f6glicher Weise um eine Aussp\u00fclung des im K\u00f6rper aufgespeicherten Harnstoffs handeln, da nach Kochsalzaufnahme mehr Harn entleert wird. Eine solche St\u00f6rung der Harnstoffausscheidung durch das Kochsalz nimmt z. B. Salkowski 4 5 an und zwar nach einigen von Feder 5 an Hunden erhaltenen Resultaten. Derselbe fand n\u00e4mlich in zwei F\u00e4llen (3 und 4), bei denen er nur an einem Tage das Salz reichte, allerdings an diesem Tage\n1\tVoit, Untersuchungen \u00fcb. d. Einfluss des Kochsalzes etc. S. 29\u201466. I860.\n2\tDehn, Arch. f. d. ges. Physiol. XIII. S. 367. 1876.\n3\t\"Weiske, Journ. f. Landw. 1874. S. 370.\n4\tSalkowski, Ztschr. f. physiol. Chem. IL S. 395. 1878.\n5\tFeder, Ztschr. f. Biol. XIII. S. 278. 1877, XIV. S. 168. 187. 188. 1878.","page":158},{"file":"p0159.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss des Kochsalzes auf den Stoffverbrauch.\n159\neine Vermehrung der Harnstoffausscheidung, den Tag darauf aber eine ebenso grosse Verminderung derselben. Er erhielt n\u00e4mlich:\nKochsalz\tHarnmenge\tHarnstoff\n1. 0\t125\t9.3\n20\t480\t13.1\n2. 0\t985\t43.9\n10\t1343\t47.4\n3.\t0\t243\t24.7\n15\t572\t27.4\n0\t183\t19.4\n0\t234\t24.4\n4.\t0\t890\t83.2\n15\t1022\t86.2\n0\t720\t79.3\nEs verdient allerdings das Verhalten bei einer einmaligen Gabe von Kochsalz eine n\u00e4here Pr\u00fcfung, jedoch ist es nicht m\u00f6glich, dass die Harnstoffvermehrung bei meiner 49 t\u00e4gigen Reihe auf einer Auswaschung beruht, da es sich dabei im Ganzen um eine Mehrausscheidung von 105 Grm. Harnstoff handelt. Es bleibt daher hier nichts anderes \u00fcbrig, als eine geringe Steigerung des Eiweissumsatzes durch das Kochsalz anzunehmen.\nNach meinem Versuche ist es auf den ersten Blick ersichtlich, dass dieser gr\u00f6ssere Eiweissverbrauch mit einer vermehrten Wasserausscheidung im Harn zusammenh\u00e4ngt und die Ursache desselben die gleiche ist wie bei reichlicher Wasseraufnahme. Bei einer Steigerung in der Harnmenge um 349 Grm. durch 20 Grm. Kochsalz wurden 5.4 Grm. Harnstoff mehr entfernt; bei einer Steigerung desselben um 565 Grm. durch reichliche Wasseraufnahme erschienen 4.6 Grm. Harnstoff mehr. Das Gleiche hat Weiske bemerkt; bei seinen H\u00e4mmein stieg mit der Salzzufuhr die freiwillige Wasseraufnahme und damit der Eiweissumsatz, aber nur wenn zugleich auch die Harnmenge zunahm.\nNach Salzaufnahme trank der Hund, welchem Wasser nach Be-d\u00fcrfniss zur Verf\u00fcgung stand, mehr Wasser als ohne Zugabe von Kochsalz; es ist dies eine Erfahrung, welche unz\u00e4hlige Male im gew\u00f6hnlichen Leben gemacht wird. Boussingault hat das Gleiche bei Stieren, Barral bei H\u00e4mmein dargethan. Mein Hund, der im verzehrten Fleisch t\u00e4glich 1139 Grm. Wasser aufnahm, gab im Mittel folgende Werthe:","page":159},{"file":"p0160.txt","language":"de","ocr_de":"160 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\n\tI\t\tII\t\nKochsalz\tWasser\tW asser\tWasser\tWasser\nauf\tauf\tim Harn\tauf\tim Harn\n0\t107\t935\t0\t' \"\tI 828\n5\t232\t948\t0\t898\n10\t352\t1042\t0\t987\n20\t665\t1284\t0\t1124\nDas Thier schied also mit steigender Salzgabe mehr Wasser im Harn aus, wie es schon Barral f\u00fcr den Hammel nachgewiesen hatte. Man k\u00f6nnte nun glauben, dass der durch das Salz durstig gewordene Hund mehr Wasser getrunken und deshalb das im Ueberfluss aufgenommene Wasser im Harn wieder entleert habe, wodurch dann, wie durch jede reichliche Wasseraufnahme; mehr Harnstoff erzeugt worden sei. Es erscheint aber auch dann, wenn man dem Thier kein Wasser yorsetzt, mit der Kochsalzsteigerung mehr Wasser im Harn (II) und zwar nahezu so viel als bei freiem Wassergenuss (I). Es wird also nicht wegen des Wassertrinkens mehr Harn entleert, sondern das Kochsalz hat die eigenth\u00fcmliche Wirkung mehr Wasser in den Harn zu ziehen, wie es jeder Stoff thut, der im Harn entfernt wird, z. B. der Harnstoff, der Zucker u. s. w. Das Kochsalz ist unter diesen Umst\u00e4nden ein Diureticum. Wird schon ohne Kochsalzzufuhr so viel Fl\u00fcssigkeit aufgenommen als n\u00f6thig ist, das Salz zur Ausscheidung zu bringen, so ruft dasselbe auch keine Harnver-mekrung hervor; auf diese Weise erkl\u00e4ren sich die widersprechenden Beobachtungen von W. Kaupp 1 und Falck2, nach denen eine Steigerung der Kochsalzzufuhr beim Menschen eher von einer Minderung des Harnvolumens begleitet war.\nBis jetzt ist nur die Aenderung des Eiweissumsatzes durch das Kochsalz untersucht worden; ob dasselbe auch auf den Fettzerfall einwirkt, ist noch nicht bekannt.\nIn der gleichen Weise wie das Kochsalz bewirken alle jene Salze eine geringe Steigerung des Eiweisszerfalls, welche unver\u00e4ndert oder ver\u00e4ndert in den Harn \u00fcbergehen und auf diese Weise mehr Harn zur Absonderung bringen.\n2. Glaubersalz.\nJ. Seegen3 hatte fr\u00fcher gemeint, es werde bei Hunden durch kleine Gaben von Glaubersalz (2 Grm.) der Umsatz der Stickstoff -\n1\tW. Kaupp, Arch. f. physiol. Heilk. 1855. S. 3S5.\n2\tFalck, Haudb. d. Arzneimittellehre. I. S. 129. 1850.\n3\tJ. Seegen, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XL1X. 1864.","page":160},{"file":"p0161.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss des Glaubersalzes und Salmiaks auf den Stoffverbrauch.\n161\nhaltigen Stoffe ansehnlich (bis zu 24 \u00b0/o) herabgesetzt. Die Thiere l)efanden sieh aber dabei nicht im Stickstoffgleichgewicht, so dass eine Aenderung des Eiweissverbrauchs unter dem Einfl\u00fcsse des Glaubersalzes nicht zu erkennen war; ferner wurde bei ihnen nicht am Ende jedes Versuch stags die Harnblase v\u00f6llig entleert.\nIch1 habe Hunden zu gr\u00f6sseren Quantit\u00e4ten reinen Fleischs (1500 Grm.), sowie zu kleineren Gaben von Fleisch unter Zusatz von Fett (500 Grm. Fleisch mit 100 Grm. Fett) nach eingetretenem Stickstoffgleichgewicht 3 Grm. Glaubersalz gegeben und keine Aenderung in der Stickstoffausscheidung gefunden. Ich erhielt im Tag im Mittel:\n\tJS der Einnahmen\tN der Ansgaben\tWasser auf\tWasser im Harn\n1. ohne Salz\t51.0\t51.2\t394\t1261\nmit Salz\t51.0\t51.1\t342\t1335\n2. ohne Salz\t17.0\t16.7\t109\t403\nmit Salz\t17.0\t16.7\t194\t436\nDie Gabe von 3 Grm. Glaubersalz ist so gering, dass sie kaum eine Aenderung der Wasserausscheidung im Harn hervorbringt und daher auch den Stickstoffgehalt desselben nicht beeinflusst. Es ist nicht zu zweifeln, dass bei gr\u00f6sserer Dosis wie durch das Kochsalz die Eiweisszersetzung gesteigert wird.\n3. Salmiak.\nRabuteau2 erw\u00e4hnt zuerst, eine Vermehrung der Stickstoffausscheidung im Harn (3 Grm. Harnstoff) und der Eiweisszersetzung beim Menschen durch 5 Grm. Salmiak, w\u00e4hrend m\u00f6glichst (?) gleickm\u00e4ssi-ger Nahrungs- und Lebensweise, erhalten zu haben.\nGenauere Versuche hier\u00fcber hat vorz\u00fcglich Feder3 an Hunden angestellt. Dieselben zeigten beim Hunger und bei F\u00fctterung mit Fleisch und Fett nach Aufnahme von Salmiak eine reichlichere Harnmenge und eine nicht unbetr\u00e4chtliche Vermehrung der Harnstoffausscheidung (nach Bunsen bestimmt). Man kann zwar daraus noch nicht ohne Weiteres auf eine Vermehrung des Eiweissumsatzes unter diesem Einfl\u00fcsse schliessen, weil das Ammoniak des Salmiaks m\u00f6g-\n1\tVoit, Ztschr. f. Biol. I. S. 195. 1865.\n2\tRabuteau, Union m\u00e9dicale. 1871. No. 65. p. 325.\n3\tFeder, Sitzgsber. d. bayr. xAcad. Math.-physik. CI. 1876. 4. M\u00e4rz; Ztschr. f. Biol. XIII. S. 256. 1877, XIY. S. 161. 1878.\nHandbuch der Physiologie. Bd. VL\n11","page":161},{"file":"p0162.txt","language":"de","ocr_de":"162 Voit, All g. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nlicherweise in Harnstoff \u00fcbergehen kann. Da aber von Feder das Ammoniak des Salmiaks im Harn wieder aufgefunden und zu gleicher Zeit eine erh\u00f6hte Schwefels\u00e4ureausscheidung in letzterem nachgewiesen wurde, so ist dabei mit Sicherheit eine Steigerung des Ei-weisszerfalls constatirt. Der Salmiak verh\u00e4lt sich demnach in dieser Beziehung genau wie das Kochsalz.\nKnieriem 1 hatte schon in seinem ersten, am Hunde angestellten Versuche mit Salmiak angegeben, dass derselbe in gr\u00f6sseren Dosen den Eiweissumsatz sehr beschleunigt; sp\u00e4ter fand er die n\u00e4mliche Wirkung bei H\u00fchnern in noch h\u00f6herem Grade. Nach einer vorl\u00e4ufigen Mittheilung Salkowski\u2019s 2 soll beim Hunde ein kleiner Theil des nach Salmiak in gr\u00f6sserer Menge ausgeschiedenen Harnstoffs auf vermehrten Eiweisszerfall kommen ; in weiteren Untersuchungen zeigte sich die Eiweisszersetzung durch Salmiakzufuhr unzweifelhaft gesteigert. Ebenso geben Munk 3 f\u00fcr den Hund und Adamkiewicz 4 f\u00fcr den Menschen den vermehrten Eiweissverbrauch nach Einnahme von Salmiak an.\n4. Kohlensaures Natron.\nMan dachte sich fr\u00fcher, dass durch die Alkalescenz des Blutes die Oxydationen im Organismus erm\u00f6glicht w\u00fcrden. Aus diesem Grunde liess Liebig die Pflanzens\u00e4uren unver\u00e4ndert den K\u00f6rper wieder verlassen, die pflanzensauren Alkalien aber zu kohlensauren Salzen verbrennen; darum meinte ferner auch Mialhe, die Alkalien bewirkten eine Vermehrung der Kohlens\u00e4ure- und Harnstoffabgabe.\nDie Versuche haben jedoch diese Meinung nicht bewahrheitet; die Resultate derselben sind allerdings sehr verschiedenartig ausgefallen, da bei den meisten unrichtige Methoden angewandt wurden.\nM\u00fcnch 5 will am Menschen, deren Di\u00e4t geregelt war, nach Einnahme von 3\u20149 Grm. kohlensaurem Natron keine beacktenswerthe Ver\u00e4nderung der Harnstoffmenge trotz Vermehrung der Harnsecretion gesehen haben. Ebenso konnte L. Severin1 2 3 4 5 6 nicht mit Sicherheit eine Steigerung der Harnstoffausscheidung nach Gebrauch von 2\u20144 Grm. des Salzes wahrnehmen. H\u00f6chst wahrscheinlich vermehrt das kohlen-\n1\tKnieriem, Ztsclir. f. Biol. X. S. 269. 1874, XIII. S. 36. 1877.\n2\tSalkowski, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1875. No. 5S. S.913; Ztscbr. f. physiol. Chem. I. S. 47. 48. 50. 1877.\n3\tMunk, Ztschr. f. physiol. Chem. II. S. 45. 1878.\n4\tAdamkiewicz, Arch. f. pathol. Anat. LXXYI. 1879.\n5\tM\u00fcnch, Arch. d. Ver. f. gern. Arb. VI. S. 369.\n6\tSeverin, lieber die Einwirkung des kohlensauren Natrons etc. Diss. inaug. Marburg 1868.","page":162},{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss des kohlensauren Natrons u. Ammoniaks auf den Stoffverbrauch. 163\nsaure Natron in kleinen Gaben wie das Kochsalz etwas die Zersetzung des Eiweisses.\nSeegen j erhielt bei einem Hunde, den er in zwei langen Versuchsreihen mit Fleisch ohne und mit Zusatz von kohlensaurem Natron (1\u20142 Grm.) gef\u00fcttert hatte, die auffallendsten Schwankungen in den Harnstoffzahlen; er kam dadurch zum Schluss, dass es ausser dem Harn und Koth noch andere Abscheidungswege f\u00fcr den Stickstoff gebe und dass unter verschiedenen Bedingungen die Ausscheidung der stickstoffhaltigen Umsatzprodukte auf dem einen oder andern dieser Wege sehr wechselnd sei. Die Angaben Seegen\u2019s beruhen, wie ich 1 2 3 nachgewiesen habe, auf Versuchsfehlern: er hat vor Allem Harn verloren, da der Hund denselben gr\u00f6sstentheils in den K\u00e4fig entleerte. Kein Beobachter, der die von mir angegebene Methode einhielt, hat solche Dinge wie Seegen gesehen.\nWenn Rabuteau und Constant 3 angeben, durch doppeltkohlensaures Natron oder Kali bei m\u00f6glichst gleichem (?) Regime eine Verminderung des Harnstoffs um 20 % und zwar bei geringerem Appetit und unter N\u00f6thigung zum Essen erhalten zu haben, so r\u00fchrt dies wahrscheinlich, wenn anders im Uebrigen ihr Verfahren ein richtiges war, von einer schlechteren Ausn\u00fctzung der Nahrung im Darm her, und nicht, wie sie meinen, von einer Einschr\u00e4nkung des Oxydationsprocesses in Folge der Aufl\u00f6sung eines Theils der Blutk\u00f6rperchen.\n5.\tKohlensaures Ammoniak.\nBei den vielen Versuchen, welche in letzter Zeit gemacht wurden, den Uebergang von kohlensaurem (oder pflanzensaurem) Ammoniak in Harnstoff\u2019 zu beweisen, wurde auch eine Steigerung der Eiweisszersetzung nachgewiesen; Schr\u00f6der4 * fand z. B. dabei an H\u00fchnern eine Vermehrung der Schwefelausscheidung (um 11\u201412 %), das Gleiche wiesen Feder und E. Voit 5 am Hunde nach einer grossen Gabe von kohlensaurem Ammoniak nach.\n6.\tPhosphorsaures Natron.\nSalkowski6 sah bei einem Hunde von 20 Kilo Gewicht durch eine einmalige Gabe von 20 Grm. phosphorsaurem Natron bei um das\n1\tSeegen, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LY. M\u00e4rz 1867.\n2\tVoit, Ztschr. f. Biol. IY. S. 343. 1868.\n3\tRabuteau u. Constant, Compt. rend. (2) LXXI. p. 231. 1870.\n4\tSchroeder, Ztschr. f. physiol. Chem. II. S. 234. 1 878.\no Feder u. E. Yoit, Ztschr. f. Biol. XYI. S. 191. 18S0.\n6 Salkowski, Ztschr. f. physiol. Chem. I. S. 50. 1877.\n11*","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"164: Voit, \u00c0llg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoff'verbrauch im thier. Organismus etc.\nDoppelte vermehrter Harnmenge die Stickstoff- und Schwefelabgabe im Harn zunehmen und zwar erstere um 7 %, letztere sogar um 40 0,o.\n7.\tSalpeter.\nIn Versuchen an Menschen erhielt Beigel 1 bei knapper Di\u00e4t (im Mittel aus 3 Reihen an 4 Personen) 31.74 Grm. Harnstoff, nach Zusatz von Natronsalpeter 31.48 Grm., nach Zusatz von Kalisalpeter 30.71 Grm. Man hatte offenbar in der damaligen Zeit von diesen antiphlogistischen Arzneimitteln eine starke Depression des Umsatzes erwartet, was sich also wenigstens f\u00fcr den Eiweissverbrauch nicht best\u00e4tigte, soweit die fr\u00fcheren Versuche am Menschen ohne genaue Ber\u00fccksichtigung der Kost beweiskr\u00e4ftig sind. Salkowski2 3 4 gab einem etwa 20 Kilo schweren Hunde 7\u201410 Grm. salpetersaures Natron; die Harnmenge stieg dabei von 190 auf 695 Grm. und der Stickstoff im Harn von 2.373 Grm. auf 2.790 Grm., woraus Salkowski schliesst, dass die starke Steigerung der Diurese nur einen minimalen Einfluss auf die Harnstoffausscheidung hat. Der Einfluss auf die Eiweisszersetzung scheint allerdings nicht gross zu sein, er betr\u00e4gt aber doch 18 % also nicht weniger wie fr\u00fcher f\u00fcr die entsprechende Wirkung grosser Wasser- oder Kochsalzquantit\u00e4ten angegeben wurde.\n8.\tEssig saur es Natron.\nSalkowski und Munk 3 reichten einem Hunde von 20.5 Kilo Gewicht, der sich bei F\u00fctterung mit Fleisch und Speck im Stickstoffgleichgewicht befand, an 5 Tagen je 10 Grm. essigsaures Natron; die Folge war eine Steigerung der Diurese, unter besonders g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden auf das Doppelte der urspr\u00fcnglichen Harnmenge, und eine Vermehrung des Harnstickstoffs im Durchschnitt um 3\u201451,2 \u00b0/o. Das ist die n\u00e4mliche Gr\u00f6sse, welche ich unter gleichen Verh\u00e4ltnissen als Wirkung des Kochsalzes gefunden habe. Salkowski 4 scheint \u00fcbrigens diese Steigerung des Harnstoffs nicht auf einen gr\u00f6sseren Eiweisszerfall, sondern nur auf eine Aussp\u00fclung desselben aus den Geweben zu beziehen.\n9.\tBorax.\n\\\nDer Borax wird schon seit langer Zeit als vortreffliches Des-infectionsmittel gebraucht, um die F\u00e4ulniss hintanzuhalten; er ver-\n1\tBeigel. Nova acta acad. Leopold. XXY. p. 521. 1855.\n2\tSalkowski, Ztschr. f. physiol. Chem. I. S. 46 u. 48. 1877.\n3\tSalkowski 11. Munk, Arch. f. pathol. Anat. LXXI. S. 500. 1877.\n4\tSalkowski, Ztschr. f. physiol. Chem. IL S. 395. 1878.","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss des Salpeter und Borax auf den Stoffverbrauch.\t1G5\nhindert in hohem Maasse die Entwicklung der Spaltpilze, w\u00e4hrend er die Wirkung ungeformter Fermente weniger beeinflusst. Es ist daher von Interesse zu wissen, ob unter seiner Einwirkung die Zer-setzungsprocesse im Organismus sich ver\u00e4ndern oder nicht.\nE. v. Cyon 1 bem\u00fchte sich in sehr verdienstlicherWeise f\u00fcr die Verwendung des Boraxes zur Conservirung des Fleisches im Grossen bei der Volksern\u00e4hrung; er stellte damit Versuche an Hunden an1 2 3, bei denen er auch die Harnstoffausscheidung verfolgte. Als er den Thieren reichliches Futter (Fleisch und Fett) unter Zusatz von Borax gab, nahm er eine starke Gewichtszunahme der Thiere und ein bedeutendes Deficit von Stickstoff wahr, weshalb er dem Salze eine Eiweiss ersparende Wirkung zuschrieb. Doch w\u00fcrde sich wahrscheinlich dasselbe Resultat auch ohne Boraxbeimischung ergeben haben, da die Hunde Cyon\u2019s sehr herabgekommen waren und immer steigende Fleisch- und Fettmengen erhielten.\nM. Gruber 3 pr\u00fcfte den Eiweisszerfall unter dem Einfl\u00fcsse des Borax (10 und 20 Grm.) an grossen Hunden, welche sich mit reinem Fleisch im Stickstoffgleichgewicht befanden ; es ergab sich dabei eine gesteigerte Wasserausscheidung im Harn und eine Vermehrung der Harnstoffmenge. Erstere zeigte bei der grossen Boraxgabe eine Steigerung um etwas \u00fcber 10%, letztere bei 10 Grm. Borax um 2%, bei 20 Grm. Borax um 6 %. Der Borax wirkt also \u00e4hnlich wie eine entsprechende Gabe von Kochsalz. Es l\u00e4sst sich hier auch darthun, dass der Borax wirklich die Eiweisszersetzung vermehrt und nicht blos eine Aussp\u00fclung des Harnstoffs der Gewebe bedingt, denn an den der Boraxaufnahme folgenden Tagen sank die Flarnstoffmenge genau wieder auf den normalen Werth zur\u00fcck und nicht weiter, wie es doch h\u00e4tte sein m\u00fcssen, wenn der ausgewaschene Harnstoff wieder ersetzt worden w\u00e4re.\nIn gleicher Weise wie das Kochsalz und andere Salze eine geringe Vermehrung des Eiweissumsatzes bedingen, werden wohl auch die in den Mineralw\u00e4ssern getrunkenen Stoffe der Art wirken. Es sind zwar viele Untersuchungen am Menschen hier\u00fcber angestellt worden, aber dieselben wurden noch nicht mit denjenigen Cautelen ausgef\u00fchrt, welche nothwendig sind, um eine richtige Antwort auf die gestellte Frage zu bekommen : es ist namentlich nicht die Kost beim Menschen genau gleich gehalten worden. Hierher geh\u00f6ren die Untersuchungen von Mosler \u00fcber die Wirkung des Friedrichshaller Bitterwassers auf den Stoffwechsel, von Beneke\n1\tCyon, Compt. rend. LXXXVII. p. 845. 1878.\n2\tDie Hunde von Cyon verzehrten das Fleisch mit Borax sehr gern und ohne jeglichen Schaden; nach Panum (Nordiskt med. Arkiv. VI. Ho. 12. 1874) ist jedoch der Zusatz von Bors\u00e4ure nicht rathsam und selbst gef\u00e4hrlich ; Hunde wollten das Fleisch nicht fressen oder erbrachen es. Auch einige Hunde Gruber\u2019s verweigerten schon aufs erste Mal oder bei der zweiten Gabe die Aufnahme der mit dem Borax versetzten Nahrung und zeigten Verdauungsst\u00f6rungen.\n3\tGruber, Ztschr. f. Biol. XVI. S. 198. 1 SSO.","page":165},{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"16G Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\n\u00fcber den Kurbrunnen in Nauheim, von Valentin \u00fcber die Stahlquelle Pyrmonts, von Seegen 3 \u00fcber das Karlsbader Mineralwasser u. s. w. Letzterer will z. B. nach dem Gebrauch des Karlsbader Wassers eine wesentliche Verminderung des Harnstoffs und der Eiweisszersetzung am Menschen gefunden haben, und er dachte sich, dass vielleicht dabei die Verbrennung des Fettes und der Kohlehydrate gesteigert und in Folge davon die Umsetzung der stickstoffhaltigen Gewebe beschr\u00e4nkt sei.1 2 Diese Arbeiten sind gewiss mit dem besten Streben gemacht worden, man hat aber damals noch nicht gewusst, auf was man bei Anstellung solcher Versuche zu achten habe. Selbst wenn auch eine kleine Aenderung des Eiweissverbrauchs durch jene W\u00e4sser sicher dargethan w\u00e4re, so werden dieselben doch nicht wegen dieser geringf\u00fcgigen Aenderung des Stoffverbrauchs im K\u00f6rper getrunken, wie man fr\u00fcher sich vorstellte, denn letztere k\u00f6nnte durch alle m\u00f6glichen Einfl\u00fcsse ebenso gut hervorgerufen werden; die Bedeutung des Gebrauchs der W\u00e4sser liegt in einer ganz anderen Richtung.\nTill. Einfluss einiger weiterer organischer und anorganischer Stoffe auf den Umsatz im K\u00f6rper.\nEs soll in diesem Abschnitte \u00fcber die Einwirkung einer Anzahl von Stoffen auf den Umsatz im Thierk\u00f6rper berichtet werden, welche allerdings zum Theil pathologische Erscheinungen im Organismus hervorbringen; die Kenntniss der Ver\u00e4nderungen des Stoffwechsels durch dieselben ist jedoch von Bedeutung zur richtigen Erfassung der Ursachen der Zersetzung.\n1. Glycerin.\nEs ist von Wichtigkeit zu wissen, ob das Glycerin den Verbrauch von stickstoffhaltigen oder stickstofffreien Stoffen im K\u00f6rper beeinflusst oder nicht. Man war fr\u00fcher geneigt dieses Spaltungsprodukt der Fette seiner \u00e4usseren Eigenschaften halber auch in seinen physiologischen Wirkungen den fetten Oelen gleichzustellen, indem man es f\u00fcr ein fettansetzendes Mittel erkl\u00e4rte.\nDie ersten Beobachtungen \u00fcber den Stoffumsatz nach Aufnahme von Glycerin sind von Catillon3 gemacht worden. Er giebt an, dass Menschen bei gleicher Ern\u00e4hrungsweise unter Zugabe von 30 Grm. Glycerin eine sehr ansehnliche Verminderung der Harnstoftausscheidung (von 23.6 Grm. auf 17.4 Grm. im Mittel) zeigten; gr\u00f6ssere Gaben von Glycerin hatten\n1\tSeegen. Wiener med. Woch. 1860. No. 21.\n2\tSiehe eine Kritik dieser Versuche bei Iyratschmer, Sitzgsber. d. Wiener Acacl. 3. Abth. LXVI. October 1872.\n3\tCatillon, Arch, de physiol, norm, etpathol. (2) IV. p. 83. 1877.","page":166},{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"167\nEinfluss des Glycerins auf den Stoffumsatz.\neinen etwas geringeren Einfluss. Dieser vermeintliche geringere Eiweissumsatz ist aber nicht erwiesen, da Catillon nicht einmal die verzehrten Nahrungsmittel gewogen hat; er war daher nicht im Stande die Stickstoffzufuhr gen\u00fcgend gleich zu halten.\nNach den tadellos ausgef\u00fchrten Versuchen von Immanuel Munk1 \u00e4ndert das Glycerin in Dosen von 25\u201430 Grm. bei Hunden von etwa 20 Kilo Gewicht, welche mit Fleisch und Speck im Stickstoffgleichgewicht sich befinden, in keiner Weise den Eiweisszerfall, w\u00e4hrend eine gleiche Menge von Rohrzucker eine Herabsetzung desselben um 7 0,o hervorbringt. Eine Steigerung der Harnausscheidung war nicht constant zu beobachten.\nL. Lewin'2 und Nik. Tschirwinsky3 verabreichten den Thieren gr\u00f6ssere Gaben von Glycerin. Der Erstere reichte einem 28 Kilo schweren Hunde, nachdem er ihn durch F\u00fctterung mit Fleisch und Fett in das Stickstoffgleichgewicht gesetzt hatte, t\u00e4glich 30\u2014200 Grm. Glycerin und beobachtete bei den gr\u00f6sseren Dosen neben einer Vermehrung der Harnmenge eine kleine Erh\u00f6hung der Harnstoffausscheidung. Der Letztere pr\u00fcfte nochmals das Verhalten des Glycerins in Gaben von 100 bis 200 Grm. an einem Hunde von 24 Kilo Gewicht und zwar bei ausschliesslicher F\u00fctterung mit reinem Fleisch, wobei am leichtesten eine Ersparung von Eiweiss wahrzunehmen ist, um den Einwand auszuschliessen, dass durch das Fett bei Lewin\u2019s Versuch schon das m\u00f6gliche Maximum der Eiweissersparung erreicht worden sei; er erhielt aber ebenfalls keine wesentliche Aenderung der Harnstoffmenge trotz der bedeutenden Harnvermehrung bei den gr\u00f6sseren Gaben von Glycerin.\nDas Glycerin \u00fcbt daher auffallender Weise, obwohl es gr\u00f6ssten-theils im K\u00f6rper zersetzt wird, keinen ersparenden Einfluss auf die Gr\u00f6sse der Eiweisszersetzung aus, wie andere stickstofffreie Stoffe, z. B. das Fett oder die Kohlehydrate. Man k\u00f6nnte sich, wie Tschirwinsky es aussprach, denken, dass eine solche Wirkung wohl vorhanden ist, dass sie aber durch eine andere, welche ihrerseits den Eiweisszerfall erh\u00f6ht, indem sie z. B. gr\u00f6ssere Quantit\u00e4ten von Wasser in den Harn \u00fcberf\u00fchrt, \u00fcbercompensirt wird. Letzteres erschien Tschirwinsky namentlich deshalb wahrscheinlich, weil trotz der vermehrten Harnausscheidung bei seinen Versuchen keine gr\u00f6ssere Harnstoffmenge auftrat. Heben sich die beiden Wirkungen eben auf,\n1\tIm. Munk, Verb. d. physiol. Ges. zu Berlin. 1S7S. S. 36 ; Arch. f. pathol. Anat. LXXYI. S. 119. 1879.\n2\tL. Lewin, Ztschr. f. Biologie. XY. S. 243. 1879.\n3\tNik. Tschirwinsky. Ztschr. f. Biol. XY. S. 252. 1879.","page":167},{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"168 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\ndann bleibt die Harnstoffzahl unver\u00e4ndert; es kann aber auch die eine oder andere Wirkung \u00fcberwiegen.\nWenn nun auch das Glycerin den Eiweissumsatz nicht beeinflusst, so bewahrt es doch m\u00f6glicher Weise einen Theil des Fettes im K\u00f6rper vor der Zerst\u00f6rung oder verhindert vielleicht die Fettabgabe vollst\u00e4ndig. Es w\u00fcrde dann in dieser letzteren Richtung einen N\u00e4hrwerth besitzen. Munk1 2 meinte, das Glycerin k\u00f6nne kein Nahrungsstoff sein, da es das Eiweiss nicht sch\u00fctze. Aber die letztere Eigenschaft ist nicht stets mit der anderen statt des Fettes zu verbrennen verkn\u00fcpft, und die Gr\u00f6sse der Eiweissersparniss durch einen stickstofffreien Stoff giebt durchaus keinen Maassstab f\u00fcr die Bedeutung des letzteren bei der Ern\u00e4hrung. Die Kohlehydrate hemmen z. B. die Eiweisszersetzung mehr als die Fette und doch bedeuten 100 Theile Fett f\u00fcr die Erhaltung des K\u00f6rperfettes viel mehr als 100 Theile Kohlehydrat. Grosse Gaben von Fett besitzen ferner einen geringeren Einfluss auf den Eiweissverbrauch als mittlere, ja sie \u00e4ndern unter Umst\u00e4nden denselben gar nicht, obwohl durch sie die Fettabgabe vom K\u00f6rper verh\u00fctet, ja viel Fett angesetzt wird. Gibt man zu den stickstofffreien Substanzen reichlich Kochsalz oder Wasser hinzu, so wird der Eiweisszerfall nicht verringert, aber die Wirkung auf die Fettzersetzung w\u00e4hrt unver\u00e4ndert fort. Die Muskelanstrengung beeinflusst m\u00e4chtig die Zerst\u00f6rung des Fettes, aber kaum die des Eiweisses.\nUm also etwas \u00fcber den Werth des Glycerins f\u00fcr die Ersparung von Fett aussagen zu k\u00f6nnen, muss man die Gesammtkoklen-stoffausscheidung von 24 Stunden unter seinem Einfl\u00fcsse kennen, was bis jetzt nicht der Fall ist. Scheremetjewski 2 hat allerdings nach Einspritzung von 2 Grm. Glycerin in die Blutgef\u00e4sse von Kaninchen eine Vermehrung der Kohlens\u00e4ureabgabe und der Sauerstoffaufnahme w\u00e4hrend einer Stunde gefunden, woraus er schloss, dass dasselbe rasch zerlegt wird. Aber wenn auch das Glycerin dabei ganz verbrennt, so ist damit noch nicht bekannt, ob dadurch das Fett im K\u00f6rper gesch\u00fctzt wird oder nicht. Catillon3 will nach Aufnahme von Glycerin bei hungernden Hunden eine Zunahme des Kohlens\u00e4uregehalts der Ausathemluft bis zu 6\u20147 % bemerkt haben; man vermag aber daraus selbstverst\u00e4ndlich nichts zu entnehmen \u00fcber den Einfluss des Glycerins auf die Fettzersetzung im Organismus.\n1\tMunk, Arch. f. pathol. Anat. LXXX. S. 39. 1880.\n2\tScheremetjewski, Arbeiten aus d. physiol. Anstalt zu Leipzig. 1869. S. 194.\n3\tCatillon, Arch, de physiol, norm, et pathol. V. p. 144. 187S.","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss von Glycerin und Fetts\u00e4uren auf den Stoffumsatz.\n169\n2. Fetts\u00e4uren.\nUeber die Wirkung der Fetts\u00e4uren auf den Eiweisszerfall liegen Versuche von J. Munk1 vor. Er brachte zuerst eine H\u00fcndin von 25 Kilo Gewicht mit 800 Grm. Fleisch und 70 Grm. Fett in das Stickstoffgleichgewicht und f\u00fctterte darauf w\u00e4hrend einiger Tage statt des Fettes die daraus abgespaltenen Fetts\u00e4uren2 3: die letzteren bewirkten die gleiche Ersparniss im Eiweissverbrauch wie die ihneii chemisch \u00e4quivalente Fettmenge. In einem zweiten Falle bekam eine 30 Kilo schwere H\u00fcndin, die sich vorher mit 600 Grm. Fleisch und 100 Grm. Fett auf ihrem Eiweissbestande erhielt, w\u00e4hrend 21 Tagen t\u00e4glich die Fetts\u00e4uren aus 100 Grm. Fett, wodurch sich die Stickstoffausscheidung nicht \u00e4nderte. Den Fetts\u00e4uren kommt also die gleiche Bedeutung als Sparmittel f\u00fcr das Eiweiss zu, wie dem Fett. Es war ein anderes Resultat kaum zu erwarten, da das Glycerin in dem Fett nur einen sehr kleinen Theil, gegen 9 \u00b0/o, ausmacht und es kaum m\u00f6glich sein d\u00fcrfte, selbst wenn das Glycerin in demselben Maasse wie das Fett das Eiweiss sch\u00fctzen w\u00fcrde, einen Unterschied in der Eiweisszersetzung zu finden, ob man 100 oder 91 Grm. Fett reicht.\n3. Alkohol.\nNach fr\u00fcheren Anschauungen soll der Alkohol den Stoffwechsel vermindern und so ein Sparmittel f\u00fcr andere Substanzen sein. Daf\u00fcr schien zu sprechen, dass Menschen, welche sich dem \u00fcberm\u00e4ssigen Gen\u00fcsse von Spirituosen hingeben, in der Regel fett werden, und bei Gesunden und Fiebernden durch gr\u00f6ssere Gaben Alkohols ein Abfall in der K\u00f6rpertemperatur erzielt werden kann. Man dachte sich, der ausserhalb des Organismus so leicht verbrennende Alkohol verbinde sich im Blute rasch mit dem Sauerstoff, wodurch dann die Zersetzung anderer Stoffe aufgehoben werde ; Liebig 3 sagte z. B. : \u201eals Respirationsmittel nimmt der Alkohol einen hohen Rang ein, durch seinen Genuss werden St\u00e4rkemehl und zuckerhaltige Nahrungsmittel entbehrlich; er ist unvertr\u00e4glich mit Fett.\u201c Als man sp\u00e4ter beobachtete, dass der Alkohol im Thierk\u00f6rper nicht so schnell oxy-dirt wird, sondern zum Theil unver\u00e4ndert denselben wieder verl\u00e4sst,\n1\tJ. Munk, Verh. d. physiol. Ges. zu Berlin. 1879. No. 13. S. 94 ; Arch. f. pathol. Anat. LXXX. S. 10. 18SU.\n2\tDie Fetts\u00e4uren wurden im Darm des Hundes zum gr\u00f6ssten Theil resorbirt und nur unerheblich mehr Seifen durch den Koth ausgeschieden als nach Einf\u00fchrung der gleichen Fettmenge.\n3\tLiebig, Chemische Briefe. 1851. S. 557.","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"170 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nso stellte sich Schmiedeberg 1 vor, es binde sich der Sauerstoff bei Anwesenheit von Alkohol im Blute enger und fester an das H\u00e4moglobin und werde deshalb demselben schwerer entzogen.\nUm in der Sache ins Reine zu kommen, muss man vor Allem untersuchen, ob der Alkohol eine Aenderung im Stoffumsatz hervorbringt oder nicht.\nMan hat zuerst den Einfluss der Alkoholaufnahme auf die Harnstoffausscheidung bei Menschen gepr\u00fcft, und dieselbe dabei bald etwas vermindert2, bald ganz unver\u00e4ndert gefunden.3 Aus den meisten dieser Angaben vermag man jedoch nichts Sicheres \u00fcber den Gang der Eiweisszersetzung nach Alkoholgenuss zu entnehmen, da nur bei wenigen die n\u00f6thige R\u00fccksicht auf eine genaue Gleichhaltung der Kost genommen worden ist ; dies war vielleicht nur bei den Versuchen von Parkes und Wollowicz der Fall, bei denen die t\u00e4gliche Harnstoffausscheidung eine recht gleichm\u00e4ssige ist und das Versuchsindividuum im Stickstoffgleichgewicht sich befand.\nBei Hunden sah A. P. Fokker4 in Folge der Zufuhr von Alkohol eine Ersparung an Eiweiss von 6\u201420 %, welche er dem Kohlenstoffgehalt desselben und nicht seiner toxischen Wirkung zuschrieb. Zuletzt hat Imm. Munk5, dem, wie es scheint, Fokker\u2019s Arbeit unbekannt blieb, ebenfalls an Hunden, die er ins Stickstoffgleichgewicht gesetzt hatte, Versuche mit Alkohol angestellt ; es ergab sich dabei, dass mittlere, eine erregende Wirkung aus\u00fcbende Dosen von Alkohol den Eiweisszerfall um 6\u20147 % vermindern, dass aber gr\u00f6ssere Dosen, welche einen Depressionszustand und Bet\u00e4ubung hervorrufen, die Zersetzung des Eiweisses um 4\u201410 o/0 steigern.\nDen Gaswechsel nach Aufnahme von Alkohol haben Boeck und Bauer6 studirt, und an Hunden bei kleinen Dosen eine Verminderung des Sauerstoffverbrauchs um 180,o und der Kohlens\u00e4ureabgabe um 20%, bei gr\u00f6sseren Dosen dagegen, welche jedoch noch ohne bet\u00e4ubende Wirkung waren, eine Steigerung der Werthe der beiden Gase um 12\u201434 % constatirt; im letzteren Falle trat am Tage darauf eine Nachwirkung ein mit einer Verminderung des Gasaustausches wie bei kleinen Dosen.\n1\tSchmiedeberg, Petersburger med. Ztsclir. XIV. S. 93. 1S6S.\n2\tHammond, American Journal of the medic, sciences. 1S56. \u2014 E. Smith. Lancet. 1861. \u2014 Obernier, Arch. f. d. ges. Physiol. II. S. 50$. 1869. \u2014 Rabuteau, Union medical. 1870. No. 90 u. 91.\n3\tPerrin, Gaz. hebd. 1S64. \u2014 Parkes u. Wollowicz, Proceedings of the Royal Society. XVIII. p. 362. 1S70, XIX. p. 73. 1871. \u2014 Parker. Ber. d. deutsch, chem. Ges. V. S. 939. 1872.\n4\tFokker, Nederlandsch Tijdschrift voor Geneeskunde. 1871. p. 125.\n5\tMunk, Verh. d. physiol. Ges. zu Berlin. 1878/79. No. 6.\n6\tBoeck u. Bauer, Ztschr. f. Biol. X. S. 361. 1874.","page":170},{"file":"p0171.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss des Alkohols auf den Stoffumsatz.\n171\nDass der Alkohol eine Verminderung der Kohlens\u00e4ureausscheidung hervorbringt; wurde schon \u00f6fters angegeben und durch Zahlen zu st\u00fctzen gesucht; so z. B. von W. Prout1; der aber blos den Prozentgehalt der Athemluft untersuchte; dann von Vierordt'2 und Perrin3 4, welche nur w\u00e4hrend kurzer Zeit die Bestimmungen machten. Nur E. Smith 4 behauptet mit der Steigerung der K\u00f6rpertemperatur auch eine Vermehrung der Kohlens\u00e4ure in der Exspirationsluft beobachtet zu haben, was sich mit den Resultaten von Boeck und Bauer bei gr\u00f6sseren Dosen in Einklang bringen liesse.\nW\u00fcrde der Alkohol verbrennen und dadurch (vielleicht durch Beschlagnahme des Sauerstoffs) wie z. B. Obernier meint, andere Substanzen einfach vor der Zerst\u00f6rung sch\u00fctzen, so d\u00fcrfte die Kohlens\u00e4ureausscheidung und die Sauerstoffaufnahme nicht wesentlich ge\u00e4ndert sein, w\u00e4hrend doch die Verminderung der letzteren durch kleine und die Vermehrung durch grosse Gaben sehr betr\u00e4chtlich ist.\nDie Verminderung der Kohlens\u00e4ureabgabe ist nur durch eine Depression der Zersetzung von Eiweiss oder von Fett bei der Gegenwart des Alkohols zu deuten; die dabei beobachtete Abnahme des Eiweisszerfalls ist zu klein, um den Ausfall in der Kohlens\u00e4ure zu decken, es m\u00fcssen also dabei auch stickstofffreie Stoffe5 in geringerer Menge zerst\u00f6rt werden. Eine kleinere Sauerstoffzufuhr ins Blut oder in die Gewebe, z. B. wie Schmiedeberg- annimmt, durch st\u00e4rkere Festhaltung des Sauerstoffs am H\u00e4moglobin findet nicht statt, denn gerade bei der reichlicheren xAufnahme von Alkohol sehen wir eine Vermehrung des Gaswechsels, namentlich des Sauerstoffscon-sums; aus sp\u00e4teren Darlegungen wird auch erhellen, dass bei einer geringeren Menge verf\u00fcgbaren Sauerstoffs nicht eine Abnahme des Stoffzerfalls im K\u00f6rper eintritt.\nDie Vermehrung der Kohlens\u00e4uremenge bei den h\u00f6heren Dosen r\u00fchrt von der gr\u00f6sseren Eiweisszersetzung, vor Allem aber von der gr\u00f6sseren Fettzersetzung her. Es trat n\u00e4mlich bei den Thieren von Boeck und Bauer dabei nicht ein schlafartiger Zustand auf; sie zeigten vielmehr lebhaftere Muskelth\u00e4tigkeit, raschere Athmung und frequentere Herzschl\u00e4ge, wodurch offenbar mehr Fett verbrannt wurde.\n1\tProut, Thomson\u2019s Annals of philos. II. p. 328, IV. p. 331 ; auch in Schweigger, Neues Journ. f. Chem. u. Phys. XV. S. 47. 1815.\n2\tVierordt, Physiologie des Athmens. S. 93. 1845.\n3\tPerrin, Compt. rend. LIX. (2) p. 257. 1864 ; Gaz. m\u00e9d. de Paris. 1865. p. 62 ; de l\u2019influence des boissons alcohol, etc. sur la nutrition 1867.\n4\tE. Smith, British medical Journal. March 1859; Lancet. 1861. Jan.\n5\tDabei kommen in Betracht: entweder die mit der Nahrung eingef\u00fchrten stickstofffreien Stoffe (Fett und Kohlehydrate), oder die im K\u00f6rper abgelagerten, sowie bei der Eiweisszersetzung abgespaltenen Fette. Daher r\u00fchrt die Ablagerung von Fett bei S\u00e4ufern.","page":171},{"file":"p0172.txt","language":"de","ocr_de":"172 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nEs ist nicht m\u00f6glich, die Steigerung der Kohlens\u00e4ureausscheidung ausschliesslich von der Oxydation des eingef\u00fchrten Alkohols zu Kohlens\u00e4ure und Wasser ohne Ver\u00e4nderung des Zerfalls im K\u00f6rper abzuleiten, denn die dem gegebenen Alkohol entsprechende Kohlens\u00e4uremenge reicht nicht aus, die Vermehrung der Kohlens\u00e4ure zu decken. Im sopor\u00f6sen Zustande des Menschen nach Genuss zu grosser Quantit\u00e4ten von Alkohol findet sich wahrscheinlich eine Verminderung der Kohlens\u00e4urebildung.\n4. Benzoes\u00e4ure und Salicyls\u00e4ure.\nDie zugef\u00fchrte Benzoes\u00e4ure paart sich bekanntlich im Organismus zum Theile mit Glycin und wird dann als Hippurs\u00e4ure ausgeschieden. Es fragt sich, ob die Stickstoffausscheidung oder die Eiweisszersetzung dabei ganz die gleiche bleibt, oder ob der Eiweisszerfall w\u00e4chst und um soviel mehr Stickstoff entfernt wird als in der Hippurs\u00e4ure enthalten ist.\nUre1 glaubte, dass die Hippurs\u00e4ure im Harn nach dem Gebrauch von Benzoes\u00e4ure auf Kosten der Harns\u00e4ure vermehrt gefunden werde, d. h. dass die Benzoes\u00e4ure einen stickstoffhaltigen Atomencomplex in sich aufnehme, der ohne sie zur Bildung von Harns\u00e4ure verwendet worden w\u00e4re; aber W\u00f6hler und Keller'2 3 konnten dabei keine Verminderung der Harns\u00e4ure nachweisen. Dagegen wollte Baring-Garrod eine Verminderung des Harnstoffgehalts des Harns nach Einf\u00fchrung von Benzoes\u00e4ure beobachtet haben, was aber Simon und C. G. Lehmann 3 nicht best\u00e4tigen konnten.\nDie vorstehenden Versuche am Menschen sind noch nicht mit den n\u00f6thigen Cautelen angestellt gewesen, um die aufgeworfene Frage zu entscheiden. Aber auch die sp\u00e4teren Versuche gaben keine \u00fcbereinstimmenden Resultate. Aus den von V. Kletzinsky4 nach Aufnahme von Benzoes\u00e4ure am Menschen erhaltenen Zahlen scheint hervorzugehen, dass sich dabei die Stickstoffausscheidung im Harn nicht \u00e4ndert; es m\u00fcsste dann weniger Harnstoff erscheinen und also das mit der Benzoes\u00e4ure sich verbindende Glycin f\u00fcr gew\u00f6hnlich zu Harnstoff werden.\nAnders ist es nach den Untersuchungen von Meissner und Shepard5; sie beobachteten n\u00e4mlich nach Genuss von Benzoes\u00e4ure beim Menschen keine Verminderung des Harnstoffs, auch nicht beim Ka-\n1\tUre, Journ. de Pharm. 1841. Oct.\n2\tW\u00f6hler u. Keller, Ann. d. Chem. u. Pharm. XLIII. S. 108.\n3\tLehmann, Lehrb. d. physiol. Chem. IL S. 364. 1853.\n4\tKletzinsky, Oesterr. Ztschr. f. prakt. Heilk. IV. S. 41. 1858.\n5\tMeissner u. Shepard, Unters, \u00fcber das Entstehen der Iiippurs\u00e4ure im thier. Organismus. S. 62. Hannover 1866.","page":172},{"file":"p0173.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Benzoes\u00e4ure u. Salicyls\u00e4ure auf den Stoftverbrauch.\t173\nninclien und beim Hund; darnach w\u00e4re die Stickstoffausgabe im Harn und die Eiweisszersetzung um den in der Hippurs\u00e4ure ausgeschiedenen Stickstoff gesteigert. In dem gleichen Sinne berichtet Salkowski 1, nach dem die Benzoes\u00e4ure beim Hunde eine reichlichere Harnstoff- und Schwefelausscheidung hervorbringt, so dass unter dem Einfluss der Benzoes\u00e4ure der Zerfall des Eiweisses beg\u00fcnstigt wurde.\nDie Salicyls\u00e4ure nimmt im K\u00f6rper wie die Benzoes\u00e4ure Glycin auf und wird als Salicylurs\u00e4ure im Harn ausgeschieden; es ist daher wahrscheinlich, dass sie, wie die Benzoes\u00e4ure, eine Vermehrung des Eiweisszerfalls hervorbringt. Chr. Bohr 2 hat dem entsprechend bei einem Hunde, dem er 450 Grm. Fleisch ohne und mit Salicyls\u00e4ure gab, die Ausscheidung des Harnstoffs nicht vermindert, sondern eher, nach seiner Meinung wahrscheinlich in Folge des gleichzeitig gesteigerten Wassertrinkens, ein wenig vermehrt gefunden. S. Wolfsohn3 machte unter der Leitung von Jaff\u00e9 \u00e4hnliche Versuche an Hunden, bei welchen sich eine Vermehrung der Stickstoffausgabe im Harn zeigte und zwar beim Hunger und bei Fleischf\u00fctterung.\n5.\tBenz amid.\nE. Salkowski4 hat einem Hund Benzamid gereicht, wonach sich im Harn bei gesteigerter Harnmenge mittelst der Bunsen\u2019schen Methode mehr Stickstoff oder Harnstoff fand, aber auch mehr Schwefel; das Benzamid bedingt daher eine vermehrte Eiweisszersetzung.\n6.\tAsparaffin.\nNach den mit M. Schrodt und St. v. Dangel von H. Weiske 5 an Hammeln ausgef\u00fchrten Untersuchungen hat das dem Futter beigemischte Asparagin f\u00fcr die Zersetzungsvorg\u00e4nge im Thierk\u00f6rper eine bestimmte Bedeutung, da unter seinem Einfl\u00fcsse Eiweiss erspart wird und dadurch schon bei eiweissarmem Futter ein Ansatz von Eiweiss erfolgt. Sie verglichen die Wirkung des Asparagins mit der des Leims und halten es daher f\u00fcr einen Nahrungsstoff; auch E. Schulze ist geneigt anzunehmen, dass die Amide \u00e4hnlich wie Leim durch Herabsetzung des Umsatzes Eiweiss ersparend wir-\n1\tSalkowski, Ztschr. f. physiol. Chem. I. S. 45. 1877.\n2\tChr;Bohe, bei P an um in Hospitals-Tidende. (2) III. p. 129. 1876.\n3\tS. Wolfsohn, Ueber den Einfluss der Salicyls\u00e4ure und des salicylsauren Natron auf den Stoffwechsel. Diss. inaug. K\u00f6nigsberg 1876.\n4\tE. Salkowski, Ztschr. f. physiol. Chem. I. S. 45. 1877.\n5\tH. W EiSKE, M. Schrodt u. St. v. D angel. Ztschr. f. Biol. XV. S. 261 1S79.","page":173},{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"174 Voit. Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nken. Keinesfalls kann aber die Wirkung des Asparagins mit der des Leims verglichen werden ; der complicirt zusammengesetzte Leim sch\u00fctzt, in grossen Quantit\u00e4ten gereicht, das Eiweiss, da er statt desselben in einfache Produkte zerf\u00e4llt, das einfach constituirte Aspa-ragin aber verwandelt sich nach Knieriem\u2019s 1 Versuchen in einen davon nur wenig verschiedenen Stoff, in Harnstoff. Es w\u00e4re von Bedeutung, die Versuche mit Asparagin an Fleischfressern zu wiederholen, bei welchen Salkowski1 2 wenigstens nach Beibringung von Glyeocoll und Sarkosin, welche ebenfalls in Harnstoff \u00fcbergehen, sicherlich keine Verminderung der Eiweisszersetzung, sondern (nach der Schwefelausscheidung im Harn beurtheilt) eher eine kleine Steigerung derselben beobachtet hat.\n7. Infusum von Kaffee, Thee und Coca.\nDa der Kaffee und der Thee eine grosse Rolle bei der Ern\u00e4hrung des Menschen spielen, so ist es von Interesse zu untersuchen, ob sie einen Einfluss auf die Stoffzersetzung im K\u00f6rper aus\u00fcben.\nAls man die ersten Einblicke in die Zersetzungen im Organismus that, glaubte man, Alles was eine Wirkung auf den letzteren habe, \u00fcbe diese durch eine Aenderung des Stoffwechsels aus. So meinte man daher auch, dass Kaffee, Thee, Tabak und \u00e4hnliche Mittel den Stoffumsatz (namentlich des Eiweisses) im K\u00f6rper vermindern und dieses Erfolges halber genossen w\u00fcrden. Man stellte sich vor, man brauche, um gleiche Effekte im K\u00f6rper zu erzielen, bei Aufnahme von Kaffee weniger stickstoffhaltige Substanzen zu verzehren.\nIch 3 habe, um ein Beispiel f\u00fcr die Wirkung dieser Klasse von Stoffen zu haben, den Eiweissumsatz bei einem Hunde w\u00e4hrend verschiedenartiger Ern\u00e4hrungsweise und Einf\u00fchrung einer gew\u00f6hnlichen Quantit\u00e4t von Kafifeeabsud untersucht. Das Thier bekam dabei in drei langen Versuchsreihen Brod mit Milch, ferner eine unzureichende Menge von Milch, und endlich eine bedeutende Fleischportion mit Milch, wodurch bei reichlichem Eiweisszerfall der K\u00f6rper auf dem Stickstoffgleichgewicht erhalten wurde. Es konnte in keinem Falle eine irgendwie in Betracht kommende Aenderung des Eiweissverbrauchs constatirt werden. Es findet eher eine geringe Vermehrung\n1\tKnieriem, Ztschr. f. Biol. X. S. 2SS. 1874.\n2\tSalkowski, Ztschr. f. physiol. Chem. IY. S. 86. 1880.\n3\tVoit, Unters, \u00fcber d. Einfluss des Kochsalzes, des Kaffees und der Muskelbewegungen auf den Stoffwechsel. S. 67 - 147. M\u00fcnchen 1860.","page":174},{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss von Kaffee und Thee auf den Stoffumsatz.\n175\nals eine Verminderung dieses Verbrauchs statt ; die geringf\u00fcgige Vermehrung r\u00fchrt zum Theil von dem Stickstoffgehalt des Kaffees her.\nEs wurde zuerst angegeben, dass Kaffein oder Thein eine reichlichere Harnstoffausscheidung bedingen, so z. B. von C. G. Lehmann1 und Fre-richs2 3; letzterer leitet diese Vermehrung von einer Umwandlung des Alkaloids in Harnstoff ab und nicht von einer gr\u00f6sseren Eiweisszersetzung, ersterer l\u00e4sst es jedoch zweifelhaft, ob dieselbe von der Zersetzung jener stickstoffreichen Stoffe oder einem Ergriffensein des Gesammtorganismus abh\u00e4ngig ist.\nDarauf folgte eine Reihe von Beobachtern, welche entsprechend den schon erw\u00e4hnten Vorstellungen der damaligen Zeit, als Folge des Kaffeegenusses beim Menschen eine Verminderung des Harnstoffs und zwar eine sehr wesentliche, gesehen haben wollen ; zu diesen geh\u00f6rt Boecker 3 und Jul. Lehmann.4 5 6 Bei Boecker\u2019s Versuchen, bei welchen die Harnstoffabnahme 41 \u00b0,o betrug, war, wie bei fast allen fr\u00fcheren am Menschen, die Zusammensetzung der Kost, namentlich ihr Stickstoffgehalt, nicht gen\u00fcgend gleichm\u00e4ssig und nicht bekannt. Letzterer fand eine Verminderung der Harnstoff menge um 27%; er hat sich zwar bestrebt, die Qualit\u00e4t und Quantit\u00e4t der Nahrung gleich zu halten, aber er kennt auch nicht den Stickstoffgehalt der Speisen und weiss nicht, ob der K\u00f6rper mit dem Eiweiss der Nahrung ausreichte oder nicht. Dieselben Bedenken gelten gegen Hammond\u2019s 5 Angaben, der am Menschen bei, nach seiner Mittheilung, gleicher Art und Menge der Nahrung nach Kaffee- und Theegenuss ebenfalls eine Abnahme des Harnstoffs im Harn, aber nur eine ganz geringe, gefunden haben will.\nF. Hoppe 6 betrat zuerst, wenigstens was die Gleichm\u00e4ssigkeit der Nahrung betrifft, den richtigen Weg, nur \u00fcberzeugte er sich noch nicht, ob der Organismus mit der Einnahme auf seiner Zusammensetzung blieb. Er gab einem Hunde t\u00e4glich die gleiche Menge von Milch und Fleisch ohne und mit Zusatz von Kaffein und erhielt in der ganzen Reihe (von 19 Tagen) ein allm\u00e4hliches Absinken der Harnstoffausscheidung, n\u00e4mlich im Mittel :\nohne Kaffein .... iS.4 Grm. Harnstoff mit Kaffein, anfangs. .17.1\t\u201e\t\u201e\nmit Kaffein, sp\u00e4ter . . 16.9\t\u201e\t\u201e\nHoppe schliesst daraus, dass das Kaffein die Menge des Harnstoffs nicht oder nur sehr unbedeutend vermindert. Offenbar befand sich das Thier bei Beginn der Kaffeinzufuhr noch nicht im Stickstoffgleichgewicht und gab noch allm\u00e4hlich abnehmende Mengen von Eiweiss von seinem K\u00f6rper her. Hoppe ist aber der Wahrheit sehr nahe gekommen.\nIn neuerer Zeit sind wieder Mittheilungen \u00fcber die Wirkung des\n1\tLehmann, Lehrb. d. physiol. Chem. IL S. 367. 1S53.\n2\tFrerichs, Handw\u00f6rterb. d. Physiol. III. S. 672. 1846.\n3\tBoecker, Beitr\u00e4ge zur Heilkunde. S. IBS. 1849.\n4\tJul. Lehmann, Ann. d. Chem. u. Pharm. LXXXVII. 1853.\n5\tHammond. Americ. journ. of the medic, sciences. 1856. p. 330.\n6\tHoppe, Sitzgsber. d. Ges. f. wiss. Med. in Berlin v. 15.Dec. 1856 ; in der Deutschen Klinik. 9. Mai 1857. No. 19.","page":175},{"file":"p0176.txt","language":"de","ocr_de":"176 Toit. Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverhrauch im tliier. Organismus etc.\nKaffees auf den Stoffumsatz beim Menschen gemacht worden, bei welchen aber zun\u00e4chst auf die f\u00fcr solche Versuche unumg\u00e4nglich n\u00f6thigen Cau-telen ebenfalls nur ungen\u00fcgend R\u00fccksicht genommen worden ist. Nach Square y 1 hatte bei drei Personen der Kaffeegenuss keine merkliche Wirkung auf die Harnstoffausscheidung. E. Roux1 2 will w\u00e4hrend 5 Monaten ein regelm\u00e4ssiges Regime in Nahrung und Arbeit eingehalten und dabei nach Aufnahme von Kaffee und Tliee eine Vermehrung des Harnstoffs beobachtet haben, jedoch nur vor\u00fcbergehend, denn bei Fortsetzung des Versuchs, ohne irgend eine Aenderung in den \u00fcbrigen Bedingungen, sank die Harnstoffzahl wieder zur normalen herab. Im Gegensatz dazu giebt Rabuteau3 wieder als Folge des Kaffees bei gleicher Di\u00e4t eine Verminderung der Harnstoffausgabe an und zwar f\u00fcr Kaffein von 28 \u00b0,o, f\u00fcr Kaffee-infusum von 20 \u00b0,o. Diese widersprechenden Resultate zeigen nur zu deutlich, dass erst Wenige solche Versuche am Menschen mit der n\u00f6thigen Genauigkeit anzustellen wissen.\nZuletzt hat Aug. Dehn 4, ebenfalls beim Menschen, nach Kaffeetrinken ebenso wie nach Aufnahme von Fleischextrakt oder von Kalisalzen eine geringe Zunahme der Abgabe von Harnstoff (um 4 Grm.) wahrgenommen. Er leitet diese Wirkung von dem Chlorkaliumgehalt des Kaffees (oder des Fleischextraktes) ab; jedoch wird hier wohl in erster Linie der Stickstoff dieser Genussmittel in Betracht kommen, abgesehen davon, dass Dehn nicht angiebt, wie er die Nahrung regelte und nicht weiss, wie viel Stickstoff in derselben sich befand, und ob der K\u00f6rper im Stickstoffgleichgewicht war (er sagt nur, es sei t\u00e4glich zweimal eine genau abgewogene Menge Nahrung verzehrt worden).\nDer Kaffee bringt unzweifelhaft Aenderungen im Organismus und zwar besonders im Nervensystem hervor, von solcher Bedeutung f\u00fcr das Leben, dass wir uns veranlasst sehen, ihn zu einem t\u00e4glichen Getr\u00e4nk zu machen. Nichtsdestoweniger sieht man in Folge davon keine irgend wahrnehmbare Modification in dem Umsatz des Eiweisses eintreten; h\u00f6chst wahrscheinlich findet auch keine wesentliche Ver\u00e4nderung in der Kohlens\u00e4ureausscheidung, also in der Zersetzung der stickstofffreien Stoffe, dabei statt. Es k\u00f6nnen daher mannigfache Alterationen im Nervensystem, welche unsere gesammte Stimmung und unser ganzes Sein wesentlich ber\u00fchren, ja uns nach Aussen, sowie in unserem Gemeingef\u00fchl zu scheinbar anderen Menschen umgestalten k\u00f6nnen, vor sich gehen, ohne eine f\u00fcr uns erkennbare Spur in dem Stoffverbrauch zu hinterlassen. Gerade diejenigen Vorg\u00e4nge in uns, nach denen wir unser allgemeines Wohl- oder Uebel-\n1\tSpuaret. Dublin Medical Press. Dec. 1865.\n2\tRoux, Compt. rend. LXXVII. p. 365.1873 ; Gaz. m\u00e9d. de Paris. 44 Ann\u00e9e. (4) II. No. 34. 1873.\n3\tRabuteau, Compt. rend. LXXI. p. 426 u. 732. 1870; LXXVII. p. 4S9. 1813.\n4\tDehn, Leber die Ausscheidung d. Kalisalze. Diss. inaug. Rostock 1876; Arch, f. d. ges. Physiol. XIII. S. 367. 1S76.","page":176},{"file":"p0177.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss von Morphium auf den Stoffumsatz.\n177\nbefinden beurtheilen, sind nur von geringf\u00fcgigen Metamorphosen der Materie erzeugt, und haben, schon der verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig kleinen Masse des Nervensystems halber, auf den Stoffwechsel im Grossen Ganzen einen kaum bemerkbaren Einfluss.\nDie Cocabl\u00e4tter sollen bekanntlich den Hunger bis zu 3 Tagen ohne Schmerzgef\u00fchl ertragen lassen und zu gleicher Zeit starke Anstrengung ohne Erm\u00fcdung erm\u00f6glichen. Gazeau 1 hat den Eiweissumsatz unter ihrer Einwirkung untersucht und bei gleichm\u00e4ssiger Nahrung eine Vermehrung der Harn- und Harnstoffausscheidung (um 11\u201424%) gefunden. Er meint, es trete durch das Cocain eine Beschleunigung des Umsatzes ein, in Folge deren der Hungernde auf Kosten seiner eigenen Organe besser als sonst lebt. Es w\u00e4re von Interesse mit den jetzigen Hilfsmitteln die Sache genau zu pr\u00fcfen. Nach den Versuchen von Anrep 2 tritt bei Kaninchen der Hungertod ohne und mit Cocain fast zu gleicher Zeit ein; auch der t\u00e4gliche Verlust am K\u00f6rpergewicht schwankt in denselben Grenzen.\n8. Morphium.\nMan nahm ziemlich allgemein an, das Morphium bedinge eine Herabsetzung des Stoffumsatzes im K\u00f6rper, bevor man im Stande war, eine solche mit Sicherheit darzuthun. Man sollte in der That glauben, dass, wenn die Athemfrequenz geringer wird, der Puls seltener ist, der Blutdruck abnimmt, die K\u00f6rpertemperatur sinkt, dann auch die Zersetzungsprocesse im K\u00f6rper bedeutend verringert sein m\u00fcssten.\nVom Opium hatte Boeckee1 2 3 auf Grund von Versuchen an Menschen angegeben, dass es die Menge der festen Bestandtheile im Harn vermindere, und einzelne Kliniker sprachen dem Morphium die Eigenschaft zu, die Consumption des K\u00f6rpers z. B. bei Phthisis pulmonum zu verz\u00f6gern. Dass Boecker\u2019s, sowie Anderer Methode ganz unzureichend war, habe ich 4 genugsam hervorgehoben.\nBoeck 5 brachte einen Hund durch F\u00fctterung mit Fleisch und Fett in das Stickstoffgleichgewicht und gab dann Morphium hinzu; es zeigte sich dabei ein um etwa 6 \u00b0/o geringerer Eiweissverbrauch.\nViel eingreifender ist jedoch nach den Untersuchungen von Boeck und Bauer'5 6 die Wirkung des Morphiums auf die Abgabe von Kohlens\u00e4ure und die Aufnahme von Sauerstoff. Es kommt hier sehr darauf\n1\tGazeau, Compt, rend. II. p. 799. 1870.\n2\tAnrep, Arch. f. d. ges. Physiol. XXI. S. 69. 1879.\n3\tBoecker, Beitr. z. Heilk. S. 181. 1849.\n4\tYoit, Unters, \u00fcber d. Einfluss des Kochsalzes etc. S. 248. M\u00fcnchen 1869.\n5\tBoeck, Ztschr. f. Biologie. VII. S. 420. 1871.\n6\tBoeck u. Bauer, Ztschr. f. Biologie. X. S. 339. 1874.\nHandbuch der Physiologie. Bd. VI.\n12","page":177},{"file":"p0178.txt","language":"de","ocr_de":"178 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nan, ob die Tkiere in dem ersten Stadium der Morphiumwirkung, dem der erh\u00f6hten Erregbarkeit, in welchem sie zum Theil in tetanische und klonische Kr\u00e4mpfe verfallen, oder in dem des Schlafs sich befinden. Bei der Katze, bei der das erste Stadium vorherrschend ist, tritt eine Steigerung der Kohlens\u00e4ureausgabe um 43 % und des Sauerstoffverbrauchs um 13 % ein; dies ist aber eine Folge der heftigen K\u00f6rperbewegungen, d. h. nur eine secund\u00e4re und nicht eine direkte Wirkung des Morphiums. Bei dem Hunde dagegen, welcher sich in Narkose und in Halbschlummer befand, rubis: liefen\n\u2022\to\to\nblieb, auf \u00e4ussere Reize tr\u00e4ge reagirfe und langsam athmete, wurde eine Verminderung der Kohlens\u00e4ureausscheidung um 27 \u00b0,o7 sowie des Sauerstoffconsums um 34 % beobachtet. Diese Verminderung r\u00fchrt von der Ruhe des Tkieres her, wobei weniger Kohlens\u00e4ure erzeugt wird, und ist daher auch nicht eine direkte Folge des Morphiums, sondern nur eine solche der geringeren Muskelth\u00e4tigkeit. Auf diese deprimirende Morphiumwirkung erfolgt eine Nachwirkung mit etwas erh\u00f6hter Kohlens\u00e4urebildung, offenbar durch die nachtr\u00e4glich erh\u00f6hte Erregbarkeit und K\u00f6rperbewegung hervorgerufen.\nDas Morphium wirkt also im Wesentlichen nur indirekt auf den Stoffumsatz ein und zwar vor Allem auf den der stickstofffreien Substanzen, indem es die Muskelth\u00e4tigkeit \u00e4ndert; in einem ersten Stadium der Wirkung findet sich eine Verst\u00e4rkung der Muskelbewegungen und damit eine gr\u00f6ssere Zersetzung der genannten Stoffe, in einem zweiten Stadium dagegen eine Verminderung unter das Normale \u00e4hnlich wie beim Schlaf.\n9. Chinin.\nDa das Chinin im Stande ist die Wirkung ungeformter Fermente wie des Emulsins, der Diastase, des Ptyalins, Pepsins u. s. w. abzuschw\u00e4chen und zu unterdr\u00fccken, sowie auch die Zersetzungen durch geformte Fermente zu sistiren, die G\u00e4krung durch Hefezellen aufzuheben, weisse Blutk\u00f6rperchen, Spaltpilze und Infusorien zu t\u00f6dten, auch die K\u00f6rpertemperatur herabzusetzen, so sollte man glauben, dass es einen wesentlichen Einfluss auf den normalen Stoffumsatz im Organismus der h\u00f6heren Thiere habe.\nUnruh1 und dann Kerner2 haben zuerst am Menschen den Einfluss des Chinins auf die Harnstoffausscheidung studirt; ersterer sah bei Fieberlosen h\u00e4ufig, letzterer stets eine Abnahme derselben; es war jedoch bei ihren Untersuchungen der Gehalt der Nahrung an\n1\tUnruh, Arch. f. pathol. Anat. XLVIII. S. 291. 1869.\n2\tKerner, Arch. f. d. ges. Physiol. III. S. 93. 1870.","page":178},{"file":"p0179.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss von Chinin auf den Stoffumsatz.\n179\nStickstoff nickt bekannt, wenn sie auch alle Speisen und Getr\u00e4nke in Qualit\u00e4t und Quantit\u00e4t gleichm\u00e4ssig kielten. Das N\u00e4mliche war bei den Untersuchungen von Herm. Jansen 1 der Fall, der beim Menschen einen Abfall von 51.5 Grm. auf 48.0 Grm. Harnstoff fand.\nMit allen Kautelen sind die Versuche Boeck\u2019s1 2 ausgef\u00fchrt; als er einem mit Fleisch und Fett im Stickstoffgleichgewicht befindlichen Hunde Chinin zugab, zeigte sich eine um 11 % geringere Stickstoffausfuhr. Die deprimirende Wirkung des Chinins ist demnach ungleich bedeutender wie die des Morphiums.\nDas Chinin \u00fcbt diesen Einfluss nicht dadurch, dass es selbst verbrannt wird und so das Eiweiss sch\u00fctzt, denn es ist ein schwer zersetzlicker Stoff, der gr\u00f6sstentheils unver\u00e4ndert im Harn ausgeschieden wird. Es setzt offenbar den Eiweissumsatz herab, weil es die Th\u00e4tigkeit der Zellen zu alteriren im Stande ist, \u00e4hnlich wie es auch die Wirkung der Hefezellen, Zucker in Alkohol und Kohlens\u00e4ure zu zerlegen, hemmt.\nNach diesen Erfahrungen erschien es von besonderem Interesse die Einwirkung des Chinins auf den Gaswechsel zu pr\u00fcfen.\nG. Strassburg3 4 hat mittelst des ZuNTZ-R\u00f6HRicdschen Respirationsapparates Kohlens\u00e4urebestimmungen an tracheotomirten Kaninchen gemacht und berichtet, dass das Chinin die Ausscheidung dieses Gases in nicht gr\u00f6sserem Maassstabe herabdr\u00fcckt als es allm\u00e4hlich nach der Tracheotomie und Einbindung einer Kan\u00fcle geschieht. Nach Boeck und Bauer 4 ist dagegen durch den direkt herabsetzenden Einfluss des Chinins auf die F\u00e4higkeit der Zellen, Stoffe zu zerlegen, auch der Gaswechsel (bei Katzen) anfangs vermindert, die Kohlens\u00e4ureabgabe um 8\u201414 %, der Sauerstoffverbrauch um 7%; sp\u00e4ter aber, wenn durch gr\u00f6ssere Dosen Kr\u00e4mpfe auftreten, erscheint auch in Folge der heftigen Muskelcontraktionen und der dadurch hervorgerufenen gr\u00f6sseren Zersetzung der stickstofffreien Stoffe eine entsprechende Vermehrung des Gasaustausches; beim Hund nahm dabei die Kohlens\u00e4uremenge im Athem um 94 \u00b0/0 zu.\nAn der Verminderung des Stoffzerfalls bei kleineren Gaben be-\n1\tHeem. Jansen, Unters, \u00fcber d. Einfluss des Schwefels\u00e4uren Chinins auf die K\u00f6rperw\u00e4rme und den Stickstoffumsatz. Diss. inaug. Dorpat 1872. \u2014 Jansen fand dagegen bei H\u00fchnern nach Chiningaben eine Vermehrung der Harns\u00e4ureausscheidung, also eine Steigerung des Eiweissumsatzes.\n2\tBoeck, Ztschr. f. Biologie. VII. S. 422. 1871. Neuerdings hat Keamsztyk (Arbeiten aus d. Laborat. d. Warschauer med. Facilit\u00e2t. 1879. Heft 5. S. 96) an sich selbst, nachdem er sich ins Stickstoffgleichgewicht gesetzt hatte, durch Chinin eine Verminderung des Harnstoffs und der Phosphors\u00e4ure constatirt.\n3\tG. Stkassbukg, Arch. f. exper. Path. u. Pharm. II. S. 334. 1874.\n4\tBoeck u. Bauek, Ztschr. f. Biologie. X. S. 350. 1874.","page":179},{"file":"p0180.txt","language":"de","ocr_de":"180 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nth eiligen sich wahrscheinlich nur die eiweissartigen Substanzen. Die Muskelbewegungen und die Kr\u00e4mpfe \u00fcbert\u00e4uben bei den gr\u00f6sseren Dosen den durch die geringere Eiweisszersetzung bedingten Abfall in der Kohlens\u00e4urebildung durch eine gesteigerte Verbrennung der stickstofffreien Stoffe. Beim Menschen, welcher keine Kr\u00e4mpfe und Muskelunruhe in Folge medikament\u00f6ser Gaben von Chinin bekommt, ist h\u00f6chstwahrscheinlich auch der Gaswechsel proportional dem Eiweissverbrauch herabgesetzt.\n10. Digitalis.\nEs ist von Wichtigkeit zu ermitteln, welchen Einfluss auf den Stoffumsatz ein in so eminentem Grade auf die Bewegung des Herzens und auf den Blutdruck wirkendes Mittel wie die Digitalis austibt.\nEs ist bis jetzt noch nicht in richtiger Weise gepr\u00fcft, ob die Digitalis den Eiweisszerfall \u00e4ndert. Von Boeck und Bauer 1 wurde der Gasaustausch beim Hunde unter der Einwirkung eines Infusums der Digitalis untersucht. Es stellte sich heraus, dass durch Gaben, welche den Blutdruck steigern und die Herzleistung unter Auftreten eines langsamen, stark sich hebenden, harten Pulses vermehren, die Kohlens\u00e4ureabgabe um 8.5 % und die Sauerstoffaufnahme um 5.0 \u00b0,o erh\u00f6ht wird ; der Austausch der beiden Gase ist aber vermindert bei Gaben, welche die Herzarbeit herabsetzen, die Pulszahl und den Blutdruck geringer machen (die Menge der Kohlens\u00e4ure sinkt dabei um 9\u201436 o/o, die des Sauerstoffs um 16\u201435 o/0).\nEs ist wahrscheinlich, dass die Digitalis in kleiner Dosis auf die Zufuhr des Ern\u00e4hrungsmaterials zu den Organtheilen wirkt, indem dabei durch die Erh\u00f6hung des Blutdrucks der S\u00e4ftestrom rascher wird und die gleichen Stoffe \u00f6fter die zerlegenden Zellen passiren; in gr\u00f6sserer Dosis, durch welche der Blutdruck herabgesetzt wird, tritt dann entsprechend eine Verminderung der Zersetzung ein. Bei dieser Auffassung w\u00fcrde es sich vorz\u00fcglich um einen Einfluss auf den Eiweissumsatz handeln.\n11. Eisen.\nDa die Eisenpr\u00e4parate vielfach als sogenannte Roborantien gebraucht werden, so k\u00f6nnte man sich vorstellen, sie \u00fcbten diese Wirkung durch eine Ersparniss im Eiweissverbrauch aus.\nRabuteau1 2 will beim Menschen nach Eisengebrauch eine geringe\n1\tBoeck u. Bauer, Ztschr. f. Biologie. X. S. 367. 1874.\n2\tRabuteau, Compt. rend. LXXX. p. 1169. 1875; Gaz. m\u00e9d. de Paris. 1875. No. 20.","page":180},{"file":"p0181.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss von Eisen, Jod, Quecksilber auf den Stoffumsatz.\t181\nSteigerung der Harnstoffausscheidung (um 2 Grm.) gefunden haben; er sagt zwar, es w\u00e4re die Lebensweise die gleiche gewesen, aber nicht wie er dies erreicht hat. Imm. Munk 1 gab Hunden im Stickstoffgleichgewicht t\u00e4glich in Eisenchlorid 1 2 3 4 5/3\u2014V2 Grm. Eisen und konnte keine Aenderung in der Stickstoffausscheidung, sowie in der Ausn\u00fctzung des Eiweisses der Nahrung im Darm wahrnehmen.\n12.\tJod.\nDas Jod (als Jodwasserstoffs\u00e4ure) \u00fcbt keinen wesentlichen Einfluss auf die Zersetzung des Eiweisses beim Menschen aus, wie Boeck 2 nachgewiesen hat. Babuteau 3 giebt allerdings an, bei Zufuhr von Jod viel weniger Harnstoff im Harn (bis zu 29 o/0) gefunden zu haben, er hat aber offenbar die Zusammensetzung und Menge der Nahrung nicht sorgf\u00e4ltig gleichm\u00e4ssig erhalten.\n13.\tQuecksilber.\nDa es fest steht, dass das Quecksilber wie das Jod einen ganz bedeutenden Eingriff in die Vorg\u00e4nge im Organismus auszu\u00fcben im Stande ist, so bringt es diese vielleicht durch Aenderungen im Stoffumsatz hervor; man dachte dabei namentlich an eine Verminderung der Zersetzung des Eiweisses, mit dem das Quecksilber feste Verbindungen eingeht4 oder an die antiseptische Wirkung des letzteren. Boeck6 hat aber bei Menschen, welche eine genau zubereitete Kost erhielten und sich im Stickstoffgleichgewicht befanden, nach Einreiben von grauer Quecksilbersalbe, keine irgend in Betracht kommende Beeinflussung der Stickstoffausgabe nachweisen k\u00f6nnen; es fand sich nur eine ganz geringf\u00fcgige Steigerung der letzteren. Darnach ist auch eine Wirkung des Quecksilbers auf den Kohlenstoffverbrauch im K\u00f6rper h\u00f6chst unwahrscheinlich.\n14.\tArsenige S\u00e4ure und Breehweinstein.\nEs ist eine gen\u00fcgend constatirte Thatsache, dass die Bewohner von Gebirgsgegenden, besonders der steyerischen Alpen, in ziemlich grossem Umfange die Gewohnheit haben, arsenige S\u00e4ure zu essen. Diese Sitte hat sich vorz\u00fcglich bei jenem Theile des Gebirgsvolkes Eingang verschafft, welcher durch den Beruf gezwungen ist,^oftma-\n1\tImm. Musk, Verb. d. physiol. Ges. zu Berlin. 1878/79. No. 6.\n2\tBoeck, Ztschr. f. Biologie. Y. S. 403. 1869.\n3\tBabuteau, Gaz. hebd. 1869. p. 133.\n4\tLiebig, Die Chemie in ihrer Anwendung auf Agrikultur u. Physiologie. S. 463.\n5\tBoeck, Ztschr. f. Biologie. Y. S. 393. 1869.\u2019","page":181},{"file":"p0182.txt","language":"de","ocr_de":"182 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nlige und beschwerliche Gebirgswanderungen und Bergbesteigungen zu machen, deren Strapazen durch den Arsenikgenuss besser ertragen werden sollen. Auch wird arsenige S\u00e4ure in kleinen Dosen als Medikament angewandt.\nMan k\u00f6nnte den Gebrauch des Arseniks vielleicht theilweise verstehen, wenn sich nachweisen liesse, dass unter seinem Einfl\u00fcsse die Zersetzungsprozesse im Organismus vermindert sind und also K\u00f6rpersubstanz dadurch erspart wird; es w\u00fcrde dies auch erkl\u00e4ren, warum Pferde durch Arsenik ein besseres Aussehen, Gl\u00e4tte und Glanz der Haare bekommen, und die Arsenikesser eine gewisse Wohlbeleibtheit und Formenabrundung erhalten.\nDieser Vorstellung entsprechend wollten auch C. Schmidt und St\u00fcrzwage 1 unter dem Einfluss der arsenigen S\u00e4ure bei Katzen eine bedeutende Verminderung der Stickstoff- und Kohlens\u00e4ureausscheidung nachgewiesen haben, deren Ursache sie in der Eigenschaft der arsenigen S\u00e4ure, die G\u00e4hrung und F\u00e4ulniss aufzuheben, suchten. Ich1 2 habe dagegen dargethan, dass die geringere Harnstoffmenge von dem Erbrechen des gr\u00f6ssten Theils der Nahrung nach Aufnahme des Giftes herr\u00fchrt. Um das st\u00f6rende Erbrechen des aufgenommenen Futters zu vermeiden, gab Boeck3 hungernden Hunden unter allen Cautelen die arsenige S\u00e4ure und zwar in geringen Dosen, wie sie als h\u00f6chste in der Medizin in Anwendung kommen und welche keine toxischen Wirkungen aus\u00fcben, und konnte eine ber\u00fccksichtigens-werthe Aenderung des Eiweisszerfalles dabei nicht wahrnehmen; es ist daher nicht m\u00f6glich, die medikament\u00f6se Anwendung und Wirkung des Arsens auf eine Ver\u00e4nderung des EiweissVerbrauchs im K\u00f6rper zur\u00fcckzuf\u00fchren. Das Gleiche berichtet Fokker4 5, der bei seinen Versuchen an hungernden oder mit Fleisch und Brod gef\u00fctterten Hunden keinen in Betracht kommenden Einfluss des Arsens auf die Eiweisszersetzung fand. Kleine Gaben von Arsen verabreichte auch Weiske 5 bei Pflanzenfressern und zwar bei Hammeln; unter Zunahme des Lebendgewichts war der Umsatz von Eiweiss bei gleichem Futter etwas geringer (um 5.4%), ebenso die Stickstofifausscheidung im Koth (um 0.3%); er meinte daher, dass\n1\tSchmidt u. St\u00fcrzwage, Molesch. Unters. VI. S. 283. 1859.\n2\tVoit, Unters, \u00fcber d. Einfluss des Kochsalzes etc. 1860. S. 249. Die Versuche von Lolliot (\u00c9tude physiologique de l\u2019arsenic. Paris 1868), bei denen der Harn nur auf den prozentigen Gehalt an Harnstoff' untersucht wurde, haben selbstverst\u00e4ndlich keinen Werth.\n3\tBoeck, Ztschr. f. Biol. VII. S. 430. 1871.\n4\tFokker, Nederlandsch Tijdschrift voor Geneeskunde. 1872.\n5\tWeiske, Journ. f. Landw. XXIII. S. 317. 1875.","page":182},{"file":"p0183.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss von Arsen und Antimon auf den Stoffumsatz.\n183\nder Arsen eine bessere Ausn\u00fctzung des Futters und einen reichlicheren Ansatz von Eiweiss am K\u00f6rper bewirkt.1\nR. H. Saltet 2 endlich sah im gleichen Fall beim Menschen eine t\u00e4gliche Zunahme der Harnstoffausscheidung um 2 Grm. ; es ist aber nur bei der sorgf\u00e4ltigsten Zubereitung der Speisen m\u00f6glich, die Stickstoffaufnahme gleichm\u00e4ssig zu halten, und Schwankungen in der Harnstoffmenge von 2 Grm. zu vermeiden.\nGanz anders ist das Resultat, wenn man gr\u00f6ssere toxische Dosen des Arsens anwendet; dieselben rufen mit Sicherheit eine vermehrte Stickstoffausgabe im Harn hervor. G\u00e4htgens 3 hatte mit Kossel an einem Hunde Versuche in dieser Richtung angestellt. Das Thier (von 21 Kilo Gewicht) wurde zun\u00e4chst w\u00e4hrend 15 Tagen gleichm\u00e4ssig, aber unzureichend mit einem Brei aus Schiffszwieback und Milch gef\u00fcttert, wobei es am neunten Tage 4.7 Grm. Stickstoff im Harn entleerte, an den folgenden sechs Tagen bei Arsenaufnahme im Mittel 4.8 Grm. ; da aber an den beiden letzten Tagen ein Theil des Futters erbrochen wurde, so sahen sie dies als Anzeichen einer vermehrten Eiweisszersetzung an. Um das st\u00f6rende Erbrechen aus-zusehliessen, musste der Hund von da ab 12 Tage lang unter fortw\u00e4hrender Zufuhr von Arsen hungern, wobei die t\u00e4gliche Stickstoffausscheidung von 3.0 Grm. allm\u00e4hlich bis zu 8.9 Grm. anstieg.\nDa hier noch der Einwand m\u00f6glich war, die Steigerung der Eiweisszersetzung sei von der Fettabnahme am K\u00f6rper durch die l\u00e4ngere Inanition bedingt4 und nicht vom Arsen, so stellte G\u00e4htgens!5 nochmals einen Versuch am Hunde an, bei welchem die Stickstoffmenge im Harn schon am dritten Tage gleichm\u00e4ssig geworden war und am vierten, f\u00fcnften und sechsten Tage Arsen gegeben wurde; hier zeigte sich unzweifelhaft eine Zunahme des Eiweissverbrauchs (im Mittel um 30%). Es fand sich n\u00e4mlich:\nHungertag Arsen Stickstoff im Harn Himgertag Arsen Stickstoff im Harn\n3.\t0\t4.5\t7.\t0\t5.0\n4.\tArsen\t4.4\t8.\t0\t3.3\n5.\tArsen\t5.4\t9.\t0\t3.7\n6.\tArsen\t5.8\t\t\t\nt Auch Fokker giebt an, dass Kaninchen nach Aufnahme von Arsenik bei gleichem Futter mehr an Gewicht zunehmen; ebenso Roussin (Journ. d. pharm, et chim. XLIII. p. 121. 1863).\n2\tSaltet, Bijdrage tot de Kennis van de Werking van Het Arsenikzuur op den gezonden Mensch. Leiden 1879.\n3\tG\u00e4htgens, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1875. S. 529. \u2014 Kossel, Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Y. S. 128. 1876.\n4\tForster, Ztschr. f.Biol. XI. S. 522. 1875. \u2014 Boeck, Ebenda. XII. S. 512. 1876; Centralbl. f. d. med. Wiss. 1877. S. 226.\n5\tG\u00e4htgens, Ebenda. 1876. S. 833.","page":183},{"file":"p0184.txt","language":"de","ocr_de":"184 Voit, \u00c0llg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nDas Antimon wirkt in gr\u00f6sseren Dosen ganz \u00e4hnlich wie der Arsen. Bei einem hungernden Hunde wies G\u00e4htgens 1 in Gemeinschaft mit Schmarbeck und Berg in 2 Beihen nach Aufnahme von Brechweinstein einen erh\u00f6hten Eiweissumsatz nach.\nArsen und Antimon bedingen, \u00e4hnlich wie der Phosphor, eine fettige Degeneration der Organe'1 2 3 4 5; das Fett stammt dabei wahrscheinlich aus dem Eiweiss ab, welches in bedeutender Menge zerf\u00e4llt, dessen stickstofffreie Zerfallprodukte aber nicht weiter verbrannt werden. Es ist daher zu vermuthen, dass bei gr\u00f6sseren Arsenikoder Antimongaben die Ausscheidung der Kohlens\u00e4ure und die Aufnahme des Sauerstoffs vermindert wird wie bei der Phosphorvergiftung. Durch die gr\u00f6sseren Dosen der beiden Gifte wird wahrscheinlich wie durch den Phosphor die Organisation zerst\u00f6rt, vielleicht wie Binz 3 nachzuweisen suchte in Folge von Uebertragung oder Entziehung von Sauerstoff durch die Arsens\u00e4ure oder arsenige S\u00e4ure, wobei nach ihm innerhalb der Eiweissmolekiile die Sauerstoffatome heftig hin- und herschwanken und so die Spaltung des Eiweissmolek\u00fcls beschleunigt wird.\n15. Phosphor.\nDer Phosphor bringt im Thierk\u00f6rper die heftigsten Wirkungen hervor; bei geringen Quantit\u00e4ten des Giftes ziehen sich dieselben l\u00e4ngere Zeit hin, so dass die Ver\u00e4nderung der Zersetzungsvorg\u00e4nge w\u00e4hrend mehrerer Tage ziemlich rein zu studiren ist.\n0. Storch 4 und J. Bauer 5 haben dabei an hungernden Hunden eine h\u00f6chst bedeutende Zunahme des Eiweisszerfalls beobachtet; derselbe stieg bei Bauer\u2019s Versuchen um das doppelte, bei denen Storch\u2019s nahezu um das vierfache des normalen. Die Wirkung des Phosphors ist also ungleich gr\u00f6sser als die des Arsens oder Antimons. F. A. Falck6 hat zwar geglaubt eine Verminderung des Eiweissumsatzes nach subcutaner Einspritzung von Phosphor\u00f6l dar-thun zu k\u00f6nnen; er hat jedoch, wie Bauer gezeigt hat, den Thieren so grosse Dosen beigebracht, dass sie schon nach 24 Stunden zu Grunde gingen und in dem elenden, dem Tode nahen Zustande\n1\tG\u00e4htgens, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1876. S. 321.\n2\tSaikowsky, Arch. f. path. Anat. XXXY. S. 73.\n3\tBinz, Arch. f. exper. Path. u. Pharm. XL S. 200. 1879.\n4\t0. Storch, Den acute Phosphorforgiftning i toxikologisk, klinisk og forensisk Henseende. Diss. Kjobenhavn 1865; siehe auch das Referat von J\u00fcrgensen, Dtsch. Arch. f. klin. Med. IL S. 264.1867.\n5\tJ. Bauer, Ztschr. f. Biol. VIL S. 63. 1871, XIV. S. 527. 1878.\n6\tF. A. Falck, Arch. f. exper. Path. u. Pharm. VII. S. 377.","page":184},{"file":"p0185.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss von Phosphor auf den Stoffumsatz.\n185\nselbstverst\u00e4ndlich weniger zersetzten. Auch Storch und Bauer haben am letzten Lebenstage eine Verminderung der Eiweisszersetzung und Harnstoffausscheidung gesehen, wie auch Frerichs bei der rasch verlaufenden acuten Leberatrophie.\nNeuerdings hat Paul Cazeneuve 1 an Hunden die Angaben von Storch und Bauer best\u00e4tigt.\nNeben der abnormen Vermehrung des Eiweissverbrauchs fand Bauer eine wesentliche Verminderung der Kohlens\u00e4ureausscheidung (um 47%) und der Sauerstoffaufnahme (um 45%).\nUnter dem Einfl\u00fcsse des Phosphors werden daher entweder die im K\u00f6rper abgelagerten stickstofffreien Stoffe in geringerem Maasse zerst\u00f6rt oder es werden die aus dem zersetzten Eiweiss abgespaltenen stickstofffreien Stoffe nicht verbrannt. Die letztere Anschauung, nach der sich aus dem Eiweiss als stickstofffreier Antheil Fett abtrennt und liegen bleibt, ist wohl die richtige; sie wird durch die schon lange bekannte fettige Entartung der Organe bei der Phosphorvergiftung unterst\u00fctzt.\nEs k\u00f6nnte allerdings dieses Fett auch aus der Nahrung oder aus dem Fettgewebe des K\u00f6rpers durch Infiltration in jenen Organen abgelagert werden. Da aber die Verfettung der Organe noch nach l\u00e4ngerem, 12t\u00e4gigem Hunger eintritt, so ist es wahrscheinlich, dass das Fett im Zelleninhalte aus eiweissartiger Substanz unter Abspaltung stickstoffhaltiger Zersetzungsprodukte entsteht. Dabei k\u00f6nnte mehr von dem in der Zelle abgelagerten Eiweiss fl\u00fcssig werden und so der Zersetzung anheimfallen ohne Alteration des Bestandes\n1 Paul Cazeneuve. Revue mensuelle de m\u00e9dec. et de Chirurg. IV. p. 265 u. 444. 1SS0. \u2014 Darin kritisirt er auch die Versuche einiger franz\u00f6sischer Forscher, die im Allgemeinen noch keine Ahnung davon haben, wie man Untersuchungen der Art anstellen muss. L\u00e9cokch\u00e9 (Arch, de physiol. 1869. p. 110) wollte eine Verminderung des Harnstoffs beim Hunde unter dem Einfl\u00fcsse des Phosphors constatirt haben; er erw\u00e4hnt aber nicht einmal, ob die Thiere dabei hungerten oder Nahrung aufnahmen. Ritter in Nancy (Th\u00e8se 1872) beobachtete dagegen eine Vermehrung der Harnstoffquantit\u00e4t, wTenn auch nur in geringem Maasse. Rrouardel (Arch, de physiol. 1876. p. 397) f\u00fctterte die Hunde, die trotz der Phosphorgaben wie gew\u00f6hnlich gefressen haben sollen, und erschliesst aus den erhaltenen Zahlen eine Abnahme der Harnstoffausscheidung; Cazeneuve entgegnet, dass bei n\u00e4herer Betrachtung sich vielmehr eine Zunahme der letzteren ergiebt und ferner stets gastrische St\u00f6rungen auftreten, in Folge deren Erbrechen sich einstellt, oder die Ausn\u00fctzung im Darme eine herabgesetzte ist. Thibaut endlich (Th\u00e8se \u00e0 la Facult\u00e9 de m\u00e9d. de Lille, Des variations de l\u2019ur\u00e9e dans l\u2019empoisonnement par le phosphore; Compt. rend. XC. p. 1173. 1880) giebt an, hei langsamer Phosphorvergiftung, bei der die Thiere 7\u201411 Tage am Leben blieben, zun\u00e4chst eine bedeutende Abnahme der Harnstoffmenge, dann ein Ansteigen und am Ende wieder ein Sinken derselben auf ein Minimum beobachtet zu haben, zugleich aber eine Ansammlung von Harnstoff im Blut, der Leber, den Muskeln und dem Gehirn. Dieser Verlauf mit Aufspeicherung von Harnstoff ist bis jetzt von keinem Beobachter wahrgenommen worden und ist keinesfalls die Regel.","page":185},{"file":"p0186.txt","language":"de","ocr_de":"186 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nder Zelle, oder es k\u00f6nnte schliesslich die Organisation selbst zerst\u00f6rt werden. Im ersteren Fall w\u00fcrde es sich nur um eine abnorme Steigerung der normalen Eiweisszersetzung und Fettabspaltung in einer sonst gesunden Zelle handeln, im letzteren um ein Zugrundegehen der organisirten Form wie bei der acuten Leberatrophie. Der Phosphor zerst\u00f6rt offenbar den Zusammenhalt der Organisation und bedingt so den rapiden Untergang des Eiweisses, sonst w\u00fcrde er nicht in so geringer Gabe als ein t\u00f6dtliehes Gift wirken ; die gesunde Zelle erholt sich dagegen auch nach einem gewaltigen Eiweissverlust z. B. nach langem Hunger bald wieder.\nDie Fettanh\u00e4ufung kommt entweder dadurch zu Stande, dass die ver\u00e4nderte Zelle nicht mehr die F\u00e4higkeit besitzt das Fett weiter zu zerlegen, wodurch dann indirekt die Sauerstoffaufnahme und die Kohlens\u00e4ureausscheidung herabgesetzt werden; oder dadurch dass durch irgend welche Ursachen weniger Sauerstoff Zutritt und deshalb weniger Fett verbrannt wird.\nMir ist die erstere Vorstellung wahrscheinlicher. Nach Fraenkel 1 wirkt allerdings der Phosphor ausser der direkten T\u00f6dtung lebender K\u00f6rpersubstanz, indem er f\u00fcr sich den Sauerstoff in Beschlag nimmt oder durch Zerst\u00f6rung rother Blutk\u00f6rperchen die oxydativen Vorg\u00e4nge herabsetzt, wodurch dann in Folge des Sauerstoffmangels das Gewebe absterben und den abnormen Eiweisszerfall bedingen soll; ich werde sp\u00e4ter noch auf diese Erkl\u00e4rung der vermehrten Eiweisszersetzung zur\u00fcckkommen. Auch Meissner'2 meint, das Gewebe, dessen Eiweissumsatz die bedeutende Steigerung erf\u00e4hrt, w\u00e4ren die Blutk\u00f6rperchen, auf deren Verminderung dann die Hemmung der Sauerstoffaufnahme beruhe.\nEine Aufl\u00f6sung rother Blutk\u00f6rperchen direkt durch den Phosphor findet aber nach Bauer nicht statt; es bilden sich vielmehr bei Ber\u00fchrung mit dem Sauerstoff der atmosph\u00e4rischen Luft in der Lunge S\u00e4uren des Phosphors. Diese S\u00e4uren werden bei geringen Phosphorgaben durch das alkalische Blut rasch neutralisirt, und nur bei einem Ueberschuss derselben findet eine L\u00f6sung rother Blutk\u00f6rperchen in der Lunge statt.\nEs wird sp\u00e4ter dargelegt werden, dass die Sauerstoffaufnahme in den K\u00f6rper nach ausgiebigen Blutentziehungen oder bei einer wesentlich geringeren Lungenoberfl\u00e4che u. s. w. nicht vermindert ist, indem allerlei Einrichtungen bestehen, durch welche Compensationen\n1\tFraenkel, Arch. f. pathol. Anat. LXYII. S. 273. 1876.\n2\tMeissner, Henle\u2019s u. Meissner\u2019s Jahresber. 1871. S. 215.","page":186},{"file":"p0187.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Muskelarbeit auf den Gesammtstoffumsatz.\n187\nstattfinden, in Folge deren doch die zur Verbrennung der Zerfallprodukte n\u00f6thige Sauerstoffmenge zugef\u00fchrt wird. Es geschieht ferner, wie ebenfalls noch gezeigt werden wird, der Stoffzerfall in den Geweben nicht durch direkte Einwirkung des Sauerstoffs, sondern durch andere Bedingungen der Organisation; der Sauerstoff wird erst sekund\u00e4r nach Maassgabe dieser Zerst\u00f6rung aufgenommen. Darnach beruht auch hier wahrscheinlich das Liegenbleiben des Fettes nicht auf einer St\u00f6rung in der Aufnahme des Sauerstoffes, sondern auf einer Ver\u00e4nderung der F\u00e4higkeit der Zelle, Stoffzersetzungen hervorzubringen.\nIX. Einfluss der Tli\u00e4tigkeit der Muskeln, der Xerven und anderer Organe auf den Gesammtstoffumsatz.\n1. Muskelarbeit.\nEine der wichtigsten Fragen ist die nach dem Einfluss der Muskelarbeit auf den Stoffverbrauch im Thierk\u00f6rper.\nAus den Erfahrungen des gew\u00f6hnlichen Lebens erschloss man schon lange, dass bei der Muskelanstrengung ein gr\u00f6sserer Stoffverbrauch im K\u00f6rper stattfindet: wir f\u00fchlen nach einer st\u00e4rkeren Arbeitsleistung Hunger, ein r\u00fcstiger Arbeiter isst mehr als ein wenig th\u00e4tiger Mensch, und der Arbeiter bleibt in der Regel mager, w\u00e4hrend der Unth\u00e4tige Fett ansammelt.\nLavoisier 1 hat wohl zuerst diesen gr\u00f6sseren Stoff verbrauch bei der Arbeit am Menschen direkt dargethan, indem er mit Seguin die betr\u00e4chtliche Vermehrung der Sauerstoffaufnahme nach wies, denn w\u00e4hrend der ruhende Mensch in 1 Stunde nur 38.3 Grm. Sauerstoff verzehrte, consumirte der arbeitende 91.2 Grm., also 2.4 mal mehr. Sp\u00e4ter haben Vierordt'1 2 und Scharling3 beim Menschen auch eine vermehrte Kohlens\u00e4ureabgabe w\u00e4hrend k\u00f6rperlicher Anstrengung gefunden.\nAber damit wusste man nur, dass im arbeitenden K\u00f6rper mehr Stoffe der Oxydation unterliegen, jedoch nicht welche Stoffe dies waren.\n1\tLavoisier, M\u00e9m. del\u2019acad. des sciences, 1789. p. 185; Oeuvres de Lavoisier. II. p. 688. 696; Report of the British association, p. 189. Edinburgh 1871, Brief von Lavoisier an Black vom 19. Nov. 1790.\n2\tVierordt, Physiologie des Athmens. 1S45; Arch. f. physiol. Heilk. III. S. 536-Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. II. S. 828. 1844.\n3\tScharling, Ann. d. Chem.u. Pharm. XLV. S. 214. 1843 ; Journ. f. prakt. Chem. XLVIII. S. 435.","page":187},{"file":"p0188.txt","language":"de","ocr_de":"188 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nDa die Muskeln vorz\u00fcglich aus eiweissartigen Stoffen aufgebaut sind, so dachte man sich, dass bei der Th\u00e4tigkeit derselben das Ei-weiss in gr\u00f6sserer Menge verbraucht werde; namentlich kam Liebig in Consequenz seiner Vorstellungen \u00fcber den Stoffumsatz im Thierk\u00f6rper und dessen Ursachen zu dieser Schlussfolgerung.\nMan richtete daher von da an das Hauptaugenmerk auf die Stickstoff- oder Harnstoffausscheidung bei k\u00f6rperlicher Anstrengung, besonders nachdem die LiEBia\u2019sche Methode der Harnstoffbestimmung bekannt geworden war. Aber fast alle Untersuchungen der damaligen Zeit sind unzul\u00e4nglich, weil das dabei eingeschlagene Verfahren noch nicht der Art war, um den Einfluss der Arbeit auf den Eiweissumsatz mit Sicherheit zu erkennen; namentlich war man noch nicht im Stande, die Kost des Menschen gleichm\u00e4ssig zu halten, man kannte ferner nicht den Stickstoffgehalt derselben und hatte in keinem Falle das Stickstoffgleichgewicht hergestellt. Die Meisten fanden aber nur eine so geringe Vermehrung des Harnstoffs im Harn, dass aus ihr unm\u00f6glich die Kraftleistung bei t\u00fcchtiger Arbeit hervorgehen kann. Man war zwar im Stillen wohl etwas erstaunt \u00fcber die geringf\u00fcgige Aenderung der Stickstoffausscheidung im Harn, freute sich aber eine solche \u00fcberhaupt nachgewiesen zu haben, um nicht mit der Theorie in Widerspruch zu kommen, oder liess letzterer zu Liebe eine unbekannte Quantit\u00e4t von Stickstoff durch Haut und Lungen austreten.\nSo hatten C. G. Lehmann1, J. Fr. Simon2, H. Beigel3, W. Hammond4, Genth 5, L. Lehmann 6 7, C. Speck am Menschen eine etwas gr\u00f6ssere Harnstoffmenge (von 4\u20146 Grm. im Mittel) bei der Arbeit gefunden. Nur Mosler 8 9 10, J. C. Draper 9 und Ed. Smith 10 konnten keine ber\u00fccksichtigens-werthe Erh\u00f6hung der Harnstoffzahl nachweisen. Sie beruhigten sich jedoch, indem Mosler den Harnstoff nicht unmittelbar w\u00e4hrend der Bewegung gebildet werden, sondern erst nach ihr in gr\u00f6sserer Menge ent-\n1\tC. G.Lehmann, Wagner\u2019sHandw\u00f6rterb. d. Physiol. IL S.21 ; Lehrh. d.physiol. Chem. I. S. 164.\n2\tJ. Fr. Simon, Handb. d. angewandten med. Chem. II. S. 368. 1842.\n3\tH. Beigel, Denkschriften d. k. Leopold. Acad. d. Naturf. XXY. S. 477. 1S55.\n4\tW. Hammond, Amer, journ. ofmed. sciences. 1855. Jan.\n5\tGenth, Unters, \u00fcber den Einfluss d. Wassertrinkens auf den Stoffwechsel. Wiesbaden 1856.\n6\tL. Lehmann, Arch. f. wiss. Heilk. IV. S. 484. 1860; Arch. d. Ver. f. gern. Arb. IV. 1859, VI. 1862.\n7\tSpeck, Arch. f. wiss. Heilk. IV. S. 521. 1860, VI. S. 161. 1862; Arch. d. Ver. f. gern. Arb. IV. 1859, VI. 1862.\n8\tMosler, Beitr\u00e4ge zur Kenntniss der Urinabsonderung bei gesunden, schwangeren und kranken Personen. Diss. inaug. Giessen 1853.\n9\tJ. C. Draper, Schmidt\u2019s Jahrb. XCII. No. 10 aus New York Journal. March.\n1856.\n10\tEd. Smith, Phil. Transact. 1862; Edinburgh med. Journ. 1859. p. 614; The Lancet. I. p. 216. 1859.","page":188},{"file":"p0189.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Muskelarbeit auf den Gesammtstoffumsatz.\n189\nstellen l\u00e4sst, Draper aber annimmt, es werde der bei der Th\u00e4tigkeit mehr verbrauchte Stickstoff durch die Respiration entfernt.\nIch habe zuerst die f\u00fcr solche Untersuchungen als richtig erkannte Methode angewendet und bei einem grossen, noch jungen, nicht fetten Hunde, welcher in einem Tretrade laufen musste, w\u00e4hrend des Hungers und im Stickstoffgleichgewicht mit 1500 Grm. reinem Fleisch unter allen Kautelen die Stickstoffausscheidung durch den Harn in 4 Versuchsreihen bestimmt1.\nEs ergab sich dabei im Mittel Folgendes:\nNahrung\t\tHarn-\tHarnstoff\tFleisch-\t\nFleisch\tWasser\tmenge\t\tUmsatz\t\no o i\u2014\u00ee.\t258\t186\t14.3\t196\tohne Laufen\n\t872\t518\t16.6\t227\tmit\t\u201e\nI \u00b0\t123\t145\t11.9\t164\tohne Laufen\nII. 1 0\t527\t186\t12.3\t167\tmit\nl 0\t125\t143\t10.9\t149\tohne \u201e\n[1500\t182\t1060\t109.8\t1522\tohne Laufen\nIII. {1500\t657\t1330\t117.2\t1625\tmit\t\u201e\n11500\t140\t1081\t109.9\t1526\tohne \u201e\nly J150\u00d6 v'\\1500\t412\t1164\t114.1\t1583\tmit Laufen\n\t63\t1040\t110.6\t1535\tohne \u201e\nSp\u00e4ter habe ich an einem grossen, \u00e4lteren und fettreicheren hungernden Hunde unter starker Anstrengung (8 st\u00e4ndigem Laufen) mit der \u00e4ussersten Sorgfalt nochmals zwei Versuche angestellt, und dabei noch auffallendere, schlagendere Zahlen als vorher erhalten2; es betrug n\u00e4mlich die Harnstoffmenge:\nTag\tW asser auf\tHarnstoff\t\n1.\t422\t15.4\tRuhe\n2.\t500\t15.4\tRuhe\n3.\t500\t15.8\tLaufen\n4.\t500\t13.9\tRuhe\n1.\t320\t11.6\tRuhe\n2.\t367\t11.6\tRuhe\n3.\t1000\t11.2\tLaufen\n4.\t500\t12.5\tRuhe\n5.\t490\t11.8\tRuhe\n1\tVoit, Unters, \u00fcb. d. Einfluss des Kochsalzes, des Kaffees und der Muskelbewegung auf den Stoffwechsel. M\u00fcnchen 1860.\n2\tVoit, Ztschr. f. Biologie. II. S. 339. 1866. Im zweiten Falle wurde der Stickstoff im Harn direct durch Verbrennen mit Natronkalk bestimmt.","page":189},{"file":"p0190.txt","language":"de","ocr_de":"190 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nDarnach tritt beim Hunger durch das Laufen des Thiers nur eine ganz geringe Vermehrung der Harnstoff- oder Stickstoffausscheidung ein; sie betrug im Mittel bei dem j\u00fcngeren, fettarmen Thier 0.9\u20142.3 Grm. Harnstoff oder 8\u201416 o/o, bei dem fetteren Thier dagegen nur 0.1\u20141.2 Grm (1\u20148 o/0). Nach ausschliesslicher Zufuhr von reinem Fleisch ist die absolute Steigerung des Harnstoffs etwas gr\u00f6sser, n\u00e4mlich beim Laufen mit vollem Magen um 7 Grm. (7 o/0)? beim Laufen mit leerem Magen um 4 Grm. (3 o/0).\nMan h\u00e4tte nach den bis dahin allgemein gehegten Vorstellungen, wornach die Eiweisszersetzung die Kraft zur Arbeit liefert, denken sollen, es m\u00fcsste die Differenz im Eiweissumsatz bei m\u00f6glichster Ruhe und st\u00e4rkster Bewegung sehr bedeutend sein, und gerade beim Hunger, wo das Minimum an Eiweiss zerst\u00f6rt wird, eben hinreichend die geringen Kraft\u00e4usserungen dabei zu erm\u00f6glichen, durch eine grosse K\u00f6rperanstrengung viel mehr, doppelt und dreifach so viel Eiweiss dem Untergang anheimfallen. Statt dessen war beim Hunger kaum eine Differenz nachweisbar. Da nun bei der F\u00fctterung mit reichlichen Fleischmengen von dem Hunde die gleiche Arbeit geleistet worden ist wie beim Hunger, so kann der bei ersterer beobachtete Mehrverbrauch an Eiweiss (im Mittel um 5 Grm.) unm\u00f6glich durch die Arbeit direkt bedingt oder zum Zustandekommen derselben noth wendig gewesen sein, die Ursache muss in etwas Anderem gesucht werden.\nW\u00e4hrend der Arbeit kommen n\u00e4mlich mancherlei Umst\u00e4nde hinzu, welche f\u00fcr sich ohne Arbeit einen verst\u00e4rkten Eiweisszerfall kervorru-fen. Ich machte auf die in Folge der bedeutenderen Wasserverdunstung durch Haut und Lungen in reichlichem Maasse stattfindende Wasseraufnahme und auf die Entleerung einer gr\u00f6sseren Quantit\u00e4t verd\u00fcnn-teren Harns aufmerksam ; ferner auf die durch die verst\u00e4rkte Herz-, Athem- und K\u00f6rperbewegung beschleunigte Circulation im Organismus, deren Folgen sich beim Hunger weniger geltend machen k\u00f6nnen als bei der Zufuhr grosser Gaben von reinem Fleisch, bei denen der Vorrath von zerst\u00f6rbarem Eiweiss im K\u00f6rper gr\u00f6sser ist; und endlich auf den Fettverlust, der stets eine Steigerung des Eiweissumsatzes bedingt.\nNach meinen Versuchen am Hunde wird die Stickstoffausscheidung und die Gesammteiweisszersetzung durch die Muskelarbeit nicht oder nur in geringem Grade und indirekt beeinflusst, es wirkt also die k\u00f6rperliche Anstrengung auf die Bedingungen der Zerst\u00f6rung des Eiweisses nicht direkt ein, wohl aber auf die des Fettes. Meine Beobachtung stiess die ganze wohl gef\u00fcgte Theorie, welche man","page":190},{"file":"p0191.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Muskelarbeit auf den Gesammtstoffumsatz.\n191\nsich \u00fcber die Ursachen des Eiweissverbrauchs gemacht hatte, sowie viele andere sich daran ankn\u00fcpfende, scheinbar fest stehende Anschauungen um und bildete den Ausgangspunkt f\u00fcr neue.\nMan h\u00e4tte die von mir gefundene Thatsache noch in anderer AVeise auslegen k\u00f6nnen. Ich habe namentlich in meinem Buche (a. a. 0. S. 191 u. 192) die M\u00f6glichkeit einer gr\u00f6sseren Zersetzung von Eiweiss w\u00e4hrend der Arbeit und einer nachtr\u00e4glichen Ausgleichung derselben besprochen.\nMan h\u00e4tte sich n\u00e4mlich zun\u00e4chst denken k\u00f6nnen, dass w\u00e4hrend der Arbeit wirklich mehr Eiweiss umgesetzt wird als bei der Ruhe, dass aber bei gleichzeitiger Nahrungsaufnahme aus dem Eiweissvor-rathe derselben der Verlust alsbald wieder ersetzt wird, da ja die Bedingungen f\u00fcr den Ansatz nach meinen eigenen Erfahrungen nach einer Abgabe von Eiweiss vom K\u00f6rper sich g\u00fcnstiger gestalten. Ein solcher Vorgang k\u00f6nnte jedoch nur bei reichlicher Zufuhr von Eiweiss in der Nahrung stattfinden, jedoch nicht beim Hunger, wo kein Ersatzmaterial vorhanden ist. Es m\u00fcsste daher beim Hunger eine erhebliche Vermehrung der Stickstoffausscheidung eintreten: aber gerade dabei ist die letztere am geringsten und kaum bemerkbar.\nMan h\u00e4tte ferner vermuthen k\u00f6nnen, im hungernden Organismus zerfalle w\u00e4hrend der ganzen Dauer der Bewegung mehr Eiweiss, aber darnach, in der darauf folgenden Ruhe- oder Nachtzeit um so viel weniger, wodurch sich der erstere Verlust wieder ausgleichen und der Gesammteiweissumsatz in 24 Stunden trotz der Arbeit der n\u00e4mliche bleiben w\u00fcrde wie bei v\u00f6lliger Ruhe. Diese von mir zuerst ausgesprochene M\u00f6glichkeit der Erkl\u00e4rung der durch mich gefundenen Thatsache, welche M\u00f6glichkeit ich aus bestimmten Gr\u00fcnden f\u00fcr sehr unwahrscheinlich hielt, hat J. Ranke1 durch den Versuch am Menschen gepr\u00fcft, indem er w\u00e4hrend des Hungers die st\u00fcndliche Harnstoflfausscheidung bei Ruhe und zweist\u00fcndiger Arbeit (Spazierengehen) bestimmte. Er fand statt eines allm\u00e4hlichen Sinkens derselben in den Vormittagsstunden entweder schon w\u00e4hrend der Stunden der k\u00f6rperlichen Bewegung oder erst in der darauf folgenden Ruheperiode ein geringes Ansteigen, das dann von einer nachtr\u00e4glichen raschen Verminderung abgel\u00f6st wird. Die dabei eiutretende Vermehrung der Harnstoffausscheidung war aber so geringf\u00fcgig, f\u00fcr die Stunde h\u00f6chstens 0.5 Grin, betragend, dass sie in gar keinem Verh\u00e4ltnis zu der geleisteten Arbeit steht.\n1 J. Ranke. Tetanus. S. 304. 1865.","page":191},{"file":"p0192.txt","language":"de","ocr_de":"192 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nSp\u00e4ter haben Pettenkofer und ich 1 ebenfalls am ruhenden und arbeitenden Menschen, bei Hunger sowohl als auch bei genau con-trolirter Nahrungsaufnahme, Versuche \u00fcber die Stickstoffausscheidung angestellt, und dabei die RANKE\u2019schen Angaben nicht best\u00e4tigen k\u00f6nnen. An dem von uns ben\u00fctzten kr\u00e4ftigen Arbeiter, welcher 9 Stunden im Tag eine sehr bedeutende Leistung bis zur Erm\u00fcdung ausf\u00fchrte, wurde w\u00e4hrend der 12 Tag- und der 12 Nachtstunden der Eiweissverbrauch ermittelt, wobei sich ergab:\n\t\tHarnstoff\t\t\n\t\tin 24 Stunden\tin der Tagesh\u00e4lfte\tin der Nachth\u00e4lfte\n\tRuhe\t26.8\t15.9\t10.9\nHunger <\tRuhe\t26.3\t14.4\t11.9\n!\tArbeit\t25.0\t11.9\t13.1\n\tRuhe\t37.2\t21.5\t15.7\n\tRuhe\t35.4\t17.8\t17.6\nmittlere Kost\tRuhe\t37.2\t19.2\t1S.0\n\tI Arbeit\t36.3\t20.1\t16.2\n\t' Arbeit\t37.3\t18.9\t18.4\nDarnach ist also auch beim Menschen die in 24 Stunden aus-geschiedene Stickstoffmenge bei Ruhe und Arbeit abermals die gleiche. In den Reihen mit mittlerer Kost kann man bei der Theilung in die Tag- und Nachth\u00e4lfte die vorher gestellte Frage nicht scharf entscheiden, da auf die Nachth\u00e4lfte das ziemlich frugale Abendessen f\u00e4llt, weshalb es darauf ankommt, ob von dem Mittagsmahl und dem Vesperbrod gr\u00f6ssere oder kleinere Mengen beim Beginn der Nachth\u00e4lfte verdaut sind. Ein irgend erheblicher Unterschied zwischen der Ruhe- und Arbeitszeit ist jedoch, wie schon diese Zahlen aus-sagen, nicht vorhanden. Bestimmtest lassen aber die Hungerreihen entnehmen, dass nicht einmal vor\u00fcbergehend w\u00e4hrend der Arbeit mehr Eiweiss zerf\u00e4llt als in der Ruhe.\nWir haben auch dabei die Ausscheidung der Gesammtschwefel-s\u00e4ure und der Phosphors\u00e4ure im Harn bestimmt und keine Aende-rung in ihrer Menge durch k\u00f6rperliche Anstrengung gefunden, wie die folgende Tabelle nachweist2:\n1\tPettenkofer u. Voit, Ztsclir. f. Biologie. II. S. 459. 1866. .\n2\tDadurch wird auch die Vermuthung widerlegt, dass hei k\u00f6rperlicher Anstrengung der Stickstoff zum Theil gasf\u00f6rmig durch Haut und Lungen toitgeht und also dabei doch mehr Eiweiss umgesetzt wird. In diesem Falle m\u00fcsste nach der Arbeit wegen des grossen Verlustes von Eiweiss am K\u00f6rper weniger da'son","page":192},{"file":"p0193.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Muskelarbeit auf den Gesammtstoft'umsatz.\n193\n\t\tSchwefel-\tPhosphor-\n\t\ts\u00e4ure\ts\u00e4ure\nHunger <\tRuhe Arbeit\t1.47 1.72\t3.15 2.95\n\tRuhe\t2.56\t4.19\nmittlere Ivost <\tRuhe Arbeit\t2.66 2.57\t4.15\n\tArbeit\t\u2014\t4.07\nL. A. Parkes 1 wollte anfangs am Menschen, im Gegensatz zu J. Ranke, bei gleicher Eiweisszufuhr an den Ruhetagen eine gr\u00f6ssere Eiweisszersetzung gefunden haben wie an den Arbeitstagen. Parkes meinte, es werde im ruhenden K\u00f6rper das verzehrte Eiweiss zum gr\u00f6ssten Theile zerst\u00f6rt, in dem arbeitenden dagegen theilweise an den Muskeln angesetzt, w\u00e4hrend Liebig 2 daraus auf einen vermehrten Eiweisszerfall bei der Arbeit schloss, dessen Produkte aber erst nach und nach in der darauf folgenden Ruhe in Harnstoff umgewandelt und ausgeschieden w\u00fcrden. Nach letzterer Anschauung w\u00e4re es also nicht m\u00f6glich, den Einfluss der Muskelanstrengung (oder auch anderer Bedingungen) auf den Eiweissverbrauch durch die an diesem Tage secernirte Stickstoffmenge zu entnehmen. Ich * 1 2 3 habe dagegen gezeigt, dass bei diesen Versuchen von Parkes der Stickstoffgehalt der Nahrung nicht gleich gehalten und nicht genau bekannt war, ja dass ihr Autor noch keine gen\u00fcgende Vorstellung davon hatte, mit welcher peniblen Sorgfalt derartige Untersuchungen am Menschen an-gestellt werden m\u00fcssen. Nach Parkes\u2019 Annahme m\u00fcsste die Arbeit beim Hunger ganz anders auf den Eiweissumsatz einwirken als bei Nahrungsaufnahme. Ausserdem lassen sich aus den von Parkes angegebenen Zahlen jene Schl\u00fcsse nicht ziehen; die Produkte des Zerfalls der stickstoffhaltigen Stoffe gehen nach meinen fr\u00fcheren Mittheilungen \u00fcber die Stickstoffausfuhr nach Leimf\u00fctterung nicht so langsam in Harnstoff \u00fcber und verweilen nicht l\u00e4ngere Zeit im K\u00f6r-\nzersetzt werden, was aber nicht geschieht. Da bei der Rahe sicherlich aller Stickstoff im Harn und Ivoth erscheint, so m\u00fcsste ferner bei der Arbeit gerade so viel Stickstoff' im Athem oder Schweiss Weggehen, als bei ihr mehr an Eiweiss zerst\u00f6rt wird, was doch gewiss einer der sonderbarsten Zuf\u00e4lle w\u00e4re. Weil aber bei der Arbeit die Ausscheidung der Schwefels\u00e4ure und Phosphors\u00e4ure unver\u00e4ndert bleibt, so ist damit auch die unver\u00e4nderte Eiweisszersetzung bewiesen, denn w\u00fcrde mehr Eiweiss zersetzt, so m\u00fcssten die mit ihm verbundenen, nicht fl\u00fcchtigen anorganischen Stoffe in gr\u00f6sserer Menge im Harn sich vorfinden.\n1\tL. A. Parkes, Proceed, of the Roy. Soc. XY. p. 339. 1867, XYI. p. 44. 1868, XIX. p. 349. 187 L ; British med. journ. I. p. 275. 304. 334. 1ST 1.\n2\tLiebig, Sitzgsber. d. bayr. Acad. IL S. 393. 1869; Ann. d. Chem. u. Pharm. CLIII. S. 1 u. 137.\n3\tVoit, Ztschr. f. Biologie. VI. S. 321. 1870.\nHandtuch der Physiologie. Bd. VI.\n13","page":193},{"file":"p0194.txt","language":"de","ocr_de":"194 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nper, wie Liebig\u2019s Hypothese voraussetzt, sondern werden vielmehr im Lauf von 24 Stunden vollst\u00e4ndig daraus entfernt. Es findet sich endlich bei meinen Versuchen weder am Hunde noch am Menschen eine geringere Eiweisszersetzung bei der Arbeit. Sp\u00e4ter hat Parkes 1 2 selbst, bei einer wie es scheint ziemlich gleichm\u00e4ssigen Nahrung mit 20 Grm. Stickstoff, eine geringe Steigerung der Harnstoffausscheidung in Folge der Muskelarbeit gefunden, n\u00e4mlich:\nN im Harn und Koth\nRuhe.........................18.95\tGrm.\nArbeit.......................21.26\t\u201e\nRuhe.........................19.10\t\u201e\nArbeit (mit Alkoholgenuss) 20.12\t\u201e\nRuhe.........................18.21\t\u201e\nEs w\u00e4re auch noch, um den gr\u00f6sseren Eiweisszerfall bei der Arbeit zu retten, die Annahme m\u00f6glich gewesen, es werde wohl im ganzen K\u00f6rper bei der Anstrengung nicht mehr Eiweiss zerst\u00f6rt wie bei der Ruhe, es werde aber bei ersterer ein grosser Theil des Bluts nach den th\u00e4tigen Muskeln gezogen, welches dann das Material zu einer Mehrzersetzung von Eiweiss in diesen Organen liefere, w\u00e4hrend die \u00fcbrigen Organe darben und deshalb entsprechend weniger Eiweiss verbrauchen. Ich - habe zuerst auf diese M\u00f6glichkeit aufmerksam gemacht und J. Ranke3 hat dieselbe weiter ausgef\u00fchrt. Es ist eine solche indirekte Wirkung des st\u00e4rkeren S\u00e4ftestroms auf den Eiweisszerfall in dem sich contrahirenden Muskel wohl denkbar, ich halte sie aber nur f\u00fcr unbedeutend. Keinesfalls steht der Eiweissverbrauch in direkter Beziehung zur Muskelarbeit im K\u00f6rper, denn dann m\u00fcsste die Gr\u00f6sse der letzteren stets die gleiche bleiben, weil die Gesammteiweisszersetzung bei Ruhe und Arbeit nahezu die gleiche ist, d. h. es m\u00fcssten, wenn gewisse Muskelgruppen th\u00e4tig sind, die \u00fcbrigen Muskeln im K\u00f6rper entsprechend weniger th\u00e4tig sein, was aber nicht denkbar ist. Da in einem hungernden Organismus bei m\u00f6glichster Ruhe und bei m\u00f6glichster Anstrengung, in welchem letzteren Falle doch gewiss im Gesammtk\u00f6rper mehr Muskelarbeit geleistet wird, der Eiweisszerfall sich nicht wesentlich \u00e4ndert, so kann derselbe direkt mit der Muskeltk\u00e4tigkeit nichts zu thun haben.\nL. Hermann 4 l\u00e4sst, zur Erkl\u00e4rung des Gleichbleibens der Stickstoffausgabe , bei der Muskelcontraktion das Eiweiss in gr\u00f6sserer\n1\tParkes, Proceed, of the Roy. Soc. XX. p. 402. 1872.\n2\tVoit, Ueber die Theorien der Ern\u00e4hrung. Akademierede. S. 35. 1868.\n3\tRanke, Blutvertkeilung und Th\u00e4tigkeitswechsel der Organe. 1871.\n4\tL. Hermann, PTiters. \u00fcber den Stoffwechsel der Muskeln. S. 100. 1867.","page":194},{"file":"p0195.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Muskelarbeit auf den Gesammtstoffumsatz.\t195\nMenge sich spalten, alsbald aber aus den stickstoffhaltigen Spaltungsprodukten und den stickstofffreien Stoffen der Nahrung wieder aufgebaut werden; nur bei sehr starker und erm\u00fcdender Arbeit findet letzteres nach ihm nicht mehr statt, weshalb dabei eine Steigerung der Stickstoffausscheidung zu beobachten ist. Es ist mir unklar, warum dann das in der Ruhe zersetzte Eiweiss nicht ebenso restituirt wird wie das bei der Arbeit; es w\u00fcrde ferner der erste Eiweisszerfall zu der Arbeitsleistung nichts beitragen, da ebensoviel Kraft zum Wiederaufbau des Eiweissmolek\u00fcls n\u00f6thig ist als beim Zerfall desselben frei geworden war. Das Endresultat bleibt selbstverst\u00e4ndlich das n\u00e4mliche, denn es ist auch bei Hermann\u2019s Anschauung der Verlust des hungernden Organismus an Eiweiss bei Ruhe und Arbeit der gleiche.\nSeit dem Erscheinen meiner Abhandlung und seit meinem anfangs paradox klingenden Ausspruch, dass bei der K\u00f6rperbewegung nicht wesentlich mehr Stickstoff ausgeschieden werde als ohne dieselbe, wurden \u00fcber dieses Thema ausser den schon genannten noch vielfache Untersuchungen am Menschen angestellt, und dabei je nach der angewandten Versuchsmethode verschiedene Resultate erhalten, sowie mancherlei Meinungen ge\u00e4ussert.1 2\nNach Noyes 2 wird nur bei einer in hohem Grade erm\u00fcdenden Arbeit mehr Harnstoff ausgesehieden. Sam. Haughton3 fand t\u00e4glich im Durchschnitt bei gew\u00f6hnlicher Besch\u00e4ftigung 31.3 Grm. Harnstoff, nach einem starken Marsche ebenfalls 31.3 Grm., und er ist \u00fcberzeugt, dass durch K\u00f6rperbewegung nicht mehr Harnstoff gebildet wird. Auch Meissner bemerkte bei einem Hunde keine vermehrte Harnstoffausscheidung in Folge der Bewegung.4 5\nJ. Weigelin 5 untersuchte \u00e4hnlich wie fr\u00fcher Ranke die Harnstoffausscheidung bei zweist\u00fcndiger Muskelanstrengung und der darauf folgenden Ruhezeit; es ergab sich w\u00e4hrend der Zeit der Bewegung eine geringf\u00fcgige Vermehrung der Harnstoffzahl, eine deutliche Vermehrung aber erst in der nachfolgenden Ruhezeit (die willk\u00fcrliche Spannung der Mus-\n1\tDie Einw\u00e4nde von Speck (Arch. d. Yer. f. gern. Arb. YI. S. 161. 1862 u. Arch, d. Heilk. 1861. S. 371), ebenso die Fragen von Meissner (Jahresber. von Henle u. Meissner. 1860. S. 374 u. 1862. S. 389), sowie die Zweifel Heidenhain\u2019s (Mech. Leistung u. W\u00e4rmeentwicklung im Muskel. S. 175. 1864) und Liebig\u2019s habe ich in der Ztscbr. f. Biologie. IL S. 337. 1866, YI. S. 324. 1870 besprochen.\n2\tN'oyes, Amer, journ. of scienc. 1867. p. 345. Siebe auch Douglas, Phil. Mag. and Journ. of scienc. 1867. p. 273.\n3\tSam. Haughton, Med. Times and Gaz. 1867. p. 205 u. 269, II. p. 171 u. 203.\n1868.\n4\tMeissner, Ztscbr. f. rat. Med. XXXI. S. 283. 1868.\n5\tJ. Weigelin, Versuche \u00fcber den Einfluss der Tageszeiten und der Muskelanstrengung auf die Harnstoffausscheidung. Diss. inaug. T\u00fcbingen 1869 ; Arch. f. Anat. u. Physiol. 1868. S. 207. Die LiEBiG\u2019scbe Methode giebt in dem verd\u00fcnnten Harn w\u00e4hrend und nach der Arbeit ganz unzuverl\u00e4ssige, um Vieles zu hohe Resultate.\n13*","page":195},{"file":"p0196.txt","language":"de","ocr_de":"196 Von, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauchim thier. Organismus etc.\nkein ohne Leistung nach Aussen zeigte nur w\u00e4hrend der Th\u00e4tigkeit eine geringe Steigerung, nicht aber darnach w\u00e4hrend der Ruhe). Die Ver-suehsbedingungen sind aber ziemlich verwickelt und nicht so einfach, wie bei Ranke ; denn Weigelin nahm bei Beginn der Arbeitszeit 2 V2 Schoppen Wasser und meist w\u00e4hrend und nach derselben noch weitere 2 Schoppen, ausserdem 1 Schoppen Milch, und es kann leicht sein, dass durch das angestrengte Gehen die Verdauung der Milch verz\u00f6gert und in die Ruhezeit hineingezogen, oder durch die reichlichere Wasseraufnahme eine Aen-derung der Harnstoffbildung hervorgerufen wurde. Vor Allem aber sind die Schwankungen der Werthe an den verschiedenen Versuchstagen ganz ausserordentlich gross, so dass aus den kleinen Differenzen der Mittelzahlen kaum ein sicherer Schluss erlaubt ist.\nByasson l, dessen Methoden nicht gen\u00fcgend genau waren, ass eine Art Brod, aus Mehl, Eiern, Butter, Zucker und Salz bereitet, und erhielt im Mittel bei:\nMuskelarbeit .\t10.65\tGrm.\tStickstoff\tim\tHarn\nGeistiger Arbeit\t11.57\t\u201e\t\u201e\t\u201e\t\u201e\nRuhe ....\t9.98\t\u201e\tn\t\u00ab\tv\nEbenfalls mit ungen\u00fcgenden Methoden erhielt Albini2 3 bei K\u00f6rperbewegung eher eine \\ erminderung der Harnstoftausscheidung.\nDie Arbeit Engelmann\u2019s a ist aus Gr\u00fcnden, die schon (S. 7 8) mitgetlieilt worden sind, ganz unzuverl\u00e4ssig und fehlerhaft, so dass seine Angabe einer Vermehrung des Harnstoffs, namentlich aber der Schwefels\u00e4ure und Phosphors\u00e4ure im Harn des arbeitenden Menschen keinen Werth besitzt.\nF. Schenk4 5 6 hatte unter Nencki\u2019s Leitung einen Menschen durch constante Nahrungszufuhr in das Stickstoffgleichgewicht gebracht, und in einer ersten Versuchsreihe mit Liebig\u2019s Methode bei Ruhe im Mittel 46.2 Grm. Harnstoff, bei Arbeit im Mittel 52.5 Grm. Harnstoff erhalten, in einer zweiten Versuchsreihe jedoch keine Steigerung beobachtet. Die zuerst gefundene Vermehrung kann also nach ihm nicht eine Folge der geleisteten Arbeit sein.\nAn dem bekannten Schnelll\u00e4ufer Weston haben Austin Flint 0 in New-York und Pavyg Bestimmungen gemacht, deren Resultate mit den meinigen in Widerspruch stehend gedeutet wurden. Ihre Untersuchungen k\u00f6nnen jedoch keinen Entscheid bringen, weil der K\u00f6rper Weston\u2019s sich nicht im Stickstoffgleichgewicht befand und die Nahrung ganz verschiedene Mengen von Stickstoff enthielt. An den Tagen der sehr erheblichen Arbeitsleistung (40\u201492 engl. Meilen t\u00e4glich) wurde zwar nicht mehr Stickstoff im Harn ausgeschieden wie in der Ruhezeit, aber wesentlich mehr\n1\tByasson, Essai sur la relation qui existe \u00e0 l\u2019\u00e9tat physiologiq. entre l\u2019activit\u00e9 c\u00e9r\u00e9brale et la composition des urines. Th\u00e8se. Paris_1568.\n2\tAlbinie Fienga, Gazz. med. ital. Lomb. 1870. No. 25.\n3\tEngelmann, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1ST 1. S. 14.\t\u201e\n4\tF. Schenk, Arch. f. exper. Pathol, u. Pharm. II. S. 21. 1874; Centralbl. f. d.\n5\tAustin Flint, Journ. of anat. and physiol. XI. (1) p. 109. 1876,XII. p.\u00fcl. 18 < <\u2022\n6\tPavy, Centralbl. f.d. med.Wiss. 1877. No. 28 ; Lancet. I. No. 9\u201413 u. II. No. 22 bis 26. 1876, I. No. 2. 1877. \u2014 Siehe auch J. Jones, New Orleans med. a surg. Journ. 1878; Brit, and for med.-Chirurg. Review p. 190. 1877.","page":196},{"file":"p0197.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Muskelarbeit auf den Gesammtstoffumsatz.\n197\nals in den Speisen zugef\u00fchrt worden war, von denen w\u00e4hrend des angestrengten Laufens betr\u00e4chtlich weniger als sonst verzehrt werden konnte. An den einzelnen Arbeitstagen schwankt die Menge des in der Kost aufgenommenen Stickstoffs um mehr als das Doppelte, und wenn man die Kost der Ruhetage damit vergleicht, selbst um das Vierfache von einem Tage zum andern: es ist dem entsprechend die Gr\u00f6sse des Eiweisszerfalls ausserordentlich wechselnd. Aus dem Umstande nun, dass in der Arbeitsperiode bei ungen\u00fcgender Zufuhr mehr Stickstoff* im Harn erscheint als in den Speisen enthalten war und in der Ruheperiode trotz reichlicherer Zufuhr nicht mehr wie vorher bei der Arbeit, wird nun der Schluss gezogen, die Arbeitsleistung bedinge einen Zerfall des Muskelgewebes, der durch das Eiweiss der Nahrung nachher wieder ausgeglichen werde. J. Forster1 hat schon hervorgehoben, dass die angestellten Versuche einen solchen Schluss nicht gestatten und bei gleich wechselnder Zufuhr auch ohne irgend welche K\u00f6rperanstrengung die n\u00e4mlichen Zahlenresultate erhalten worden w\u00e4ren.\nNach Brietzke 2 zeigte sich bei Gefangenen keine Aenderung in der Harnstoffmenge bei Ruhe und Arbeit. H. Oppenheim 3 endlich konnte bei einem im Stickstoffgleichgewichte befindlichen Menschen, auch bei angestrengter Muskelarbeit keine Steigerung der Stickstoffausscheidung nach-weisen, wenn dieselbe nicht zur Dyspnoe f\u00fchrte.\nWie man ersieht, findet nach allen denjenigen Versuchen an Menschen, bei welchen die Kost genau regulirt war und der K\u00f6rper eben auf seinem Eiweissbestande erhalten wurde, keine in Betracht kommende Aenderung der Stickstoffausfuhr bei der Arbeit statt.\nScheinbar andere Resultate, als sie am Hund und am Menschen sich ergeben hatten, fanden v. Wolff, v. Funke, Kreuzhage und Kellner4 in Hohenheim durch h\u00f6chst interessante und musterhaft durchgef\u00fchrte Versuche am Pferde. Das Thier erhielt Tag f\u00fcr Tag das gleiche Futter, dessen Ausn\u00fctzung unver\u00e4ndert blieb, und zeigte bei der Messung der Stickstoffausscheidung im Harn stets eine Vermehrung derselben mit der H\u00f6he der am G\u00f6pel geleisteten Arbeit. Sie theilen folgende Zahlen mit:\nPeriode No.\tArbeit in Kilogrammeter\tStickstoff im Harn in 24 Stunden\n1.\t500 000\t98.8\n\u25a0)\t1000 000\t109.3\n3.\t\u2022\t1500 000\t116.8\n4.\t1000 000\t110.2\n5.\t500 000\t98.3\n1\tJ. Forster, Deutsch. Ztschr. f. Thiermedicin u. vergl. Pathol. 1878. S. 302.\n2\tBrietzke? Centralbl. f. d. med. Wiss. 1878. S. 382 ; Brit, and for. med. Chirurg. Revue. 1877. p. 190.\n3\tH. Oppenheim, Arch. f. d. ges. Physiol. XXII. S. 49. 1880.\n4\tWolff, Funke, Kreuzhage u. Kellner, Amtl. Bericht d. 50. Vers, deutsch. Naturf. u. Aerzte zu M\u00fcnchen, 1877. S. 224. \u2014 0. Kellner, Landw. Jahrb. VIII.","page":197},{"file":"p0198.txt","language":"de","ocr_de":"198 Voit. Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nDas Lebendgewicht des Pferdes sank bis zur Periode 5. exclusive betr\u00e4chtlich ab, von 534 auf 508 Kilo, d. h. das Futter war f\u00fcr die gr\u00f6ssere Anstrengung nicht hinreichend und nur f\u00fcr massige Arbeit gen\u00fcgend.\nIch kann diese Resultate nicht als in Widerspruch mit meinen Versuchsergebnissen und Darlegungen stehend erachten. Ich habe beim Hunde in manchen F\u00e4llen ebenfalls eine Steigerung des Eiweissverbrauchs bei dem Laufen beobachtet und zwar bis zu 16%. Da aber in anderen F\u00e4llen trotz intensiver Arbeit keine solche Aen-derung eintritt, so kann jene Vermehrung nicht direkt von der Arbeit, sondern nur von anderen Nebeneinfl\u00fcssen herr\u00fchren. Als solche habe ich die gr\u00f6ssere Wasseraufnahme und Harnmenge bei der Muskelanstrengung, ferner den verst\u00e4rkten S\u00e4ftekreislauf, vorz\u00fcglich aber den Fettverlust vom K\u00f6rper angegeben. Ein fett\u00e4rmerer Organismus setzt nach den fr\u00fcher mitgetheilten Erfahrungen betr\u00e4chtlich mehr Eiweiss um als ein fettreicher; die Fettabgabe hat einen geringen Einfluss, wenn in den Organen reichlich Fett abgelagert ist, einen bedeutenderen jedoch bei verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig magerem K\u00f6rper. Darum zeigt der gew\u00f6hnlich fettreiche Mensch, sowie ein \u00e4lterer Hund keine Aenderung in der Stickstoffausscheidung. Ich hatte schon vor meinen Versuchen an Menschen ge\u00e4ussert, dass bei fettem Leib, sowie bei gen\u00fcgender Aufnahme stickstofffreier Stoffe kein verst\u00e4rkter Eiweissumsatz sich finden werde.1 Ich f\u00fchre die etwas gr\u00f6ssere Zersetzung von Eiweiss an den Ruhetagen nach sehr starker Arbeit zum Theil auf die Fettabgabe zur\u00fcck, so z. B. bei den Soldaten von Parkes, welche im Tag nur etwa 254 Grm. Kohlenstoff aufnahmen, w\u00e4hrend unser Arbeiter bei der gleichen Stickstoffzufuhr 315 Grm. Kohlenstoff erhielt und bei der Arbeit doch noch 56 Grm. Fett von seinem K\u00f6rper einb\u00fcsste.\nSolche Verh\u00e4ltnisse m\u00fcssen nun auch in h\u00f6herem Grade bei dem Hohenheimer Versuchspferd gegeben sein. Vor Allem hat das Pferd an seinem Leibe relativ nur wenig Fett; wenn das Thier nun f\u00fcr die Ruhe gerade gen\u00fcgend stickstofffreie Stoffe erh\u00e4lt, so muss es durch die andauernde strenge Th\u00e4tigkeit allm\u00e4hlich immer \u00e4rmer an Fett werden, um so mehr je gr\u00f6sser die Leistung ist. Bei diesem Zustande bewirkt eine ungen\u00fcgende Zufuhr stickstofffreier Stoffe eine\nS. 701. 1879; Unters, \u00fcber einige Beziehungen zwischen Muskelth\u00e4tigkeit u. Stoffzerfall im thier. Organismus, ausgef\u00fchrt auf d. k. landw. Versuchsstation Hohenheim 1880.\n1 Voit, Unters, \u00fcber d. Einfluss des Kochsalzes etc. S. 188. 1860 ; Ztschr. f. Biologie. VI. S. 336. 1S70.","page":198},{"file":"p0199.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Muskelarbeit auf den Gesammtstoffumsatz.\n199\nErh\u00f6hung des EiweissVerbrauchs und zwar um so mehr je gr\u00f6sser nach Zerst\u00f6rung der stickstofffreien Stoffe die Anforderungen an die Arbeitsleistung des Thieres sind. Es versteht sich ja von selbst, dass in einem extremen Falle, wenn gar kein Fett mehr im K\u00f6rper vorhanden ist und in der Nahrung keine stickstofffreien Stoffe gereicht werden, nur vom Eiweiss gezehrt wird und die Zerst\u00f6rung desselben entsprechend der Arbeit w\u00e4chst. Der Pflanzenfresser zeigt sich weit mehr abh\u00e4ngig von der Zufuhr stickstofffreier Substanzen als der Fleischfresser, wenigstens sieht man beim Kaninchen und auch beim Ochsen nach Entziehung der Nahrung schon fr\u00fch eine erhebliche Zunahme der Eiweisszersetzung auftreten und zwar deshalb, weil in den ersten Tagen das Thier noch einen Vorrath von Kohlehydraten im Darm besitzt. Das arbeitende Pferd befand sich, namentlich in der 2\u20144. Periode, in einem Zustande des theilweisen Hungers an stickstofffreien Stoffen, wie auch die Gewichtsabnahme darthut, es verhielt sich wie ein Thier, dem man einmal Eiweiss mit viel, das andere Mal mit wenig Kohlehydraten giebt; w\u00fcrde man dem Pferd bei der Arbeit stets so viel stickstofffreie Stoffe bieten, dass der K\u00f6rper kein Fett abgiebt, dann w\u00fcrde sicherlich auch keine Steigerung des Eiweisszerfalls beobachtet werden, was auch aus den neueren Hohenheimer Versuchen, bei denen bei der Arbeit mehr Kohlehydrate gef\u00fcttert wurden, hervorzugehen scheint. Wenn es m\u00f6glich ist, durch stickstofffreie Substanzen den gr\u00f6sseren Eiweissumsatz bei der Arbeit zu hindern, dann kann letztere nicht direkt die Ursache des verst\u00e4rkten Eiweisszerfalls sein. Die Resultate der Hohenheimer Forscher lassen sich also nicht in Gegensatz zu den meinigen stellen ; die Muskelarbeit hat, wie durch letztere sicher erwiesen ist, keinen direkten Einfluss auf den Eiweissumsatz, und es handelt sich in scheinbaren Ausnahmef\u00e4llen nur darum, zu ermitteln, wodurch eine Erh\u00f6hung des letzteren veranlasst ist und wie man dieselbe vermeiden kann. Die manchmal beobachtete 2'erin\u00b0-e Steigerung der Stickstoffausscheidung geht durchaus nicht proportional der geleisteten Arbeit, und sie tritt vollst\u00e4ndig in den Hintergrund gegen\u00fcber der enormen Zunahme der Kohlens\u00e4ureausscheidung und des Fettverbrauchs bei der k\u00f6rperlichen Th\u00e4tigkeit, wie gleich gezeigt werden soll.\nWie diese Erfahrung mit der Angabe von Playfair1, nach welcher verschiedene Arbeiter ganz nach Maassgabe ihrer Muskel-\n1 Playfair, On the food of man in relation to his useful work. Edinb. 1S65; Med. Times and Gazette. II. p. 325. I860.","page":199},{"file":"p0200.txt","language":"de","ocr_de":"200 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverhrauch im thier. Organismus etc.\nth\u00e4tigkeit mehr Harnstoff im Harn ausscheiclen und mehr Eiweiss in der Nahrung verzehren, in Einklang zu bringen ist, wird sp\u00e4ter angegeben werden.\nNachdem dargethan ist, dass der Eiweissverbrauch bei der Arbeit nicht vermehrt ist, bekommt die fr\u00fcher beobachtete gr\u00f6ssere Kohlens\u00e4ureausscheidung eine ganz andere Bedeutung. So lange man an eine gesteigerte Eiweisszersetzung in Folge \u00bbder Arbeit glaubte, konnte man von ihr die reichlichere Abgabe von Kohlens\u00e4ure ableiten; nach den jetzigen Erfahrungen bleibt nichts anderes \u00fcbrig, als eine vermehrte Zerst\u00f6rung stickstofffreier Stoffe dabei anzunehmen.\nEs sind vorher schon die Versuche von Lavoisier, Vierordt und Scharling erw\u00e4hnt worden, nach denen die Kohlens\u00e4ureabgabe und die Sauerstoffaufnahme bei der Arbeit wesentlich erh\u00f6ht sind. Sp\u00e4ter hat Ed. Smith1 2 angegeben, dass bei der k\u00f6rperlichen Anstrengung zwar nicht wesentlich mehr Harnstoff, aber bis zu zehnmal mehr Kohlens\u00e4ure gebildet werde wie im Ruhezust\u00e4nde; seine Kohlens\u00e4urebestimmungen sind aber noch mit einem unvollkommenen Apparate und namentlich nur w\u00e4hrend kurzer Zeit gemacht worden. Nach Sczelkow 2 steigt nach der Beobachtung von einigen Minuten beim Tetanus der hinteren Extremit\u00e4ten des Kaninchens der Ge-sammtgaswechsel bedeutend an. Ferner hat C. Speck3 eine Steigerung der Kohlens\u00e4ureausscheidung und des Sauerstoftconsums bei der Anstrengung w\u00e4hrend kurzer Zeit beobachtet, und f\u00fcr das langsame Heben und Niederlassen von je I Kilogrammeter im Mittel ein Plus von 0.0079 Grm. Sauerstoff und 0.010 Grm. Kohlens\u00e4ure gefunden.\nPettenkofer und ich4 untersuchten zuerst alle Exkrete beim ruhenden und arbeitenden Menschen w\u00e4hrend 24 Stunden, und konnten so Aufschluss \u00fcber die dabei im K\u00f6rper sich zersetzenden Stoffe und die Quantit\u00e4ten, in denen sie zerst\u00f6rt werden, geben. W\u00e4hrend die Menge des im Harn ausgeschiedenen Stickstoffs und der festen Theile in demselben sich nicht \u00e4nderte, zeigte der Vergleich der durch Haut und Lunge abgegebenen Gase ganz gewaltige Differenzen. An den Ruhetagen wurden von hungernden Menschen S21 Gramm Wasser und 716 Grm. Kohlens\u00e4ure entfernt, bei der Arbeit dagegen\n] Ed. Smith, Philos. Transact. Roy. Soc. CXLIX.(2) p. 6S1. 715.1859;Medico-chirurg. Transact. XLII. p. 91. 1859.\tt\n2\tSczelkow, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XLY. S. 171.1862.\n3\tC. Speck, Schriften der Ges. z. Bef\u00f6rd. d. ges. Naturwiss. zu Marburg X. 18/1 ; Arch. f. exper. Pathol, u. Pharm. II. S. 405. 18/4.\n4\tPettexkofer u. Voit, Ztschr. f. Biologie. II. S. 538. 1866.","page":200},{"file":"p0201.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss cler Muskelarbeit auf den Gesammtstoffumsatz.\n201\n1777 Grm. Wasser und 1187 Grm. Kolilens\u00e4ure. Da im letzteren Fall die Kohlenstoffmenge diejenige des zersetzten Eiweisses um 291 Grm. \u00fcbertrifft, und um 129 Grm. mehr betr\u00e4gt als bei der Ruhe, so kann der Ueberschuss nur von oxydirtem Fett herr\u00fchren; es ist nicht m\u00f6glich, dass in dem im K\u00f6rper aufgeh\u00e4uften Glykogen oder Zucker oder in anderen stickstofffreien Substanzen so viel Kohlenstoff enthalten ist. W\u00e4hrend der Arbeit musste demnach im hungernden Organismus mehr Fett zerst\u00f6rt worden sein. Es zeigte sich:\n\tVerbrauch an trocknem Fleisch\tVerbrauch an Fett\tVerbrauch an Kohlehydraten\tSauerstoff auf\tSauerstoff n\u00f6thig\n1. Hunger Piuhe\t79\t209\t0\t761\t710\n\u201e\tArbeit\t75\t380\t0\t1071\t1192\n2. mittl. Kost Ruhe\t137\t72\t352\t831\t781\n\u201e\tArbeit\t137\t173\t352\t980\t1070\nUm die Steigerung der Kohlens\u00e4ure und des Sauerstoffs w\u00e4hrend der Th\u00e4tigkeit ganz zu erkennen, muss man die Ergebnisse der 12 Tagesstunden, von denen w\u00e4hlend 9 Stunden angestrengt gearbeitet wurde, sowie der 12 Nachtstunden mit einander vergleichen. Es ergiebt sich so im Mittel:\n\tKohlens\u00e4ure\t\tSauerstoff\t\n\tTag\tNacht\tTag\tNacht\n1. Hunger\tRuhe\t403\t314\t435\t326\n\u201e\tArbeit\t930\t257\t922\t150\n2. mittlere Kost Ruhe\t533\t395\t443\t449\n\u201e\t\u201e Arbeit\t856\t353\t795\t211\nDie Steigerung des Gasw^echsels durch die Arbeit ist darnach nicht im entferntesten so bedeutend als man nach anderen Angaben, namentlich nach denen von Smith, der manchmal das Zehnfache der normalen Abscheidung und Aufnahme beobachtet haben will, h\u00e4tte erwarten sollen. Setzt man das Verhalten bei Ruhe zu 1 an, so finden sich bei der Arbeit:\nHunger mittlere Kost Kohlens\u00e4ure . . 2.3\t1.6\nSauerstoff ... 2.1\t1.8\nIn der Nacht nach dem Ruhetage wird beim Hunger weniger Kohlens\u00e4ure erzeugt und weniger Sauerstoff verzehrt, offenbar da Nachts die Ruhe eine vollkommenere ist als Tags. Besonders auf-","page":201},{"file":"p0202.txt","language":"de","ocr_de":"202 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nfallend ist aber, dass in der dem Arbeitstage folgenden Nacbt in allen F\u00e4llen niederere Werthe f\u00fcr Kohlens\u00e4ure und Sauerstoff sich finden wie in der Nacht nach einem Ruhetage; offenbar r\u00fchrt dies von dem festem und l\u00e4ngern Schlafe nach der anstrengenden und erm\u00fcdenden Arbeit her.\nNach neueren Untersuchungen von mir ergab sich bei einem kr\u00e4ftigen hungernden Arbeiter von 73 Kilo K\u00f6rpergewicht, der f\u00fcnf Stunden anhaltend th\u00e4tig war, f\u00fcr 1 Stunde bei 29529 Kilogrammeter Arbeit im Mittel eine Mehrzerst\u00f6rung von 9.1 Grm. Fett; bei einem anderen Arbeiter von 60 Kilo Gewicht unter den gleichen Bedingungen f\u00fcr 1 Stunde bei 19036 Kilogrammeter Arbeit eine Mehrzerst\u00f6rung von 7.2 Grm. Fett; dies macht also im Mittel f\u00fcr 1 Stunde Arbeit und einer Leistung von 24282 Kilogrammeter einen Mehrverbrauch von 8.2 Grm. Fett.\nMan k\u00f6nnte, wie es f\u00fcr den Eiweisszerfall ge\u00e4ussert worden ist, auch f\u00fcr das Fett annehmen, dass im Laufe von 24 Stunden dem K\u00f6rper nur eine bestimmte Menge von Material zur Verf\u00fcgung stehe und dass, wenn durch die Arbeit viel davon aufgebraucht sei, in der darauf folgenden Ruhezeit entsprechend weniger zerst\u00f6rt werde, also absolut die Gesammt-zersetzung des Fetts nicht ver\u00e4ndert werde. J. Ranke 1 hat ein solches Verhalten f\u00fcr die Kohlens\u00e4ureausscheidung beim Frosch nachzuweisen gesucht ; er fand n\u00e4mlich w\u00e4hrend des Tetanus des Froschs die st\u00fcndliche Kohlens\u00e4ureabgabe betr\u00e4chtlich gesteigert; auf die anf\u00e4ngliche Steigerung schien ihm aber schon w\u00e4hrend der Muskelleistung oder auch nach derselben in der Zeit der Ruhe eine entsprechende Verminderung derselben zu folgen. Ich bin jedoch nicht im Stande dies aus Ranke\u2019s Zahlen zu erkennen; aus den Versuchen von Pettenkofer und mir ergiebt sich \u00fcberdies eine sehr bedeutende absolute Zunahme der Kohlens\u00e4urebildung bei der Arbeit.\nNach dem Gesagten ist es selbstverst\u00e4ndlich, dass alle zur Ueber-windung \u00e4usserer oder innerer Widerst\u00e4nde gemachten Muskelbewegungen eine Steigerung der Kohlens\u00e4ureabgabe und des Fettzerfalls hervorrufen, und dass umgekehrt alle Momente, welche eine Verminderung der Muskelbewegungen bedingen, auch eine solche der Fettverbrennung und der Kohlens\u00e4ureausscheidung hervorrufen.\n2. Alhemmechanik.\nAus dem angegebenen Grunde w\u00e4chst bei anstrengenden, also h\u00e4ufigeren und tieferen Athemziigen die Kohlens\u00e4uremenge. Alle Forscher, welche den Einfluss der willk\u00fcrlichen Athmung des Menschen auf die Abgabe der Kohlens\u00e4ure in der Lunge pr\u00fcften, fanden\n1 J. Ranke. Tetanus. S. 319. 1S65.","page":202},{"file":"p0203.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Athemmechanik u. Muskell\u00e4kmung auf den Gesammtstoffumsatz. 203\n\u00fcbereinstimmend eine ganz bedeutende Wirkung der Art und Weise der Athmung, so Vierordt1 2 3 4 5, Lossen2, Berg 3 und Speck4: bei h\u00e4utigeren Athemz\u00fcgen bei gleicher Tiefe oder bei tieferen Athemziigen bei gleicher Zahl wird, auch wenn man wie Lossen Stunden lang in gleichem Tempo fortathmet, mehr Kohlens\u00e4ure ausgeschieden, also auch erzeugt. Pfl\u00fcger 5 suchte dem entgegen darzutliun, dass Lossen\u2019s Versuche dies nicht beweisen, vielmehr sich aus denselben mit R\u00fccksicht auf die Fehlergrenzen ein Gleichbleiben der Kohlens\u00e4ure im Athem ergebe. Ich 6 7 8 habe seine Einw\u00e4nde widerlegt und gezeigt, dass die Athemmechanik die Zersetzung im K\u00f6rper beeinflusst und zwar nach dem Grad der Th\u00e4tigkeit der Athemmuskeln, nicht direkt durch Zufuhr verschiedener Mengen von Sauerstoff. Da bei zahlreicheren Athemz\u00fcgen und gleich bleibender Tiefe eines jeden derselben oder bei tieferen Athemz\u00fcgen und gleicher Zahl in einer gegebenen Zeit ein gr\u00f6sseres Luftvolum geathmet wird, so w\u00e4chst dabei die Anstrengung der Athemmuskeln und somit auch nothwendig die Kohlens\u00e4urebildung. Bei den Versuchen von Finkler und Oert-mann \", nach denen die Athemmechanik keinen Einfluss auf die Zersetzung haben soll, athmeten die Kaninchen zuerst nach Willk\u00fcr selbst\u00e4ndig durch Ventile, dann aber zur Erzielung tieferer und zahlreicherer Athemztige unter k\u00fcnstlicher Ventilation; dabei tritt der verschiedene Erfolg nicht so sehr hervor, weil das gew\u00f6hnliche ruhige Athmen nur eine geringe Kohlens\u00e4ureproduktion hervorruft und die starke Athmung k\u00fcnstlich f\u00fcr das Thier besorgt wurde. Wie man sieht, sind dies Versuche \u00fcber den Erfolg einer ungleichen Zufuhr von Sauerstoff, jedoch nicht \u00fcber den Einfluss der Athemmechanik.\no. L\u00e4hmung dur Muskeln durch Curare und Durchschneidung\ndes R\u00fcckenmarks.\nBei mit Curare vergifteten Thieren findet sich wegen des Wegfalls der willk\u00fcrlichen Muskelbewegungen und der Reflexe eine sehr bedeutende Herabsetzung des Gaswechsels, wie zuerst R\u00f6hrig und Zuntz 8 an Kaninchen nachgewiesen haben. Das Gleiche wurde von\n1\tVierordt, Physiologie des Athmens. 1845.\n2\tLossen, Ztschr. f. Biologie. II. S. 244. 1S66, VI. S. 298. 1870.\n3\tBerg, Deutsch. Arch. f. klin. Med. VI. S. 291. 1S69 ; Ueber den Einfluss der Zahl u. Tiefe der Athemz\u00fcge auf die Ausscheidung der Kohlens\u00e4ure durch die Lunge. I)iss. inaug. Dorpat 1869.\n4\tSpeck, Arch. d. Ver. f. wiss. Heilk. III. S. 713. 1867.\n5\tPfl\u00fcger, Arch. f. d. ges. Physiol. XIV. S. 1. 1876.\n6\tVoit, Ztschr. f. Biologie. XIV. S. 99. 1878.\n7\tFinkler u. Oertmann, Arch. f. d. ges. Physiol. XIV. S. 1 u. 3S. 1876.\n8\tPi\u00f6hrigu. Zuntz, Arch. f. d. ges. Physiol. IV. S. 57. 1871.","page":203},{"file":"p0204.txt","language":"de","ocr_de":"204 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch imthier. Organismus etc.\nJolyet 1 am Hunde und dann von Zuntz 2 abermals am Kaninchen dargethan. Die von Letzterem erhaltene Abnahme ist aus gewissen Gr\u00fcnden zu gross ausgefallen ; Pfl\u00fcger 3 bestimmte sie bei energischer Curarenarkose an Kaninchen zu 35.3 % f\u00fcr den Sauerstoff und zu 37.4 % f\u00fcr die Kohlens\u00e4ure.\nDa die Eiweisszersetzung nach meinen Versuchen 4 dabei nicht wesentlich ge\u00e4ndert ist, so muss in Folge der Aufhebung der Bewegungen durch das Curare die Verbrennung des Fettes, und zwar auch des aus dem Eiweiss abgespaltenen Antheils desselben, vermindert sein.\nAus dem gleichen Grunde sieht man nach Durchtrennung des K\u00fcckenmarks einen starken Abfall im Gaswechsel, wie f\u00fcr Kaninchen von Erler 5 und Pfl\u00fcger 6 gezeigt worden ist. Ich 7 habe bei einem Manne, der einen Bruch des 8. Brustwirbels erlitten und dessen untere Extremit\u00e4ten gel\u00e4hmt waren, die Kohlens\u00e4ureabgabe untersucht, und um 38 o/0 weniger gefunden als bei einem gesunden Manne bei geringf\u00fcgiger Bewegung am Tag, und um 20 o/0 weniger als beim gesunden Manne in der Nacht.\n4. Ruhe w\u00e4hrend des Schlafs.\nW\u00e4hrend des Schlafes (oder in der Nacht) ist nach allen Angaben die Aufnahme des Sauerstoffs und die Abgabe der Kohlens\u00e4ure sehr herabgesetzt. Dies ist an Turteltauben von Boussingault8, an Hammeln von Henneberg9, an Menschen von Scharling t0, Ed. Smith1 11, Pettenkofer und mir12, sowie von Liebermeister13 gefunden worden. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die Ursache davon vor Allem in der w\u00e4hrend des Schlafs stattfindenden Muskelruhe, aber auch in dem Wegfall vieler Anregungen und Th\u00e4tigkeiten des Nervensystems zu suchen ist.\nDie Versuche von Pettenkofer und mir gestatten einen Schluss auf die w\u00e4hrend des Schlafs im Organismus vor sich gehenden Stoff-\n1\tJolyet, Gaz. m\u00e9d. 1875. No. 7.\n2\tZuntz, Arch. f. d. ges. Physiol. XII. S. 522. 1876.\n3\tPfl\u00fcger, Ebenda. XVIII. S. 302. 1878.\n4\tVoit, Ztschr. f. Biologie. XIV. S. 146. 1878.\n5\tErler, Arch. f. Anat. n. Physiol. 1876. S. 557.\n6\tPfl\u00fcger, Arch. f. d. ges. Physiol. XVIII. S. 321.1878.\n7\tVoit, Ztschr. f. Biologie. XIV. S. 136. 1878.\n8\tBoussingault, Ann. d. chim. et phys. (3) XI. p. 444. 1844.\n9\tHenneberg, Landw. Versuchsstationen. VIII. S. 443. 1866.\n10\tScharling, Ann. d. Chem. u. Pharm. XLV. S. 214.1843.\n11\tEd. Smith, Philos. Transact. CXLIX. (2) p. 681. 1859.\n12\tPettenkofer u. Voit, Sitzgsber. d. bayr. Acad. lO.Nov. 1866 u. 9.Febr. 1867 ; Ztschr. f. Biologie. II. S. 545. 1866.\n13\tLiebermeister, Handb. d. Pathol, u. Therap. des Fiebers. S. 189.1875.","page":204},{"file":"p0205.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss des Schlafs auf den Stoffumsatz.\n205\nZersetzungen. Der Eiweisszerfall ist im Schlaf nicht wesentlich anders als beim Wachen, sobald der Einfluss der Nahrung aufgehoben ist; die Verminderung desselben, welche durch den herabgesetzten Blutdruck und die dadurch hervorgerufene geringere Str\u00f6mung der Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit bedingt sein kann1, ist wenigstens nicht ann\u00e4hernd so gross, um die betr\u00e4chtliche Abnahme der Kohlens\u00e4ure zu erkl\u00e4ren. Da die letztere beim hungernden ruhenden Menschen von 403 Grm. auf 314 Grm., d. i. um 22 o/0 sinkt, so wird w\u00e4hrend des Schlafes vorz\u00fcglich weniger Fett zersetzt, ganz in Uebereinstim-mung mit der fr\u00fcheren Erfahrung, dass bei der Arbeit nicht mehr Eiweiss, wohl aber mehr Fett zerst\u00f6rt wird. Im Schlafe ist auch der Sauerstoffverbrauch wesentlich herabgesetzt, denn statt der im wachenden Zustande aufgenommenen 435 Grm. Sauerstoff traten Nachts nur 326 Grm., also um 24 o/0 weniger ein2 3. Die vorher erw\u00e4hnte ausserordentlich geringe Kohlens\u00e4ureproduktion und Sauerstoffeinnahme in dem tiefen Schlafe nach der Arbeit, ohne Aenderung der Stickstoffabgabe, beweist aufs Sch\u00f6nste den m\u00e4chtigen Einfluss der K\u00fche auf den Umsatz des Fettes.\nAuch im Chloralschlafe fand ich8 beim Hunde nur wenig Kohlens\u00e4ure und Sauerstoff; in der Morphiumnarkose erhielten Boeck und Bauer4, vrie schon berichtet, neben einer geringen Herabsetzung des Eiweisszerfalls (um 6 %), eine Abnahme von 27 % in der Kohlens\u00e4ure und von 34 \u00b0/() im Sauerstoff. Die Verminderung im Stoffverbrauch des schlafenden Murmelthiers ist nicht nur durch den Schlaf, sondern auch durch die niedrige Eigentemperatur des Thiers bedingt.\nOhne den Schlaf w\u00fcrde im Thierk\u00f6rper viel mehr Substanz, namentlich mehr stickstofffreie Stoffe, der Zerst\u00f6rung anheimfallen und entsprechend mehr in der Nahrung n\u00f6thig sein; es ist wahrscheinlich, dass der Darm und die \u00fcbrigen dabei th\u00e4tigen Organe nicht im Stande w\u00e4ren soviel zu verdauen und zu bew\u00e4ltigen.\nJ. Einfluss der Reizung der Sinnesnerven.\nDer Schlaf bewirkt nicht allein durch das Aufh\u00f6ren der willk\u00fcrlichen Bewegungen eine Herabsetzung des Stoffumsatzes, son-\n1\tNach H. Quincke wird nach dem Schlafe in den ersten 2\u20143 Morgenstunden reichlicher Harn abgesondert; er glaubt, die Harnsecretion sei w\u00e4hrend des Schlafes vermindert und erfahre mit dem Erwachen eine Steigerung (Arch. f. exp. Pathol, u. Pharm. VII. S. 1 15. 1877).\n2\tUnsere fr\u00fcher aus zwei Versuchen entnommene Angabe, dass in der Nacht in irgend welcher \"Weise Sauerstoff in erheblicher Menge aufgespeichert und dann unter Tags oder bei der Arbeit verbraucht werde, beruht auf einem Irrthum in der Versuchsanordnung (Ztschr. f. Biologie. XIV. S. 124. 1878).\n3\tVoit, Ztschr. f. Biologie. XIV. S. 127. 1878.\n4\tBoeck u. Bauer, Ebenda. X. S. 339. 1874.","page":205},{"file":"p0206.txt","language":"de","ocr_de":"206 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\ndern auch dadurch, dass die Anregungen der Sinnesorgane und die dadurch eingeleiteten Vorg\u00e4nge in den Nerven und den Nervencentral-organen, die daran sich kn\u00fcpfenden Gedanken, sowie die Uebertra-gungen auf weitere peripherische Organe, namentlich auf die Muskeln, welche in Reflexbewegungen versetzt werden, nicht mehr oder nur in geringem Grade stattfinden. Pettenkofer und ich 1 haben uns \u00fcber diese Wirkung des Schlafes folgendermaassen ge\u00e4ussert: \u201eman sieht also, dass das blosse Wachen, das blosse Aufnehmen von sinnlichen Eindr\u00fccken schon auf den Stoffwechsel wirkt, dass sich die Kohlens\u00e4urebildung dadurch vermehrt wie bei der Muskelarbeit, und es wird uns verst\u00e4ndlich, warum manche Kranke bitten, man solle die Fenster verh\u00e4ngen und kein Ger\u00e4usch machen und sie nicht anreden. Jede Wahrnehmung ist mit einer Ausgabe verbunden.\u201c\nMan hat auch den Einfluss der Erregung sensibler Nerven auf die Zersetzungsvorg\u00e4nge im K\u00f6rper, und zwar besonders auf den Gaswechsel, untersucht.\nVon R\u00f6hrig und Zuntz2 wird angegeben, dass in einem auf die K\u00f6rpertemperatur erw\u00e4rmten Bad von Seewasser oder von Soole von den Thieren (Kaninchen) etwas mehr Kohlens\u00e4ure abgeschieden und mehr Sauerstoff verzehrt wird als in einem ebenso warmen Bad von S\u00fcsswasser, bedingt durch den Reiz des Salzes. F. Paalzow3 wendete ebenfalls Hautreize und zwar Senfteige an, und sah darnach bei Kaninchen ohne st\u00e4rkere Muskelbewegungen eine Vermehrung der Kohlens\u00e4ureabgabe und der Sauerstoffaufnahme auftreten. In derselben Weise wirkt auch die K\u00e4lte, indem sie die sensiblen Nerven der Haut erregt, wor\u00fcber sp\u00e4ter noch N\u00e4heres berichtet werden wird. Alle Erregungen dieser Nerven, z. B. durch Schl\u00e4ge, Elektri-cit\u00e4t u. s. w., haben wahrscheinlich die gleichen Folgen.\nVon grossem Interesse ist der Einfluss des Lichtes auf den Gasaustausch. Die ersten Versuche hier\u00fcber stellte J. Moleschott4 an unversehrten und auch an geblendeten Fr\u00f6schen an, und fand eine anregende Wirkung des Lichtes auf den Stoffverbrauch d. h. eine gr\u00f6ssere Kohlens\u00e4ureausscheidung. Das Gleiche meldeten sp\u00e4ter Jul. B\u00e9clard5, Selmi und Piacentini6, Jos. Chasanowitz\", Pott8,\n1\tPettenkofer u. Voit, Sitzgsber. d. bayr. Acad. 1866. 10. Nov.\n2\tR\u00f6hrig u. Zuntz, Arcb. f. d. ges. Physiol. IV. S. 57. 1871.\n3\tF. Paalzow, Arch. f. d. ges. Physiol. IV. S. 492. 1871.\n4\tJ Moleschott, Wiener med. Woch. 1853. S. 161 u. 1855. S. 681.\n5\tJul. B\u00e9clard, Compt. rend. XLVI. p. 441. 1858.\n6\tSelmi u. Piacentini, Rendiconti delP Istituto Lombardo. (2) III. p. 51. 1870.\n7\tJos. Chasanowitz, Ueber den Einfluss des Lichtes auf die Kohlens\u00e4ureaus-scheidung im thier. Organismus. Diss. inaug. K\u00f6nigsberg 1872.\n8\tPott, vgl. Unters, \u00fcber die Mengenverh\u00e4ltnisse durch Respiration u. Perspiration ausgeschied. Kohlens\u00e4ure. Habilitationsschrift. Jena 1875.","page":206},{"file":"p0207.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Reizung der Sinnesnerven auf den Stoffumsatz.\n207\nPfl\u00fcger und Platen \\ sowie endlich in einer ausf\u00fchrlichen Abhandlung \u00fcber den Einfluss gemischten und farbigen Lichtes J. Moleschott und S. Fubini 1 2 3. Platen fand bei Kaninchen, denen er abwechselnd die Augen mit weissen und schwarzen Gl\u00e4sern bedeckte, im Hellen eine um 14% gr\u00f6ssere Kohlens\u00e4ureausscheidung und eine um 16% gr\u00f6ssere Sauerstoffaufnahme als im Dunkeln. Nur Speck 3 war nicht im Stande, am Menschen einen solchen Einfluss des Lichtes mit Sicherheit darzuthun ; es r\u00fchrt dies wohl davon her, dass der Mensch bei den nur kurze Zeit w\u00e4hrenden Versuchen auf den Wechsel von Hell und Dunkel vorbereitet ist und daher der Eingriff und namentlich seine Verbreitung geringer ausf\u00e4llt als beim Thier. Unzweifelhaft ist im hellen Sonnenlicht und an heiteren Tagen mit der ganzen Stimmung auch die Zersetzung im K\u00f6rper eine andere als bei tr\u00fcbem, mit Wolken bedecktem Himmel.\nAehnlick werden wohl auch die Erregungen anderer Sinnesnerven z. B. des H\u00f6rnerven durch eine Musik oder durch starken L\u00e4rm, sowie alle Anregungen des Nervensystems bei freudigen Anl\u00e4ssen, Schreck u. s. w. einwirken.\nAlle diese Beize bringen, wie auch noch bei Betrachtung des Einflusses der K\u00e4lte auf den Stoffwechsel dargethan werden soll, die vermehrte Kohlens\u00e4ureausscheidung nicht ausschliesslich durch die Wirkung auf das Nervensystem hervor, da dieses nur nach Maassgabe seiner verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig geringen Masse zu den Ausscheidungen beitr\u00e4gt, sondern vorz\u00fcglich durch die Reflex\u00fcbertragungen auf die Muskeln, wodurch in letzteren die Zersetzung zunimmt. Dabei braucht es nicht immer zu wirklichen Muskelbewegungen zu kommen, welche aber bei st\u00e4rkeren Erregungen hervortreten und zumeist die Ursache des erh\u00f6hten Gaswechsels nach den angegebenen Reizungen der Sinnesorgane sind.\nWie durch die Muskelarbeit wird auch hier wahrscheinlich nicht der Verbrauch an Eiweiss im K\u00f6rper, sondern nur der an Fett erh\u00f6ht.\nWenn auch alle die genannten Nervenreize eine Erh\u00f6hung des Stoffwechsels hervorbringen, so ist die Aenderung des letzteren doch nicht das Wesentliche dieser Einwirkungen, und ist mit der Constatirung eines solchen Einflusses die Bedeutung eines Agens f\u00fcr den K\u00f6rper, z. B. eines Hautreizes, eines kalten Bades u. s. w. durchaus nicht dargethan. Fr\u00fcher, . als man unter Stoffwechsel nur den Untergang organisirter Substanz ver-\n1\tPfl\u00fcger u. Platen, Arch. f. d. ges. Physiol. XL S. 263. 1875.\n2\tJ. Moleschott u. S. Fubini, Unters, z. Xaturlehre des Menschen u. d. Thiere. XII. 1880 (mit genauer Angabe der gesammten Literatur).\n3\tSpeck, Arch. f. exper. Pathol, u. Pharm. XII. S. 1. 1879.","page":207},{"file":"p0208.txt","language":"de","ocr_de":"208 Voit, \u00c0llg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nstand, musste eine Zerst\u00f6rung der alten, vielleicht schwach gewordenen Gebilde und der Aufbau neuer, kr\u00e4ftiger allerdings von hohem Wertlie erscheinen; wir fassen aber jetzt diese Vorg\u00e4nge anders auf und wissen, dass es sich gerade hier nur um eine etwas gesteigerte Verbrennung von Fett oder stickstofffreien Stoffen handelt. Der Stoffwechsel kann in demselben Maasse auch erh\u00f6ht werden durch etwas mehr Speise, durch eine geringf\u00fcgige k\u00f6rperliche Bewegung oder lokal in einem Nerven durch einen unterbrochenen elektrischen Strom. Niemand wird aber behaupten wollen, es k\u00f6nne durch einen Bissen Brod oder durch einen Spaziergang ein Hautreiz oder ein kaltes Bad oder ein elektrischer Strom ersetzt werden. Der Hunger bringt eine Herabsetzung des Stoffwechsels hervor; auch der Schlaf thut das Gleiche, ohne dass man sagen darf, der Schlaf empfange seine Bedeutung durch den in ihm stattfindenden geringeren Stoffverbrauch. Der Zerfall chemischer Verbindungen ist vielmehr nur ein Ausdruck und ein Maassstab f\u00fcr die anderen Vorg\u00e4nge in den Organen, wegen deren wir jene Reize anbringen und den Schlaf gemessen. Im ersten Falle handelt es sich um die Einleitung einer Bewegung in den kleinsten Theilchen der Nerven, der Nervencentralorgane, der Muskeln u. s. w. und um eine weit verbreitete Einwirkung auf alle diese Organe oder auf einzelne derselben, wodurch sie in gesteigerte Th\u00e4tigkeit versetzt werden. Beim Schlaf findet sich im Gegensatz dazu Ruhe und Ausruhen der Theile des K\u00f6rpers. Die Aenderung des Stoffwechsels ist hierbei eine sekund\u00e4re Erscheinung ; der erh\u00f6hte Stoffumsatz ist so wenig die Ursache des g\u00fcnstigen Einflusses der Muskelbewegung, eines kalten Bades, der Elektricit\u00e4t oder einer Tracht Schl\u00e4ge auf den K\u00f6rper als die Verbrennung der Kohle es ist, welche eine dadurch in Gang versetzte Maschine vor den schlimmen Folgen eines l\u00e4ngeren Stillstands bewahrt.\n6. Ein\u00dfuss der Th\u00e4tigkeit des Gehirns.\nMan hat auch versucht den Einfluss der Th\u00e4tigkeit des Gehirns auf den Stoffumsatz im K\u00f6rper zu ermitteln.\nIn einem th\u00e4tigen Muskel oder in einer th\u00e4tigen Dr\u00fcse z. B. bei lebhafter Sekretion von Speichel oder von Milch ist unter vermehrtem Blutzufluss die Zersetzung gesteigert. Dies wird wohl auch beim Gehirn, wenn bei der Anstrengung desselben der Kopf uns heiss wird, der Fall sein; aber es fragt sich, ob dieser Einfluss so gross ist, um ihn mit Sicherheit darzuthun. Man war bisher auf falschem Wege, indem man meist nach einer Vermehrung des Eiweisszerfalls suchte, w\u00e4hrend doch wahrscheinlich, der Analogie mit dem Muskel nach, eine solche nicht oder nur in ganz geringem Grade gegeben ist, sondern vielmehr eine Steigerung der Verbrennung stickstofffreier Stoffe. Man wird daher wohl eine vermehrte Kohlens\u00e4ureausscheidung beim Denken nackweisen k\u00f6nnen, wenn nicht bei der Concentration auf die gestellte Denkaufgabe die \u00fcbrigen Erregungen weg-","page":208},{"file":"p0209.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Th\u00e4tigkeit des Gehirns u. des Darms auf den Stoffumsatz. 209\nfallen, wodurch dann die Steigerung durch einen Abfall auf anderer Seite verdeckt wird; es l\u00e4sst sich aber im Voraus nicht sagen, ob dieselbe bei der Th\u00e4tigkeit eines Organs, das nur 2\u00b0/o des K\u00f6rpers ausmacht, irgendwie von Bedeutung ist.\nEs haben sich schon Manche damit besch\u00e4ftigt, die Stickstoflabgabe oder den Eiweissumsatz bei der geistigen Arbeit zu bestimmen. Die meisten Untersuchungen der Art sind aber nicht brauchbar, da die Menschen sich dabei nicht in dem Zustande befanden, bei welchem allein eine Aenderung in der Eiweisszersetzung durch das Denken erkannt werden kann; dahin geh\u00f6ren die Versuche von Boecker1 2, Hammond - und Sam. Haughton3. Neuerdings geben Gamgee und Paton4 5 6 an, in einer 4 t\u00e4gigen Reihe, w\u00e4hrend welcher die Kost gleiclim\u00e4ssig erhalten wurde, bei starker geistiger Arbeit eine Vermehrung des Harnstoffs, dagegen eine Verminderung der Phosphors\u00e4ure beobachtet zu haben; letzterer betont aber ausdr\u00fccklich, die Harnstoffsteigerung stehe nur indirekt in Beziehung zur geistigen Arbeit, sie sei eine Folge der reichlicheren Ausscheidung des Harns und anderer Sekrete. Cazeneuve 5 war nicht im Stande irgend eine Aenderung dieser Art zu finden.\n7. Ein\u00dfuss der Th\u00e4tigkeit des Darms.\nNach den Erfahrungen an anderen Organen bedingt h\u00f6chst wahrscheinlich die mit der Verdauung und der Resorption der Nahrung verbundene Arbeit des Darmkanals und seiner Dr\u00fcsen ebenfalls eine Steigerung des Stoffwechsels, und zwar vorz\u00fcglich in der Zerst\u00f6rung stickstofffreier Stoffe. Wir besitzen aber noch keine Vorstellung dar\u00fcber, wie gross dieselbe sein kann.\nNach der Aufnahme von Nahrungsstoffen in den Darm tritt bekanntlich meist eine vermehrte Zersetzung im K\u00f6rper ein ; wenigstens findet dies in hohem Grade statt nach der Zufuhr eiweissartiger Stoffe, von Leim und von Kohlehydraten, was sich ausser in der reichlichen Harnstoffausscheidung bei den beiden ersteren in einer gesteigerten Produktion von Kohlens\u00e4ure und in einer gesteigerten Consumption von Sauerstoff ausdr\u00fcckt.\nMering und Zuntz 6 sind geneigt, diese Steigerung des Stoffwechsels nach der Nahrungszufuhr auf die Arbeit des Darms zu beziehen. Sie schliessen dies, weil nach Einspritzung von Zucker-\n1\tBoecker, Beitr\u00e4ge z. Heilk. 1849.\n2\tHammond, Amer, journ. ofmed. scienc. 1856. p. 330. Bei gleicher Art u. Menge der Nahrung fand er normal 43.6 Grm. Harnstoff, hei anhaltender geistiger Anstrengung 48.6 Grm., bei wenig geistiger Besch\u00e4ftigung 38.1 Grm.\n3\tSam. Haughton, The Dublin quaterly journal ot medical science. 1860. p. 1.\n4\tGamgee u. Paton, Journ. of anat. and physiol. V. p. 297. 1871.\n5\tL\u00e9pine, Revue mensuelle de m\u00e9d. et de chir. 1880. p. 167.\n6\tMering u. Zuntz, Arch. f. d. ges. Physiol. XV. S. 634. 1877.\nHandbuch der Physiologie; Bd. VI.\n14","page":209},{"file":"p0210.txt","language":"de","ocr_de":"210 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nl\u00f6sungen, von milchsaurem und \u00e4pfelsaurem Natron und von Glycerin in die Venen nicht mehr Sauerstoff wie beim Hunger aufgenommen wird, wohl aber nach Einbringung derselben in den Darm. Die Bedingungen sind jedoch bei den beiden Versuchen so verschieden, dass ein Vergleich nicht m\u00f6glich ist; die Einspritzung von Zuckerl\u00f6sung in einer Menge, wie sie vom Darm aus niemals im Blut sich findet, kann sehr wohl eine Zeit lang die Zerst\u00f6rung des Zuckers hemmen, oder Eiweiss und Fett vor derselben bewahren; dass Zuckerinjektionen in das Blut die Kohlens\u00e4ureabgabe im Lauf von sechs Stunden sehr steigern, zeigen Versuche, welche J. Forster angestellt hat.\nDer kolossale Mehrverbrauch nach Aufnahme der oben genannten Nahrungsstoffe kann unm\u00f6glich durch die Arbeit des Darms hervorgerufen sein. W\u00e4hrend von dem Hund beim Hunger 366 Grm. Kohlens\u00e4ure abgegeben werden, treten bei reichlicher Zufuhr von Fleisch 783 Grm., und von Kohlehydraten 785 Grm. aus; dies w\u00e4re die gleiche Steigerung wie bei der st\u00e4rksten Arbeit der Muskeln.\nDie Annahme von Merino und Zuntz wird durch meine Versuche 1 nicht unterst\u00fctzt.\nMan k\u00f6nnte sich zwar denken, der bedeutende Eiweissumsatz nach Aufnahme von Eiweiss in den Darm r\u00fchre, wenigstens zum Theil, von der Th\u00e4tigkeit des Darms her; dies ist aber nicht der Fall, da man nach vorausgehender reichlicher F\u00fctterung mit Eiweiss am ersten Hungertage bei leerem Darm die gr\u00f6ssten Mengen von Eiweiss in Zerfall gerathen sieht. Die Darmarbeit verst\u00e4rkt den Eiweissverbrauch im K\u00f6rper nicht, denn wenn man den Darm mit grossen Quantit\u00e4ten von Fett oder Kohlehydraten ohne Eiweiss \u00fcberlastet, so dass derselbe in hohem Grade th\u00e4tig sein muss und die Blutgef\u00e4sse in ihm gef\u00fcllt sind, so wird doch nach meinen Versuchen 2 die Eiweisszersetzung nicht gr\u00f6sser als bei v\u00f6lligem Hunger.\nEs wird aber auch bei gef\u00fclltem Darm nicht mehr Fett zerst\u00f6rt; f\u00fcttert man einen Fleischfresser mit mittleren Gaben von reinem Fett, so ist die Ausscheidung der Kohlens\u00e4ure und die Aufnahme des Sauerstoffs dieselbe wie beim Hunger.3\nDa also die Verdauung und die Resorption von Eiweiss und von Fett weder den Umsatz von Eiweiss noch den von Fett erh\u00f6ht, so wird die Aufnahme des Zuckers im Darm auch keine solche Wirkung haben.4\nt Voit, Ztsclir. f. Biologie. XIV. S. 145. 1878.\n2\tDerselbe, Ebenda. V. S. 354 u. 435. 1869.\n3\tDerselbe, Ebenda. V. S. 388. 1869.\n4\tZuntz (Landw. Jabrb. 1879. S. 95. Anm.) meint, ich d\u00e4chte nur an eine","page":210},{"file":"p0211.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Temperatur der umgebenden Luft auf den Stoffumsatz.\n211\nX. Einfluss der Temperatur der umgebenden Luft auf den\nStoffumsatz.1\nMan hat schon seit langer Zeit der Temperatur der umgebenden Luft einen wesentlichen Einfluss auf die Lebensprozesse im Thierk\u00f6rper zugeschrieben. Manche Beobachtungen deuteten darauf hin, so z. B. das Wiederaufleben niederer Thiere im Fr\u00fchling nach der erstarrenden Winterk\u00e4lte, das geringe Nahrungsbediirfniss der Kaltbl\u00fcter, und die M\u00f6glichkeit der h\u00f6heren Thiere in den verschiedensten Klimaten ihre Eigenw\u00e4rme zu bewahren.\nEs liegen fast ausschliesslich Beobachtungen \u00fcber den Verbrauch an Sauerstoff und die Abgabe von Kohlens\u00e4ure in warmer und kalter Luft vor, woraus wohl auf eine Aenderung im Stoffwechsel \u00fcberhaupt, aber nicht auf die dabei im K\u00f6rper zersetzte Substanz geschlossen werden kann.\nDie ersten hierher geh\u00f6rigen Angaben r\u00fchren von Adair Crawford'2 her, welcher aus mit sehr primitiven Mitteln angestellten Versuchen an Meerschweinchen entnahm, dass diese Thiere in der K\u00e4lte die Luft mehr phlogistisiren, also mehr Sauerstoff verzehren, als in warmer Umgebung, (bei einer Differenz von 29 0 C. zeigte sich in der w\u00e4rmeren Lutt eine Abnahme des Sauerstoffverbrauchs um 67 %.) Ungleich weiter kam Lavoisier3: er fand mit Seguin ( L7 89) am n\u00fcchternen Menschen in 1 Stunde bei einer Temperatur von 32.5 0 C. einen Sauerstoffverbrauch von 34.5 Grm., dagegen bei 15,JC. einen solchen von 38.3 Grm. Es thun diese beiden Versuche dar, dass der Mensch in einer um 17.5\u00b0 die mittlere \u00fcbertreffenden Temperatur 11 \u00b0/o Sauerstoff weniger aufnimmt, aber nicht, dass er in der K\u00e4lte mehr verbraucht. Lavoisier erkl\u00e4rte diese Thatsache durch die gr\u00f6ssere Dichtigkeit der k\u00e4lteren Luft und die dadurch ver-anlasste st\u00e4rkere Ber\u00fchrung derselben mit dem Lungenblute.\nF\u00fcnfzig Jahre sp\u00e4ter hat Liebig4, ohne einen Versuch anzustellen,\nSteigerung der Eiweisszersetzung durch die Darmarbeit, w\u00e4hrend er und Merino dagegen von einer Steigerung der Aufnahme des Sauerstoffs und der Abgabe von Kohlens\u00e4ure, also von einem vermehrten Zerfall der stickstofffreien K\u00f6rperbestand-theile, gesprochen h\u00e4tten. Abgesehen davon, dass eine Erh\u00f6hung des Gaswechsels nicht nur eine gr\u00f6ssere Zersetzung stickstofffreier Stoffe anzeigt, sondern ebenso eine solche der stickstoffhaltigen Stoffe, welche letztere manchmal ausschliesslich die Kohlens\u00e4ure liefern und den Sauerstoff in Beschlag nehmen, habe ich nicht nur an eine vermehrte Eiweisszersetzung gedacht, vielmehr auch aut die unver\u00e4nderte Kohlens\u00e4ureausscheidung beim Hunger und nach Aufnahme von reinem Fett hingewiesen.\n1\tDie hierher geh\u00f6rige Literatur findet sich kritisch besprochen in meiner Abhandlung in der Ztschr. f. Biologie. XIV. S. 57. 1878.\n2\tCraw'ford. Exper. and observ. on animal heat. London 1788.\n3\tLavoisier,\u2019Oeuvres. II. p. 688 u. 704 ; Drei Briefe von Lavoisier an Black in Deport of the British Association, p. 189. Edinburgh 1871.\n4\tLiebig, Thierchemie. 3. x\\ufl. S. 17. 21. 23. 1846; Chem. Briefe. S. 364. 368. u. 370.1851.\n14*","page":211},{"file":"p0212.txt","language":"de","ocr_de":"212 'S oit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nganz die gleiche Lehre vorgetragen: er l\u00e4sst durch Abk\u00fchlung des K\u00f6rpers die Menge des eingeathmeten Sauerstoffs zunehmen und dadurch eine Mehrzersetzung in ihm stattfinden. Anfangs hatte Liebig ebenso wie Lavoisier den Grund der intensiveren Verbrennung bei der K\u00e4lte in der Aufnahme der dichteren und deshalb sauerstoffreicheren Luft gesucht; sp\u00e4ter jedoch, als er die Unabh\u00e4ngigkeit der Aufnahme des Sauerstoffs in das Blut von dem \u00e4usseren Druck erkannt hatte, liess er den Verbrauch desselben lediglich durch die Intensit\u00e4t der Athemz\u00fcge und der Bewegung des Blutes bedingt sein.\nDiese Vorstellungen galten durch Liebig\u2019s \u00fcberzeugende Darstellungen bei den Meisten als vollst\u00e4ndig bewiesen, und nur die immer erneuten Unternehmungen, den Einfluss der Temperatur der Umgebung auf den Stoffumsatz experimentell festzustellen, sowie die aus verschiedenen Ursachen nicht \u00fcbereinstimmenden Resultate dieser Versuche zeigten die Schwierigkeit der Aufgabe.\nMan muss, wie man allm\u00e4hlich, zuletzt vorz\u00fcglich durch die von Pfl\u00fcger und seinen Sch\u00fclern gemachten Versuche erkannte, unterscheiden zwischen der Einwirkung von K\u00e4lte und W\u00e4rme auf Kaltbl\u00fcter, welche dabei ihre K\u00f6rpertemperatur \u00e4ndern, und der Einwirkung auf Warmbl\u00fcter mit ihrer in weiten Grenzen constanten Eigenw\u00e4rme, ferner zwischen den momentanen und dauernden Erfolgen , und endlich bei Warmbl\u00fctern zwischen den Erscheinungen bei Gleichbleiben der K\u00f6rpertemperatur und bei Ver\u00e4nderungen derselben. 1 2 3\ti\nF\u00fcr die Kaltbl\u00fcter (Fr\u00f6sche) ist zuletzt durch Hugo Schulz 2 mit Sicherheit festgestellt worden, dass bei diesen Thieren die Kohlens\u00e4ureausscheidung (und die Sauerstoffaufnahme) von der Temperatur ihres K\u00f6rpers (1\u201434\u00b0) abh\u00e4ngig ist, indem die Intensit\u00e4t der beiden Funktionen proportional mit letzterer steigt und f\u00e4llt. Nach Pfl\u00fcger\u2019s :1 Auseinandersetzungen sind die fr\u00fcheren theilweise differirenden Angaben von Marchand4 5 und auch die von Moleschott 5 wegen Versuchsfehlern nicht richtig, obwohl letzterer wenigstens das sicher j erwies, dass von den Fr\u00f6schen in warmer Luft von 28\u00b0 mehr Kohlens\u00e4ure abgegeben wird als in kalter Luft bei \u2014 2\u00b0.\nHierher geh\u00f6ren auch die bei verschiedener \u00e4usserer Temperatur an-gestellten Versuche von Delaroche an Fr\u00f6schen, von R\u00e9gnault und Rei- \u00e4\n1\tDer Unterschied im Erfolg zwischen Kaltbl\u00fctern und Warmbl\u00fctern wurde zuerst von Delaroche und Moleschott hervorgehoben, der bei Warmbl\u00fctern je nach dem Gleichbleiben oder der Ver\u00e4nderung der Eigenw\u00e4rme von Sanders-Ezn.\n2\tH. Schulz, xWch f. d. ges. Physiol. XIV. S. TS. 1876.\n3\tPfl\u00fcger, Ebenda. XIV. S. 73. 1876.\n4\tMarchand, Journ. f. pract. Chem. XXXIII. S. 129. 1844.\n5\tMoleschott, Unters, z. Xaturlebre d. Menschen u. Thiere. II. S. 315. 1857.","page":212},{"file":"p0213.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Temperatur der umgebenden Luft auf den Stoffumsatz.\t213\nset1 an Eidechsen, von Spallanzani2 an Schnecken, von Treviranus3 an Bienen, Hummeln und Libellen, endlich die von B\u00fctschli 4 an der Blatta orientalis. In allen diesen F\u00e4llen wurde zwar bei h\u00f6herer Temperatur mehr Sauerstoff oder Kohlens\u00e4ure gefunden, jedoch bleibt es meist zweifelhaft, wieviel auf Wirkung der W\u00e4rme und auf die der intensiveren Muskelaction kommt, da die kleinen Thiere bei niederer Temperatur wie erstarrt und fast bewegungslos waren, bei h\u00f6herer Temperatur dagegen sehr lebhafte Bewegungen machten.\nKomplizirter liegen die Verh\u00e4ltnisse \u00fcber den Einfluss der \u00e4usseren Temperatur auf den Gaswechsel bei den warmbl\u00fctigen Thieren, welche l\u00e4ngere Zeit die F\u00e4higkeit besitzen ihre Eigenw\u00e4rme zu erhalten.\nDie Versuche von Berthollet5, von Delaroche 6 an Kaninchen, Meerschweinchen, Katzen und Tauben, von Vierordt 7 am Menschen, Let\u00e9llier8 an V\u00f6geln, M\u00e4usen und Meerschweinchen, C. G. Lehmann9 an Feldtauben, Zeisigen und Kaninchen, R\u00e9gnault und Reiset 10 an einem Huhn und einem Hund, die von Ed. Smith11 und von Speck 12 am Menschen sind theilweise noch mit unzureichenden Hilfsmitteln, theilweise in ungeeigneter Weise angestellt worden. Im Allgemeinen ergeben sie aber eine Erh\u00f6hung der Kohlens\u00e4uremenge in der K\u00e4lte.\nSanders-Ezn 13 hat das Verdienst, zuerst darauf aufmerksam gemacht zu haben, dass bei Warmbl\u00fctern (Kaninchen) ein Unterschied im Erfolge besteht, je nachdem die Eigenw\u00e4rme des Thieres bei der Einwirkung verschiedener Temperaturen der umgebenden Luft sich gleich bleibt oder sich \u00e4ndert. Tritt letzteres ein, so wird in niederer Temperatur nicht wie die fr\u00fcheren Forscher als allgemeine Folge bei Warmbl\u00fctern angegeben haben, eine Vermehrung der Kohlens\u00e4ure und des Sauerstoffs gefunden, sondern es sinkt die Kohlens\u00e4ureausscheidung wie bei den Kaltbl\u00fctern ab.\nEine sehr betr\u00e4chtliche Erh\u00f6hung der Kohlens\u00e4ureproduktion in der K\u00e4lte ergaben auch die sehr bemerkenswerthen am Menschen angestell-\n1\tR\u00e9gnault u. Reiset, Ann. d. Chem. u. Pharm. LXXIII. S. 297. 1850.\n2\tSpallanzani, M\u00e9moires sur la respiration. 1S<>3.\n3\tTreviranus, Ztschr. f. Physiol. IV. S. 1. 1831.\n4\tB\u00fctschli, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1874. S. 348.\n5\tBerthollet, M\u00e9moires de soci\u00e9t\u00e9 d\u2019Arcueil. IL\n6\tDelaroche in Delam\u00e9therie, Journ. de physique, de chimie, d'histoire naturelle et des arts. LXXVII. p. 5. 1813 ; lu \u00e0 l\u2019institut. 1S12. 11. Mai.\n7\tVierordt, Physiol, d. Athmens. 1845 ; AVagner\u2019sHandw\u00f6rterb. II. S. 82S. 1844.\n8\tLet\u00e9llier, Ann. d. chim. et phys. (3) XIII. p. 478. 1845.\n9\tC. G. Lehmann, Abhandl. hei Begr\u00fcndung d. s\u00e4chs. Ges. d.Wiss. 1846. S. 463.\n10\tR\u00e9gnault u. Reiset, Ann. d. Chem. u. Pharm. LXXIII. S. 260. 1850.\n11\tEd. Smith, Philos. Transact. Roy. Soc. CXLIX. (2) p. 681. 1859.\n12\tSpeck, Schriftend. Ges. zur Bef\u00f6rderung d. ges. Naturwiss. zu Marburg. X. 1871.\n13\tSanders-Ezn, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. Math.-physik. CI. 1867. S. 58.","page":213},{"file":"p0214.txt","language":"de","ocr_de":"214 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der StoffVerbrauchim thier. Organismus etc.\nten Untersuchungen von J. Gildemeister und von Liebermeister1; kalte B\u00e4der hatten den gleichen Erfolg, welcher nach dem Bade noch einige Zeit anw\u00e4lirte, dann aber einem Sinken unter die Norm Platz machte.\nHierher geh\u00f6ren auch die Untersuchungen von Senator2 3 an Hunden, die von R\u00f6hrig und Zuntz 3 an Kaninchen bei Eintauchen in kaltes und warmes Wasser, von L. Lehmann4 5 6 am Menschen unter dem Einfl\u00fcsse kalter Sitzb\u00e4der, endlich die von H. Erler 5 und Litten 6 an Kaninchen.\nAus diesen Versuchen an Warmbl\u00fctern ging mit gr\u00f6sster Wahrscheinlichkeit hervor, dass diese Thiere, so lange sie ihre normale Eigentemperatur erhalten, in der K\u00e4lte mehr, in der W\u00e4rme weniger Kohlens\u00e4ure liefern, dass sie aber bei Aenderung ihrer K\u00f6rpertemperatur sich wie die Kaltbl\u00fcter verhalten, also bei Abk\u00fchlung ein geringeres, bei Erw\u00e4rmung anfangs ein gr\u00f6sseres, zuletzt aber vor dem Tode wieder ein geringeres Quantum von Kohlens\u00e4ure pro-duziren.\nPfl\u00fcger7 hat im Jahre 1ST6 in einer vorl\u00e4ufigen Mittheilung die Resultate seiner umfangreichen Versuche \u00fcber Temperatur und Stoffwechsel der S\u00e4ugethiere (Kaninchen), bei welchen k\u00fcnstlich regelm\u00e4ssig respirirt wurde, zusammengestellt. Bei Aufhebung der Einwirkung von Gehirn und R\u00fcckenmark, also bei unwirksam gemachter W\u00e4rmeregulation, ist darnach der Stoffwechsel wie bei den Kaltbl\u00fctern um so gr\u00f6sser, je h\u00f6her die durch B\u00e4der regulirte Temperatur des Thieres ist (zwischen 20\u201442\u00b0 C. im Rectum). Bei unversehrtem Nervensystem und normaler Eigenw\u00e4rme kommt zu der Wirkung der Temperatur im Innern des K\u00f6rpers noch die des centralen Nervensystems hinzu, so dass in kalter Luft der Stoffwechsel energischer ist. Wird aber der K\u00f6rper des Thieres w\u00e4rmer (39.8 \u2014 42.0\u00b0 C.) oder k\u00e4lter (20\u201430\u00b0), so ist die Temperaturwirkung gr\u00f6sser als die des Nervensystems und es tritt wiederum eine Erh\u00f6hung des Stoffwechsels bei h\u00f6herer, eine Erniedrigung bei niederer Eigenw\u00e4rme ein.\n1\tJ. Gildemeister, Ueber die Kohlens\u00e4ureproduktion bei d. Anwendung von kalten B\u00e4dern u. anderen W\u00e4rmeentziehungen. Diss. inaug. Basel 1870 ; Arch. f. path. Anat. LU. S. 130. \u2014 Liebermeister, Deutsch. Arch. f. klin. Med. X. S. 89 u. 420. 1S72. Siehe auch L. Schr\u00f6der, Ebenda. VI. S. 385. 1869.\n2\tSenator, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1872. S. 40\u201444 u. S. 52\u201453, 1874. S. 42 u. 54; Arch. f. pathol. Anat. XLV. S. 366. 1869, L. S. 362 u. 368. 1870; Centralbl. f. d. med. Wiss. 1871. No. 47 u. 48.\n3\tR\u00f6hrig u. Zuntz, Arch. f. d. ges. Physiol. IV. S. 57. 1871.\n4\tL. Lehmann, Arch. f. pathol. Anat. LVIII. S. 92. 1873.\n5\tH. Erler, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1S76. S. 557 ; Ueber das Verh\u00e4ltniss der Kohlens\u00e4ureabgabe zum Wechsel d. K\u00f6rperw\u00e4rme. Diss. inaug. K\u00f6nigsberg 1875.\n6\tLitten, Arch. f. path. Anat. LXX. S. 10. 1877.\n7\tPfl\u00fcger, Arch. f. d. ges. Physiol. Xn. S. 282 u. 333. 1876. Die Belege zu diesen Schlussfolgerungen finden sich im Arch. f. cl. ges. Physiol. XVIII. S. 247. 1878.","page":214},{"file":"p0215.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Temperatur der umgebenden Luft auf den Stoffumsatz. 215\nG. Colasanti 1 hat dann noch \u00e4hnliche Versuche mitgetheilt; er pr\u00fcfte den Gasaustausch von Warmbl\u00fctern (Meerschweinchen), deren Nervensystem unversehrt und deren Eigentemperatur normal war, bei gew\u00f6hnlicher Zimmertemperatur (18.8\u00b0) sowie bei abgek\u00fchltem Athemraum (7.4\u00b0) und zwar w\u00e4hrend l\u00e4ngerer Versuchsdauer, um den Einwand abzuschneiden, es w\u00e4re die Wirkung nur eine momentane und nicht eine dauernde. In der K\u00e4lte war die Quantit\u00e4t der Kohlens\u00e4ure um etwa 40%, die des Sauerstoffs um etwa 38\u00b0/'o h\u00f6her. Ein \u00e4hnliches Resultat erhielt Dittmar Finkler 1 2 bei noch gr\u00f6sseren Temperaturdifferenzen (zwischen 3.64\u201426.21\u00b0): in der K\u00e4lte betrug die Zunahme der Kohlens\u00e4ure 47\u00b0/o, die des Sauerstoffs 66%.\nDen Einfluss der Abk\u00fchlung des Organismus auf den Stoffumsatz, allerdings verbunden mit dem der Muskelruhe, thut in besonders schlagender Weise der Winterschl\u00e4fer dar. Bei dem fest schlafenden Murmelthier, dessen Temperatur im Rectum bis auf 10\u00b0 gesunken ist, ist die Menge der Kohlens\u00e4ure etwa 77 mal, die Menge des Sauerstoffs etwa 40 mal geringer als im wachen Zustande.3\nHerzog Carl Theodor4 hat auf meine Veranlassung an einer Katze, welche t\u00e4glich vom 14. Dez. bis 14. Juni das gleiche Futter erhielt, 22 Bestimmungen der ausgeschiedenen Kohlens\u00e4ure und des aufgenommenen Sauerstoffs bei verschiedener \u00e4usserer Temperatur (\u2014 5.5\u00b0 bis + 30.8\u00b0) gemacht. Es trat entsprechend den fr\u00fcheren Angaben, wenn man von der mittleren Temperatur von 16\u00b0 C. ausgeht, bei Erniedrigung derselben eine Zunahme in der Quantit\u00e4t der Kohlens\u00e4ure und des Sauerstoffs (um 40%), bei einer Erh\u00f6hung eine Abnahme (um 31%) ein. Die gr\u00f6ssten Schwankungen in der Kohlens\u00e4uremenge betrugen 12.0\u201422.0 Grm. oder 83% bei einer Temperaturdifferenz von 37\u00b0 C.\nDa eine Erh\u00f6hung der Zersetzung in der K\u00e4lte nicht, wie man fr\u00fcher glaubte, durch eine reichlichere Zufuhr von Sauerstoff in Folge der gr\u00f6sseren Dichtigkeit der kalten Luft oder in Folge der tieferen Athemztige erkl\u00e4rt werden kann aus Gr\u00fcnden, die ich sp\u00e4ter noch darlegen werde, so lag der Gedanke nahe, dass die K\u00e4lte nicht direkt auf den Stoffumsatz wirkt, sondern andere den letzteren stei-\n1\tG. Colasanti, Arch. f. cl. ges. Physiol. XIV. S. 92. 1S76.\n2\tD. Finklek, Ebenda. XV. S. 603. 1877.\n3\tR\u00e9gnault u.Reiset, Ann. d. Chem.u. Pharm. LXXIII. S. 275. 1850. \u2014Valentin, Unters, z. Naturlehre d. Menschen u. d. Thiere. II. S. 285. \u2014 Voit, Ztschr. f. Biologie. XIV. S. 112. 1878.\n4\tHerzog Carl Theodor, Ztschr. f. Biologie. XIV. S. 51. 1878.","page":215},{"file":"p0216.txt","language":"de","ocr_de":"216 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\ngerade Ver\u00e4nderungen bedingt, z. B. eine reichlichere Aufnahme von Speise oder eine intensivere k\u00f6rperliche Bewegung.\nBei den Versuchen an der Katze war der Einfluss einer gr\u00f6sseren Nahrungsaufnahme oder einer vor\u00fcbergehenden st\u00e4rkeren Ventilation des K\u00f6rpers in der K\u00e4lte ausgeschlossen, aber vermehrte willk\u00fcrliche und unwillk\u00fcrliche Bewegungen konnten wohl stattfinden. Nur bei dem Menschen sind dieselben m\u00f6glichst zu vermeiden ; ich 1 habe daher mittelst des grossen PETTENKOFEffscben Respirationsapparates an einem ruhig in einem Lehnstuhl sitzenden n\u00fcchternen Mann w\u00e4hrend 6 Stunden bei verschiedener \u00e4usserer Temperatur (ff- 4.4\u00b0 bis 30.0\u00b0 C.) eine Anzahl von Kohlens\u00e4urebestimmungen gemacht. Das Hauptresultat, die Zunahme der Kohlens\u00e4ureausscheidung in der K\u00e4lte gegen\u00fcber der bei mittlerer Temperatur von 14\u201415\u00b0 tritt auch beim Menschen deutlichst hervor; die Vermehrung betr\u00e4gt 36\u00b0/o bei einer Temperaturerniedrigung um 9.9\u00b0. Dagegen findet sich bei einer Steigerung der Temperatur nicht eine allm\u00e4hliche Abnahme der Kohlens\u00e4uremenge wie bei der Katze, sondern ebenfalls eine wenn auch ganz geringe Zunahme derselben, und zwar um 10% bei einer Temperaturdifferenz von 15.7%.2 Die Steigerung des Stoffumsatzes in der K\u00e4lte ist viel geringf\u00fcgiger als die bei starker Muskelarbeit, wo die Kohlens\u00e4ureabgabe um mehr als das Doppelte die bei der Ruhe \u00fcbertrifft.\nEs sind also nicht die willk\u00fcrlichen Bewegungen, welche in der K\u00e4lte die Kohlens\u00e4uresteigerung hervorrufen, denn das Versuchsindividuum verhielt sich in der Kammer so ruhig als m\u00f6glich; jedoch war nicht zu vermeiden, dass es am Ende der K\u00e4lteversuche stark fror und vor Frost zitterte. Man k\u00f6nnte aber ausserdem die vermehrte Stoffzersetzung in der kalten Luft oder im kalten Bade noch auf die Anstrengung der Athemmuskeln, durch welche das in der K\u00e4lte nicht unbedeutend gr\u00f6ssere Volum der Athemluft in die Lunge gebracht werden muss3, beziehen; aber die Steigerung der\n1\tVoit, Ztschr. f. Biologie. XIV. S. 78. 1878.\n2\tZuntz meint (Landw. Jahrb. 1879. S. 113), dass die gesteigerte Wasserver-dunstung von der Haut des Menschen bei h\u00f6herer Temperatur eine Abk\u00fchlung bedingt, welche die Wirkung der w\u00e4rmeren Luft compensirt, w\u00e4hrend bei den Versuchen von Colasanti und Finkler die Luft stets feucht erhalten war. Dann m\u00fcsste in der warmen Luft von 30\u00b0 durch Verdunstung eine Erniedrigung der Temperatur der Haut wie durch eine kalte Luft von etwTa 12\u00b0 entstanden sein, was nicht wohl denkbar ist. Eine \u00e4hnliche Beobachtung, wie ich am Menschen, hat auch F. J. M. Page (Journ. of physiol. IL p. 228. 1S79) an einem Hunde gemacht ; er beobachtete ein Minimum der Kohlens\u00e4ureausscheidung bei einer \u00e4usseren Temperatur von 25\u00b0 und eine Vermehrung derselben sowohl bei Erniedrigung als auch bei Erh\u00f6hung der Temperatur um 10\u00b0.\n3\tLeichtenstern, Ztschr. f. Biologie. 411. S. 197. 1871.","page":216},{"file":"p0217.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Temperatur der umgebenden Luft auf den Stofiumsatz. 217\nKohlens\u00e4ureausscheidung in der K\u00e4lte ist betr\u00e4chtlicher als die durch eine Aenderung in der Athemmechanik.1 Da ferner die Verst\u00e4rkung der Athembewegungen des Menschen in der K\u00e4lte nicht in auffallendem Maasse sichtbar war, w\u00e4hrend erst die gr\u00f6ssten Verschiedenheiten in der Athemrhythmik einen erheblichen Erfolg hervorbringen, so muss es, wenn auch ein Theil und unter Umst\u00e4nden ein nicht unbetr\u00e4chtlicher Theil der in der K\u00e4lte gesteigerten Zersetzung auf die verst\u00e4rkte Arbeit der Athemmuskeln trifft, doch noch andere Ursachen des reichlichen Zerfalls und der Oxydation in der K\u00e4lte geben.\nEs bleibt daher nichts anderes \u00fcbrig als noch weitere Wirkungen von Nerven auf den Umsatz im Organismus unter dem Einfluss der Temperatur der umgebenden Luft anzunehmen. Die Erregung der sensiblen Nerven der Haut durch die K\u00e4lte pflanzt sich, wie von anderen Haut- und Sinnesreizen schon angegeben worden ist, auf weitere Organe des K\u00f6rpers, namentlich auf die Muskeln, fort. Die Nerven und Nervencentralorgane, welche nicht mehr als 3% des ganzen K\u00f6rpergewichts ausmachen, k\u00f6nnen f\u00fcr sich allein, auch bei der gr\u00f6ssten Th\u00e4tigkeit, wohl keinen irgend erheblichen Einfluss auf die Gesammtzersetzung aus\u00fcben; man hat daher vorz\u00fcglich auf die Muskeln, welche 42\u00b0/o des K\u00f6rpers und ohne das Skelett 50% desselben betragen, aufmerksam gemacht; man nimmt daher an, dass vorz\u00fcglich in ihnen durch Keflex ein Einfluss auf die Zersetzung, selbst bei Ausschluss der willk\u00fcrlichen Bewegungen, stattfindet. Nach meinen Versuchen am Menschen wirkt eine h\u00f6here Temperatur auch als ein Beiz f\u00fcr die sensiblen Nerven wie eine m\u00e4ssige K\u00e4lte.\nEs ist von vorn herein wahrscheinlich, dass durch den K\u00e4ltereiz auf reflektorischem Wege der Umsatz \u00e4hnlich wie durch die Muskelarbeit beeinflusst wird d. h. dass dabei nur die Zerst\u00f6rung der stickstofffreien Stoffe, nicht aber die des Eiweisses gesteigert wird.\nMan hat bei Einwirkung von K\u00e4lte auf den Organismus aus der Stickstoffausscheidung den Eiweisszerfall zu bestimmen versucht. Bei den Versuchen von Schr\u00f6der2 3, Willemin 3 und C. Barth4 5 handelt es sich um den Einfluss kalter B\u00e4der auf die Stickstoffausscheidung bei Typhuskranken, also mehr um die V irkung der M\u00e4ssigung des Fiebers durch die K\u00e4lte. Liebermeister 5 hat bei Menschen unter\n1\tLossen, Ebenda. II. S. 244. 1866, VL S. 29S. 1S70, XIY. S. 108. 1878.\n2\tSchr\u00f6der, Deutsch. Arch. f. klin. Med. YI. S. 3S5.\n3\tWillemin, Archives g\u00e9n\u00e9rales de m\u00e9decine. IL p. 322. 1S63.\n4\tC. Barth, Beitr. zurWasserbehandlung d. Typhus. Diss. inaug. Dorpat 1866.\n5\tLiebermeister, Deutsch. Arch. f. klin. Med. X. S. 90. Siehe auch L. Lehmann, Arch. d. Yer. f. gern. Arb. I. S. 53S. 1853.","page":217},{"file":"p0218.txt","language":"de","ocr_de":"218 A oit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\ngleichm\u00e4ssiger Lebensweise und Di\u00e4t keine deutliche Vermehrung der Harnstoffausscheidung in Folge von W\u00e4rmeentziehung beobachtet; in gleicher Weise nahm Senator 1 an einem Hunde, der mit 300 Grm. Fleisch und 10 Grm. Schmalz ern\u00e4hrt wurde, keine Aenderung in der Harnstoffmenge bei verschiedenen Temperaturen (\u2014 1.5 bis 4- 19\u00b0) wahr. Ich habe bei dem hungernden Manne, welcher Temperaturen von 4.4\u201426.7\u00b0 ausgesetzt war, im 6st\u00e4ndigen Harn folgende Stickstoffmengen gefunden:\nTemperatur\tStickstoff im\nin \u00b0C.\tHarn.\n4.4\t4.23\n6.5\t4.05\n9.0\t4.20\n14.3\t3.81\n16.2\t4.00\n23.7\t3.40\n24.2\t3.34\n26.7\t3.97\nDie kleinen Schwankungen r\u00fchren von unvermeidlichen Fehlern bei einem nur 6 st\u00e4ndigen Versuche und an aus einander liegenden Tagen her; es kann demnach, so lange die K\u00f6rpertemperatur die gleiche bleibt, keine irgend erhebliche Aenderung des Eiweissverbrauchs in der K\u00e4lte und W\u00e4rme stattfinden, w\u00e4hrend die Kohlens\u00e4ureausscheidung betr\u00e4chtliche Verschiedenheiten zeigte. Die Einwirkung von K\u00e4lte bedingt daher in diesem Falle nur einen h\u00f6heren Umsatz von Fett oder von stickstofffreien Stoffen.\nGanz anders ist es, wenn die Eigenw\u00e4rme des Thiers alterirt wird.\nBei Herabsetzung derselben nimmt der Zerfall von Eiweiss und von Fett ab, wie namentlich das Murmelthier im Winterschlafe beweist, wobei es sich neben der schwachen Str\u00f6mung der Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit offenbar um eine Beeintr\u00e4chtigung der Bedingungen des Zerfalls der Stoffe in den abgek\u00fchlten Zellen handelt.\nEine Erh\u00f6hung der K\u00f6rpertemperatur bringt ausser der schon berichteten Zunahme der Kohlens\u00e4ureproduktion und des Sauerstoff-consums auch eine Vermehrung der Eiweisszersetzung hervor. Bartels1 2 hat zuerst am Menschen nach Gebrauch von Dampfb\u00e4dern eine Steigerung der Harnstoffausscheidung gefunden, dann Naunyn 3 am Hunde bei k\u00fcnstlicher Temperaturerh\u00f6hung des K\u00f6rpers. Den\n1\tSenator, Arcli. f. pathol. Anat. XLY. S. 363. 1869.\n2\tBartels, Greifswalder medic. Beitr. III. (1) 1864.\n3\tNaunyn, Berliner klin. Woch. 1869. No. 4; Arcli. f. Anat. u. Physiol. 1870. S. 159.","page":218},{"file":"p0219.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Temperatur der umgebenden Luft auf den Stoffumsatz. 219\nsichersten Aufschluss hier\u00fcber gehen aber die Versuche von Gust. Schleich h Derselbe hat am Menschen bei genauer Regelung der Nahrungsaufnahme nach einstiindigen warmen Vollb\u00e4dern von 38 bis 42.5\u00b0 eine deutliche Vermehrung der Harnstoffmenge (bis zu 29%) erhalten und zwar noch mehrere Tage nach dem Bade, z. B.\nHarnstoff\n1.\t32.0\n2.\t41.3 Badtag\n3.\t37.6\n4.\t31.1\n5.\t30.2\nEine vor\u00fcbergehende Erh\u00f6hung der Temperatur der Zellen und Gewebe beg\u00fcnstigt also f\u00fcr l\u00e4ngere Zeit die Zerst\u00f6rung des Eiweisses in denselben. Dies k\u00f6nnte geschehen durch Beg\u00fcnstigung der Zersetzung, also durch die erleichterte Dissociation in der h\u00f6heren Temperatur, oder durch einen lebhafteren S\u00e4ftestrom, welcher mehr Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit an den zerlegenden Zellen vorbeif\u00fchrt, oder endlich durch Ver\u00e4nderungen in der Organisation, in Folge deren die Bedingungen f\u00fcr die Zersetzung ge\u00e4ndert werden. Ich bin geneigt neben der ersteren Ursache auch die letztere anzunehmen und zwar wegen des l\u00e4ngere Zeit fortdauernden h\u00f6heren Eiweisszerfalls auch nach dem Aufh\u00f6ren der Temperatursteigerung. Ob die Kohlens\u00e4uresteigerung bei h\u00f6herer Eigenw\u00e4rme des Thiers ausschliesslich von der Mehrzersetzung des Eiweisses herr\u00fchrt oder ob dabei auch das Fett in gr\u00f6sserer Menge oxydirt wird, ist nicht entschieden. Es scheint sogar weniger Fett verbrannt zu werden, da eine betr\u00e4chtliche Steigerung der K\u00f6rpertemperatur von einiger Dauer in zahlreichen Organen eine parenchymat\u00f6se Degeneration hervorbringt, zum Theil als fettige Degeneration unter Ablagerung des aus dem Eiweiss abgespaltenen Fettes innerhalb der zeitigen Elemente1 2.\nXI. Einfluss\neiniger pathologischer Vorg\u00e4nge im K\u00f6rper auf den Stoffumsatz.\nEs ist nothwendig noch die Aenderungen, welche der Stoffverbrauch bei einigen pathologischen Ver\u00e4nderungen erleidet, kurz zu besprechen, insoweit dieselben f\u00fcr die Feststellung der Ursachen der normalen Zersetzungsprocesse von Bedeutung sind.\n1\tG. Schleich, Verhalten der Harnstoffproduction hei k\u00fcnstl. Steigerung der K\u00f6rpertemperatur. Hiss, inaug. T\u00fcbingen 1875; Arch. f. exper. Pathol, u. Pharm. IV. S. 82. 1875.\n2\tLitten, Arch. f. pathol. Anat. LXX. S. 10. 1877.","page":219},{"file":"p0220.txt","language":"de","ocr_de":"220 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\n1. Stoffumsatz nach Blutentzielnnuj.\nMan betrachtete fr\u00fcher das Blut als den Ort, an dem haupts\u00e4chlich die Stoffzersetzungen im Organismus stattfinden und zwar weil seine Entleerung aus den Gef\u00e4ssen rasch den Tod herbeif\u00fchrt, ferner weil es fl\u00fcssig ist und wandelbarer erschien als die festen Organe und endlich weil es den zerst\u00f6renden Sauerstoff in sich birgt.\nDie Ver\u00e4nderungen, welche nach einem Aderlass im K\u00f6rper auftreten, sind sehr eingreifende, es ist die absolute Menge des Bluts und damit die Zahl der rothen Blutk\u00f6rperchen geringer, wodurch das Verh\u00e4ltniss der Blutmenge und der in ihrem Ern\u00e4hrungszust\u00e4nde damit innig verbundenen Organe alterirt wird, es vermindert sich ferner in Folge des Uebertritts von Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit aus den Organen auch prozentig der Gehalt des Bluts an rothen Blutk\u00f6rperchen sowie an festen Bestandtheilen, die weissen Blutk\u00f6rperchen sind in lebhafter Neubildung begriffen, die Zahl und Tiefe der Athem-ziige nimmt anfangs meist ab, die Herzschl\u00e4ge werden h\u00e4ufiger unter Sinken des Blutdrucks und Abnahme der Geschwindigkeit des str\u00f6menden Blutes. Durch das Studium der Zersetzungsprozesse nach Blutentziehungen konnte demnach ein tiefer Einblick in den Verlauf und die Bedingungen dieser Vorg\u00e4nge gewonnen werden : vor Allem ist daraus die Abh\u00e4ngigkeit der Zersetzungen vom Blute \u00fcberhaupt zu erkennen, dann ob die Oxydationen nach Wegnahme eines Theils des Sauerstofftr\u00e4gers beeintr\u00e4chtigt sind, und in wie weit an ein bestimmtes Blutquantum ein gewisser Ern\u00e4hrungszustand der Organe gekn\u00fcpft ist.\nEs ist von vorn herein wahrscheinlich, dass alle diese Eingriffe, verbunden mit dem Verlust einer betr\u00e4chtlichen Menge von Eiweiss und anderen Stoffen, auch die Zersetzungsvorg\u00e4nge im K\u00f6rper anders gestalten werden.\nMan dachte sich gew\u00f6hnlich, die nothwendige Folge der Blutentziehung w\u00e4re eine Verminderung der Stoffzersetzungen. Nur 0. Weber 1 sprach sich in einem ganz richtigen Gef\u00fchle dahin aus, dass der Aderlass eine Steigerung des Stoffwechsels in Folge des Uebertritts von Plasma in das Gef\u00e4sssystem bedingen m\u00fcsse.\nDie Gr\u00f6sse des Eiweisszerfalls nach Aderl\u00e4ssen wurde zuerst von J. Bauer1 2 an zwei Hunden bei Zufuhr von Nahrung, welche den K\u00f6rper auf seinem Best\u00e4nde erhielt, und bei Hunger bestimmt.\n1\t0. Weber, Pitha u. Billroth, Handb. d. Chirurgie. I. (1) S. 426.\n2\tJ. Bauer, Sitzgsber. d.bayr. Acad. Math.-physik. CI. 1871. S. 254; Ztschr. f. Biologie. VIII. S. 579. 1872.","page":220},{"file":"p0221.txt","language":"de","ocr_de":"Stoffumsatz nach Blutentziehung.\n221\nIm ersten Falle trat nach Entziehung von etwa 28% des Gesammt-bluts eine Steigerung der Eiweisszersetzung ein, welche sich auf f\u00fcnf Tage ausdehnte und im Mittel im Tag 13.5 % betrug. Beim Hunger wurde zwei Mal, n\u00e4mlich am 7. und 10. Hungertage, Blut entleert und beide Male eine Erh\u00f6hung der Stickstoffausscheidung im Harn gefunden, und zwar unter Zunahme der Wasserausscheidung im Harn, obwohl das Thier kein Wasser aufgenommen hatte ; nach der ersten Blutentziehung betrug die unmittelbare Harnstoffzunahme 78%, nach der zweiten 37% , also wesentlich mehr wie bei Nahrungsaufnahme. Die absolute Zunahme der Harnstoffmenge ist aber bei Nahrungszufuhr wesentlich gr\u00f6sser wie beim Hunger.\nDie Zersetzung der stickstofffreien Stoffe nach Blutentziehungen ist ebenfalls von J. Bauer 1 mit meinem kleinen Respirationsapparate an einem kleinen Hunde in 3 \u2014 4 st\u00fcndlichen Versuchen ermittelt worden, wiederum beim Hunger und bei Nahrungsaufnahme. Dabei zeigte sich unmittelbar nach dem Aderl\u00e4sse keine Aenderung in der Ausscheidung der Kohlens\u00e4ure, jedoch entweder eine geringe Abnahme des Sauerstoffverbrauchs (um 15%) oder eine geringe Steigerung desselben (um 22%). Erst von der 20. Stunde nach der Operation ab war der gesummte Gasaustausch w\u00e4hrend 3 Tagen herabgesetzt, f\u00fcr die Kohlens\u00e4ure und den Sauerstoff bis zu 36%.\nSp\u00e4ter hat Dittmar Finkler1 2 nach Verminderung der Str\u00f6mungsgeschwindigkeit des Bluts durch Aderl\u00e4sse bis zu einem Dritttheil der gesummten Blutmenge in den n\u00e4chsten Stunden ebenfalls keine Verminderung des Sauerstoffverbrauchs und wahrscheinlich auch nicht der Kohlens\u00e4urebildung wahrgenommen.\nDa nach Blutverlusten f\u00fcr mehrere Tage die Eiweisszersetzung gr\u00f6sser ist als normal, die Kohlens\u00e4ureausscheidung aber allm\u00e4hlich abnimmt, so muss dabei weniger Fett der Oxydation anheimfallen, und zwar entweder von dem im K\u00f6rper abgelagerten oder in der Nahrung zugef\u00fchrten oder von dem aus dem zersetzten Eiweiss abgespaltenen Fett. Daher r\u00fchrt auch die Fettanh\u00e4ufung, welche man nach Blutverlusten und im Gefolge von An\u00e4mie h\u00e4ufig beobachtet.\nDie Abnahme des Fettumsatzes kann nicht durch die geringere Sauerstoffaufnahme und letztere nicht durch den Verlust an Blutk\u00f6rperchen bedingt sein. Denn die kleinere Menge von Blut ist, wie die Bestimmungen gleich nach dem Aderlass darthun, sehr wohl im Stande noch ebenso viel Sauerstoff \u00fcberzuf\u00fchren als vorher die\n1\tJ. Bauer, Ztschr. f. Biologie. VIII. S. 567. 1872.\n2\tDittm. Finkler, Arch. f. d. ges. Physiol. X. S. 368. 1875.","page":221},{"file":"p0222.txt","language":"de","ocr_de":"222 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbranch im thier. Organismus etc.\ngr\u00f6ssere Menge unter den gew\u00f6hnlichen Verh\u00e4ltnissen. Bei einem Aderlass handelt es sich nicht nur um eine einfache Entziehung von etwas Ern\u00e4hrungsmaterial, sondern es leiden in Folge davon alle Organe und nehmen an dem Stoffverlust Theil. Ein Blutverlust wirkt auf den ganzen K\u00f6rper ein, indem er das Verh\u00e4ltniss von Blut und Gewebe st\u00f6rt, welche beide in inniger Wechselbeziehung mit einander stehen. Eine gr\u00f6ssere Menge von Blut bedingt n\u00e4mlich einen besseren Ern\u00e4hrungsstand der Organe, und so nehmen umgekehrt die letzteren nach Entziehung von Blut entsprechend ab, indem sie sich mit der geringeren Blutquantit\u00e4t ausgleichen, wodurch, wie sp\u00e4ter noch er\u00f6rtert werden soll, der vermehrte Eiweissumsatz hervorgerufen wird. Die durch Abgabe von Substanz schw\u00e4cher gewordenen Zellen und Gewebe besitzen nicht mehr in dem gleichen Grade die F\u00e4higkeit der Stoffzerlegung wie vorher.\nFraenkel 1 meint, die durch die beschr\u00e4nkte respiratorische Th\u00e4tig-keit des Bluts verminderte Sauerstoffzufuhr w\u00e4re die Ursache des gr\u00f6sseren Zerfalls von Eiweiss und der geringeren Kohlens\u00e4urebildung nach einem Aderl\u00e4sse; nach gew\u00f6hnlichen Blutentziehungen findet sich aber niemals Sauerstoffmangel oder Athemnoth, sondern es wird stets sekund\u00e4r so viel Sauerstoff aufgenommen als zur Oxydation der zerlegten Stoffe noting ist.\nDie Verh\u00e4ltnisse der Eiweisszersetzung nach Einspritzung von Blut oder von Blutserum in die Blutgef\u00e4sse werden bei einer anderen Gelegenheit besprochen werden.\n2. aStoffumsats bei Respirationsst\u00f6rungen.\nFr\u00fcher, als man noch die falsche Vorstellung hatte, der in das Blut aufgenommene Sauerstoff w\u00e4re die alleinige oder haupts\u00e4chliche Ursache f\u00fcr die Stoffzersetzungen im Thierk\u00f6rper, musste man con-sequenter Weise annehmen, dass bei mangelhafter Sauerstoffzufuhr von Anfang an weniger Material oxydirt und deshalb weniger Harnstoff und Kohlens\u00e4ure erzeugt werde, oder dass urspr\u00fcnglich ebenso viel Stoff wie normal durch den Sauerstoff angenagt, aber nicht aller bis zu den letzten Ausscheidungsprodukten verbrannt werde.\nNach den Anschauungen, welche wir jetzt \u00fcber die Vorg\u00e4nge bei den Zersetzungen gewonnen haben, wonach der Sauerstoff nicht die n\u00e4chste und direkte Ursache der Zerst\u00f6rung im K\u00f6rper ist, sondern von ihm secund\u00e4r so viel zugepumpt wird, als zur Verbrennung der durch andere Ursachen in Zerfall gerathenen Stoffe n\u00f6thig ist, sind ohne weiteres drei F\u00e4lle denkbar : es k\u00f6nnte bei St\u00f6rungen\nl Fraenkel, Arch. f. pathol. Anat. LXV1I. S. 273. 1876.","page":222},{"file":"p0223.txt","language":"de","ocr_de":"Stoffumsatz bei Respirationsst\u00f6rungen.\nOOQ\nuuO\ndes Gasaustauscb.es, welche l\u00e4ngere Zeit ertragen werden, weniger Stoff zerfallen und deshalb weniger Sauerstoff zur Oxydation noth-wendig sein, oder es k\u00f6nnte der erste Stoffzerfall wie normal vor sich gehen, aber wegen Sauerstoffmangels die Ausscheidung h\u00f6herer, sauerstoffarmer Zersetzungsprodukte erfolgen, oder es k\u00f6nnte endlich durch compensirende Einrichtungen gen\u00fcgend Sauerstoff eintreten und keine Aenderung in der Zersetzung zu erkennen sein. Es wird sich ergeben, dass, wenigstens was den Gaswechsel betrifft, die letztere M\u00f6glichkeit bis zu einem gewissen Grade erf\u00fcllt ist.\nSenator 1 hat zuerst an Hunden, bei denen er durch eine um den Rumpf zusammengeschn\u00fcrte Binde Athemnoth hervorbrachte, die Gr\u00f6sse der Eiweisszersetzung bestimmt; die Stickstoffausfuhr zeigte sich trotz einer fast auf das Doppelte gesteigerten Harnmenge im ersten Stadium der Respirationsst\u00f6rung niemals erheblich verringert, sondern mindestens der normalen unter denselben Bedingungen gleich kommend. Er meinte aus der reichlichen Wasserausscheidung im Harn auf eine vermehrte Bildung von Wasser und Kohlens\u00e4ure, hervorgebracht durch die gr\u00f6ssere Muskelarbeit in Folge des Athemhindernisses, schliessen zu d\u00fcrfen. Es war ihm nicht m\u00f6glich, wenn die Athemnoth l\u00e4ngere Zeit ertragen wird, unvollst\u00e4ndig verbrannte Produkte aufzufinden.\nSp\u00e4ter gab A. Fraenkel 2 an, bei jeder Verminderung der Sauerstoffzufuhr zu den Geweben eine betr\u00e4chtliche Steigerung der Harnstoffausscheidung d. h. der Eiweisszersetzung gesehen zu haben. Bei sechsst\u00fcndigen Versuchen an hungernden Hunden, bei denen durch die Trendelenburg\u2019s che Trachealkan\u00fcle der Lufteintritt herabgesetzt war, erhielt er z. B. statt 9 Grm. bis zu 17 Grm. Harnstoff. An einem im Stickstoffgleichgewicht befindlichen Thier war die Wirkung relativ und absolut geringer, da bei ihm aus bestimmten Gr\u00fcnden der Versuch nicht so sehr forcirt werden konnte. Die vermehrte Harnstoffausscheidung w\u00e4hrt \u00fcber den Versuchstag hinaus an und zwar nach Fraenkel\u2019s Meinung deshalb, weil auch die Niere durch den Eingriff funktionsschwach wird und anfangs den Harnstoff nicht mehr im geh\u00f6rigen Grade aus dem Blute auszuziehen vermag.\nAuch bei auf andere Weise herbeigef\u00fchrter St\u00f6rung der Sauerstoffaufnahme fand Fraenkel das Gleiche ; so ergab sich bei einem im Stickstoffgleichgewicht befindlichen Hunde durch Einathmung von Kohlenoxydgas, das die Blutk\u00f6rperchen unf\u00e4hig macht, den Sauerstoff in normaler Weise zu binden, eine deutliche Steigerung der Harnstoffausscheidung w\u00e4hrend mehrerer Tage.\n1\tSenator, Arcb. f. pathol. Anat. XLII.\n2\tA. Fraenkel, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1S75. S. 739, 1877. S. 767; Arcb. f. patbol. Anat. LXA7II. S. 273. 1876, LXX. S. 117. 1877 (gegen Eichhorst).","page":223},{"file":"p0224.txt","language":"de","ocr_de":"22-i Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nH. Eichhoest 1 war allerdings nicht im Stande bei tracheotomirten Kindern, welche bei Kehlkopfcroup in gr\u00f6sster Athemnotli sich befanden, eine vermehrte Sekretion von Harnstoff nachzuweisen, er fand sogar im Gegentheil ein Absinken und bei Freiwerden der Atlimung ein Steigen derselben; es erscheint aber kaum m\u00f6glich bei Kindern den Harn Tag f\u00fcr Tag genau abzugrenzen und die t\u00e4gliche Harnstoffmenge zu bestimmen.\nNach Fraenkel bedingt die verminderte Sauerstoffzufuhr die Steigerung der Eiweisszersetzung ; es kann nach ihm nicht die Hemmung der Kohlens\u00e4ureausscheidung die Ursache sein, weil der Effekt noch ebenso eintritt bei Eingriffen, welche wohl die Sauerstoffaufnahme beschr\u00e4nken, aber keine Kohlens\u00e4ureanh\u00e4ufung hervorrufen. Er fragt weiter, warum bei Sauerstoffmangel mehr Eiweiss zerf\u00e4llt, und er meint, es gehe dabei das lebendige Eiweiss in todtes \u00fcber, welches dann rasch zerst\u00f6rt werde. Ich werde diese Anschauung sp\u00e4ter noch besprechen, und bemerke hier nur, dass auch bei grosser Athenmoth, wenn sie l\u00e4ngere Zeit ertragen wird, nicht weniger Sauerstoff in den K\u00f6rper aufgenommen wird, und rasch der Tod unter Asphyxie eintritt, sobald dies nicht mehr m\u00f6glich ist.\nUeber den Gasaustausch bei Respirationsst\u00f6rungen liegen fr\u00fchere Untersuchungen an lungenkranken Menschen von Ad. Hannover -vor, der mit Scharling\u2019s Apparat arbeitete und im Allgemeinen eine Verminderung des Gaswechsels fand; ich habe mit Dr. M\u00f6ller3 an kranken Menschen, welche Athemhindernisse boten, ebenfalls Versuche \u00fcber die Ausscheidung der Kohlens\u00e4ure angestellt und keine erhebliche Aenderung derselben bemerkt, und besonders bei einem Versuche, wo die Athemluft bei hochgradiger halbseitiger Pleuritis und dann sp\u00e4ter nach der Genesung gepr\u00fcft werden konnte, beide Male die gleichen Werthe erhalten.\nDurch alle jene Erkrankungen der Lunge oder Athemhindernisse wird bis zu einer gewissen Grenze die Zersetzung in den Zellen und Geweben nicht ver\u00e4ndert; es m\u00fcssen sich daher anpassende Einrichtungen finden, durch welche trotzdem die zur Verbrennung der Zerfallprodukte n\u00f6thige Sauerstoffmenge zugef\u00fchrt und die erzeugte Kohlens\u00e4ure ausgeschieden werden kann: n\u00e4mlich durch h\u00e4ufigere und tiefere Athemz\u00fcge, durch zahlreichere Herzschl\u00e4ge, durch Ausdehnung der Blutgef\u00e4sse der gesunden Lunge u. s. w. Durch solche Compensationen wird auch nach Aderl\u00e4ssen von der geringeren Zahl der Blutk\u00f6rperchen noch so viel geleistet wie normal unter gew\u00f6hn-\n1\tEichhorst , Arch. f. pathol. Anat. LXX. S. 56. 1877, LXXIV. S. 201. 1878; Centralbl. f. d.med. Wiss. 1877. S. 557.\n2\tAh. HAnhover, De quantitate relativa et absoluta Acidi carbonici ab komme sano et aegroto exkalati. Hauniae. 1S45.\n3\tC. M\u00f6ller, Ztsckr. f. Biologie. XIV. S. 542. 1878.","page":224},{"file":"p0225.txt","language":"de","ocr_de":"Stoffumsatz bei der Zuckerharnruhr.\n225\nlicken Umst\u00e4nden, oder von einem Leuk\u00e4mischen l, der auf 3 farbige 1 farbloses Blutk\u00f6rperchen besass, nicht weniger Sauerstoff aufgenommen und verbraucht als von einem gesunden ruhenden Menschen bei der gleichen Nahrung.2 Allerdings ist dies nur m\u00f6glich, wenn nicht zu viel Sauerstoff n\u00f6thig ist; der Kranke vermag nicht gen\u00fcgend Sauerstoff aufzunehmen, um die bei t\u00fcchtiger Muskelanstrengung in Uebersckuss zersetzten Stoffe zu verbrennen, er wird daher alsbald durch Dyspnoe von derselben abgehalten ; der Gesunde besitzt ein h\u00f6heres Maximum der Sauerstoffaufnahme als der Lungenkranke oder der Leuk\u00e4miker.\nEs geht also daraus hervor, dass bei Respirationsst\u00f6rungen durch bestimmte Ursachen mehr Eiweiss zerf\u00e4llt wird, aber die Zersetzung der Stoffe, welche Kohlens\u00e4ure liefern, bis zu einer gewissen Grenze unver\u00e4ndert vor sich geht.3\n3. Stoffumsatz bei der Zuckerharnruhr.\nBei der Zuckerharnruhr finden sich h\u00f6chst merkw\u00fcrdige Ver\u00e4nderungen des Stoffverbrauchs im K\u00f6rper.\nUntersuchungen der Gesammtaussckeidungen beim Diabetiker unter verschiedenen Ern\u00e4hrungsverh\u00e4ltnissen sind von Pettenkofer und mir4 gemacht worden; von Anderen ist meist nur die Eiweisszersetzung oder die Zuckerausscheidung bei wechselnder Nahrungszufuhr studirt worden.\nDas Hauptph\u00e4nomen, welches schon fr\u00fcher erkannt wurde, ist der grosse Bedarf im Leib des Diabetikers; denn trotz des enormen Nahrungsquantums magert er best\u00e4ndig ab. Eine mittlere Kost, bei der ein kr\u00e4ftiger Arbeiter auf die Dauer besteht , reicht dem Diabetiker nicht hin, er verliert dabei noch viel Eiweiss und Fett von seinem K\u00f6rper. Ein solcher Kranker bringt verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig mehr\n1\tPettenkofer u. Voit, Ztschr. f. Biologie. Y. S. 319. 1S69.\n2\tNach Oertmann (Arch. f. d: ges. Physiol. XY. S. 381. 1877) zeigen entblutete Fr\u00f6sche keine geringere Aufnahme von Sauerstoff und Abgabe von Kohlens\u00e4ure; es musste also bei ihnen ohne das Blut der gew\u00f6hnliche Gaswechsel besorgt werden k\u00f6nnen.\n3\tVierordt hat unter verschiedenem Luftdruck keine Aenderung der absoluten Kohlens\u00e4ureausscheidung gefunden. (Siehe auch: Yivenot, Zur Kenntniss d. physiol. Wirkungen u. d. therap. Anwendung d. verdichteten Luft. Erlangen 1868. \u2014 Panum, Arch. f. d. ges. Physiol. 1.1868. \u2014 Liebig, Ztschr. f. Biologie. V. S. 1.1869; Arch. f. d. ges. Physiol. X. S. 479. 1875.) Dagegen giebt S. Hadra (Arch. f. klin. Med. I. S. 109) an, eine Harnstoffvermehrung (nach Liebig\u2019s Methode bestimmt) beobachtet zu haben, als er mehrere Stunden in comprimirter Luft unter 2 Atmosph\u00e4ren Druck verweilte. Er hatte sich durch gleichm\u00e4ssige gemischte Kost ins Stickstoffgleichgewicht versetzt; es soll schon von anderer Seite wiederholt das gleiche Factum constatirt worden sein.\n4\tPettenkofer u. Yoit , Sitzgsber. d. bayr. Acad. 1865. S. 224; Ztschr. f. Biol. III. S. 380. 1867.\nHandbuch der Physiologie. Bd. VI.\n15","page":225},{"file":"p0226.txt","language":"de","ocr_de":"226 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stof\u00eeVerbrauch im thier. Organismus etc.\nEiweiss als ein Gesunder zum Zerfall, er zerst\u00f6rt mehr von dem in der Nahrung aufgenommenen oder im K\u00f6rper vorhandenen Fett, bindet aber trotzdem unter sonst gleichen Umst\u00e4nden wesentlich weniger Sauerstoff und scheidet weniger Kohlens\u00e4ure aus als der normale Mensch. Es ist vielleicht m\u00f6glich, alle quantitativen Aen-derungen des Stoffwechsels aus der Nichtzersetzung und dem Wegfall des Zuckers abzuleiten; der gesunde Arbeiter, der sich mit gemischter Nahrung erh\u00e4lt, w\u00fcrde sicherlich wie der Diabetiker Eiweiss und Fett verlieren, sowie weniger Sauerstoff aufnehmen, wenn man seiner Kost so viel Kohlehydrat entz\u00f6ge, als der Diabetiker im Zucker ausscheidet. Der Diabetische w\u00fcrde dann von einer gemischten Nahrung mehr bed\u00fcrfen, weil er deren Kohlehydrat nicht verwerthet, sowie ein Mensch mit einer Gallenfistel mehr von einer fetthaltigen Nahrung, deren Fett er nicht resorbirt, n\u00f6thig hat. Es ist daher wichtig zu pr\u00fcfen, ob der Diabetiker von einer nur aus Eiweiss und Fett bestehenden Kost, bei der er keinen oder nur wenig Zucker abgiebt, zur Erhaltung seines K\u00f6rperbestandes ebenso viel oder mehr braucht als der Gesunde. Im ersteren Falle w\u00fcrde es sich nur um die Wirkung des Wegfalls des Eiweiss und Fett ersparenden Zuckers handeln, im letzteren dagegen um eine tiefere Ver\u00e4nderung der zersetzenden Zellen und Gewebe.\nVielfach wurde fr\u00fcher \u00fcber die bedeutenden Harnstoff- und Phosphors\u00e4uremengen im Harn Diabetischer berichtet1, welche aber von einer zuf\u00e4lligen reichlichen Eiweisseinnahme h\u00e4tten herr\u00fchren k\u00f6nnen. Es wurde aber bald klar, dass der Diabetiker so viel verzehren muss, weil der Verbrauch in seinem K\u00f6rper ein so gewaltiger ist.\nDie gr\u00f6ssere Stickstoffausscheidung unter sonst gleichen Verh\u00e4ltnissen, namentlich bei gleicher Eiweisszufuhr wie beim Gesunden, bemerkten zuerst Sam. Haughton2, Reich3, Rosenstein4, Huppert5, vor Allem aber C. Gaehtgens 6, der zu dem Zwecke einem gesunden und einem diabetischen Manne ganz die gleiche gemischte, an Kohlehydraten reiche Nahrung gab. Damit ist allerdings dargethan,\n1\tMosler, Arch. d. Ver. f. wiss. Heilk. III. \u2014 Boecker, Deutsche Klinik. 1853. No. 33. \u2014 Thierfelder u. Uhle, Arch. f. physiol. Heilk. 1858. S. 32. \u2014 Neubauer, Journ. f. pract. Chemie. LXVII. \u2014 J. Vogel , Handb. d. spec. Pathol, u. Ther. y. Virchow. VI. 2. Abth. \u2014 Beneke, Zur Physiol, u. Pathol, d. phosphors, u. oxals. Kalks. G\u00f6ttingen 1850.\n2\tSam. Haughton, Dublin quarterly journ. of medic, scienc. 1861. 1863.\n3\tReich, De diabete mellito quaestiones. Diss. inaug. Gryphiae 1859.\n4\tRosenstein, Arch. f. pathol. Anat. XII. S. 414. 1857.\n5\tHuppert, Arch. f. Heilk. VII. 1866.\n6\tC. Gaehtgens, Ueber den Stoffwechsel eines Diabetikers verglichen mit dem eines Gesunden. Diss. inaug. Dorpat 1866.","page":226},{"file":"p0227.txt","language":"de","ocr_de":"Stoffumsatz bei der Zuckerffarnrulir.\n227\ndass der Diabetiker bei gemischter Kost mehr Eiweiss zersetzt, es ist aber obige Frage noch nicht entschieden, zu deren L\u00f6sung der Eiweissumsatz bei kohlehydratfreier Kost untersucht werden muss. Es scheint in der That im Diabetiker auch in letzterem h alle mehr Eiweiss in Zerfall zu gerathen, wenn nicht die Armuth seines Leibes an Fett die Ursache davon ist. K\u00fclz 1 hat bei einem an Zuckerharnruhr leidenden M\u00e4dchen bei vorwiegend animalischer Di\u00e4t w\u00e4hrend 43 Tagen durchschnittlich t\u00e4glich 50 Grm. Harnstoff erhalten, also mehr als ein kr\u00e4ftiger Mann liefert. Der nur 54 Kilo schwere Diabetiker von Pettenkofer und mir zersetzte beim Hunger in 24 Stunden 326 Grm. Fleisch (und 154 Grm. Fett), der 71 Kilo schwere Arbeiter 328 Grm. Fleisch (und 209 Grm. Fett). Es ist daher wahrscheinlich, dass ein magerer, gesunder Mann von 54 Kilo Gewicht weniger Fleisch verliert wie der Diabetiker; in der That btisste der herabgekommene, von Pettenkofer und mir untersuchte Mann II bei einem K\u00f6rpergewichte von 52 Kilo (nach einer Bestimmung von Dr. Schuster) am ersten Hungertage nur 200 Grm. Fleisch ein. Auch Kratsch-mer 2 sah bei seinem Kranken beim Hunger viel Harnstoff und Zucker erscheinen, in einem Falle noch an den zwei letzten Lebenstagen je 33 Grm. Harnstoff und 62 Grm. Zucker; in einem andern Falle wurden bei einem K\u00f6rpergewichte von 34 Kilo unverh\u00e4ltnissm\u00e4ssig grosse Mengen von Harnstoff ausgeschieden 1 2 3. Darnach wird allerdings obige Annahme sehr plausibel, aber ein reiner, ganz entscheidender Versuch in dieser Richtung, im Vergleich mit einem Gesunden von m\u00f6glichst gleicher K\u00f6rperbeschaffenheit angestellt, liegt meines Wissens bis jetzt noch nicht vor. Noch weniger ist es sicher gestellt, ob der Diabetiker in einem solchen Falle und bei Ausschluss von Kohlehydraten mehr Fett zerst\u00f6rt. Nimmt man einen abnormen Zerfall von Eiweiss beim Diabetiker als erwiesen an, dann finden sich wahrscheinlich Ver\u00e4nderungen der kleinsten Theilcken der Organisation, wodurch das organisirte Eiweiss weniger stabil ist, leichter oder in gr\u00f6sserer Menge fl\u00fcssig wird und dann der Zersetzung unterliegt (Huppert, Pettenkofer und ich).\t_ '\nMan k\u00f6nnte die Ansicht hegen, dass bei der Zuckerharnruhr aus irgend einem Grunde die F\u00e4higkeit, Sauerstoff aufzunehmen und den Geweben zuzuf\u00fchren, nicht mehr in dem Grade vorhanden ist wie\n1\tK\u00fclz, Ueber die Harns\u00e4ureausscheidung in einem Fall von Diabetes mellitus. Diss. inaug. Marburg 1872.\n2\tKratschmer, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LXVI. 3. Abth. Oct. 1872.\n3\tBei einem Versuche, bei dem unser Diabetiker 1350 Grm. Fleisch mit 80 Grm. Fett erhielt, zersetzte er 856 Grm. Fleisch und 184 Grm. Fett; J. Ranke zersetzte bei 1281 Grm. Fleisch mit 78 Grm. Fett 969 Grm. Fleisch.\n15*","page":227},{"file":"p0228.txt","language":"de","ocr_de":"228 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nbei einem gesunden Menschen, und dann daraus erkl\u00e4ren wollen, warum ein Theil des verf\u00fcgbaren Materials unverbrannt bleibt und als Zucker ausgeschieden wird. Gelangt aber bei einem Gesunden wenig Sauerstoff in das Blut neben viel zersetzbaren Stoffen, so tritt nicht Zucker im Harn auf, sondern es zerfallen diese Stoffe nicht und werden aufgespeichert, wie es bei unserem schlecht gen\u00e4hrten Manne (II) der Fall war. Es macht also eine verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig geringe Sauerstoffzufuhr keinen Diabetes. Ausserdem vermag der Diabetiker nach Pettenkofer und mir bei sehr reichlicher Nahrungsaufnahme so viel Sauerstoff aufzunehmen wie ein normaler Mensch, er k\u00f6nnte also leicht gen\u00fcgend Sauerstoff einf\u00fchren, um den f\u00fcr gew\u00f6hnlich ausgeschiedenen Zucker zu verbrennen; es wird vielmehr nicht mehr Sauerstoff verbraucht, weil der Zucker nicht weiter zerf\u00e4llt und deshalb keinen Sauerstoff in Beschlag nimmt. Es ist daher die Vorstellung von Fraenkel, dass der abnorme Gewebszerfall bei Diabetes von der ungen\u00fcgenden Sauerstoffbindung herkomme, nicht begr\u00fcndet.\nAuch die gesteigerte Zersetzung vermag das Auftreten des Zuckers bei dem Diabetes nicht zu erkl\u00e4ren; denn selbst der gr\u00f6sste Umsatz f\u00fcr sich allein durch ein Uebermaass von Nahrung oder die reichlichste Aufnahme von St\u00e4rkemehl und Zucker bei einem Gesunden hat keine Zuckerharnruhr zur Folge. Erh\u00e4lt ein Gesunder die Stoffmenge, bei deren Umsetzung der Diabetiker grosse Quantit\u00e4ten von Zucker ausscheidet, so bekommt er keinen Diabetes; er wird vielmehr Substanz ansetzen und daneben unter reichlichem Sauerstoff-consurn viel zersetzen.\nDie anf\u00e4nglich von Pettenkofer und mir gemachte Annahme, dass beim Diabetes ein Missverh\u00e4ltnis zwischen Zersetzung und Sauerstoffaufnahme gegeben ist, ist darnach nicht richtig.\nEs kann nicht zweifelhaft sein, dass bei der Zuckerharnruhr aus irgend einer Ursache mehr Eiweiss und Fett in Zerfall gerathen, aber daneben vor Allem die Bedingungen f\u00fcr die Zersetzung des in normaler Menge vorhandenen Zuckers nicht mehr gegeben sind. Das Auftreten des Zuckers im K\u00f6rper ist nicht etwas Anormales ; es entsteht auch beim Diabetiker wahrscheinlich nicht einmal mehr Zucker wie beim Gesunden bei gleichem Stoffzerfall, er wird nur nicht zerst\u00f6rt wie normal. Darum wird im letztem Falle der aus den Kohlehydraten der Nahrung stammende Zucker unver\u00e4ndert wieder abgeschieden ; letzterer bildet meist den Hauptantheil der Zuckermenge im Harn des Diabetikers, weshalb bei animalischer Kost weniger Zucker im Harn auftritt. Der aus dem Darm resorbirte Zucker wird sehr","page":228},{"file":"p0229.txt","language":"de","ocr_de":"Stoffumsatz bei der Zuckerharnruhr.\n229\nrascli aus dem Blute wieder entfernt, denn nach Mering und K\u00fclz nimmt nach Brodzufuhr schon nach 1 Stunde die Zuckermenge im Harn zu und erreicht nach 3 Stunden ihr Maximum. Aber es wird noch dar\u00fcber hinaus Zucker im K\u00f6rper bei dem Zerfall von Eiweiss oder Fett erzeugt (Gaehtgens, Huppert), weshalb auch ohne Aufnahme von Kohlehydraten Zucker im Harn auftritt. Der Zucker ist beim Diabetes nicht immer absolut unzerst\u00f6rbar 1 2 3 4, es nimmt jedoch die F\u00e4higkeit ihn zu zerst\u00f6ren allm\u00e4hlich ab. Es kann unter Um-st\u00e4nden noch viel Zucker zerlegt werden und nur bei reichlicher Aufnahme von Kohlehydraten Zucker in den Harn \u00fcbergehen; in intensiveren F\u00e4llen wird noch ein kleiner Theil des Zuckers umgesetzt, so dass bei rein animalischer Kost kein Zucker im Harn nachweisbar ist (S. Rosenstein, Seegen), weil der aus dem Eiweiss entstandene Zucker eben verbrannt wird; zuletzt fehlt aber die M\u00f6glichkeit der Zuckerzersetzung vollst\u00e4ndig und es findet sich auch Zucker im Harn bei rein animalischer Di\u00e4t.\nMan k\u00f6nnte endlich fragen, warum denn der Zucker nicht weiter zersetzt wird. Nach der Anschauung von 0. Schultzen 2 fehlt das Ferment, welches den Zucker in Glycerinaldehyd und in Glycerin spaltet, w\u00e4hrend das Glycerin noch leicht und vollst\u00e4ndig im Leibe des Diabetikers unter Verschwinden des Zuckers zu Kohlens\u00e4ure und Wasser verbrennen soll; K\u00fclz3 und Mering4 haben jedoch gezeigt, dass das Glycerin die Zuckerausscheidung vermehrt, was Inulin, Fruchtzucker und Mannit nicht thun 5 6. Es ist nicht wahrscheinlich, dass ein ungeformtes Ferment normal den Zucker zerlegt und im Diabetes mangelt, da angestrengte k\u00f6rperliche Bewegung, welche \u00fcberhaupt den Stoffzerfall beg\u00fcnstigt, auch die Zuckerausscheidung, wie namentlich K\u00fclz 6 gefunden hat, vermindert. Es bleibt also nichts Anderes \u00fcbrig als dem Organisirten unter normalen Verh\u00e4ltnissen die Eigenschaft zu vindiziren den Zucker zu spalten; es kann nicht im Allgemeinen das Verm\u00f6gen der Zelle chemische Verbindungen zu\n1\tDer von Pettenkofer und mir beobachtete Diabetiker war noch im Stande bei Zufuhr von sehr viel St\u00e4rkemehl und Zucker einen Theil des Zuckers zu oxydiren, er entfernte nicht allen im Harn wieder. Hach K\u00fclz kann ein Diabetiker bis zu 200 Grm. Traubenzucker gemessen, ohne dass die Zuckerausscheidung um mehr als 7 Grm. zunimmt (Beitr. etc. I. 1874).\n2\tSchultzen, Berliner k\u00fcn. \"Woch. 1872. No. 35.\n3\tK\u00fclz, Deutsch. Arch. f. klin. Med. XII. S. 248 ; Beitr. z. Pathol, u. Ther. des Diabetes mellitus. II. Marburg 1875.\n4\tMering, Deutsch. Ztschr. f. pract. Med. 1877. No. 18.\n5\tK\u00fclz, Beitr. etc. 1874. S. 129. u. 142.\u2014 Mering, Deutsch. Ztschr. f. pract. Med. 1877. No. 40.\n6\tBouchardat, Annuaire de th\u00e9rapeutique, p. 291. 1865. \u2014 K\u00fclz, Deutsch. Ztschr. f. pract. Med. 1876. No. 23; Beitr. etc. I. S. 179. 1874, II. S. 177. 1875.","page":229},{"file":"p0230.txt","language":"de","ocr_de":"230 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nzerlegen abgenommen haben, da Eiweiss lind Fett noch in grosser Menge zersetzt werden, es muss der Zelle die F\u00e4higkeit abgehen, den Zucker zu zersetzen L\nEs wird auch aus Eiweiss oder Fett Zucker abgetrennt, denn bei rein animalischer Kost kann sich noch Zucker im Harn linden, sowie sich auch dabei Zucker und Glykogen in der Leber oder in der Milch nach-weisen lassen. Wenn man bei 24 st\u00e4ndigem Hunger noch geringe Mengen von Zucker im Harn antrifft, so r\u00fchren diese m\u00f6glicher Weise von dem im K\u00f6rper aufgeh\u00e4uften Zucker her. Ganz unzweifelhaft stammt aber der Zucker vom Eiweiss oder Fett ab, wenn man l\u00e4ngere Zeit keine Kohlehydrate giebt. So hat Mering 2 bei einem Diabetiker, der ausschliesslich reines Fleisch erhielt, am 14. Tage noch 59.8 Grm. Zucker im Harn aufgefunden; ebenso wies K\u00fclz 3 bei Aufnahme von 302 Grm. fett- und zuckerfreiem Kasein im Tag im Mittel noch 81 Grm. Zucker nach, als der Diabetiker schon l\u00e4ngere Zeit vorher nur animalische Kost verzehrt hatte; Kratschmer bestimmte im Harn bei reiner Fleischkost (1000 Grm. Fleisch, Fleischsuppe und Mandelmilch) nach 17 Tagen neben 85 Grm. Harnstoff noch 112 Grm. Zucker.\n4. Stojfumsatz beim Fieber.\nMan hat schon seit langer Zeit angenommen, dass im Fieber die Stoffzersetzung im K\u00f6rper regelwidrig gesteigert sei, vor Allem weil man sich die damit verkn\u00fcpfte h\u00f6here Temperatur, die Fieberhitze, nicht anders zu deuten vermochte. Aber es war erst in den letzten Jahren m\u00f6glich, den Umsatz beim Fieber mit Sicherheit zu messen.\nEs gelang zuerst die Zersetzung des Eiweisses beim Fieber durch die Untersuchung der Stickstoffausscheidung im Harn zu contr obren. Jedoch hatte man in einem ersten Zeitraum noch nicht die richtige Methode in Anwendung gebracht, um eine Frage der Art sicher zu beantworten: es musste vor Allem die Bestimmung des Harnstoffs oder vielmehr des Stickstoffs im Harn eine genaue sein und der K\u00f6rper des Menschen oder der Thiere unter Bedingungen sich befinden, bei welchen sich eine Aenderung durch irgend ein Agens erkennen l\u00e4sst. Da diese Erfordernisse nicht erf\u00fcllt waren, fand man anfangs durchg\u00e4ngig in fieberhaften Krankheiten die Menge des Harnstoffs vermindert4.\n1\tEs ist hierf\u00fcr von grosser Bedeutung, dass das Opium die Eigenschaft hat, die Zuckerausscheidung zu vermindern (siehe Frerichs, Pavy, Seegen, namentlich aber Kratschmer).\n2\tMering, Deutsch. Ztschr. f. pract. Med. 1S77. No. 18 u. No. 40.\n3\tK\u00fclz, Arch. f. exper. Pathol, u. Pharm. YI. S. 140.\n4\tBecquerel. S\u00e9m\u00e9iotique des urines, p. 37 et 51. Paris 1841. \u2014 F. Simon, physiol. u. pathol. Anthropochemie. S. 421. Berlin 1842. \u2014 C. G. Lehmann, Lehrb. d. physiol. Chem. I. S. 143. 1853 ; Handb. d. physiol. Chem. S. 294. 1859. \u2014 Tomowitz, Ztschr. d. Ges. d. Aerzte zu Wien. 1851. S. 846.","page":230},{"file":"p0231.txt","language":"de","ocr_de":"Stoffumsatz beim Fieber.\n231\nNachdem Liebig durch seine Titrirmethode eine leichte lind in gewissen F\u00e4llen gen\u00fcgend genaue Bestimmung des Harnstoffs gelehrt hatte, erhielten alle in dieser Richtung Arbeitenden das Resultat, dass w\u00e4hrend des Fiebers die Ausscheidung des Harnstoffs betr\u00e4chtlich \u00fcber die Norm vermehrt sei b Obwohl bei den meisten dieser Versuche auf den zweiten wichtigen Punkt, n\u00e4mlich auf die Herstellung einer gleichm\u00e4ssigen Stickstoffausscheidung ohne das Fieber und auf die Stickstoffzufuhr noch nicht oder nicht gen\u00fcgend geachtet wurde, war doch die angegebene Wirkung des Fiebers auf den Eiweisszerfall h\u00f6chst wahrscheinlich, da die Fiebernden meist keine oder nur wenig Nahrung aufnehmen und trotzdem die Harnstoffmenge in der ersten Zeit einer fieberhaften Krankheit gr\u00f6sser ist als bei einem gesunden, gut gen\u00e4hrten Menschen, also statt 35 Grm. bis zu 40\u201450 Grm. und mehr betr\u00e4gt; erst sp\u00e4ter, wenn der K\u00f6rper durch die Krankheit herabgekommen ist, wird weniger Harnstoff als normal ausgeschieden, jedoch immer noch mehr wie von einem gesunden Menschen unter sonst gleichen Verh\u00e4ltnissen.\nEin sicherer Entscheid kann jedoch auch hier nur dann erhalten werden, wenn man den Menschen oder das Thier in v\u00f6lligem Hungerzustande, bei welchem normal nur geringe Schwankungen der Harnstoffsekretion Vorkommen, vor und w\u00e4hrend des Fieberanfalls untersucht, oder wenn man zum Vergleich des Eiweissumsatzes einem gesunden, m\u00f6glichst gleich beschaffenen Organismus die n\u00e4mliche Nahrung reicht wie dem Fieberkranken, oder indem man demselben Kranken vor oder nach dem Fieberanfall die gleiche Di\u00e4t giebt, wie w\u00e4hrend der Fiebertage.\nDiese Cautelen sind nur in einigen wenigen F\u00e4llen beim Menschen beachtet worden; es ist beim Kranken noch schwieriger wie beim Gesunden die Nahrung auf gleicher, bekannter Zusammensetzung zu halten.\n1 Alfred Vogel, Ztschr. f. rat. Med. N. F. IV. 1854; Klin. Unters, \u00fcber den Typhus. Erlangen 1860. \u2014 Schneller, De quantitate ureae in urina febrili. Diss. in-aug. Regiomont. 1854. \u2014 Traube u. Jochmann, Deutsche Klinik. 1855. No. 46 ; Gesammelte Beitr\u00e4ge. II. S. 286. \u2014 L. Wachsmuth, De ureae in morbis febrilibus acutis excretione. Diss. inaug. Berlin 1855. \u2014 Jul.Vogel, in Neubauer u. Vogel, Anleitung zur Analyse des Harns. S. 246. 1856. \u2014 S. Moos, Ztschr. f. rat. Med. N. F. VIL S. 291. 1855. \u2014 Redenbacher, Ebenda. (3) IL S. 384. 1858. \u2014 W. Brattler, Ein Beitrag zur Urologie im kranken Zustand. M\u00fcnchen 1858. \u2014 Georg, De maciei causis in febri intermittente. Diss. inaug. Gryphiae 1858. \u2014 Metzger, Ztschr. f.rat. Med. (3) IV. S. 192. 1858. \u2014 Warnecke, Bibi, for Laeger. XII. S. 330. \u2014 II. Ranke, Ausscheidung der Harns\u00e4ure. S. 28. 1858. \u2014 H. Huppert, Arch. d. Heilk. VII. S. 51. 1866, VIII. S. 343. 1867. \u2014 Riesenfeld, Arch. f. pathol. Anat. XLVII. S. 145. 1869. Nur Griesinger u. Hammond beobachteten eine Harnstoffsteigerung am fieberfreien Tag. Sorgf\u00e4ltige Angaben \u00fcber die einschl\u00e4gige Literatur bei Huppert, Arch. d. Heilk. 1866. VII.","page":231},{"file":"p0232.txt","language":"de","ocr_de":"232 Voit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\nDie gleiche Di\u00e4t des Krankenhauses wie einem Fieberkranken wurde einem ann\u00e4hernd gleich schweren Nichtkranken von Th. Lemke 1 und dann namentlich von 0. Schultzen2 und E. Uneuh3 gegeben: es zeigte sich bei den Kranken in den meisten F\u00e4llen eine erheblich gr\u00f6ssere Harnstoffproduktion, im Durchschnitt um das 1.5 fache der normalen im Hunger. H. Huppert und A. Riesell4 ber\u00fccksichtigten zuerst genau die Nahrung, indem sie deren Zusammensetzung gleich hielten und den Stickstoffgehalt der einzelnen Nahrungsmittel im rohen Zustande ermittelten ; aus der Stickstoff bestimmung im Harn und Koth ergab sich, dass der Fieberkranke von seinen Organen Eiweiss abgiebt und zwar erheblich mehr als gesunde Menschen beim Hunger. Bei einem Menschen, welcher vor dem Eintritt eines Anfalls von Febris recurrens auf das Stickstoffgleichgewicht gebracht worden war, trat w\u00e4hrend des Fiebers entsprechend der Temperatursteigerung ein Stickstoffzuschuss vom K\u00f6rper ein, bedeutender als in der Reconvalescenz.\nAuch bei Thieren, bei welchen das Fieber durch Einspritzen von Jauche hervorgerufen worden war, konnte man die Steigerung der Stickstoffausscheidung constatiren. Dies geschah zun\u00e4chst durch Naunyn 5 6 7 8, Senator \u00f6 und Silujanoff 7 an Hunden ; Ersterer fand eine Vermehrung der Harnstoffmenge um das Doppelte; bei dem Letzteren fiel sie nicht so betr\u00e4chtlich aus. Bei hungernden H\u00fchnern erhielt H. Sghimanski 8 nach subcutanen Eiterinjektionen in 3 Reihen eine ansehnliche Zunahme der Harns\u00e4uremenge.\nNach den Untersuchungen von F\u00fcrbringer9 am Menschen ist beim Fieber auch die Schwefels\u00e4ureausscheidung erh\u00f6ht, jedoch das Verh\u00e4ltniss der Schwefels\u00e4ure zum Stickstoff nicht ge\u00e4ndert, w\u00e4hrend nach dem Fieber verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig weniger Schwefels\u00e4ure sich findet. Auch dies thut den vermehrten Eiweissumsatz im Fieber dar.\nDas Fieber bringt nach alle dem unzweifelhaft einen erheblichen Zerfall Stickstoff- oder eiweisshaltiger K\u00f6rpersubstanz hervor; es\n1\tTh. Lemke. De quantitate ureae in urina febrili. Diss. inaug. Grypbiae 1858.\n2\t0. Schultzen, Ann. cl. Charit\u00e9-Krankenhauses zu Berlin. XV. 1869.\n3\tE. Unruh, Arch. f. pathol. Anat. XLVIII. S. 227. 1869.\n4\tA. Riesell, Unters, \u00fcber den Stickstoffumsatz in einem Falle von Pneumonie. Diss. inaug. Leipzig 1869. \u2014 H. Huppert u. A. Riesell , Arch. d. Heilk. X. S. 329. 1869. \u2014 H. Huppert, Ebenda. X. S. 503. 1869.\n5\tNaunyn, Berliner klin. Woch. 1869. No. 4.\n6\tSenator. Arch. f. pathol. Anat. XLV. 1869.\n7\tSilujanope, Ebenda. LU. S. 327. 1871.\n8\tH. SchimAnski, Ztschr. f. physiol. Chem. III. S. 396. 1879.\n9\tF\u00fcrbringer, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1877. S. 865; Arch. f. pathol. Anat. LXXHI. S. 39.1878. Er hat nicht den Gesammtschwefel, sondern nur den in Schwefels\u00e4ure enthaltenen bestimmt.","page":232},{"file":"p0233.txt","language":"de","ocr_de":"Stoffumsatz beim Fieber.\n233\nwirkt in kurzer Zeit wie eine lange Hungerperiode ohne Fieber, ohne das Gef\u00fcge der Zellen und Gewebe zu zerst\u00f6ren. Das an den Organen abgelagerte Eiweiss schmilzt in gr\u00f6sserem Maassstabe als beim Hunger ab, ger\u00e4tli in den S\u00e4ftestrom und wird zersetzt.\nMan hat beobachtet, dass noch einige Zeit nach dem Fieber die Harnstoffausscheidung gesteigert ist, namentlich findet man bei kritisch sich entscheidenden fieberhaften Krankheiten nach der Krisis bei normaler Temperatur manchmal eine enorme Stickstoffausfuhr, selbst die w\u00e4hrend des Fiebers \u00fcbertreffend. Huppert leitet letztere bei der Pneumonie von der L\u00f6sung des Exsudates ab ; Unruh hat aber darauf aufmerksam gemacht, dass diese nachtr\u00e4gliche Steigerung auch bei Krankheiten eintritt, bei welchen kein Exsudat zur Resorption gelangt. Dieselbe r\u00fchrt wahrscheinlich von einer fortdauernden vermehrten Zersetzung des Eiweisses auch nach dem Temperaturabfall her, so wie auch zu Folge der Beobachtung Schleich\u2019s ein heisses Bad noch einige Tage lang fortwirkt, indem die Ver\u00e4nderungen der Zellen, welche den erh\u00f6hten Zerfall bedingen, noch nicht ausgeglichen sind. Manche wollen sie von einer Anh\u00e4ufung unvollkommener Oxydationsprodukte, von Vorstufen des Harnstoffs, w\u00e4hrend des hohen Fiebers ableiten, welche erst nachtr\u00e4glich oxydirt und ausgeschieden werden, so z. B, Huppert, Riesenfeld, Keith Anderson \\ Unruh. Es scheint mir dies jedoch nach allen \u00fcbrigen Erfahrungen nicht sehr plausibel, man m\u00fcsste dann doch diese Vorstufen z. B. Leucin, Glycocoll im Blute oder im Harn vorfinden k\u00f6nnen.1 2 3\nMan hat die Frage aufgeworfen, was das prim\u00e4re beim Fieber ist, die Temperaturerh\u00f6hung oder der gesteigerte Eiweisszerfall, d. h. ob erstere die alleinige Ursache der rapiden Zerst\u00f6rung des in den Organen abgelagerten Eiweisses ist. Seit den Untersuchungen von Bartels, Naunyn und Schleich, nach denen jede Steigerung der K\u00f6rpertemperatur eine vermehrte Zersetzung stickstoffhaltiger K\u00f6rpersubstanz zur Folge hat, ist dies sehr wahrscheinlich geworden, obwohl die Harnstoftsteigerung beim Fieber nicht immer entsprechend der Temperaturerh\u00f6hung ist. Bauer und K\u00fcnstle 3 waren zwar nicht im Stande durch antipyretische Mittel wie Chinin oder Salicyls\u00e4ure oder kalte B\u00e4der mit der Temperatur auch die Eiweisszersetzung zu vermindern, sie sahen sogar im Gegentheil eine geringe Steigerung derselben ; dies schliesst aber noch nicht aus, dass die K\u00f6rpertemperatur nicht doch die Steigerung des Eiweissumsatzes einleitet;\n1\tKeith Anderson, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1866. S. 303 ; Edinb. med. journ. 1866. p. 708.\n2\tSiehe hier\u00fcber auch: F. Strassmann, Pr\u00e4febrileHarnstoffausscheidung. Diss. inaug. Berlin 1879; A. Scholze, Ueber die Ursache der epikritischen Harnstoffausscheidung. Diss. inaug. Berl. 1879.\n3\tBauer u. K\u00fcnstle, Deutsch. Arch. f. klin. Med. XXIV. S. 57.","page":233},{"file":"p0234.txt","language":"de","ocr_de":"234 Toit, Allg. Stoffwechsel. 3. Cap. Der Stoffverbrauch im thier. Organismus etc.\ndie h\u00f6here Temperatur w\u00e4hrend des Fiebers bringt, wie vorher gesagt, Ver\u00e4nderungen in den Zellen hervor, welche den erh\u00f6hten Eiweisszerfall bedingen; diese Ver\u00e4nderungen w\u00e4hren l\u00e4ngere Zeit an und wirken noch fort, wenn auch die Temperatur wieder abgesunken ist.\nFraenkel nimmt neben der Wirkung der erh\u00f6hten K\u00f6rpertemperatur noch die des Sauerstoffmangels an, wodurch mehr Gewebe abstirbt und zersetzt wird; beim Fieber ist aber die Sauerstoffaufnahme gewiss nicht beschr\u00e4nkt, sondern sie geht ganz ungehindert von statten.\nUm einen weiteren Aufschluss \u00fcber die Zersetzungsvorg\u00e4nge im Fieber zu bekommen, hat man auch die Gr\u00f6sse der Kohlens\u00e4ureausscheidung und der Sauerstoffaufnahme dabei bestimmt. Es k\u00f6nnte bei dem reichlicheren Zerfall von Eiweiss ein Theil der Zerfallprodukte z. B. Fett unzersetzt bleiben, wie es nach einem Aderlass oder bei der Phosphorvergiftung der Fall ist, und deshalb die Kohlens\u00e4ureabgabe und der Sauerstoffconsum geringer wie normal sein; oder es wird der Gaswechsel entsprechend der Vermehrung des Eiweissumsatzes gesteigert, dann findet sich beim Fieber keine gr\u00f6ssere Zerst\u00f6rung der stickstofffreien Stoffe; oder er nimmt im h\u00f6heren Maasse zu, dann wird ausser dem Eiweiss auch mehr stickstofffreie Substanz, Fett, zersetzt.\nC. G. Lehmann 1 meinte, eine gesteigerte Kohlens\u00e4urebildung w\u00e4re noch bei keiner Krankheit beobachtet. Liebermeister1 2 fand zuerst mit Hilfe seines Kastenapparats bei Wechselfieberkranken, welche nur wenig Nahrung aufnehmen und ruhig im Bette liegen, also wenig Kohlens\u00e4ure liefern sollten, w\u00e4hrend des Fieberanfalls eine betr\u00e4chtliche Vermehrung der Kohlens\u00e4ureproduktion (2V2 mal so viel als normal). Zu gleicher Zeit hat auch Leyden3 mit dem LossEN\u2019schen Apparate, ebenfalls am Menschen bei Febris recurrens, exanthematischem Typhus und Pneumonie, eine Steigerung in der Kohlens\u00e4ureabgabe (bis zu 70 \u00b0/o der normalen) erhalten; Hunde mit k\u00fcnstlich erzeugtem Fieber lieferten ihm damals keine constanten Piesultate. Dagegen ermittelte Silujanoff4 5 bei Hunden nach sub-cutaner Einspritzung von Leichenblut mehr Kohlens\u00e4ure wie normal beim Hunger. Nur zwei Beobachter erhielten keine entschiedene Vermehrung des Gaswechsels ; Senator 5 gab n\u00e4mlich an, bei Hunden mit k\u00fcnstlich erzeugtem Fieber die Kohlens\u00e4ureausscheidung nie\n1\tC. G. Lehmann, Handb. d. physiol. Chem. S. 380. 1859.\n2\tLiebermeister, Deutsch. Arch. f. klin. Med. VU. S. 75.1870, VIII. S.153.1871.\n3\tLeyden, Deutsch. Arch. f. klin. Med. V. S. 237. 1869, VIL S. 536. 1S70 ; Cen-tralbl. f. d. med. Wiss. 1870. No. 13.\n4\tSilujanoff, Arch. f. pathol. Anat. LUI. S. 327. 1871.\n5\tSenator, Ebenda. XLY. 1869; Arch. f. Anat. u. Physiol. 1872 ; Unters, \u00fcber den fieberhaften Process u. seine Behandlung. Berlin 1873.","page":234},{"file":"p0235.txt","language":"de","ocr_de":"Stoffumsatz beim Fieber. \u2014 Fettbildung im Thierk\u00f6rper.\n235\nvermehrt, sondern eher vermindert gesehen zu haben; ferner soll nach Wertheim 1 2, welcher allerdings mit einem sehr unvollkommenen Apparate und w\u00e4hrend sehr kurzer Zeit (10 Minuten) arbeitete, bei verschiedenen fieberhaften Krankheiten nicht selten eine Verminderung der Kohlens\u00e4uremenge, eine Vermehrung derselben keinesfalls constant Vorkommen.\nDie \u00fcbrigen Forscher, welche sich zuverl\u00e4ssiger Athemapparate bedienten, haben wieder wie die meisten der fr\u00fcheren einen vermehrten Gasaustausch beobachtet. Colasanti 2 bestimmte an einem fiebernden Meerschweinchen um 18 % mehr Sauerstoff und um 24 % mehr Kohlens\u00e4ure. Ebenso fanden A. Fraenkel und E. Leyden 3 mit einem meinem kleinen Respirationsapparate nachgebildeten Apparate bei fiebernden Hunden in Zusammenhang mit der Temperaturerh\u00f6hung eine betr\u00e4chtliche Steigerung der Kohlens\u00e4ureexhalation.\nDie von Colasanti am Meerschweinchen beobachtete Erh\u00f6hung der letzteren um 24 % w\u00e4re allerdings von dem gesteigerten Ei weisszerfall allein abzuleiten; bei der von Liebermeister erhaltenen Vermehrung der Kohlens\u00e4ureausscheidung am Menschen um das 2 7-2 fache m\u00fcsste man dagegen wahrscheinlich auch eine gesteigerte Verbrennung von Fett annehmen. Es w\u00e4re wichtig dies durch besondere Versuche zu entscheiden.\nVIERTES CAPITEL.\nDie Fettbildung im Thierk\u00f6rper.\nIn dem vorigen Kapitel ist angegeben worden, unter welchen Umst\u00e4nden ein Ansatz oder eine Abgabe von Eiweiss und von Fett am K\u00f6rper stattfindet. W\u00e4hrend aber das Eiweiss, wie noch dar-gethan werden wird, nur aus dem Eiweiss der Nahrung sich ablagert, wird das Fett nicht ausschliesslich aus dem resorbirten Fett angesetzt, sondern es entsteht zum Theil erst im Thierleib aus andern chemischen Verbindungen entweder durch eine Abspaltung\n1\tWertheim, Deutsch. Arch. f. klin. Med. XY. S. 173. 1875 ; Wien. med. Woch. 1876. No. 3\u20147, 1878. No. 32. 34. 35.\n2\tColasanti. Arch. f. d. ges. Physiol. XIV. S. 125. 1876.\n3\tA. Fraenkel, Yerhandl. cl. physiol. Ges. z. Berlin. 1879. 4. Febr. \u2014 E. Leyden u. A.Fraenkel. Centralbl. f. d. med.Wiss. 1878. S. 706 ; Arch. f. pathol. Anat. LXXYI. S. 136. 1879.","page":235},{"file":"p0236.txt","language":"de","ocr_de":"236 Voit, Allgemeiner Stoffwechsel. 4. Cap. Die Fettbildung im Thierk\u00f6rper.\noder durch einen synthetischen Aufbau aus einfacheren Atomencom-plexen. Es soll in diesem Kapitel er\u00f6rtert werden, aus welchen Materialien sich im thierischen Organismus das Fett bildet K\nAls man mit den Vorg\u00e4ngen im Pflanzen- und Thierleib noch weniger bekannt war, glaubte man, das im Thier vorkommende Fett entstehe auf die n\u00e4mliche, allerdings noch unbekannte Weise, wie das in den Samen und anderen Pflanzentheilen befindliche Fett.\nSp\u00e4ter erkannte man immer mehr und mehr, dass die Thiere die Bestandtheile ihres K\u00f6rpers nicht aus den Elementen und einfachsten Verbindungen wie die meisten Pflanzen aufbauen, sondern die constituirenden Stoffe gr\u00f6sstentheils als solche aufnehmen, wie sie durch die Pflanze bereitet worden sind. Und so meinte man damals auch, das Fett im Thierk\u00f6rper stamme ausschliesslich von dem Fett der Nahrung ab; dieser Ansicht waren Prout und vorz\u00fcglich die franz\u00f6sischen Forscher Dumas, Boussingault und Payen 1 2. Darnach w\u00fcrden die Fette nur in der Pflanze sich bilden, aus welchen sie die Thiere schon fertig aufnehmen, und entweder in ihrem Leibe verbrennen oder mehr oder weniger modificirt ansetzen. Ein Entstehen von Fett aus irgend einer andern Substanz findet also nach dieser Anschauung im Thierk\u00f6rper nicht statt, und der Fettreichthum in letzterem w\u00fcrde sich ausschliesslich nach dem Fettreichthum der Nahrung richten; die Ansammlung von Fett im K\u00f6rper bei der M\u00e4stung w\u00e4re nichts weiter als eine einfache Uebertragung dieses Stoffes von einem Organismus auf den andern.\nI. Gr\u00fcnde* welche f\u00fcr die Entstellung von Fett ans Kohlehydraten geltend gemacht wurden.\nDas eingehende Studium der Zusammensetzung der Nahrung des Pflanzenfressers, die Kenntniss von den merkw\u00fcrdigen Umwandlungen organischer Stoffe in andere ausserhalb des Organismus, und das Nachdenken \u00fcber die Bedeutung der einzelnen Nakrungsbestandtkeile f\u00fchrten Liebig3 zu der Ueberzeugung, dass die Kohlehydrate der Nahrung einen maassgebenden Einfluss bei der Fettbildung aus\u00fcben.\n1\tSiehe hier\u00fcber: Voit, Ztschr. f. Biol. V. S. 79. 1869. (Auch: Ewald Wollny, Feber Fett- u. Fleischbildung im thier. Organismus. Diss. inaug. Leipzig 1870. \u2014 Cakl Gaehtgens, Dorpater med. Ztschr. I. S. 12. 1872.)\n2\tProut, Philos. Transact. Roy. Soc. II. p. 355. 1827. \u2014 Dumas, Le\u00e7on sur la statique chimique des \u00eatres organis\u00e9s. 1841. \u2014 Dumas u. Boussingault, Ann. d. chim. et phys. (3) XII. p. 153. 1844. \u2014 Boussingault u. Payen, Ebenda. VIII. p. 63. 1843.\n3\tLiebig, Ann. d. Chem. u. Pharm. XLAIII. S. 126. 1843, LIV. S. 376. 1845; Handw\u00f6rterb. d. Chem., Artikel Fettbildung.","page":236},{"file":"p0237.txt","language":"de","ocr_de":"Entstehung von Fett aus Kohlehydraten.\n237\nLiebig hatte damals schon mancherlei Umwandlungen der Kohlehydrate angegeben, welche auf die Entstehung gewisser Componenten oder Zersetzungsprodukte der Fette aus jenen hindeuten; wir verm\u00f6gen zu diesen noch eine Anzahl weiterer hinzuzuf\u00fcgen.\nIn dem St\u00e4rkemehl und den Zuckerarten findet sich das n\u00e4mliche Verh\u00e4ltniss von Kohlenstoff und Wasserstoff wie in den Fetten, dagegen ein h\u00f6herer Gehalt an Sauerstoff: es k\u00f6nnte somit aus ersteren durch Austreten von Sauerstoff in irgend einer Weise ein Stoff sich bilden, der die Zusammensetzung des Fettes besitzt. Liebig hat Beispiele f\u00fcr einen solchen Vorgang beigebracht, um seine Anschauung wahrscheinlich zu machen. Bei der G\u00e4lirung spaltet sich unter dem Einfl\u00fcsse niederer Organismen ein zusammengesetztes Molek\u00fcl in eine sauerstoffreiche und eine sauerstoffarme Verbindung, denn es tritt bei der Alkoholg\u00e4hrung aus dem Zucker eine gewisse Quantit\u00e4t von Sauerstoff in der Form von Kohlens\u00e4ure aus und es bleibt der sauerstoffarme Alkohol zur\u00fcck, oder es bildet sich unter anderen Umst\u00e4nden aus Zucker, unter Abspaltung von Kohlens\u00e4ure und Wasser, das den Fetten nabestehende Fusel\u00f6l, welches durch Oxydation in die nach Chevreul im Delphin\u00f6l befindliche Valerians\u00e4ure \u00fcbergeht, oder es entsteht aus dem Zucker nach Abscheidung von Kohlens\u00e4ure und Wasserstoff die zu den fetten S\u00e4uren geh\u00f6rige Butters\u00e4ure (Pelouze u. G\u00e9lis, Scharling, Erdmann u. Marchand). Mannit geht ferner mit Kreide und K\u00e4se vermischt in G\u00e4lirung \u00fcber und liefert dabei, ausser Kohlens\u00e4ure, Wasserstoff und Alkohol, noch Essigs\u00e4ure, Butters\u00e4ure und Milchs\u00e4ure; Gummi und Amidon liefern bei der gleichen Behandlung nach Berthelot Alkohol, Milchs\u00e4ure und Butters\u00e4ure. Zu diesen Stoffen kommen nun noch die \u00fcbrigen neuerdings bei der Hefeg\u00e4hrung gefundenen, den Fetten nahe stehenden Producte: Glycerin, Bernsteins\u00e4ure, Essigs\u00e4ure, ja es sind dabei sogar Spuren von wirklichem Fett ausserhalb der Hefezellen nachgewiesen worden (Pasteur, L\u00f6w1); jedoch gehen diese Verbindungen m\u00f6glicherweise nicht aus Zucker, sondern aus eiweissartigen Stoffen hervor, wenigstens h\u00e4ufen sich nach N\u00e4geli die in den Hefezellen w\u00e4hrend der G\u00e4lirung erscheinenden Fetttropfen nach reichlichem Zuckerzusatz nicht in gr\u00f6sserer Menge an.\nWeiterhin hat NXgeli'2 erwiesen, dass durch Spaltpilze, welche sich in L\u00f6sungen von Kohlehydraten unter Zusatz von anderen Stoffen entwickeln, Fett entsteht: in N\u00e4hrl\u00f6sungen mit Zucker (oder Mannit oder Glycerin) unter Zusatz von Ammoniak, sowie von weinsaurem oder essig-saurem Ammoniak mit den n\u00f6thigen Aschebestandtlieilen bildet sich Cellulose und Fett in millionenfacher Vermehrung aus einer unendlich geringen Menge der Pilzaussaat. Das Fett muss jedoch hier nicht aus dem Kohlehydrat entstehen, denn es tritt der gleiche Effekt bei F\u00fctterung der Pilze mit Eiweiss auf, wor\u00fcber sp\u00e4ter noch berichtet werden wird.\nAuch in den h\u00f6heren Pflanzen findet sich nach allen Berichten ein Uebergang von Kohlehydraten in Fett, und es scheint dieser Vorgang bei den Botanikern eine ausgemachte Sache zu sein. Die fetthaltigen","page":237},{"file":"p0238.txt","language":"de","ocr_de":"238 Voit, Allgemeiner Stoffwechsel. 4. Cap. Die Fettbildung'im Thierk\u00f6rper.\nSamen der Pflanzen enthalten vor der Reife St\u00e4rkemehl, und indem dieses abnimmt, sammelt sich Oel an, so dass der reife Same gar keine St\u00e4rke mehr einschliesst (H. v. Mohl *, Mulder 1 2 3) ; der Saft der Palmen f\u00fchrt viel Zucker, bis Fett in ihm auftritt ; nach Avequin 3 geben die Arten von Zuckerrohr, welche viel Zucker liefern, wenig Wachs und umgekehrt; S. de Luca4 findet in den kaum gebildeten Oliven viel Mannit, welcher aber mit der Entwicklung der Frucht abnimmt und in der reifen, mit Oel beladenen g\u00e4nzlich fehlt. Nach de Bary5 werden die im Chlorophyll der Spirogyren und Zygnemen entstandenen St\u00e4rkek\u00f6rner nach der Copulation der betreffenden Zellen in dem Maasse aufgel\u00f6st als Fetttropfen auftreten.\nDie Entstehung von Fetts\u00e4uren aus Kohlehydraten hat neuerdings auch Hoppe-Seyler6 dargethan und zwar auch ohne Mitwirkung von niederen Organismen. Bei der F\u00e4ulniss gehen bei Anwesenheit von Aetz-alkalien gewisse Kohlehydrate und auch Glycerin in Milchs\u00e4ure \u00fcber; letztere liefert nun nach ihm durch Einwirkung von Alkalien entweder bei der F\u00e4ulniss oder auch ohne sie bei h\u00f6herer Temperatur neben Essigs\u00e4ure, Butters\u00e4ure, Caprons\u00e4ure etc. noch eine Reihe fester fetter S\u00e4uren von hohem Molekulargewicht.\nAehnlich dachte sich Liebig den Process bei der Bildung des Fettes im Thiere aus den Kohlehydraten; nach seiner Ansicht wird auch im Thierk\u00f6rper vom Zucker durch einen unvollkommenen Oxydationsprocess bei Mangel an Sauerstoff eine gewisse Menge Wasserstoff und durch einen G\u00e4hrungsprocess eine gewisse Menge Sauerstoff in der Form von Kohlens\u00e4ure abgetrennt.\nAber nicht allein solche Uebertragungen und Vergleichungen, sondern auch die Erfahrungen der Praxis und m\u00fchevolle Versuche am Thier schienen f\u00fcr die Fettbildung aus Kohlehydraten zu sprechen.\nBei den Fleischfressern, welche ausser dem Fett keinen stickstofffreien Nahrungsstoff gemessen, ist die Fettbildung meist nur unbedeutend, sie nimmt aber wie bei den anderen Hausthieren zu bei gemischter Nahrung mit einem Ueberschuss an Kohlehydraten. Die Hauptmasse der Nahrung bei der Mast der Pflanzenfresser besteht aus Kohlehydraten. Da in dem Futter der Kuh keine Butter, in dem des Rindes kein Ochsentalg, in dem der Schweine kein Schweineschmalz , in dem der G\u00e4nse kein G\u00e4nsefett enthalten ist, so liess Liebig die grossen Mengen von Fett in dem K\u00f6rper dieser Thiere vom Organismus erzeugt werden, und zwar aus den Kohlehydraten der Nahrung. In der That, jedes Thier, ja jeder K\u00f6rpertheil desselben, hat sein eigenth\u00fcmliches, bestimmt zusammengesetztes Fett-\n1\tH. v. Mohl, Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. IV. S. 250. 1853.\n2\tMulder, Physiol. Chem. I. S. 269. 1844.\n3\tAvequin, Ann. d. chim. etphys. 1840. p. 218.\n4\tS. de Luca, Compt. rend. XV. p. 470 u. 506. 1862.\n5\tde Bart, Unters, \u00fcber d. Familie d. Conjugate!!. Leipzig 1858.\n6\tHoppe-Seyler, Zeitschr. f. physiol. Chem. II. S. 16. 1878, III. S. 351. 1879.","page":238},{"file":"p0239.txt","language":"de","ocr_de":"Entstehung von Fett aus Kohlehydraten.\n239\ngemische trotz der Aufnahme der verschiedensten Fette in der Nahrung1 2; will man nicht die Annahme machen, dass aus dem Fettgemenge der Nahrung die einzelnen Fette stets nur in dem constanten Verh\u00e4ltniss, in dem sie sich in der betreffenden Thierart finden, abgelagert und die \u00fcbrigen verbrannt werden, so muss man die Entstehung von Fett aus anderen Substanzen in den Zellen und Geweben zugeben.\nLiebig hatte dann namentlich als besten Beweis f\u00fcr die Fettbildung aus Kohlehydraten die Versuche Huber\u2019s 2 und Gundlach\u2019s3 4 an Bienen angef\u00fchrt, nach denen diese Thiere bei l\u00e4ngerer F\u00fctterung mit wachsfreiem Honig oder Zucker noch Wachs produziren, ohne sich in ihrem Gesundheitszust\u00e4nde oder Gewichte zu \u00e4ndern. Das im Mastfutter einer Gans oder eines Schweines, oder im Futter einer Milchkuh enthaltene Fett reicht ferner nicht entfernt hin das im K\u00f6rper der Thiere abgelagerte oder in der Milch ausgeschiedene Fett zu decken.\nDagegen suchten zwar Dumas und Boussingault im Verein mit Paten 4 die fr\u00fcher ausgesprochene Meinung noch eine Zeit lang aufrecht zu erhalten, indem sie darzutlmn sich bestrebten, dass auch bei pflanzenfressenden Thieren in der Nahrung stets gen\u00fcgend Fett enthalten sei, um das im K\u00f6rper angesetzte Fett zu liefern. Sie meinten, zur Wachsbereitung bei Honigf\u00fctterung h\u00e4tten die Bienen von ihrem eigenen Leibe Eiweiss und Fett abgegeben ; es w\u00e4re ferner im Mais, mit dem die Gans gem\u00e4stet wurde, gen\u00fcgend Fett enthalten, was aber thats\u00e4chlich nicht der Fall ist; im Futter der Milchk\u00fche soll endlich nach Boussingault5 6, entgegen Playfair, so viel Fett Vorkommen, um das in der Milch enthaltene Fett daraus abzuleiten, und wenn bei ungen\u00fcgendem Futter dies nicht m\u00f6glich sei, dann h\u00e4tte das Thier aus seinem Leibe Fett zugesetzt.\nAber diese einzelnen positiven Resultate Boussingault\u2019s schlugen nicht durch und wurden ganz vergessen, da eine Anzahl von F\u00e4llen bekannt wurde, bei denen das in der Nahrung vorgebildete Fett, durchaus nicht hinreichte, das unter ihrem Einfl\u00fcsse im K\u00f6rper angesammelte Fett zu erkl\u00e4ren, weshalb die LiEBicdsche Ansicht immer mehr an Boden gewann.\nDumas und Milne-Edwards 6 hatten die HuBER\u2019schen Bienen-\n1\tLassaigne, Journ. chim. med. (3) VII. p. 266. \u2014 E. Schultze u. A. Reinecke, Landw. Versuchsstationen. 1867. S. 97.\n2\tFranz H\u00fcber , Neue Beobachtungen an den Bienen, herausgeg. v. J. Kleine.\n1856.\n3\tGundlach, Naturgeschichte der Bienen. Kassel 1842.\n4\tBoussingault u. Paten, Ann. d. chim. etphysvVIII. p. 63. 1843.\n5\tBoussingault, Ebenda. (3) XII. p. 153. 1844; \u00c9conomie rurale. II. p. 548.\n6\tDumas u. Milne-Edwards, Ann. d. chim. et phys. (3). XIV. p. 100. 1845; Compt. rend. XVII. p. 531. 1843; Ann. d. scienc. natur. zool. (3) XX. p. 174. 1843.","page":239},{"file":"p0240.txt","language":"de","ocr_de":"240 Voit, Allgemeiner Stoffwechsel. 4. Cap. Die Fettbildung im Thierk\u00f6rper.\nversuche wiederholt und gepr\u00fcft, ob die Bienen bei der Zuckerf\u00fctterung aus ihrem Leib Fett abgeben; da dies nicht der Fall war, so schlossen sie, dass das Wachs nur aus dem verzehrten Zucker entstanden sein k\u00f6nne. Das Fett des von den G\u00e4nsen gefressenen Maises reicht, wie die genauen Versuche von Persoz 1 ergaben, nicht hin, das abgelagerte Fett zu decken; auch bei F\u00fctterung mit entfettetem Mais oder fettfreien Nahrungsstoffen wird im K\u00f6rper reichlich Fett abgesetzt. Zu den gleichen Resultaten f\u00fchrten die erneuten Bem\u00fchungen des fr\u00fcheren Gegners Liebig\u2019s, Boussingault\u2019s 1 2 3 4, der im Futter von Schweinen, G\u00e4nsen und Enten nicht so viel Fett auffand, als im K\u00f6rper der Thiere unterdess abgelagert worden war; ebenso endlich die Versuche von Rob. Thomson 3 an K\u00fchen und die von Lawes und Gilbert 4 an Schweinen.\nAlle diese Thatsachen schienen den Ursprung des Thierfettes aus Kohlehydraten vollkommen sicher zu stellen, und in der That, es galt dies auch von da ab als eine so unumst\u00f6ssliche Wahrheit5, dass ein Zweifel daran geradezu f\u00fcr einen Unsinn gehalten wurde.6\nUeberlegt man aber, wieviel Fett im g\u00fcnstigsten Fall aus Kohlehydraten zu entstehen vermag, so zeigt sich, dass dies wegen des hohen Sauerstoffgehalts derselben nur eine geringe Menge sein kann. Nach den Thierversuchen wird jedenfalls die Hauptmasse der Kohlenhydrate im Organismus alsbald zu Kohlens\u00e4ure und Wasser verbrannt, und es bleibt h\u00f6chstens ein kleiner Bruchtheil zur Erzeugung von Fett \u00fcbrig.\nTrotz der allgemeinen Zustimmung sah es mit dem Beweis der Bildung des Fettes aus Kohlehydraten bei h\u00f6heren Thieren recht misslich aus. Durch k\u00fcnstliche Herstellung niederer oder selbst h\u00f6herer Fetts\u00e4uren und anderer Zersetzungsprodukte des Fettes aus Kohlehydraten ist nur eine M\u00f6glichkeit f\u00fcr den Vorgang im Thier aufgefunden, aber man weiss noch nicht, ob diese M\u00f6glichkeit im\n1\tPersoz, Ann. d. chim. et phys. (3) XIV. p. 408. 1845; Compt. rend. XVIII. p. 245. 1844, XXI. p. 20. 1845 ; L\u2019institut. 1844. p. 422.\n2\tBoussingault, Ann. d. chim. et phys. (3) XIV. p. 419. 1845 ; Compt. rend. XX. p. 1726. 1845.\n3\tRob. Thomson, Ann. d. Chem. u. Pharm. LXI. S. 228. 1847.\n4\tLawes u. Gilbert, Report of the British Association for the Advancement of science for 1852.\n5\tLiebig, Chem. Briefe. S. 449. 1851.\n6\tMan glaubte auch schon den experimentellen Beweis f\u00fcr diese Umwandlung gefunden zu haben; sie sollte in der Leber unter dem Einfl\u00fcsse der Galle vor sich gehen nach H. Meckel von Hemsbach (De genesi adipis in animalibus. Diss. inaug. Halis 1845). Als Pettenkofer durch Mischung von Galle und Zucker unter Zusatz von Schwefels\u00e4ure durch Entziehung von Wasser einen kohlenstoffreicheren Stoff, das Fett, direkt darstellen wollte, erhielt er kein Fett, wohl aber seine bekannte Gallens\u00e4ureprobe.","page":240},{"file":"p0241.txt","language":"de","ocr_de":"Ablagerung von Nahrungsfett im Thierk\u00f6rper.\n241\nThierleib wirklich zur Ausf\u00fchrung gelangt; ja selbst wenn es dem Chemiker gelingt, wirkliches Fett aus Zucker darzustellen, ist die Frage f\u00fcr den Thierk\u00f6rper noch lange nicht entschieden. Es lag auch nicht der leiseste direkte Beweis f\u00fcr obige Hypothese vor, und einzig und allein das Niehtausreich en des Fettes in vielen F\u00e4llen, sowie den nicht wegzuleugnenden Einfluss der Kohlehydrate auf die Fettablagerung im Thierk\u00f6rper vermochte man mit Recht f\u00fcr die Fettbildung aus Kohlehydraten im thierischen Organismus geltend zu machen. Es fragt sich, ob die genannten Thatsachen nicht auch in anderer Weise zu erkl\u00e4ren sind und ob es nicht noch andere Materialien giebt, aus denen das Fett im K\u00f6rper entstehen kann.\nII. Ablagerung von Nalirungsfett im Thierk\u00f6rper.\nNachdem einmal die Entstehung von Fett aus Kohlehydraten zugegeben war, meinte man, der weitaus gr\u00f6sste Theil des Fettes des Pflanzenfressers, ja alles Fett desselben, gehe aus den Kohlehydraten hervor, indem man sich durch den massenhaften Verbrauch der letzteren und durch den prozentisch so geringen Gehalt des Futters an Fett verleiten liess. Aber eine genauere Betrachtung der vorliegenden Versuche h\u00e4tte gelehrt, dass stets ein ganz ansehnlicher Theil des vom Pflanzenfresser angesetzten Fettes von dem aus der Nahrung resorbirten abzuleiten ist, so bei den von Liebig aufgez\u00e4hlten Beispielen (bei einem Schwein, zwei K\u00fchen und einer Gans) gegen 30%, bei Boussingault\u2019s Versuchen an K\u00fchen 68\u2014100%), an Schweinen 58\u201477%, an G\u00e4nsen 57%, bei den K\u00fchen von Thomson mindestens 40%, und nur bei den Mastversuchen von Lawes und Gilbert betr\u00e4gt die Fettmenge der Nahrung in einigen F\u00e4llen blos 12o;o des angesetzten Fettquantums. Obwohl n\u00e4mlich prozentig meist nur wenig Fett im Futter der Pflanzenfresser enthalten ist, so macht dies doch bei der grossen Masse des letzteren absolut ziemlich viel aus. Auch wird nicht, wie Liebig 1 meinte, das Fett der Pflanzennahrung unbenutzt mit dem Koth wieder abgeschieden, sondern betr\u00e4chtliche Mengen davon im Darm resorbirt, wie die Versuche von Boussingault, Thomson, K\u00fchn, Henneberg und Stohmann an Pflanzenfressern mit Sicherheit ergeben.\nMan hat sp\u00e4terhin sogar die M\u00f6glichkeit einer Ablagerung von Fett aus dem aus der Nahrung resorbirten Fett geleugnet, so dass\n1 Liebig, Ami. d. Chem. u. Pharm. XLV. S. 112. 1843.\nHandtuch der Physiologie. Bd. VI.\n16","page":241},{"file":"p0242.txt","language":"de","ocr_de":"242 Voit, Allgemeiner Stoffwechsel. 4. Cap. Die Fettbildung im Thierk\u00f6rper.\nalles im Thierk\u00f6rper vorhandene Fett in ihm selbst ans anderen Stoffen h\u00e4tte gebildet werden m\u00fcssen.\nNach den Angaben von Letellier 1 sollen n\u00e4mlich Turteltauben bei ausschliesslicher Darreichung von Butter kein Fett ansetzen, weil darnach der K\u00f6rper nur 7.1% Fett enthielt und viel Butter im Koth wieder zum Vorschein kam; ein solcher Versuch ist jedoch selbstverst\u00e4ndlich nicht beweisend, zudem Boussingault bei einer mit Butter gestopften Ente die Fettmenge im K\u00f6rper von 226 Grm. auf 440 Grm. zunehmen sah.\nNachdem man aber in jeder Thierart unabh\u00e4ngig von der Art' der Nahrung eine constante und charakteristische Fettmischung nachgewiesen und im Eiweiss eine weitere Quelle f\u00fcr die Fettbildung erkannt hatte, leugnete man jeden Ansatz von Nahrungsfett im K\u00f6rper. Es waren vorz\u00fcglich Toldt 2 und Subbotin 1 2 3 4, die alles in den Zellen des Thierk\u00f6rpers vorkommende Fett nur als ein daselbst zur\u00fcckgebliebenes Spaltungsprodukt des Eiweisses betrachteten, w\u00e4hrend das Nahrungsfett nur das in den Zellen entstandene Fett voider Zersetzung bewahren soll.\nEs ist von grosser Bedeutung f\u00fcr die Frage nach der Fettbildung im K\u00f6rper dies sicher zu entscheiden, denn wenn dem wirklich so ist, dann darf man f\u00fcr das im Organismus gefundene Fett das Nahrungsfett nicht mehr als Material herbeiziehen, und dann ist es auch nicht zweifelhaft, dass in den meisten F\u00e4llen das Fett vor allem aus den Kohlehydraten sich bildet; auch m\u00fcsste in diesem Falle alles aus dem Darm resorbirte Fett jederzeit und auch nach Aufnahme der gr\u00f6ssten Menge verbrannt werden.\nBadziejewski 4 machte in dieser Richtung einige interessante Versuche. Er gab einem durch vorhergehendes F\u00fcttern mit Fleisch abgemagerten Hund nahezu fettfreies Fleisch mit reinem R\u00fcb\u00f6l, dessen einer Bestandtheil, n\u00e4mlich die Erukas\u00e4ure, bekanntlich im Thierfett normal nicht vorkommt ; aber er war nicht im Stande, obwohl die F\u00fctterung l\u00e4ngere Zeit fortgesetzt wurde und das Fettpolster sich ziemlich entwickelt zeigte und auch die \u00fcbrigen Organe, namentlich die Muskeln, mit Fett erf\u00fcllt waren, Erukafett im Thier zu finden. In \u00e4hnlicher Weise verwendete Subbotin als fremdes Fett Spermazet mit Talg: auch er konnte keinen Ansatz von Spermazet nachweisen. Diese Versuche schienen allerdings auf den ersten Blick einen Ueber-\n1\tLetellier, Ann. d. chim. et phys. (3) XI. p. 150. 1844.\n2\tToldt, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LXII. 1870.\n3\tSubbotin, Ztschr. f. Biologie. VI. S. 73. 1870.\n4\tRadziejewski, Arch. f. pathol. Anat. XLIII. S. 268.","page":242},{"file":"p0243.txt","language":"de","ocr_de":"Ablagerung von Nabrungsfett im Thierk\u00f6rper.\n243\ngang von Nahrungsfett in das Fettgewebe auszuschliessen. Aber es k\u00f6nnten sehr wohl die dem K\u00f6rper fremden Fettarten deshalb nicht zur Ablagerung gelangen, weil sie eher zerst\u00f6rt werden als die f\u00fcr den K\u00f6rper charakteristischen Fette; darnach w\u00e4re bei den Versuchen von Subbotin der Talg und bei denen von Radziejewski das aus dem Eiweiss entstandene Fett zur\u00fcckgeblieben.\nEinen hierin v\u00f6llig entscheidenden Versuch stellte Fr. Hofmann 1 an einem kleinen Hunde an. Das Thier war zuerst durch einen SOt\u00e4gigen Hunger, bei dem es von 26.45 Kilo seines K\u00f6rpergewichts 10.45 Kilo eingeb\u00fcsst hatte, fettarm gemacht worden und erhielt dann w\u00e4hrend 5 Tagen eine m\u00f6glichst grosse Menge von Speck mit wenig Fleisch. In dieser Zeit wurden aus dem Darm 1854 Grm. Fett resorbirt, im Thier aber 1353 Grm. davon angeh\u00e4uft. Das Fett passirt sehr rasch das Blut und tritt in die Organe \u00fcber; denn in 100 Grm. Blut des mit Fett \u00fcberf\u00fctterten Thieres befanden sich nur 0.08 Grm., im ganzen Blut nur 0.97 Grm. Fett, w\u00e4hrend in der trockenen Leber 39.72% Fett oder in der ganzen Leber 66 Grm. Fett aufgeh\u00e4uft waren. Auch aus den Respirationsversuchen von Pettenkofer und mir2 l\u00e4sst sich bei Hunden ein reichlicher Ansatz von Fett nach F\u00fctterung mit viel Fett und wenig Fleisch oder mit Fett allein darthun; im letzteren Falle wurden von 350 Grm. verzehrten Fettes 186 Grm. oder 53% im K\u00f6rper zur\u00fcckgehalten.\nDarnach gelangt also ganz unzweifelhaft das in der Nahrung aufgenommene Fett theilweise oder auch ganz in den Organen zur Ablagerung und ist aus ihm ein ansehnlicher Theil, ja hie und da die ganze Menge des bei der M\u00e4stung abgelagerten Fettes abzuleiten. Es m\u00fcssen also die Kohlehydrate h\u00f6chstens f\u00fcr einen Theil des im K\u00f6rper aufgeh\u00e4uften Fettes in Anspruch genommen werden.\nIII. Gr\u00fcnde f\u00fcr die Entstellung von Fett aus Eiweiss.3\nEs ist ausserdem noch ein Stoff vorhanden, welcher in der uns besch\u00e4ftigenden Frage zu ber\u00fccksichtigen ist.\nWeil der Pflanzenfresser bei F\u00fctterung mit Eiweiss und Kohlehydraten sein charakteristisches Fett erzeugt, hielt man dies f\u00fcr einen Beweis der Bildung des Fettes aus den Kohlehydraten; aber auch der Fleischfresser, der Hund oder der Fuchs, lagert bei Aufnahme von Fleisch und Fett, welches letztere nicht Hunde- oder Fuchsfett\n1\tFr. Hofmann, Ztschr. f. Biologie. VIII. S. 153. 1872.\n2\tPettenkofer u. Voit, Ztschr. f. Biologie. IX. S. 1. 1873.\n3\tSiehe hier\u00fcber auch: Voit, Ztschr. f. Biologie. VI. S. 371. 1870.\n16*","page":243},{"file":"p0244.txt","language":"de","ocr_de":"244 Voit, Allgemeiner Stoffwechsel. 4. Cap. Die Fettbildung im Thierk\u00f6rper.\nist, sein f\u00fcr ihn charakteristisches Fett an, das also hier nicht aus Kohlehydraten entstehen kann.\nEs ist in der That in jeder Nahrung neben dem Fett und den Kohlehydraten noch das Eiweiss da, aus dem m\u00f6glicherweise Fett hervorgeht. Diese Idee ist durchaus nicht neu, man dachte vielmehr schon lange an eine solche M\u00f6glichkeit, nur glaubte man nicht, dass es sich dabei um eine ergiebige Quelle f\u00fcr die Fettbildung handele. Selbst Liebig 1 hatte Gr\u00fcnde f\u00fcr die Fettbildung aus eiweissartigen Substanzen geltend gemacht, obwohl er Milne-Edwards gegen\u00fcber ausdr\u00fccklich betonte, er habe den Ursprung des Fettes niemals im Albumin gesucht, sondern sich vielmehr bem\u00fcht darzuthun, dass die stickstofffreien Bestandtheile des Organismus aus den stickstofffreien der Nahrung entspringen.\nAelmlich wie aus den Kohlehydraten erh\u00e4lt man durch Behandlung eiweissartiger Materien mit zerst\u00f6renden Agentien niedere Fetts\u00e4uren; so fand z. B. Liebig bei Behandlung des Caseins mit schmelzendem Kali unter anderen Zersetzungsprodukten Valerians\u00e4ure, Wurtz bei Erhitzung von fettfreiem Faserstoff mit Kali Butters\u00e4ure.1 2 3\nAuch bei der gew\u00f6hnlichen F\u00e4ulniss ei weissartiger Stoffe sah man niedere Fetts\u00e4uren auftreten. Schon Fourcroy berichtete, dass der Faserstoff bei einer gewissen Art F\u00e4ulniss in eine \u00d6lige Materie unter Entweichen von Stickstoff \u00fcbergehe, wogegen aber Gay-Lussac bemerkte, dass im faulenden Fibrin nicht mehr Fett enthalten sei als im frischen. Bei der F\u00e4ulniss von Casein unter Wasser fand P. Iljenko 3 als fl\u00fcchtige Produkte Butters\u00e4ure und Valerians\u00e4ure; Balard und Laskowsky entdeckten in altem K\u00e4se Butters\u00e4ure, Milchs\u00e4ure, Capron-, Capryl- und Caprins\u00e4ure; nach Wurtz tritt bei der F\u00e4ulniss fettfreien Faserstoffs Butters\u00e4ure auf.\nUnter den Produkten der chemischen Zersetzung und der F\u00e4ulniss des Eiweisses sind wir also bis jetzt nur den niederen Gliedern der Fetts\u00e4urereihe (Valerians\u00e4ure, Butters\u00e4ure, Essigs\u00e4ure), aber nicht den h\u00f6heren Fetts\u00e4uren oder den Neutralfetten4 begegnet.\nVon weit gr\u00f6sserer Bedeutung f\u00fcr die Fettbildung aus Albuminaten ist das Entstehen von Leichenwachs oder Adipocire aus stickstoffhaltigen Organen, Muskeln etc., welche unter gewissen, noch nicht genau erforschten Bedingungen vor sich geht. Man findet das Leichenwachs be-\n1\tLiebig, Chem. Briefe. S. 453. 1851 ; Ann. d. Chem. u. Pharm. XLVIII. S. 126.\n1843.\n2\tFourcroy gab an, dass der K\u00e4sestoff sich dem Fett ann\u00e4here, wenn die Aufl\u00f6sung desselben in Aetzkali durch eine S\u00e4ure zersetzt wird; ebenso wollte Berzelius bei Behandlung von Fibrin mit starken S\u00e4uren unter Verlust von Stickstoff eine fette Substanz auftreten sehen.\n3\tIljenko, Ann. d. Chem. u. Pharm. LXIII. S. 264.\n4\tAlfred S\u00e9cretan, Recherch. sur la putr\u00e9faction de l\u2019albumine et sa transformation en graisse. Diss.inaug. Bern 1876. \u2014 Nencki, Ueber die Zersetzung der Gelatine und des Eiweisses bei der F\u00e4ulniss mit Pankreas. Bern 1876; Journ. f. pract. Chem. N. F. XVII. S. 97.","page":244},{"file":"p0245.txt","language":"de","ocr_de":"Gr\u00fcnde f\u00fcr die Entstehung von Fett aus Eiweiss.\n245\nkanntlich hie und da in Macerirtr\u00f6gen der Anatomien, in manchen feuchten Begr\u00e4bnisspl\u00e4tzen, also an Orten, wo die Zersetzung unter geringer Sauerstoffaufnahme langsam vor sich geht.\nEs handelt sich dabei nicht um ein Zur\u00fcckbleiben schon vorher vorhandenen Fettes nach dem Verschwinden des Eiweisses durch die F\u00e4ul-niss, wenigstens nicht bei der wahren Adipocirebildung, wie z. B. Wetherill, Alfred Secretan und N\u00e4geli meinten, auch nicht um eine Bildung von wahrem Fett, sondern um ein Entstehen von h\u00f6heren Fetts\u00e4uren, von Palmitins\u00e4ure, Margarins\u00e4ure etc. aus Eiweiss. Hierher geh\u00f6ren die Beobachtungen von Fourcroy1, Chevre\u00fcl, Gibbes'2, Quain3,Gregorit4,G. Liebig0, Virchow6, Michaelis7, besonders aber die von Wetherill8 und Ebert9.\nIch habe einmal die Lunge eines Hirsches, welche ein J\u00e4ger in einen Gebirgssee eingeh\u00e4ngt und l\u00e4ngere Zeit vergessen hatte, erhalten; sie besass das Volumen der zusammengefallenen frischen Lunge und war vollkommen in Leichenwachs \u00fcbergegangen, das aus den Ammoniak- und Kalkseifen h\u00f6herer Fetts\u00e4uren bestand. Wenn auch die Adipocirebildung auf der Th\u00e4tigkeit von F\u00e4ulnisspilzen beruhen sollte, wie N\u00e4geli 10 glaubt, so \u00e4ndert dies doch an der Sache nichts, denn es gehen auch dabei die h\u00f6heren Fetts\u00e4uren aus Eiweiss hervor.\nMan hatte ferner Beobachtungen \u00fcber die Verfettung von in die Bauchh\u00f6hle lebender Thiere eingebrachten Organen z. B. von Hoden, Krystalllinsen, Froschmuskeln oder auch von hart gekochtem Eiereiweiss gemacht; dieselben gingen nach einigen Wochen unter grossem Substanzverlust iu eine gelbe, schmierige, reichliche Fetttropfen einschliessende Masse \u00fcber.11 Da es sich hierbei nach neueren Erfahrungen h\u00f6chst wahrscheinlich zum gr\u00f6ssten Theile um ein Eindringen weisser Blutk\u00f6rperchen, welche dann unter fettiger Metamorphose zu Grunde gehen, handelt, so gehe ich auf diese Versuche nicht n\u00e4her ein.\nUnter anderen Bedingungen hat man ebenfalls einen Uebergang von Eiweiss in Fett wahrzunehmen geglaubt, n\u00e4mlich beim Reifen des Roquefort-K\u00e4ses. Nach Blondeau 12 soll dabei das Casein unter dem Einfluss von sich entwickelndem P\u00e9nicillium Ver\u00e4nderungen eingeh en und sich schliesslich in wahres Fett verwandeln; da er jedoch nur den procenti-\nt Fourcroy, Sur les diff\u00e9rais \u00e9tats des cadavers trouv\u00e9s dans les fovelles du cimeti\u00e8re des Innocens de Paris 1786 ; M\u00e9moires du Museum. X. p. 443.1823.\n2\tGibbes, Philos. Transact. II. p. 169. 1794.\n3\tQuain, Med. chir. Transact. 1850. p. 141.\n4\tGregory, Ann. d. Chem. u. Pharm. LXI. S. 362. 1847.\n5\tG. Liebig, Ebenda. LXX. S. 343.1849.\n6\tVirchow, W\u00fcrzburger Verhandl. III. S. 369. 1852.\n7\tMichaelis, Prager Vierteljahrs ehr. IV. S. 45. 1853.\n8\tWetherill, Transact, of the Americ. Philos. Society. 1855. p. 11; Journ. f. pract. Chem. LXVIII. S. 26. 1856.\n9\tEbert, Ber. d. deutsch, ehern. Ges. VIII. S. 775. 1875.\n10\tN\u00e4geli, Sitzgsber. d. bayr. Acad. 1879. S. 287.\n11\tRud. Wagner, Nachr. d. Ges. d. Wiss. zu G\u00f6ttingen. 1851. No. 8 ; Arch. f. physiol. Heilk. X. S. 520. 1851. \u2014 Husson, Nachr. d. Ges. d.Wiss. zu G\u00f6ttingen. 1S53. No. 5. S. 41. \u2014 Middeldorpf, Ztschr. f. klin. Med. 1852. S. 58. \u2014 Donders, Nederl. Lancet (3) I. p. 556. \u2014 B\u00fcrdach, Exp\u00e9rimenta quaedam de commutatione substantia-rum proteineacearum in adipem. Diss. inaug. Regiomontii 1853. \u2014 Voit, Ztschr. f. Biologie. V. S. 97. 1869.\n12\tBlondeau, Ann. d. chim. et phys. (4) I. p. 208. 1864.","page":245},{"file":"p0246.txt","language":"de","ocr_de":"246 Voit, Allgemeiner Stoffwechsel. 4. Cap. Die Fettbildung im Thierk\u00f6rper.\ngen Gehalt an Fett ermittelt hat, so findet m\u00f6glicherweise nur eine relative Vermehrung des Fettes statt. Den Angaben Blondeau\u2019s wurde von Brassier 1 widersprochen, welcher bei Bestimmung der Gesammtfettmenge sogar eine Abnahme der absoluten Fettmenge heim Reifen des K\u00e4ses fand. Das Material der beiden Forscher war jedenfalls ein grundverschiedenes, denn der trockene unreife K\u00e4se Blondeau\u2019s enthielt nur 2.1\u00b0 0 Fett, der Brassier\u2019s 37 \u00b0/o. Kemmerich1 2 hat in einer Notiz angegeben, er habe Blondeau\u2019s Beobachtungen best\u00e4tigen k\u00f6nnen ; dagegen berichtet Nadina Sieber 3 4, die Zunahme des Fettes beim Reifen des Roquefort-K\u00e4ses w\u00e4re nur eine scheinbare, durch den dabei stattfindenden Wasserverlust hervorgebracht, denn in der Trockensubstanz des unreifen und reifen K\u00e4ses war der procentige Fettgehalt nicht verschieden. Sollten sich dennoch bei weiteren Beobachtungen Blondeau\u2019s Angaben als richtig heraussteilen, so ist es wahrscheinlich die im Roquefort-K\u00e4se vorkommende reichliche Schimmelvegetation, welche das Casein als Nahrung verwendet und in den Zellen in Fett umwandelt.\nIn den niederen Pilzen l\u00e4sst sich n\u00e4mlich nach NXgeli\u2019s 4 Untersuchungen die Entstehung von Fett aus Albuminaten und anderen stickstoffhaltigen Verbindungen darthun, \u00e4hnlich wie bei Zusatz von Kohlehydraten oder stickstofffreien kohlenstoffhaltigen Stoffen. In Pilzzellen, welche in der Jugend nur plasmatischen, aus Albuminaten bestehenden Inhalt besitzen, tritt sp\u00e4ter unter Zunahme der Cellulose und Abnahme des Eiweisses Fett auf. Aus einer Spur von Spaltpilzsaat, welche in L\u00f6sungen von Pepton, Asparagin, Leucin und der nothwendigen Mineralstoffe gebracht werden, erh\u00e4lt man eine millionenfache Vermehrung von Fett und Cellulose.5 6 7 Selbst die an h\u00f6heren Pflanzen gemachten Beobachtungen lassen noch die Deutung einer Entstehung des Fettes aus Eiweiss zu.\nHoppe 6 hat die Mittheilung gemacht, dass die Milch nach l\u00e4ngerem Stehen, unter Aufnahme von Sauerstoff und Abgabe von Kohlens\u00e4ure, mehr Fett und weniger Eiweiss enth\u00e4lt. Kemmerich meint, es beruhe dieser Vorgang auf einer Wirkung von Pilzsporen wie bei der F\u00e4ulniss des K\u00e4ses. F\u00fcr das Kolostrum der Kuh hat M. Fleischer 7 die Zunahme\n1\tBrassier, Ann. d. cbim. et phys. (4) V. p. 270. 1865.\n2\tKemmerich, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1867. No. 27.\n3\tNadina Sieber, Jonrn. f. pract. Chem. XXL S, 203. 1880.\n4\tN\u00e4geli, Sitzgsber. d. bayr. Acad. 1879. S. 287.\n5\tNach den Auseinandersetzungen N\u00e4geli\u2019s k\u00f6nnte bei dieser Bildung von Fett das letztere unmittelbar aus den Bestandtbeilen jedes der organischen N\u00e4hrstoffe (also aus Pepton, Asparagin, Leucin, Zucker, Mannit, Glycerin, essigsaurem und weinsaurem Ammoniak) durch Synthese hervorgehen, was ihm jedoch nicht wahrscheinlich ist. Oder es findet die Fettbildung stets nur aus ein und derselben chemischen Verbindung statt z. B. nur aus Zucker ; dann m\u00fcsste aus dem Eiweiss zun\u00e4chst Zucker entstehen, wenn aus Eiweiss Fett hervorgehen soll. Oder es entsteht das Fett nur aus Eiweiss, dann w\u00fcrde der Zucker wahrscheinlich so wirken, dass er mit dem stickstoffhaltigen Rest des zerfallenen Eiweisses wieder zu Eiweiss wird, aus dem abermals Fett sich abspaltet. In der Leichtigkeit Fett zu erzeugen, ordnete N\u00e4geli die Stoffe, von den weniger sich dazu eignenden beginnend, folgendermaassen : Essigsaures Ammoniak, weinsaures oder bernsteinsaures Ammoniak (Asparagin ?), Leucin, Eiweiss oder Pepton, weinsaures Ammoniak mit Zucker, Leucin mit Zucker, Eiweiss mit Zucker.\n6\tHoppe, Arch. f. pathol. Anat. XVII. S. 417. 1859.\n7\tM. Fleischer, Arch. f. pathol. Anat. LI. 1871.","page":246},{"file":"p0247.txt","language":"de","ocr_de":"Gr\u00fcnde f\u00fcr die Entstellung von Fett aus Eiweiss.\n247\ndes Fettes nachgewiesen. Nach Burdach soll bei der Entwickelung der Eier einer Lungenschnecke (Limnaeus stagnalis) Eiweiss in Fett \u00fcbergehen; ich halte aber diese Angabe f\u00fcr nicht gen\u00fcgend festgestellt.\nNach allen diesen Erfahrungen spalten sich aus Eiweissstoffen niedere und h\u00f6here Fetts\u00e4uren unter gewissen Umst\u00e4nden ab, und sind die niederen Pilze im Stande sogar wirkliches Fett aus Eiweiss zu bereiten. F\u00fcr die Vorg\u00e4nge im h\u00f6heren Thier erhalten wir jedoch daraus keinen sicheren Aufschluss.\nAber man konnte auch f\u00fcr das lebende h\u00f6here Thier einen Ueber-gang von Eiweiss in Fett constatiren, vor allem unter anormalen Bedingungen.\nHierher geh\u00f6rt die in grosser Ausdehnung stattfindende fettige Metamorphose und Anh\u00e4ufung von Fett bei der R\u00fcckbildung thie-rischer Theile, von Eiterk\u00f6rperchen, Epithelzellen, Leberzellen u. s. w., wo unzweifelhaft das Fett aus dem in der organisirten Form befindlichen Eiweiss hervorgeht. 1 2 Diese fettige Metamorphose kann auch den ganzen K\u00f6rper ergreifen und acut auftreten, so z. B. bei der Phosphorvergiftung, bei Neugeborenen in Folge einer parenchymat\u00f6sen Entz\u00fcndung oder einer gest\u00f6rten Ern\u00e4hrung aller Organe -, nach reichlichen Blutverlusten, nach Erw\u00e4rmung des K\u00f6rpers, oder mehr chronisch bei S\u00e4ufern. Es handelt sich hier offenbar um einen allgemeinen Vorgang in der Organisation, welcher stattfindet, sobald die Zelle unter gewisse ver\u00e4nderte Bedingungen ger\u00e4th, wenn z. B. ein Organtheil gar nicht mehr ern\u00e4hrt wird oder wenn er durch irgend welche Ursache bei gest\u00f6rter, jedoch noch vorhandener Ern\u00e4hrung, nicht mehr regelrecht th\u00e4tig ist. Das bei der fettigen Degeneration angeh\u00e4ufte Fett ist nicht von Aussen in die Zellen und Gewebe infiltrirt oder schon vorher vorhanden gewesen und nach der Zerst\u00f6rung der Organisation nur liegen geblieben, sondern es entsteht im Zelleninhalte und zwar aus den eiweissartigen Substanzen, die dabei unter Auftreten von Fett schwinden.\nVon ganz besonderem Interesse f\u00fcr unsere Frage sind die Vor-\n1\tSiebe hier\u00fcber: Fick, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1842. S. 19. \u2014 Rokitansky, Allg. pathol. Anat. I. S. 147. 157. 287. \u2014 Reinhard, Arch. f. pathol. Anat. I. S. 20. 1847. \u2014 Virchow, Ebenda. I. S. 94. 1847, IV. S. 261. 1852, VIII. S. 538. 1856, XIII. S. 266 ; W\u00fcrzburger Verhandl. VIL S. 213. \u2014 Wittich, Arch. f. pathol. Anat. IX. S. 195.\n\u2014\tF\u00f6rster, Ebenda. XII. S. 204. \u2014 Wachsm\u00fcth, Ztschr. f. rat. Med. N. F. VII. S. 50.\n\u2014\tB\u00f6ttcher, Arch. f. pathol. Anat. XIII. S. 227. 1858. \u2014 Frerichs, Die Bright\u2019sche Krankheit. 1851. S. 36. \u2014 Wundt, Leber das Verhalten der Nerven in entz\u00fcndeten und degenerirten Organen. Diss. inaug. Heidelberg 1856. \u2014 B. Sigm. Schultze, De adipis genesi pathologica. Gryphiae 1852.\n2\tBuhl, Klinik der Geburtskunde von Hecker u. Buhl. S.296.1861. \u2014F\u00fcrstenberg, Arch. f. pathol. Anat. XXIX. S. 152. 1864. \u2014 Roloff, Ebenda. XXXIII. S. 553. 1865.","page":247},{"file":"p0248.txt","language":"de","ocr_de":"248 Voit, Allgemeiner Stoffwechsel. 4. Cap. Die Fettbildimg im Thierk\u00f6rper.\ngange bei der Phosphorvergiftung oder der acuten Leberatrophie, da dabei der Prozess in kurzer Zeit abl\u00e4uft. Durch die Untersuchung* der Zersetzungen im K\u00f6rper bei diesen Erkrankungen ist man im Stande, \u00fcber die Abstammung des Fettes etwas auszusagen. Es ist fr\u00fcher schon (S. 185) erw\u00e4hnt worden, dass sich bei der Phosphorvergiftung auch bei hungernden Thieren, neben einer h\u00f6chst bedeutenden Zunahme des Eiweisszerfalls, eine wesentlich geringere Kohlens\u00e4ureausscheidung und Sauerstoffaufnahme findet. Entweder m\u00fcssen also, um die letztere Thatsache zu erkl\u00e4ren, ansehnlich weniger stickstofffreie Substanzen im K\u00f6rper zerst\u00f6rt werden, oder es werden die aus dem reichlich zersetzten Eiweiss abgespaltenen stickstofffreien Stoffe, vorz\u00fcglich Fett, nicht weiter verbrannt. F\u00fcr letztere Anschauung spricht die enorme Fettanh\u00e4ufung in den Zellen.1 2 Da dieselbe noch nach 12t\u00e4gigem Hunger auftritt, so kann es sich nicht um eine Infiltration von im K\u00f6rper schon vorhanden gewesenem Fett handeln; es stimmen vielmehr alle Erscheinungen f\u00fcr den Ursprung des Fettes aus dem in abnormer Menge zersetzten Eiweiss.\nDiese Spaltung des Eiweisses in stickstoffhaltige Bestandtheile und in stickstofffreie, unter denen vorz\u00fcglich Fett auftritt, k\u00f6nnte ein abnormer Vorgang sein, der normal nicht vorkommt, oder sie findet normal immer statt; im letzteren Falle w\u00e4re das Pathologische nur die zu reichliche Bildung und die Nichtzerst\u00f6rung des Fettes, sowie unter Umst\u00e4nden auch das Angreifen der organisirten Form.\nDie eigenthitmliche Zusammensetzung des phosphor- und stickstoffhaltigen Lecithins, das sich bekanntlich in Glycerinphosphors\u00e4ure, h\u00f6here Fetts\u00e4uren und Neurin spalten l\u00e4sst, und das verbreitete Vorkommen desselben in Begleitung von Fetten unterst\u00fctzen sehr die Ansicht von dem Zusammenhang von Eiweiss und Fett.\nMan hat in der That immer mehr Anhaltspunkte daf\u00fcr gewonnen, dass auch im normalen Zustande, bei den gew\u00f6hnlichen Vorg\u00e4ngen der Ern\u00e4hrung, im h\u00f6heren Thier eine Umwandlung eiweissartiger Materie in Fett geschieht.\nIV. Versuche am h\u00f6heren Thier, welche den Uebergang von Eiweiss in Fett als normalen Vorgang darthun.\nAus den Resultaten von Ern\u00e4hrungsversuchen hat Hoppe 2 auf einen Ansatz von Fett aus Eiweiss geschlossen. Er hatte n\u00e4mlich bei einem Hund, nach Zusatz von Rohrzucker zu dem als Futter gereichten Fleisch,\n1\tJ. Bauer fand bei Phosphorvergiftung am Hunde im trockenen Organ: im Muskel 42.4% Fett, in der Leber 30%, in einer exquisiten Phosphorleber eines Menschen sogar 76.8% (Ztschr. f. Biologie. VII. S. 76. 1871).\n2\tHoppe, Arch. f. pathol. Anat. X. S. 144. 1856.","page":248},{"file":"p0249.txt","language":"de","ocr_de":"Uebergang von Eiweiss in Fett im normalen Thierk\u00f6rper.\n249\nzugleich mit einer viel geringeren Stickstoffausscheidung im Harn eine bedeutendere Gewichtszunahme des Thieres beobachtet als ohne denselben. Aus diesen Daten kann man h\u00f6chstens entnehmen, dass unter dem Einfl\u00fcsse des Zuckers stickstoffhaltige Substanz angesetzt worden ist; dies thut auch Hoppe, nur nimmt er daneben noch einen Ansatz von aus Eiweiss entstandenem Fett an, weil sonst nach dem Stickstoffabgang und der Gewichtsvermehrung ein Gewebe mit 6% Stickstoff abgelagert worden w\u00e4re. Wie wir jetzt wissen, darf man aber aus einer Aenderung des K\u00f6rpergewichts nicht auf einen Ansatz oder eine Abgabe von Eiweiss oder Fett folgern, da das Wasser zu sehr mit eingreift; die ungen\u00fcgende Gewichtsvermehrung des Hundes ist sehr wohl durch eine neben dem Ei-weissansatz einhergehende Wasserabgabe, wie sie meist bei einem Ansatz von K\u00f6rpersubstanz stattfindet, zu erkl\u00e4ren. Eine Ablagerung von Fett kann nur durch die gleichzeitige Kohlenstoffbestimmung oder durch das Wiegen des Fettes festgestellt werden. Obwohl demnach Hoppe einen Fettansatz aus Eiweiss nicht darthat, so hat er doch das Verdienst, von Neuem auf die M\u00f6glichkeit einer Fettbildung auf Kosten von Eiweiss im normalen K\u00f6rper die Aufmerksamkeit gelenkt zu haben.\nDer erste Nachweis des Ueberganges von Eiweiss in Fett im Thierleibe unter normalen Verh\u00e4ltnissen wurde von Pettenkofer und mir 1 gef\u00fchrt. Wir hatten einen Hund mit grossen Mengen reinen Muskelfleisches gef\u00fcttert und, obwohl aller Stickstoff desselben im Harn und Koth zum Vorschein kam, einen Theil des Kohlenstoffs in den Ausgaben nicht aufgefunden. Wir erhielten in zwei Versuchen:\n1. bei 2500 Grm. Fleisch am zweiten Tag:\n\t\tStickstoff\tKohlenstoff\nein\tim Fleisch\t85.00\t313.0\naus\tim Harn\t84.38\t50.6\naus\tim Koth\t1.00\t6.7\naus\tin Respiration\t0\t213.6\n\t\t85.38\t270.9\n\tDifferenz \u2014\t0.3S\t+\t42.1\nbei 2000 Grm. Fleisch am\t\tersten Tag:\t\n\t\tStickstoff\tKohlenstoff\nein\tim Fleisch\t68.0\t250.4\naus\tim Harn\t66.5\t39.9\naus\tim Koth\t1.4\t9.2\naus\tin Respiration\t0\t158.3\n\t\t67.9\t207.4\n\tDifferenz -j-\t0.1\t\t+\t42.7\n1 Pettenkofer u. Voit, Ann. d. Chem. u. Pharm. 2. Suppl.-Bd. S. 52 u. 361. 1862 ; Ztschr. f. Biologie. V. S/l06. 1869, VI. S. 371. 1870, VII. S. 489. 1871.","page":249},{"file":"p0250.txt","language":"de","ocr_de":"250 Toit. Allgemeiner Stoffwechsel. 4. Cap. Die Fettbildung im Thierk\u00f6rper.\nEs bleibt keine andere M\u00f6glichkeit, als zu schliessen, dass sich bei dem Zerfall des Eiweisses der Stickstoff in stickstoffhaltigen Ausscheidungsprodukten abgetrennt hat, aber nicht alle dabei \u00fcbrig gebliebene stickstofffreie, an Kohlenstoff reiche Substanz zu Kohlens\u00e4ure und Wasser verbrannt ist, sondern ein Theil im K\u00f6rper zur\u00fcckgehalten worden ist. Da es nun keinen anderen Stoff giebt, in welchem eine so grosse Menge von Kohlenstoff1 angesetzt werden kann, als das Fett, so haben wir angenommen, es w\u00e4re aus dem Ei-weiss Fett entstanden und dieses nicht weiter zerlegt worden. Im Falle 1. sind 14% des Kohlenstoffs des Fleisches in 57 Grm. Fett abgelagert worden, im Falle 2. 18% in 58 Grm. Fett; in 1. w\u00e4ren aus dem Eiweiss 9% Fett entstanden, in 2. 12%.\nDenkt man sich *, nach Abtrennung alles Stickstoffs des Eiweisses in der Form von Harnstoff, in der stickstofffreien Gruppe den \u00fcbersch\u00fcssigen Sauerstoff1 3 mit dem ihm zukommenden Antheil Kohlenstoff zu Kohlens\u00e4ure vereinigt, so bleibt ein K\u00f6rper nahezu von der Zusammensetzung des Fettes zur\u00fcck. IIennebeeg 2 l\u00e4sst das Eiweiss in sich selbst, nach Analogie der Zuckerg\u00e4hrung und ohne Eingriff des atmosph\u00e4rischen Sauerstoffs, zerfallen, indem er nach Abtrennung des Stickstoffs als Harnstoff (35.5 Grm.) zu dem Rest (66.5 Grm.) 12.3 Grm. Wasser hinzutreten und 27.4 Grm. Kohlens\u00e4ure austreten l\u00e4sst; dann bleiben 51.39 Grm. Fett \u00fcbrig, welche im Maximum aus 100 Grm. Eiweiss entstehen k\u00f6nnen. Ich habe mich dieser Annahme angeschlossen, aber nicht verhehlt, dass m\u00f6glicherweise die Zersetzung auf eine andere Weise verl\u00e4uft.\nSp\u00e4ter hat man noch in anderer Art den Nachweis eines Ueber-ganges von Eiweiss in Fett gef\u00fchrt. Nach Subbotin 3 wird von einer H\u00fcndin bei F\u00fctterung mit reinem Fleisch am meisten Milch mit dem h\u00f6chsten prozentigen Gehalt an Fett abgesondert, dagegen keine mehr nach Aufnahme vpn Fett; auch ich4 habe bei einer H\u00fcndin die gr\u00f6sste Milchmenge nach reichlicher Eiweisszufuhr gefunden. Einen genauen Versuch hat Ed. Kemmerich5 an einer H\u00fcndin w\u00e4hrend 22 Tagen angestellt, indem er die Quantit\u00e4t des in der Milch ausgeschiedenen Fettes bei m\u00f6glichstem Ausschluss des Fettes und der Kohlehydrate in der Nahrung, welche aus ausgekochtem Fleisch bestand, bestimmte :\n1\tSitzgsber. d. bayr. Acad. II. S. 402. 1867 ; Ztschr. f. Biologie. V. S. 116. 1869.\n2\tHenneberg, Landw. Versuchsstationen. X. S. 437. 1S6S; Neue Beitr\u00e4ge etc. 1872. S. 45. \u2014 100 Grm. St\u00e4rkemehl spalten sich in dieser Weise in 47.9 Grm. Kohlens\u00e4ure, 11.1 Grm. Wasser und 40.96 Grm. Fett.\n3\tSubbotin, Arch. f. pathol. Anat. XXXVI. S. 561. 1866.\n4\tVoit, Ztschr. f. Biologie. V. S. 137. 1869.\n5\tKemmerich, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1866. No. 30, 1S67. S. 127.","page":250},{"file":"p0251.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Kohlehydrate auf die Fettbildung beim Fleischfresser.\n251\nin der Milch befand sich mehr Fett als in dem Futter aufgenommen worden war, und zwar betrug der Ueberschuss an Fett in ersterer t\u00e4glich 6.2 Grm., in den 22 Versuchstagen 68 Grm. Es l\u00e4sst sich dagegen nur der eine, mir jedoch nicht wahrscheinliche Einwand erheben, dass bei der reichlichen Fleischf\u00fctterung das Thier von seinem K\u00f6rper Fett abgab und in die Milch sandte. Der schon angegebene Versuch von Radziejewski , bei welchem nach F\u00fctterung mit Fleisch und Riib\u00f6l oder R\u00fcb\u00f6lseifen viel Fett, aber ohne Eruka-s\u00e4ure im K\u00f6rper zur Ablagerung gelangte, thut entschieden die Fettbildung aus Eiweiss dar. Es konnte ferner bei den Versuchen von Subbotin1, welcher durch l\u00e4ngeres Hungern abgemagerte Hunde mit reinem Fleisch und Palm\u00f6l ohne Stearin oder mit Fleisch und einer Seife ohne Oels\u00e4ure f\u00fctterte und darnach im Fettgewebe des gem\u00e4steten Thieres im ersten Falle nichtsdestoweniger betr\u00e4chtliche Mengen von Stearin, im zweiten den normalen Gehalt an Olein fand, das Stearin und Olein nur aus dem Eiweiss hervorgegangen sein. Vor allem aber ist der Versuch von Fr. Hofmann2 an Schmeiss-fliegen beweisend; die Eier derselben, deren Fettmenge bestimmt war, entwickelten sich in defibrinirtem Blute mit bekanntem Fettgehalt zu Maden mit sehr ausgebildetem Fettk\u00f6rper; das Fett der Eier und des verzehrten Blutes betrug 0.0599 Grm., das schliesslich im K\u00f6rper abgelagerte Fett 0.6328 Grm.\nV. Aus den Kohlehydraten wird beim Fleischfresser wahrscheinlich kein Fett gebildet.\nNachdem man einmal auf diese Quelle f\u00fcr Fett aufmerksam geworden war, lag der Gedanke nahe, ob sie beim Fleischfresser ausser dem Fett der Nahrung nicht die einzige sei. In der That konnten Pettenkofer und ich3 an Hunden bei reichlicher F\u00fctterung mit Kohlehydraten allein oder unter Zusatz von Fleisch keinen Anhaltspunkt f\u00fcr eine Bildung und einen Ansatz von Fett aus St\u00e4rkemehl oder Zucker gewinnen; stets war es unter gewissen Annahmen m\u00f6glich, den in den Exkreten nicht wieder erscheinenden, abgelagerten Kohlenstoff aus dem resorbirten Fett und aus der bei der Zersetzung desEiweisses sich abtrennenden kohlenstoffreichen Substanz abzuleiten.\nNach unseren Versuchen ist die Menge des abgelagerten Fettes durchaus nicht proportional der Menge des verf\u00fctterten Kohlehydrates, wie es doch sein sollte, wenn letzteres die Quelle des Fettes\n1\tSubbotin, Ztschr. f. Biologie. VI. S. 73. 1870.\n2\tFr. Hofmann, Ebenda. VIII. S. 159. 1872.\n3\tPettenkofer u. Voit, Ztschr. f. Biologie. IX. S. 435. 1873.","page":251},{"file":"p0252.txt","language":"de","ocr_de":"252 Voit, Allgemeiner Stoffwechsel. 4. Cap. Die Fettbildung im Thierk\u00f6rper.\nw\u00e4re ; es steht vielmehr das angesetzte Fettquantum in einer unverkennbaren Beziehung zu der Quantit\u00e4t des zersetzten Fleisches. W\u00e4hrend n\u00e4mlich bei ausschliesslicher F\u00fctterung mit Fett sehr viel Fett zur Ablagerung kommen kann, z. B. von 350 Grm. Fett bis zu 185 Grm., so betrug bei ausschliesslicher Zufuhr auch der gr\u00f6ssten Quantit\u00e4ten von St\u00e4rkemehl, wie z. B. von 379 und 608 Grm., der Fettansatz nach der Kohlenstoffzur\u00fcckhaltung nur 22\u201424 Grm. W\u00e4ren diese letzteren wirklich aus dem St\u00e4rkemehl hervorgegangen, so w\u00fcrden aus dem Kohlehydrat nur 4\u20146\u00b0,o Fett erzeugt, das Kohlehydrat w\u00fcrde also dann in dieser Beziehung 13 mal weniger wirken wie das Fett. Diese geringe Wirkung trotz der gr\u00f6ssten St\u00e4rkemassen ist dagegen nach meiner Annahme leicht verst\u00e4ndlich, da dabei nur wenig Eiweiss zerst\u00f6rt wurde.\nWird nach Verabreichung einer gewissen Quantit\u00e4t von St\u00e4rkemehl (ohne Zusatz von Fleisch) die Zufuhr des Kohlehydrates noch weiter gesteigert, dann tritt trotzdem keine Steigerung des Fettansatzes ein, was doch der Fall sein m\u00fcsste, wenn aus dem St\u00e4rkemehl das Fett erzeugt w\u00fcrde, w\u00e4hrend dieses Verhalten einleuchtend ist, wenn das Fett aus dem Eiweiss abstammt, weil beide Male gleich viel Eiweiss zersetzt wird. Wir erhielten:\nSt\u00e4rkemehl\tFleisch\tFett\tKohlens\u00e4ure\nein\tzersetzt\tan\t\n379\t211\t24\t546\n608\t193\t22\t799\nDer innige Zusammenhang zwischen Fettbildung und Eiweissverbrauch tritt dadurch schlagend hervor; die enorme Erh\u00f6hung der Kohlens\u00e4ureausscheidung bis zu 799 Grm. spricht dagegen deutlich f\u00fcr die leichte Zersetzbarkeit des Zuckers, im Thierk\u00f6rper.\nBei gleich bleibender Aufnahme von St\u00e4rkemehl wird aber entsprechend mehr Kohlenstoff zur\u00fcckbehalten d. h. mehr Fett aufgespeichert, sobald zugleich mehr Eiweiss zerst\u00f6rt wird, so z. B. in einem Versuche bei F\u00fctterung mit 1800 Grm. Fleisch und 379 Grm. St\u00e4rkemehl, wo der Fettansatz 112 Grm. betrug; letzterer war also f\u00fcnf Mal gr\u00f6sser wie bei Aufnahme der gleichen St\u00e4rkemenge ohne Fleisch, was bei einer Fettbildung aus St\u00e4rkemehl gar nicht zu erkl\u00e4ren ist, bei Abspaltung von Fett aus Eiweiss dagegen und der sieben Mal gr\u00f6sseren Eiweisszersetzung leicht begreiflich ist. Als wir zu der gleichen St\u00e4rkeporfion nur 800 Grm. Fleisch hinzuf\u00fcgten, wurden nicht 112 Grm. Fett angesetzt wie vorher bei 1800 Grm. Fleisch, sondern nur 55 Grm. d. h. es wurde trotz gleich bleibender St\u00e4rkequantit\u00e4t nur mehr die H\u00e4lfte Fett abgelagert, da die Eiweiss-","page":252},{"file":"p0253.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Kohlehydrate auf die Fettbildung heim Fleischfresser. 253\nZersetzung- auf die H\u00e4lfte herabgesunken war. Nichts kann in der That beweisender f\u00fcr unsere Theorie sein als diese Versuche bei gleicher St\u00e4rkezufuhr, aber verschiedenem Eiweisszerfall:\nSt\u00e4rkemehl\tFleisch\tFett\nein\tzersetzt\tan\n379\t211\t24\n379\t608\t55\n379\t1469\t112\nSelbstverst\u00e4ndlich muss auch ein gewisser Zusammenhang zwischen der Gr\u00f6sse der St\u00e4rkezufuhr und der Fettablagerung bestehen, wenn auch das Fett nicht aus der St\u00e4rke hervorgeht. Da n\u00e4mlich die St\u00e4rke das bei dem Zerfall des Eiweisses abgespaltene Fett voider weiteren Zerst\u00f6rung sch\u00fctzt, so muss durch mehr St\u00e4rke bis zu einer gewissen Grenze absolut und procentig mehr von diesem Fett erspart werden. Jede Eiweissmenge erfordert demnach eine bestimmte Menge von Kohlehydrat, um das aus ihr entstandene Fett v\u00f6llig zum Ansatz zu bringen ; darum sehen wir bei den gr\u00f6sseren St\u00e4rkegaben von dem aus dem Eiweiss verf\u00fcgbaren Fett prozentig am meisten zum Ansatz gelangen, n\u00e4mlich bei:\n\tNah Fleisch\trung St\u00e4rkemehl\tAnsatz von Fett aus 100 Eiweiss\n( 1\t400\t344\t10\ngr\u00f6ssere St\u00e4rkegaben <\t800\t379\t9\nj \\\t1800\t379\t8\n1\t400\t210\t0\nkleinere St\u00e4rkegaben\t500\t167\t2\n!\t1500\t172\t3\nDie Resultate der Versuche am Hunde bei F\u00fctterung mit St\u00e4rkemehl lassen sich ganz einfach deuten unter der Annahme, dass die Kohlehydrate im Thierk\u00f6rper stets ganz in Kohlens\u00e4ure und Wasser iibergehen, dass sie aber das aus dem Eiweiss abgetrennte Fett ersparen und sich die Gr\u00f6sse der Ersparung richtet nach der Menge des aus dem Eiweiss entstandenen Fettes und der Menge des ersparenden Kohlehydrats. Die Versuchsresultate bleiben dagegen v\u00f6llig-unverst\u00e4ndlich, wenn man aus den Kohlehydraten das Fett hervorgehen l\u00e4sst.\nBeim Hunde hatten wir zu der Fettbildung in keinem einzigen Falle die Kohlehydrate n\u00f6thig, wenn wir im Maximum nach Henne-berci\u2019s Berechnung aus dem Eiweiss 51.4% Fett hervorgehen lassen.","page":253},{"file":"p0254.txt","language":"de","ocr_de":"254 Voit, Allgemeiner Stoffwechsel. 4. Cap. Die Fettbildung im Thierk\u00f6rper.\nIn der Mehrzahl der F\u00e4lle braucht nach unseren Versuchen (a. a. 0. S. 515) sich ansehnlich weniger Fett aus Eiweiss abzuspalten, um den Fettansatz zu decken, und nur in zwei F\u00e4llen, bei welchen das Extrem angestrebt worden war, n\u00e4mlich bei ausschliesslicher Darreichung von 379 und 608 Grm. trockenem St\u00e4rkemehl im Tag f\u00fcr einen Hund von 35 Kilo Gewicht musste bei der Berechnung die Zahl 51.4% angenommen werden. Um den bei unseren Versuchen stattgehabten Fettansatz zu erkl\u00e4ren, h\u00e4tten einmal aus dem St\u00e4rkemehl 25% Fett (a. a. 0. S. 478), ein andermal sogar 29% Fett (a. a.O. S. 483) entstehen m\u00fcssen, was im h\u00f6chsten Grade unwahrscheinlich ist.\nIch halte die Entstehung von Fett im Thierk\u00f6rper aus Eiweiss durch die Vorg\u00e4nge bei der fettigen Degeneration, die Versuche von Pettfnkofer und mir bei F\u00fctterung des Fleischfressers mit reinem Fleisch, und durch die Resultate von Kemmerich, Radziejewski, Subbotin und Fr. Hofmann f\u00fcr erwiesen; unentschieden ist nur, wieviel daraus hervorgeht. Dass aus dem Eiweiss 9% Fett gebildet werden k\u00f6nnen, ist nach unseren Versuchen bei ausschliesslicher F\u00fctterung mit reinem Fleisch sicher; wahrscheinlich wird aber wesentlich mehr Fett abgetrennt, da voraussichtlich ein Theil desselben unter den ung\u00fcnstigen Bedingungen des Versuchs alsbald weiter zerst\u00f6rt worden ist und erst zur Ablagerung gelangt, wenn eine das Fett vor der Verbrennung sch\u00fctzende Substanz gereicht wird. Entsteht aus dem Eiweiss so viel Fett, als ich angenommen habe (51.4%), dann geschieht nach unseren Versuchen im Fleischfresser jeder Ansatz von Fett nur durch das in der Nahrung aufgenommene und durch das aus dem Eiweisszerfall entstandene Fett; die Kohlehydrate w\u00e4ren in diesem Falle nicht heranzuziehen, sie h\u00e4tten nur die eine Aufgabe, das Fett vor der Verbrennung zu sch\u00fctzen. Ist dagegen die angenommene Zahl zu hoch gegriffen, so m\u00fcssen die Kohlehydrate f\u00fcr die Fettbildung mit zu Hilfe gezogen werden; es wird aber damit an der Bedeutung der gewonnenen Erkenntniss, nach welcher bei dem Ei weisszerfall im thierischen Organismus sich best\u00e4ndig und normal eine gewisse Menge von Fett abtrennt, weiche-abgelagert werden kann, nichts ge\u00e4ndert.\nVI. Entstellt beim Pflanzenfresser aus Kohlehydrat Fett?\nVor allem war es nun wichtig, die Sache weiter am Pflanzenfresser, der sich besonders zur Mast eignet und grosse Massen von Kohlehydraten verzehrt, zu verfolgen.","page":254},{"file":"p0255.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Kohlehydrate auf die Fettbildung beim Pflanzenfresser.\t255\nIch 1 habe in einem Vortr\u00e4ge bei einer Versammlung der deutschen Agrikulturchemiker angedeutet, dass vielleicht auch beim Pflanzenfresser die Kohlehydrate nicht zur Fettbildung dienen. Man hatte schon fr\u00fcher mancherlei Andeutungen daf\u00fcr gewonnen; so haben z. B. die F\u00fctterungsversuche an Milchk\u00fchen eine Zunahme der absoluten Butterausscheidung mit der Eiweissmenge der Nahrung ergeben, ferner gelang es nicht Schweine mit einem st\u00e4rkereichen und eiweissarmen Futter fett zu machen.2\nNamentlich auf einen Zweifel Liebig\u2019s hin habe ich einen sechst\u00e4gigen Versuch in dieser Richtung an einer in voller Laktation befindlichen Milchkuh bei ziemlich kr\u00e4ftigem Futter gemacht, welche t\u00e4glich \u00fcber Vs Kilo Fett in der Milch entleerte. Es wurde der Stickstoffgehalt des Futters genau ermittelt, dann der Stickstoff- und Kohlenstoffgehalt des Harns, ferner der Stickstoff- und Fettgehalt der Milch und endlich der Stickstoff- und Fettgehalt des Kothes. Daraus l\u00e4sst sich entnehmen, ob das aus dem Stickstoff des Harns berechnete zerst\u00f6rte Eiweiss mit dem aus dem Darm resorbirten Fett\ngen\u00fcgt, das Fett der Milch zu decken. Ich erhielt dabei:\nim Futter............... 27 57.74\tGrm.\tFett\nim Kotli................. 1099.33\t\u201e\t\u201e\nresorbirt:\t1658.40\tGrm.\tFett\naus 3602 Grm. zersetztem Eiweiss\t1851.00\t\u201e\t\u201e\nalso zur Verf\u00fcgung\t. . . .\t3509\tGrm.\tFett\nin der Milch.................2024\t\u201e\nEs ist also das Fett der Milch ohne Inanspruchnahme der Kohlehydrate l\u00e4ngst gedeckt, obwohl der im Koth befindliche, von den Zersetzungen im K\u00f6rper stammende Stickstoff gar nicht mitgerechnet worden ist. Gehen nur 10% Fett aus Eiweiss hervor, so ist nach Einrechnung des Nahrungsfettes gen\u00fcgend Fett da, um das Milchfett zu liefern.\nIch habe die fr\u00fcher angef\u00fchrten \u00e4lteren Versuche von Boussin-gault, Playfair und Thomson, sowie einige andere an Milchk\u00fchen berechnet und gefunden, dass dabei das resorbirte und das aus dem zersetzten Eiweiss herr\u00fchrende Fett vollauf hinreichen, das in der Milch abgeschiedene Fett zu geben.\nDarauf hin ist eine Anzahl neuerer Versuche mit allen Vorsichts-\n1\tVoit, Landw. Versuchsstationen. VIII. 1866.\n2\tDie Versuche von F. Letellier, nach denen Turteltauben bei F\u00fctterung mit Zucker kein Fett ansetzen sollen, sind nicht beweisend (Ann. d. chim. etphys. (3) XI. p. 150. 1844).","page":255},{"file":"p0256.txt","language":"de","ocr_de":"256 Voit, Allgemeiner Stoffwechsel. 4. Cap. Die Fettbildung im Thierk\u00f6rper.\nmaassregeln an Milchk\u00fchen und milch gebenden Ziegen angestellt worden.\nAus den Versuchen von Fr. Stohmann 1 an milchgebenden Ziegen geht hervor, dass meist schon das aus der Nahrung resorbirte Fett f\u00fcr den Fettbedarf in der Milch ausreichend ist; nur in zwei F\u00e4llen, bei fettarmem und sehr eiweissreichem Futter, fand dies nicht statt, aber das Eiweiss war in gen\u00fcgender Menge vorhanden, um den Ausfall an Fett zu ersetzen.\nUm einen extremen Fall zu haben, reichte Gust. K\u00fchn1 2 in M\u00f6ckern zwei K\u00fchen eine an Eiweiss und an Fett arme Nahrung w\u00e4hrend 14 Tagen, wobei sich ergab:\nFett\n1. 2.\nim Futter ....\t277.0\t278.0\nim Koth.................... 93.5\t94.5\nresorbirt:\t183.5\t183.5\naus zersetztem Eiweiss\t84.0\t73.0\nzur Verf\u00fcgung .\t.\t.\t267.5\t256.5\nin der Milch .\t.\t.\t27 7.5\t292.0\nHier reicht also das resorbirte und aus der Eiweisszersetzung hervorgegangene Fett eben f\u00fcr das Fett der Milch hin, ja es fehlen sogar noch 10\u201435 Grm. Fett. Es scheint allerdings dabei die \u00e4usserste Grenze schon erreicht, ja sogar etwas \u00fcberschritten zu sein, man muss aber bedenken, dass dabei der im Koth in Zersetzungsprodukten enthaltene Stickstoff nicht mit in Rechnung gekommen ist, sowie dass der K\u00f6rper des Thieres sehr wohl Fett eingeb\u00fcsst haben kann, was nur durch eine Bestimmung der Athemprodukte zu entscheiden ist.\nEndlich liegen von M. Fleischer3 in Hohenheim an Milchk\u00fchen ausgef\u00fchrte Versuche ebenfalls bei \u00e4rmlicher F\u00fctterung vor; er fand:\nFett\n1.\t2.\naus dem Futter resorbirt\t170.5\t166.5\naus zersetztem\tEiweiss .\t160.1\t17,1.3\nzur Verf\u00fcgung\t....\t330.6\t337.8\nin der Milch ....\t303.3\t290.5\n1\tFr. Stohmaxx, Ztscbr. d. Landw. Centralver. d. Prov. Sachsen. 1868. No. 6 bis 10 ; Journ. f. Landw. (2) III. Heft 2. 3. 4. 1868.\n2\tGust.K\u00fchn, Landw.Versuchsstationen. X. S.418.1868. \u2014 K\u00fchnu.Fleischer, Ebenda. XII. S. 451. 1869.\n3\tM. Fleischer bei E. Wolff, Die Versuchsstation Hohenheim. 1870. S. 50; Arch. f. pathol. Anat. LI. S. 30. 1870.","page":256},{"file":"p0257.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Kohlehydrate auf die Fettbildung heim Pflanzenfresser.\n257\nEs ist demnach auch hier, unter der Annahme, dass aus dem Eiweiss 51.4% Fett sich abspalten, in gen\u00fcgender Menge Fett vorhanden, um das Fett der Milch zu geben.\nAuch die meisten \u00fcbrigen, an nicht milchgebenden Tliieren ange-stellten \u00e4lteren Versuche, welche man fr\u00fcher als beweisend f\u00fcr den Ueber-gang von Kohlehydraten in Fett betrachtete, sind es nicht, da dabei noch keine R\u00fccksicht auf das Eiweiss als Quelle des Fettes genommen worden ist.\nDie ausf\u00fchrlich beschriebenen Versuche von Boussingault an G\u00e4nsen und Enten lassen sehr wohl die Deutung zu, dass das Fett nicht aus Kohlehydraten entstanden ist, w\u00e4hrend dies allerdings f\u00fcr die von Liebig und Persoz citirten Beispiele, f\u00fcr welche jedoch keine ausreichenden Angaben vorliegen, nicht m\u00f6glich ist.\nAuch f\u00fcr die von Boussingault an Mastschweinen erhaltenen Resultate hat man die Kohlehydrate nicht noting; dagegen sind die von Lawes und Gilbert ]) \u00fcber diese Thiere gemachten Angaben der Art, dass f\u00fcr das bei der Mast abgelagerte K\u00f6rperfett in einer Anzahl von F\u00e4llen die Kohlehydrate nicht entbehrlich erscheinen. Es fehlen n\u00e4mlich nach den beiden letzteren Forschern bei mittlerer und geringer Eiweisszufuhr 29 bis 37 % Fett, welche nach ihrer Meinung nur von den Kohlehydraten herr\u00fchren k\u00f6nnen. Aber es ist noting hier\u00fcber vor einer Entscheidung noch genauere Untersuchungen an Schweinen anzustellen und zwar \u00fcber die Menge und die Zusammensetzung des von den Tliieren aufgenommenen Futters, \u00fcber die Menge und Zusammensetzung des Koths, sowie \u00fcber die Quantit\u00e4t des im K\u00f6rper abgelagerten Eiweisses und Fettes. Ich halte dies f\u00fcr erforderlich, da man fr\u00fcher keine Vorstellung davon hatte, auf was man bei Versuchen der Art zu achten hat und mit welcher Sorgfalt dieselben ausgef\u00fchrt werden m\u00fcssen.\nEs ist bis jetzt nur eine von H. Weiske und E. Wildt1 2 mit aller Genauigkeit durchgef\u00fchrte Versuchsreihe an Schweinen bekannt und zwar f\u00fcr einen m\u00f6glichst ung\u00fcnstigen Fall, bei einem an Eiweiss armen, aber an Kohlehydraten reichen Futter. Von drei gleichen, sechs Wochen alten Tliieren wurden zwei zur Bestimmung des am K\u00f6rper schon vorhandenen Fleisches und Fettes gleich geschlachtet und das dritte mit Kartoffeln gef\u00fcttert. In 184 Tagen nahm dasselbe nach der Differenz des Stickstoffs des Futters und des Kotlies 14.3244 Kilo verdauliches Eiweiss auf und setzte 1.2425 Kilo davon an, so dass 13.0819 Kilo Eiweiss zur Zersetzung und zur Bildung von 6.7241 Kilo Fett disponibel waren. Am K\u00f6rper wurden in dieser Zeit 6.1398 Kilo Fett abgelagert, wovon 0.5748 Kilo aus der Nah-\n1\tLawes u. Gilbert, Philos. Transact. Roy. Soc. IL p. 49 5. 1S59; Report of the British Association for the advancement of science. 1852 u. 1S54; Journ. Roy. A\u00bb-. Soc. Eng. XIV. (2) 1853; Philosophical Magazine for July 1866: Journal of Anatomv and Physiology. XI. (4) p. 577. 1877.\n2\tH. Weiske u. E. Wildt, Ztschr. f. Biologie. X. S. 1. 1874.\nHandbuch der Physiologie. Bd. VI.\n17","page":257},{"file":"p0258.txt","language":"de","ocr_de":"258 Voit, Allgemeiner Stoffwechsel. 4. Cap. Die Fettbildung im Thierk\u00f6rper.\nl\u2019UDg\u2019 stammten, also 5.5650 Kilo erst im Organismus aus Eiweiss oder Kohlehydraten entstanden sein mussten. Es scheint daher auch hier auf den ersten Blick das Eiweiss in gen\u00fcgender Menge gegeben zu sein; jedoch ist der von E. Schulze und auch von Zuntz dagegen gemachte Einwand vollkommen berechtigt, dass aus dem Stickstoff der Kartoffeln wegen des hohen Asparagingehalts nicht die Eiweissmenge derselben zu entnehmen ist. Zieht man nach E. Schulze die Amide der Kartoffeln ab, so bleiben nur mehr 5.192 Kilo Fett \u00fcbrig, die von dem Eiweiss geliefert werden k\u00f6nnen, w\u00e4hrend 5.5650 Kilo Fett zu decken sind.\nEs liegt hiermit m\u00f6glicherweise ein Beispiel vor, bei dem die Grenze etwas \u00fcberschritten ist und die Kohlehydrate zur Fettbildung zu Hilfe genommen werden m\u00fcssen; jedoch ist andererseits zu beachten, dass der im Koth in Zersetzungsprodukten enthaltene Stickstoff dabei nicht ber\u00fccksichtigt worden ist. Es findet sich hier eine L\u00fccke, deren Ausf\u00fcllung in hohem Grade w\u00fcnschenswerth ist.\nAls sichersten Beweis f\u00fcr die Umwandlung von Kohlehydraten in Fett hat Liebig die Wachsbereitung der Bienen bei F\u00fctterung mit reinem Honig angef\u00fchrt. Es ist allerdings das Bienenwachs kein eigentliches Fett, wie Liebig wohl wusste; wenn jedoch aus Kohlehydraten Wachs entsteht, so ist dies auch f\u00fcr das Neutralfett in hohem Grade wahrscheinlich.\nAber die hierher geh\u00f6rigen Beobachtungen von Huber, Gund-lach oder Dumas und Milne-Edwakds sind daf\u00fcr nicht beweisend, denn sie sagen doch nur aus, dass die Bienen bei F\u00fctterung mit reinem Honig noch einige Zeit lang etwas Wachs bauen. Wenn auch dabei das Wachs nicht, wie Dumas und Milne-Edwards erwiesen, aus dem im K\u00f6rper der Bienen befindlichen Fett abstammen kann, so ist doch auch hier noch das in den Organen oder im Pollen-vorrath befindliche Eiweiss vorhanden, dessen stickstofffreie Abk\u00f6mmlinge durch den Zucker vor der weiteren Zersetzung gesch\u00fctzt werden. Nun sind die Bienen aber noch im Stande, ebenfalls mit reinem Honig ohne allen Blumenstaub junge Brut fertig zu bringen und sie zu ern\u00e4hren, was doch mit Honig allein nicht denkbar ist; sie m\u00fcssen daher Eiweiss von ihrem Leib dazu abgeben, was dann auch f\u00fcr die Wachsbereitung m\u00f6glich ist. Die Bienen verm\u00f6gen sogar mit blossem Honig viel l\u00e4nger ihre Brut zu ern\u00e4hren als Wachs zu erzeugen; die Bereitung des Futterbreies und des Wachses sind nach den Angaben der Bienenz\u00fcchter entsprechende Vorg\u00e4nge. Es finden hier augenscheinlich bei den Bienen dieselben Prozesse statt wie bei der Produktion von Milch in der Brustdr\u00fcse hungernder","page":258},{"file":"p0259.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Kohlehydrate auf die Fettbildung beim Pflanzenfresser.\t259\nM\u00fctter auf Kosten der \u00fcbrigen Organe des K\u00f6rpers oder wie bei der vollst\u00e4ndigen Erhaltung von Gehirn und R\u00fcckenmark w\u00e4hrend langen Hungerns oder wie bei der Fettbildung im hungernden Organismus in Folge der Phosphorvergiftung. Ferner ist der grosse Einfluss einer reichlichen Eiweisszufuhr auf die Wachsproduktion erkannt worden; nach Fischer1 2 in Vaduz liefert die Biene nur bei hinreichender eiweisshaltiger Nahrung reichlich und andauernd Wachs: es gelang ihm durch eine Futtermischung von l Theil H\u00fchnerei mit 2 Theilen Kandiszuckerl\u00f6sung die Bienen zu einer erstaunlichen Wachsabsonderung zu zwingen, so dass 1000 St\u00fcck Bienen t\u00e4glich 12 Grm. Wachs gaben.\nHoppe-Seyler2 hat einmal gemeint, weil sich aus den Futterstoffen der Bienen mittelst Aether Cerotins\u00e4ure, wachsartige Stoffe, Cholestearin, Lecithin und zersetztes Chlorophyll neben wenig Fett ausziehen lassen, so seien die Bestandtheile des Bienenwachses in den Pflanzen bereits fertig gebildet, und es w\u00e4re daher kein Grund dazu da, dass die Bienen in ihrem Leibe Wachs erzeugen, zumal auch gar keine wachssecernirenden Organe in ihnen nach gewiesen seien. Ich3 habe in meiner Abhandlung \u00fcber die Fettbildung eigens erw\u00e4hnt, dass in nicht sorgf\u00e4ltig gereinigtem Honig geringe Mengen von Eiweiss (0.12 \u2014 0.20%) und von Fett (0.02\u20140.04%) vorhanden sind; diese Quantit\u00e4ten sind aber viel zu gering, um das produzirte Wachs zu liefern, abgesehen davon, dass f\u00fcr die Wachserzeugung reiner Zucker die n\u00e4mlichen Dienste thut wie Honig.\nErlenmeyer und A. v. Planta4 haben neuerdings Versuche an Bienen \u00fcber die Wachsbereitung gemacht. Es wurde in der That bei viert\u00e4giger F\u00fctterung mit Kandiszucker oder Honig noch Wachs gebaut, der Stickstoffgehalt der Bienen war aber vor und nach dem Versuche der gleiche, weshalb sie meinen, es k\u00f6nne das Wachs nicht aus dem Eiweiss der Organe entstanden sein. Darin ist eine Unm\u00f6glichkeit enthalten, n\u00e4mlich das Gleichbleiben des Eiweissgehaltes des Bienenk\u00f6rpers bei viert\u00e4giger F\u00fctterung mit stickstofffreiem Honig. Es ist klar, die Thiere haben die stickstoffhaltigen Zersetzungsprodukte des Eiweisses noch in ihrem Leibe gehabt; ein hungernder Hund, der einen Tag lang keinen Harn und Koth l\u00e4sst, hat am Ende des Versuchs den gleichen Stickstoffgehalt wie bei Beginn desselben,\n1\tFischer, Landw. Versuchsstationen. VII\u00cf. S. 28. 1866.\n2\tHoppe-Seyler, JBer. d. Vers, deutsch. Katurf. u. Aerzte zu Rostock; Ber. d. deutsch, chem. Ges. IV. S. 810. 1871.\n3\tVoit, Ztschr. f. Biologie. V. S. 148. 1869.\n-1 Erlenmeyer u. A. von Planta, Deutsche Bienenzeitung. 1880. Ko. 1. S. 31 ; siehe auch: Schneider, Ann. d. Chem. u. Pharm. CLXII. S. 235. 1872.","page":259},{"file":"p0260.txt","language":"de","ocr_de":"260 Voit, Allgemeiner Stoffwechsel. 4. Cap. Die Fettbildung im Thierk\u00f6rper.\nobwohl er in Menge Eiweiss zersetzt hat. Ich habe die Gr\u00fcnde entwickelt, warum ich die Wachsbildung aus Kohlehydraten nicht f\u00fcr bewiesen erachte, und muss auch jetzt noch bei dieser Auffassung bleiben.\nAus allen den vorliegenden Thatsachen kann ich wie fr\u00fcher nur den Schluss ziehen, dass auch bei den Pflanzenfressern in den meisten, vielleicht in allen F\u00e4llen, die Kohlehydrate blos die Rolle haben, das Fett vor der Verbrennung zu sch\u00fctzen. Es sprechen ausserdem noch manche andere Beobachtungen f\u00fcr die Bedeutung des Eiweisses als Material f\u00fcr die Fettbildung und gegen die der Kohlehydrate.\nTrotz reichlichster St\u00e4rkezufuhr, aber geringer Eiweissmenge im Futter setzen die Thiere niemals Fett an. Nach Boussingatjlt m\u00e4sten sich Schweine mit Kartoffeln nicht; G\u00e4nse und Enten nach Boussingatjlt und Persoz nicht mit dem stickstoffarmen Reis allein, wohl aber bei Zusatz von Fett oder von eiweissreichen Substanzen. Also gerade bei \u00fcberm\u00e4ssiger Zufuhr desjenigen Materials, aus dem man das Fett ableiten will, wird kein Fett abgelagert ; die Mastmittel sind dagegen immer reich an Eiweiss und auch an Fett. Man hat zwar, um sich \u00fcber diesen misslichen Punkt hinwegzuhelfen, gemeint, es seien eben stickstoffhaltige Zellen und Organe noting, in denen sich das Fett ablagern, oder in denen das Kohlehydrat zu Fett werden kann. Gewiss geh\u00f6ren Zellen dazu, um das Fett zum Ansatz zu bringen, aber diese sind schon bereit, namentlich im Unterhautzellgewebe und im Zellgewebe \u00fcberhaupt; sie haben bei Mageren einen eiweisshaltigen fl\u00fcssigen Inhalt und f\u00fcllen sich beim Fettwerden einfach mit Fett an. Man vermag ja Thiere, z. B. Hunde, bei ausschliesslicher Darreichung von Fett sehr reich an Fett zu machen, wie der Versuch von Fr;. Hofmann beweist; Hunde werden ferner bei F\u00fctterung mit wenig Fleisch und viel Fett ausserordentlich fett ohne einen Ansatz von Eiweiss. Man kann auch nicht sagen, dass die Aufnahme von Eiweiss aus der Nahrung dazu geh\u00f6rt, die Th\u00e4tigkeit in den Zellen und Geweben zu erm\u00f6glichen, durch welche das Fett aus den Kohlehydraten entsteht, denn auch ohne Zufuhr von Eiweiss, beim Hunger, sind diese Prozesse vorhanden und h\u00e4ufig in nicht geringerem Maasse wie bei Zufuhr von Eiweiss, allerdings auf Kosten des Eiweisses der Organe. Keiner der Z\u00fcchter und Beobachter konnte sich des Eindruckes der Wichtigkeit des Eiweisses f\u00fcr die Fetterzeugung erwehren; vor allem waren es Persoz und Boussingault, die dieser Empfindung Ausdruck gaben.\nVII. Bildung von Fett aus Fetts\u00e4uren.\nMan hat ausser den Kohlehydraten und dem Eiweiss noch andere Stoffe als Materialien f\u00fcr die Fettbildung im Thierk\u00f6rper angesehen, so namentlich die h\u00f6heren Fetts\u00e4uren, welche aus der Spaltung der Neutral-fette im Darm hervorgehen und hie und da auch als solche in der Nahrung aufgenommen werden.","page":260},{"file":"p0261.txt","language":"de","ocr_de":"Bildung von Fett aus Fetts\u00e4uren.\n261\nDie ersten Versuche hier\u00fcber hat der der Wissenschaft zu fr\u00fch entrissene Radziejewski 1 angestellt. Er gab einem Hunde in einer l\u00e4ngeren F\u00fctterungsreihe 914 Grm. Seife aus Rtib\u00f6l und fand darnach in den Muskeln und Organen viel Fett vor, aber von der Erukas\u00e4ure nur geringe Spuren. Er glaubte daraus folgern zu d\u00fcrfen, dass das gew\u00f6hnliche Nahrungsfett zum gr\u00f6ssten Theil im Darm verseift und dann wieder durch einen synthetischen Prozess in Neutralfett verwandelt werde. Es ist nicht ganz klar, wie Radziejewski zu diesem Schl\u00fcsse kam, da nur sehr wenig Eruka\u00f6l gebildet und angesetzt worden ist. Hofmann und ich1 2 haben die Resultate Radziejewski\u2019s so gedeutet, dass die Erukas\u00e4ure im K\u00f6rper verbrannt ist und das aus dem Eiweiss entstandene Fett vor der Zerst\u00f6rung gesch\u00fctzt hat. Die gleiche Anschauung sprach auch Subbotin3 aus; erhalte in dem fr\u00fcher schon erw\u00e4hnten Versuche einen Hund 6 Wochen lang mit Fleisch und 4058 Grm. Seife aus Palmitins\u00e4ure und Stearins\u00e4ure (ohne Oels\u00e4ure) gef\u00fcttert und doch im reichlich vorhandenen K\u00f6rperfett nicht mehr dieser festen Fetts\u00e4uren angetroffen als im gew\u00f6hnlichen Hundefett. W\u00e4re hier das Fett nicht aus dem Eiweiss, sondern aus der Fetts\u00e4ure hervorgegangen, so h\u00e4tte sich doch ein Fett aus Palmitin und Stearin ablagern m\u00fcssen, wenn man nicht annehmen will, dass der Uebersehuss von Palmitin und Stearin verbrannt ist. Radziejewski hat in einer sp\u00e4teren Abhandlung unserer Anschauung vollkommen Rechnung getragen und ihr zugestimmt, indem er hervorhob, dass er bei Abfassung seiner ersten Arbeit noch nicht das Eiweiss als Quelle f\u00fcr das Fett gekannt habe.\nNeuere Versuche tliun nun, wie es scheint, den Uebergang von Fetts\u00e4uren in Neutralfett im Thierk\u00f6rper dar. Schon Percwoznikoff4 wollte nach gleichzeitiger Injektion von Seife und Glycerin in den Darm F\u00fcllung der Zotten mit molekularem Fett und gew\u00f6hnlichem weissem Chylus erhalten haben. Ebenso gab A. Will5 6 7 an, nach F\u00fctterung hungernder Fr\u00f6sche mit Palmitins\u00e4ure und Glycerin im Darmepithel nach Behandlung mit Ueberosmiums\u00e4ure bei der mikroskopischen Untersuchung die tiefbraunschwarze F\u00e4rbung wahrgenommen zu haben, welche dieses Reagens bei Fetten hervorruft. Auch Woroschilow 6 entnimmt aus seinen Untersuchungen, dass die in den Magen eingebrachten Seifen zersetzt und die Fetts\u00e4uren im Darm emulsionirt und nach dem Uebergang in die Cbylusgef\u00e4sse gr\u00f6sstentheils in Neutralfett umgewandelt werden. Es ist aber hier leicht eine T\u00e4uschung m\u00f6glich, da auch die Fetts\u00e4uren zu einer milchigen Fl\u00fcssigkeit sich emulsioniren lassen. J. Munk 7 bestimmte jedoch auf chemischem Wege das Fett und trennte es von den Fetts\u00e4uren. Er fand beim Hund nach Einf\u00fchrung von Fetts\u00e4uren in den Darm nach 3 \u2014 6 Stunden im Chylus neben unver\u00e4nderten Fetts\u00e4uren\n1\tRadziejewski, Arch. f. pathol. Anat. XLIII. S. 268. 1868, LVI. S. 211. 1872.\n2\tHofmann, Ztschr. f. Biologie. VIII. S. 153. 1872.\n3\tSubbotin, Ebenda. VI. S. 73. 1870.\n4\tPercwoznikoff, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1876. No. 48. S. 851.\n5\tA. Will, Arch. f. d. ges. Physiol. XX. S. 255.\n6\tWoroschilow, Protokoll d. Ges. d. Naturforscher in Kasan. 1871. Mai.\n7\tJ. Munk, Verhandl. d. physiol. Ges. zu Berlin. 1879. No. 13; Arch. f. pathol. Anat. LXXX. S. 29. 1880.","page":261},{"file":"p0262.txt","language":"de","ocr_de":"262 Voit, Allgemeiner Stoffwechsel. 4. Cap. Die Fettbildung im Thierk\u00f6rper.\n9 \u2014 20 mal mehr Neutralfett als beim hungernden Thier und 7 mal mehr als nach F\u00fctterung mit Eiweiss; er leitet die erhebliche Steigerung im Fettgehalte des Cliylus von einer Umwandlung der Fetts\u00e4uren in Fett durch eine auf dem Wege von der Darmh\u00f6hle bis zum Milchbrustgange stattfindende Synthese ab. Man k\u00f6nnte vielleicht noch an eine andere Erkl\u00e4rung denken: es k\u00f6nnte n\u00e4mlich der Chylus nach Aufnahme von Stoffen, welche das aus dem Eiweiss abgespaltene Fett vor der weiteren Zersetzung sch\u00fctzen, reicher an Fett werden.\nDarnach scheinen also gewisse Theile des Organismus, vielleicht die Epithelien der Darmzotten, die F\u00e4higkeit zu besitzen, Fetts\u00e4uren und Glycerin bei gleichzeitiger Darreichung beider Stoffe unter Wasserabgabe zu Fett zu vereinigen; werden nur die Fetts\u00e4uren gereicht, so muss das zur Synthese des Fettes n\u00f6thige Glycerin vom Organismus genommen werden, wobei zu bedenken ist, dass nur eine sehr kleine Menge von Glycerin (4\u00b0/o) dazu geh\u00f6rt, um eine grosse Menge von Fett zu bilden.\nDie Erzeugung von Fett aus Fetts\u00e4uren findet unter gew\u00f6hnlichen Verh\u00e4ltnissen jedenfalls nur in sehr geringem Maasse statt; bei dem Wiederzusammentritt der im Darme getrennten Componenten des Fettes handelt es sich eigentlich nur um die schon besprochene Ablagerung von dem aus der Nahrung resorbirten Fett.\nTill. Zusammenfassung des jetzigen Standes der Lelire von der FettWldung im Thierk\u00f6rper.\nDer jetzige Stand der Lehre von der Fettbildung im Thierk\u00f6rper > l\u00e4sst sich wie folgt zusammenfassen.\nEs ist nicht mit Sicherheit erwiesen, dass die Kohlehydrate im fleischfressenden oder pflanzenfressenden Thier in Fett \u00fcbergehen, aber auch nicht, dass sie nur das anderweit erzeugte Fett vor der Verbrennung sch\u00fctzen. Sollte aber auch das letztere gelingen, so ist ihre Bedeutung f\u00fcr die Entstehung des Fettes im tkierischen Organismus nicht geringer; sie sind dann allerdings nicht das Material, aus welchem Fett hervorgeht, aber sie m\u00fcssen dem Pflanzenfresser nach wie vor gegeben werden, um Fett zu gewinnen.\nDagegen ist durch die Versuche am Thier meiner Meinung nach die stetige Abtrennung von Fett bei der Zersetzung der eiweissartigen Stoffe dargethan ; unsicher ist nur, in welcher Menge dies geschieht. Erst wenn wir dar\u00fcber Bestimmtes wissen, verm\u00f6gen wir \u00fcber die quantitativen Verh\u00e4ltnisse genauen Aufschluss zu geben.\nNimmt man an, es gingen aus dem Eiweiss bei einem Zerfall in sich selbst 51.4% Fett hervor, was Manche, wie z. B. Hoppe-Seyler, allerdings f\u00fcr unm\u00f6glich halten, dann hat man f\u00fcr die \u00fcberwiegende Mehrzahl der F\u00e4lle, vielleicht f\u00fcr keinen, die Kohlehydrate zur Fettbildung n\u00f6thig. Es liegen nur einige Versuche an Schweinen,","page":262},{"file":"p0263.txt","language":"de","ocr_de":"Jetziger Stand der Lehre von der Fettbildung im J hierk\u00f6rper.\t263\ndie sich am leichtesten m\u00e4sten, vor, bei denen wie es scheint die Kohlehydrate f\u00fcr einen Theil des Fettes zu Hilfe gezogen werden m\u00fcssen. In einer Anzahl anderer extremer Versuche, z. B. an Milchk\u00fchen bei kohlehydratreichem und eiweissarmem Futter, ist die Grenze des M\u00f6glichen eben erreicht ; ich halte es aber f\u00fcr eine St\u00fctze meiner Auffassung, dass bei den ung\u00fcnstigsten Bedingungen nahezu 51.4% Fett aus dem zersetzten Eiweiss sich bilden m\u00fcssen, um das erzeugte Fett zu decken.\nEntsteht thats\u00e4chlich weniger Fett aus Eiweiss, z. B. nur 25%, so kann man zwar f\u00fcr die meisten F\u00e4lle die Kohlehydrate immer noch entbehren, aber nicht f\u00fcr alle ; dann muss man annehmen, dass nicht nur beim Zerfall des Eiweisses Fett entsteht, sondern auch bei der Spaltung der Kohlehydrate die Materialien f\u00fcr das Fett gebildet werden, welche zu Fett zusammentreten, wenn sie nicht alsbald weiter verbrannt werden.\nDie Verh\u00e4ltnisse der Fettbildung lassen sich leicht verstehen, wenn man an dem Ergebnisse der \\ ersuche festh\u00e4lt, nach dem im K\u00f6rper nichts leichter in die n\u00e4chsten Componenten zerf\u00e4llt als das Eiweiss der Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit, dann der Zucker, dann das aus dem Eiweiss entstandene Fett und endlich das aus dem Darm re-sorbirte oder im K\u00f6rper abgelagerte Fett. Die Kohlehydrate k\u00f6nnen daher f\u00fcr die Fettbildung erst in Betracht kommen, wenn die \u00fcbrigen Quellen nicht ausreichen und die Bedingungen der Zersetzung in den Zellen nach Spaltung des Eiweisses und Ablagerung des dabei entstandenen Fettes, sowie des aus dem Darm resorbirten Fettes bei Vorhandensein von Zucker oder dessen n\u00e4chster Zersetzungsprodukte schon ersch\u00f6pft sind. In den meisten F\u00e4llen wird der Zucker vollst\u00e4ndig zu Kohlens\u00e4ure und Wasser oxydirt, so dass die Kohlehydrate sicherlich keine Hauptrolle, sondern nur eine Nebenrolle bei der Entstehung des Fettes spielen. Sehr h\u00e4ufig deckt ja beim Pflanzenfresser schon das Fett der Nahrung die ganze zum Ansatz gelangte Fettmenge oder einen ansehnlichen Theil derselben; weiterhin tritt das thats\u00e4chlich aus dem Eiweiss hervorgegangene Fett ein, und liefert den Bedarf, auch wenn viel weniger als 51.4% Fett aus Eiweiss sich bilden w\u00fcrden.\nWeitere Versuche m\u00fcssen entscheiden, wieviel man aus dem Eiweiss Fett sich abspalten lassen muss, um das im K\u00f6rper erzeugte Fett zu liefern und wieviel in Wirklichkeit daraus abgetrennt wird. Sollten sich dann in der That einzelne F\u00e4lle ergeben, wo das ander-weit gelieferte Fett nicht ganz ausreicht, so m\u00fcssen f\u00fcr den Rest die Kohlehydrate eintreten; sollten aber die \u00fcbrigen Materialien in allen","page":263},{"file":"p0264.txt","language":"de","ocr_de":"264 \"Voitj Allg. Stoffwechsel. 5. Cap. Die Ursachen d. Stoffzersetzg. im thier. Organ.\ngenauen Versuchen als gen\u00fcgend befunden werden, so hat meine Anschauung allgemeine G\u00fcltigkeit.\nHenneberg 1 hat gemeint, die Kohlehydrate k\u00e4men in Beziehung der Fettbildung durch die neueren Versuche wieder in ihr altes Recht. Dies ist aber nicht mehr m\u00f6glich; denn es ist widerlegt, dass aus ihnen ausschliesslich das Fett erzeugt wird. Es kann sich nur fragen, ob sie noch neben dem Eiweiss zur Fettbildung herangezogen werden m\u00fcssen, wms wenigstens von mir noch nicht f\u00fcr entschieden angesehen worden ist. Die schwierige Aufgabe ist, wie ich nochmals betone, nur durch Versuche am Thier und nicht durch chemische Untersuchungen zu l\u00f6sen, welche stets nur M\u00f6glichkeiten liefern, aber nicht darthun, wie sich die Vorg\u00e4nge im thierisehen Organismus in Wirklichkeit gestalten.\nF\u00dcNFTES CAPITEL.\nDie Ursachen der Stoffzersetzung im thierisehen\nOrganismus.\nNach der Begr\u00fcndung der Methoden der Untersuchung der den K\u00f6rper verlassenden Zersetzungsprodukte und nach der Bestimmung der letzteren unter den verschiedensten Umst\u00e4nden war es m\u00f6glich, aus der F\u00fclle des Materials eine Anzahl von wichtigen Schlussfolgerungen auf den im Organismus stattfindenden Stoffzerfall zu ziehen. Um den in dieser Richtung gemachten Fortschritt zu w\u00fcrdigen, braucht man sich nur die Magerkeit der Kenntnisse \u00fcber die Zersetzungen im Thierk\u00f6rper vor 20 Jahren ins Ged\u00e4chtniss zur\u00fcckzurufen.\nAus den im dritten Capitel gemachten Aufzeichnungen geht vor allem das bedeutungsvolle Resultat hervor, dass der Verbrauch an Stoffen in einem gegebenen Organismus ein sehr verschiedener ist und dass eine grosse Anzahl von Faktoren auf denselben von Einfluss sind. Ehe ich es unternehme, die n\u00e4heren Gr\u00fcnde f\u00fcr alle diese Verschiedenheiten zu suchen, ist es nothwendig, zuerst im Allgemeinen die Ursachen des ununterbrochenen Stoffwandels im Thierk\u00f6rper zu besprechen und sich klar dar\u00fcber zu werden, an welchen Theilen des Organismus jener VTechsel vor sich geht.\n1 Henneberg, Tageblatt der 49. Vers, deutsch. Naturf. u. Aerzte zu Hamburg. 1876. Beilage S. 169.","page":264},{"file":"p0265.txt","language":"de","ocr_de":"Ursachen der S to \u00dcbersetzung.\n265\nMan hat sich im Laufe der Zeit, entsprechend dem jeweiligen Stande des Wissens, gewisse Vorstellungen \u00fcber diese Vorg\u00e4nge gemacht; man ist aber doch erstaunt, wie ausserordentlich \u00e4hnlich sich alle die Theorien in dieser Richtung sind.\nL Fr\u00fchere Vorstellungen \u00fcber die Ursachen der\nStoffzersetzung.\nEs musste den Menschen schon in den fr\u00fchesten Zeiten die Abnahme des hungernden Organismus an Masse, sowie das Gleichbleiben des ausgewachsenen K\u00f6rpers an Gewicht trotz der t\u00e4glichen betr\u00e4chtlichen Zufuhr von Substanz aufgefallen sein. Bei dem damaligen Stande der Chemie wusste man aber noch nicht, aus was der K\u00f6rper besteht, was ihm zugef\u00fchrt und was von ihm weggef\u00fchrt wird. Die Anschauungen \u00fcber die stofflichen Vorg\u00e4nge im K\u00f6rper und deren Ursachen konnten daher nur sehr mangelhafte sein.\nDie Beobachtung des Verbrauchs an Substanz im K\u00f6rper und der Entwicklung von W\u00e4rme dr\u00e4ngten alsbald dazu, die Vorg\u00e4nge im thie-rischen Organismus mit denen beim Verbrennen von Holz oder von Oel zu vergleichen ; bei Galenus findet sich eine merkw\u00fcrdige Stelle, welche dieser Vorstellung Ausdruck giebt; er sagt: \u201eDas Blut ist gleich dem Oel, das Herz dem Docht und die athmende Lunge einem Instrument, welches die \u00e4ussere Bewegung zuf\u00fchrt.u Man sprach daher bis in unsere Tage herein von dem Lebensfl\u00e4mmchen oder dem Lebensl\u00e4mpchen und bildete das Herz mit einer Flamme ab.\nIn den Anf\u00e4ngen der Chemie, zur Zeit der Jatrochemiker, hatte man das Auf brausen und die W\u00e4rmeentwicklung bei Vermischung gewisser Substanzen als erste Andeutung einer Zersetzung ohne Anwendung h\u00f6herer Hitzegrade und ohne Brennen mit Flamme kennen gelernt und diese Erscheinungen unter dem Namen der G\u00e4hrung, fermentatio, zusammengefasst. Der mannigfachen Aelmlichkeiten halber liess man die Vorg\u00e4nge im Thierk\u00f6rper auch auf solchen G\u00e4hrungen mit W\u00e4rmeentwicklung beruhen, die man sich mit einem Verlust von K\u00f6rpersubstanz verbunden dachte.1\nDie Jatromathematiker f\u00fcgten zu dieser Ursache des Verbrauchs noch die Abreibung der sich bewegenden Gebilde.\nAus der allm\u00e4hlichen Erkenntniss des Verbrennungsprozesses entwickelten sich nach und nach bestimmtere Anschauungen \u00fcber die Ursachen der Zersetzungen im K\u00f6rper und \u00fcber die Beziehungen des Ath-mens zu denselben. Schon Sylvius de le Bo\u00eb (1614\u20141672) erkl\u00e4rte das Athmen als etwas der Verbrennung Aehnliches, da zu beiden die Luft\nI Aus einem Buche von Hippolytus Guarinonius (Die Grewel der Verw\u00fcstung menschlichen Geschlechtes. Ingolstadt 1610) entnehme ich folgende Vorstellungen: Im Leib findet eine Zerfliessung von Substanz durch die nat\u00fcrliche Hitze statt, welche den Leib verzehrt, wenn man ihr nicht etwas Anderes in der Nahrung zu verzehren giebt; auch die Leibesbewegung verursacht eine Hitze, durch die der Leib noch mehr verzehrt wird ; ist die Luft kalt, so wird die Hitze inwendig zusammengejagt und begehrt mehr Nahrung.","page":265},{"file":"p0266.txt","language":"de","ocr_de":"266 Toit, Allg. Stoffwechsel. 5. Cap. Die Ursachen d. Stoffzersetzg. im thier. Organ.\nnothwendig sei. Nach John Mayow (l668) 1 ist es ein auch im Salpeter sich findender Bestandtheil der atmosph\u00e4rischen Luft, der das Verbrennen und Athmen bedingt. Dieser Bestandtheil geht nach ihm in das Blut \u00fcber und bewirkt dort unter W\u00e4rmeentwicklung eine G\u00e4hrung; auch zur Muskelbewegung ist jener Bestandtheil noting, sowie ausserdem die Zufuhr von verbrennlicher Substanz. Thomas Willis (1671) h\u00e4lt Athmen und Verbrennen f\u00fcr gleiche Vorg\u00e4nge.\nJedoch vermochte man sp\u00e4ter mit solchen Prozessen vorz\u00fcglich nur die Eigenw\u00e4rme des Organismus in eine gewisse Verbindung zu bringen. Darum legte man damals von rein physiologischer Seite den fr\u00fcheren Betrachtungen und Beobachtungen offenbar keine grosse Bedeutung f\u00fcr den Verbrauch von Substanz im K\u00f6rper bei, man kannte andere Vorg\u00e4nge genug, welche einen solchen zu bedingen schienen.\nSo findet man z. B. bei A. v. Haller 2 (1762) kaum eine Erw\u00e4hnung von jenen Angaben, dagegen h\u00f6chst merkw\u00fcrdige Anschauungen in einer ganz anderen Richtung. Man meinte n\u00e4mlich, die Grundstoffe des K\u00f6rpers, die fl\u00fcssigen und festen Theile desselben, w\u00fcrden durch die Anstrengungen w\u00e4hrend des Lebens abgerieben; das Fl\u00fcssige liess man dann durch die Hautausd\u00fcnstung, die Lunge und den Harn etc. Weggehen, das Feste durch den Harn; f\u00fcr den Verlust tritt Neues aus der Nahrung ein. Als Ursachen, welche die festen Grundstoffe aus ihrer Stelle r\u00fccken, nahm man mehrere, aber nur mechanische au: alle Theile des K\u00f6rpers werden bei jedem Herzschlage ausgedehnt und sinken darnach wieder zusammen, wodurch ihre Federkraft sowie der Zusammenhang ihrer Grundstoffe allm\u00e4hlich aufgehoben wird; in gleicherweise werden die Grundstoffe an den inneren W\u00e4nden der Gef\u00e4sse durch das sich bewegende Blut abgerieben, ebenso an den offenen Enden der Schlagadern, von denen die Ausd\u00fcnstungen Weggehen, und endlich auch durch das Reiben der Speisen am Darm, der Luft an den Luftkan\u00e4len, der Muskeln an einander und an den Knorpeln und Knochen bei der Zusammenziehung. Durch alle diese Reibungen wird der weichere Leim nach und nach von den erdigen Theilen losgel\u00f6st, und beide, Leim und Erden, in das Blut aufgenommen ; dadurch entstehen Gruben, welche durch neue fl\u00fcssige und feste Theile wieder ausgef\u00fcllt werden.\nII. Lavoisier\u2019s und Liebig\u2019s Theorien.\nDie Entdeckungen Lavoisier\u2019s 3 stiessen alle diese Anschauungen um, obwohl man sp\u00e4ter wieder von mancher Seite sich gen\u00f6thigt sah, Theile jener Abreibungstheorie wieder aufzunehmen. Lavoisier bezeichnete, nachdem er die Verbrennungserscheinungen aufgekl\u00e4rt und gefunden hatte, dass der in den Organismus eintretende Sauerstoff darin gewisse Stoffe oxydirt, n\u00e4mlich den Kohlenstoff zu Kohlen-\n1\tJ. Mayow, Opera omnia. 16S1.\n2\tA. v. Haller. Elementa physiologiae. VIII.\n3\tLavoisier. M\u00e9m. de l\u2019acad. des sciences. 17S9. p. 1S5 ; Oeuvres de Lavoisier. II. p. 6SS.","page":266},{"file":"p0267.txt","language":"de","ocr_de":"Lavoisier\u2019s und Liebig\u2019s Theorien.\n267\ns\u00e4ure, den Wasserstoff zu Wasser, und ferner dass diese Oxydationen in sehr ausgedehntem Maasse stattfinden, zuerst mit aller Bestimmtheit den Sauerstoff als die Ursache der Zersetzungen im K\u00f6rper. Je mehr Sauerstoff dem letzteren zugef\u00fchrt wird, desto mehr musste auch in ihm verbrennen: die Athemz\u00fcge f\u00fchren wie Blasb\u00e4lge den Sauerstoff zu und sind die Regulatoren der Zersetzungen. Wegen der beschleunigten Respiration wird hei der Arbeitsleistung, w\u00e4hrend der Verdauung und in kalter Luft mehr zerst\u00f6rt. Das Material f\u00fcr die Verbrennung liegt nach ihm als eine an Kohlenstoff und Wasserstoff reiche, durch die Organe producirte Fl\u00fcssigkeit in der Lunge bereit und bedarf nur des Zutritts von Sauerstoff, um zu verbrennen.\nDie Physiologen konnten sich anfangs mit Lavoisier\u2019s chemischer Theorie nicht befreunden, da sie ihnen manche Erscheinungen nicht zu erkl\u00e4ren schien; Jon. M\u00fcller 1 meinte noch im Jahre 1835, die Hypothese der Wasserbildung aus Wasserstoff w\u00e4re blos zum Vortheil der Verbrennungstheorie erfunden, das Leben sei vielmehr mit einer ununterbrochenen, auch beim Hunger stattfindenden Zersetzung organisirter Stoffe verbunden, welche durch das in Folge des Athmens best\u00e4ndig ver\u00e4nderte Blut bewirkt wird. Die Physiologen hielten noch l\u00e4nger an der Lehre fest, nach der mit dem Bestehen der Thiere eine fortdauernde Ver\u00e4nderung des materiellen Substrats ihrer festen Theile verbunden sein soll, hervorgerufen durch die Lebens\u00e4usserungen (Kraft\u00e4usserungen) und die \u00e4usseren Reize ; dadurch soll die Materie derselben in ihrer Mischung ver\u00e4ndert und unbrauchbar werden und dann neue Theilchen durch die Ern\u00e4hrung statt der abgen\u00fctzten ein-treten, also ein fortdauernder Wechsel des Stoffs, ein best\u00e4ndiges Zerst\u00f6ren und Wiederschaffen stattfinden.1 2\nEs war Liebig3, welcher die Theorie Lavoisier\u2019s, deren Unvollkommenheit ihm nicht verborgen bleiben konnte, mit seltenem Scharfblick aufgriff und erweiterte. Nachdem vorz\u00fcglich durch seine chemischen Untersuchungen die n\u00e4here Zusammensetzung der Organe und der Nahrung, sowie neben der Kohlens\u00e4ure und dem Wasser auch die Zersetzungsprodukte im Harn, namentlich die stickstoffhaltigen , ermittelt worden waren, liess er nicht mehr eine kohlen-stoff- und wasserstoffreiche Fl\u00fcssigkeit in den Lungen sich oxydiren, sondern die organischen Verbindungen: Eiweiss, Fett, Kohlehydrate\n1\tJoh. M\u00fcller, Handb. d. Physiol. 1S35. S. 37 u. 318.\n2\tSiehe Tiedemann\u2019s Physiol. I. S. 367. 1830.\n3\tLiebig, Lie organ. Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie u. Pathologie. 1842 ; Ann. d. Chem. u. Pharm. XLI. S. 189 u. 24 !. 1842, LUI. S. 63. 1845. LVIII. S. 335. 1846, LXX. S. 311. 1849,LXXIX. S. 205 u. 358. 1851.","page":267},{"file":"p0268.txt","language":"de","ocr_de":"268 Voit, Allg. Stoffwechsel. 5. Cap. Die Ursachen d. Stoffzersetzg. im thier. Organ.\nu. s. w. der Zersetzung anheimfallen und zwar durch zwei Ursachen. Er hatte n\u00e4mlich erkannt, dass die organisirten Formen vor allem aus eiweissartigen Substanzen aufgebaut sind, und an ihnen, welche nach Beraubung ihres Wassers und ihres Fettes noch die Organisation zeigen, die Wirkungen des Lebens ablaufen; er nahm als die Organe, welche Lebenserscheinungen darbieten, haupts\u00e4chlich die Muskeln und als vorz\u00fcglichste Lebenserscheinung die Contraction derselben an. Er erwog ferner die F\u00e4higkeit der im K\u00f6rper vorkommenden Stoffe sich mit dem Sauerstoff zu verbinden, wobei er zu dem Resultate kam, dass die stickstofffreien Stoffe, die Fette und Kohlehydrate, leicht oxydirt werden, die stickstoffhaltigen aber nur in geringem Grade die Eigenschaft der Verbrennlichkeit besitzen. So erachtete er in consequenter Weise als die Ursache der Zersetzung des Eiweisses die Muskelcontraction, d. h. die Arbeit, als die Ursache der Zersetzung der stickstofffreien Substanzen dagegen den Sauerstoff.\nLiebig meinte, bei der Muskelth\u00e4tigkeit w\u00fcrden die organisirten Formen eingerissen, um durch die Zerst\u00f6rung des Eiweisses die Kraft f\u00fcr die Arbeit zu liefern ; das mit der Nahrung eingef\u00fchrte Eiweiss habe das Zerst\u00f6rte wieder aufzubauen und m\u00fcsste deshalb immer organisiren. Darum nannte er das Eiweiss das plastische oder ge-websbildende Nahrungsmittel und bezeichnete mit dem Namen \u201e Stoffwechsel\u201c nur den durch die Arbeit veranlassten Untergang und den durch das Nahrungseiweiss wieder geschehenden Aufbau der organisirten Form. Das Eiweiss geht daher nach ihm ausschliesslich im Stoffwechsel zu Grunde, es ist f\u00fcr ihn der wichtigste, ja ausschliessliche Nahrungsstoff, der allein einen Verlust im K\u00f6rper ersetze und an dessen Untergang man den Stoffwechsel zu messen verm\u00f6ge.\nDie stickstofffreien Stoffe dagegen wrnrden nach ihm nicht durch die Muskelarbeit, sondern durch den Sauerstoff angegriffen; sie liefern dabei nur W\u00e4rme und sch\u00fctzen die anderen Bestandtheile, namentlich die plastischen, vor dem sch\u00e4dlichen Sauerstoff, indem sie ihn wegnehmen und so die Respirationsprodukte liefern: die stickstofffreien Stoffe sind ihm daher die \u201eRespirationsmittel\u201c.\nDies war eine fertig ausgebildete Theorie, wmlche den damaligen Kenntnissen entsprach und einen tiefen Einblick in die Vorg\u00e4nge im thierischen Organismus gestattete. Es war aber die Aufgabe geblieben, dieselbe durch Versuche am Thier zu pr\u00fcfen, denn in dieser Richtung lag nichts anderes vor, als die drei Versuche Lavoisier\u2019s \u00fcber die Gr\u00f6sse des Sauerstoffverbrauchs eines Menschen bei Arbeit, nach Nahrungsaufnahme und in der K\u00e4lte.","page":268},{"file":"p0269.txt","language":"de","ocr_de":"Lavoisiek\u2019s und Liebig\u2019s Theorien \u2014 Theorie von der Luxusconsumption. 260\nIII. Theorie von der Luxusconsumption.\nDer erste Tlieil der LiEBiG\u2019schen Theorie, nach welchem das Ei-weiss der Nahrung nur f\u00fcr das durch die Muskelth\u00e4tigkeit im Stoffwechsel zu Grunde gegangene orgauisirte Eiweiss eintreten soll, erweckte zun\u00e4chst von Seite der Physiologen lebhafte Widerspr\u00fcche.\nFrerichs 1 hob zuerst hervor, dass dann der Fleischfresser, welcher f\u00fcr gew\u00f6hnlich verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig viel mehr Eiweiss in seinem Futter verzehrt als der Pflanzenfresser, entweder sich in Beziehung der Stoffzersetzungen ganz anders verhalten oder ungleich mehr mit den Muskeln th\u00e4tig sein m\u00fcsste als der letztere. Man ist aber nicht im Stande, in anstrengenden Bewegungen den Grund f\u00fcr den gr\u00f6sseren Eiweissverbrauch des Fleischfressers zu finden, w\u00e4hrend gerade die Pflanzenfresser als kr\u00e4ftige Zugthiere benutzt werden und ein Stubengelehrter h\u00e4ufig mehr Eiweiss aufnimmt als der im Schweisse seines Angesichts hart arbeitende Lasttr\u00e4ger.\nNach der Liebig\u2019s ch en Lehre musste consequenter Weise bei gleichbleibender Leistung eines bestimmten Organismus stets die gleiche Quantit\u00e4t von Eiweiss zerst\u00f6rt werden, und ferner musste, wenn mehr Eiweiss aus dem Darm resorbirt wird als zum Ersatz des durch die Arbeit zersetzten n\u00f6thig ist, dieser Ueberschuss im K\u00f6rper angesetzt werden, oder mit anderen Worten, die Stickstoffausscheidung durfte nicht beeinflusst werden durch die Eiweissaufnahme in der Nahrung.\nSobald man aber hier\u00fcber Versuche zu machen anting, sah man \u00fcbereinstimmend bei reichlicherer Eiweisszufuhr entsprechend mehr Stickstoff im Harn auftreten, trotz sonst gleichen \u00fcbrigen Verh\u00e4ltnissen im Organismus, namentlich der Muskelth\u00e4tigkeit. Solches fanden Frerichs, Bidder und Schmidt, C. G. Lehmann, Bisch\u00f6fe u. s. w., wie schon fr\u00fcher (S. 105) angegeben worden ist. Auch noch in anderer Beziehung sprach diese Erfahrung gegen Liebig\u2019s Anschauung; da n\u00e4mlich nach derselben nur organis\u00e2tes Eiweiss zu Grunde gehen soll, so h\u00e4tte man jetzt die von vorn herein unwahrscheinliche Annahme machen m\u00fcssen, dass die einfache Zufuhr und Gegenwart von Eiweiss zur massenhaften Zerst\u00f6rung von organisirter Substanz Veranlassung giebt, nur damit das neu eingetretene Eiweiss sich an ihrer Stelle ablagern kann.\nt Frerichs. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1S4S. S. 4(39 : Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. III. (1) S. 663. 1846.","page":269},{"file":"p0270.txt","language":"de","ocr_de":"27 0 Voit, Allg. Stoffwechsel. 5. Cap. Die Ursachen cl. Stoffzersetzg. im thier. Organ.\nMan war dadurch gen\u00f6thigt nach einem anderen Grunde f\u00fcr die Zerst\u00f6rung des Eiweisses zu suchen als die Muskelarbeit.\nMan modificirte in Folge davon die LiEBia\u2019sche Hypothese in etwas, denn man konnte sich nicht von der festgewurzelten Idee, die Muskelth\u00e4tigkeit als eine Ursache der Zerst\u00f6rung von Eiweiss und zwar von organisirtem anzusehen, losmachen. Man sagte also, so viel Eiweiss als durch die Arbeit in den Muskeln abgen\u00fctzt werde, m\u00fcsse in der Nahrung zum Ers\u00e4tze wieder zugef\u00fchrt werden; alles dar\u00fcber hinaus aus dem Darm aufgenommene Eiweiss w\u00e4re Luxus und verbrenne wie die stickstofffreien Stoffe alsbald im Blute durch den Sauerstoff, ohne vorher organisirt gewesen zu sein. Dies ist die Theorie von der Luxusconsumption, welche von C. G. Lehmann1 2 3, von Frerichs 2 und von Bidder und Schmidt 3 aufgestellt und ver-theidigt wurde. Nach derselben giebt es also zwei Ursachen der Zersetzung des Eiweisses, n\u00e4mlich die Arbeit der Muskeln und der Sauerstoff im Blute. Die Stickstoffausscheidung des hungernden Thieres liefert den Maassstab f\u00fcr den reinen Stoffwechsel oder f\u00fcr den mit dem Bestehen des Lebens verbundenen Umsatz stickstoffhaltiger Organtheile und f\u00fcr die nothwendige Zufuhr an Eiweiss, sie giebt das typische Minimum des f\u00fcr die Thiergattung nothwendigen Stoffumsatzes an Eiweiss an, w\u00e4hrend das dar\u00fcber hinaus aufgenommene, \u00fcberfl\u00fcssige Eiweiss durch stickstofffreie Substanzen ersetzt werden kann und wie diese nur zur W\u00e4rmebildung dient. Der Umsatz der die W\u00e4rme liefernden Stoffe wird wesentlich durch den W\u00e4rmeverbrauch bestimmt, wodurch jedes Thier eine typische Respirationsgr\u00f6sse, entsprechend der Respirationsgr\u00f6sse beim Hunger, besitzt. Das Wesentliche dieser Theorie, was ihr auch den Namen o-egeben hat, ist die Annahme, dass das Plus von Eiweiss in der Nahrung zur Erhaltung des Eiweissstandes am K\u00f6rper nicht n\u00f6thig, also daf\u00fcr ein Luxus ist; die Verbrennung des vermeintlichen \u00dcberschusses im Blute war eine weitere, mehr nebens\u00e4chliche \\ or-stellung.\nDurch diese Annahme schienen in der That die Widerspr\u00fcche vollkommen sich auszugleichen und die bis dahin gekannten That-sachen erkl\u00e4rt zu sein. Der wahre oder reine Stoffwechsel ist eine feststehende Gr\u00f6sse, welche durch die Muskelarbeit, aber nicht durch die Nahrung oder deren Eiweissgehalt und andere Einfl\u00fcsse bestimmt\n1\tC. G. Lehmann, Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. Artikel Harn. ILS. 18.\n2\tFKERiCHS, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1848. S. 469.\n3\tBidder u. Schmidt, Die Verdauungss\u00e4fte u. d. Stoffwechsel. 1852. S. 348.","page":270},{"file":"p0271.txt","language":"de","ocr_de":"Theorie von der Luxusconsumption.\n271\nwird; das im Ueberschuss zugef\u00fchrte Eiweiss wird, ohne an der Ern\u00e4hrung und dem Ersatz Antheil genommen zu haben, in oxydirtem Zustande wieder ausgestossen. Der reine Stoffwechsel und der eigentliche Bedarf an Eiweiss ist bei Fleischfressern und bei Pflanzenfressern dem Prinzip nach der gleiche ; bei den Pflanzenfressern sind aber in der Regel die stickstofflosen Stoffe die Materialien zur Unterhaltung des Respirationsprozesses, bei den Fleischfressern h\u00e4ufig auch noch die stickstoffhaltigen Substanzen.\nIV. Widerlegung der Theorie you der Luxusconsumption.\nDie Anschauung vom typischen Stoffumsatz und der Luxusconsumption fand bei den Physiologen fast allgemeine Anerkennung und sie war l\u00e4ngere Zeit die herrschende. Nur Bischoff 1 wehrte sich dagegen und suchte die LiEBiG\u2019sche Lehre zu halten, die ihr Urheber allerdings sp\u00e4ter verliess, um sich vollst\u00e4ndig der fr\u00fcher so heftig bek\u00e4mpften und schon widerlegten Lehre von der Luxusconsumption anzuschliessen.'1 2 Er hob hervor, wie unwahrscheinlich die Existenz zweier Ursachen der Eiweisszersetzung w\u00e4re; man w\u00fcsste ferner gar keinen Grund daf\u00fcr anzugeben, warum erst in dem Augenblicke, in welchem der vermeintliche Bedarf an Eiweiss gedeckt ist, der Sauerstoff im Blute zu wirken anfangen soll. Es gelang ihm aber nicht, den scheinbaren Widerspruch der gr\u00f6sseren Eiweisszersetzung nach reichlicherer Eiweisszufuhr mit Liebig\u2019s Ansicht zu heben.\nSp\u00e4ter haben Bischoff und ich 3 gemeint, die Verdauung und Resorption des Eiweisses im Darmkanale, sowie die Herumbewegung desselben im K\u00f6rper und die Wegf\u00fchrung der Zersetzungsprodukte, namentlich der gasf\u00f6rmigen durch die Respiration, bedinge eine bedeutende Anstrengung der Darmmuskeln, des Herzens und der Atkein-muskeln, in Folge deren ein grosser Theil des aufgenommenen Stoffes zerst\u00f6rt werde. Damit w\u00e4re allerdings die Theorie Liebig\u2019s von der Muskelarbeit als alleinige Ursache der Eiweisszersetzung gerettet gewesen. Aber abgesehen davon, dass es doch eine sehr unvollkommene Maschine w\u00e4re, wenn das ganze \u00fcber den Verbrauch beim Hunger hinausgehende Eiweissquantum durch die innere Arbeit, die sie dem K\u00f6rper aufb\u00fcrdet, zu Grunde ginge, so kann diese Ansicht\n1\tBischoff, Der Harnstoff als Maass des Stoffwechsels. 1853. S. 74.\n2\tLiebig, Ann. d. Chem. u. Pharm. CLIII. S. 206. 1870.\n3\tBischoff u. Yoit, Die Gesetze der Ern\u00e4hrung des Fleischfressers. S. 25. 1860.","page":271},{"file":"p0272.txt","language":"de","ocr_de":"27 2 Voit, Allg. Stoffwechsel. 5. Cap. Die Ursachen cl. Stoffzersetzg. im thier. Organ.\nnicht richtig sein, da die Muskelth\u00e4tigkeit, wie sp\u00e4ter gefunden wurde, \u00fcberhaupt keinen gr\u00f6sseren Eiweissverbrauch bedingt.\nH\u00e4tte man nicht geglaubt, die Arbeit n\u00fctze die Organe ab, und h\u00e4tte man einen plausibeln Grund f\u00fcr den Zerfall der gr\u00f6sseren Eiweissmengen in den Organen nach reichlicher Zufuhr gewusst, so w\u00e4re Niemand auf den Gedanken einer Oxydation des \u00fcber den Verbrauch beim Hunger eingenommenen Eiweisses im Blute gekommen. Die Theorie von der Luxusconsumption wurde, wie die Lie-Bia\u2019sche, ersch\u00fcttert, sobald man ihre Voraussetzungen durch das Experiment am Thiere pr\u00fcfte. Wenn die Muskelarbeit die Quantit\u00e4t des zum Ersatz n\u00f6tkigen Eiweisses bestimmt, so muss der Organismus mit einer Eiweissmenge auskommen, wie sie beim Hunger zersetzt wird; alles dar\u00fcber hinaus aufgenommene Eiweiss muss Luxus sein und durch stickstofffreie Stoffe zu ersetzen sein.\nJeder Versuch, den man in dieser Richtung macht, ergiebt, dass ein Organismus mit der beim Hunger zersetzten Eiweissmenge, auch wenn man noch so viel stickstofffreie Stoffe dazuf\u00fcgt, nicht ausreicht, sondern t\u00e4glich noch Stickstoff oder Eiweiss von sich verliert und zuletzt an Inanition zu Grunde geht. Der Hunger giebt demnach keinen Maassstab f\u00fcr den Bedarf, er ist kein Maass f\u00fcr den \u201e Stoffwechselu oder den Untergang des Organisirten. Die geringste Menge von Eiweiss, welche mit stickstofffreien Stoffen den Eiweissbestand des K\u00f6rpers erh\u00e4lt, ist ansehnlich, beim fleischfressenden Hund meist 21 /2\u20143 mal gr\u00f6sser als der Verbrauch beim Hunger. Auch beim Menschen stellt sich das Gleiche heraus; der kr\u00e4ftige Arbeiter von Pettenkofer und mir lieferte bei mittlerer Erhaltungskost 37 Grm. Harnstoff, am ersten Hungertage nur 25 Grm. Ich1 habe hierauf besonders aufmerksam gemacht und die Beweise daf\u00fcr zusammengestellt.\nEs bringt weiterhin nach den Untersuchungen von Bischoff und mir jede Vermehrung der Eiweisszufuhr eine Steigerung des Eiweissumsatzes unter allm\u00e4hlicher Verminderung der Eiweissabgabe vom K\u00f6rper hervor. Schliesslich kommt bei steigender Eiweissgabe ein Punkt, wo ebensoviel Eiweiss umgesetzt als zugef\u00fchrt wird. Es findet sich ein allm\u00e4hlicher Uebergang ohne irgend eine bestimmte Grenze von der Eiweisszersetzung beim Hunger bis zu der bei der reichlichsten Aufnahme.\nWenn man nach Bidder und Schmidt nur dasjenige als Luxusconsumption erkl\u00e4rt, was von den stickstoffhaltigen Stoffen der Nah-\n1 Voit, Ztschr. f. Biologie. III. S. 29 u. 30. 1S6T : dieses Werk S. 112 u. 133.","page":272},{"file":"p0273.txt","language":"de","ocr_de":"Theorie von der Luxusconsumption.\n273\nrung* nicht direkt f\u00fcr das Bestehen des Individuums n\u00f6thig ist, dann ist auch die gr\u00f6sste Menge von Eiweiss in der Nahrung nicht einfach ein im Blute verbrennender Ueberschuss \u00fcber den noth wendigen Bedarf, denn es bringt jede \u00fcber das Minimalmaass hinaus gehende Eiweissmenge einen ihr entsprechenden h\u00f6heren Stand an Eiweiss im K\u00f6rper hervor, zu dessen Erhaltung dauernd so viel Eiweiss dargereicht werden muss ; sobald man darnach wieder weniger Eiweiss giebt, geht das vorher unter dem Einfl\u00fcsse der gr\u00f6sseren Gabe angesetzte Eiweiss zu Verlust. Es ist allerdings ein Luxus, wenn man in einem K\u00f6rper einen h\u00f6heren Eiweissstand erh\u00e4lt, als derselbe eigentlich zu seinen Leistungen n\u00f6thig hat; aber sobald man einen solchen reicheren Bestand an Eiweiss braucht, muss man auch fortw\u00e4hrend die grosse Quantit\u00e4t von Eiweiss zuf\u00fchren; in demselben Sinne ist es ein finanzieller Luxus, eine Lokomotive zu heizen und st\u00e4ndig f\u00fcr eine weite Fahrt bereit zu halten, wenn man nie beabsichtigt, sie zu benutzen. Es w\u00fcrde nur dann eine Luxusconsumption existiren, wenn zur Erhaltung des h\u00f6heren Eiweissstandes im K\u00f6rper unter den gegebenen Bedingungen eine geringere Eiweisszufuhr ausreichend w\u00e4re; da nun aber jene grosse Eiweisscpiantit\u00e4t zu dem stofflichen Zwecke wirklich zugef\u00fchrt werden muss, so ist auch die Zersetzung einer so betr\u00e4chtlichen Eiweissmasse bei der eben bestehenden und nicht zu \u00e4ndernden Einrichtung unseres K\u00f6rpers nicht ein Luxus; es muss so viel Eiweiss dargeboten werden, wenn der K\u00f6rper nicht \u00e4rmer an Eiweiss werden soll.\nMan hat gemeint, es w\u00e4re das Vorhandensein einer Luxusconsumption bewiesen, wenn ein Theil des Eiweisses im Blute oder gar schon im Darmkanale zersetzt wird. Es ist aber f\u00fcr die Entscheidung eines Luxus ganz gleichg\u00fcltig, an welchem Orte das Eiweiss der Zersetzung unterliegt, ob in dem Blute oder in den \u00fcbrigen Organen, und ob auch das eben aus dem Darm resorbirte, in den S\u00e4ften gel\u00f6ste Eiweiss sich daran betheiligt; entscheidend ist nur, ob das in der Nahrung zugef\u00fchrte Eiweiss n\u00f6thig war, einen gewissen Stand an Eiweiss im K\u00f6rper zu erzeugen und zu erhalten. W\u00fcrde auch das der Zersetzung anheimfallende Eiweiss theilweise oder selbst ganz im Blute verbrennen oder im Darm zerst\u00f6rt werden, so w\u00e4re dies doch kein zu vermeidender Luxus, sondern h\u00f6chstens eine schlechte Einrichtung des K\u00f6rpers ; es ist eben eine bestimmte Menge von Eiweiss n\u00f6thig, um den Eiweissbestand des Gesammtorganismus zu erhalten und letzteren vor dem Hungertode zu bewahren. Es wird Niemand behaupten, es w\u00e4re ein unn\u00f6thiger Luxus das zum Betriebe einer schlechten, viel W\u00e4rme ohne Nutzeffekt verlierenden\nHandbuch der Physiologie. Bd. VI.\tic","page":273},{"file":"p0274.txt","language":"de","ocr_de":"27-i Voit. Allg. Stoffwechsel. 5. Cap. Die Ursachen d. Stoffzersetzg. imthier. Organ.\nMaschine erforderliche bedeutende Quantum von Kohle zu verbrennen; bei der einmal gegebenen Maschine ist dies keine Verschwendung, da ohne den Verbrauch von so viel Brennmaterial die Maschine still steht und die Consumption ohne Verbesserung der Maschine nicht zu \u00e4ndern ist. Die Frage nach der Verbrennung von Eiweiss im Blute und die von der Luxusconsumption sind also ganz verschiedene Dinge; da ein Luxus in dem angegebenen Sinne nicht existirt, so hat auch die Annahme von der Verbrennung des Ueber-schusses im Blute keinen Grund mehr.\nDen beiden Theorien, sowohl der von Liebig als auch der der Anh\u00e4nger der Luxusconsumption, lag der Gedanke zu Grunde, dass durch die Muskelarbeit Eiweiss zersetzt werde. Nach der ersteren soll s\u00e4mmtliches Eiweiss auf diese Weise verbraucht werden, nach der letzteren nur ein Theil desselben.\nAber dieser Gedanke erwies sich als falsch. Er setzt voraus, dass im ruhenden Muskel kein Eiweiss zersetzt werde, obwohl derselbe lebend ist und best\u00e4ndig von Blut durchstr\u00f6mt wird; er setzt ferner voraus, dass in anderen Organen, an denen wir zuf\u00e4llig keine Formver\u00e4nderung wahrnehmen, wie z. B. in der Leber, kein Eiweiss-verbrauck stattfindet. Ist die Muskelleistung die Folge der Zersetzung, so kann die Arbeit nicht wie bei einer Abnutzung die U r -sache der Zersetzung sein; man k\u00f6nnte also h\u00f6chstens annehmen, dass es v o r Eintritt der Muskelcontraktion durch eine besondere Ursache zu einem gr\u00f6sseren Verbrauch von Eiweiss als w\u00e4hrend der Ruhe kommt. Vor Allem aber bedingt auch die intensivste Muskelarbeit als solche, wie ich gezeigt habe, keinen gr\u00f6sseren Eiweisszerfall : es wird zum Zwecke der \u00e4usseren Arbeit nicht mehr Eiweiss zerst\u00f6rt wie bei m\u00f6glichster Ruhe des K\u00f6rpers, womit der Hauptsatz der Theorie Liebig\u2019s und der Theorie von der Luxusconsumption, dass die Muskelarbeit die Ursache der Zersetzung von Eiweiss sei, gefallen ist.\nV. Untergang organisirter Formen.\nIn den beiden Theorien ist ausserdem aufgenommen, dass das an dem Organisirten befindliche Eiweiss dem Untergang anheimfalle, entweder ausschliesslich oder wenigstens zum Theil.\nEs ist eine der wichtigsten Fragen der Lehre vom Stoffwechsel, wo die Zersetzungen im K\u00f6rper vor sich gehen, ob in den S\u00e4ften oder in den organisirten Theilen, und ob im letzteren Falle die Formen der Organisation zerst\u00f6rt werden oder nur ein molekularer Austausch der Materien der organisirten Theile unter Erhaltung der","page":274},{"file":"p0275.txt","language":"de","ocr_de":"Untergang organisirter Formen.\n275\nForm stattfindet oder in den Geweben vorz\u00fcglich die in den S\u00e4ften gel\u00f6sten Stoffe der Zersetzung unterliegen.\nZun\u00e4chst ist anzugeben, was wir \u00fcber den Untergang organisirter Formen im lebenden K\u00f6rper wissen; man beobachtet ihn im Allgemeinen nur an solchen Gebilden, welche w\u00e4hrend ihrer Lebensdauer Zellen bleiben und isolirt in einer Fl\u00fcssigkeit schwimmen oder an einer freien Oberfl\u00e4che sich befinden.\nEs ist gewiss, dass die verhornten organisirten Gebilde der Oberhaut bis zu einem gewissen Grade wachsen und abgestossen oder auf irgend eine andere Art entfernt werden; es sind dies die Epidermisschuppen, die Haare, Federn, N\u00e4gel, Hufe u. s. w. Ich habe fr\u00fcher (S. 51) die von Moleschott f\u00fcr das Wachsthum der Horngebilde des menschlichen K\u00f6rpers unter bestimmten Voraussetzungen gefundenen Zahlen angegeben. Es treffen darnach auf die Haare, wenn sie alle Monate geschnitten werden, t\u00e4glich 0.2 Grm. ; auf die N\u00e4gel 0.005 Grm.; auf die ganze Oberhaut nach vollst\u00e4ndiger Abl\u00f6sung eines St\u00fccks derselben 14.35 Grm. Ich habe schon er\u00f6rtert, warum namentlich der letztere Werth f\u00fcr die gew\u00f6hnlichen normalen Verh\u00e4ltnisse nicht gelten kann und jedenfalls viel zu hoch ist. F\u00fcr unsere Frage ist der Nachweis der Abh\u00e4ngigkeit des Wachsthums dieser Gebilde von der Gr\u00f6sse der Zufuhr von Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit von grossem Interesse ; nach den Beobachtungen von Alfr. Vogel tritt, wie ich (S. 52) mitgetheilt habe, bei schweren Erkrankungen z. B. beim Typhus wegen der ungen\u00fcgenden Ern\u00e4hrung ein Stillstand in dem Wachsthum der N\u00e4gel ein und man ist geradezu im Stande aus der rinnenartigen Vertiefung auf die Zeit der Krankheit zu schliessen ; \u00e4hnliches beobachtet man auch an den Hufen der Pferde; eine nur wenige Tage w\u00e4hrende ungen\u00fcgende Ern\u00e4hrung z. B. w\u00e4hrend des Transports bringt nach den Beobachtungen der Wollh\u00e4ndler eine Verd\u00fcnnung des Wollhaares des Schafes an einer bestimmten Stelle hervor, so dass es an dieser beim Ziehen leicht einreisst.\nIn \u00e4hnlicher Weise kommt auch an den Schleimh\u00e4uten eine mechanische Abl\u00f6sung der Epitheliumzellen vor, vor Allem an der Schleimhaut des ganzen Darmtraktus, der Nasenh\u00f6hle und der Luftwege; wir k\u00f6nnen jedoch \u00fcber die quantitativen Verh\u00e4ltnisse nichts aussagen. Gross kann dabei der Verlust nicht sein, da bei einem 35 Kilo schweren Hunde die auf einen Tag treffende Menge von trockenem Koth bei reichlichster F\u00fctterung mit Fleisch nur gegen 10 Grm., beim Hunger 1.88 Grm. betr\u00e4gt und davon der weitaus gr\u00f6sste Theil aus etwas anderem als aus Darmepithelien besteht.\niS*","page":275},{"file":"p0276.txt","language":"de","ocr_de":"276 Voit, Allg. Stoffwechsel. 5. Cap. Die Ursachen d. Stoftzersetzg. im tbier. Organ.\nIn gewissen Dr\u00fcsen gehen die Dr\u00fcsenzellen zu Grunde und bilden einen Theil des Sekretes; so ist es bei dem Samen, der Milch, dem Hauttalg u. s. w.\nIn den bis jetzt aufgez\u00e4hlten F\u00e4llen handelt es sich nicht um eine Zerst\u00f6rung der organisirten Form und eine Umsetzung der chemischen Verbindungen derselben bis zu den gew\u00f6hnlichen letzten Ausscheidungsprodukten wie z. B. zu Harnstoff oder Kohlens\u00e4ure, sondern um eine Ausscheidung mehr oder weniger ver\u00e4nderter orga-nisirter Gebilde.\nDie Blutk\u00f6rperchen k\u00f6nnen m\u00f6glicherweise in gr\u00f6sserer Anzahl zu Grunde gehen und neue daf\u00fcr entstehen. Wir besitzen leider \u00fcber diesen Wechsel keine sichere Kunde ; nur \u00fcber den Untergang derselben beim Hunger haben wir eine ann\u00e4hernde Vorstellung. Nach den fr\u00fcher (S. 97) angegebenen Bestimmungen verlor das 27.2 Grm. feste Theile einschliessende Blut einer 3105 Grm. schweren Katze w\u00e4hrend eines 13 t\u00e4gigen Hungers 4.8 Grm. trockene Substanz. Die trockenen Blutk\u00f6rperchen wogen bei Beginn des Hungers etwa 16.1 Grm. und erlitten einen Verlust von 2.8 Grm.. so dass im Tag 0.21 Grm. trockene Blutk\u00f6rperchen zu Grunde gegangen sind. Da aber im hungernden Thiere ohne das Fett t\u00e4glich etwa 15.8 Grm. feste Theile zerst\u00f6rt wurden, so betr\u00e4gt dagegen der Verlust an trockenen Blutk\u00f6rperchen nur 1.3\u00b0/o. Man k\u00f6nnte nun zwar meinen, es sei damit nur das Verhalten der Blutk\u00f6rperchen beim Hunger bezeichnet und es zerfielen bei voller Nahrungsaufnahme vielleicht viel mehr Blutk\u00f6rperchen. Dies ist jedoch nur eine Vermuthuug; man kennt keinen Grund, warum nach Zufuhr von Nahrungsmaterial mehr rothe Blutk\u00f6rperchen sich aufl\u00f6sen sollten, nur hat man einige Anhaltspunkte f\u00fcr die reichlichere Bildung weisser Blutk\u00f6rperchen w\u00e4hrend der Verdauung. Ausserdem ist dabei die Gesammtzersetzung wesentlich gr\u00f6sser, wesshalb auch bei einer entsprechend gesteigerten Zerst\u00f6rung der Untergang der Blutk\u00f6rperchen wiederum nur einen geringen Bruchtheil des Gesammtumsatzes darstellen w\u00fcrde. Unter besonderen Umst\u00e4nden werden m\u00f6glicherweise viel weisse Blutk\u00f6rperchen erzeugt z. B. bei der Laktation, wo nach R\u00e4uber1 eine massenhafte Einwanderung weisser Blutk\u00f6rperchen in die Brustdr\u00fcse stattfindet.\nMan ist dagegen nicht im Stande, histologisch die Spuren eines fortw\u00e4hrenden Untergangs und Aufbaus anderer organisirter Formen z. B. der Leberzellen, der Muskelfasern u. s. w. zu constatiren. Bei dem bedeutenden Schwinden der Organe w\u00e4hrend des Hungers han-\n1 R\u00e4uber, Ueber den Ursprung der Milch etc. Leipzig 1S79.","page":276},{"file":"p0277.txt","language":"de","ocr_de":"Untergang organisirter Formen.\n277\ndelt es sich vorz\u00fcglich um eine Atrophie der histologischen Elemente, um eine Abnahme ihres Inhalts, und nicht um eine v\u00f6llige Zerst\u00f6rung derselben, denn man findet auch nach l\u00e4ngerem Hunger, wenn die Muskelmasse um nahezu 50\u00b0'o an Gewicht eingeb\u00fcsst hat, nicht weniger Muskelfasern oder Leberzellen und keine entsprechende Neubildung jungen Gewebes nach erneuter Nahrungsaufnahme.1 2 F. Mie-scher 2 hat an einem eklatanten Beispiel, an Rheinlachsen, welche 6\u201491/2 Monate lang hungern und dabei ihre Geschlechtsorgane auf Kosten der Rumpfmuskeln ausbilden, gezeigt, dass in letzteren nicht ein Zerfallen ganzer Gewebselemente stattfindet, sondern vielmehr ihre Muskelfasern am Leben bleiben, niemals v\u00f6llig leer werden und vielleicht keine einzige Fibrille verlieren ; auch sieht man sp\u00e4ter keine Zeichen von Neubildung ganzer Muskelfasern.3\nEs sprechen ja unzweifelhaft manche Beobachtungen f\u00fcr einen Wechsel gewisser organisirter Gebilde, so z. B. die Bildung der Knochenh\u00f6hlen in den Kinderjahren, das Verschwinden des Alveolarrandes der Kiefer im Alter, die Neubildung der Theile nach Verletzungen, die Resorption des Knoehencallus u. s. w. Jedoch nehmen alle diese Vorg\u00e4nge gr\u00f6ssere Zeitr\u00e4ume in Anspruch ; ausserdem hat man es bei ihnen nicht mit einem normalen Untergang und Wiederaufbau organisirter Formen im gew\u00f6hnlichen Stoffwechsel eines ausgewachsenen Organismus zu thun. Es deuten vielmehr andere Erscheinungen darauf hin, dass der Wechsel dieser organisirten Gebilde kein sehr lebhafter ist; getr\u00fcbte Stellen in der Krystalllinse des Auges, Hornhautflecken, Narben in der Haut u. s. w. erhalten sich das ganze Leben hindurch.\nAlle diese Erfahrungen thun meiner Meinung nach wenigstens so viel dar, dass der Wechsel in der organisirten Form nicht so gross sein kann, um alles aus der Nahrung eingetretene Eiweiss or-ganisiren zu lassen. Ein mit Fleisch ern\u00e4hrter Fleischfresser m\u00fcsste bei einer solchen Annahme alle acht Tage, in extremen F\u00e4llen alle vier Tage seine ganze Muskel- und Organmasse zertr\u00fcmmern, nur um sie aus neuem Material wieder aufzubauen. Von einem solchen kolossalen Untergang organisirter Gebilde m\u00fcsste man doch irgend\n1\tDa wo bei Krankheiten ein wirklicher Untergang des Gewebes vorliegt, wie z. B. der acuten Leberatrophie ist man mit Leichtigkeit im Stande die Aufl\u00f6sung der Form nachzuweisen.\n2\tF.Miescher, Schweizer. Literatursammlung z. internationalen Fischerei-Ausstellung in Berlin. S. 212. 1SS0.\n3\tNur Sigmund Mayer findet in den peripherischen Nerven Gebilde, welche ihn auf eine R\u00fcckbildung und Entwicklung von Nervenfasern schliessen lassen il\u2019rager med. Woch. 1S79. No. 51).","page":277},{"file":"p0278.txt","language":"de","ocr_de":"278 Voit. Allg. Stoffwechsel. 5. Cap. Die Ursachen d. Stoffzersetzg. im thier. Organ.\netwas mit dem Mikroskop wakrnelimen k\u00f6nnen ; es m\u00fcsste der Muskel eines nur einen Tag hungernden Tkieres ganz anders ausseh en als der eines mit viel Eiweiss gef\u00fctterten.1 Manche2 waren geneigt, das H\u00e4moglobin der Blutk\u00f6rperchen als die Quelle des Harnstoffs zu betrachten und demnach den ganzen Untergang und Aufbau ausschliesslich im Blute, in den Blutk\u00f6rperchen, vor sich gehen zu lassen ; dabei w\u00e4re die Zerst\u00f6rung eine noch weit gr\u00f6ssere und geradezu ungeheure, denn wenn ein Hund von einem Gewicht von 35 Kilo 2500 Grm. Fleisch im Tag zerst\u00f6rt, so ist dies so viel Substanz als in den Blutk\u00f6rperchen von 5.5 Kilo Blut enthalten ist, w\u00e4hrend im K\u00f6rper des Thiers sich nur 2.5 Kilo Blut befinden. Nach Aufnahme von Eiweiss in den Darm sieht man (S. 107) schon nach 1 Stunde eine Zunahme der Harnstoffmenge auftreten, welche in 6\u20147 Stunden ihr Maximum erreicht, so dass zu dieser Zeit schon die H\u00e4lfte des in Folge der betreffenden Eiweissportion in 24 Stunden ausgeschiedenen Harnstoffs secernirt ist; ich frage, was ist bei diesem Verhalten wahrscheinlicher, eine Bildung des Harnstoffs aus massenhaft zerst\u00f6rtem Gewebe oder aus dem eben resorbirten Eiweiss? Ich kann mich aus den angegebenen Gr\u00fcnden nicht entschliessen, s\u00e4mmt-liche chemischen Zersetzungsvorg\u00e4nge im K\u00f6rper auf einen Untergang organisirter Formen durch Abstossen oder Zerst\u00f6ren derselben zur\u00fcckzuf\u00fchren, wenn auch sicherlich gewisse organisirte Gebilde z. B. Epithelien, Horngebilde, Blutk\u00f6rperchen u. s. w. zu Verlust gehen.\nEtwas ganz anderes ist es, wenn man das aus der Nahrung neu zugef\u00fchrte Eiweissmolek\u00fcl an die Stelle eines alten in der organi-sirten Form treten l\u00e4sst.3 Dabei f\u00e4nde nur eine allm\u00e4hliche Auswechslung der Bausteine statt, es w\u00fcrde aber nicht der ganze Bau als solcher vorerst eingerissen, um einem neuen Aufbau nach Wegr\u00e4umen des Schuttes Platz zu machen. Jedenfalls treten unter Umst\u00e4nden Stoffe aus dem Organisirten aus und werden dann sp\u00e4ter durch neue ersetzt, z. B. beim Hunger, beim Verschwinden von Fett aus den Fettzellen, oder bei einer Abgabe von Wasser sowie von Aschebestandtheilen aus den Organen. Eine solche fortw\u00e4hrende Auswechslung der Stoffe in der Organisation, in gr\u00f6sserem Maass-\n1\tAn den Stellen, wo wir wirklich einen Wechsel der Formen kennen, kann man bei Vermehrung der Eiweisszufuhr einen gr\u00f6sseren Untergang von Zellen darthun. wenn auch nicht in entsprechendem Maasse, also z. B. eine reichlichere Milchabsonderung in der Brustdr\u00fcse, ein gr\u00f6sseres Wachsthum der Epidermis-und Epithelgebilde, eine vermehrte Bildung weisser Blutk\u00f6rperchen.\n2\tF\u00fchrer u. Ludwig, Arch. f. physiol. Heilk. III. S. 1.1855. \u2014 Meissner, Ztschr. f. rat. Med. (3) XXXI. S. 258. \u2014 Addison, British med. journ. I. p. 202. 1864.\n3\tVoit, Unters, \u00fcber d. Einfluss cl. Kochsalzes etc. S. 13. 1860.","page":278},{"file":"p0279.txt","language":"de","ocr_de":"Rolle des Sauerstoffs beim Stoffumsatz.\n279\nstabe nach jeder Nahrungsaufnahme, w\u00e4re wohl denkbar und m\u00f6glich, obwohl wir den Grund und Sinn eines solchen Vorganges bei normaler Ern\u00e4hrung nicht eins\u00e4hen und \u00fcber seine Ausdehnung auch niemals etwas erfahren k\u00f6nnten. Derselbe w\u00e4re zudem im Uebrigen f\u00fcr die Betrachtung der Zersetzungs- und Ern\u00e4hrungsverh\u00e4ltnisse von keinem Belang, da es f\u00fcr sie ganz gleichg\u00fcltig ist, seit wie lange z. B. ein Eiweissmolek\u00fcl im K\u00f6rper steckt, ob es alt oder neu ist, und uns zun\u00e4chst nur interessirt, ob ein solches in seinem chemischen Zusammenhalte gest\u00f6rt und in die Ausscheidungsprodukte zerf\u00e4llt worden ist. Manche Erscheinungen, z. B. die des Alterns, w\u00e4ren nur schwer verst\u00e4ndlich, wenn immer junges Organis\u00e2tes entst\u00e4nde oder immer neue Molek\u00fcle die alten verdr\u00e4ngten, w\u00e4hrend sie eher zu erkl\u00e4ren sind, wenn die alten Gewebe persistiren und allm\u00e4hlich St\u00f6rungen in ihnen sich ausbilden w\u00fcrden.\nIch werde sp\u00e4ter noch die Anschauungen \u00fcber den Ort und das Material der Zersetzung im K\u00f6rper n\u00e4her darlegen; durch die vorstehenden Betrachtungen soll nur die Unwahrscheinlichkeit auch der weiteren Annahme der Theorie von Liebig und der Anh\u00e4nger der Luxusconsumption, nach welcher durch die Lebensth\u00e4tigkeit best\u00e4ndig Organis\u00e2tes zu Grunde geht, gezeigt werden.\nTI. Rolle des Sauerstoffs beim Stoff Umsatz.\nEs fragt sich jetzt noch, welche Bedeutung der Sauerstoff bei den Zersetzungsvorg\u00e4ngen im K\u00f6rper hat. Lavoisier meinte, er w\u00e4re die alleinige Ursache aller Zerst\u00f6rungen im Organismus; Liebig liess ihn direkt nur auf die stickstofffreien Stoffe wirken; Fkerichs und Andere ausserdem auch auf die \u00fcbersch\u00fcssig zugef\u00fchrten stickstoffhaltigen Stoffe. Ist die Gr\u00f6sse der Zufuhr des Sauerstoffs und sind dadurch die Athembewegungen wirklich irgendwie bestimmend f\u00fcr die Zersetzung von Substanz im Thierk\u00f6rper? Wir wissen jetzt, dass dies nicht der Fall ist und es sich in letzterem nicht um einfache Oxydationen1, wie man bis vor wenigen Jahren allgemein angenommen hat, handelt, sondern um einen allm\u00e4hlichen Zerfall einer zusammengesetzten chemischen Verbindung in einfachere Produkte unter allm\u00e4hlichem Eintritt von Sauerstoff d. h. um oxydative Spaltungen.\n1 D. h. um eine direkte Verbindung des Sauerstoffs mit dem Kohlenstoff oder Wasserstoff einer chemischen Verbindung, wobei man sich dar\u00fcber stritt, ob der in der Verbindung schon vorhandene Sauerstoff mit dem Kohlenstoff oder mit dem Wasserstoff vereint bleibt.","page":279},{"file":"p0280.txt","language":"de","ocr_de":"280 Voit, Allg. Stoffwechsel. 5. Cap. Die Ursachen d. Stoffzersetzg. im thier. Organ.\nSchon aus der von Lavoisier gefundenen und von R\u00e9gnault und Reiset best\u00e4tigten Thatsache, wonach in reinem Sauerstoff ath-mende Thiere nicht mehr von diesem Gas verbrauchen und nicht mehr Kohlens\u00e4ure liefern wie beim Athmen in gew\u00f6hnlicher atmosph\u00e4rischer Luft, h\u00e4tte man auf den richtigen Weg geleitet werden m\u00fcssen.1 Da man aber von der direkten Oxydation durch den Sauerstoff so fest \u00fcberzeugt war, suchte man die genannte Thatsache anderswie zu deuten; Lavoisier meinte, in reinem Sauerstoff w\u00e4re der Verbrauch dann nicht gr\u00f6sser, wenn die Respiration dabei nicht beschleunigt sei. Auch Liebig war sich klar dar\u00fcber, dass die Dichtigkeit des Sauerstoffs von keinem Einfluss sein k\u00f6nne, weil das Leben der Menschen an der Meeresfl\u00e4che und auf den h\u00f6chsten Bergen nicht verschieden sei; und doch schienen ihm noch bis zuletzt die Athembewegungen bestimmend zu sein f\u00fcr die Sauerstoffaufnahme und f\u00fcr die Oxydationen im K\u00f6rper. Er hat am meisten dazu beigetragen, die Anschauung von der direkten Verbrennung (der stickstofffreien Stoffe) durch den Sauerstoff zu befestigen und zu verbreiten.\nNach und nach wurden allerlei Beobachtungen gemacht, welche die theilweise Unabh\u00e4ngigkeit der Stoffzersetzung in den Organen vom Sauerstoff darthaten. Das erste hierher geh\u00f6rige Factum verdanken wir G. v. Liebig2 3, welcher den Nachweis lieferte, dass der ausgeschnittene Froschmuskel in einer sauerstofffreien Atmosph\u00e4re noch l\u00e4ngere Zeit Arbeit leistet und Kohlens\u00e4ure producirt. Dies wurde sp\u00e4ter von Lud. Hermann 3 best\u00e4tigt und f\u00fcr den Muskel gedeutet, indem er bei der Muskelcontraction nicht eine Oxydation, sondern eine Spaltung einer complicirten Substanz in einfachere Produkte stattfinden liess (S. 194).\nBei den im M\u00fcnchener physiologischen Institut ausgef\u00fchrten Untersuchungen \u00fcber die Zersetzung von Eiweiss und stickstofffreien Substanzen wurden dann immer mehr und mehr Erfahrungen gemacht, welche nicht mit der fr\u00fcheren Vorstellung, nach welcher der\n1\tAuch Vierordt beobachtete unter verschiedenem Luftdruck keine Aende-rung in der absoluten Kohlens\u00e4ureausscheidung (Physiologie des Athmens. S. 82. 1S45.)\n2\tG. v. Liebig, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1S5U.\n3\tLud. Herman, Unters, \u00fcber d. Stoffwechsel der Muskeln, ausgehend vom Gaswechsel derselben. Berlin 1867. Er betrachtet die Sauerstoffaufnahme und die Kohlens\u00e4ureabgabe des Muskels als zwei von einander unabh\u00e4ngige Akte, die Kohlens\u00e4ureabgabe tritt in Folge des Zerfalls der Muskelsubstanz auf, die Sauer -stoft\u00e4ufnahme ist dagegen mit dem Prozess der fortw\u00e4hrenden Restitution der Muskelsubstanz verbunden. Bei der Ruhe halten Zerfall und Restitution gleichen Schritt, bei der Th\u00e4tigkeit \u00fcberwiegt der Zerfall.","page":280},{"file":"p0281.txt","language":"de","ocr_de":"Rolle des Sauerstoffs beim Stoffumsatz.\n281\nSauerstoff die direkte Ursache der Umsetzung jener Stoffe sein soll, zu vereinen waren.\nW\u00e4re der Sauerstoff wirklich die direkte Ursache des Zerfalls im thierischen Organismus, so h\u00e4tten sich f\u00fcr die quantitativen Verh\u00e4ltnisse der Zerst\u00f6rung der Stoffe ganz bestimmte Regeln ergeben m\u00fcssen.\nEs h\u00e4tten in einem solchen Falle die Stoffe je nach ihrer Verwandtschaft zum Sauerstoff verbrennen m\u00fcssen, also am leichtesten das Fett, dann die Kohlehydrate und endlich das stickstoffhaltige Eiweiss, w\u00e4hrend thats\u00e4chlich nach vielen Versuchen das Eiweiss selbst in der gr\u00f6ssten Menge zerst\u00f6rt wird, das Fett dagegen ungleich schwerer zerf\u00e4llt und von einer gewissen Grenze an unver\u00e4ndert abgelagert wird. 1\nEine gr\u00f6ssere Zufuhr von Eiweiss ruft stets eine Erh\u00f6hung des Sauerstoffconsums hervor, eine Zufuhr von Fett \u00e4ndert den letzteren kaum; nach den fr\u00fcheren Auffassungen h\u00e4tte gerade das Entgegengesetzte stattfinden m\u00fcssen. Wenn aus dem Thierk\u00f6rper D\u00e4mpfe von Alkohol oder Aether, phosphorige S\u00e4ure, fl\u00fcchtige Kohlenwasserstoffe und sogar das leicht entz\u00fcndliche Wasserstoffgas unverbrannt entweichen, aber Eiweiss in Menge zersetzt wird, so kann darin nicht eine einfache Oxydation nach Maassgabe der chemischen Verwandtschaft zum Sauerstoff gegeben sein.\nW\u00fcrden die Fette und Kohlehydrate, wie man sich vorstellte, direkt durch den Sauerstoff oxydirt und w\u00fcrden sie durch Beschlagnahme desselben das Eiweiss besch\u00fctzen, so m\u00fcssten diese beiden Stoffe sich in Quantit\u00e4ten vertreten, welche die gleiche Menge von Sauerstoff zur v\u00f6lligen Verbrennung zu Kohlens\u00e4ure und Wasser n\u00f6thig haben. Dies tritt aber nicht ein. Denn es verbrennen im K\u00f6rper die gr\u00f6ssten Mengen von Kohlehydraten, bei dem Fett kommt jedoch bald der Punkt, wo es nicht mehr zersetzt wird und ein Ansatz desselben erfolgt. Der Bedarf an Sauerstoff zur vollst\u00e4ndigen Verbrennung ist nicht das Maass f\u00fcr die gegenseitige Ersetzung der einzelnen Stoffe im Organismus; so wenig man f\u00fcr einen Ofen von bestimmter Construktion aus dem Verbrauch von Holz auf den an Steinkohlen rechnen kann, weil daf\u00fcr die Construktion des Ofens das bestimmende ist, so wenig ist eine solche Rechnung f\u00fcr die Ver-\n1 Es ist kein Beweis f\u00fcr die leichtere Zersetzlichkeit des Fettes gegen\u00fcber dem Eiweiss, wenn im verhungerten Thier das Fett meist ganz verschwunden ist, w\u00e4hrend noch genug Eiweiss vorhanden ist. Das Fett ist h\u00e4ufig in geringerer Menge abgelagert als das Eiweiss und daher b\u00e4lder zerst\u00f6rt wie letzteres; es kommen jedoch auch F\u00e4lle vor, wo nach dem Hungertode noch genug Fett gefunden wird.","page":281},{"file":"p0282.txt","language":"de","ocr_de":"282 Voit, Allg. Stoffwechsel. 5. Cap. DieUrsachen d. Stoffzersetzg. im thier. Organ.\nbrennung der Fette und Kohlehydrate im Thierk\u00f6rper m\u00f6glich, in welchem ebenfalls die Bedingungen der Organisation den Zerfall feststellen.\nNach der fr\u00fcheren Auffassung h\u00e4tte ferner der Sauerstoffverbrauch, unter sonst gleichen \u00e4usseren Verh\u00e4ltnissen z. B. der Arbeitsleistung und der Athmung, trotz qualitativ und quantitativ verschiedener Nahrungsaufnahme stets der gleiche bleiben m\u00fcssen ; derselbe schwankt aber, nur durch die wechselnde Zufuhr von Nahrungsstoffen bedingt, in den weitesten Grenzen hin und her.1 Es kann also der Sauerstoff nicht der direkte Zerst\u00f6rer sein, da in diesem Falle gar kein Grund zu finden w\u00e4re, warum er in so ungleicher Menge eintreten sollte, zudem f\u00fcr ihn im K\u00f6rper stets gen\u00fcgend Material an Eiweiss und Fett zur Zerst\u00f6rung bereit liegt.\nDass die Eiweisszersetzung nicht vom Sauerstoff abh\u00e4ngig ist, ging mit Evidenz aus der Unver\u00e4nderlichkeit des Eiweissverbrauchs bei der Muskelarbeit hervor, obwohl dabei die doppelte Menge von Sauerstoff zur Zerst\u00f6rung von Fett in Beschlag genommen wird. Im Gegensatz dazu vermag man durch reichliche Eiweisszufuhr ebenfalls die doppelte Quantit\u00e4t von Sauerstoff in den K\u00f6rper zu zwingen, wobei jedoch nur das Eiweiss in verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig gr\u00f6sserer Menge und nicht mehr Fett umgesetzt wird. Ausserdem thaten Pettenkofer und ich, sowie J. Bauer bei der Zuckerharnruhr und der Phosphorvergiftung trotz der sehr gesteigerten Eiweisszersetzung eine ansehnlich geringere Sauerstoffaufnahme dar; es kann also der Zerfall des Eiweisses nicht durch den Sauerstoff veranlasst sein.\nAls Pettenkofer und ich gefunden hatten, dass im Thierk\u00f6rper das Eiweiss in grossen Mengen leicht angegriffen wird und der Stickstoff desselben v\u00f6llig im Harn und Koth erscheint, jedoch unter Umst\u00e4nden nicht aller Kohlenstoff, so sagten wir2, dass das Eiweiss, zun\u00e4chst ohne Einfluss des Sauerstoffs, in stickstoffhaltige und stickstofffreie Produkte zerf\u00e4llt, von welchen letzteren einer die Zusammensetzung des Fettes hat. Schon vorher hatte Moritz Traube 3, gest\u00fctzt auf meinen Versuch, nach dem bei Muskelarbeit trotz erh\u00f6hter Sauerstoffaufnahme der Eiweissumsatz unver\u00e4ndert bleibt, ge-\u00e4ussert, es k\u00f6nne der Sauerstoff nicht direkt das Eiweiss verbrennen, sondern es m\u00fcsse die Eiweisszersetzung auf einem Spaltungs-\n1\tPettenkofer u. Yoit, Ztschr. f. Biologie. V II. S. 49 3. 1ST 1.\n2\tPettenkofer u. Voit, Ztschr. f. Biologie. III. S. 432. 1867, V. S. 169 u. 437. 1S69, VI. S. 321. 1870, VII. S. 493. 1871. \u2014 Voit, Ueber die Theorien d. Ern\u00e4hrung d. thier. Organismen. Rede. S. 25. 1868.\n3\tMor. Traube, Arch. f. path. Anat. XXL S. 407. 1861.","page":282},{"file":"p0283.txt","language":"de","ocr_de":"Rolle des Sauerstoffs beim Stoffumsatz.\n283\nprozess beruhen. Wir haben aus allen den vorher angegebenen Versuchsresultaten die Unabh\u00e4ngigkeit der Gesammteiweisszersetzung im K\u00f6rper von dem Sauerstoff erschlossen, und diese Anschauung sp\u00e4ter auch auf die Zersetzung der \u00fcbrigen Stoffe, namentlich der Fette und Kohlehydrate, ausgedehnt.1 Es soll darnach im Organismus nicht eine direkte Oxydation der complicirt zusammengesetzten Stoffe gegeben sein, sondern vielmehr durch andere Bedingungen als durch den Sauerstoff eine Spaltung des Eiweisses sowie der h\u00f6heren chemischen Verbindungen in einfachere, wobei dann allm\u00e4hlich in die immer weiter und weiter vorschreitenden Spaltungsprodukte der Sauerstoff eintritt. Es ist demnach der Sauerstoff nicht die Ursache der Zerst\u00f6rung im K\u00f6rper, sondern die Gr\u00f6sse des unter anderen Bedingungen eintretenden Stoffzerfalls ist maassgebend f\u00fcr die se-cund\u00e4r erfolgende Aufnahme und Verbrauchung des Sauerstoffs.2\nSobald ich dies einsah, habe ich 3 4 5 alsbald ausgesprochen, dass auch die Athembewegungen nicht die Regulatoren des Stoffwechsels sind und keinen direkten Einfluss auf die Zersetzungsprozesse im K\u00f6rper auszu\u00fcben verm\u00f6gen. Die Atkemziige werden vielmehr je nach der Wegnahme des Sauerstoffs aus dem Blute durch die Zerfallprodukte regulirt.\nIndem die Produkte des Zerfalls allm\u00e4hlich reicher an Sauerstoff werden, nehmen sie aus dem Blute Sauerstoff weg und pro-duziren Kohlens\u00e4ure, was dann sekund\u00e4r Athembewegungen nach sich zieht, durch welche neuer Sauerstoff in das Blut eintritt und die Kohlens\u00e4ure entfernt wird; w\u00fcrde durch die Zerfallprodukte kein Sauerstoff verbraucht, so w\u00fcrden auch die heftigsten Athembewegungen keinen Sauerstoff ins Blut bringen. Die gleichen Anschauungen hat sp\u00e4ter auch Pfl\u00fcger 4 auf seine Untersuchungen \u00fcber den Gasaustausch zwischen Blut und Gewebe gest\u00fctzt, dargelegt.\nIn seiner letzten Abhandlung hat Liebig 5 nach uns sich ebenfalls dahin ge\u00e4ussert, dass es sich bei dem Zerfall des Albumins in Kohlens\u00e4ure, Wasser rfnd Harnstoff nicht um eine Verbrennung, sondern um Spaltungen handle, an denen der Sauerstoff einen bedingenden\n1\tPettenkofer u. Voit. Ztschr. f. Biol. VIL S. 455 u. 493. 1ST 1, VIII. S. 379 u. 3S2. 1872, IX. S. 31. 32. 436. 469. 509. 534. 1873, XIV. S. 82. 1878 (Zusammenstellung).\n2\tDer Zerfall des Zuckers in Kohlens\u00e4ure und Alkohol durch die Hefezellen geschieht auch nicht durch eine Oxydation ; es ist eine Spaltung, bei welcher der freie Sauerstoff entbehrt werden kann.\n3\tVoit, Ztschr. f. Biologie. VI. S. 388 u. 390. 1870, VII. S. 197 u.494. 1871, \\ III. S. 8. u. 383. 1872. XIV. S. 94. 1878.\n4\tPfl\u00fcger. Arch. f. d. ges. Physiologie. VI. S. 343. 1S72, XIV. S. 630. 1877.\n5\tLiebig, Sitzgsber. d. bayr. Acad. IV. S. 481. 1869.","page":283},{"file":"p0284.txt","language":"de","ocr_de":"284 Voit, Allg. Stoffwechsel. 5. Cap. Die Ursachen cl. Stoffzersetzg. im thier. Organ.\nAntheil habe, ohne die Ursache derselben zu sein, was ihn aber nicht hinderte, in derselben Abhandlung nach wie vor lediglich die Zahl der Athemziige und der Herzschl\u00e4ge in einer gegebenen Zeit als die Ursache der Sauerstoffaufnahme und der Oxydation im K\u00f6rper zu bezeichnen.\nFerner kam Pfl\u00fcger1, von einem ganz anderen Wege ausgehend als wir, ebenfalls zu der entschieden ausgesprochenen Ueber-zeugung, dass bei den Lebensprozessen nicht eine direkte Oxydation des Eiweisses, sondern eine Dissociation desselben stattfindet, und \u00fcberhaupt nicht der Sauerstoff die chemischen Processe des Lebens bestimmt, welche vielmehr innerhalb weiter Grenzen von diesem unabh\u00e4ngig seien. Nach seinen Beobachtungen sind n\u00e4mlich Fr\u00f6sche im Stande ohne eine Spur von freiem Sauerstoff noch l\u00e4ngere Zeit wie normal Kohlens\u00e4ure zu bilden und auszuscheiden, sowie alle Lebenserscheinungen zn zeigen. Auch hat Pfl\u00fcger mit seinen Sch\u00fclern Dittmar Finkler und Ernst Oertmann (siehe S. 203) durch Versuche, bei welchen der Gasaustausch von Kaninchen zuerst bei selbst\u00e4ndiger Athmung durch Ventile und dann bei sehr frequenter k\u00fcnstlicher Respiration ermittelt wurde, direkt darzutlmn gesucht, dass die Gr\u00f6sse der Sauerstoffzufuhr von keinem Einfluss auf die Kohlens\u00e4urebildung ist.2\nEs finden also bei den Stoffzersetzungen im Thierk\u00f6rper f\u00fcr gew\u00f6hnlich keine einfachen Oxydationen statt, wobei der Sauerstoff sich ohne Weiteres mit den Elementen der Stoffe verbindet, sondern es spalten sich in ihm durch gewisse Ursachen, zun\u00e4chst unabh\u00e4ngig vom Sauerstoff, complicirte chemische Verbindungen in ihre Compo-nenten (Dissociation), entweder gerade auf ohne Zutritt eines Stoffs (einfache Spaltung), oder unter Aufnahme von Wasser (hydrolytische Spaltung) oder unter Aufnahme von Sauerstoff (oxydative Spaltung); ja es k\u00f6nnen nebenbei sogar allerlei synthetische und reduktive Prozesse unter Aufspeicherung von Spannkraft Vorkommen. Im Grossen und Ganzen handelt es sich aber um Zerfallprocesse und zwar um solche oxydativer Natur, da wir als schliessliches Resultat sauerstoffreichere Endprodukte auftreten sehen.\nDadurch unterscheiden sich aber die Zersetzungen im Organismus nicht von den meisten gew\u00f6hnlichen Verbrennungen. Bei vielen, unbedenklich noch heutzutage als Verbrennungsprocesse bezeichneten Vorg\u00e4ngen ist es nicht anders wie bei den oxydativen Spaltungen im Orga-\n1\tPfl\u00fcger, Arch. f. d. ges. Physiol. X. S. 251. 1875.\n2\tDie Athemmechanik hat dagegen, nicht wegen der ungleichen Sauerstoffzufuhr, sondern wegen der verschiedenen Muskelanstrengung einen wesentlichen Einfluss auf die Zersetzung im K\u00f6rper, wie Lossen und ich gezeigt haben (S. 203).","page":284},{"file":"p0285.txt","language":"de","ocr_de":"Rolle des Sauerstoffs beim Stoffumsatz.\n285\nnismus z. B. bei der Verbrennung von Holz im Ofen oder von Oel in einer Lampe. Auch hierbei ist nicht der Sauerstoff die n\u00e4chste Ursache der Zersetzung, er oxydirt nicht das Holz oder das Oel, so wenig wie das Eiweiss oder das Fett im Organismus, sondern durch die h\u00f6here Temperatur, die sogenannte Anz\u00fcndungstemperatur, treten ebenfalls Spaltungen auf, es bilden sich meist gasf\u00f6rmige Producte, in welche bei Anwesenheit von Sauerstoff nach und nach dieser Stoff eintritt. Die dabei erzeugte W\u00e4rme dient als Ursache zum schnellen Zerfall weiterer Holzoder Oeltheilchen. Ist kein Sauerstoff zugegen, so findet die Spaltung durch die Anz\u00fcndungstemperatur statt, aber es entstehen die Producte der unvollkommenen Verbrennung, welche im thierischen Organismus auch auftreten k\u00f6nnen z. B. bei der Ablagerung von Fett aus Eiweiss oder bei der Ausscheidung von Zucker im Harn. Man hat f\u00fcr die genannten Verbrennungen schon l\u00e4ngst die richtige Auffassung (Knapp), die man erst in letzter Zeit f\u00fcr die betreffenden Vorg\u00e4nge im Thierk\u00f6rper gewonnen hat.\nDass der Sauerstoff nicht die n\u00e4chste Ursache des Stoffzerfalls im Thierk\u00f6rper ist, sondern die Aufnahme desselben durch die aus anderen Ursachen erfolgende oxydative Spaltung secund\u00e4r geschieht, geht auch noch aus weiteren Thatsachen hervor. Direkt nach einem ausgiebigen Aderl\u00e4sse wird, obwohl viel weniger sauerstofftragende Blutk\u00f6rperchen vorhanden sind, doch noch ebensoviel Sauerstoff aufgenommen und verbraucht wie normal, da durch diesen Eingriff anfangs die Zersetzungen im K\u00f6rper nicht ge\u00e4ndert werden. Ebenso ist es bei der Leuk\u00e4mie und anderen Respirationsst\u00f6rungen, bei welchen die Aufnahme des Sauerstoffs sehr erschwert ist, aber doch in normalem Maasse erfolgt, weil die Bedingungen des Stoffzerfalls nicht wesentlich alterirt sind.\nBei der Phosphorvergiftung wird Fett in den Organen abgelagert und weniger Sauerstoff aufgenommen ; der Phosphor kann dabei nicht die Zersetzung von Fett im K\u00f6rper durch Wegnahme von Sauerstoff verringern, denn die geringe Dosis von Phosphor nimmt viel zu wenig Sauerstoff in Beschlag, er muss auf die Ursachen des Zerfalls wirken, wodurch dann weniger Material zersetzt wird und weniger Sauerstoff n\u00f6thig ist. In gleicher Weise wird bei h\u00f6heren Temperaturen das Fett oder bei Diabetes der Zucker nicht deshalb unver\u00e4ndert gelassen, weil der Sauerstoff zur Zerst\u00f6rung mangelt; es k\u00f6nnte genug Sauerstoff eintreten, aber es sind die Bedingungen f\u00fcr den Stoffzerfall beeintr\u00e4chtigt. Der Alkohol beeinflusst nicht die Zersetzungen im K\u00f6rper, indem er f\u00fcr sich den Sauerstoff wegnimmt, denn bei gr\u00f6sseren Dosen desselben gelangt mehr Sauerstoff als normal zur Verwendung; die Verminderung des Eiweiss- und Fettverbrauchs bei mittleren Dosen beruht auf einer Wirkung auf die Ur-","page":285},{"file":"p0286.txt","language":"de","ocr_de":"28G Voit, Allg. Stoffwechsel. 5. Cap. Die Ursachen d. Stoffzersetzg. ira thier. Organ.\nSachen des Zerfalls. Man darf dem entsprechend auch die Rolle anderer Stoffe, z. B. des Fettes oder der Kohlehydrate, nicht in einer Beschlagnahme des Sauerstoffs f\u00fcr ihre Verbrennung suchen.\nEs ist schwierig sich von den fr\u00fcheren falschen Vorstellungen \u00fcber die Bedeutung des Sauerstoffs f\u00fcr die Zersetzungen im K\u00f6rper ganz loszul\u00f6sen. Immer wird noch von der Zerst\u00f6rung durch den Sauerstoff, der sich der Stoffe im Organismus je nach ihrer Verbrennlichkeit bem\u00e4chtigt, gesprochen; noch immer meint man, die Athembewegungen seien die Regulatoren des Stoffverbrauchs im Thier, tiefere und zahlreichere Athemz\u00fcge oder eine raschere Blut-circulation machten durch gr\u00f6ssere Sauerstoffzufuhr eine st\u00e4rkere Verbrennung, Thiere mit kleinen Lungen m\u00e4steten sich leichter, weil in Folge der geringeren Sauerstoffaufnahme weniger in ihnen verbrannt wird. Der Sauerstoff kann, selbst bei Erschwerung der : Uebertragung, in gr\u00f6sster Menge eingef\u00fchrt werden, wie die enorme Steigerung seines Verbrauchs bei angestrengter Arbeit oder reichlicher Nahrungsaufnahme zeigt; den Umst\u00e4nden, welche den Zerfall im Thierk\u00f6rper bedingen, scheint eher eine Grenze gesteckt zu sein.\nMan hat nach dem Bekanntwerden mit dem Ozon und seinen Wirkungen gemeint, der Sauerstoff finde sich im Blute und den Geweben im ozonisirten Zustande und wirke deshalb energisch oxydirend ein. Es war aber nicht m\u00f6glich mit Sicherheit die Gegenwart von Ozon im Blute darzuthun.1 W\u00fcrde auch Ozon im Blute gebildet, so k\u00f6nnte es nicht in die Gewebe gelangen, da es in ersterem alsbald verbraucht w\u00fcrde; ist man ja nicht einmal im Stande in einem bewohnten Zimmer Spuren von Ozon zu finden, so rasch wird dasselbe durch organische Substanzen weggenommen.\nMit dem Nachweis, dass der Sauerstoff nicht die n\u00e4chste Ursache der Zerst\u00f6rung im K\u00f6rper ist, sind alle die fr\u00fcheren Voraussetzungen \u00fcber die Ursachen der Stoffzersetzung im thierischen Organismus als unrichtig erkannt worden, und es gilt jetzt an der Hand j aller der Erfahrungen am Thier \u00fcber die Verschiedenheiten des Umsatzes neue Vorstellungen hier\u00fcber zu gewinnen.\nVII. Ungeformte Fermente als Ursache des Stoffumsatzes. -\nMan hat als Ursachen des Zerfalls im Organismus vielfach sogenannte ungeformte oder geformte Fermente kennen gelernt. Schon in den \u00e4ltesten Zeiten hat man die Aehnlichkeit der Erscheinungen im lebenden Organismus und denen der F\u00e4ulniss oder der G\u00e4hrnng gef\u00fchlt; man suchte viele der ersteren durch eine Fermentation zu\nl Siefie hier\u00fcber: Pfl\u00fcger, Arch. f. d. ges. Physiol. X. S. 252. 1S75.","page":286},{"file":"p0287.txt","language":"de","ocr_de":"Ungeformte Fermente als Ursache des Stoffumsatzes.\n287\nerkl\u00e4ren. Mit der besseren Einsicht in das Wesen der F\u00e4ulniss und G\u00e4hrung wurde die Uebereinstimmung immer mehr dargethan.\nEs finden sich bekanntlich weit verbreitet im Thier- und Pflanzenreiche ungeformte Fermente (Enzyme) oder Stoffe, welche sich aus den Organen durch L\u00f6sungsmittel ausziehen lassen und Zersetzungen oder Spaltungen gewisser Substanzen bewirken. Schon im Darmkanal werden durch solche ungeformte Fermente der Verdauungss\u00e4fte Nahrungsstoffe umgewandelt, also z. B. Eiweiss in Peptone, und diese weiter in Leucin, Tyrosin, Asparagins\u00e4ure und Glutamins\u00e4ure \u00fcbergef\u00fchrt, die Fette in Glycerin und Fetts\u00e4uren gespalten, St\u00e4rkemehl in Dextrin und Traubenzucker zerlegt. Aber auch in den \u00fcbrigen Organen ausser den Verdauungsdr\u00fcsen kommen Fermente der Art vor. Aus der Leber ist ein Ferment auszuziehen, welches Glykogen in Traubenzucker umwandelt1 ; ausser in der Leber hat man saecharificirende Fermente gefunden in der Schleimhaut des Magens und D\u00fcnndarms, im Gewebe der Niere, des Gehirns und vieler anderer Organe, in der Galle, im Blute u. s. w.2 Nach H\u00fcfner3 ist das eiweissspaltende Ferment des Pankreas wie das zuckerbildende des Speichels in allgemeiner Verbreitung im Organismus; Br\u00fccke4 5 6 wies das Pepsin in den Muskeln und im Harn nach; S\u00e7hultzen und Nencki 5 lassen das Eiweiss durch ungeformte Fermente nicht nur im Darm, sondern gr\u00f6sstentheils erst im Kreislauf unter Wasseraufnahme in Amidos\u00e4uren und stickstofffreie K\u00f6rper \u00fcbergehen. Als Sch\u00f6nbein die Zerlegung des Wasserstoffsuperoxyds in Wasser und neutralen Sauerstoff durch alle UDgeformten und geformten G\u00e4hrungserreger gefunden hatte, sprach er sich dahin aus, dass die Zersetzungsvorg\u00e4nge im thierischen Organismus mit den G\u00e4hrungserscheinungen in Zusammenhang stehen und in ersterem Fermente allgemein verbreitet sind, welche der G\u00e4hrung \u00e4hnliche Vorg\u00e4nge und Spaltungen veranlassen. Liebig7 verglich ebenfalls die chemischen Prozesse in der Hefezelle, in welcher er ein unge-\n1\tClaude Bernard, Le\u00e7ons de physiol, exp\u00e9rimentale. IL 1856.\n2\tYVTttich, Arch. d. ges. Physiol. III. S. 339. 1870. \u2014 Nasse , Arch. f. physiol. Heilk. IV. \u2014 Jacobson, De sacchari formatione fermentoqne in jecore et de fermento in bile. Regimonti 1865. \u2014 Tiegel, Arch. f. d. ges. Physiol. VI. S. 249. 1872. \u2014 Pl\u00f6sz u. Tiegel, Ebenda. YU. S. 391. 1873. \u2014 L\u00e9pine, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. Math.-phys. Cl. 1870. 31. Oct. S. 322. \u2014 Seegen u. Kratschmer , Arch. f. d. ges. Physiol. XIV. S. 593. 1877. \u2014 Epstein u. M\u00fcller, Ber. d. chem. Ges. VIII. S. 679. 1875. \u2014 Abeles, Med. Jahrb. 1876. Heft 2.\n3\tH\u00fcfner, Journ. f. pract. Chem. CX. S. 53, CXVII. S. 372, CXVIII. S. 1.\n4\tBr\u00fccke. Ztschr. f. Chem. 1870. S. 60.\n5\tS\u00e7hultzen u. Nencki, Ztschr. f. Biologie. VIII. S. 124. 1872.\n6\tSch\u00f6nbein, Ebenda. I. S. 273. 1865, IL S. 1. 1866, IV. S. 367. 1868.\n7\tLiebig, Sitzgsber. d. bayr. Acad. IL S. 412. 435. 436. 1869.\ni","page":287},{"file":"p0288.txt","language":"de","ocr_de":"288 Voit, Allg. Stoffwechsel. 5. Cap. Die Ursachen cl. Stoffzersetzg. im thier. Organ.\nformtes Ferment als Wirksames annahm, mit denen in den thieri-schen Zellen in besonders anschaulicher und bestimmter Weise ; Hoppe - Seyler 1 findet vielfach Analogien der chemischen Prozesse bei der F\u00e4ulniss und denen im Thierk\u00f6rper und l\u00e4sst zur Erkl\u00e4rung der Zersetzungen in den Organen des letzteren fermentative Prozesse stattfinden; auch nach 0. Nasse2 machen die Wirkungen ungeformter Fermente einen wesentlichen Theil der Vorg\u00e4nge im thierischen Organismus aus.\nMit der Auffindung eines solchen ungeformten Fermentes von bestimmter Wirksamkeit ist allerdings die Art seiner Wirkung noch nicht aufgekl\u00e4rt; vorl\u00e4ufig ist damit nur die Existenz eines Stoffes dargetkan, welcher auf noch unbekannte Weise einen gewissen Effekt hervorbringt; es ist aber alle Aussicht vorhanden, \u00fcber kurz oder lang in Erfahrung zu bringen, wie das ungeformte Ferment seine Wirkung aus\u00fcbt, worauf ich sp\u00e4ter noch zur\u00fcckkommen werde.\nEs Hessen sich die Zersetzungsvorg\u00e4nge in den einzelnen Organen und im Gesammtorganismus leicht \u00fcbersehen, wenn sie s\u00e4mmt-licli durch ungeformte Fermente hervorgerufen w\u00e4ren. Aber es ist bis jetzt nicht gelungen, alle diese Spaltungen auf die Th\u00e4tigkeit ungeformter Fermente zur\u00fcckzuf\u00fchren. Nur dann, wenn man im Stande ist aus den Zellen oder Geweben Stoffe in L\u00f6sung zu bringen, welche die in den Organen stattfindenden Zersetzungen hervor- i rufen, d\u00fcrfen wir diese letzteren von einem ungeformten Ferment ableiten; ist dies nicht m\u00f6glich, so muss eine andere Ursache f\u00fcr den Zerfall gegeben sein. Die meisten und haupts\u00e4chlichsten Umsetzungen in den thierischen Organismen lassen sich jedoch nicht durch ungeformte Fermente erzeugen. So wenig wir aus den Hefezellen ein Ferment ausziehen k\u00f6nnen, welches Traubenzucker in Kohlens\u00e4ure und Alkohol zerlegt, oder aus den Spaltpilzen einen Stoff, der die F\u00e4ulnisserscheinungen bedingt, so wenig erhalten wir aus den Or- I ganen h\u00f6herer Thiere Stoffe in L\u00f6sung, mit denen wir die stofflichen Wirkungen der Organe nachzuahmen verm\u00f6gen. Aus den Hefezellen ist mit Leichtigkeit ein Stoff zu gewinnen, welcher Rohrzucker in Traubenzucker \u00fcberf\u00fchrt, aber nie ein solcher, welcher , die geistige G\u00e4hrung einleitet ; es muss sich dabei also um verschiedene Ursachen handeln, und es kann nicht genug empfohlen werden, hier scharf zu trennen, da sonst Verwirrungen unvermeidlich sind.3\n1\tHoppE-SEYLER,Phyiol. Chemie. I. S. 128: Arch. f. d. ges. Physiol. VII. S. 399. 1S73, XII. S. 1. 1876 ; Ztschr. f. physiol. Chem. II. S. 1.\n2\tXasse, Arch. f. d. ges. Physiol. XI. S. 138.\n3\tK\u00fchne, Verh. d. naturf.-med. Vereins zu Heidelberg. I. S. 3. 1876 u. Unters, d. physiol. Instituts d. Univ. Heidelberg. I. (3) S. 1, II. (2) S. 62.","page":288},{"file":"p0289.txt","language":"de","ocr_de":"289\nDie Organisation als Ursache des Stoffumsatzes.\nVIII. Die Ursachen des Stoffumsatzes finden sich gr\u00f6ssten-theils an der Organisation und nicht in den S\u00e4ften.\nDie Ursachen f\u00fcr diejenigen Zerlegungen, welche nicht auf un-geformten Fermenten beruhen, finden sich an dem Organisirten, an den Zellen und Zellengebilden; es sind dort offenbar Bedingungen gegeben, welche einen \u00e4hnlichen Effekt, n\u00e4mlich den Zerfall von chemischen Verbindungen, hervorbringen wie die ungeformten Fermente. Die Zerst\u00f6rung der Organisation der Hefezelle, z. B. durch Zerreiben, hebt auch die Alkoholg\u00e4hrung auf, obwohl dadurch kein Stoff und auch nicht die Wirksamkeit des in der Hefe vorhandenen ungeformten Ferments vernichtet wird. Dieselbe Rolle wie die Hefezelle spielt auch die Organisation der einzelnen Organe der h\u00f6heren Thiere. Man spricht daher hier von der Wirkung eines geformten Ferments im Gegensatz zum ungeformten l\u00f6slichen Ferment, welche Bezeichnung allerdings keine gl\u00fcckliche ist, da es sich in dem einen Fall um die Wirkung einer chemischen Verbindung, in dem anderen Fall um die Wirkung eines aus zahlreichen chemischen Verbindungen bestehenden Organismus handelt. Es w\u00e4re am besten, den Namen Ferment in dem urspr\u00fcnglichen Sinn als synonym mit Hefe zu gebrauchen, und die l\u00f6slichen Stoffe, mit der Eigenschaft chemische Verbindungen zu zerlegen, mit K\u00fchne Enzyme oder mit N\u00e4geli Contactsubstanzen zu nennen.\nEs ist mit einem solchen Wort allerdings noch nicht die Erkl\u00e4rung der Erscheinung gegeben ; es ist damit vorl\u00e4ufig noch nichts geschehen, als der Ort fixirt, wo aus noch unbekannten Ursachen jene Wirkungen vor sich gehen, und der Forschung eine bestimmte Richtung gegeben. Man dr\u00fcckt damit aus, dass nicht an einem isolirbaren Stoff, wie etwa an dem Sauerstoff oder an einem ungeformten Ferment, die Wirksamkeit haftet, sondern dass durch noch unbekannte Bedingungen der Organisation der Zerfall erfolgt. Dadurch ist zugleich die Aufgabe hingestellt, zu suchen, was denn an der lebenden Organisation Besonderes ist, das den Anlass f\u00fcr die Spaltung chemischer Verbindungen giebt. Man versteht darunter selbstverst\u00e4ndlich nicht etwas Vitalistisches im fr\u00fcheren Sinne, sondern etwas wie die \u00fcbrigen Lebenserscheinungen Erkl\u00e4rbares. Diese Vorg\u00e4nge werden voraussichtlich zuerst an dem einfachsten Falle, dem der Hefezelle, durchschaut und erkl\u00e4rt werden; das Studium der Hefewirkung ist deshalb f\u00fcr die Erkenntniss der Prozesse in complicirten thierischen Organismen von so grosser Bedeutung.\nDie meisten Physiologen suchen jetzt die Ursachen der Um-\nHandbuch der Physiologie. Bd. VI.\t19","page":289},{"file":"p0290.txt","language":"de","ocr_de":"290 Voit, Allg. Stoffwechsel. 5. Cap. DieUrsachen d. Stoffzersetzg. im thier. Organ.\nsetzungs- und Oxydationsprozesse im tliierisclien Organismus nicht mehr in einem bestimmten Organ, sondern in allen lebenden Zellen und Zellengebilden, und leiten von den Unterschieden in der Organisation der einzelnen Organe die Verschiedenheiten der Zersetzung trotz gleichen Ern\u00e4hrungsmaterials ab. Es hat immer Physiologen gegeben, welche gegen\u00fcber der einseitigen Hervorhebung der Bedeutung der S\u00e4fte die Selbst\u00e4ndigkeit der Gewebe und Gewebsele-mente behaupteten (Burdach) ; ebenso ist die Cellularpathologie gegen\u00fcber den Ausschreitungen der Humeralpathologie zu ihrem Rechte gekommen. In der Ueberzeugung der Bedeutung der Gebilde hat Liebig 1 stets daran festgehalten, dass in ihnen und nicht in den S\u00e4ften die Zersetzungen des Eiweisses vor sich gehen; Bischoff und ich 1 2 sind ihm darin beigetreten. Durch meine weiteren Untersuchungen wurde ich in dieser Anschauung immer mehr best\u00e4rkt, weshalb ich bei jeder Gelegenheit betont habe3, dass die Zellen die Orte sind, an denen die Zerst\u00f6rung sowohl der stickstoffhaltigen als auch der stickstofffreien Stoffe zu Stande kommt. Auch Hoppe-Seyler4 5 hat Gr\u00fcnde f\u00fcr diese Ansicht beigebracht; in letzter Zeit hat namentlich Pfl\u00fcger 5 dieselbe vertheidigt und weitere Beweise daf\u00fcr angegeben. Nach seinen Darlegungen nehmen die niedersten Thiere ohne Blut sowie die lebenden thierischen und pflanzlichen Zellen Sauerstoff auf und geben Kohlens\u00e4ure ab ; bei den Insekten geschieht die Athmung unabh\u00e4ngig vom Blut, indem die Zellen der Organe die Luft direkt durch die Tracheen erhalten; entblutete Fr\u00f6sche haben nach Oertmann noch den gleichen Gaswechsel wie die bluthaltigen. Der Yogelembryo verbraucht Sauerstoff und pro-duzirt Kohlens\u00e4ure zu einer Zeit, wo sich in ihm nur Zellen, noch kein Blut und keine Blutgef\u00e4sse finden; bei der Pkospkorescenz leuchten nur die Zellen, niemals eine Fl\u00fcssigkeit oder das Blut, und das Leuchten erlischt ohne den Sauerstoff sowie durch chemische Eingriffe, welche das Leben der Zellen zerst\u00f6ren.\nWenn an den Zellen die Ursachen der Umsetzungen haften, so ist damit nicht gesagt, dass der Zerfall eines Stoffes in einer Zelle oder in einem Organ bis zu den letzten Ausscheidungsprodukten verl\u00e4uft. Es geht derselbe in einem bestimmten Organ m\u00f6glicherweise\n1\tLiebig, Thierchemie. 1. Aufl. S. 147 u. 251.\n2\tBischoff u. Voit, Die Gesetze der Ern\u00e4hrung des Fleischfressers. 1S6U. S. ti.\n3\tVoit, Unters, \u00fcber den Einfluss des Kochsalzes etc. S. 9 ; Ztschr. f. Biologie. IV. S. 527. 1868; V. S. 329. 1869 ; VI. S. 35 u. 93. 1870; VII.S. 494 u. 496. 1871; V\u00ceII. S. 351 u. 384. 1872; IX. S. 34 u. 329. 1873.\n4\tHoppe-Seyler, Arch. f. d. ges. Physiol. VIL S. 399. 1873.\n5\tPfl\u00fcger, Arch. f. d. ges. Physiol. X. S. 251. 1875. \u2014 E. Oertmann, Ebenda. XV. S. 381. 1877.","page":290},{"file":"p0291.txt","language":"de","ocr_de":"Die Organisation als Ursache des Stoffumsatzes.\n291\nnur bis zu einer gewissen Stufe vor sich, und es werden dann die Produkte erst in anderen Organen nach und nach in die Exkretionsstoffe verwandelt.\nAus bestimmten Gr\u00fcnden wurden fr\u00fcher die Hauptzersetzungen in die S\u00e4fte des Thierk\u00f6rpers verlegt. Man hielt namentlich das den ganzen K\u00f6rper durchstr\u00f6mende Blut f\u00fcr den haupts\u00e4chlichsten Ort der Verbrennung, besonders da man eine Fl\u00fcssigkeit f\u00fcr geeigneter zu chemischen Ver\u00e4nderungen erachtete als ein solides Organ, und da man im Blute den als den Zerst\u00f6rer angesehenen Sauerstoff fand. Dieser Meinung war noch Joh. M\u00fcller, dann die Anh\u00e4nger der Theorie von der Luxusconsumption wenigstens f\u00fcr das \u00fcber den Verbrauch beim Hunger zersetzte Eiweiss und die stickstofffreien Stoffe, Liebig f\u00fcr die letzteren. Wenn an dem Organisirten wirklich die Bedingungen f\u00fcr den Zerfall sich finden, wof\u00fcr viele Thatsachen sprechen, dann k\u00f6nnen diese Vorstellungen von der Bedeutung der S\u00e4fte nicht richtig sein; nur bei einer direkten Oxydation oder der Wirkung ungeformter gel\u00f6ster Fermente Hessen sich dieselben noch aufrecht erhalten.\nEs ist durch eine Anzahl von Beobachtungen eine in gr\u00f6sserem Maassstabe stattfindende Zersetzung von Substanzen im Plasma f\u00fcr sich allein, ohne Mitwirkung zelliger Gebilde, h\u00f6chst unwahrscheinlich geworden. Namentlich haben Hoppe-Seyler 1 und sp\u00e4ter Pfl\u00fcger 2 hervorgehoben, dass im Blute wegen des geringen Sauerstoff-consums in ihm keine lebhaften Oxydationsprozesse vor sich gehen, und dass kein Grund vorhanden ist, im Blute, dem Chylus und der Lymphe einen irgend erheblichen Verbrauch von Stoffen anzunehmen.\nMan hat gemeint, das Blut k\u00f6nne nicht der Herd der Zersetzung im K\u00f6rper sein, da dasselbe beim Hunger relativ nicht m ehr abnimmt als die \u00fcbrigen Organe und sich absolut nur in geringem Grade an dem Verlust betheiligt; aber es w\u00e4re trotzdem das Stattfinden der Umsetzungen im Blute m\u00f6glich, wenn die Organe beim Hunger abschmelzen und auf ihre Kosten das Blut wieder erg\u00e4nzen.\nIn dem Blute kommen ja gewiss, auch abgesehen von den Wirkungen ungeformter Fermente, Stoffzersetzungen vor, soweit als die Zellen desselben th\u00e4tig sind ; jedoch stellen die Blutk\u00f6rperchen nur einen kleinen Brucktkeil der im K\u00f6rper vorhandenen Zellen und Gewebe dar. Ich trenne daher nicht das Blut und das Gewebe, wie es fr\u00fcher geschah; ich unterscheide vielmehr das Organisirte,\n1\tHoppe-Seyler, Med.-chem. Unters. Heft 1. S. 133. 1560; Heft 2. S. 293. 1867.\n2\tPfl\u00fcger, Arch. f. d. ges. Physiol. VI. S.44. 1871. Fr\u00fcher (Centralbl.f. d.med. Wiss. 1867. No. 21. S.321 u. No. 46. S. 722) hatte er dem lebendigen Blut einen regen Stoffwechsel zugeschrieben, da es sich gegen den Sauerstoff nicht indifferent verh\u00e4lt und einen Theil des locker gebundenen Sauerstoffs verzehrt.\n19*","page":291},{"file":"p0292.txt","language":"de","ocr_de":"292 Toit. Allg. Stoffwechsel. 5. Cap. Die Ursachen d. Stoffzersetzg. im thier. Organ.\ndie Gewebe und Zellen, von dem Nicktorganisirten, den S\u00e4ften; das Blut ist durch seine Zellen auch ein Organ wie die \u00fcbrigen, mit allen Eigenschaften derselben, und es kann dadurch in ihm recht wohl ein Tlieil der Kohlens\u00e4ure aus zugef\u00fchrten h\u00f6heren Spaltungsprodukten erst entstehen.\nDie S\u00e4fte, Blutplasma, Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit und Lymphe, sind nur die Tr\u00e4ger des neuen Ern\u00e4hrungsmaterials zu den den Zerfall bedingenden Gewebselementen und der Zerfallprodukte von den Geweben an die Ausscheidungsorgane ; sie erhalten dadurch, wie noch erhellen wird, eine ganz wesentliche Bedeutung f\u00fcr die Vorg\u00e4nge des Stoffwechsels.\nIX. V erhalten des aus dem Darmkanale resorbirten\nEiweisses.\nEs fragt sich jetzt, ob wir aus den im dritten Capitel mitge-theilten Erfahrungen \u00fcber die Momente, welche die Zersetzungen im K\u00f6rper beeinflussen, im Stande sind, uns eine bestimmte Vorstellung \u00fcber die Art und Weise des unter der Einwirkung der Zellen vor sich gehenden Stoffumsatzes zu machen. Selbstverst\u00e4ndlich hat jede Theorie allen jenen Erfahrungen Rechnung zu tragen.\nVor allem ist es wichtig zu entscheiden, welches Material beim Stoffwechsel durch den Einfluss der Organisation zerst\u00f6rt wird. Nach den fr\u00fcheren Auseinandersetzungen (auf S. 274) ist ein Untergang von Zellen oder Geweben in gr\u00f6sserem Maassstabe h\u00f6chst unwahrscheinlich, derselbe ist nur f\u00fcr eine geringe Anzahl von Gebilden erwiesen. Wenn aber auch die Formen der Hauptsache nach bestehen bleiben, so k\u00f6nnten doch die die Organisation aufbauenden Stoffe haupts\u00e4chlich das Zerfallmaterial abgeben, indem entweder der Zelleninhalt zu Grunde geht wie beim Hunger, wo auch keine Verminderung der Zahl der Zellen und Fasern, sondern nur eine Volumenabnahme derselben zu erkennen ist, oder indem eine mole-kul\u00e4re Auswechselung der Stoffe der organisirten Theile und des frischen Ern\u00e4hrungsmaterials ohne Einreissen der Form stattfindet. In beiden F\u00e4llen w\u00fcrden die in der Nahrung zugef\u00fchrten Stoffe nur dazu dienen, das zerst\u00f6rte Organisirte wieder aufzubauen. Es k\u00f6nnte jedoch auch die Organisation im Grossen und Ganzen stofflich intakt bleiben, und haupts\u00e4chlich die den Zellen in der Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit zugef\u00fchrten unorganisirten gel\u00f6sten Stoffe unter ihrer Einwirkung zersetzt werden. Die bei dem Studium des Stoffverbrauchs","page":292},{"file":"p0293.txt","language":"de","ocr_de":"Verhalten des aus dem Darmkanale resorbirten Eiweisses.\n293\ngewonnenen Thatsachen sprechen meiner Ansicht nach zu Gunsten der letzteren M\u00f6glichkeit.1\nDie auffallendste und bedeutungsvollste Thatsache ist die, dass die Eiweisszersetzung mit der Zufuhr eiweissartiger Stoffe zunimmt, wodurch sie unter Umst\u00e4nden mehr als 15 mal so gross wird wie die beim Hunger, obwohl im letzteren Falle viel mehr Eiweiss im K\u00f6rper abgelagert ist als im ersteren mit der Nahrung aufgenommen wurde.\nEs muss also nach der obigen Darlegung das aus dem Darm-kanal neu zugef\u00fchrte Eiweiss entweder den Zerfall des am Organi-sirten befindlichen Eiweisses in ganz ausserordentlicher Weise beg\u00fcnstigen , damit es als Ersatz daf\u00fcr eintreten kann, oder es muss im Wesentlichen in den Geweben selbst zerfallen und sie vor der Zerst\u00f6rung bewahren.\nValentin2 3, Hoppe-Seyler3 und Andere nahmen einen Untergang der organisirten Formen und die Bildung neuer aus dem zugef\u00fchrten Eiweiss an. Namentlich Hoppe-Seyler ist ein entschiedener Vertreter dieser Anschauung: die Muskeln, die Dr\u00fcsen u. s. w. sind nach ihm keine stabilen Apparate, welche eingef\u00fchrte N\u00e4hrstoffe verarbeiten, sondern Aggregate zelliger Elemente von nicht lange w\u00e4hrender Existenz, die sich schnell verbrauchen, w\u00e4hrend neue Elemente an die Stelle der alten treten; die jungen entwickelungsf\u00e4higen Zellen sind nach seiner Anschauung allein der Aufnahme auch von nicht gel\u00f6sten N\u00e4hrstoffen f\u00e4hig und ihre Vermehrung ist von der reichlicheren oder k\u00e4rglicheren Ern\u00e4hrung des Organismus abh\u00e4ngig. Ich habe schon vorher die Gr\u00fcnde (S. 275) angegeben, aus denen diese Vorstellung nicht richtig sein kann, und hervorgehoben, dass in diesem Falle bei reichlicher Eiweisszufuhr die Zerst\u00f6rung und die Neubildung organisirter Gebilde ganz kolossale Dimensionen annehmen m\u00fcsste. Man vermag sich auch durchaus keinen Grund zu denken, warum die Aufl\u00f6sung der organisirten Formen beim Hunger um so viel geringer sein sollte und nur der Zutritt von gel\u00f6stem Eiweiss aus dem Darm einen so enormen Untergang jener Gebilde bewirken soll; die Bedingungen f\u00fcr ein Ein-reissen von Organisirtem sind gewiss beim Hunger in nicht geringerem\n1\tJoh. M\u00fcller hat zuerst an diese M\u00f6glichkeit gedacht, indem er sagte: ,.Es w\u00e4re sehr wichtig zu wissen, ob der Harnstoff nur aus zersetztem, schon vorher ausgebildetem Thierstoffe entsteht und sich also auch bei hungernden Thieren erzeugt, oder ob er sich aus den Nahrungsstoffen als ein unbrauchbares Product des Verdauungsprocesses erzeugt.\u201c (Handb. d. Physiol. I. S. 569. 1835.)\n2\tValentin, Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. I. S. 372. 1842.\n3\tHoppe-Seyler, Arch. f. d. ges. Physiol. VIL S. 399. 1873.","page":293},{"file":"p0294.txt","language":"de","ocr_de":"294 Voit, Allg. Stoffwechsel. 5. Cap. Die Ursachen cl. Stoffzersetzg. im thier. Organ.\nGrade gegeben, nur fehlt bei ihm das Material f\u00fcr den Ersatz des Verlustes. Es k\u00f6nnte h\u00f6chstens bei Aufnahme von Eiweiss mehr Organis\u00e2tes entstehen, aber nicht mehr zu Grunde gehen. Nach den Untersuchungen N\u00e4geli\u2019s ist auch die Funktion der Zuckerzerlegung durch die Hefezelle ganz zu trennen von der Erzeugung neuer Zellen oder von dem Wachsthum der vorhandenen; es kommen nach ihm im Pflanzenreiche vielfache Stoffumwandlungen unter dem Einfl\u00fcsse von Zellen vor ohne eine Neubildung von Zellen.\nViel plausibler und wenigstens nicht den Beobachtungen widersprechend ist die andere Anschauung, nach der nicht die organisirte Form eingerissen wird, sondern aus irgend einem Grunde bei Zufuhr neuen Eiweisses in den Zellen befindliches organis\u00e2tes Eiweiss zersetzt wird, f\u00fcr welches dann das erstere als Ersatz eintritt. So dachten Liebig und Bisciioff; letzterer und ich Hessen, entsprechend der LiEBiG\u2019schen Lehre, durch die f\u00fcr die Bew\u00e4ltigung des verzehrten Eiweisses n\u00f6thige Arbeit Eiweiss in den Zellen verbraucht werden, was aber nicht richtig sein kann, da bei der Arbeit nicht mehr Eiweiss umgesetzt wird. Andere nahmen daher eine einfache Verdr\u00e4ngung des in den Zellen abgelagerten Eiweisses durch das neu aufgenommene unter Erhaltung der Form an (S. 274 u. 278); auch Pfl\u00fcger scheint hier\u00fcber eine \u00e4hnliche Anschauung, wenigstens nach einer Aeusserung D\u00fcnkelberg\u2019s 1, zu haben. Jedoch erscheint mir ein solcher fortw\u00e4hrender Austausch des Alten gegen das Neue, und zwar in der enormen Ausdehnung bei reichlicher Eiweisszufuhr, von vorn herein nicht wahrscheinlich ; wir verstehen nicht, wodurch eine Verdr\u00e4ngung der Art zu Stande kommen k\u00f6nnte. Gerade die Unwahrscheinlichkeit dieses Vorganges bewogen Lehmann, Frerichs, Bidder und Schmidt die Theorie von der Luxusconsumption aufzustellen. Es erkl\u00e4rt sich, meiner Ansicht nach, die so auffallende Vermehrung der Zersetzung des Eiweisses nach Zufuhr dieses Stoffes am einfachsten so, dass das neu aufgenommene gel\u00f6ste Eiweiss durch die Eigenschaften der Zellen und Gewebe zerlegt wird, \u00e4hnlich wie die Hefezellen die sie umsp\u00fclende oder in sie eindringende Zuckerl\u00f6sung in Kohlens\u00e4ure und Alkohol spalten.\nDie beiden Auffassungen sind in ihren Consequenzen wesentlich von einander verschieden. Nach der Verdr\u00e4ngungshypothese ist das Organisirte in einem best\u00e4ndigen stofflichen Wechsel begriffen, der\n1 D\u00fcnkelberg, Der Landwirth. 1S7S. No. 34u. 57. Das schnelle Anwachsen des Stoffwechsels bei reichlicher Nahrungszufuhr soll durch die dichtere Anh\u00e4utung neugebildeter organisirter Molekeln bedingt sein, durch welche die inneren Oxydationen und Spaltungen wachsen.","page":294},{"file":"p0295.txt","language":"de","ocr_de":"Verhalten des aus dem Darmkanale resorbirten Eiweisses.\n295\nin seiner Intensit\u00e4t von der Zufuhr abh\u00e4ngig ist; das neue Eiweiss ist die Ursache f\u00fcr den Untergang von Organisirtem und zugleich der Ersatz f\u00fcr den Verlust, so dass ausschliesslich Organis\u00e2tes zerf\u00e4llt und das Neue stets organisirt. Die andere Hypothese l\u00e4sst das Organisirte f\u00fcr gew\u00f6hnlich fortbestehen und sich nur in geringem Maassstabe verj\u00fcngen; das neue gel\u00f6ste Eiweiss wird dagegen gr\u00f6sstentheils, ohne dass es vorher organisirt und Verlorenes ersetzt, durch die Th\u00e4tigkeit der Zellen zerst\u00f6rt. Nach der ersten Annahme wird beim Hunger am wenigsten Organisirtes eingerissen, am meisten bei reichlicher Eiweissaufnahme ; nach der zweiten wird beim Hunger das Organisirte angegriffen, weil kein anderes Material vorhanden ist, bei gen\u00fcgender Zufuhr aber wird es durch das Ern\u00e4hrungsmaterial gesch\u00fctzt. Es tritt also im letzteren Fall nur dann ein Wechsel im Organisirten, ein Verlust oder ein Ansatz desselben, ein, wenn die Zufuhr f\u00fcr den jeweiligen Bestand der Organe zu klein oder zu gross ist. Die Zellen besitzen nach meiner Anschauung die Eigenschaft, bis zu einer gewissen Grenze Stoffe zu zerlegen, deshalb w\u00e4chst mit der Zufuhr derselben auch die Zersetzung ; die gleiche Zahl von Hefezellen liefert bei Zusatz von mehr Zucker so lange mehr Alkohol, bis ihre Leistungsf\u00e4higkeit ersch\u00f6pft ist, ebenso wird von einer gleichbleibenden Anzahl von Leberzellen bei reichlicher Nahrungsaufnahme viel Galle produzirt.\nX. Modus des Eiweisszerfalls.\nMan hat sich \u00fcber den Modus des Zerfalls des Eiweisses noch besondere Vorstellungen gebildet, welche ich vor der Darlegung der Zersetzungsvorg\u00e4nge durch die Zellen noch besprechen muss.\nNach den Ergebnissen der chemischen Untersuchung und der Versuche am Thier zerf\u00e4llt, wie schon angegeben worden ist, das Eiweiss zun\u00e4chst ohne Mitwirkung des Sauerstoffs, es findet eine Dissociation des Eiweissmolek\u00fcls statt.\nEs bestehen bei diesem Zerfall zwei M\u00f6glichkeiten. Entweder ist das in Dissociation gerathene Eiweissmolek\u00fcl unwiederbringlich verloren; es spaltet sich in gewisse Gruppen und es treten stickstoffhaltige Produkte sowie stickstofffreie kohlenstoffreiche (z. B. Zucker oder Fett) auf, welche f\u00fcr gew\u00f6hnlich immer weiter bis zu den Ausscheidungsstoffen zerst\u00f6rt werden, unter Umst\u00e4nden aber auch auf einer der Zwischenstufen unzersetzt stehen bleiben k\u00f6nnen, wie z. B. das Fett bei Zufuhr von Kohlehydraten, bei Phosphorvergif-","page":295},{"file":"p0296.txt","language":"de","ocr_de":"296 'S oit, Allg. Stoffwechsel. 5. Cap. Die Ursachen d. Stoffzersetzg. im thier. Organ.\ntung u. s. w., oder der Zucker beim Diabetes. 1 Oder es ist die M\u00f6glichkeit f\u00fcr einen Wiederaufbau des Eiweissmolek\u00fcls nach der Abtrennung gewisser Gruppen mit Hilfe neu zutretender Stoffe gegeben.\nDie Ansicht einer Regeneration des in Zerfall gerathenen Ei-weisses ist eine alte. Schon Mulder'2 3 l\u00e4sst die Zerfallprodukte des Eiweisses im Blute zu Prote\u00efnstoffen recomponirt werden. Valentin 3 und Kohlrausch4 glaubten, es k\u00f6nnten die stickstofffreien Nahrungsstoffe mit den stickstoffhaltigen Umsetzungsprodukten (Harnstoff und Gallens\u00e4uren) wieder zu Eiweiss werden.5 6 7 L. Hermann griff diesen Gedanken wieder auf, indem er eine Regenerirung des Eiweisses im Muskel annahm: es dient nach ihm das w\u00e4hrend der Muskelth\u00e4tigkeit neben Kohlens\u00e4ure und S\u00e4ure gebildete Myosin mit Hilfe der neu zugef\u00fchrten kohlenstoffhaltigen Substanz zum Wiederaufbau des Muskels. Sp\u00e4ter hat Hermann 7 diesen Vorgang noch weiter ausgedehnt, indem er die bei der Spaltung der Albuminate im Darm hervorgegangenen einfacheren Bestandtheile nach der Resorption sich wieder zu complicirten Verbindungen (wahrscheinlich in der Leber) vereinigen l\u00e4sst.\nPfl\u00fcger8 hat nun den ganzen Vorgang des Stoffwechsels auf einen theilweisen Zerfall und eine Regeneration des lebendigen Eiweissmolek\u00fcls gegr\u00fcndet. Nach seinen Vorstellungen zersetzt sich im Thierk\u00f6rper ausschliesslich lebendiges Eiweiss; dieses letztere\n1\tNach der Darstellung von Hoppe-Seyler (Arch. f. d. ges. Physiol. XII. S. 1) ist der Stoffwechsel der Thiere eine Kette von Processen, von welchen die ersten fermentativen der F\u00e4ulniss analog verlaufen und Wasserstoff im freien Zustande oder durch seine Anf\u00fcgung Reductionsprodukte liefern; bei Mitwirkung von freiem Sauerstoff erfolgt dann energische Oxydation, die durch die Zerreissung des Sauerstoffmolek\u00fcls mittelst des fermentativ gebildeten Wasserstoffs in statu nascenti und Freiwerden aktiven Sauerstoffs begr\u00fcndet wird; die so gebildeten Oxydationsprodukte dienen Fermenten abermals als neue Angriffspunkte.\n2\tMulder, Arch. f. d. holl\u00e4nd. J\u00dfeitr. II. S. 39.\n3\tValentin, Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. I. S. 455. 1S42.\n4\tKohlrausch, Physiologien. Chemie, eine Kritik von Liebig\u2019s Thierchemie. S. 58. G\u00f6ttingen 1844.\n5\tSie erkl\u00e4rten dadurch, wrarum trotz verschiedener Stickstoffzufuhr der ..Stoffwechsel\u201c doch der gleiche sein k\u00f6nne. Das Stickstoffdeficit beim Pferd r\u00fchrt nach Valentin von der Wiederverwendung des Stickstoffes her, welche namentlich bei der st\u00e4rkeren Umsetzung w\u00e4hrend der Bewegung des Thieres stattfinde. Beim Pflanzenfresser werden nach ihm vor Allem die stickstoffhaltigen Zersetzungsprodukte wieder zum Aufbau benutzt, bei den Fleischfressern w\u00e4re umgekehrt ein Mangel an Kohlens\u00e4ure und Wasser da, der ersetzt werde durch Bildung von Fett aus Eiweiss mit Hilfe der Galle nach Abspaltung des Harnstoffs. Darum brauche der Pflanzenfresser eine geringere Stickstoffzufuhr, und darum werde durch eine stickstofffreie Kost die Eiweisszersetzung vermindert.\n6\tL. Hermann, Unters, \u00fcb. d. Stoffwechsel der Muskeln. S. 100. 1867.\n7\tDerselbe, Ein Beitrag zum Verst\u00e4ndniss der Verdauung. Z\u00fcrich 1868.\n8\tPfl\u00fcger, Arch. f. d. ges. Physiol. X. S. 251. 1875.","page":296},{"file":"p0297.txt","language":"de","ocr_de":"Modus des Eiweisszerfalls.\n-297\nsoll ausserordentlich leicht in Zersetzung gerathen, w\u00e4hrend das todte Nahrungseiweiss indifferent ist. Die Spaltungsprodukte, welche man aus dem todten Eiweiss im Laboratorium erh\u00e4lt, bestehen aus den Fetts\u00e4uren zugeh\u00f6rigen Radikalen, einer aromatischen Gruppe und aus Amiden; im lebenden Organismus findet man dagegen im stickstoffhaltigen Theil der Zersetzungsprodukte Harns\u00e4ure und Harnstoff, welche ein Cyanradikal enthalten oder von einem solchen abzuleiten sind. Daraus schliesst er, dass das todte Nahrungseiweiss stets organisirt, d. h. in lebendes Eiweiss verwandelt werde, wobei die Amidgruppe in eine Cyangruppe \u00fcbergehe ; dazu ist ein Aufwand von Kraft erforderlich, weil die intramolekulare Bewegung im Cyan viel betr\u00e4chtlicher ist als wie im Amid. Durch diese starke Bewegung innerhalb der Cyangruppe, welche auch auf die n\u00e4chst-liegenden Radikale von Einfluss ist, erh\u00e4lt nun das lebendige Eiweiss seine leichte Zersetzlichkeit und wird der Zerfall bewirkt. Da die St\u00e4rke der intramolekularen Bewegung abh\u00e4ngig ist von der Temperaturh\u00f6he, so steigt und f\u00e4llt mit der letzteren die Zersetzung. Nach der Beobachtung Pfl\u00fcger\u2019s k\u00f6nnen Fr\u00f6sche einige Zeit ohne Sauerstoff leben und dennoch Kohlens\u00e4ure produciren; er l\u00e4sst daher bei der Dissociation des Eiweisses durch die intramolekulare Bewegung Kohlenstoff, Sauerstoff oder Wasserstoff unter Bildung von Kohlens\u00e4ure und Wasser etc. und unter W\u00e4rmeentwickelung sich abspalten. Die dadurch entstandenen L\u00fccken von Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasserstoff werden im lebenden Thier zum Theil fortw\u00e4hrend wieder ausgef\u00fcllt, indem sich an die durch die Abtrennung frei gewordenen Affinit\u00e4ten aus der umgebenden N\u00e4hrfl\u00fcssigkeit Sauerstoff, sowie kohlenstoff- und wasserstoffhaltige Radikale (aus dem in der Nahrung zugef\u00fchrten Fett und Kohlehydrat) anlegen. So vermag ein und dasselbe Eiweissmolek\u00fcl lange weiter zu leben und Arbeit zu leisten, wenn ihm nur der abgespaltene Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff wieder ersetzt wird.1\n1 Die bedeutende intramolekulare Bewegung in der Cyangruppe, durch welche Pfl\u00fcger die leichte Zersetzlichkeit des lebenden Eiweisses erkl\u00e4rt, bringt f\u00fcr die Kraftsumme im K\u00f6rper selbstverst\u00e4ndlich keinen Zuschuss, da nachher zur Umwandlung der stickstoffhaltigen Atomgruppe aus der amidartigen Bindung im todten Nahrungseiweiss in die cyanartige im lebenden Eiweiss wieder ebensoviel Kraft n\u00f6thig ist, als vorher gewonnen wurde. Die im K\u00f6rper auftretende W\u00e4rme und die zu \u00e4usseren Leistungen verbrauchte Arbeit r\u00fchrt nach Pfl\u00fcger's Anschauung von der Abspaltung von Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff aus dem Eiweissmolek\u00fcl in der Form von Kohlens\u00e4ure und Wasser her; der Ersatz findet durch die Spannkraft f\u00fchrenden, kohlenstoff- und wasserstoffhaltigen Kadi-kale (aus dem eingef\u00fchrten Fett und Kohlehydrat) statt. Es erlaubt diese Theorie die Kraft f\u00fcr die Muskelarbeit und die W\u00e4rme ganz und direkt vom zerfallenden Eiweiss abzuleiten und die stickstofffreien Stoffe nur indirekt daf\u00fcr in Anspruch","page":297},{"file":"p0298.txt","language":"de","ocr_de":"298 Voit, Allg. Stoffwechsel. 5. Cap. Die Ursachen d. Stoffzersetzg. im thier. Organ.\nEs ist nun zun\u00e4chst ein solcher unvollst\u00e4ndiger Zerfall und Wiederaufbau von Eiweiss durch nichts bewiesen; es ist aber auch nach meiner Ansicht keine N\u00f6thigung vorhanden einen Vorgang der Art anzunehmen, es lassen sich vielmehr die mannigfaltigen Aenderungen der Zersetzungen unter verschiedenen Einfl\u00fcssen einfacher erkl\u00e4ren unter der Voraussetzung, dass ein einmal angenagtes Eiweissmolek\u00fcl ganz dem Zerfall anheimf\u00e4llt und sein Stickstoff ausgeschieden wird. Nur die allerdings auf den ersten Blick auffallend erscheinende That-sache des Gleichbleibens der Eiweisszersetzung bei der Muskelarbeit k\u00f6nnte zu Gunsten der Regenerationshypothese sprechen, wenn sich jene Thatsache nicht ebensogut auf andere Weise erkl\u00e4ren liesse.\nDa beim Hunger stets Stickstoff ausgesehieden wird, so kann dabei nach der Regenerationshypothese nur ein Tlieil des Eiweisses restituirt werden, ein Tlieil zerf\u00e4llt vollst\u00e4ndig. Warum wird aber hierbei ein Theil der Eiweissmolek\u00fcle ganz zerst\u00f6rt, obwohl nichts zum Wiederaufbau derselben fehlt und das Material im eingeathmeten Sauerstoff sowie in dem im K\u00f6rper abgelagerten Fett zur Gen\u00fcge vorhanden ist? Wollte man letzteres beim Hunger auch f\u00fcr ungen\u00fcgend erkl\u00e4ren, so l\u00e4sst sich doch einwenden, dass auch bei ausschliesslicher Aufnahme der gr\u00f6ssten Massen von Fett oder Kohlehydraten kaum weniger Stickstoff im Harn entfernt wird wie beim Hunger. Es entschl\u00fcpft demnach auch unter diesen g\u00fcnstigsten Umst\u00e4nden ein Theil des Eiweisses der Regeneration. Bei starker Arbeit hat der von uns untersuchte Mann nicht mehr Stickstoff ausgeschieden als bei der Ruhe; ist trotzdem dabei mehr Eiweiss angegriffen worden, so fragt es sich, warum gerade dieses v\u00f6llig restituirt, in der Ruhe dagegen ein Tlieil stets ganz zerst\u00f6rt wird. Bei einem recht mageren hungernden Hunde sind die zum Aufbau dienenden stickstofffreien Stoffe jedenfalls nur in kleiner Menge vorhanden und es kann also hierbei die Restitution nur eine geringf\u00fcgige sein; giebt man dem Thier nun ausschliesslich stickstofffreie Stoffe im Ueberschuss, so ist nur ganz unbedeutend weniger Stickstoff im Harn enthalten, weshalb es sich bei der Regeneration h\u00f6chstens um eine geringe Gr\u00f6sse handeln kann.\nNach den Resultaten meiner Versuche ist das nicht organisirte gel\u00f6ste Eiweiss leichter zersetzlich, nach der Anschauung von Pfl\u00fcger dagegen das organisirte. Da aber sicherlich ein Theil des Eiweisses v\u00f6llig zerf\u00e4llt und also h\u00f6chstens ein Theil nach Abspaltung gewisser Elemente regenerirt wird, so erscheint es mir plausibler, wenn man alle einmal angegriffenen Eiweissmolek\u00fcle eine tiefere Ver\u00e4nderung erleiden und sich ganz zersetzen l\u00e4sst. Es ist bei Annahme einer Regeneration des Eiweisses\nzu nehmen. \u2014 Wegen der regeneration des Eiweisses wird nach Pfl\u00fcger, wie fr\u00fcher schon L. Hermann angegeben hat, bei mittlerer Arbeit nicht mehr stickstoffhaltige Substanz zersetzt ; nur bei \u00fcberm\u00e4ssiger Muskelarbeit, wenn das Blut sauerstofffrei aus dem Muskel kommt und also der zur Restitution n\u00f6thige Sauerstoff fehlt, zerf\u00e4llt das Eiweissmolek\u00fcl weiter und tritt vermehrte Harnstoffausscheidung auf. Ebenso ist es bei ungen\u00fcgender Sauerstoffzufuhr nach Fraenkel, wo auch das lebendige Eiweissmolek\u00fcl wegen Mangels an Sauerstoff sich nicht regeneriren kann und daher zerf\u00e4llt.\no","page":298},{"file":"p0299.txt","language":"de","ocr_de":"Modus des Eiweisszerfalls.\n299\nschwer erkl\u00e4rlich, warum bei Zufuhr von Nahrungseiweiss eine demselben entsprechende Menge von Stickstoff und Kohlenstoff ausgeschieden, also eine entsprechende Menge von Eiweiss vollst\u00e4ndig dissociirt wird; es bleibt bei dieser Hypothese nichts anderes \u00fcbrig, als anzunehmen, dass alles neu zugef\u00fchrte Eiweiss zuerst organisirt und dieses dann ebensoviel von dem schon Organisirten verdr\u00e4ngt. Die Zersetzung tritt aber manchmal unter Bedingungen ein, wo vorher der K\u00f6rper viel Eiweiss verloren hat, also eine Ablagerung desselben wohl stattfinden k\u00f6nnte, w\u00e4hrend unter anderen Umst\u00e4nden ein reichlicher Eiweissansatz, also ohne Verdr\u00e4ngung, gegeben ist. Soll trotz der enormen Zerst\u00f6rung nach Aufnahme von viel Eiweiss nebenbei auch noch eine Regeneration auf Kosten des Kohlenstoffs des zersetzten Eiweisses einhergehen V\nAuch die stickstofffreien Stoffe sollen sich nach Pfl\u00fcger nur dann zersetzen, wenn sie in das Eiweissmolek\u00fcl eingetreten sind; bei Ausscheidung grosser Quantit\u00e4ten von Kohlens\u00e4ure nach Aufnahme von Kohlehydraten m\u00fcsste man daher annehmen, dass unter einem r\u00e4tliselhaften Einfl\u00fcsse der Kohlehydrate enorme Mengen von Eiweiss gespalten und durch letztere wieder aufgebaut werden. Es scheint mir doch ungleich einfacher, die Zersetzung des Zuckers als solche durch die Th\u00e4tigkeit der Zellen geschehen zu lassen, \u00e4hnlich wie die des Zuckers durch die Hefezellen. Oder sollte man entsprechend meinen, auch in der Hefezelle spalte sich ausschliesslich das Eiweiss und der Zucker diene nur dazu, die entstandenen L\u00fccken auszuf\u00fcllen?\nWenn im lebenden Organismus bei der Spaltung des Eiweisses schliesslich Cyanverbindungen und nicht Amide auftreten, so sind eben die Bedingungen im K\u00f6rper andere als wir sie bei den Zersetzungen im Laboratorium einzuf\u00fchren verm\u00f6gen. Ausserdem aber wissen wir, dass im K\u00f6rper der S\u00e4ugethiere Ammoniak in Harnstoff und in dem der V\u00f6gel Harnstoff\" in Harns\u00e4ure \u00fcbergeht, also sich aus Amiden Cyanverbindungen bilden.\nBeim Hunger schmilzt Eiweiss von den Organen ab, wird im gel\u00f6sten Zustande durch die S\u00e4fte aufgenommen und entweder zersetzt oder zum Theil in anderen Organen abgelagert; hier ist also gewiss nicht organis\u00e2tes Eiweiss zerst\u00f6rt worden, sondern es ist organis\u00e2tes Eiweiss in l\u00f6sliches \u00fcbergegangen und dieses dann erst der Zersetzung anheimgefallen.\nEs m\u00f6chte recht schwer fallen, alle die Ergebnisse der Stoffwechselversuche mit der Regenerationstheorie zu erkl\u00e4ren. Im Uebrigen ist es jedoch gleichg\u00fcltig, welche Anschauung man \u00fcber den Modus des Eiweisszerfalls hat. Die Stickstoffausscheidung giebt n\u00e4mlich sowohl nach letzterer Theorie sowie nach der meinigen an, wieviel Eiweiss im Organismus v\u00f6llig zerst\u00f6rt worden ist und wieviel Eiweiss zum Ersatz n\u00f6thig ist; es ist daf\u00fcr ganz einerlei, ob nebenbei noch eine unbekannte Menge von Eiweiss wohl angegriffen, aber wieder restituirt wird. Es ist ferner so viel stickstofffreie, kohlenstoffhaltige Substanz zerst\u00f6rt worden, als die \u00fcber den Kohlen-","page":299},{"file":"p0300.txt","language":"de","ocr_de":"300 Voit, Allg. Stoffwechsel. 5. Cap. Die Ursachen cl. Stoffzersetzg. imthier. Organ.\nstoff des zersetzten Eiweisses hinausgehende Kohlenstoffausscheidung anzeigt, und es ist daf\u00fcr ebenfalls gleichg\u00fcltig, ob dieser Kohlenstoff direkt aus stickstofffreien Substanzen (Fett und Kohlehydraten) stammt, oder ob derselbe aus dem Eiweiss abgespalten und durch die gleiche Menge aus Fett oder Kohlehydraten ersetzt worden ist.\nIch werde daher in Folgendem die Ergebnisse der Untersuchungen \u00fcber den Stoffumsatz im Thierk\u00f6rper nach meiner Anschauung \u00fcber den Eiweisszerfall zu deuten suchen; es lassen sich alle jene Erfahrungen damit leicht in Einklang bringen.\nEs ist selbstverst\u00e4ndlich, dass die vielfachen, \u00fcber die Zersetzungen im K\u00f6rper gefundenen Thatsachen ganz intakt bleiben, mag man sich diese oder jene Theorie \u00fcber die Art und den Ort des Stoffwechsels machen, jene Thatsachen bilden das werthvolle Material, dem alle Erkl\u00e4rungsversuche gerecht werden m\u00fcssen.\nXI. Xalleres \u00fcber die Torg\u00e4nge des Stoffumsatzes unter der Wirkung der Organisation.\n1. Es zerfallt nur circulirendes (je/\u00f6stes Eiweiss und nicht\ndas Organeiweiss.\nGleichg\u00fcltig ob die organisirten Gebilde im K\u00f6rper unter dem Andr\u00e4ngen des neuen Eiweissmaterials zerst\u00f6rt werden oder ihre alten Eiweissmolek\u00fcle entlassen, oder ob, wie ich nachweisen werde, das gel\u00f6ste Eiweiss unter dem Einfl\u00fcsse der Zellen zersetzt wird, in allen F\u00e4llen muss das gel\u00f6ste Ern\u00e4hrungseiweiss zu den Organ-theilen gebracht werden. Dies geschieht bekanntlich, indem es aus den Blutgef\u00e4ssen mit der Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit, welche die Organ-theile umspitlt und in Wechselbeziehung mit denselben tritt, herausgepresst wird, wonach dann der Ueberschuss durch die Lymphge-f\u00e4sse wieder in die Blutbahn zur\u00fccktritt. Dieser intermedi\u00e4re Saftstrom, der auch beim Hunger vorhanden ist und in den auch die aus dem Darm aufgenommenen Stoffe eintreten, f\u00fchrt also die verschiedenen Ern\u00e4hrungsstoffe an den Organen vor\u00fcber; es kann ein Eiweisstkeilcken mehrmals den Weg vom Blute aus durch die Gewebe nach dem Blute zur\u00fcck durchlaufen m\u00fcssen, ehe es zur Verwendung gelangt oder zersetzt wird.\nMan unterscheidet daher schon seit lange im h\u00f6heren thierischen Organismus sehr wohl das Organisirte, die Zellen und die eigentlichen Gewebe, von den S\u00e4ften, welche als solche nur gel\u00f6ste Stoffe","page":300},{"file":"p0301.txt","language":"de","ocr_de":"\"Wirkung der Organisation auf den Stoffumsatz.\n301\nenthalten und die Aufgabe haben ersteren das Ern\u00e4hrungsmaterial zuzuf\u00fchren und die Zerfallprodukte fortzusp\u00fclen.\nUm die Vorg\u00e4nge des Stoffumsatzes durch die Th\u00e4tigkeit der Zellen zu verstehen, muss man auch die Stoffe im Organisirten und im Nichtorganisirten trennen. Ich habe daher das in den Zellengebilden abgelagerte und dort in der Organisation fester gebundene Eiweiss, welches h\u00e4ufig auch eine bestimmte in Wasser unl\u00f6sliche Eiweiss-modihkation darstellt, das Eiweiss der Organe oder das Organeiweiss genannt, im Gegensatz zu dem in der Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit gel\u00f6sten Eiweiss, welches die Organtheile umsp\u00fclt und in dem intermedi\u00e4ren Saftstrom circulirt.1\nDieses von mir \u201e circulirendes Eiweiss \u201c genannte gel\u00f6ste Eiweiss der S\u00e4fte habe ich nicht entdeckt, denn es ist schon l\u00e4ngst bekannt, dass in der Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit eine Eiweissl\u00f6sung die Organe durchstr\u00f6mt; ich habe es nur in eine ganz bestimmte Beziehung zum Eiweisszerfall gebracht. Ich gab ihm diesen Namen, nicht weil es im S\u00e4ftestrom zersetzt wird, oder weil die Circulation die Ursache des Zerfalls ist, sondern um anzudeuten, dass es in der Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit gel\u00f6st ist und durch den intermedi\u00e4ren oder circulirenden S\u00e4ftestrom an die die Bedingungen der Zersetzung tragenden Zellen gebracht wird. Ich will also damit nicht einen chemischen Unterschied bezeichnen, sondern zun\u00e4chst nur einen Unterschied in dem Orte, an dem es sich befindet und dann in seiner physiologischen Beziehung zu den Zersetzungen im K\u00f6rper. Ein und dasselbe Molek\u00fcl Eiweiss kann in einem bestimmten Momente Eiweiss des Blutplasmas, in einem n\u00e4chsten Eiweiss der Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit, in einem anderen Eiweiss der Lymphe oder auch Organeiweiss sein. Je nach der Oertlichkeit giebt man dem n\u00e4mlichen Eiweisstheilchen verschiedene Namen z. B. Eiweiss des Blutplasmas, oder der Lymphe, oder auch circu-lirendes Eiweiss, wenn es im intermedi\u00e4ren S\u00e4ftestrom gel\u00f6st sich befindet.\nDie Resultate meiner Versuche bestimmten mich nun, dem Eiweiss der Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit oder dem circulirenden Eiweiss eine wichtige Rolle bei der Zersetzung des Eiweisses zu ertheilen. Das gel\u00f6ste Eiweiss der S\u00e4fte, zu welchem sich das aus dem Darm neu eintretende gesellt, ist nach meiner Erfahrung leichter zersetzlich als das in den organisirten Formen festgebundene und zum Theil in Wasser unl\u00f6sliche Organeiweiss. Gelingt dieser Nachweis, dann wird nicht das organisirte Eiweiss zersetzt und das in den S\u00e4ften gel\u00f6ste\n1 Voit, Ztschr. f. Biologie. Y. S. 344. 444. 450. 1869 ; II. S. 323 ; X. S. 223. 1874. Diese Ausdr\u00fccke und die damit verbundenen Vorstellungen wurden, obwohl sie direkt aus den Thatsachen abgeleitet sind, auffallender Weise vielfach missverstanden (Liebig, Hoppe-Seyler), von Anderen aber in ihrer vollen Bedeutung erfasst und gew\u00fcrdigt (so z. B. von Huppert. Arch. f. Heilk. VIL S. 1 u. X. S. 503 ; von Schultzen, Ann. d. Charitekrankenhauses zu Berlin. XV. S. 156. 1869; Senator, Fieberhafter Process. S. 104).","page":301},{"file":"p0302.txt","language":"de","ocr_de":"302 Voit, Allg. Stoffwechsel. 5. Cap. Die Ursachen d. Stoffzersetzg. im thier. Organ.\nEiweiss zum Ersatz verwendet, sondern es wird, wie es schon durch die fr\u00fcheren Betrachtungen wahrscheinlich geworden war, das letztere unter dem Einfluss der Zellen zerst\u00f6rt.\nAn einem hungernden Thiere findet sich in den Organen eine bedeutende Menge von Eiweiss aufgestapelt und doch wird davon t\u00e4glich nur ein kleiner Bruchtheil zerst\u00f6rt, nach meinen Bestimmungen an einem grossen Hund nicht ganz 1 \u00b0/o. Wenn dagegen eine gewisse Portion Eiweiss vom Darm her eintritt, welche h\u00f6chstens 12 \u00b0 o der beim Hunger am K\u00f6rper befindlichen Eiweissquantit\u00e4t betr\u00e4gt, so w\u00e4chst die Eiweisszersetzung ganz unverh\u00e4ltnissm\u00e4ssig und sie wird 15 mal so gross wie beim Hunger. Es ist also der Eiweissverbrauch durchaus nicht proportional der Gesammteiweissmenge im K\u00f6rper, sondern ann\u00e4hernd dem aus dem Darm kommenden Eiweissquantum; das neu eingef\u00fchrte gel\u00f6ste Eiweiss verh\u00e4lt sich ganz 1 anders in Beziehung der Zersetzung wie das in weit gr\u00f6sserer Menge in den Organen abgelagerte Eiweiss, indem es entweder organis\u00e2tes Eiweiss verdr\u00e4ngt oder selbst sehr leicht zersetzlich ist. Vorl\u00e4ufig wollen wir letztere Hypothese bei unseren Betrachtungen annehmen; der Beweis daf\u00fcr wird noch beigebracht werden.\nEs zeigt aber nicht nur das eben aus dem Darm aufgenommene Eiweiss die Eigenschaft der leichten Zersetzbarkeit, sondern auch unter Umst\u00e4nden ein Theil des schon l\u00e4nger im K\u00f6rper befindlichen \u00ab Eiweisses, denn es wird in den ersten Hungertagen so viel Eiweiss zerlegt wie nach reichlicher Eiweissaufnahme, wenn an den dem Hunger vorausgehenden Tagen viel Eiweiss verzehrt worden ist. Es muss daher im K\u00f6rper ein gewisser Vorrath von leicht zersetzlichem Eiweiss vorhanden sein, zu dem das von der Nahrung eingef\u00fchrte hinzukommt; das kann nach dem vorausgehenden nichts anderes sein als das in den S\u00e4ften befindliche gel\u00f6ste Eiweiss.\nIch schliesse also daraus, dass das in den S\u00e4ften circulirende j gel\u00f6ste Eiweiss leicht zersetzlich ist gegen\u00fcber dem an den Organen in viel gr\u00f6sserer Masse abgelagerten organisirten Eiweiss. Die S\u00e4fte stellen stets nur einen kleinen Theil der Organe dar, aber sie enthalten das zersetzbare gel\u00f6ste Eiweiss, welches sie den Organen zur ; Zersetzung zuf\u00fchren. Die Menge der S\u00e4fte oder die Intensit\u00e4t des Saftstroms ist sehr verschieden und damit auch der Eiweissverbrauch ; er ist in der Regel gering beim Hunger, gross nach reichlicher Aufnahme von Eiweiss in der Nahrung, da letzteres in die S\u00e4fte gelangt; alle Umst\u00e4nde, welche den intermedi\u00e4ren Saftstrom vermehren, steigern deshalb auch die Eiweisszersetzung.\nMan k\u00f6nnte dagegen einwenden, es m\u00fcsste, wenn das in den","page":302},{"file":"p0303.txt","language":"de","ocr_de":"Wirkung der Organisation auf den Stoffumsatz.\n303\nS\u00e4ften gel\u00f6ste Eiweiss so leiclit zerlegt w\u00fcrde, der geringe Vorrath desselben beim hungernden Organismus in k\u00fcrzester Zeit zerst\u00f6rt sein, w\u00e4hrend doch der Hunger bis zu 40 Tagen ausgehalten wird und die S\u00e4ftemasse zuletzt immer noch einen bestimmten Theil der Organmasse bildet ; das Eiweiss der am ersten Hungertag im K\u00f6rper befindlichen S\u00e4fte reicht in der That l\u00e4ngst nicht hin den Eiweissverlust zu decken und die Organe haben bis zu 50 % ihres Eiweisses eingeb\u00fcsst. Daraus scheint allerdings auf den ersten Blick hervorzugehen, dass das organisirte Eiweiss in h\u00f6herem Grade dem Zerfall unterliegt als das in den S\u00e4ften gel\u00f6ste. Aber gerade das Verhalten beim Hunger ist ein Hauptbeweis meiner Lehre und widerlegt die Verdr\u00e4ngungshypothese. Das Eiweiss der Organe schmilzt n\u00e4mlich beim Hunger als solches ab, gelangt in L\u00f6sung in den S\u00e4ftestrom und dient dann zur Ern\u00e4hrung anderer Organe z. B. des Gehirns und R\u00fcckenmarkes, der Eierst\u00f6cke und Hoden beim Lachs, der Brustdr\u00fcse u. s. w. oder es wird zersetzt; damit ist dargethan, dass das organisirte Eiweiss als solches nicht zerf\u00e4llt, sondern vielmehr zuerst fl\u00fcssig wird und als unorganisirtes erst zerst\u00f6rt wird.\nDarnach scheint mir Folgendes festzustehen: Die Organe werden von einer Fl\u00fcssigkeit durchstr\u00f6mt, welche ersteren die N\u00e4hrstoffe zuf\u00fchrt; je mehr in diesem S\u00e4ftestrom den Zellen gel\u00f6stes Eiweiss geboten wird, desto mehr wird durch sie bis zu einer gewissen Grenze auch zerlegt. Das Eiweiss der Nahrung gelangt in den S\u00e4ftestrom und vermehrt daher so ziemlich entsprechend die Zersetzung; aber auch beim Hunger circulirt noch ein S\u00e4ftestrom, dessen gel\u00f6stes Eiweiss immer erg\u00e4nzt wird durch abschmelzendes Organeiweiss. Es wird daher nur in den S\u00e4ften gel\u00f6stes Eiweiss unter der Einwirkung der Zehen] zersetzt, und nie organis\u00e2tes. S\u00e4ftestrom und Organe stehen in inniger Wechselwirkung und best\u00e4ndigem Ausgleich mit einander: Das \u00fcbersch\u00fcssig zugef\u00fchrte nicht zersetzte circulirende Eiweiss bleibt nicht einseitig in den S\u00e4ften, sondern vermehrt auch den Eiweissreichthum der Organe, indem es zum Theil organisirt; beim Hunger nimmt im Gegensatz dazu die Ei weissmenge der S\u00e4fte durch Zersetzung ab und nun enthalten die Organe einen Ueberschuss, der fl\u00fcssig wird und in die S\u00e4fte \u00fcbergeht. Ebenso ist es, wenn durch einen Aderlass ein Theil des Eiweisses der S\u00e4fte entzogen\n1 Die Stoffe m\u00fcssen nicht in das Protoplasma der Zellen eindrino-en um zersetzt zu werden, es kann der Zerfall auch an der Oberfl\u00e4che geschehen.0 nIgeli (Abhandl. d. bayr. Acad. Math.-physik. Classe. XIII. S. 75. 1879) hat wenigstens f\u00fcr die Hefezellen darzuthun gesucht, dass die Zersetzung des Zuckers gr\u00f6sstentheils ausserhalb der Zelle erfolgt; die Ursache der G\u00e4hrung ist nach ihm im lebenden Protoplasma der Zellen, aber sie wirkt \u00fcber die Zellen hinaus.","page":303},{"file":"p0304.txt","language":"de","ocr_de":"304 Voit, Allg. Stoffwechsel. 5. Cap. Die Ursachen d. Stoffzersetzg. im thier. Organ.\nwird. Das Verh\u00e4ltniss von Organ- und Saftmenge ist aber nicht immer das n\u00e4mliche, es kann durch bestimmte Umst\u00e4nde sehr verschieden sich gestalten; ein und derselbe Hund zersetzt die gleich grosse Quantit\u00e4t von verzehrtem Fleisch bei reichlich entwickelten Organen oder auch bei einem durch langen Hunger sehr herabgekommenen Zustande, es muss also im letzeren Falle im Verh\u00e4ltniss zur Organmasse viel Saft circuliren oder auch ein gr\u00f6sserer Vorrath von circulirendem Eiweiss vorhanden sein.. Es ist darnach von grosser Bedeutung f\u00fcr die Eiweisszersetzung, wie gross die S\u00e4ftemenge oder der Vorrath des circulirenden Eiweisses ist und ob der Ansatz von Eiweiss am K\u00f6rper als Organeiweiss oder als gel\u00f6stes circulirendes Eiweiss geschieht. In einem fettarmen K\u00f6rper nimmt nur die Menge des letzteren und damit zugleich die Eiweisszerst\u00f6rung zu; unter dem Einfluss des aus der Nahrung aufgenommenen oder : im K\u00f6rper abgelagerten Fettes wird dagegen aus circulirendem Eiweiss Organeiweiss gebildet und deshalb weniger Eiweiss zerst\u00f6rt, wie noch weiter aus den folgenden Betrachtungen erhellen wird. Nur aus dem von Vierordt nachgewiesenen relativ gr\u00f6sseren S\u00e4ftestrom bei kleineren Thieren l\u00e4sst sich erkl\u00e4ren, warum die Organe der letzteren verk\u00e4ltnissm\u00e4ssig mehr Eiweiss zersetzen.\nEs ist noch durch andere Versuche direkt nachgewiesen worden, dass das in den Organen befindliche Eiweiss als solches nicht dem * Zerfall unterliegt, wohl aber das in den S\u00e4ften gel\u00f6ste, und zwar durch die Untersuchung des Eiweissumsatzes nach Injektion von defibrinirtem Blut und Blutserum in die Gef\u00e4sse. Worm M\u00fcller1 2 und Ponfick 2 hatten schon bei ihren Bluttransfusionen gefunden, dass injicirtes Blut derselben Thierart sich im K\u00f6rper l\u00e4ngere Zeit erh\u00e4lt, also nicht alsbald zerst\u00f6rt wird. Nach den Versuchen von Tschiriew3 zeigte sich bei Einspritzung von Blutserum eine deutliche Vermehrung der Harnstoffmenge, keine jedoch bei Einspritzung j von Blut. Zu gleicher Zeit hat J. Forster4 in tadelloser Weise auf das Sicherste erwiesen, dass wenn man einem hungernden, in gleich-m\u00e4ssiger Harnstoffausscheidung befindlichen Hunde Blut einspritzt, die Harnstoffmenge unver\u00e4ndert bleibt, dass dagegen bei Einspritzung , von Blutserum eine dem Eiweissgehalt desselben entsprechende Harnstoffsteigerung erfolgt. Das Gleiche schloss Landois5 aus seinen Ver-\n1\tWorm M\u00fcller. Arbeiten aus cl. physiol. Anstalt zu Leipzig. S. Jahrg. S. 159.\n2\tPonfick, Arch. f. pathol. Anat. LXII. S. 273.\n3\tTschiriew, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. Math.-physik. Cl. 1ST4. S. 441.\n4\tJ. Forster. Sitzgsber. d. bayr. Acad.1875. 3. Juli. S. 206.\n5\tLandois, Deutsche Ztschr. f. Chir. IX. S. 457. 187$.","page":304},{"file":"p0305.txt","language":"de","ocr_de":"Wirkung der Organisation auf den Stoffumsatz.\n305\nsuchen: auch nach ihm bleiben die Blutk\u00f6rperchen des injicirten Bluts l\u00e4ngere Zeit intakt, das Serum wird aber rasch zerst\u00f6rt.\nBei F\u00fctterung mit Knochen findet sich im Harn weniger Kalk als beim Hunger; man kann dies nur so erkl\u00e4ren, dass im ersteren Fall das Ossein der Knochen zersetzt wird, im letzteren aber Organ-eiweiss, bei dessen Zerfall auch der damit verbundene Kalk frei und ausgeschieden wird. Bei Salzhunger und Zufuhr der organischen Nahrungsstoffe ist ferner, entsprechend dem vorigen Beispiel, eine geringere Menge Asche im Harn enthalten wie beim Hunger, da nach Aufnahme von salzfreiem Eiweiss dieses letztere zerst\u00f6rt wird ; w\u00fcrde dabei Organeiweiss zu Grunde gehen und das neu aufgenommene Eiweiss daf\u00fcr angesetzt werden, so m\u00fcsste wie beim Hunger viel mehr Asche frei werden und ein Theil davon in den Harn \u00fcbergehen.1\nDadurch ist eine der f\u00fcr das Verst\u00e4ndniss der Stoffwechselvorg\u00e4nge im thierischen Organismus wichtigsten Thatsachen entschieden. Ein Theil der Nahrungsstoffe wird unzweifelhaft in den Zellen direkt zerst\u00f6rt, ohne dass sie zur organisirten Form geworden sind, so z. B. der Leim (siehe S. 318), das Fett, der Zucker. Es ist von vorn herein nicht einzusehen, warum das aus der Nahrung stammende gel\u00f6ste Eiweiss sich ganz anders verhalten und nicht ebenfalls wie erstere zersetzt werden sollten; dies ist nun auch wirklich der Fall: das circulirende Eiweiss sch\u00fctzt vor Allem das Organeiweiss vor dem Untergang.2 Bei der Hefezelle finden sich ganz \u00e4hnliche Verh\u00e4ltnisse gegen\u00fcber dem Zersetzungsmaterial ; das in ihr abgelagerte Kohlehydrat, die in Wasser unl\u00f6sliche Cellulose, entspricht dem Organeiweiss, der in der umgebenden Fl\u00fcssigkeit gel\u00f6ste Traubenzucker dem circulirenden Eiweiss. Es wird Niemand behaupten wollen, dass der Alkohol und die Kohlens\u00e4ure von der Cellulose zu Grunde\n1\tMan k\u00f6nnte zwar dagegen einwenden, es werde die durch den Untergang des Organisirten frei gewordene Asche beim Salzhunger alsbald wieder zum Aufbau verwendet. Wir wissen aber, dass die freigewordene Asche sich zum Theil der Wiederverwendung entzieht; denn bei Einschaltung eines Hungertages w\u00e4hrend des Salzhungers wird mehr Asche ausgeschieden, d. h. die aschearmen Organe sind nicht im Stande das beim Hunger frei gewordene Salz vollst\u00e4ndig zur\u00fcckzuhalten.\n2\tIch kann noch eine Erfahrung daf\u00fcr beibringen. Beim Hunger wird Kreatin und Kreatinin im Harn ausgeschieden, von der zerst\u00f6rten Muskelsubstanz herr\u00fchrend. Giebt man Eiereiweiss ohne Kreatin, so wird wesentlich weniger Kreatin im Harn gefunden. Will man nun nicht annehmen, dass die Muskelsubstanz auch bei Eiereiweisszufuhr zerst\u00f6rt worden ist, und das darin enthaltene Kreatin nicht ausgeschieden. sondern immer wieder beim Aufbau neuer Muskelsubstanz aus dem Eiereiweiss verwendet wrnrden ist, so bleibt kein anderer Schluss \u00fcbrig als der, dass das Eiereiweiss das Organisirte vor der Zersetzung bewahrt hat (Voit, Ztschr. f. Biologie. IV. S. 109. 1868).\nHandbuch der Physiologie. Bd. VI.\n20","page":305},{"file":"p0306.txt","language":"de","ocr_de":"306 Voit, Allg. Stoffwechsel. 5. Cap. Die Ursachen d. Stoffzersetzg. im thier. Organ.\ngegangener Zellen stamme und der Traubenzucker nur dazu diene, die Cellulose f\u00fcr junge Zellen zu liefern; wir sagen vielmehr, die Hefezellen besitzen die F\u00e4higkeit den in der umsp\u00fclenden Fl\u00fcssigkeit befindlichen und mit ihr in Ber\u00fchrung kommenden Zucker zu zerlegen, wenn auch bei Nichtzufuhr von Zucker die Cellulose der Hefezelle l\u00f6slich wird und zerf\u00e4llt wie das Organeiweiss eines h\u00f6heren Organismus beim Hunger. Auch hier muss der Zucker zu jeder Zelle gef\u00fchrt werden und eine Circulation gegeben sein, denn durch einen dichten, am Boden gelagerten Brei von Hefezellen wird nur wenig Zucker zerlegt, viel jedoch durch in der Fl\u00fcssigkeit bewegte Zellen.\nWegen der so h\u00f6chst auffallenden Steigerung der Eiweisszersetzung nach Resorption von Eiweiss aus dem Darme haben alle Physiologen gef\u00fchlt, dass das resorbirte Eiweiss sich im K\u00f6rper besonders verhalten m\u00fcsse ; man hat sich nur verschiedene Erkl\u00e4rungen von dieser Thatsache gemacht. Die Anh\u00e4nger der Lehre von der Luxusconsumption haben, wie schon angegeben, gerade weil sie keine Ursache f\u00fcr die Zunahme des Umsatzes nach Aufnahme von Eiweiss finden konnten, die Verbrennung des Ueberschusses im Blute und zwei Arten der Eiweisszersetzung angenommen. Hoppe-Seyler und Pfl\u00fcger trennen ebenfalls, wie ich, das Eiweiss der S\u00e4fte oder das circulirende Eiweiss von dem organisirten oder lebendigen Eiweiss, nur lassen sie nicht ersteres, sondern das letztere zu Grunde gehen, was mir aus bestimmten Gr\u00fcnden unrichtig zu sein scheint. Im geraden Gegensatz dazu und meiner Anschauung sich mehr ann\u00e4hernd, glaubt Fick1 2 jene Thatsache nur erkl\u00e4ren zu k\u00f6nnen, wenn zwei in ungleichem Grade zersetzliche Substanzen vorliegen ; da er nun mit Goldstein 2 nach Einspritzen von Peptonl\u00f6sungen ins Blut nach kurzer Zeit eine entsprechende Vermehrung der Harnstoffausscheidung gefunden hatte, so nahm er, wie schon Br\u00fccke, an, dass das aus dem Darme in der Form von Pepton aufgenommene Eiweiss viel leichter zerfalle als das in geringer Menge resorbirte, nicht peptonisirte, oder das im K\u00f6rper schon vorhandene gew\u00f6hnliche Eiweiss und deshalb stets v\u00f6llig zerst\u00f6rt werde.3 Fick unterscheidet demnach als in verschiedenem Grade zersetzlich das gew\u00f6hnliche Eiweiss und das Pepton; ich dagegen das gel\u00f6ste und das organisirte Eiweiss. Fick\u2019s Erkl\u00e4rung f\u00fcr die reichliche Eiweisszersetzung nach Eiweissaufnahme kann nicht richtig sein; das Pepton ist gewiss sehr leicht zersetzlich, aber es muss auch ausser ihm gew\u00f6hnliches unver\u00e4ndertes Eiweiss in grosser Menge zerfallen k\u00f6nnen, denn man sieht beim Hunger, also ohne Gegenwart von Pepton, wenn durch die vorausgehende F\u00fctterung ein hoher Eiweissstand am Thier erreicht worden ist, ebensoviel Eiweiss zu Grunde gehen als bei bedeutender Eiweisszufuhr zum\n1\tFick, Arch. f. d. ges. Physiol. V. S. 40. 18 < 1.\n2\tGoldstein, Verhandl. d. W\u00fcrzburger physik.-med. Ges. JN. r . 11. b. b2;\n3\tNach denjenigen, welche das aus dem Darm resorbirte Pepton in den S\u00e4ften wieder in Eiweiss sich zur\u00fcckverwandeln lassen, muss umgekehrt das Pepton schwerer zersetzlich sein als das gew\u00f6hnliche Eiweiss.","page":306},{"file":"p0307.txt","language":"de","ocr_de":"'Wirkung der Organisation auf den Stoffumsatz.\n307\nDarm. Das Gleiche geht auch aus der raschen Zersetzung von in die Venen eingespritzten Eiweissl\u00f6sungen z. B. von Blutserum hervor (Tschi-riew, Forster). W\u00fcrde das Eiweiss vorz\u00fcglich als Pepton resorbirt und dieses, wie Fick meint, alsbald wieder zerst\u00f6rt werden, so w\u00e4re die Wirkung mancher die Eiweisszersetzung hemmender Einfl\u00fcsse nicht verst\u00e4ndlich : es bliebe nur die unwahrscheinliche Annahme \u00fcbrig, dass durch sie im Darm weniger Pepton erzeugt und mehr unver\u00e4ndertes Eiweiss aufgenommen wird.\nIn anderer Weise sucht Fraenkel1 die vorliegende Thatsache zu erkl\u00e4ren. Er meint, es werde im Thierk\u00f6rper kein lebendes, sondern nur abgestorbenes eiweisslialtiges Material zersetzt: die Menge des letzteren, sei es von aussen eingef\u00fchrt oder im K\u00f6rper entstanden, bestimme die Gr\u00f6sse des Umsatzes. Der Unterschied in der Zersetzlichkeit von todtem und lebendem Eiweiss beruht nach ihm in Differenzen der chemischen Constitution beim Eingehen des Eiweisses in die organisirte Form. Beim Hunger stirbt nach ihm lebendiges Gewebe ab z. B. rothe Blutk\u00f6rperchen ; Injection von lebendigem Blut macht desshalb keine gr\u00f6ssere Zersetzung, wohl aber die von todtem Serum. Er constatirt also, wie ich, einen Unterschied in der Zersetzlichkeit von Organeiweiss und gel\u00f6stem circulirendem Eiweiss ; er nennt nur ersteres das lebende Eiweiss2, letzteres das abgestorbene. Fraenkel ist daher in nichts in Widerspruch mit meiner Anschauung. Er meint allerdings, es w\u00e4re nicht bewiesen, dass die Bedingungen der Zersetzung in den Zellen sich finden und darin (oder daran) das leicht zersetzliche circulirende Eiweiss zerst\u00f6rt wird; er will aber doch gewiss nicht annehmen, dass das todte Eiweiss in den S\u00e4ften ohne Wirkung der Zellen, deren Bedeutung f\u00fcr die Zersetzung sicher dargethan ist, zerf\u00e4llt. Nach Fraenkel ist nun der Mangel an Sauerstoff bei pathologischen Processen ein Moment, durch welches ein Absterben in den Geweben in weiterem Umfang eintritt, denn vom Sauerstoff' sei die Lebensf\u00e4higkeit aller Organe im h\u00f6chsten Grade abh\u00e4ngig. Es findet sich aber bei jenen pathologischen Vorg\u00e4ngen kein eigentlicher Mangel an Sauerstoff, denn bei wirklichem Mangel tritt bald der Tod ein; es ist nur eine gr\u00f6ssere Anstrengung n\u00f6thig, den in normaler Menge aufgenommenen Sauerstoff zuzuf\u00fchren (S. 224). Ich nehme ebenfalls beim Hunger ein Einschmelzen von Organeiweiss zu l\u00f6slichem Eiweiss (oder ein Absterben nach Fraenkel) an, welches durch allerlei Einfl\u00fcsse gesteigert werden kann ; es ist mir aber aus dem angegebenen Grunde nicht wahrscheinlich, dass der Sauerstoffmangel als solcher eine Ursache dieses Einschmelzens ist, ich meine vielmehr aus jenem Grunde, es werde dasselbe nicht durch den Sauerstoffmangel als solchen, sondern durch andere mit diesen pathologischen Vorg\u00e4ngen verbundene Einfl\u00fcsse bewirkt.\nMan vermag ausserdem nicht einzusehen, warum bei Sauerstoffmangel, der doch den ganzen K\u00f6rper und alles Eiweiss desselben trifft, die Ei-\n1\tFraenkel, Arch. f. pathol. Anat. LXVII. S. 273. 1876; Centralbl. f. d. med. Wiss. 1875. No. 44.\n2\tDas Eiweiss als solches ist nicht lebend, sondern die aus verschiedenen Stoffen, darunter auch aus Eiweiss, aufgebauten Formen zeigen die Lebenserscheinungen.\n20*","page":307},{"file":"p0308.txt","language":"de","ocr_de":"308 \"V oit, Allg. Stoffwechsel. 5. Cap. Die Ursachen d. Stoffzersetzg. im thier. Organ.\nweisszersetzung nur so wenig h\u00f6her ausfallen, d. h. warum nur so wenig lebendiges Eiweiss in todtes \u00fcbergehen soll.\nE. Oertmann1 2 hat geglaubt, es m\u00fcsste nach meiner Lehre vom cir-culirenden Eiweiss bei Entziehung von Blut ein starkes Sinken des Stoffwechsels eintreten. Er fand aber dagegen bei entbluteten Fr\u00f6schen in den Athemgasen nicht weniger Sauerstoff und Kohlens\u00e4ure und schloss daraus, der Stoffwechsel gehe bei ihnen mit derselben Intensit\u00e4t weiter und finde zum \u00fcberwiegend gr\u00f6ssten Theil, wo nicht ganz an fest in den Geweben gebundenen Substanzen statt. Ebenso hat Dittm. Finkler 2 nach Aderl\u00e4ssen und bei bedeutender Aenderung der Str\u00f6mungsgeschwindigkeit des Blutes keine Aenderung des Gaswechsels oder der Oxydationsprocesse gesehen. Die beiden haben aber nicht den Stoffwechsel bestimmt, sondern nur einen Theil desselben; es k\u00f6nnte sehr wohl ein geringerer Ei-weisszerfall gegeben sein ohne Aenderung des Gaswechsels; ferner ist der Umsatz des Eiweisses nach einem Aderl\u00e4sse aus schon angegebenen Gr\u00fcnden sogar gr\u00f6sser als vorher, und endlich verhalten sich Fr\u00f6sche, welche in ihren Lymphr\u00e4umen einen ansehnlichen Vorrath von verwendbarem circulirendem Eiweiss besitzen und daher von der neuen Zufuhr unabh\u00e4ngiger sind, anders als die S\u00e4ugethiere.3\n2. Die Masse und Leistungsf\u00e4higkeit der Zellen, sowie die Qualit\u00e4t und Quantit\u00e4t des ihnen zugef\u00fchrten Zersetzungsmaterials bestimmen\nden Umsatz.\nNach den vorausgehenden Darlegungen enthalten also die Zellen des thierischen Organismus die Ursachen und Bedingungen des Zerfalls; es werden durch sie nur gel\u00f6ste unorganisirte Stoffe zersetzt und wenn wir Organis\u00e2tes verschwinden sehen, so m\u00fcssen die dasselbe aufbauenden Stoffe vorerst in gel\u00f6ste \u00fcbergehen und in den S\u00e4ftestrom gelangen. Bei dem gleichen den Zellen zugef\u00fchrten Material treten, da die Organe verschieden gebaut und zusammengesetzt sind, verschiedene Zerfallsprodukte auf; jede Zelle tr\u00e4gt nach Maassgabe ihrer stofflichen Th\u00e4tigkeit ihren Theil zum ganzen Verbrauch bei. Die Masse und Leistungsf\u00e4higkeit der stofflich th\u00e4tigen Zellen einerseits und die Qualit\u00e4t und Quantit\u00e4t des den Zellen zugef\u00fchrten Verbrauchsmaterials andererseits, bestimmen demnach den Stoffumsatz ; die Zellen verm\u00f6gen aber nur bis zu einer gewissen \u00e4ussersten Grenze th\u00e4tig zu sein, \u00fcber die hinaus auch bei weiterer Zufuhr nicht mehr zersetzt werden kann.\nDem Gesagten entsprechend ger\u00e4th bei einer gr\u00f6sseren Masse (Zahl und Volum) der Zellen unter sonst gleichen Umst\u00e4nden mehr in Zerfall, denn beim Hunger wird dabei mehr von dem Zellinhalt\n1\tOertmann, Arch. f. d. ges. Physiol. XV. S. 397. 1877.\n2\tDittm. Finkler, Ebenda. X. S. 252 u. 368. 1875.\n3\tVoit, Ztschr. f. Biologie. XIV. S. 141. 1878.","page":308},{"file":"p0309.txt","language":"de","ocr_de":"Wirkung der Organisation auf den Stoffumsatz.\n309\nund den Zellen fl\u00fcssig, bei Erhaltung des K\u00f6rpers muss mehr Nahrungsmaterial zugef\u00fchrt werden. Deshalb zeigt im Allgemeinen ein grosser Organismus einen bedeutenderen Stoffumsatz als ein kleiner. Ein kleines Thier kann allerdings unter Umst\u00e4nden ebensoviel verbrauchen wie ein grosses, ein Hund von 8 Kilo z. B. 1000 Grm. Fleisch zersetzen wie ein solcher von 40 Kilo, aber letzterer vermag im Maximum mehr Fleisch zu bew\u00e4ltigen: das Maximum des Stoffverbrauchs eines Organismus wird unter sonst gleichen Umst\u00e4nden durch die Masse der Zellen desselben festgestellt, \u00e4hnlich wie mehr Hefezellen bei gen\u00fcgender Zuckerl\u00f6sung mehr Alkohol und Kohlens\u00e4ure liefern. Wegen der allm\u00e4hlichen Abnahme des Volums der Zellengebilde und auch theilweise der Zahl der Zellen nimmt beim Hunger die Zersetzung unter sonst gleichen Verh\u00e4ltnissen ab; bei einer Zunahme derselben wird sie gr\u00f6sser.\nEs kommt aber nicht nur auf die Masse der th\u00e4tigen Zellen an, sondern auch auf ihre Beschaffenheit. Sowie man im Stande ist durch allerlei Agentien auf die F\u00e4higkeit der Hefezellen, Zucker zu zerlegen, einzuwirken, so k\u00f6nnen auch die Zellen des zusammengesetzten h\u00f6heren Organismus in verschiedene Zust\u00e4nde versetzt werden, bei denen die Bedingungen f\u00fcr den Stoffzerfall g\u00fcnstiger oder ung\u00fcnstiger sich gestalten. Durch Zusatz von etwas Chlornatrium, Chlorkalium, Nicotin, durchW\u00e4rme u. s. w. wird die G\u00e4hrung durch Hefe oder die F\u00e4ulniss durch die Spaltpilze beschleunigt, durch Strychnin anfangs erh\u00f6ht und sp\u00e4ter vermindert, durch Chinin, Blaus\u00e4ure, Morphium, arsenige S\u00e4ure, Chloroform, K\u00e4lte u. s. w. unterdr\u00fcckt.1 In derselben Weise wirken auch auf die Th\u00e4tigkeit der Zellen des Thierk\u00f6rpers manche Einfl\u00fcsse direkt ein.\nBei Abk\u00fchlung der Zellen nimmt der Umsatz und zwar der des Eiweisses und des Fettes ab, wie namentlich der \u00e4usserst geringe Verbrauch im schlafenden Murmelthier zeigt; Kaltbl\u00fcter verbrauchen zum Theil deshalb weniger als Warmbl\u00fcter. Die Erw\u00e4rmung der Zellen macht dagegen eine vermehrte Zersetzung des Eiweisses, jedoch wahrscheinlich eine geringere des Fettes.2 Abk\u00fchlung und Erw\u00e4rmung wirken auf die Bedingungen des Stoffzerfalls in den Zellen\n1\tBucholtz, Ueber das Verhalten der Bakterien zu einigen Antisepticis. Diss. inaug. Dorpat 1876. \u2014 K\u00fchn, Ein Beitrag zur Biologie der Bakterien. Diss. inaug. Dorpat 1879. \u2014 Werncke, Ueber die Wirkung einiger Antiseptica und verwandter Stoffe auf Hefe. Diss. inaug. Dorpat 1S79. \u2014 Liebig, Sitzgsber. d. bayr. Acad. Math.-physik. Classe. II. S. 405. 1869.\n2\tHier handelt es sich wahrscheinlich um die Wirkung zweier Momente, um eine Erh\u00f6hung der F\u00e4higkeit der Zellen, Stoffe zu zerlegen und sp\u00e4ter um ein reichlicheres Abschmelzen von Organeiweiss.","page":309},{"file":"p0310.txt","language":"de","ocr_de":"310 Voit. iUlg. Stoffwechsel. 5. Cap. Die Ursachen cl. Stofifzersetzg. im thier. Organ.\nein, zum Tlieil auch auf die Zersetzlichkeit des Materials, da alle Zersetzungen bei h\u00f6herer Temperatur leichter vor sich gehen.\nDas Chinin wirkt offenbar ebenfalls direkt auf die Eigenschaften der Zellen des Thierk\u00f6rpers, wenn es den Eiweissumsatz nicht unwesentlich herabsetzt und zwar in \u00e4hnlicher Weise wie es auch die Wirkung der Hefezellen auf Zucker hemmt. In der gleichen Weise wie das Chinin bringt der Alkohol in massigen Dosen die Depression in dem Umsatz von Eiweiss und Fett hervor.\nGewisse Agentien greifen tiefer ein: anfangs wirken sie wohl herabsetzend auf den Stoffumsatz, sp\u00e4ter bringen sie dadurch, dass sie die Organisation zerst\u00f6ren und Organeiweiss fl\u00fcssig machen, einen gr\u00f6sseren Eiweisszerfall hervor, vermindern aber meist den Fettumsatz durch Verminderung der F\u00e4higkeit der Zellen, Stoffe zu zersetzen. Dahin geh\u00f6ren die Vorg\u00e4nge bei der Phosphorvergiftung, dem Fieber, der Zuckerharnruhr, bei tiefen Respirationsst\u00f6rungen, Einathmung von Kohlenoxydgas. Alle diese Processe stimmen darin \u00fcberein, dass bei ihnen das Organeiweiss in gr\u00f6sserem Maasse als normal beim Hunger zu Grunde geht und auch bei reichlicher Eiweisszufuhr angegriffen wird.\nDie Muskelarbeit ist von gewaltigem Einfluss auf den Umsatz, indem sie die F\u00e4higkeit der Stoffzersetzung in den Muskeln erh\u00f6ht. Diese Wirkung, sowie die des Lichtes, der K\u00e4lte und anderer sensibler Reize kann nur darauf beruhen, dass unter der Einwirkung der Nerven, d. k. bei der Aenderung der Lagerung der kleinsten Theilchen der Muskelfasern die Bedingungen f\u00fcr den Zerfall der Stoffe g\u00fcnstiger sich gestalten. Da dabei nicht wesentlich mehr stickstoffhaltiges Material den Zellen geboten wird, so bleibt der Eiweissumsatz nahezu unver\u00e4ndert, der Verbrauch des im Vorrath vorhandenen Fettes muss aber dann bedeutend zunehmen.\nOb die Zellen junger Thiere in h\u00f6herem oder geringerem Grade die Eigenschaft, Stoffe zu zerlegen besitzen als die alter Thiere, ist nicht bekannt. Man sollte denken, dass die jungen Zellen leistungskr\u00e4ftiger sind; es wird auch ziemlich allgemein bei j\u00fcngeren Organismen ein lebhafterer Stoffwechsel angenommen als bei alten. Aber es ist schwer hier\u00fcber einen Entscheid zu treffen; man kann nicht gut an demselben Thier in der Jugend und im Alter untersuchen, da im j\u00fcngeren Organismus noch andere Momente mitwirken. Derselbe enth\u00e4lt n\u00e4mlich eine geringere Organmasse und ist meist \u00e4rmer an Fett und dadurch verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig reicher an Eiweiss; es scheint in ihm ferner relativ mehr Blut und Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit vorhanden zu sein und er besitzt in hohem Grade die F\u00e4higkeit, wie sp\u00e4ter","page":310},{"file":"p0311.txt","language":"de","ocr_de":"311\nWirkung der Organisation auf den Stoffumsatz.\nnoch besprochen werden wird, aus circulirendem Eiweiss Oiganei-weiss zum Ansatz zu bringen. Darnach hat es fast den Anschein, als ob die jungen Zellen des noch nicht ausgewachsenen Thiers weniger zu zersetzen verm\u00f6gen, aber die Zellen eines eben ausgewachsenen mehr als die eines alten.\nDie haupts\u00e4chlichsten Aenderungen im Stoffwechsel werden aber hervorgerufen durch die Verschiedenheiten in der Qualit\u00e4t und Quan tit\u00e4t des Verbrauchsmaterials, welches den Zellen durch die S\u00e4fte-circulation zugef\u00fchrt wird. Es handelt sich dabei voiz\u00fcglich um die Menge des durch den Saftstrom dargebotenen Eiweisses,. aber auch um die zugleich vorhandenen stickstofffreien Stoffe. Bei nie deren Thieren z. B. Fr\u00f6schen, welche weniger abh\u00e4ngig von der best\u00e4ndigen Zufuhr von frischer Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit und Sauerstoff, sowie von der stetigen Wegfuhr der Zersetzungsprodukte sind, kann ohne Circulation das in den Gewebsmaschen vorhandene Material f\u00fcr l\u00e4ngere Zeit zu allen Verrichtungen ausreichen; bei den h\u00f6heren Thieren und beim Menschen muss unabl\u00e4ssig zu dem genannten Zwecke eine Circulation stattfinden. Die Bedeutung der regelm\u00e4ssigen Saftstr\u00f6mung und Ern\u00e4hrung wird trefflich illustrirt durch den Stillstand im Wachsthum der N\u00e4gel und Haare beim Hunger.\nBei gr\u00f6sserer Zufuhr von Eiweiss w\u00e4chst der Verbrauch an diesem Stoff, w\u00e4hrend der Umsatz des Fettes bei vermehrter Aufnahme desselben sich nicht wesentlich \u00e4ndert. Wenn daher durch eine intensivere Saftcirculation, ohne dass mehr Eiweiss aus dem Darme aufgenommen wird, die Theilchen der Eiweissl\u00f6sung \u00f6fter an den Zellen vor\u00fcbergef\u00fchrt werden, so muss der Verbrauch des Eiweisses erh\u00f6ht sein, der des Fettes aber nahezu gleich bleiben. Von dem intensiveren Saftstrom r\u00fchrt unzweifelhaft die gr\u00f6ssere Eiweisszersetzung nach Aufnahme reichlicher Wassermengen, sowie von Kochsalz, Borax, Salmiak und anderen Alkalisalzen her. Dass die raschere Circulation aus dem angegebenen Grunde von Einfluss auf die Zersetzung ist, zeigt auch der verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig gr\u00f6ssere Eiweissumsatz neben dem relativ fast gleichen Fettumsatz bei kleinen Thieren, sowohl beim Hunger als auch bei eben zureichender Nahiung, es l\u00e4sst sich durchaus kein anderer Grund finden, warum die gleiche Masse des kleinen Thiers mehr Eiweiss verbraucht als die von Vier-ordt gefundene, fr\u00fcher schon hervorgehobene Thatsache, dass die in einer gewissen Zeit durch die Gewichtseinheit Organ getriebene Blutmenge beim kleinen Thier viel bedeutender ist als beim grossen.\nWir gehen nun daran die bei verschiedener Zufuhr von Ern\u00e4hrungsmaterial stattfindenden Zersetzungen zu erkl\u00e4ren.","page":311},{"file":"p0312.txt","language":"de","ocr_de":"312 Voit, Allg, Stoffwechsel. 5. Cap. Die Ursachen cl. Stoffzersetzg. im thler. Organ.\nBei dem Hunger zerf\u00e4llt vorz\u00fcglich Eiweiss und Fett. Das Ei-weiss der bei Beginn des Hungers vorhandenen S\u00e4fte reicht, wie vorher gesagt, nicht hin den bei l\u00e4ngerer Inanition ausgeschiedenen Stickstoff zu decken ; letzterer r\u00fchrt zum weitaus gr\u00f6ssten Theil von dem in den Organen abgelagerten organisirten Eiweiss her, von welchem bis zu 50 % zu Verlust gehen kann. Das Fett wird von den Reservoiren desselben im Unterhautzellgewebe, im Mesenterium u. s. w. weggenommen.\nDas Organeiweiss wird beim Hunger nicht als solches an Ort und Stelle im Muskel und den Organen zerst\u00f6rt, sondern es wird zuerst fl\u00fcssig und gelangt in den S\u00e4ftestrom, durch den es dann an andere Zellen gef\u00fchrt und in Zerfall gebracht wird ; das im hungernden Organismus befindliche S\u00e4fteeiweiss ist abgeschmolzenes Organeiweiss. Ich schliesse dieses Abschmelzen aus den schon fr\u00fcher bei Betrachtung des Hungers (S. 98) angegebenen Thatsachen. Die Organe hungernder Thiere nehmen nicht gleichm\u00e4ssig an Masse ab ; die einen wie z. B. die willk\u00fcrlich beweglichen Muskeln verlieren 42 \u00b0/o ihres urspr\u00fcnglichen Gewichtes, die anderen, der Herzmuskel und namentlich das Gehirn und R\u00fcckenmark erleiden kaum einen Verlust; will man also nicht die sehr unwahrscheinliche Hypothese machen, dass diese so \u00fcberaus th\u00e4tigen Organe wirklich gar keinen Stoff einb\u00fcssen, so bleibt nichts anderes \u00fcbrig, als ein Fl\u00fcssigwerden von Organeiweiss, d. i. eine Umwandlung des letzteren in gel\u00f6stes circulirendes Eiweiss anzunehmen, welches theil weise f\u00fcr andere leistende Organe zum Ern\u00e4hrungsmaterial wird. Das Gleiche findet statt, wenn von den Br\u00fcsten hungernder M\u00fctter noch Milch abgesondert wird, deren Volum das der Dr\u00fcse weit \u00fcbertrifft, oder wenn beim Hunger Neubildungen wachsen. Diese Versorgung gewisser Theile mit Stoff auf Kosten anderer Theile lehrt auch die schon ber\u00fchrte Erfahrung, dass bei einem mit kalkarmem Futter ern\u00e4hrten Thier die zur St\u00fctze des K\u00f6rpers dienenden Knochen, z. B. die Beinknochen, kaum abnehmen, dagegen andere Knochen, wie das Brustbein oder der Sch\u00e4del zu d\u00fcnnen durchsichtigen Pl\u00e4ttchen werden; der aus den S\u00e4ften zu Verlust gegangene Kalk wird erg\u00e4nzt aus dem Kalk der Knochen, aber in gewissen Knochen zum Theil wieder abgelagert. Am schlagendsten ist jedoch das von Miescher beigebrachte Beispiel. Die Rheinlachse entwickeln ihre Geschlechtsorgane w\u00e4hrend eines 6\u20149 lk monatlichen Hungers bis zu einer enormen Gr\u00f6sse und zwar auf Kosten der Stoffe der Rumpfmuskeln; dieser Process nimmt so bedeutende Dimensionen an, dass zur Laichzeit ein volles Dritttheil aller festen Bestandtheile des K\u00f6rpers im Eierstock angesammelt ist. Das ver-","page":312},{"file":"p0313.txt","language":"de","ocr_de":"Wirkung der Organisation auf den Stoffumsatz.\n313\nfl\u00fcssigte Eiweiss der Rumpfmuskeln wird durch die sich entwickelnden Geschlechtsorgane zum gr\u00f6ssten Theil in Beschlag genommen und vor der Zerst\u00f6rung gerettet.\nWas ist nun die Ursache der Liquidation des Eiweisses, des Verschwindens des Fettes aus den Fettzellen, des Uebergangs des Kalks der Knochen in die S\u00e4fte? Die in ihrem Ern\u00e4hrungszustand von einander abh\u00e4ngigen Organe und S\u00e4fte des K\u00f6rpers befinden sich in einem stofflichen Gleichgewichtszustand, sie gleichen sich gegenseitig aus. Bei voller Ern\u00e4hrung wird das \u00fcbersch\u00fcssige circulirende Eiweiss zu Organeiweiss ; um dieses letztere zu erhalten, muss man dauernd jene gr\u00f6ssere Eiweissmenge darreichen, denn wenn man es nicht thut, wird das angesetzte Organeiweiss wieder fl\u00fcssig und zersetzt. Ebenso ist ein Ueberschuss von Fett in den S\u00e4ften zur F\u00fcllung der Fettzellen n\u00f6thig und von Kalk zur Ablagerung desselben an den Knochen; enthalten die S\u00e4fte weniger Fett und Kalk, so wird das Fett aus den Fettzellen, der Kalk aus den Knochen ersetzt. Wenn also beim Hunger ein Theil des Eiweisses und des Fettes der S\u00e4fte zerst\u00f6rt, oder ein Theil des Kalkes derselben durch Harn und Koth entfernt wird, so ist ein Missverh\u00e4ltniss zwischen S\u00e4ften und Organen gegeben, die Organe k\u00f6nnen nicht einseitig ihren relativ h\u00f6heren Stand an Eiweiss, Fett oder Kalk erhalten, sie geben an die S\u00e4fte die betreffenden Stoffe ab, um den Gleichgewichtszustand herzustellen, der aber alsbald wieder gest\u00f6rt wird. Dieser stoffliche Ausgleich zwischen Organen und S\u00e4ften tritt in besonders hohem Grade bei Blutentziehungen hervor; da die Organe sich einer gewissen Menge von Blut und Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit adaptirt haben, so m\u00fcssen nothwendig die Organe nach einer ausgiebigen Blutentziehung Substanz von sich abgeben; es wird Organeiweiss gel\u00f6st, in den S\u00e4ftestrom aufgenommen und dann theilweise zersetzt, theilweise zur Herstellung von Blutplasma und Blutk\u00f6rperchen verwendet.1 Bei dem Rheinlachs wird die Liquidation der Rumpfmusculatur ebenfalls durch Auftreten eines Missverh\u00e4ltnisses zwischen diesen Muskeln und dem ihnen zufliessenden Ern\u00e4hrungsmaterial hergestellt; die vorher reichlichst ern\u00e4hrten Rumpfmuskeln erhalten weniger Blut zugef\u00fchrt, wodurch in Folge des Ausgleichs eine Abnahme derselben stattfinden muss.'2\n1\tNach Buntzen (s. S. 99) ist nach mittelm\u00e4ssigen Blutverlusten das Volum des gesammten Blutes in einigen Stunden v\u00f6llig restitu\u00e2t; nach starken Aderl\u00e4ssen vergehen 24\u201448 Stunden bis zur Restitution der urspr\u00fcnglichen Blutmenge.\n2\tDie geringe Blutzufuhr zu den Rumpfmuskeln und das Sinken des Blut-\ndruckes wird nach Miescher\u2019s Beobachtungen anfangs durch eine Erweiterung\nder Blutgef\u00e4sse der Milz, welche zeitweise V4\u201c1/3 der ganzen Blutmenge zur\u00fcck-","page":313},{"file":"p0314.txt","language":"de","ocr_de":"314: Voit, Allg. Stoffwechsel. 5. Cap. Die Ursachen d. Stoffzersetzg. im thier. Organ.\nDie Zellen sind, je nach ihrer Masse und Leistungsf\u00e4higkeit, im Stande, eine bestimmte Menge von Stoff zu zerlegen. Das Zersetzungsmaterial des hungernden Organismus besteht in gel\u00f6stem Ei-weiss und in Fett. Kein Stoff (ausser Leim und Pepton) wird im K\u00f6rper leichter in die n\u00e4chsten Produkte gespalten als das Eiweiss: es wird w\u00e4hrend des Lebens best\u00e4ndig zersetzt und es ist der einzige Stoff (ausser Leim und Pepton), welcher f\u00fcr sich allein den ganzen Umsatz deckt. Es zerf\u00e4llt namentlich leichter als das Fett, denn man vermag durch ausschliessliche Darreichung von Eiweiss die Fettabgabe vom K\u00f6rper zu verh\u00fcten und ferner bei Zusatz von Fett zum Eiweiss der Nahrung dieses Fett v\u00f6llig zum Ansatz zu bringen; das Fett wird daher erst angegriffen, wenn von dem Eiweiss nichts mehr zur Zerst\u00f6rung vorhanden ist. Beim Hunger wird, da dabei f\u00fcr gew\u00f6hnlich durch den schwachen S\u00e4ftestrom nur wenig circulirendes Eiweiss den Zellen zugef\u00fchrt wird, nur wenig Eiweiss zersetzt, welches dann aus dem Organeiweiss wieder erg\u00e4nzt wird. Niemals wird bei der Inanition so viel Eiweiss geboten, dass dadurch die Bedingungen f\u00fcr die Fettzersetzung aufgehoben sind; es wird deshalb bis zur Ersch\u00f6pfung der Leistungsf\u00e4higkeit der Zellen noch von dem in den S\u00e4ften befindlichen, fein vertheilten Fett zerst\u00f6rt, wof\u00fcr aus den grossen Reservoiren des Fettes neues Material in den S\u00e4ftestrom einr\u00fcckt.\nIst an den ersten Hungertagen durch die vorausgehende Nahrungsaufnahme mehr circulirendes Eiweiss vorhanden, so wird mehr Eiweiss zersetzt, weshalb nur eine geringere Menge von Fett zerst\u00f6rt werden kann (S. 89). Ebenso ist es, wenn durch die Einfl\u00fcsse, welche die Circulation verst\u00e4rken, ein gr\u00f6sseres Eiweissquantum verbraucht und dann mehr Organeiweiss zum Ersatz eingerissen wird.\nBefindet sich in den S\u00e4ften neben dem Eiweiss viel Fett, so wird weniger Eiweiss in den Zerfall gezogen, da bei Anwesenheit von Fett die F\u00e4higkeit der Zellen, Eiweiss zu zerlegen, geschw\u00e4cht wird, oder, wie mir wahrscheinlicher d\u00fcnkt, der Vorrath des circu-lirenden Eiweisses sp\u00e4rlicher ist1; der Fettumsatz f\u00e4llt dann um so gr\u00f6sser aus. Wird dagegen, wie an den sp\u00e4teren Hungertagen, bei mageren Thieren der K\u00f6rper arm an Fett und relativ reich an Eiweiss, so wird mehr Eiweiss und weniger Fett verbraucht.\nh\u00e4lt, sp\u00e4ter durch die Entwickelung der Blutgef\u00e4sse der Geschlechtsorgane hergestellt. Ich kann mich mit der Erkl\u00e4rung Miescher\u2019s, wonach die Ursache der Licpiidation eine im Verh\u00e4ltniss zum Stoffzerfall ungen\u00fcgende Athmung und Sauerstoffaufnahme sein soll, aus Gr\u00fcnden, welche der aufmerksame Leser an mehreren Stellen finden wird, nicht befreunden.\n1 In einem fettreichen K\u00f6rper findet sich weniger Blut.","page":314},{"file":"p0315.txt","language":"de","ocr_de":"'Wirkung der Organisation auf den Stoffumsatz.\n315\nBei einem grossen Organismus ist der Ei weisszerfall absolut gr\u00f6sser wegen der reichlicheren Einschmelzung von Organeiweiss.\nEin kleines Thier setzt heim Hunger verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig viel mehr Eiweiss, aber nicht mehr oder nur wenig mehr Fett um. Die gr\u00f6ssere Eiweisszersetzung r\u00fchrt von der reichlicheren Blutzufuhr zu der Gewichtseinheit der Organe her. Wegen des bedeutenderen Eiweissverbrauchs sollte daher das kleinere Thier nach dem vorher Gesagten weniger Fett verbrennen. Dies ist auch der Fall, wenn die \u00fcbrigen Bedingungen des Stoffzerfalls die gleichen bleiben; da aber das kleinere Thier in der Regel verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig mehr Arbeit leistet, durch welche mehr Fett zerst\u00f6rt wird, so ist auch der relative Verbrauch an Fett im kleineren Organismus meist etwas gesteigert, aber in viel geringerem Grade als der des Eiweisses (S. SS).\nUeberblickt man die Verh\u00e4ltnisse bei ausschliesslicher Zufuhr von eiweissartiger Substanz, so sieht man mit der Zufuhr auch die Zersetzung derselben anwachsen und zwar deshalb, weil das aus dem Darme aufgenommene Eiweiss im S\u00e4ftestrom zu den Zellen gef\u00fchrt wird und dort zugleich unter Anwachsen des Vorraths des cir-culirenden Eiweisses im K\u00f6rper unter die Bedingungen der Zersetzung gelangt. W\u00e4hrend anfangs noch Eiweiss vom K\u00f6rper zu Verlust geht, da von den Zellen noch mehr circulirendes Eiweiss zerst\u00f6rt als vom Darm aus zugef\u00fchrt wird, kommt schliesslich beim weiteren Steigern der Zufuhr ein Punkt, wo eine der resorbirten Menge Eiweiss gleiche Quantit\u00e4t zerlegt wird und der K\u00f6rper also kein Eiweiss einb\u00fcsst; es ist das Stickstoffgleichgewicht vorhanden. Dabei wird kein Organeiweiss (ausser dem in den abgestossenen Horngebilden, den Blutk\u00f6rperchen u. s. w. enthaltenen) mehr abgegeben, dasselbe wird durch den Zerfall des circulirenden Eiweisses v\u00f6llig gesch\u00fctzt. Giebt man dar\u00fcber hinaus noch weiter Eiweiss zu, so wird an den ersten Tagen etwas vom Ueberschuss als circulirendes Eiweiss und unter Umst\u00e4nden als Organeiweiss abgelagert, aber bald wieder so viel zersetzt als gereicht wird, da die S\u00e4fte und Organe an Masse gewonnen haben. Dies geht so lange fort, bis die Grenze erreicht ist, bei der die Zellen kein weiteres Eiweiss mehr zu verarbeiten verm\u00f6gen. Meine Versuche haben ergeben, dass ein Hund von 35 Kilo Gewicht die gewaltige Menge von 2500 Grm. Fleisch mit 550 Grm. Eiweiss in 24 Stunden zum Zerfall bringen kann, f\u00fcnfzehnmal mehr als beim Hunger. Ganz das Gleiche nimmt man wahr, wenn man einer Anzahl von Hefezellen verschiedene Mengen von Zucker, von der kleinsten angefangen, zuf\u00fchrt; es wird immer mehr zersetzt bis zu einer gewissen oberen Grenze, \u00fcber.die hinaus, unter sonst glei-","page":315},{"file":"p0316.txt","language":"de","ocr_de":"316 Voit, Allg. Stoffwechsel. 5. Cap. Die Ursachen d. Stoffzersetzg. im thier. Organ.\neben Verh\u00e4ltnissen, nichts weiter mehr verg\u00e4hrt wird. Ebenso ist es bei einem Ofen, wo auch bis zu einem bestimmten Punkte durch Einlegen von mehr Brennmaterial die Verbrennung gesteigert wird.\nAuch nach Aufnahme von Eiweiss in den Darm sind im K\u00f6rper wie beim Hunger vorz\u00fcglich zwei Stoffe zur Zersetzung durch die Zellen bereit, Eiweiss und Fett. Da das gel\u00f6ste Eiweiss ungleich leichter zerf\u00e4llt als das Fett, so wird letzteres erst in Angriff genommen, wenn ersteres, soweit es disponibel ist, verbraucht ist. Deshalb nimmt bei erh\u00f6hter Zufuhr und Zersetzung von Eiweiss die Zerst\u00f6rung des K\u00f6rperfettes immer mehr ab, bis schliesslich kein Fett mehr angegriffen und ausschliesslich Eiweiss umgesetzt wird; die Menge des verf\u00fcgbaren, leicht zersetzlichen Eiweisses ist so gross geworden, dass durch die Verarbeitung dieses einen Stoffs die Grenze erreicht ist, wo eine weitere Stoffzerlegung durch die Zellen nicht mehr m\u00f6glich ist. Ja es kann zuletzt bei einem grossen Ueberschuss von Eiweiss in einem fettarmen K\u00f6rper dahin kommen, dass nach der Spaltung des letzteren in gewisse erste Produkte schon die Bedingungen der Zersetzung in den Zellen ersch\u00f6pft sind ; es bleibt dann ein Theil dieser Produkte (kohlenstoftreicke Stoffe oder Fett) unver\u00e4ndert liegen. Ist der K\u00f6rper fett, so wird aus dem circulirenden Eiweiss leicht Organeiweiss angesetzt, der Vorrath des circulirenden Eiweisses ist geringer und es nimmt der Eiweissumsatz ab. Kommt in einem fetten K\u00f6rper durch reichliche Aufnahme von Eiweiss Organeiweiss zur Ablagerung, so muss wegen der Abnahme der Eiweisszersetzung noch Fett vom K\u00f6rper zerst\u00f6rt werden (S. 117) 1 ; es verschwindet dadurch allm\u00e4hlich das Fett im K\u00f6rper und es gelangt in Folge davon immer weniger Organeiweiss zum Ansatz, der Vorrath des circulirenden Eiweisses nimmt zu, so dass zuletzt auch von dem abgelagerten Organeiweiss eingerissen wird und die gr\u00f6sste Eiweisszufuhr nicht mehr ausreicht, den K\u00f6rper auf seinem Eiweissbestande\n1 Ein Ansatz von Organeiweiss geschieht nicht dadurch, dass in den Zellen die Bedingungen f\u00fcr die Zersetzung ersch\u00f6pft sind, er geschieht vielmehr durch die Wegnahme von Eiweiss aus dem S\u00e4ftestrom und kann daher eintret en, wenn die M\u00f6glichkeit zur Zerst\u00f6rung von Material in den Zellen noth besteht. Darum kann trotz eines Ansatzes von Eiweiss noch Fett angegriffen werden, wenn nach demselben durch das zerst\u00f6rte Eiweiss die F\u00e4higkeit zu zersetzen noch nicht aufgehoben ist. W\u00fcrde ein Ansatz von Eiweiss erst erfolgen, wenn die Zersetzungsf\u00e4higkeit der Zellen schon ersch\u00f6pft ist, so d\u00fcrfte nach einem Ansatz von Eiweiss nie mehr eine Zerst\u00f6rung von Fett stattfinden. Bei der Gegenwart von viel Fett wird, ohne dass Fett verbrannt wird, dem S\u00e4ftestrom Eiweiss entzogen und in den Organen abgelagert, weshalb dabei weniger Eiweiss zum Zerfall gelangt; das Gleiche geschieht bei noch wachsenden Thieren, wo die Zellen mit grosser Kraft Eiweiss f\u00fcr sich in Beschlag nehmen, ferner bei der Bildung der Milch in der Brustdr\u00fcse, oder auch bei der Entwickelung anderer Organe, z. B. des Eierstockes beim Lachs, oder von Neubildungen.","page":316},{"file":"p0317.txt","language":"de","ocr_de":"Wirkung der Organisation auf den Stoffumsatz.\n317\nzu erhalten (Bantingkur) b Ich habe diesen Vorgang mehrmals beobachtet, wenn ich mageren Hunden l\u00e4ngere Zeit grosse Portionen reinen Fleisches gab, die sich anfangs im Stickstoffgleichgewicht befanden, aber allm\u00e4hlich noch Eiweiss von ihrem K\u00f6rper verloren.\nAuch die reichlichste Aufnahme von Fett oder Kohlehydraten hebt die Eiweisszersetzung nicht auf; dies erkl\u00e4rt sich einfach dadurch, dass der Strom des circulirenden Eiweisses fortdauert und kein Stoff im K\u00f6rper leichter zerf\u00e4llt als das Eiweiss. Jedoch wird dabei kein Fett vom K\u00f6rper mehr abgegeben.\nPveicht man Fett ausschliesslich oder mit Eiweiss, so \u00e4ndert sich an dem Eiweissumsatz nur wenig; der S\u00e4ftestrom und das durch ihn den Zellen gebotene Eiweissquantum wird durch die Gegenwart des Fettes kaum alterirt, es nimmt nur die Eiweisszersetzung, wie bei reichlicher Ablagerung von Fett am K\u00f6rper, etwas ab, weil unter dem Einfl\u00fcsse des Fettes der Vorrath des circulirenden Eiweisses geringer wird und aus ihm leichter Organeiweiss zum Ansatz gelangt. Das Fett wirkt also nicht, wie man fr\u00fcher glaubte, indem es als verbrennlichere Substanz den Sauerstoff in Beschlag nimmt und so das Eiweiss sch\u00fctzt ; abgesehen davon dass der Sauerstoff nicht eine Ursache des Stoffzerfalls im K\u00f6rper ist, ist das Fett umgekehrt schwerer zersetzlich als das Eiweiss und es erspart Eiweiss auch dann, wenn es gar nicht angegriffen, sondern ganz abgelagert wird. K\u00f6nnen nach Darreichung geringerer Eiweissmengen die Zellen noch weiter Stoff zerlegen, dann wird noch von dem aufgenommenen oder dem in den Fettzellen befindlichen Fett in den Zerfall gezogen; ist aber durch reichlichere Eiweisszersetzung schon die Leistungsf\u00e4higkeit der Zellen ersch\u00f6pft, so gelangt alles resorbirte Fett zum Ansatz. W\u00e4hrend die Gr\u00f6sse der Eiweisszufuhr vorz\u00fcglich den Eiweissverbrauch bestimmt, hat die Aufnahme von Fett unter sonst gleich bleibenden Verh\u00e4ltnissen nur einen geringen Einfluss auf die Fettzerst\u00f6rung, denn die Zellen k\u00f6nnen nach Ablauf der Eiweissspaltung nur noch eine bestimmte Menge von Fett zerlegen und ohne Aufnahme von Fett tritt das am K\u00f6rper abgelagerte Fett ein. Das Fett der Nahrung (oder auch das im K\u00f6rper abgelagerte Fett) gewinnt dadurch seinen bedeutenden Einfluss auf den Ansatz von Eiweiss und Fett. Bei Aufnahme von reinem Eiweiss in einen mageren K\u00f6rper wird das letztere ganz oder zum gr\u00f6ssten Theil durch die Zellen alsbald wieder zerst\u00f6rt, h\u00f6chstens eine verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig kleine Menge\n1 William Banting , Letter on corpulence, addressed to the public. London, Harrison, 1864. \u2014 Jul. Vogel, Korpulenz, ihre Ursachen, Verh\u00fctung und Heilung durch einfache di\u00e4tetische Mittel. Leipzig 1864. (Ungen\u00fcgende Erkl\u00e4rung.)","page":317},{"file":"p0318.txt","language":"de","ocr_de":"318 Voit, Allg. Stoffwechsel. 5. Cap. Die Ursachen cl. Stof\u00eezersetzg. im thier. Organ.\nvermehrt die Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit oder den Yorrath des circuliren-den Eiweisses ; man vermag daher mit reinem Eiweiss einen K\u00f6rper nicht reich an Eiweiss oder Fett zu machen. Bei Gegenwart von Fett aber wird aus dem circulirenden Eiweiss dauernd Organeiweiss angesetzt und zwar um so mehr je weniger eine Zunahme von circuliren-dem Eiweiss stattfinden kann, also bei nicht zu grossen Eiweissgaben.\nDie Kohlehydrate verhalten sich in Beziehung des Einflusses auf den Eiweisszerfall wie das Fett ; sie vermindern denselben nur in etwas h\u00f6herem Grade als das letztere. Um ihre weitere Wirkung zu verstehen, muss man bedenken, dass der Zucker durch die Zellen leichter angegriffen wird als das Fett; nach meinen Erfahrungen wird n\u00e4mlich vom Hunde auch die gr\u00f6sste Menge des verzehrten Kohlehydrats in 24 Stunden verbrannt, also kein Kohlenstoff oder Fett daraus aufgespeichert, w\u00e4hrend bei Aufnahme von Fett nur ein Theil zersetzt wird und bald ein Ansatz desselben erfolgt. Es wird demnach von den den Zellen im S\u00e4ftestrom zugef\u00fchrten Stoffen das Eiweiss am leichtesten in die n\u00e4chsten Produkte gespalten, dann folgen die Kohlehydrate (Zucker) und endlich als am schwersten zerlegbare Substanz das aus dem Eiweiss abgetrennte oder aus dem Darm resorbirte Fett. Diese ungleiche Zersetzlichkeit bestimmt den Erfolg. Es wird zun\u00e4chst nach Maassgabe der Zufuhr des circulirenden gel\u00f6sten Eiweisses dieser Stoff zerlegt in stickstoffhaltige Produkte und in stickstofffreie, kohlenstoffreiche, darunter Fett, Mit dieser ersten Zerlegung des Eiweisses ist aber die Leistungsf\u00e4higkeit der Zellen niemals ersch\u00f6pft ; sind daher Kohlehydrate vorhanden, so wird nicht das aus Eiweiss entstandene oder im K\u00f6rper aufgespeicherte Fett zerst\u00f6rt, sondern die leichter zersetzlichen Kohlehydrate. Auf diese Weise wird durch die Kohlehydrate der Verlust von Fett vom K\u00f6rper immer mehr und mehr vermindert und zuletzt ganz aufgehoben, ja sogar ein Fettansatz aus dem Fett des Eiweisses erm\u00f6glicht. Ob so viel vom Kohlehydrat aufgenommen werden kann, dass ein Theil desselben unzerlegt bleibt und daraus Fett abgelagert wird, ist noch nicht entschieden. Die Zellen zertr\u00fcmmern bei gleichem Kraftaufwand etwa 1.75 mal so viel Kohlehydrate wie Fett, so dass f\u00fcr die Verh\u00fctung des Fettverlustes vom K\u00f6rper etwa 175 Grm. Kohlehydrate die gleichen Dienste thun wie 100 Grm. Fett.\nVon grossem Interesse ist das Verhalten des Leims und der Peptone bei den Zersetzungsvorg\u00e4ngen. Sie verringern die Umsetzung des Eiweisses und zwar in viel h\u00f6herem Grade als die Kohlehydrate und Fette. Der Leim (und wahrscheinlich auch das Pepton) wird stets im Lauf von 24 Stunden vollst\u00e4ndig zerst\u00f6rt und nichts davon","page":318},{"file":"p0319.txt","language":"de","ocr_de":"Wirkung cler Organisation auf den Stoffumsatz.\n319\nam K\u00f6rper angesetzt. Leim und Pepton sind also offenbar noch leichter zersetzlich als das gel\u00f6ste Eiweiss, und werden daher in erster Linie angegriffen. Erst wenn nach ihrem Zerfall die Zellen noch im Stande sind Stoffe zu zersetzen, kommt das noch zur Verf\u00fcgung stehende circulirende Eiweiss und dann das Fett an die Reihe. Ist die Leistungsf\u00e4higkeit der Zelle durch den Umsatz des Leims ersch\u00f6pft, dann sollte auch kein Eiweiss (abgesehen von dem in abgestossenen Horngebilden, den aufgel\u00f6sten rothen Blutk\u00f6rperchen u. s. w. befindlichen) und kein Fett mehr verbraucht werden. Nach meinen Versuchen scheint in der That der Leim unter Umst\u00e4nden f\u00fcr das circulirende Eiweiss ganz verbrennen zu k\u00f6nnen, und nur dasjenige Eiweiss ersetzt werden zu m\u00fcssen, welches durch Ab-stossung von Organisirtem zu Verlust geht. Das nebenbei gegebene Eiweiss gelangt gr\u00f6sstentheils zum Ansatz d. h. es entsteht bei Gegenwart von Leim aus dem circulirenden Eiweiss mehr als durch irgend einen andern Stoff Organeiweiss.\nEs ist nicht m\u00f6glich, dass durch den Leim, wie man es f\u00fcr das Eiweiss angenommen hat, organis\u00e2tes Eiweiss verdr\u00e4ngt und aus dem Leim wieder aufgebaut wird, wenigstens haben wir keinen Anhaltspunkt f\u00fcr einen solchen Vorgang1; die Versuchsresultate erkl\u00e4ren sich ganz einfach, wenn man den Leim als solchen wie das Fett oder den Zucker sich zersetzen und das Eiweiss sch\u00fctzen l\u00e4sst. W\u00fcrde ausser dem Leim noch organis\u00e2tes oder circulirendes Eiweiss zu Grunde gehen, so m\u00fcsste die mit dem letzteren verbundene Asche ebenfalls ausgeschieden werden; im Leimharn findet man aber (S. 125) nur sehr wenig Asche, auf 30.5\u201432.3 Theile Harnstoff' nur 1 Theil Asche, w\u00e4hrend beim Hunger, wo Organeiweiss zersetzt wird, auf 6.5 Theile Harnstoff 1 Theil Asche kommt. Eine von Etzinger2 beobachtete Thatsache thut die Zersetzung des Leims oder des leimgebenden Gewebes sicher dar; giebt man n\u00e4mlich einem Hunde Knochen, so wird im Harn weniger Kalk ausgeschieden als beim Hunger; beim Hunger wird Organeiweiss zersetzt und dadurch der damit verbundene Kalk \u00fcberfl\u00fcssig und entfernt; bei Darreichung von Ossein wird aber dieses statt des Organeiweisses zerst\u00f6rt und somit auch der Kalk nicht frei (S. 305). Wird aber der Leim zersetzt\n1\tNach reichlicher Aufnahme von Eiweiss wird am K\u00f6rper. Eiweiss angesetzt und deshalb am ersten Hungertage viel zersetzt; dagegen wird auch nach F\u00fctterung mit den gr\u00f6ssten Mengen von Leim am ersten Hungertage nur wenig Stickstoff ausgeschieden, es kann also der Leim nicht wie das Eiweiss den K\u00f6rper in einen eiweissreichen Zustand bringen (Ztschr. f. Biologie. IL S. 228. 1866).\n2\tEtzirger, Ztschr. f. Biologie. X. S. 99. 1874.","page":319},{"file":"p0320.txt","language":"de","ocr_de":"320 Voit, Allg. Stoffwechsel. 5. Cap. Die Ursachen d. Stoffzersetzg. im thier. Organ.\nund nicht in Eiweiss umgewandelt, dann ist dadurch bewiesen, dass im Stoffwechsel f\u00fcr gew\u00f6hnlich das Organisirte intakt bleibt.\nNach diesen Auffassungen lassen sich die Vorg\u00e4nge der Zersetzung der verschiedenen Stoffe im K\u00f6rper verstehen. Das was man Stoffwechsel nennt, geschieht bei voller Ern\u00e4hrung im Wesentlichen nicht an der organisirten Form, sondern es werden vorz\u00fcglich die aus dem Darm neu zugef\u00fchrten organischen Stoffe zersetzt und bewahren so den Bestand der Organe an Eiweiss und auch das im K\u00f6rper abgelagerte Fett; es handelt sich daher haupts\u00e4chlich um eine Erhaltung, und nicht um einen Ersatz f\u00fcr Verlorenes. F\u00fcr gew\u00f6hnlich ist also der Untergang der organisirten Form nicht gross, nur beim Hunger wird dieselbe in ausgedehnterem Maasse eingerissen. Liebig verstand unter \u201e Stoffwechsel \u201c die Abn\u00fctzung des Organisirten durch die Arbeit und den Wiederaufbau desselben durch das in der Nahrung zugef\u00fchrte Eiweiss ; der Stickstoff oder Harnstoff des Harns war ihm daher das Maass des Stoffwechsels. Wir begreifen jetzt unter \u201eStoffwechsel\u201c nicht nur den Untergang und Ersatz des Organisirten, sondern den Wechsel jeglichen Stoffs im K\u00f6rper; der ausgeschiedene Stickstoff ist uns daher nicht mehr ein Maass des Stoffwechsels, sondern nur unter gewissen Voraussetzungen ein Maass des Eiweissstoffwechsels. Aber auch der Kohlenstoff- und Sauerstoffverbrauch l\u00e4sst nicht den Stoffwechsel messen (S. 71); man vermag jedoch durch die Bestimmung des in den Organismus aufgenommenen und von ihm abgegebenen Stickstoffs und Kohlenstoffs auf den Umsatz des Eiweisses, des Fettes oder der Kohlehydrate zu schliessen, und ebenso aus den entsprechenden Untersuchungen den Wechsel des Wassers oder der Aschebestandtheile zu entnehmen. Es ist daher unrichtig und f\u00fchrt zu Missverst\u00e4ndnissen, wenn man von der Messung des Stoffwechsels oder von Ver\u00e4nderungen des Stoffwechsels unter gewissen Einfl\u00fcssen spricht; man darf nur von dem Wechsel eines bestimmten Stoffs z. B. des Eiweisses, des Fettes, des Kalks u. s. w. reden.\nAus der Verfolgung des Wechsels der haupts\u00e4chlichsten organischen Stoffe im thierischen Organismus hat sich ergeben, dass die Masse und F\u00e4higkeit der Zellen die Gr\u00f6sse des Gesammtumsatzes bestimmt und dass der Eiweissumsatz das Maassgebende f\u00fcr den Gang der Zersetzung ist. Das Eiweiss wird n\u00e4mlich als am leichtesten zerlegbarer Stoff (neben dem Pepton und Leim) zuerst in n\u00e4here Produkte gespalten, von denen eines wahrscheinlich Fett ist. Ist dadurch die M\u00f6glichkeit der Stoffzerlegung durch die Zellen schon ersch\u00f6pft, so wird dieses Fett angesetzt und nichts weiter mehr zersetzt ;","page":320},{"file":"p0321.txt","language":"de","ocr_de":"Bedingungen der Stoffzerlegung an der Organisation.\n321\nist diese Grenze, wie es meist der Fall ist, dadurch jedoch noch nicht erreicht, dann kommt derjenige Stoff an die Reihe, welcher n\u00e4chst dem Eiweiss am leichtesten zerf\u00e4llt, das ist der Zucker; bei Zufuhr desselben bleibt daher das aus dem Eiweiss abgetrennte Fett intakt. Ist kein Zucker vorhanden, so wird das Fett angegriffen, bis die Zellen nicht mehr im Stande sind noch mehr Stoff zu verarbeiten. Die Gr\u00f6sse des Verbrauchs an Eiweiss, welche vor Allem von der Zufuhr desselben abh\u00e4ngt, bestimmt demnach bei gleich-bleibender Leistungsf\u00e4higkeit der Zellen die Gr\u00f6sse der Zersetzung der \u00fcbrigen Stoffe. Da die Muskelarbeit die F\u00e4higkeit der Zelle, Stoffe zu zerst\u00f6ren, sehr erh\u00f6ht und aus schon angegebenen Gr\u00fcnden unter ihrem Einfl\u00fcsse mehr Fett oder Kohlehydrat verbrannt wird, so richtet sich der Verbrauch dieser Stoffe vorz\u00fcglich nach der Muskelanstrengung. Der Bedarf eines Organismus an Eiweiss ist haupts\u00e4chlich von der Organmasse, der Bedarf an stickstofffreien Stoffen von der Arbeitsleistung abh\u00e4ngig.\nXII. Wodurch\nerh\u00e4lt das Organisirte die F\u00e4higkeit der Stoffzerlegung?\nNach der Feststellung der Stoffzersetzungen im Thierk\u00f6rper unter verschiedenen Umst\u00e4nden und nach Aufstellung einer Theorie, wor-nach die Ursachen f\u00fcr den Zerfall in dem Organisirten oder in den Zellen sich finden und die Gr\u00f6sse des letztem sich richtet einerseits nach der Masse und stofflichen Leistungsf\u00e4higkeit der Zellen, andererseits nach der Menge und Zersetzlichkeit des zugef\u00fchrten Verbrauchsmaterials, kann man noch die weitere Frage aufwerfen, was denn an der Organisation gegeben ist, dass sie die Eigenschaft der Stoffzersetzung besitzt. Es handelt sich also hier nicht um eine Theorie des gesummten Stoffwechsels, sondern nur um die eine Frage, wodurch das Organisirte die F\u00e4higkeit erh\u00e4lt, h\u00f6here chemische Verbindungen in einfachere zu zerspalten. Es werden durch irgend eine Einwirkung die Theilchen der complicirten, leicht zersetzlichen organischen Verbindungen auseinander gerissen, indem entweder gewisse Gruppen derselben durch eine st\u00e4rkere Anziehung weggenommen werden (z. B. durch Capillarattraktion, S\u00e4uren oder Alkalien, Contaktsub-stanzen) oder indem eine Bewegung \u00fcbertragen wird, die das Gef\u00fcge ersch\u00fcttert (W\u00e4rme, Elektricit\u00e4t, intramolekulare Bewegung).\nBeim Eindringen von Stoffl\u00f6sungen in eine Membran oder bei dem Austausch von Fl\u00fcssigkeiten durch Membranen, bei der Osmose,\nHandbuch der Physiologie, \u00dfd. VI.\t21","page":321},{"file":"p0322.txt","language":"de","ocr_de":"322 Voit, Allg. Stoffwechsel. 5. Cap. Die Ursachen d. Stoffzersetzg. im thier. Organ.\nkommen bekanntlich Zerlegungen von chemischen Verbindungen vor1 ; es w\u00e4re m\u00f6glich, dass ein Vorgang der Art auch bei der Wechselwirkung der Stoffe der Zellen und der sie umsp\u00fclenden Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit und bei der Zersetzung betheiligt ist.\nMan k\u00f6nnte auch an elektrische Wirkungen denken, so wie man das Chlornatrium durch Elektrolyse in. den Labdr\u00fcsen hat zerlegen lassen.\nBei dein Verbrennen des Holzes im Ofen oder des Oeles in der Lampe ist es die Anz\u00fcndungstemperatur, durch welche aus diesen Stoffen gasf\u00f6rmige Zerfallprodukte entstehen, in welche dann bei weiterer Zersetzung Sauerstoff eintritt. Die dabei produzirte W\u00e4rme ist die Ursache f\u00fcr den Fortgang der Verbrennung an dem \u00fcbrigen Material. Man k\u00f6nnte sich vorstellen, auch im Organismus wirke einfach nur die W\u00e4rme, und die Stoffe w\u00fcrden in bestimmter Menge zersetzt, weil ihre Zersetzlichkeit oder Verbrennlichkeit eine verschiedene sei. Aber eine solche Annahme w\u00fcrde viele der Erscheinungen nicht oder nur recht gezwungen erkl\u00e4ren: warum z. B. wenn die Anz\u00fcndungstemperatur einmal im K\u00f6rper gegeben ist, beim Hunger nicht das reichlich in den S\u00e4ften vorhandene Eiweiss rasch alles in den Zerfall gezogen wird, w\u00e4hrend doch thats\u00e4chlich der Organismus in andern F\u00e4llen (bei Eiweisszufuhr) die M\u00f6glichkeit besitzt bedeutende Quantit\u00e4ten von Eiweiss zu zersetzen ; warum dabei nicht das im K\u00f6rper abgelagerte Fett in gr\u00f6sserer Menge zu Grunde geht, da doch f\u00fcr viele Tage solches zerst\u00f6rbares Material vorhanden ist; warum das Fett nicht leichter zersetzt wird als das Eiweiss5 warum kleine hungernde Thiere verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig mehr Eiweiss zerst\u00f6ren als grosse; warum bei Muskelanstrengung nur mehr Fett verbraucht wird; warum \u00fcberhaupt die Organisation von Einfluss auf den Umsatz ist. Jedoch ist die Temperatur des K\u00f6rpers unzweifelhaft von wesentlichem Einfluss auf die in ihm stattfindenden Zersetzungen (S. 218) sowie auf alle chemischen Zersetzungen, wenn sie auch nicht die n\u00e4chste Ursache derselben ist.\nDer einfachste Fall der Spaltung einer zusammengesetzten Verbindung durch die lebende Organisation ist der der weingeistigen G\u00e4hrung durch die Hefezelle. Alle Theorien, die man sich \u00fcber die Ursache der G\u00e4hrung gemacht hat, haben daher auch f\u00fcr den aus\n1 Sch\u00f6nbein, Ami. d. Physik. 1861. Ko. 10. S. 275. \u2014 Wiedemann, Journ. f. pract. Chem. (2) IX. S. 148. \u2014 Hoestmann, Neues Handw\u00f6rterb. d. Chemie. Artikel: \u201eDissociation\u201c. \u2014 Graham, Ann. d. Chem. u. Pharm. LXXVII. S. 56 u. 129. 1850; LXXX. S. 197. 1851. \u2014 Maly, Ztschr. f. physiol. Chem. I. S. 174. 1877. \u2014 A. Kossel, Ebenda. IL S. 158.1878, IIP S. 207. 1879.","page":322},{"file":"p0323.txt","language":"de","ocr_de":"Bedingungen der Stoffzerlegung an der Organisation.\n323\nZellen und Zellengebilden zusammengesetzten h\u00f6heren thierischen Organismus Geltung.\nEs giebt nun f\u00fcr die G\u00e4hrung vier Erkl\u00e4rungsversuche: die Zersetzungstheorie Liebig\u2019s, die Fermenttheorie der G\u00e4hrungschemiker, die Sauerstoffentziehungstheorie Pasteur\u2019s und die molekular-physikalische Theorie N\u00e4geli\u2019s (entsprechend der Theorie Pfl\u00fcgers, von der Ursache der Eiweisszersetzung), welche sich auf den uns vorliegenden Fall \u00fcbertragen lassen.\nNach der Zersetzungstheorie Liebig\u2019s1 2 ist es eine molekulare Bewegung, welche ein in chemischer Bewegung d. h. in Zersetzung begriffener Stoff auf andere Stoffe, deren Elemente nicht sehr fest Zusammenh\u00e4ngen, \u00fcbertr\u00e4gt. Bei der G\u00e4hrung im engern Sinne (alkoholischen G\u00e4hrung) geschieht die Uebertragung der Bewegung durch eine fremde Ursache, ein besonderes (ungeform-tes) Ferment, welches zur Einleitung und Unterhaltung der Bewegung nothwendig ist ; bei der F\u00e4ulniss soll zur ersten Einleitung der Bewegung ein Ferment gegeben sein, die weitere Unterhaltung der Bewegung aber von dem sich zersetzenden F\u00e4ulnissmaterial herr\u00fchren, so dass die einmal begonnene F\u00e4ulniss durch eigene Bewegung fortdauert. Diese Unterscheidung der G\u00e4hrung und F\u00e4ulniss als ihrem Wesen nach verschiedene Vorg\u00e4nge wurde unhaltbar durch Schwann\u2019s Entdeckung (1837), wornach beide Prozesse durch lebende Organismen bewirkt werden. Die Theorie von einem in den Zellen enthaltenen in Zersetzung begriffenen Stoff als Ursache der G\u00e4hrung l\u00e4sst sich nicht halten, da man einen solchen Stoff von der Wirkung der lebenden Zelle aus letzterer nicht darzustellen vermag.\nDie G\u00e4hrungschemiker nehmen als G\u00e4hrungserreger ebenfalls in den Zellen bestimmte Stoffe, sogenannte ungeformte oder un-organisirte Fermente, welche dieselbe Eigenschaft wie die Zellen besitzen, an; diese Fermente wirken aber nicht, indem sie sich zersetzen, sondern wie S\u00e4uren oder Alkalien u. s. w. durch Contakt-wirkung (durch katalytische Kraft) d. h. blos durch ihre Anwesenheit, ohne sich chemisch zu betheiligen oder eine Verbindung einzugehen, denn die n\u00e4mliche Menge von Schwefels\u00e4ure oder einem ungeformten Ferment kann immer neue Substanz umwandeln. Diese Ansicht ist zuerst von M. Traube - ausgesprochen und neuerdings von Hoppe-Seyler3 vertheidigt worden. F\u00fcr jede der verschiedenen\n1\tLiebig, Chem. Briefe. 3. Au\u00db. S. 221. 1851; Die Chemie in ihrer Anwendung auf Agrikultur u. Physiologie. S. 369. 1846; Sitzgsber. d. bayr. Acad. II. S. 323. 1869.^\n2\tM. Traube, Theorie d. Fermentwirkungen. Berlin 1858.\n3\tHoppe-Seyler, Arch, f.d.ges. Physiol. XII. S. 1. 1876 ; Physiol. Chem. Thl. 1. S. 116. 1877.","page":323},{"file":"p0324.txt","language":"de","ocr_de":"324 Voit. Allg. Stoffwechsel. 5. Cap. Die Ursachen cl. Stoffzersetzg. im thier. Organ.\nG\u00e4hrungen muss man danach ein besonderes Ferment annehmen. Ich habe fr\u00fcher (S. 2S6) schon hervorgehoben, dass die ungeformten Fermente nicht die Ursachen der G\u00e4hrung oder der haupts\u00e4chlichen Zersetzungen im Thierk\u00f6rper sein k\u00f6nnen, da man nicht im Stande ist solche Fermente aus den Zellen zu l\u00f6sen und da die Ursache des Stoffzerfalls untrennbar verbunden ist mit der lebenden Zelle oder der Organisation. Nach N\u00e4geli\u2019s Auseinandersetzungen linden sich noch andere Differenzen in der Wirkung der ungeformten Fermente und der Organisation. Er giebt als physiologischen Unterschied zwischen beiden an, dass in den meisten F\u00e4llen die ungeformten Fermente die in unverwerthbarer Form gebotenen N\u00e4hrstoffe in verwerthbare z. B. in l\u00f6sliche oder in leicht osmirende umwandeln, w\u00e4hrend die Zellwirkung gerade den entgegengesetzten Charakter, den der Zerst\u00f6rung und der Herstellung schlechter oder nicht mehr n\u00e4hrender Produkte hat. Auch chemisch sind die beiden Wirkungen verschieden; durch das ungeformte Ferment, welches eine bestimmte chemische Verbindung darstellt, zerf\u00e4llt die organische Substanz glatt und vollst\u00e4ndig in ihre Componenten; bei der Th\u00e4tigkeit der Zelle treten nebenbei noch andere Produkte, darunter zumeist Kohlens\u00e4ure, auf, weil die Organisation mit ihren mannigfaltigen Molekularbewegungen und Molekularkr\u00e4ften eine complizirtere Zersetzung hervorbringt. Darum kann das ungeformte Ferment durch eine andere unorganische Contaktsubstanz z. B. durch Schwefels\u00e4ure oder Alkalien oder Wasser bei h\u00f6herer Temperatur ersetzt werden, die Organisation aber nicht1. Ausserdem scheint noch in thermochemischer Beziehung nach N\u00e4geli ein Unterschied zu bestehen: bei der G\u00e4hrung soll W\u00e4rme frei werden, so dass dabei Produkte mit einer geringeren Menge von potentieller Energie entstehen, bei der Fermentwirkung dagegen sollen durch Aufnahme von W\u00e4rme die Produkte eine gr\u00f6ssere Summe von Spannkraft besitzen. Bunsen2 und H\u00fcfner3 haben j eine Erkl\u00e4rung der Wirkung der ungeformten Fermente oder der Contaktsubstanzen zu geben versucht: das Ferment zieht darnach gewisse Atome oder Atomgruppen eines zusammengesetzten Molek\u00fcls st\u00e4rker an als den Rest und bringt dadurch, in Verbindung mit der {\n1\tDie auch bei Ausschluss von Sauerstoff erfolgenden typischen G\u00e4hrungen lassen sich nur durch Zellen hervorbringen, so alle G\u00e4hrungen des Zuckers und der zucker\u00e4hnlichen Stoffe, sowie der Peptone und Albuminate. Die anderen, welche den Zutritt von Sauerstoff verlangen, z. B. die G\u00e4hrungen der S\u00e4uren, des Asparagins, des Harnstoffs, der Essigbildung aus Weingeist u. s. w. k\u00f6nnen um so eher auch durch weitere chemische Mittel hervorgebracht werden, je einfacher die Produkte sind.\n2\tBunsen, Gasometrische Methoden. S. 267.\n3\tH\u00fcfner, Journ. f. pract. Chemie. N. F. X. S. 148 u. 385. 1874.","page":324},{"file":"p0325.txt","language":"de","ocr_de":"Bedingungen der Stoffzerlegung an der Organisation.\n325\nW\u00e4rmewirkung und mit den chemischen Anziehungen der Atome und Atomgruppen unter einander, eine neue Gruppirung, also eine chemische Umsetzung hervor. N\u00e4geli setzt erg\u00e4nzend hinzu, dass die Contaktsubstanz nicht bloss durch Anziehung und Abstossung, sondern vorz\u00fcglich auch durch die Bewegungszust\u00e4nde ihrer Molek\u00fcle und Atome wirke.\nDie Sauerstoff entzieh ungs\u2019theorie von Pasteur1 ist nur f\u00fcr die Eigenschaft der Hefezellen, Zucker in Alkohol und Kohlens\u00e4ure zu zerlegen, bestimmt. Nach ihr k\u00f6nnen die Hefezellen nicht nur freien Sauerstoff ben\u00fctzen, sondern dieses Gas auch anderen Verbindungen entziehen; bei Aufnahme von freiem Sauerstoff soll keine G\u00e4hrung stattfinden, bei Mangel an freiem Sauerstoff aber soll derselbe dem G\u00e4hrungsmaterial entzogen werden, wodurch letzteres in seinem molekularen Gleichgewicht gest\u00f6rt und zersetzt wird. Diese Theorie ist nach N\u00e4geli unhaltbar, da der Zutritt von Sauerstoff f\u00fcr die G\u00e4hrung sogar g\u00fcnstig ist; auf die h\u00f6heren thierischen Organismen, denen normal stets gen\u00fcgend Sauerstoff zu Gebote steht, ist sie \u00fcberdiess nicht anwendbar.\nN\u00e4geli'2 hat endlich eine molekular- physikalische Theorie der G\u00e4hrung aufgestellt, die, wenn sie richtig ist, auch ein helles Licht auf die Ursache des Stoffumsatzes im Thierk\u00f6rper wirft. Ankn\u00fcpfend an die von Bunsen und H\u00fcfner gegebene Erkl\u00e4rung der Wirkung der ungeformten Fermente ist nach ihm die G\u00e4hrung die Uebertragung der in jedem Stoff vorhandenen Bewegungszust\u00e4nde der Molek\u00fcle, Atomgruppen und Atome der verschiedenen das lebende Protoplasma zusammensetzenden, chemisch unver\u00e4ndert bleibenden Verbindungen auf das G\u00e4hrmaterial, wodurch das Gleichgewicht in dessen Molek\u00fclen gest\u00f6rt und dieselben zum Zerfall gebracht werden. Entsprechend der verschiedenen Organisation und Mischung des lebenden Protoplasmas finden am letzteren, im Gegensatz zu der Wirkung der einfachen ungeformten Fermente, verschiedene G\u00e4hrun-gen statt. Eine Betheiligung der W\u00e4rme als eigentliche Ursache des Zerfalls ist nach N\u00e4geles Vorstellung nicht gegeben; wenigstens sagt er: nur wenn die bestimmten Schwingungszust\u00e4nde des G\u00e4hrungs-erregers auf das G\u00e4hrmaterial einwirken, wird Kraft in der entsprechenden Weise \u00fcbertragen und die entsprechende Zersetzung veranlasst; eine andere noch so grosse Kraft, die zur Verf\u00fcgung steht, kann nicht die gleiche Arbeit leisten, und die grosse Menge von Spannkraft, welche bei der geistigen G\u00e4hrung frei wird, besteht\n1\tPasteur, Arm. d. chim. et phys. (3) LVIII. p. 323, LXIY. p. 1. 1862.\n2\tN\u00e4geli, Abhandl. d. bayr. Acad. Math.-physik. Cl. XIII. (2) S. 76. 1879.","page":325},{"file":"p0326.txt","language":"de","ocr_de":"326 Voit, Allg. Stoffwechsel. 5. Cap. Die Ursachen cl. Stoffzersetzg. im thier. Organ.\nin andersartigen Schwingungszust\u00e4nden und vermag keine Zuckermolek\u00fcle zur Verg\u00e4krung zu bringen.\nUebertr\u00e4gt man die Theorie NIgeli\u2019s auf die Zersetzungen in dem aus vielen Zellen zusammengesetzten thierischen Organismus, so w\u00e4re auch bei letzterem die Ursache f\u00fcr den Zerfall die molekular-physikalische Bewegung der die lebendige Organisation bildenden Stoffe. Das ist also die gleiche Ursache, durch welche Pfl\u00fcger die Spaltung des lebenden Eiweisses zu Stande kommen l\u00e4sst, n\u00e4mlich die intramolekulare Bewegung des Eiweissmolek\u00fcls (S. 297). Die beiden Forscher lassen aber durch diese Bewegung nicht das gleiche Material in Zerfall gerathen, denn nach Pfl\u00fcger lockert die intramolekulare Bewegung in der Cyangruppe das lebendige Eiweissmolek\u00fcl selbst, nach N\u00e4geli dagegen wird der Anstoss auf die die Zellen umsp\u00fclenden Zuckermolek\u00fcle \u00fcbertragen.\nWie man ersieht, stimmt die N\u00c4GELi\u2019sche Anschauung mit meiner Auffassung von der Zersetzung insofern \u00fcberein, als ich durch die Kraft der thierischen Zelle ebenfalls vorz\u00fcglich die sie umsp\u00fclenden oder in sie eindringenden gel\u00f6sten und nicht organisirten Stoffe, das gel\u00f6ste circulirende Eiweiss, die im S\u00e4ftestrom befindlichen Fette und Kohlehydrate als solche spalten lasse und nicht wie Pfl\u00fcger das lebendige organisirte Eiweiss.\nKeine der Theorien steht mit den Thatsachen der Zersetzungen im Thierk\u00f6rper in solchem Einklang wie die von N\u00e4geli, wenn wir dieselbe auch vorl\u00e4ufig nur als eine Hypothese betrachten d\u00fcrfen. Verm\u00f6ge der Gr\u00f6sse der Molekularbewegung in den Zellen kommt jeder Zelle ein gewisses Verm\u00f6gen oder ein gewisses Manss von Kraft zu, die in den S\u00e4ften enthaltenen chemischen Verbindungen zu spalten. Zuerst werden die leichter zerlegbaren getrennt, dann die schwerer zerlegbaren, so lange bis die verf\u00fcgbare Kraft ersch\u00f6pft ist.\nMan ist dagegen nicht wohl im Stande, die mannigfaltigen Vorg\u00e4nge bei der Zersetzung von Eiweiss, Fett und Kohlehydraten im thierischen Organismus zu verstehen unter der Annahme, dass in den Zellen abgelagerte ungeformte Fermente die Ursache der Zerst\u00f6rung sind und f\u00fcr jeden Stoff ein bestimmtes Ferment sich findet. Man begreift dabei nicht, warum z. B. manchmal so viel Eiweiss zersetzt und dann weniger Fett angegriffen wird, warum bei Zufuhr von Kohlehydraten das fettzersetzende Ferment nicht th\u00e4tig ist.","page":326},{"file":"p0327.txt","language":"de","ocr_de":"ZWEITER ABSCHNITT.\nVERH\u00dcTUNG DES STOFFVERLUSTES VOM\nAllgemeines und Geschichtliches \u00fcber die Bedeutung der Nahrungsstoffe.\nIm thierischen Organismus werden beim Hunger best\u00e4ndig organische Stoffe zerst\u00f6rt und anorganische ausgeschieden; es muss also, wenn das Thier nicht an Stoffmangel schliesslich zu Grunde gehen soll, neues Material in der Nahrung zugef\u00fchrt werden.\nNachdem in dem ersten Abschnitte dieses Werks dargelegt worden ist, wie sich die Zersetzungen im Thierk\u00f6rper unter den verschiedensten Einfl\u00fcssen gestalten, namentlich wie gewisse in den Darm eingef\u00fchrte organische Stoffe in dieser Richtung wirken, ist es m\u00f6glich, die Qualit\u00e4t und Quantit\u00e4t derjenigen Stoffe zu bezeichnen, welche den K\u00f6rper auf seiner Zusammensetzung erhalten oder einen Ansatz an Stoffen sowie eine Abnahme derselben hervorbringen.\nDa aus dem Thierk\u00f6rper w\u00e4hrend des Lebens ununterbrochen s\u00e4mmtliche Elemente, aus denen er zusammengesetzt ist, nach Aussen entleert werden, so muss die Zufuhr, welche ihn vor Verlust bewahren soll, jedenfalls alle jene Elemente enthalten. Es sind dazu die folgenden Elemente n\u00f6thig: Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel, Phosphor, Chlor, Natrium, Kalium, Calcium, Magnesium und Eisen, vielleicht auch Silicium und Fluor. Der K\u00f6rper kann bekanntlich keines dieser Elemente erzeugen oder eines in das andere umwandeln1; fehlt daher eines derselben in der Zufuhr, dann ver-\n1 Vauquelin (Annales de chimie. XXIX. (7) p. 1. Paris JL799) wollte die Beobachtung gemacht haben, dass eine Flenne in den Excrementen und den Eiern mehr Kalk ausscheidet als in der Nahrung enthalten ist; er nahm daher eine Bildung von Kalk bei der Verdauung und Assimilation an.","page":327},{"file":"p0328.txt","language":"de","ocr_de":"328\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. Allgemeines und Geschichtliches.\nmag die letztere den K\u00f6rper nicht stofflich zu erhalten und das Leben ist auf die Dauer nicht m\u00f6glich, so z. B. bei ausschliesslicher Darreichung von Eiweiss oder Zucker oder Kochsalz.\nEs ist bekannt, dass ein Gemische aller dieser Elemente im isolirten Zustande nicht tauglich ist den Organismus vor Verlust zu sch\u00fctzen; ja es ist wohl nur mit einem einzigen Elemente als solchem m\u00f6glich, die Abgabe desselben von den Organen zu verh\u00fcten, n\u00e4mlich mit dem Eisen. Der Thierk\u00f6rper ist also nicht im Stande, auch nicht der einfachste, aus den isolirten Elementen die ihn con-stituirenden h\u00f6heren chemischen Verbindungen synthetisch aufzubauen. Man hat fr\u00fcher der Lebenskraft diese Eigenschaft zugeschrieben; namentlich Hess man aus dem Stickgas der atmosph\u00e4rischen Luft stickstoffhaltige Substanzen des Thierleibs entstehen, als eine Anzahl - von Forschern das Verschwinden eines Theils des Stickstoffs der Luft beim Athmen beobachtet haben wollten.\nAber auch mit einfachen Verbindungen der Elemente vermag sich der Leib des h\u00f6heren Thiers nicht zu erhalten, nicht z. B. mit einem Gemische von Wasser, Kohlens\u00e4ure, Ammoniak1 oder Salpeters\u00e4ure, sowie der \u00fcbrigen anorganischen Verbindungen, obwohl darin alle n\u00f6thigen Elemente gegeben sind. Die tausendj\u00e4hrige Erfahrung hat gelehrt, dass der Mensch und die h\u00f6heren Thiere nicht wie die meisten Pflanzen von der Luft und einigen einfachen Verbindungen des Bodens zu leben im Stande sind. Der K\u00f6rper des h\u00f6heren Thiers vereinigt nicht die einfachsten Atomgruppen synthetisch zu den complexen Bestandtheilen seiner Organe; bei den meisten der im Thierleib vorkommenden Synthesen werden keine f\u00fcr den Bestand des Organismus n\u00f6thigen Verbindungen erzeugt, sondern es erfahren meist in der Spaltung schon ziemlich vorger\u00fcckte stickstoffhaltige Zersetzungsprodukte irgendwo nochmals einen Aufbau. Entstehen zur Zusammensetzung der Organe geh\u00f6rige Stoffe auf synthetischem Wege, so werden nur sehr complicirte Verbindungen in noch complicirtere verwandelt, so z. B. bei dem Uebergang von Eiweiss in H\u00e4moglobin oder bei der von Manchen angenommenen Synthese von Eiweiss aus Pepton oder von Fett aus Fetts\u00e4uren und Glycerin. Im Grossen und Ganzen empf\u00e4ngt das h\u00f6here Thier die Bestandtheile seiner Organe in den Nahrungsstoffen bereits fertig vor, und nur einige wenige derselben k\u00f6nnen auch aus ihnen sehr nahe stehenden gebildet werden. Es verh\u00fcten auch gewisse einfache anorganische Verbindungen den Verlust der entsprechenden Verbin-\n1 Pereira liess noch aus dem in der atmosph\u00e4rischen Luft enthaltenen Ammoniak h\u00f6here stickstoffhaltige Substanzen im Organismus entstehen.","page":328},{"file":"p0329.txt","language":"de","ocr_de":"Allgemeines und Geschichtliches \u00fcber die Bedeutung der Nahrungsstoffe. 329\nd\u00fcngen vom K\u00f6rper z. B. das Wasser, das Chlornatrium, das Chlorkalium, die phosphorsauren Alkalien und alkalischen Erden. Zur Erhaltung und Ablagerung von Kohlenstoff, Schwefel, Stickstoff und eines Theils des Wasserstoffs und Sauerstoffs (im Eiweiss, Fett u. s. w.) m\u00fcssen aber bestimmte, h\u00f6chst complicirt zusammengesetzte, organische Verbindungen eingef\u00fchrt werden.\nDie genannten Elemente sind im Thierk\u00f6rper vorz\u00fcglich in eiweissartigen Stoffen und im Fett enthalten; es gilt also entweder einen Wiederersatz f\u00fcr den Verlust dieser Stoffe zu schaffen, oder einen solchen Verlust zu verh\u00fcten. Die \u00fcbrigen organischen Stoffe, welche in den Organen und S\u00e4ften Vorkommen, brauchen nicht als solche zugef\u00fchrt zu werden; der thierisclie Organismus erh\u00e4lt und vergr\u00f6ssert mit Eiweiss, Fett, Wasser und den n\u00f6thigen Aschebestand-theilen seinen stofflichen Bestand; es k\u00f6nnen daher sicherlich aus Eiweiss und Fett (ja aus Eiweiss allein) alle anderen im K\u00f6rper befindlichen organischen Stoffe hervorgehen.\nAusser dem Eiweiss und Fett sind im K\u00f6rper nur mehr leimgebende Stoffe, Hornstoff und Lecithin in erheblicher Menge abgelagert. Aus resorbirtem Leim wird aber nie leimgebendes Oewebe erzeugt, da der Leim stets vollst\u00e4ndig zersetzt wird. Der Hornstoff bildet sich nicht aus dem verzehrten Hornstoff, der im Darmkanale nicht l\u00f6slich ist; ebensowenig entsteht das Mucin des Schleims aus dem in der Nahrung enthaltenen Schleimstoffe. Das in der Nahrung aufgenommene Lecithin tr\u00e4gt nicht zur Vermehrung und zum Ersatz des im K\u00f6rper befindlichen Lecithins bei, denn es wird im Darm schon in seine Bestandteile zerlegt. Diese drei zusammengesetzten Substanzen bilden sich daher aus Eiweiss und Fett (oder Eiweiss allein) aus. Die \u00fcbrigen meist im Zerfall schon weiter vorgeschrittenen Stoffe sind nur in geringer Menge vorhanden und geh\u00f6ren gr\u00f6sstenteils nicht mehr notwendig zur Zusammensetzung der Organe, es sind Zerfallprodukte des Eiweisses und Fettes, welche nicht oder nur zum geringen Theil aus den entsprechenden Stoffen der Nahrung abgelagert werden. Das Kreatin des Muskels geht z. B. aus der Eiweisszersetzung hervor, denn das in der Nahrung aufgenommene Kreatin vermehrt nicht den Kreatingehalt des Muskels, sondern wird im Harn wieder entfernt, und es findet sich im Muskel eines verhungerten Thieres nicht weniger Kreatin als in dem eines reichlich mit Fleisch ern\u00e4hrten. In der Nahrung zugef\u00fchrter Harnstoff wird als solcher, Harns\u00e4ure als solche oder als Harnstoff wieder ausgeschieden.\nKeinesfalls ist es n\u00f6thig f\u00fcr die Zufuhr aller dieser Zersetzungs-","page":329},{"file":"p0330.txt","language":"de","ocr_de":"330\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. Allgemeines und Geschichtliches.\nProdukte der Organe in der Nahrung eigens Sorge zu tragen; sie entstehen in normaler Menge bei Darreichung von Eiweiss und Fett (oder von Eiweiss allein).\nDas im h\u00f6heren thierischen Organismus in den Zellengebilden und S\u00e4ften befindliche Eiweiss stammt aus den eiweissartigen Stoffen der Nahrung ab. So viel wir jetzt wissen, entsteht im K\u00f6rper des h\u00f6heren Thiers kein Eiweiss aus leimgebenden Substanzen oder aus Leim, auch wahrscheinlich nicht aus Pepton. Noch viel weniger kann sich Eiweiss mit Hilfe von stickstofffreien Stoffen aus Lecithin oder stickstoffhaltigen Zersetzungsprodukten wie Harnstoff, Harns\u00e4ure, Tyrosin, Kreatin, Leucin, Asparagin, Kafifein, Taurin u. s. w. aufbauen; alle hier\u00fcber gesammelten Thatsachen sprechen gegen einen solchen Vorgang. Wohl aber verm\u00f6gen in hohem Grade das Pepton und der Leim, in geringerem Grade das Fett (auch die Fetts\u00e4uren) und der Zucker, vielleicht noch einige andere Stoffe wie z. B. die Milchs\u00e4ure, das Asparagin, die Zersetzung des Eiweisses zu vermindern und also Eiweiss zu sparen.\nDas Fett im Thierk\u00f6rper wird aus dem Fett der Nahrung abgelagert oder aus dem Eiweiss abgespalten, vielleicht auch aus Zucker aufgebaut. Etwas anderes ist es, die Abgabe des Fettes vom K\u00f6rper zu verh\u00fcten oder zu verringern. Dazu dienen vor Allem: Fett, Zucker, Eiweiss und Leim. M\u00f6glicherweise \u00fcbernehmen diese Rolle theilweise auch einfachere organische Verbindungen, wie z. B. Lecithin, h\u00f6here Fetts\u00e4uren, Glycerin, Alkohol, Milchs\u00e4ure und andere niedere Fetts\u00e4uren u. s. w., welche Stoffe aber alle f\u00fcr gew\u00f6hnlich nur in geringer Menge in den K\u00f6rper gelangen.\nDies ist in grossen Z\u00fcgen die stoffliche Bedeutung der in der Nahrung zugef\u00fchrten Stoffe, wie wir sie gr\u00f6sstentheils aus dem Studium der Zersetzungsprocesse im K\u00f6rper abzuleiten verm\u00f6gen.\nAlle diejenigen Stoffe, welche einen f\u00fcr die Zusammensetzung des K\u00f6rpers nothwendigen Stoff zum Ansatz bringen, oder dessen Abgabe verh\u00fcten und vermindern, nennt man Nahrungsstoffe.\nDie Nahrungsstoffe wirken dabei in verschiedener Weise, wie aus obiger Uebersicht schon hervorgeht: sie ersetzen entweder einen vom K\u00f6rper zu Verlust gegangenen Stoff wieder, wie z. B. durch Wasser, Aschebestandtheile, Eiweiss, Fett die betreffenden Substanzen zum Ansatz gelangen, oder sie vermindern und verh\u00fcten nur den Verlust eines Stoffes, wie z. B. durch Fett, Kohlehydrate, Leim, Pepton und Albuminate die Abgabe von Eiweiss, durch Kohlehydrate und Eiweiss die Abgabe von Fett geringer gemacht oder ganz aufgehoben wird.\nDiese beiden Wirkungen, der Ersatz f\u00fcr den Verlust und die","page":330},{"file":"p0331.txt","language":"de","ocr_de":"Allgemeines und Geschichtliches \u00fcber die Bedeutung der Nahrungsstofte. 331\nVerh\u00fctung desselben, m\u00fcssen wohl aus einander gehalten werden, wenn man die Rolle der Nahrungsstoffe verstehen will. Fr\u00fcher dachte man sich, es w\u00fcrden gewisse Stoffe des K\u00f6rpers zerst\u00f6rt oder unter den gegebenen Bedingungen ausgeschieden, und die Stoffe der Nahrung h\u00e4tten ausschliesslich die Aufgabe f\u00fcr den erlittenen A er-lust als Ersatzmaterial einzutreten. Dies ist f\u00fcr den Ansatz von Ei-weiss und Fett nach dem Hunger ganz richtig; bei Nahrungsaufnahme handelt es sich aber nach meiner Auffassung im Wesentlichen um eine Verh\u00fctung des Verlustes durch die Stoffe der Nahrung, welche meist dadurch, dass sie selbst zerst\u00f6rt werden, die Bedingungen f\u00fcr die Zersetzung der Stoffe des K\u00f6rpers aufheben und so letztere vor dem Zerfall sch\u00fctzen. Es ist vorher schon aufgez\u00e4hlt worden, welche Nahrungsstoffe die eine und welche die andere Rolle \u00fcbernehmen; dieselben k\u00f6nnen nicht ausschliesslich Ersatzstoffe sein, denn man h\u00e4tte in diesem Falle zur Erhaltung des K\u00f6rpers nur so viel Eiweiss und Fett n\u00f6thig, als beim Hunger zu Grunde geht oder allenfalls so viel Zucker, um daraus das zerst\u00f6rte Fett entstehen zu lassen. Man hat dagegen erkannt, dass durch die Zufuhr der neuen Stoffe und unter ihrem Einfl\u00fcsse der ganze Gang der Zersetzung ge\u00e4ndert wird.\nSelbst das Wasser und die Aschebestandtheile nehmen wir nicht immer blos zur Deckung des erlittenen Verlustes auf; dadurch dass diese Stoffe eingef\u00fchrt und wieder ausgeschieden werden, bleiben vielfach die Gewebe vor einer Wasser- und Ascheabgabe bewahrt. Die Knochen b\u00fcssen z. B. bei kalkarmer Kost Kalk ein, da die S\u00e4fte durch Ausscheidung \u00e4rmer an diesem Stoff geworden sind ; giebt man gen\u00fcgend Kalk in der Nahrung, dann kommt der Knochen nicht in die Lage Kalk zu verlieren.\nLetzteres ist in noch h\u00f6herem Grade der Fall mit den sich zersetzenden organischen Nahrungsstoffen, welche in vielen F\u00e4llen die im K\u00f6rper befindlichen Stoffe vor dem Zerfall bewahren. Beim Hunger r\u00fcckt f\u00fcr das in den S\u00e4ften zerst\u00f6rte Fett aus den Fettzellen Ersatz nach; reicht man Fette oder Kohlehydrate, so werden diese angegriffen und das im Zellgewebe enthaltene Fett bleibt intakt. In gleicher Weise sch\u00fctzt das Nahrungseiweiss oder der Leim zum grossen Theil das in den Organen abgelagerte Eiweiss. Die Kohlehydrate sind haupts\u00e4chlich, ja, wenn aus ihnen kein Fett entsteht, sogar ausschliesslich ersparende Nahrungsstoffe.\nMan hat im Laufe der Zeit die verschiedenartigsten Anschauungen \u00fcber das, was der Nahrung die Eigenschaft ertheilt, den K\u00f6rper zu erhalten oder zu ern\u00e4hren, gehabt, entsprechend den Erfahrungen der","page":331},{"file":"p0332.txt","language":"de","ocr_de":"332\nVoit. Die Ern\u00e4hrung. Allgemeines und Geschichtliches.\nZeit1; man ist erst sp\u00e4t zu besserer Erkenntniss von der Bedeutung der Nahrung und von den Vorg\u00e4ngen bei der Ern\u00e4hrung gelangt, da dieselbe einen hohen Grad der Ausbildung anderer Wissenschaftszweige, namentlich der Chemie, voraussetzt.\nMan hatte, wie schon erw\u00e4hnt, gewiss sehr fr\u00fche die Erfahrung gemacht, dass der Mensch ohne Zufuhr von Speise abmagert und endlich zu Grunde geht; man konnte daraus nichts anderes schliessen als dass die Speisen die Aufgabe haben, den Verlust zu verh\u00fcten. Es musste auch bemerkt worden sein, dass der Erwachsene Tag f\u00fcr Tag Speise in grosser Menge einnimmt, ohne dadurch schwerer zu werden.\nNach Hippokrates erleidet der Organismus durch die Ausscheidungen der Haut und durch die Abgabe von W\u00e4rme Verluste: die wachsenden K\u00f6rper, sagt er, haben die meiste eingepflanzte nat\u00fcrliche W\u00e4rme und erfordern daher auch die meiste Nahrung, ausserdem zehrt sich der K\u00f6rper auf. Auch nach Aristoteles dient die Speise zur Deckung des Abgangs durch die Hautausscheidung und durch die W\u00e4rme; von einem Verlust des K\u00f6rpers durch den Harn und Koth wusste er noch nichts, denn er meinte, offenbar weil diese beiden Exkrete in so auffallender Abh\u00e4ngigkeit von der Nahrungszufuhr sind, dieselben stammten direkt von den Speisen ab und enthielten das Bittere, zur Ern\u00e4hrung der K\u00f6r-pertheile Unbrauchbare der Nahrung.\nDa die Thiere sich von den verschiedensten Stoffen der Thier- und Pflanzenwelt n\u00e4hren, so dachte man sich in allen Speisen pflanzlichen und thierischen Ursprungs bef\u00e4nde sich ein \u00fcberall gleicher N\u00e4hrstoff, der im Darm ausgezogen und vom Unbrauchbaren getrennt werde. Dem entsprechend sagte Hippokrates: es giebt mehrere Arten von Alimenten, aber doch nur ein einziges Aliment.\nSechshundert Jahre sp\u00e4ter vermochte einer der gr\u00f6ssten Naturforscher, welcher das ganze \u00e4rztliche Wissen seiner Zeit zu einem abgerundeten System vereinigte, Claudius Galenus, trotz der bedeutenden Fortschritte in der Erkenntniss der Vorg\u00e4nge im Thier nichts Neues zu dieser Lehre hinzuzuf\u00fcgen. Nach seinem fr\u00fcher (S. 205) mitgetheilten Vergleich scheint ihm die Nahrung dazu zu dienen, das im K\u00f6rper Verbrannte zu ersetzen.\nParacelsus stellte sich vor, im Magen zerlege eine unbekannte L r-sache, der Archaeus, die Speisen in ihr Gutes und B\u00f6ses; von dem Guten oder der Essenz decke jedes Organ seinen Bedarf, das B\u00f6se, Giftige oder Unbrauchbare werde als sch\u00e4dliches Exkrement im Harn, Koth und Athem abgeschieden. Was jedoch die Essenz ist und wodurch das Organ sich allm\u00e4hlich verzehrt, darauf hat er keine Antwort.\nNach den Jatrochemikern und Jatromathematikern dient die Nahrung dazu den durch die G\u00e4hrung oder durch die Abreibung der sich bewegenden Gebilde erlittenen Verlust an K\u00f6rpersubstanz zu ersetzen (S. 265) oder ihn zu verh\u00fcten2 und zwar durch ihren Gehalt an g\u00e4hrungsf\u00e4higem Schleim. (Stahl, Lorry.)\n1\tVoit, Ueber die Theorien der Ern\u00e4hrung. Acad. Rede. 1868.\n2\tIn dem S. 265 schon erw\u00e4hnten AVerke von Guarinonius (1610) lese ich: Speise und Trank haben das im Leib Zerflossene zu ersetzen; die Zerfliessung","page":332},{"file":"p0333.txt","language":"de","ocr_de":"Allgemeines und Geschichtliches \u00fcber die Bedeutung der Nahrungsstofte. 333\nAus diesem einen N\u00e4hrstoff liess man nun alle die mannigfaltigen Substanzen im Thierk\u00f6rper entstehen; man nahm im Organismus eine Umwandlung eines Stoffes in andere durch den Prozess der Ver\u00e4hnlichung oder Assimilation an, worauf ich noch zur\u00fcckkommen werde.\nDie Vorstellungen Haller\u2019s \u00fcber die Ern\u00e4hrung und die Bedeutung der Nahrungsmittel, welche die Anschauungen von der Mitte des vorigen Jahrhunderts wiedergeben, lassen noch ein geringes Wissen von der chemischen Zusammensetzung der Nahrung und des K\u00f6rpers erkennen. Die Grundstoffe, welche die festen und fl\u00fcssigen Theile des K\u00f6rpers bilden, sind: eine kalkartige Erde, Wasser, Oel, Eisen und Luft.1 Diese Grundstoffe werden verzehrt; es gehen fl\u00fcssige Theile durch die Haut- und Lungenausd\u00fcnstung, durch den Schweiss, sowie durch den Harn und Kotli verloren, aber auch die Grundstoffe der festen Theile verzehren sich durch das fr\u00fcher (S. 266) erw\u00e4hnte Abreiben und gehen dann (vorz\u00fcglich die Erde und das Oel) durch den Harn ab. Durch die Ern\u00e4hrung sollen nun die verlorenen fl\u00fcssigen und festen Theile wieder ersetzt werden, was durch Ansetzen der fl\u00fcssigen Theile und durch Erg\u00e4nzen des Abgeriebenen aus den Speisen geschieht. Das Wasser derselben liefert die w\u00e4ssrigen S\u00e4fte, der Schleim der pflanzlichen und thierisclien Nahrung die schleimigen, die Lymphe der Fleischspeisen oder das leimige, der thierisclien Natur sich ann\u00e4hrende alkalische Wesen der Pflanzen (der Kleber) die gallertartigen; das Mehl und das thierische Fett giebt das Fett im K\u00f6rper. In den Pflanzentheilen (Mehl der Vegetabilien) und dem Fliesswasser der Thiere ist Gallerte, welche eigentlich allein ern\u00e4hrt; darum erhalten sich die Thiere von Vegetabilien und der L\u00f6we frisst das in Ochsenfleisch verwandelte Gras. Da die Pflanzen nur mit diesen gallertartigen Tlieilen des Mehles n\u00e4hren, so braucht man viel davon zur Nahrung und es ist eine gr\u00f6ssere Anstrengung n\u00f6tliig, um das s\u00e4uerliche Mehl in die Natur eines alkalischen Leims zu verwandeln. Die Gallerte und das Fett des Fleisches sind dagegen nicht vom Fliesswasser im Menschenblut unterschieden und brauchen zur Verwandlung in unsere S\u00e4fte nur herausgezogen zu werden. Im Fleisch befindet sich neben der ern\u00e4hrenden bindenden Gallerte zu viel von dem urinosen Salz, so dass die Gallerte scharf wird und die Kraft sich anzuh\u00e4ngen verliert und leicht F\u00e4ulniss macht. Wir gemessen darum am besten eine gemischte vegetabilische und animalische Kost, wobei die Fleischnahrung von dem s\u00e4uerlich werdenden Mehle temperirt wird. In diesen S\u00e4tzen Haller\u2019s findet sich, wie man sieht, die erste Andeutung von verschiedenen Stoffen in der Nahrung und ihrer verschiedenen stofflichen Bedeutung.\nder Substanz geschieht durch die nat\u00fcrliche Hitze, welche den Leib verzehrt, wenn man ihr nicht etwas Anderes zu verzehren giebt, wie der Hirte, welchen die W\u00f6lfe antasten und fressen wollen, ein Schaf hinwirft, so dass der Hirt und der Wolf erhalten wird. So wird die Nahrung der nat\u00fcrlichen Hitze vorgeworfen; erstere dient aber auch zum Ersatz des am Leib Zergangenen, indem sie sich durch die Hitze in Fleisch, Bein, Ader oder Blut verkehrt, wie die Sonne alle Gew\u00e4chse aus Samen und Erde hervorbringt.\nt Der Leim z. B., welcher die Theile (Erdstoffe) zusammenh\u00e4lt, soll bestehen aus Salzen, Wasser und Oel; das Fett aus wenig Wasser, viel Oel und einem s\u00e4uerlichen brandigen Saft.","page":333},{"file":"p0334.txt","language":"de","ocr_de":"334\nVoit. Die Ern\u00e4hrung. Allgemeines und Geschichtliches.\nDie sp\u00e4teren Physiologen hielten daran fest, dass statt der durch die Lebens\u00e4usserungen abgen\u00fctzten und unbrauchbar gewordenen festen Theile des K\u00f6rpers durch die Ern\u00e4hrung neue eintreten m\u00fcssen.\nDie Errungenschaften Lavoisier\u2019s brachten zun\u00e4chst vor Allem \u00fcber die Ursachen des Verbrauchs im Thierk\u00f6rper neue gel\u00e4utertere Vorstellungen : der eingeathmete Sauerstoff verbrennt darnach eine an Kohlenstoff und Wasserstoff reiche Fl\u00fcssigkeit des Bluts und sein Verbrauch bestimmt die Gr\u00f6sse der Zerst\u00f6rung sowie die der Nahrungszufuhr. Er erkannte aber auch mit Hilfe der von ihm ausgebildeten Elementaranalyse in den thierischen und pflanzlichen Substanzen den Gehalt an Kohlenstoff und Wasserstoff, welchen Elementen sp\u00e4ter noch der Stickstoff zugesellt wurde.1 2 Somit diente der Kohlenstoff und Wasserstoff der Nahrung dazu den im K\u00f6rper verbrannten Kohlenstoff und Wasserstoff wieder zu ersetzen. Mit der Vergleichung der Elemente der Nahrung und der Exkrete war aber f\u00fcr die eigentliche Ern\u00e4hrungslehre wenig erreicht, da man mit Kohlenstoff und Wasserstoff Niemanden ern\u00e4hren konnte und \u00fcber die Bedeutung der verschiedenen Stoffe der Nahrung alles noch dunkel blieb.\nNach und nach lernte man einzelne n\u00e4here Bestandteile der Speisen, sowie des Thierk\u00f6rpers und der fl\u00fcssigen Exkrete isoliren. In Folge davon bezeichnete man in den dreissiger Jahren als einfachste Nahrungsstoffe aus dem Pflanzenreiche: die s\u00e4uerlichen S\u00e4fte, den Schleim, den Zucker, das fette Oel, das Eiweiss und den Kleber, dann aus dem diner-reiche: den Leim, den Faserstoff, das Eiweiss, den K\u00e4sestoff und das Fett.\nMagendie und Prout versuchten zuerst eine Trennung aller dieser so verschiedenen Nahrungsstoffe in bestimmte Classen. Der Erstere-scliied sie in solche, welche keinen oder nur wenig Stickstoff enthalten, und in solche, welche eine grosse Menge desselben einschliessen. Der Letztere3 legte in richtigem Gef\u00fchle die Zusammensetzung der Milch, der einzigen fertig gebildeten ausschliesslichen Nahrung, seiner Eintheilung zu Grunde und unterschied folgende Nahrungsstoffe: Sacharina (Zucker, St\u00e4rkemehl, Gummi), Oleosa (Oele, Fette) und Albuminosa (animalische Materien, vegetabilisches Gluten). Prout stellte, auf die Kenntniss der n\u00e4heren Bestandtheile fussend, zuerst bestimmt die Ansicht auf, dass der Thierk\u00f6rper aus den n\u00e4mlichen Substanzen bestehe, die er in der Nahrung aufnimmt. Diese Anschauung, welche schon im Jahre 1742 von Beccaria4 in Bologna ge\u00e4ussert worden war, hielt sp\u00e4ter Dumas5 in voller Ausdehnung fest.\nSo viel war also allm\u00e4hlich klar geworden, dass es mehrere Nahrungsstoffe giebt und nicht in allen Nahrungsmitteln der gleiche Nahrungsstoff verborgen ist; man war aber noch sehr im Unklaren dar\u00fcber, was alle diese Stoffe oder die Hauptgruppen derselben bedeuten und welche Verwendung sie im Organismus finden.\n1\tFourcroy entdeckte den Stickstoff in den thierischen Substanzen, Gay-Lussac in dem Samen der Pflanzen.\n2\tMagendie. Handbuch d. Physiol, \u00fcbers, v. Heusinger. S. 28. 1836.\n3\tProut, Philos. Transact. II. p. 355. 1827.\n4\tBeccaria, Collection acad\u00e9mique. K p. 1.\n5\tDumas, Le\u00e7on sur la statique chimique des \u00eatres organis\u00e9s. 1841.","page":334},{"file":"p0335.txt","language":"de","ocr_de":"Allgemeines und Geschiehtliclies \u00fcber die Bedeutung der Nahrungsstoffe. 335\nDie im Darm gel\u00f6sten Nahrungsmittel und die Gebilde des Tliier-korpers schienen jedoch immer noch so ausserordentlich verschieden zu sein, dass man einen besonderen physiologischen Vorgang annahm, durch welchen die Nahrungsmittel in ihrer Mischung der S\u00e4ftemasse im Thierk\u00f6rper \u00e4hnlich gemacht und die Eigenschaften der letzteren erlangen m\u00fcssen, ehe sie geeignet sind zu festen Theilen der Organe zu werden. Die lebenden organischen Fl\u00fcssigkeiten haben darnach die F\u00e4higkeit in anderen organischen Materien ad\u00e4quate Ver\u00e4nderungen hervorzubringen, wodurch letztere die Eigenschaften der ersteren annehmen; dadurch entsteht aus den verschiedenartigen Nahrungsmitteln etwas Gleichartiges, die eigentliche Nahrungsfl\u00fcssigkeit. Diese Ver\u00e4hnlichung oder Assimilation geschieht zun\u00e4chst im Darm durch die Verdauungss\u00e4fte, ferner in den Saugadern durch Vermischen des Speisesaftes mit der Lymphe und auch in den mancherlei Dr\u00fcsen. Vor Allem aber tritt in der Lunge oder im arteriellen Blute durch die Luft eine weitere Ver\u00e4nderung der rohen Nahrungsfl\u00fcssigkeit ein, wobei sie in die eigentliche Ern\u00e4hrungs- und Bildungsfl\u00fcssigkeit umgewandelt wird. Dieselbe dient nun zur Ern\u00e4hrung aller Gewebe und Organe und aus ihr bilden sich der Hornstoff, die H\u00e4ute, Gef\u00e4sse, Nerven, Muskeln, Dr\u00fcsen, Knochen u. s. w., indem jedes Gewebe und Organ durch eigene Th\u00e4tigkeit zun\u00e4chst diejenigen Materien und Theile anzieht, welche den in ihre Mischung eingehenden organischen Verbindungen am n\u00e4chsten verwandt sind, und in ihre Mischung und organisches Gef\u00fcge bringt.\nUnter der Assimilation, von der schon Galenus sprach, verstand man also eine Umwandlung der Nahrungsstoffe in die Stoffe des Thierk\u00f6rpers. Anfangs, vor Bekanntschaft mit der Elementarzusammensetzung dieser Stoffe, liess man den in der Nahrung angenommenen einen N\u00e4hrstoff in die mannigfaltigen Substanzen des K\u00f6rpers \u00fcbergehen; dann sollten die verschiedenen Stoffe der Nahrung durch Ver\u00e4nderung zu den Stoffen der Organe werden. Im Anf\u00e4nge des Jahrhunderts war es eine der Hauptaufgaben der Lebenskraft diese Wandlungen zu vollziehen: durch sie wurde selbst Knochenerde erzeugt (S. 327 Anmerkung). Sp\u00e4ter meinte man, s\u00e4mmtliche Nahrungsstoffe k\u00f6nnten sich in die stickstoffhaltige Substanz des Thierk\u00f6rpers, in Eiweiss verwandeln, aus dem man damals vorz\u00fcglich die Organe bestehen liess. Dies nahm noch Joh. M\u00fcller im Jahre 1835 an: am nahrhaftesten sind ihm daher diejenigen Stoffe, bei welchen die Reduction in Eiweiss am leichtesten stattfindet oder welche selbst eiweissartiger Natur sind.1 Da man aber damals eine Umwandlung eines Elements in ein anderes durch die Lebenskraft nicht mehr annehmen konnte, so hatte man zur Ueberf\u00fchrung der stickstofffreien Stoffe in das stickstoffreiche Eiweiss Stickstoff noting: es blieb keine andere Wahl, als ihn aus der eingeathmeten Luft oder aus stickstoffhaltigen Zersetzungsprodukten stammen zu lassen. Man war in der That fest \u00fcberzeugt, dass die pflanzenfressenden Thiere und die von Reis und Mais\n\\ Je entfernter eine Substanz in Hinsicht ihrer Zusammensetzung von dem Eiweiss steht, einen um so gr\u00f6sseren Aufwand der Verdauungss\u00e4fte nimmt sie nach den damaligen Begriffen zu ihrer Verwandlung in Anspruch und desto weniger ist sie n\u00e4hrend. (J. M\u00fcller, Handbuch d. Physiol. S. 460. 1835.)","page":335},{"file":"p0336.txt","language":"de","ocr_de":"336\nVoit. Die Ern\u00e4hrung. Allgemeines und Geschichtliches.\nlebenden V\u00f6lker in ihrer Nahrung gar keinen Stickstoff aufn\u00e4hmen, oder dass die Neger lange Zeit nur von Zucker sich n\u00e4hren und die Karawanen bei ihren Reisen durch die W\u00fcste w\u00e4hrend mehrerer Wochen keine andere Speise wie Gummi zur Verf\u00fcgung h\u00e4tten.\nVon einem Aehnliclnnachen oder einer Assimilation im fr\u00fcheren Sinne des Wortes k\u00f6nnen wir jetzt wohl nicht mehr sprechen. H\u00e4ufig wird heutzutage das Wort \u201e assimilirenu in ganz falscher Weise gebraucht, z. B. statt ansetzen oder resorbiren, wodurch leicht Missverst\u00e4ndnisse entstehen. Das Kalkphosphat z. B. kann nicht assimilirt werden. Dagegen kann es wohl als eine Assimilirung bezeichnet werden, wenn aus Pepton oder Acidalbuminat die verschiedenen eiweissartigen Stoffe der Organe sich bilden, ebenso wenn aus einem beliebigen Fett, aus Eiweiss oder vielleicht aus Zucker das charakteristisch zusammengesetzte Fett eines Thiers hervorgeht.\nAlle diese fr\u00fcheren Ideen \u00fcber die Ern\u00e4hrung wurden erst sp\u00e4t durch Versuche an Thieren mit einfachen N\u00e4hrstoffen gepr\u00fcft. Entsteht z. B. im Thier wirklich aus Zucker oder Fett Eiweiss, so muss sich der K\u00f6rper mit diesen Stoffen erhalten.\nDies geschah zuerst durch Magendie. 1 Er f\u00fctterte Hunde ausschliesslich mit stickstofffreien Stoffen, mit Rohrzucker, Gummi, Oliven\u00f6l, Butter u. s. w. Da dabei die Tliiere trotz guten Appetits allm\u00e4hlich abmagerten und nach etwa 34 Tagen zu Grunde gingen, so schloss er ganz richtig, dass der Stickstoff der Organe nur von den Nahrungsmitteln stamme und die stickstofffreien Substanzen sich im Thier nicht in stickstoffhaltige umwandeln. Es ist ein grosses Verdienst von Magendie in Folge davon auf den Stickstoffgehalt der Vegetabilien, von welchen der Mensch und die Tliiere leben, wie des Reises, des Maises, der Kartoffeln und des Zuckerrohrs hingewiesen zu haben.\nAber die Bedeutung der stickstofffreien Stoffe der Nahrung, welche doch in so grossen Quantit\u00e4ten genossen werden, blieb damit noch ganz unbekannt. Man w\u00e4re vielleicht b\u00e4lder zu der Einsicht von dem prin-cipiellen Unterschiede der stickstoffhaltigen und der stickstofffreien N\u00e4hrstoffe f\u00fcr die Erhaltung der Stoffe am K\u00f6rper gekommen, wenn nicht Magendie gefunden h\u00e4tte, dass die Tliiere auch bei ausschliesslicher Darreichung einer stickstoffhaltigen Substanz auf die Dauer nicht bestehen. Erhielten Hunde nur weisses Weizenbrod, nur K\u00e4se, harte Eier oder ausgewaschenen Faserstoff, so wurden sie mager und verendeten unter allen Zeichen der Inanition. Ein blos mit gekochtem Reis gef\u00fctterter Esel lebte nur 14 Tage lang; Kaninchen und Meerschweinchen starben Hungers, wenn sie nur von einer einzigen Substanz, z. B. von Weizen oder Hafer, Gerste, Kohl, Carotten u. s. w. frassen. Aehnliclie Versuche mit gleichem Resultate hatten Tiedemann und Gmelin1 2 3 an G\u00e4nsen gemacht; mit Eiweiss blieben sie nur kurze Zeit (46 Tage) am Leben. \\ on Macaire und Marcet3 liegen Versuche der Art an Hammeln vor. Clouet wurde, als er einen Monat hindurch nur Kartoffeln verzehrte, so schwach,\n1\tMagendie, Compt. rend. XIII. p. 237. 1841.\n2\tTiedemann u. Gmelin, Die Verdauung nach Versuchen. II. S. 183. 1826.\n3\tMacaire u. Marcet , M\u00e9m. de la soci\u00e9t\u00e9 de phys. et d\u2019hist.-nat. de Gen\u00e8ve. V.","page":336},{"file":"p0337.txt","language":"de","ocr_de":"Allgemeines und Geschichtliches \u00fcber die Bedeutung der Nahrungsstoffe. 337\ndass er diese Di\u00e4t nicht l\u00e4nger fortzusetzen vermochte. Fr\u00fcher schon hatte der englische Arzt William Stark1 die Wirkung von allerlei in Qualit\u00e4t und Quantit\u00e4t verschiedenen Speisen an sich selbst probirt.\nDie meisten Versuche der Art waren, wie wir jetzt erkennen, nicht richtig angestellt; die Ursachen, warum die Tliiere dabei zu Grunde gingen, sind sehr verschieden. Hunde h\u00e4tten mit weissem Weizenbrod, K\u00e4se oder harten Eiern recht wohl l\u00e4ngere Zeit am Leben bleiben k\u00f6nnen, aber man hat damals nicht Sorge daf\u00fcr getragen, dass die Tliiere die Vorgesetzten Substanzen auch frassen; man meinte, wenn sie nicht geh\u00f6rig davon aufnehmen, so w\u00e4re dies ein Beweis, dass die Substanzen den K\u00f6rper nicht ern\u00e4hren. H\u00e4tte aber der Esel den gekochten Reis in gen\u00fcgender Menge verzehrt, so w\u00e4re er noch nicht nach 14 Tagen zu Grunde gegangen; ebensowenig die Kaninchen und Meerschweinchen bei F\u00fctterung mit Weizen, Hafer, Gerste, Kohl oder Karotten. Ich habe Hunde beobachtet, welche kein rohes Fleisch frassen, andere welche gekochtes Fleisch oder Brod nicht ber\u00fchrten. Namentlich sind aber die Pflanzenfresser w\u00e4hlerisch, so z. B. die Kaninchen, welche irgend ein Nahrungsmittel w\u00e4hrend mehrerer Tage gern fressen, dann aber dasselbe hartn\u00e4ckig verweigern. Man muss also daf\u00fcr Sorge tragen, dass die Vorgesetzten Nahrungsmittel auch in bestimmter Menge aufgenommen werden. Bei den meisten der genannten Ern\u00e4hrungs versuche, namentlich bei denen Magendie\u2019s, ist aber \u00fcber die Quantit\u00e4t des Verzehrten gar keine Aufzeichnung gemacht worden.\nBei F\u00fctterung des Hundes mit weissem Weizenbrod, des Esels mit Reis, der Kaninchen mit Karotten, des Menschen mit Kartoffeln u. s. w. handelt es sich um zusammengesetzte Nahrungsmittel, wobei die Tliiere, auch nach Einf\u00fchrung grosser Mengen, entweder an Eiweiss oder an Fett einbiissen und schliesslich zu Grunde gehen; bei F\u00fctterung der Hunde mit K\u00e4se k\u00f6nnen Aschebestandtheile fehlen.\nGiebt man dagegen ausschliesslich einen Nahrungsstoff, selbst in grosser Quantit\u00e4t, z. B. Faserstoff oder Zucker oder St\u00e4rkemehl oder Fett u. s. w., so sterben die Tliiere, weil dadurch nur ein Tlieil der Stoffe des K\u00f6rpers vor Verlust bewahrt wird, ein anderer nicht.\nAlles dies erkannte man damals nicht; man meinte vielmehr, als man mit dem stickstoffreichen Eiweiss den K\u00f6rper ebensowenig erhalten konnte, wie mit den stickstofffreien Stoffen, es w\u00e4re eine gewisse Abwechselung und Mannigfaltigkeit in jeder Kost noth wendig. Niemand dachte daran, dass die beiden Classen von N\u00e4hrstoffen eine verschiedene stoffliche Rolle bei der Ern\u00e4hrung spielen k\u00f6nnten.\nMan hatte um das Jahr 1840 \u00fcber die als unbrauchbar abgeschiedenen Stoffe, \u00fcber die Ursachen der Zersetzungen im Thier, sowie \u00fcber einige n\u00e4here Bestandtheile der Organe und der Nahrung bestimmte Vorstellungen gewonnen, in der speciellen Ern\u00e4hrungslehre war man aber noch nicht \u00fcber die ersten Anf\u00e4nge hinaus gekommen; Niemand konnte angeben, warum wir in unserer Nahrung Eiweiss, Zucker u. s. w. essen,\n1 William Stark, Klin, u. anat. Bemerkungen nebst di\u00e4tetischen Versuchen. Aus d. Engl. y. Chr. Fr. Michaelis. Breslau 1789.\nHandbuch der Physiologie. Bd. VI.\n22","page":337},{"file":"p0338.txt","language":"de","ocr_de":"338\nVoit. Die Ern\u00e4hrung. Allgemeines und Geschichtliches.\noder warum der eine Organismus sich mit Fleisch, ein anderer mit dem davon scheinbar ganz verschiedenen Heu erh\u00e4lt.\nEin Fortschritt in dieser Richtung wurde erm\u00f6glicht, als man in der Nahrung des Pflanzenfressers die gleichen oder gleich wirkende Stoffe fand, wie in der des Fleischfressers und wie im Thierleib. 0. J. Mulder\u2019s bedeutungsvolle Arbeiten \u00fcber die eiweissartigen Stoffe lehrten, dass die Eiweissk\u00f6rper in den Pflanzen und in den Thieren die gr\u00f6sste Aehn-liehkeit mit einander haben; durch Liebig wurde dann die Uebereinstim-mung derselben noch weiter dargethan. Schon Mulder1 schloss daraus: .,Die Pflanzenfresser gemessen \u00e4hnliche Nahrung wie die Fleischfresser, sie gemessen Beide Eiweissstoffe, jene von Pflanzen, diese von Thieren; der Eiweissstoff ist aber f\u00fcr beide gleich.u Besonders aber durch die gl\u00e4nzende Darstellung Liebig\u2019s wurde es klar, warum das Heu im Leib des Pflanzenfressers die gleichen Dienste leistet wie das Muskelfleisch in dem des Fleischfressers : Beide enthalten eiweissartige Stoffe, die an die Stelle der im K\u00f6rper verbrauchten gleichnamigen Stoffe treten. Somit musste, dies konnte dem scharfen Blicke Liebig\u2019s nicht verborgen bleiben, das in der vegetabilischen Nahrung in \u00fcberwiegender Menge befindliche stickstofffreie St\u00e4rkemehl die Aufgabe des stickstofffreien Fetts der animalischen Nahrung \u00fcbernehmen.\nLiebig'2 wurde durch solche Betrachtungen zu einer Eintheilung der organischen Nahrungsstoffe gef\u00fchrt, welche zum ersten Male einen tiefen Einblick in die Vorg\u00e4nge bei der Ern\u00e4hrung thun liess (s. S. 267).\nDie organisirten Formen, an denen wir die Th\u00e4tigkeits\u00e4usserungen ablaufen sehen, setzen sich nach ihm aus Eiweiss zusammen; die \u00fcbrigen Stoffe sind im Organisirten nur wie in einem Schwamm eingesaugt und k\u00f6nnen unbeschadet der Form daraus weggenommen werden. Bei der nach aussen sichtbaren Wirkung der Organe, vorz\u00fcglich der Arbeitsleistung der Muskeln, sollen die eiweisshaltigen Formen zerst\u00f6rt werden und dadurch zugleich die Kraft f\u00fcr die Arbeit liefern, so dass das Eiweiss der Nahrung nur dazu dient, das durch die t\u00e4gliche Arbeit, die Herz-, Athem- und die \u00fcbrigen Muskelbewegungen zu Verlust gegangene organisirte Eiweiss wieder aufzubauen. Das schwer verbrennliche Eiweiss ist daher nach Liebig der plastische oder gewebsbildende Nahrungsstoff.\nDie Ursache der Zerst\u00f6rung der stickstofffreien Stoffe dagegen war ihm der Sauerstoff. Die leicht oxydirbaren Fette und Kohlehydrate der Nahrung nehmen den Sauerstoff in Beschlag und verbrennen zu Kohlens\u00e4ure und Wasser, wodurch sie zugleich vorz\u00fcglich die f\u00fcr das Bestehen\n1\tMulder in W. Wenckebach\u2019s Natuur- en Scheikundig Archief. p. 128. 1838. Er zog die Eiweissk\u00f6rper mit Wasser. Alkohol, Aether und Salzs\u00e4ure aus, l\u00f6ste in Kalihydrat, f\u00e4llte mit Essigs\u00e4ure und wollte so aus allen eiweissartigen Stoffen einen Grundstoff von der gleichen Zusammensetzung, das Schwefel- und phosphorfreie Protein erhalten haben; die Unterschiede der urspr\u00fcnglichen Eiweissk\u00f6rper sollen von den mit dem Protein verbundenen Schwefel- und Phosphoratomen\nkommen.\t.\n2\tLiebig, Die org. Chem. in ihrer Anwendg. auf Physiologie u. Pathologie. 1842; \u2014 Chemische Briefe. S. 418. 446. 1851 ; Ann. d. Chem. u. Pharm. XLI. S. 189 u. 241. 1842, LUI. S. 63. 1845, LVIII. S. 335. 1846, LXX. S. 311. 1849, LXX1X. S. 205 u. 358. 1851, CLITI. S. 167 u. 206.1870.","page":338},{"file":"p0339.txt","language":"de","ocr_de":"Allgemeines und Geschichtliches \u00fcber die Bedeutung der Nahrungsstoffe. 339\ndes Organismus n\u00f6thige W\u00e4rme liefern, sie sind die Respirationsmittel oder die W\u00e4rmebildner.\nDa nach Liebig die eiweissartigen Stoffe der Nahrung nur als Ersatz f\u00fcr das durch die Arbeit zerst\u00f6rte Eiweiss des Organisirten eintreten, die stickstofffreien Stoffe der Nahrung gleich als solche verbrannt werden, so nahm er nur f\u00fcr das Eiweiss einen Stoffwechsel an und nicht f\u00fcr die stickstofffreien Stoffe. Daher kamen die Ausdr\u00fccke : das Eiweiss wird im Stoffwechsel zersetzt oder der Harnstoff ist ein Maass des Stoffwechsels, die stickstofffreien Stoffe werden im Respirationsprozess zerst\u00f6rt. Man sagte deshalb auch, das St\u00e4rkemehl oder das Fett diene nicht zur Ern\u00e4hrung, sondern nur zur Unterhaltung der Respiration.\nDie verh\u00e4ngnissvolle Consequenz dieser falschen Auffassung war, dass man damals und noch l\u00e4ngere Zeit darnach dem Eiweiss vor Allem die Aufmerksamkeit zuwandte und es als den haupts\u00e4chlichsten und wichtigsten Nahrungsstoff, ja als den einzigen1 betrachtete, da es allein den Verlust durch den Stoffwechsel wieder ersetzen sollte und man unter Ern\u00e4hren nur den Wiederaufbau des durch die Arbeit zerst\u00f6rten Gewebes verstand.\nSomit war an die Stelle eines allgemein in der Nahrung pr\u00e4-existirenden und nicht weiter zu ver\u00e4ndernden N\u00e4hrstoffs des Hippokrates und der Jatrochemiker das Eiweiss getreten, welches ausschliesslich als n\u00e4hrend galt und in welches jede n\u00e4hrende Substanz sich verwandeln muss.\nMan beurtheilte deshalb geraume Zeit den N\u00e4lirwerth eines Nahrungsmittels ausschliesslich nach seinem Eiweissgehalte; man untersch\u00e4tzte das Fett und die Kohlehydrate als Nahrungsstoffe gegen\u00fcber dem Eiweiss und war beruhigt, wenn in einem Nahrungsgemische nur f\u00fcr letzteres gen\u00fcgend gesorgt war. Ja man ging noch weiter und ben\u00fctzte die Stickstoffmenge einer Substanz als Maass ihres N\u00e4hrwerthes, ohne zu fragen, ob dieser Stickstoff in Eiweiss oder leimgebendem Gewebe oder Harnstoff oder Alkaloiden oder Ammoniak u. s. w. steckt, w\u00e4hrend er doch nur in der Form von eiweissartiger oder leimgebender Substanz n\u00fctzt. So hielt z. B. Payen2 den Kaffeeabsud f\u00fcr ein Nahrungsmittel, nur weil er Stickstoff enth\u00e4lt. Auf diese Weise entstanden die N\u00e4hrtabellen oder Nutritionsskalen von Bo\u00fcssingault3, von Schlossberger und Kemp4, von Horsford5, in welchen die Substanzen einfach nach ihrem Stickstoffgehalte geordnet sind. Bei der Aufstellung von Futtertabellen f\u00fcr die pflanzenfressenden Hauss\u00e4ugethiere vernachl\u00e4ssigte Bo\u00fcssingault noch vollst\u00e4ndig die stickstofffreien Stoffe, die ja nach den damaligen Vor-\n1\tIn Liebig\u2019s chemischen Briefen (4. Aull. S. 264. 1865) heisst es: Im eigentlichen Sinne sind nur diejenigen Materien Nahrungsmittel, welche Eiweiss oder eine Substanz enthalten, die f\u00e4hig ist, in Eiweiss \u00fcberzugehen. \u2014 Liebig meinte ferner: Weil alle Materien, welche zur Ern\u00e4hrung dienen, zun\u00e4chst ins Blut gelangen, so k\u00f6nnten nur diejenigen unter ihnen Nahrungsstoffe sein, welche in Blut umgewandelt werden k\u00f6nnten.\n2\tPayen, Compt. rend. XXII et XXIII. 1846.\n3\tBo\u00fcssingault, Economie rurale, p. 483. Paris 1844; Die Landwirthschaft, \u00fcbers, v. Gbaeger. H. S. 292. 1844.\n4\tSchlossberger u. Kemp. Ann. d. Chem. u. Pharm. LI. S. 210, LVI. S. 78.\n5\tHorsford, Ebenda. LVIII. S. 166.\n22*","page":339},{"file":"p0340.txt","language":"de","ocr_de":"040\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. Allgemeines und Geschichtliches.\nStellungen nur W\u00e4rme zu bilden haben. Erst nach und nach gelang es, den letzteren zu ihrer Bedeutung zu verhelfen; Haubner ber\u00fccksichtigte zuerst auch die Fette des Futters, sp\u00e4ter E. Wolff die Kohlehydrate (ausser der Holzfaser) ; aber noch lange blieben sie die Respirationsmittel und bei Manchen sind sie es noch heut zu Tage.\nDer Schwerpunkt von Liebig\u2019s Deduktionen liegt in der f\u00fcr alle Zeiten bleibenden scharfen Trennung der eiweisslialtigen und der eiweiss -freien Stoffe f\u00fcr die Zwecke der Ern\u00e4hrung, sowie in der Einreihung der Fette und Kohlehydrate in die gleiche Classe der Nahrungsstoffe; man hatte durch sie endlich bessere Vorstellungen von der Rolle der gemischten Nahrung und der einzelnen Nahrungsstoffe gewonnen, auf welchen sich weiter bauen liess. Der Fehler Liebig\u2019s war, dass er bei Feststellung der Bedeutung der Nahrungsstoffe nicht ausschliesslich ihre stoffliche Wirkung, sondern auch und zwar vorz\u00fcglich ihre Kr\u00e4ftewirkung als W\u00e4rmebildner und Erzeuger der lebendigen Kraft f\u00fcr die Arbeit ins Auge fasste. Obwohl er aus dem Eiweiss der Nahrung das der Zellengebilde hervorgehen und aus den verzehrten Fetten und Kohlehydraten Fett im K\u00f6rper zum Ansatz gelangen l\u00e4sst, legt er seiner Eintheilung doch nicht ausschliesslich ihre stoffliche Bedeutung zu Grunde.\nDie Eintheilung der Nahrungsstoffe in plastische und respiratorische l\u00e4sst sich nicht durchf\u00fchren: sie ist nicht richtig und nicht consequent, da sie f\u00fcr die einen Stoffe die stoffliche Wirkung, f\u00fcr die anderen dagegen die Kr\u00e4ftewirkung in Betracht zieht.\nDas Eiweiss ist nicht der allein plastische, die organisirten Formen bildende Nahrungsstoff, denn zur Organisation und zum Aufbau lebender thierischer Gebilde geh\u00f6rt nicht nur Eiweiss, sondern ebenso nothwendig z. B. Wasser, die Aschebestandtheile u. s. w. Zehrt beim Hunger der K\u00f6rper auf Kosten seiner Organe, dann wird zugleich mit den Zerfallprodukten des Eiweisses auch das in der Organisation enthaltene Wasser und die Asche \u00fcberfl\u00fcssig und entfernt. Liebig hat das Eiweiss vorz\u00fcglich deshalb den plastischen Nahrungsstoff genannt, weil er meinte, es trete nur f\u00fcr zerst\u00f6rtes organisirtes Eiweiss ein und m\u00fcsse also immer organisiren. Wenn dasselbe aber auch zerfallen kann, ohne dass es vorher zu Organisirtem, ohne dass es also plastisch geworden ist, so bezeichnet der Name \u201e plastisch \u201c nicht mehr seine volle Bedeutung.\nDie stickstofffreien Stoffe, die Fette und Kohlehydrate, sind aber auch nicht die respiratorischen Nahrungsstoffe. Beim Fleischfresser kann das Eiweiss unter Umst\u00e4nden allein und ausschliesslich zerst\u00f6rt werden, so dass seine Produkte den Sauerstoff verbrauchen, sowie die Kohlens\u00e4ure des Athems und die W\u00e4rme liefern ; in allen thierisclien Organismen tr\u00e4gt es einen ziemlich betr\u00e4chtlichen Theil zur Kohlens\u00e4ure und zur W\u00e4rme bei. Man kam durch diese Definition ferner zu der falschen Auffassung, die stickstofffreien Stoffe seien dazu da den eindringenden Sauerstoff in Beschlag zu nehmen oder das Respirationsbed\u00fcrfniss zu decken oder die Kohlens\u00e4ure zur Ausscheidung zu bringen, w\u00e4hrend dies doch nicht der Fall ist; der Sauerstoff ist nicht die Ursache der Zerst\u00f6rung dieser Stoffe (S. 280), sondern letztere nehmen bei ihrem Zerfall Sauerstoff aus dem Blute weg, der dann nach Maassgabe seines Verbrauchs durch neuen ersetzt wrird. Die Erzeugung von W\u00e4rme kann kein Moment","page":340},{"file":"p0341.txt","language":"de","ocr_de":"Allgemeines und Geschichtliches \u00fcber die Bedeutung der Nahrungsstoffe. 341\nf\u00fcr die Einteilung' der Nahrungsstoffe, wobei es sich nur um eine stoffliche Wirkung handelt, abgeben; ein Nahrungsstoff und ein W\u00e4rme liefernder Stoff sind zwei ganz verschiedene Dinge.\nMan hat allm\u00e4hlich gelernt1, die Nahrungsstoffe nach ihrer stofflichen Bedeutung f\u00fcr den Thierk\u00f6rper aufzufassen und man fragt sich jetzt, welche Stoffe m\u00fcssen zugef\u00fchrt werden, um den letzteren auf seinem Best\u00e4nde an Stoffen zu erhalten.\nWir nennen deshalb, wie vorher schon (S. 330) angegeben worden ist, jeden Stoff, welcher im Stande ist, einen zur Zusammensetzung des Organismus notwendigen Stoff zum Ansatz zu bringen oder dessen Abgabe zu verh\u00fcten oder zu vermindern, einen Nahrungsstoff, ganz gleichg\u00fcltig, welche Kr\u00e4ftewirkungen derselbe im K\u00f6rper aus\u00fcbt.\nDie Elemente sind darum f\u00fcr das h\u00f6here Thier keine Nahrungsstoffe, auch nicht die einfacheren organischen Verbindungen wie der Harnstoff oder das Kreatin, auch wenn sie alle n\u00f6tigen Elemente enthalten, da sie an dem Zerfall im K\u00f6rper nichts \u00e4ndern und keine zur Zusammensetzung desselben geh\u00f6rigen Stoffe liefern.\nEs kann Vorkommen, dass ein Stoff im K\u00f6rper zersetzt wird, dabei Sauerstoff in Anspruch nimmt und W\u00e4rme entbindet, und trotzdem nicht als Nahrungsstoff bezeichnet werden darf. Man hat gemeint, ein Stoff w\u00e4re ein Nahrungsstoff, sobald seine Zersetzung im K\u00f6rper naehgewiesen sei; derselbe ist aber nur dann ein Nahrungsstoff, wenn durch ihn Eiweiss oder Fett in ber\u00fccksichtigenswerther Menge vor dem Zerfall bewahrt wird. Liefert er bei seiner Oxydation nebenbei W\u00e4rme, so ist dies eine andere Wirkung als die eines Nahrungsstoffs; die W\u00e4rmeerzeugung braucht nicht einmal nothwendig von Nutzen f\u00fcr den Organismus zu sein. Hat er n\u00e4mlich die Eigenschaft, die Blutgef\u00e4sse der \u00e4usseren Haut zur Ausdehnung zu bringen, so kann dadurch mehr W\u00e4rme verloren gehen, als durch seine Verbrennung gewonnen wird. Ich k\u00f6nnte mir dagegen denken, dass ein Stoff sich im K\u00f6rper nicht zersetzt und doch den Zerfall von Eiweiss und Fett hemmt, also als ein Nahrungsstoff bezeichnet werden muss.\nIst ein Stoff von keinem Einfluss auf die Zersetzung eines einzelnen Stoffes im K\u00f6rper z. B. des Eiweisses, so kann er desswegen doch ein Nahrungsstoff sein, denn er vermag m\u00f6glicherweise die Abgabe von Fett vom K\u00f6rper aufzuheben oder zu vermindern. So ist es vielleicht mit dem Glycerin, das den Eiweisszerfall nahezu unver\u00e4ndert l\u00e4sst, aber wahrscheinlich den Fettumsatz herabdr\u00fcckt.\nI Voit. Ztschr. f. Biologie. VIII. S. 3S4. 1872.","page":341},{"file":"p0342.txt","language":"de","ocr_de":"342\nVoit. Die Ern\u00e4hrung. Allgemeines und Geschichtliches.\nH\u00e4tten die stickstofffreien Stoffe nur die Bedeutung- den Sauerstoff zu binden und die W\u00e4rme zur Erhaltung der K\u00f6rpertemperatur zu liefern, w\u00e4ren sie also wirklich, wie man sagt, die respiratorischen Nahrungsstoffe, so brauchte man in heissen Klimaten nur wenig davon aufzunehmen, da dorten die erzeugte W\u00e4rme nur unbequem ist und man alle m\u00f6glichen Veranstaltungen treffen muss, um die \u00fcbersch\u00fcssige W\u00e4rme wieder los zu werden. Das Hauptmoment f\u00fcr den Verbrauch der stickstofffreien Stoffe ist die Muskelarbeit; es wird daher bei gleicher Arbeitsleistung am Aequator nahezu die gleiche Menge die- \u25a0 ser Stoffe zerst\u00f6rt wie an den Polen, und man muss in beiden F\u00e4llen gleichviel von denselben zuf\u00fchren, um den K\u00f6rper auf seinem Fett-bestande zu erhalten, gleichg\u00fcltig ob dabei W\u00e4rme erzeugt wird oder nicht.\nIn \u00e4hnlicher Weise wird das Eiweiss als Nahrungsstoff nicht j deshalb aufgenommen, um uns die Kraft f\u00fcr k\u00f6rperliche Leistungen oder W\u00e4rme zu geben, denn auch bei m\u00f6glichster Ruhe oder bei h\u00f6herer Temperatur der Umgebung wird unter sonst gleichen Verh\u00e4ltnissen die n\u00e4mliche Menge von Eiweiss zersetzt ; wir nehmen das Eiweiss aus einem ganz andern Grunde, n\u00e4mlich um unsern Leib vor dem Verlust an Eiweiss zu bewahren.\nSo machen wir also keine weitere Eintkeilung der Nahrungsstoffe als etwa in anorganische und organische, und bei letzteren in -stickstoffhaltige und stickstofffreie. Es gilt den K\u00f6rper vorz\u00fcglich auf seinem Best\u00e4nde an Wasser und Aschebestandtheilen, an Eiweiss und Fett zu erhalten oder ihn auf einen gewissen gew\u00fcnschten Stand daran zu bringen.1 Alle Stoffe, welche solches thun, entweder dadurch dass sie einen vom K\u00f6rper zu Verlust gegangenen Stoff ersetzen oder einen solchen ganz oder theilweise vor dem Zerfall bewahren, sind uns Nahrungsstoffe. Man k\u00f6nnte sie daher auch je nach ihrer stofflichen Wirkung in die sch\u00fctzenden und in die er- ! setzenden Nahrungsstoffe eintheilen (S. 330). Jeder derselben hat seinen bestimmten Wirkungskreis, und keiner hat einen Vorzug vor dem andern.\nWir m\u00fcssen dem Organismus Wasser zuf\u00fchren, damit er auf * seinem Gehalt an Wasser bleibt. Das Wasser nehmen wir gr\u00f6ssten-\n1 Alle \u00fcbrigen organischen Stoffe des Organismus sind, wie schon gesagt (S. 329), nur Abk\u00f6mmlinge von Eiweiss und Fett. Der Sauerstoff ist in unserem Sinne kein eigentlicher Nahrungsstoff und auch nicht die n\u00e4chste Ursache des . Zerfalls der Stoffe im Organismus; indem er in gewisse Zerfallprodukte eintritt, werden die letzten leicht ausscheidbaren Verbindungen erzeugt, wodurch der gr\u00f6sste Theil der Spannkraft derselben in lebendige Kraft \u00fcbergef\u00fchrt wird und die Wirkungen, welche man als Lebenserscheinungen bezeichnet, auf die Dauer erm\u00f6glicht werden.","page":342},{"file":"p0343.txt","language":"de","ocr_de":"Allgemeines und Geschichtliches \u00fcber die Bedeutung der Nahrungsstoffe. 343\ntheils als solches auf, nur theilweise wird es durch Oxydation von Wasserstoff haltigen Stoffen geliefert.\nDie Aschebestandtheile der Nahrung dienen zur Erhaltung der betreffenden Aschebestandtheile; sie m\u00fcssen als solche zugef\u00fchrt werden.\nDas Eiweiss der Nahrung hat die Bedeutung (S. 330), den K\u00f6rper auf seinem Gehalte an Eiweiss zu erhalten oder ihn reicher daran zu machen. Ein Eiweissansatz findet nur durch Aufnahme von Eiweiss statt. Dagegen haben manche Stoffe, die wir als Eiweisssch\u00fctzer bezeichnen, die Eigenschaft, den Eiweisszerfall zu vermindern, vielleicht ihn in gewissen Organen, in welchen die organisirte Form nicht zu Grunde geht, ganz aufzuheben. In solcher Weise wirken in hohem Grade die Peptone und der Leim, in geringerem Grade die Fette und Kohlehydrate.\nDas \u00fcbersch\u00fcssige Fett der Nahrung lagert sich im K\u00f6rper ab ; aber auch aus dem Zerfall des Eiweisses und vielleicht aus Kohlehydraten entsteht Fett, welches zum Ansatz gelangen kann. Viele Stoffe der Nahrung sind Fettsparer wie z. B. das Fett der Nahrung, die Kohlehydrate, Eiweiss, Leim u. s. w. Die Kohlehydrate und das Eiweiss verm\u00f6gen das K\u00f6rperfett v\u00f6llig vor der Annagung zu sch\u00fctzen. Das Fett und die Kohlehydrate sind zur Erhaltung des ausgewachsenen ruhenden Organismus nicht absolut n\u00f6thig, sie k\u00f6nnen durch Eiweiss ersetzt werden ; nothwendige Nahrungsstoffe sind nur : das Wasser, die Aschebestandtheile und das Eiweiss.\nDie Entscheidung, ob ein Stoff zu den Nahrungsstoffen zu rechnen ist und welchen N\u00e4hrwerth ein Nahrungsmittel besitzt, ist nicht durch eine chemische Analyse der Substanz zu treffen, sondern nur durch den Versuch am Menschen oder Thier. Der Chemiker als solcher kann nur M\u00f6glichkeiten und Wahrscheinlichkeiten aufstellen, welche durch die Versuche am Thier erst gepr\u00fcft werden m\u00fcssen. So wenig man durch die chemische Analyse einen Aufschluss \u00fcber den Heizwerth der verschiedenen Heizmaterialien erh\u00e4lt, so wenig l\u00e4sst dieselbe den N\u00e4hrwerth einer Substanz entnehmen. Derselbe wird am besten und sichersten durch die Untersuchung der Stoffabgabe und der Zersetzungen unter dem Einfl\u00fcsse der betreffenden Substanz bestimmt. Durch blosse F\u00fctterungsversuche mit einfachen Nahrungsstoffen ohne das Studium der Zersetzungen ist nur selten ein Entscheid m\u00f6glich, selbst wenn die einfachen Nahrungsstoffe von den Thieren auf die Dauer verzehrt werden; giebt man z. B. Eiweiss mit Wasser und den n\u00f6thigen Aschebestandtheilen, und geht das Thier zu Grunde, so darf man nicht schliessen, dass das Eiweiss","page":343},{"file":"p0344.txt","language":"de","ocr_de":"344\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. Allgemeines und Geschichtliches.\nkein Nahrnngsstoff ist, und man weiss nicht, warum der Tod eingetreten ist ; ebenso ist es, wenn man ausschliesslich Fett oder Kohlehydrate oder Leim darreicht. Nur in gewissen F\u00e4llen geben die F\u00fctterungsversuche eine bestimmte Nachricht; die Frage z. B., ob Pepton oder Leim ganz statt des Eiweisses eintreten k\u00f6nnen, l\u00e4sst sich bejahend beantworten, wenn die Thiere bei gen\u00fcgender Aufnahme dieser Stoffe, zugleich mit den n\u00f6thigen stickstofffreien Stoffen, Wasser und Aschebestandtheilen, lange Zeit am Leben bleiben.\nUnsere Definition von Nahrungsstoffen bringt es mit sich, dass ein Nahrungsstoff niemals den Organismus vollst\u00e4ndig auf seinem Best\u00e4nde erh\u00e4lt und also niemals eine Nahrung ist. Bei Zufuhr grosser Mengen von Fett oder Kohlehydraten verliert der K\u00f6rper ausser Wasser und Aschebestandtheilen stets noch Eiweiss; bei ausschliesslicher Darreichung von viel Eiweiss gehen immer noch Wasser und Aschebestandtheile zu Verlust. Es vermag aber ein Nahrungsstoff mehrere Stoffe im K\u00f6rper zu ersetzen oder zu sch\u00fctzen; so erh\u00e4lt das Eiweiss den Bestand an Eiweiss und an Fett, die Fette und Kohlehydrate verh\u00fcten die Fettabgabe und vermindern die Eiweisszersetzung.\nWir legen jedem Nahrungsstoff die Eigenschaft bei, nahrhaft zu sein; das Eiweiss z. B. ist f\u00fcr die Ern\u00e4hrung nicht bedeutungsvoller wie das Wasser oder ein Aschebestandtheil, es ist daher nicht mehr und nicht weniger nahrhaft wie die letzteren. Man sch\u00e4tzt das Eiweiss meistentheils h\u00f6her, weil man es theuer bezahlen muss; w\u00fcrde das Wasser recht viel kosten, so w\u00fcrde man es auch im gew\u00f6hnlichen Leben f\u00fcr einen ebenso wichtigen und werthvollen Nahrungsstoff betrachten.\nEin Nahrungsmittel ist ein Gemenge von zwei oder mehreren Nahrungsstoffen, welches aber noch keine Nahrung zu sein braucht. Eine Nahrung oder n\u00e4hrend nennen wir ein Gemisch von Nahrungsstoffen oder'Nahrungsmitteln, das den K\u00f6rper auf seinem stofflichen Best\u00e4nde erh\u00e4lt oder ihn in einen gew\u00fcnschten stofflichen Zustand versetzt.1\n1 Es ist von wesentlicher Bedeutung diese Definition von Nahrungsstoff und Nahrung, von nahrhaft und n\u00e4hrend, fest zu halten, wenn man schlimme Missverst\u00e4ndnisse vermeiden will. Man blieb z. B. \u00fcber die Bedeutung des Fleischextraktes in weiten Kreisen so lange im Unklaren, da man dasselbe wegen seines Gehalts an gewissen Nahrungsstoffen f\u00e4lschlich als n\u00e4hrend bezeichnete und deshalb f\u00fcr eine Nahrung ansah. Das Ei, welches Nahrungsstoffe enth\u00e4lt, ist nahrhaft, ebenso wie das Wasser oder das Kochsalz. Das Ei ist auch unter Umst\u00e4nden eine Nahrung, also n\u00e4hrend, nur muss man bedenken, dass zu einer Nahrung eine bestimmte Quantit\u00e4t Substanz n\u00f6thig ist und f\u00fcr einen Arbeiter im Tag 43 St\u00fcck Eier geh\u00f6ren, um eine Nahrung zu geben oder n\u00e4hrend zu sein.","page":344},{"file":"p0345.txt","language":"de","ocr_de":"Anorganische Nahrungsstoffe : Das Wasser.\n345\nERSTES CAPITEL.\nBedeutung der einzelnen Aahrungsstoffe.\nI. Anorganische Nalirnngsstoffe.\n1. Das Wasser.\nDer lebende tkierische Organismus besteht bekanntlich zum grossen Theile aus Wasser: dasselbe ist nicht nur in den Fl\u00fcssigkeiten, sondern auch in den organisirten Theilen enthalten. Die letzteren sind in Wasser aufgequollen, so dass es daraus nicht oder nur mit grosser Kraft ausgepresst werden kann.\nDer Gesammtk\u00f6rper eines ausgewachsenen Menschen enth\u00e4lt im Mittel etwa 63 \u00b0,o Wasser und 37 % Trockensubstanz2: ein erwachsener Mensch von 60 Kilo Gewicht schliesst daher etwa 38 Kilo Wasser und 22 Kilo trockene Theile ein.\nDie einzelnen Organe eines und desselben Organismus haben einen sehr ungleichen Gehalt an Wasser und an festen Theilen. Es liegen hier\u00fcber umfangreiche Bestimmungen vor: von E. Bischoff3 und A. W. Volkmann4 am Menschen, von Bidder und Schmidt5 und mir6 an der Katze.\nNahrungsmittel oder Gemische von verschiedener Zusammensetzung lassen sich nicht miteinander vergleichen : man kann daher nicht allgemein sagen, das Ei sei nahrhafter als Kartoffeln. Um aber zu entscheiden, ob gewisse Zwecke mit einem Gemisch besser erreicht werden als mit einem anderen, muss man stets die Zusammensetzung und die Menge mit in Betracht ziehen; ein Ei von 51 Grm. Gewicht enth\u00e4lt z. B. nicht mehr Nahrungsstoffe als 40 Grm. fettes Mastochsen-tieisch.\n1\tValentin, Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. I. S. 367. 1842. \u2014 Frerichs, Ebenda. III. S. 638. 1846. \u2014 F. C. Donders, Die Nahrungsstoffe. Aus d. Holl\u00e4ndischen v. Bergrath. Crefeld 1853. \u2014 F. Lussana, Gaz. med. ital. Lombard. 1867. No. 1\u201424. \u2014 Ueber die Bestimmung der einzelnen Nahrungsstoffe in den Nahrungsmitteln siehe : J. K\u00f6nig, Die menschl. Nahrungs- u. Genussmittel. Berlin 1880; E. Wolff, Anleitung z. ehern. Unters, landw. wichtiger Stoffe. 3. Aufl. 1875 ; Fl\u00fcgge, Lehrbuch der hygienischen Untersuchungsmethoden. S. 321. 1881.\n2\tCl. Bernard (Le\u00e7ons sur les propri\u00e9t\u00e9s physiologiques des liquides de l\u2019organisme. I. p. 30. 1859) gab an, dass die Wassermenge im menschlichen K\u00f6rper 90\u00b0/o betrage, und zwar auf Grund einer Bestimmung Chaussier\u2019s, der die ganze Leiche eines 60 Kilo schweren Mannes im Backofen getrocknet und offenbar den Leichnam entweder verkohlt oder das Fett ausgeschmolzen hatte.\n3\tE. Bischoff, Ztschr. f. rat. Med. (3) XX. S. 75. 1863.\n4\tA. W. Volkmann, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. Math.-physik. CI. 1874. 14. Nov.\nS. 202.\n5\tBidder u. Schmidt, Die Verdauungss\u00e4fte und der Stoffwechsel. S. 329. 1852.\n6\tVoit, Ztschr. f. Biologie. IL S. 353. 1866.","page":345},{"file":"p0346.txt","language":"de","ocr_de":"346 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\nIch gebe als Beispiel nur die von E. Bischoff bei einem kr\u00e4ftigen, 33 Jahre alten Manne von 69.7 Kilo Gewicht erhaltenen Werthe der wichtigsten Organe an :\nOrgan ; i\t\t\tGewicht des frischen Organs\tWasser darin\t\u00b0/o Wasser\tvon 100 Wasser des K\u00f6rpers sind im Organ\nSkelett ....\t11080.0\t2442.36\t22.04 1\t6.1\nMuskeln ....\t29102.0\t22022.07\t75.67\t54.8\nDarmkanal .\t.\t.\t1266.0\t943.74\t74.54\t2.3\nLeber\t\t1576.6\t1076.01\t68.25\t2.6\nMilz\t\t131.3\t99.49\t75.77\t0.2\nNieren ....\t259.0\t214.13\t82.68\t0.5\nLunge ....\t475.0\t375.06\t78.96\t0.9\nHerz\t\t332.2\t263.13\t79.21\t0.6\nGehirn u. R\u00fcckenmark ....\t1403.3\t1050.17\t74.84\t2.6\nNervenst\u00e4mme\t290.3\t169.34\t58.33\t0.4\nHaut\t\t4850.0\t3493.46\t72.03\t8.7\nFettgewebe.\t.\t.\t12570.0\t3760.57\t29.92\t9.3\nBlut (ausgelaufen)\t3418.0\t2836.94\t83.00\t7.0\nDas Reingewicht des K\u00f6rpers betrug 68650 Grm., die Wassermenge darin 40137.6 Grm., letztere macht also 59% der K\u00f6rpermasse aus. Volkmann fand im ganzen menschlichen K\u00f6rper 65.7 % freies Wasser. Es ergeben sich nach der Tabelle Schwankungen im Wassergehalt der einzelnen Organe desselben Organismus von 29\u2014 83 %. Von besonderem Interesse ist aber die aus der letzten Co-lumne ersichtliche Vertheilung des Wassers auf die verschiedenen Organe; es finden sich demnach bis 55 % desselben in den Muskeln.\nDie meisten Organe sind in ihrem Wassergehalte nicht sehr verschieden von den \u00fcber 40 % des K\u00f6rpergewichts betragenden Muskeln, nur das Skelett und das Fettgewebe zeigen wesentliche Abweichungen davon. Es wird daher der Wasserreichthum des Ge-sammtorganismus vor Allem von dem Wassergehalte dieser drei K\u00f6rpertheile und ihrem Verh\u00e4ltniss zu einander bestimmt. Jedes Thier besitzt deshalb einen f\u00fcr seine Art und sein Alter typischen Gehalt an Wasser, worauf namentlich Bezold2 aufmerksam gemacht\n1\tE. Bischoff hat im Knochen 22.04% Wasser angenommen, Volkmann bestimmte dagegen im ganzen Skelett wenigstens 50%. Ich kann nicht glauben, dass das Skelett eines ausgewachsenen Mannes zur H\u00e4lfte aus Wasser besteht; nach den Untersuchungen von E. Voit sind im Skelett des ausgewachsenen Hundes 26.5% Wasser, in dem des jungen Hundes 63.4 %.\n2\tBezold , W\u00fcrzburger Verhandl. VII. S. 251. 1857 ; Ztschr. f. wiss. Zool. VIII. S. 487. 1857. Auch Bauer, Ueber den Wassergehalt der Organismen und ihren Gehalt an ehern. Bestandteilen. Diss. inaug. W\u00fcrzburg 1856.","page":346},{"file":"p0347.txt","language":"de","ocr_de":"Anorganische Nahrungsstoffe : Das V asser.\n347\nhat. S\u00e4ugethiere (Maus und Fledermaus) enthalten nach ihm 6S 71f,/o Wasser. Die yon mir untersuchte wohl gen\u00e4hrte ausgewachsene Katze von 2812 Grm. Gewicht gab etwa 42 % feste Theile und 58 % Wasser; der junge Kater von Bidder und Schmidt enthielt 32 \u00b0;o feste Theile. Amphibien und Fische sind reich an Wasser, nicht nur wegen des h\u00f6heren Wassergehaltes ihrer Muskeln, sondern auch wegen der geringen Masse des Fettgewebes.\nBei dem n\u00e4mlichen Individuum ist der Wassergehalt nicht zeitlebens der gleiche, sondern verschieden je nach dem Alter und dem Ern\u00e4hrungszustand.\nDer K\u00f6rper von Neugeborenen und Kindern ist reicher an \\\\ asser als der von Erwachsenen. Bei einem neugeborenen M\u00e4dchen fand E. Bischoff 33.6 % Trockensubstanz und 66.4 % Wasser; dasselbe zeigte im Ganzen und in seinen Theilen, besonders in den Muskeln, dem Gehirn und der Leber, einen h\u00f6heren Wassergehalt. Das Gleiche nimmt man auch bei Thieren wahr 1 ; Bezold erhielt bei M\u00e4usen folgende Werthe :\n\u00b0/o Gehalt an Wasser\nEmbryo................87.15\nNeugeborne Maus .\t.\t82.53\n8 Tage alt .\t.\t.\t.\t76.78\nAusgewachsene Maus .\t7 0.81\nIm Alter scheint der Wassergehalt wieder zuzunehmen, wenigstens sind bei alten Leuten die Muskeln nach Ranke\u2019s'1 2 Angaben trotz der anscheinenden Trockenheit reicher an Wasser.\nBei schlechter Ern\u00e4hrung wird der ganze K\u00f6rper w\u00e4ssriger ; ein wohlgen\u00e4hrter Organismus enth\u00e4lt dagegen mehr Trockensubstanz, da in ihm mehr Fettgewebe mit geringem Wassergehalt abgelagert ist und auch die \u00fcbrigen Organe, die Muskeln u. s. w., weniger Wasser einschliessen. Bischoff und ich3 haben bemerkt, dass ein Hund, der w\u00e4hrend einer 41 t\u00e4gigen F\u00fctterung mit Brod eine 3717 Grm. Fleisch entsprechende Stickstoffmenge abgegeben, jedoch nur 531 Grm. an Gewicht verloren hatte, Wasser im K\u00f6rper zur\u00fcckbehielt, wodurch eine starke Tr\u00e4nkung desselben mit Wasser stattfand. Als das Thier darnach t\u00e4glich 1800 Grm. Fleisch erhielt, wurde das vorher aufgestapelte Wasser in grossen Mengen im Harn entleert ; trotz der reichlichen\n1\tAuch die Knochen junger Thiere sind wasserreicher; im ausgewachsenen Zustand ist (bei Kaninchen) die Menge des Fettes in ihnen gr\u00f6sser, die des Wassers geringer (E. Wildt, Landw. Versuchsstationen. XV. S. 404. 1872).\n2\tJ. Ranke, Tetanus. S. 75. 1865.\n3\tBischoff u. Voit. Die Gesetze der Ern\u00e4hrung des Fleischfressers. S. 211 u. 214. 1860.","page":347},{"file":"p0348.txt","language":"de","ocr_de":"348 Yoit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\nF\u00fctterung und einem betr\u00e4chtlichen Ansatz von Eiweiss nahm das K\u00f6rpergewicht am ersten Tage um 310 Grm. ab, und im Harn allein befanden sich 120 Grm. Wasser mehr als der Hund eingenommen hatte. Dass die Ern\u00e4hrung mit Brod den K\u00f6rper w\u00e4ssriger macht, that ich direkt an zwei Katzen dar, welche l\u00e4ngere Zeit mit Brod gef\u00fcttert worden waren ; die Muskeln und das Gehirn derselben zeigten einen um 3\u20144 % h\u00f6heren Wassergehalt als die entsprechenden Organe einer normal gen\u00e4hrten Katze. Bei vollst\u00e4ndigem Hunger dagegen wird der K\u00f6rper f\u00fcr gew\u00f6hnlich nicht reicher an Wasser (S. 99).\nDen grossen Einfluss der Fettablagerung auf die Wassermenge im Thierk\u00f6rper haben besonders Lawes und Gilbert1 durch ihre ausgedehnten Schlachtversuche aufs bestimmteste erwiesen ; gem\u00e4stete Rinder, Schafe und Schweine enthalten um so weniger Wasser, je mehr Fett sich in ihnen ansammelt. Es handelt sich dabei zum Theil um eine Verdr\u00e4ngung von Wasser durch das Fett, gr\u00f6ssten-theils aber um eine relative Zunahme desselben durch den Ansatz des wasserfreien Fettes. Die beiden englischen Forscher geben folgende prozentige Zusammensetzung f\u00fcr das ganze Thier an:\n%\tWasser\t% Fett\nHalbfetter Ochs\t51.5\t19.1\nFetter Ochs\t45.5\t30.1\nMageres Schaf\t57.3\t18.7\nHalbfettes Schaf .\t50.2\t23.5\nFettes Schaf .\t43.4\t35.6\nSehr fettes Schaf.\t35.2\t45.8\nMageres Schwein .\t55.1\t23.3\nFettes Schwein\t41.3\t42.2\nEs gilt wohl unzweifelhaft das Gleiche auch f\u00fcr den Menschen ; wohl gen\u00e4hrte, kr\u00e4ftige M\u00e4nner werden wasser\u00e4rmere Organe besitzen als schlecht gen\u00e4hrte Individuen, von denen schon der Volksausdruck sagt, sie seien aufgeschwemmt.\nWegen der wechselnden Menge des Wassers ist man nicht im Stande aus einer Aenderung des K\u00f6rpergewichts auf einen Ansatz oder eine Abnahme von Eiweiss oder Fett zu schliessen. Jeder erfahrene Fleischer weiss, dass man die Schlachtthiere nicht nur nach ihrem Gewichte beurtheilen darf. Remontepferde, welche vorher wenig Hafer erhalten haben, werden anfangs bei dem besseren Futter in der Kaserne magerer. Der Organismus kann ferner an Eiweiss\nl Lawes u. Gilbert. Phil. Transact. TI. p. 494. 1859.","page":348},{"file":"p0349.txt","language":"de","ocr_de":"Anorganische Nahrungsstoffe : Das Wasser.\t349\nund Fett abnehmen, und doch durch Wasseransatz an Gewicht zu-nehmen.\nDie grosse Quantit\u00e4t von Wasser in den Organen und S\u00e4ften ist eine wesentliche Bedingung f\u00fcr das Zustandekommen der Lebenserscheinungen. Die Zufuhr der Nahrungsstoffe zu den kleinsten Theil-chen eines complizirten Organismus und die Abfuhr der Zersetzungsprodukte von denselben geht nur in Fl\u00fcssigkeiten vor sich ; die meisten chemischen Prozesse finden ferner nur in L\u00f6sungen statt, Fermente sind z. B. bei Abwesenheit von Wasser unwirksam und die Bewegungen der Molek\u00fcle bei den Vorg\u00e4ngen der Nervenleitung und der Muskelkontraktion u. s. w. sind nur m\u00f6glich, wenn die Theilchen von Fl\u00fcssigkeit umsp\u00fclt sind.\nDer Wassergehalt der Organe darf darum nur geringen Schwankungen unterliegen, wenn nicht das Leben gef\u00e4hrdet werden soll. Bei gewissen Erkrankungen z. B. bei der Cholera, wo grosse Mengen von Wasser durch die profusen Diarrh\u00f6en verloren gehen, dickt das Blut zu einer theerartigen Fl\u00fcssigkeit ein und der Wassergehalt der Muskeln und Nerven nimmt um 5\u20146 o/o ab.1 Dadurch werden pathologische Erscheinungen und St\u00f6rungen veranlasst: das Blut bewegt sich nur langsam, es wird kein Harn mehr abgesondert und es treten heftige Muskelkr\u00e4mpfe auf. Bei weiterer Wasserentziehung h\u00f6rt das Leben auf; in gew\u00f6hnlicher Temperatur eingetrocknete niedere Organismen zeigen keine Lebenserscheinungen mehr, sie k\u00f6nnen aber durch Wasseraufnahme wieder zum Leben erweckt werden.\nDa der K\u00f6rper best\u00e4ndig Wasser verliert, und zwar durch den Harn, den Koth, sowie durch die Verdunstung an der Haut und der Lunge, so muss dasselbe immer wieder ersetzt werden. Der Verlust an Wasser ist bei demselben Individuum bekanntlich je nach den Umst\u00e4nden \u00e4usserst verschieden. F\u00fcr die Wasserausscheidung im Harn ist neben der Gr\u00f6sse der Wasserzufuhr die Menge der in der Niere entfernten Stoffe bestimmend, f\u00fcr die Ausscheidung durch Haut und Lungen ausser der Temperatur, der Feuchtigkeit und Bewegung der umgebenden Luft die Beschaffenheit der Haut und die Zahl der Athemz\u00fcge. Es lassen sich daher keine bestimmten Werthe f\u00fcr die Abgabe und die Zufuhr des Wassers aufstellen. Unter den gew\u00f6hnlichen Lebensverh\u00e4ltnissen sind die Verschiedenheiten in dem n\u00f6-thigen Wasserconsum haupts\u00e4chlich von der wechselnden Wasserverdunstung an der Haut abh\u00e4ngig. Bei mittlerer Ern\u00e4hrung scheidet der Mensch t\u00e4glich im Mittel an Wasser aus 2 :\n1\tVoit, Ztschr. f. rat. Med. N. F. YI. 1855.\n2\tPettenkofer u. Voit. Ztschr. f. Biologie. II. S. 490. 1866.","page":349},{"file":"p0350.txt","language":"de","ocr_de":"350 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\nim Harn . im Kotli . in der Perspiration .\nbei Ruhe bei Arbeit\n1212\t1155\n110\t77\n931\t1727\nSumma: 2253\t2959\ndas sind 5\u20146 o/0 des im ganzen K\u00f6rper befindlichen Wassers. Nach den Ermittelungen von J. Forster1 nehmen unter normalen Bedingungen lebende Menschen bei massiger Besch\u00e4ftigung t\u00e4glich 2215\u20143538 Grm. Wasser auf.\nEs findet allerdings im K\u00f6rper auch eine Bildung von Wasser statt durch Verbrennung des Wasserstoffs der organischen Verbindungen. Dieser Vorgang liefert jedoch nicht gen\u00fcgend Wasser, um die ganze Wasserabgabe zu decken. Beim hungernden Menschen werden 32 Grm. Wasserstoff zu 288 Grm. Wasser oxydirt; bei mittlerer Kost, welche einen Arbeiter auf seinem Best\u00e4nde erh\u00e4lt, wurden aus 40 Grm. Wasserstoff 360 Grm. Wasser gebildet ; das Maximum der Wasserbildung wurde bei mittlerer Kost und Arbeit erreicht, wobei viel Fett zerst\u00f6rt wird und aus 52 Grm. Wasserstoff 468 Grm. Wasser entstehen. Die Quantit\u00e4t des durch Oxydation von Wasserstoff erzeugten Wassers macht in allen drei F\u00e4llen 16 o/0 der abgegebenen Gesammtwassermenge aus, so dass doch ein nicht unbetr\u00e4chtlicher Theil des nothwendigen Wassers nicht als solches zugef\u00fchrt wird, sondern im K\u00f6rper erst entsteht. Wenn wir beim Hunger, ohne Aufnahme von Wasser und trotz best\u00e4ndiger Abgabe desselben, die Thiere nicht trockener, sondern h\u00e4ufig sogar relativ etwas reicher an Wasser werden sehen, so r\u00fchrt dies davon her, dass bei der Zerst\u00f6rung des Eiweisses auch das in den Organen damit verbundene Wasser frei wird, welches dann mit dem aus dem Wasserstoff hervorgegangenen zur Verf\u00fcgung steht.\nEs muss daher unter allen Umst\u00e4nden zur Erhaltung des K\u00f6rpers Wasser als solches aufgenommen werden, entweder in den Getr\u00e4nken oder in den \u00fcbrigen Speisen, welche meist reichlich Wasser enthalten. Fleischfressende Thiere erhalten h\u00e4ufig im frischen Fleisch so viel Wasser, dass sie weiter keines im Getr\u00e4nke zuzuf\u00fchren brauchen.\nWird bei im Uebrigen gen\u00fcgender Ern\u00e4hrung zu wenig Wasser geboten, so sinkt der Wassergehalt der Organe, und das peinigende Durstgef\u00fchl ermahnt und zwingt dann, mehr Wasser zu gemessen. W\u00fcrde man dabei ab und zu einen Hungertag einschalten, so w\u00e4re\n1 J. Forster, Ztschr. f. Biologie. IX. S. 387. 1873.","page":350},{"file":"p0351.txt","language":"de","ocr_de":"Anorganische Nahrungsstoffe : Das Wasser. \u2014 Die Aschebestandtheile. 351\nder Durst wohl ertr\u00e4glicher, da uns in diesem Falle das bei dem Abschmelzen von Organeiweiss frei werdende Wasser zu Gute k\u00e4me. Es ist mir deshalb wahrscheinlich, dass der Durst mit Hunger leichter auszuhalten ist als der einseitige Durst unter Aufnahme von viel trockenen Nahrungsmitteln.1 2\nF\u00fchrt man mehr Wasser ein als n\u00f6thig ist, so werden nicht etwa die Organe reicher an Wasser, denn diese k\u00f6nnen f\u00fcr gew\u00f6hnlich nur in geringem Grade mehr Wasser aufnehmen. Sobald etwas mehr Wasser in das Blut gelangt ist, als die Organe f\u00fcr sich gebrauchen, muss der Ueberschuss wieder entfernt werden. Dies geschieht vor Allem in Folge des gr\u00f6sseren Blutdrucks in den Nieren, vielleicht auch durch eine vermehrte Ausd\u00fcnstung an der Haut, wenigstens wenn die Blutgef\u00e4sse derselben ausgedehnt werden.\nDas Wasser, welches sich in gr\u00f6sster Menge-im Organismus abgelagert findet, ist derjenige Nahrungsstoff, welcher auch in weitaus gr\u00f6sster Masse dem K\u00f6rper dargeboten werden muss. F\u00fcr gew\u00f6hnlich pflegt man auf das Wasser als wichtigen und in quantitativer Beziehung bedeutungsvollsten Nahrungsstoff nicht sonderlich zu achten, da es meist in ausreichender Menge zu Gebote steht. M\u00fcssten wir dasselbe jedoch sehr theuer zahlen, wie z. B. das Eiweiss in der Form von Fleisch, dann w\u00fcrden wir, wie schon bemerkt, seinen Werth ganz anders sch\u00e4tzen, \u00e4hnlich wie die Reisenden in der W\u00fcste, welche das Wasser f\u00fcr Menschen und Thiere mit sich zu f\u00fchren gezwungen sind.\n2. Die AsehebestandtheileA\nGewisse Aschebestandtheile sind f\u00fcr den thierischen Organismus unumg\u00e4nglich nothwendig, denn ohne sie k\u00f6nnen die organisirten Gebilde nicht aufgebaut werden und viele Prozesse in ihnen, sowie in den Fl\u00fcssigkeiten des K\u00f6rpers nicht vor sich gehen. Von besonderer Bedeutung sind sie f\u00fcr die noch wachsenden Organismen, denen sie in gr\u00f6sserer Menge geboten werden m\u00fcssen; wir k\u00f6nnen uns ferner die Wirkung des Magensafts, des pankreatischen Safts, der Galle u. s. w. ohne die darin enthaltenen Mineralstoffe nicht denken. Auch in den niedersten Organismen wie z. B. in den Am\u00f6ben Anden wir Kali vorz\u00fcglich an Phosphors\u00e4ure gebunden. Die Asche-\n1\tC. Ph. Falck u. Th. Scheffer, Arch. f. physiol. Heilk. XIII. S. 61 u. 50S. \u2014 Scheffer, De animalimn, aquaiis adempta, nutritione. Diss. inaug. Marburgi 1852. \u2014 F. Kunde, Ztschr. f. wiss. Zool. VIII. S. 466.\n2\tA. v. Bezold, Ztschr. f. wiss. Zool. IX. S. 240. 1858. \u2014 Voit, Sitzgsber. d. bayr. Acad. II. (4) S. 1. 1869. \u2014 Alyaro Reynoso , De l\u2019alimentation inorganique de l'homme et des animaux. Paris 1875. \u2014 J. Forster, Ztschr. f. Biologie. IX. S. 297. 1873.","page":351},{"file":"p0352.txt","language":"de","ocr_de":"352 \"\\ oit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\nbestandtheile sind wahrscheinlich, theilweise wenigstens, mit organischen Stoffen im K\u00f6rper innig verbunden und integrirende Bestandtheile derselben.\nDa von diesen anorganischen Stoffen unter den im K\u00f6rper gegebenen Bedingungen stets ein Theil, vorz\u00fcglich mit dem Harn und Koth, ausgeschieden wird, so muss ein Ersatz f\u00fcr dieselben stattfinden; sie sind deshalb Nahrungsstoffe und nicht minder wichtig wie die organischen Nahrungsstoffe z. B. das Eiweiss.\nMan hatte wohl schon seit langem erfahren, dass die thierischen Gewebe und Fl\u00fcssigkeiten, sowie die verschiedenen Nahrungsmittel beim Verbrennen eine Asche hinterlassen ; aber man betrachtete dieselbe meist als etwas Zuf\u00e4lliges und Nebens\u00e4chliches. Nur die Knochenerde in den Knochen und allenfalls das Eisen im Blute sah man als nothwendige Be-tandtheile an, f\u00fcr die in der Nahrung gesorgt sein m\u00fcsse.\nSo wie Liebig1 zuerst mit vollen Verst\u00e4ndniss die Bedeutung der Aschebestandtheile in der Pflanze hervorhob, machte er auch auf den Werth derselben f\u00fcr die thierischen Gebilde und die chemischen Vorg\u00e4nge in ihnen aufmerksam.\nBis in die neuere Zeit waren jedoch keine Versuche an Thieren dar\u00fcber angestellt worden, um die Erscheinungen kennen zu lernen, welche bei Mangel an allen oder an einzelnen Aschebestandtheilen eintreten.\nLiebig hatte zwar die Resultate einiger Versuche von Magendie, bei welchen die Hunde bei F\u00fctterung mit reinem Blutfaserstoff zu Grunde gegangen waren, dahin gedeutet, dass die Thiere an Aschemangel gelitten haben. Der letztere hat m\u00f6glicherweise mit zum Tode beigetragen; es ist aber fraglich, ob die Thiere den N\u00e4hrsalzhunger nicht viel l\u00e4nger ertragen und aus Mangel an anderen Substanzen starben. Es ist n\u00e4mlich von Magendie nicht genau angegeben worden, wieviel die Thiere t\u00e4glich von dem trockenen Faserstoff verzehrten; sie k\u00f6nnen daher eben so gut in Folge des Verlustes von Eiweiss oder von Fett ihr Leben ein-geb\u00fcsst haben.'2\nJedes Organ und jedes Sekret des Thierk\u00f6rpers hat bekanntlich seine charakteristische Aschezusammensetzung und seinen bestimmten Gehalt an Asche, welche nur innerhalb enger Grenzen schwanken.\nVolkmann3 hat die Mengen der im K\u00f6rper eines 62.5 Kilo\n1 Liebig, Chem. Briefe. S. 457. 1S51.\nf2 Von den reinen Eiweissstoffen sind aus schon bekannten Gr\u00fcnden sehr grosse Massen zur Erhaltung des Eiweiss- und Fettbestandes n\u00f6thig, welche Mengen die Hunde Magendie\u2019s wahrscheinlich nicht verzehrten. Darum sind dieselben aufs Aeusserste abgemagert. Der Mangel an Salzen kann nicht die Ursache des Todes gewesen sein, da die Hunde auch bei F\u00fctterung mit K\u00e4se, weissem Weizenbrod, Eiern u. s. w., welche doch Salze enthalten, verhungerten und ebenso nach Zusatz von Bouillon zu dem Fibrin. (Voit, Sitzungsber. d. b. Acad. II. (4) S. 15. 1869 ; Ztschr. f. Biologie III. S. 69 u. 70 1867, V. S. 364\u2014367. 1869.)\n3 Volkmann, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. Math.-physik. CI. 1874. 14. Nov. S. 243 u. 246.","page":352},{"file":"p0353.txt","language":"de","ocr_de":"Anorganische Nahrungsstoffe : Die Aschebestandtheile.\n353\nschweren Mannes befindlichen Aschebestandtheile, nach Bestimmungen des Prozentgehaltes an Asche in den einzelnen Organen berechnet. Er giebt an:\nOrgan\tAsche in \u00b0 0\tAsche im ganzen Organ'\tvon 100 Asche treffen auf\nSkelett. . . .\t22.11\t2247.3\t83.1\nMuskeln .\t.\t.\t105\t281.7\t10.4\nHerz ....\t1.06\t3.4\t0.1\nGehirn....\t1.41\t19.8\t0.7\nFettgewebe .\t.\t\u2014\t\u2014\t\u2014\nLunge ....\t1.16\t13.7\t0.5\nLeber ....\t1.38\t22.6\t0.8\nMilz ....\t1.50\t2.8\t0.1\nDarmkanal .\t.\t1.07\t17.8\t0.6\nNieren ....\t0.80\t2.4\t\u2014\nHaut ....\t0.70\t26.9\t1.0\nPankreas .\t.\t.\t1.05\t1.0\t\u2014\nBlut ....\t0.85\t20.4\t0.7\nRest ....\t1.03\t55.7\t2.0\n\t4.70\t2715.5\t100.0\nDie Asche macht demnach im Mittel 4.7 % des Gesammtk\u00f6rpers aus. Scheidet man das an Asche so reiche Skelett aus, so treffen:\nAsche in \u00b0/o Aschemenge von 100 Asche auf das Skelett . . . 22.1 1\t2247.3\t83\nauf den \u00fcbrigen K\u00f6rper 1.09\t468.2\t17\nMan hatte lange nur ann\u00e4hernde Kenntnisse dar\u00fcber, in welchen Quantit\u00e4ten die Aschebestandtheile zur Erhaltung und zum Aufbau eines Organismus zugef\u00fchrt werden m\u00fcssen. Um Uber diesen Bedarf richtige Vorstellungen zu gewinnen, muss man sich das Verhalten der Aschebestandtheile im K\u00f6rper vergegenw\u00e4rtigen. Ein Theil derselben ist im Organisirten und in den S\u00e4ften in ziemlich fester Verbindung mit organischen Substanzen und verl\u00e4sst in der Kegel erst nach Zerst\u00f6rung dieser Substanzen den K\u00f6rper; es unterliegt jedoch der Gehalt an so gebundenen unorganischen Stoffen geringen, namentlich von der Zufuhr abh\u00e4ngigen Schwankungen. Ein anderer Theil der Salze ist in den S\u00e4ften einfach gel\u00f6st und nicht fester gebunden z. B. die im Ueberschusse mit der Nahrung eingef\u00fchrten Salze und solche welche bei dem Zerfall der verbrennlichen Stoffe frei und \u00fcberfl\u00fcssig geworden sind ; diese werden dann leicht durch Harn und Koth entfernt.\nDie feste Zur\u00fcckhaltung der f\u00fcr den K\u00f6rper nothwendigen Aschebestandtheile thut die Beobachtung von Bidder und Schmidt1 dar,\n1 Bidder u. Schmidt, Die Verdauiingss\u00e4fte u. cl. Stoffwechsel. S. 312. 1852.\nHandbuch der Physiologie. Bd. YI.\t23","page":353},{"file":"p0354.txt","language":"de","ocr_de":"354 Yoit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\ndass beim Hunger die Chlorverbindungen zu einer Zeit verschwinden, wo der K\u00f6rper noch reichlich Chlor enth\u00e4lt. Nach meinen Beobachtungen1 2 fehlt bei einem Ansatz von Fleisch am K\u00f6rper in den Exkreten eine diesem Ans\u00e4tze entsprechende Aschemenge. E. Bisch\u00f6fe 2 sah Stickstoff und Phosphors\u00e4ure in den Ausscheidungen fallen und steigen bei Ansatz und Abgabe von Fleisch. Kemmerich3 fand im Blutserum wie normal die Natronsalze vorherrschend, obgleich er mit den ausgelaugten Fleischalbuminaten nur die Kalisalze und die Erden des Fleisches zugef\u00fchrt hatte. Vor Allem aber konnte J. Forster4 bei an Aschemangel zu Grunde gegangenen Thieren nur eine geringe Abnahme an unorganischen Stoffen in den Organen constatiren.\nMan hat demnach nur so viel Asche zuzuf\u00fchren, als von den f\u00fcr die Konstitution der K\u00f6rpertheile nothwendigen und fest gehaltenen Salzen verloren gehen; das sind die durch Abstossung orga-nisirter Gebilde abgeschiedenen, ferner die in den Darm mit den Verdauungss\u00e4ften ergossenen und nicht mehr resorbirten, endlich die durch die Verbrennung von organischer Substanz frei gewordenen und nicht wieder gebundenen Salze. F\u00fchrt man n\u00e4mlich keine N\u00e4hrsalze zu, jedoch alle anderen Nahrungsstoffe, so werden namentlich bei Zerst\u00f6rung des Eiweisses der S\u00e4fte die damit verbundenen Salze frei; der gr\u00f6sste Theil derselben wird alsbald wieder an neues Ei-weiss gebunden, jedoch geschieht dies nicht momentan, so dass ein kleiner Theil entschl\u00fcpft und im Harn und Koth ausgeschieden wird. W\u00fcrde also der K\u00f6rper keine organisirte Substanz verlieren, die Salze der Verdauungss\u00e4fte v\u00f6llig resorbirt werden und die Bindung der durch Zersetzung organischer Stoffe frei gewordenen Salze rasch genug geschehen, so brauchte man einem ausgewachsenen Organismus gar keine N\u00e4hrsalze zuzuf\u00fchren.\nDiese Anschauung wurde durch die Untersuchungen von J. Forster4 gewonnen. Er pr\u00fcfte zuerst, welche Erscheinungen auftreten, wenn dem thierischen Organismus neben den \u00fcbrigen Nahr.ungsstoffen keine (oder m\u00f6glichst wenig) Aschebestandtheile dargereicht werden.\nDie wichtigste Voraussetzung f\u00fcr das Gelingen der Salzhungerversuche ist die, dass der K\u00f6rper dabei alle \u00fcbrigen Nahrungsstoffe, also Wasser, Eiweiss, Fett oder Kohlehydrate, in gen\u00fcgender Menge erh\u00e4lt; denn sobald dies nicht der Fall ist, sind die Erscheinungen\n1\tYoit, Ztschr. f. Biologie. II. S. 53 u. 240. 1866.\n2\tE. Bischoef, Ebenda. III. S. 309. 1867.\n3\tKemmerich, Arch. f. d. ges. Physiol. II. S. 85. 1869.\n4\tJ. Forster, Ztschr. f. Biologie. IX. S. 297. 1873.","page":354},{"file":"p0355.txt","language":"de","ocr_de":"Anorganische Nahrungsstoffe : Die Aschebestandtheile.\t355\ndes Salzhungers mit denen des Mangels anderer Nahrungsstoffe com-plizirt.\nLiebig1 glaubte, die Salze m\u00fcssten stets zugleich mit den \u00fcbrigen Nahrungsstoffen in den Darm gebracht werden, da die letzteren sonst nicht verdaulich w\u00e4ren, nicht resorbirt w\u00fcrden und nicht die F\u00e4higkeit h\u00e4tten, Blut und Organ zu bilden. Es war dies eine weitere Schlussfolgerung aus seiner Annahme, dass im K\u00f6rper nur organis\u00e2tes Eiweiss zerst\u00f6rt werde und das Eiweiss der Nahrung immer zuerst organisiren m\u00fcsse, wtozu aber die Aschebestandtheile nothwendig sind. Die Nahrungsstoffe ohne die entsprechenden Salze schienen ihm daher f\u00fcr den Ern\u00e4hrungsprozess so gleichg\u00fcltig wie Steine zu sein. Wenn dies richtig w\u00e4re, so w\u00fcrden die Salzhungerversuche scheitern, weil die Thiere keinen Nahrungsstoff resorbiren und an allgemeiner Inanition zu Grunde gehen w\u00fcrden. Liebig hat aber \u00fcbersehen, dass die bei der Zerst\u00f6rung des Organisirten frei gewordenen Salze wieder zum neuen Aufbau dienen k\u00f6nnen und dass die Resorption und Verwerthnng von Nahrungsstoffen ohne Salze z. B. von reinem Blutfaserstoff, Leim, Fett, Zucker u. s. w. l\u00e4ngst erwiesen ist2; ausserdem ist der Aufbau von Organisirtem wahrscheinlich nur geringf\u00fcgig, weil sich dasselbe im ausgewachsenen K\u00f6rper nur in geringem Grade an der Zersetzung betheiligt und vor Allem das neu zugef\u00fchrte gel\u00f6ste Eiweiss umgesetzt wird. Es ist selbstverst\u00e4ndlich kein Beweis f\u00fcr die Unverdaulichkeit der salzfreien Nahrungsstoffe, wenn die Thiere dieselben auf die Dauer nicht verzehren; es werden von den Thieren manche Nahrungsmittel, die sie ganz gut verdauen, nach einiger Zeit nicht mehr verzehrt, da sie ihnen nicht mehr schmecken.\nBei den Versuchen Forster\u2019s gingen Tauben bei salzarmer Nahrung in 13\u201429 Tagen zu Grund; Hunde, welche mit heissem Wasser ausgelaugtes Fleischpulver mit 0.8 % Asche in der Trockensubstanz, unter Zusatz von Fett oder Kohlehydraten erhielten, befanden sich nach 26\u201436 Tagen so elend, dass sie bei Fortsetzung des Versuchs wohl in kurzer Frist umgekommen w\u00e4ren.\n1\tLiebig, Chem. Briefe. Volksausgabe. S. 289. 1865.\n2\tMagendie\u2019s Hunde (S. 336) hatten sich nach anf\u00e4nglicher Verweigerung gew\u00f6hnt \u00fcber 2 Monate hindurch t\u00e4glich 500\u20141000 Grm. ausgewaschenen Faserstoff zu fressen, der doch gewiss nicht vollst\u00e4ndig mit dem Koth wieder zum Vorschein kam ; als dem Faserstoff Bouillon mit den Aschebestandtheilen des Fleisches zugesetzt wurde, magerte das Thier ebenfalls ab und w\u00e4re bei Fortsetzung des Versuchs zu Grunde gegangen. Tiedemann und Gmelin (S. 336) erw\u00e4hnen keine Verdauungsst\u00f6rungen bei F\u00fctterung einer Gans mit je 190 Grm. Faserstoff w\u00e4hrend 5 Tagen. Panum und Heiberg (S. 104) sahen bei Hunden nach Darreichung von reinem Kleber oder der reinen Eiweissstoffe des Blutes die Harnstoffmenge im Harn entsprechend der Quantit\u00e4t der eiweissartigen Stoffe steigen.\n23*","page":355},{"file":"p0356.txt","language":"de","ocr_de":"356 Voit. Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Die Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\nBei allen Thieren trat bald ein Zustand von Muskelschw\u00e4che und Zittern auf, der am besten mit dem Ausdruck \u201eallgemeine Erm\u00fcdung\u201c bezeichnet werden kann. Die Schw\u00e4che in einzelnen Muskelpartien der Hunde, namentlich der hinteren Extremit\u00e4ten, nahm allm\u00e4hlich, schon von der zweiten Yersuchswoche an, einen l\u00e4hmungsartigen Charakter an, wie es bei einer Schw\u00e4chung der Funktion des R\u00fcckenmarks zu beobachten ist. Auch die Th\u00e4tigkeit des Gehirns erlitt St\u00f6rungen, die sich in dem wachsenden Stumpfsinn und der v\u00f6lligen Theilnahmlosigkeit der Thiere zu erkennen gaben. Das Sehen war gest\u00f6rt, wenigstens stiess einer der Hunde bei den Versuchen zu gehen, best\u00e4ndig mit dem Kopfe an eine entgegenstehende Mauer an. Auch Erscheinungen einer erh\u00f6hten Erregbarkeit machten sich in sp\u00e4terer Zeit \u00f6fters geltend durch pl\u00f6tzliches Niederfallen, heftiges Erschrecken. Der Tod erfolgte unter allgemeinen Kr\u00e4mpfen und Erstickungserscheinungen. Von Skorbut oder Knochenerkrankungen war nichts zu bemerken. Durch nachheriges Darreichen des gew\u00f6hnlichen gemischten Hundefutters trat in diesem schlimmen Zustande nur ganz langsam Besserung ein; die Thiere zeigten eine erstaunliche Gefr\u00e4ssigkeit, aber die Schw\u00e4che und das Zittern der Muskeln verloren sich nur allm\u00e4hlich, so dass nach einem vollen Monat noch Spuren davon bemerkbar waren.\nAus diesen Beobachtungen geht hervor, dass ein Organismus, der alle organischen Nahrungsstoffe erh\u00e4lt und dabei bis auf eine unwesentliche Gr\u00f6sse seinen Bestand an Eiweiss, Fett und Wasser bewahrt, ohne Zufuhr der Aschebestandtheile l\u00e4ngere Zeit am Leben bleibt, aber schliesslich durch Abgabe der Salze vom K\u00f6rper zu Grunde geht,1\nDabei erleidet die Verdauung der \u00fcbrigen Nahrungsstoffe, die Resorption im Darme, sowie die Stoffzersetzung im K\u00f6rper keine Aenderung in qualitativer und quantitativer Beziehung. Dieselben gehen bis zum Tode des Thiers in der gleichen Weise vor sich wie bei Aufnahme einer Nahrung, die neben den \u00fcbrigen nothwendigen Stoffen auch die Aschebestandtheile enth\u00e4lt. Es treten jedoch allm\u00e4hlich St\u00f6rungen in den Functionen der Organe auf, welche schliesslich einestheils die Um\u00e4nderung der Nahrungsstoffe im Darme in\n1 Aus seinen fr\u00fcher (S. 104) angegebenen Beobachtungen, nach denen von, Hunden reines Bluteiweiss l\u00e4ngere Zeit verzehrt, verdaut und verwerthet wird, schloss sp\u00e4ter auch Panum (Nordiskt medicinskt Arkiv. IX. No. 19. 1874), dass der K\u00f6rper ohne N\u00e4hrsalze l\u00e4ngere Zeit sich erh\u00e4lt und nur wenig Salze n\u00f6thig sind ; er verurthe\u00fct dabei sehr streng die entgegengesetzten Ausspr\u00fcche von Liebig. J. Lehmaxn und Kemmeeich.","page":356},{"file":"p0357.txt","language":"de","ocr_de":"Anorganische Nahrungsstoffe : Die Aschebestandtheile.\t357\nresorbirbare Modificationen1 und somit die Erhaltung des K\u00f6rpers auf seinem Best\u00e4nde an Eiweiss und Fett verhindern, anderntheils aber durch Unterdr\u00fcckung lebenswichtiger Processe den Untergang des Organismus hervorbringen, bevor noch die Unm\u00f6glichkeit der Nahrungsaufnahme Verfall und Tod nach sich zieht. An dem Entz\u00fcge der Aschebestandtheile leiden zuerst in bemerkbarer Weise die nerv\u00f6sen Centralorgane.\nDie Ausscheidung der Phosphors\u00e4ure im Harn und Koth ist bei Salzhunger nie unterbrochen, aber sofort erheblich vermindert. Bei reichlicher Aufnahme der organischen Nahrungsstoffe geht jedoch nur sehr wenig Phosphors\u00e4ure vom K\u00f6rper zu Verlust, mehr bei beschr\u00e4nkter Zufuhr, wenn das Thier an K\u00f6rpersubstanz verliert, oder an Hungertagen. Der Chlorgehalt des Harns nimmt von Tag zu Tag ab, bis zuletzt nur mehr unw\u00e4gbare Spuren darin enthalten sind ; auch hier erscheinen wieder geringe Mengen von Chlor, sobald der K\u00f6rper Substanz von sich abgiebt. Die auffallende Vermehrung der Ausscheidung der Aschebestandtheile beim Hunger nach einer l\u00e4ngeren Zufuhr salzarmer Nahrung kommt offenbar daher, dass beim Hunger Organis\u00e2tes zerst\u00f6rt wird, dessen Salze dann frei und theil-weise ausgeschieden werden, w\u00e4hrend bei salzarmer Nahrung vorz\u00fcglich das aus letzterer stammende Eiweiss der Zersetzung anheimf\u00e4llt, und das in geringer Menge frei gewordene Salz fast ganz wieder gefesselt wird (S. 305). Aber auch ein Theil der an dem Hungertage frei gewordenen Aschebestandtheile wird nicht entfernt, sondern dient dazu, die an Asche \u00e4rmer gewordenen Organe wieder damit zu versehen; beim Einschieben von Hungertagen wird daher der Salzhunger l\u00e4nger ertragen, denn eine Abnahme in der Masse der Organe und S\u00e4fte bei nicht zu lange w\u00e4hrendem Hunger ist f\u00fcr das Leben ungleich weniger gef\u00e4hrlich, als eine, wenn auch kleine Abnahme der constituirenden Aschebestandtheile der noch vorhandenen Organe und S\u00e4fte.\nZuerst verarmt beim Aschehunger das Blut an Aschebestand-theilen, da aus diesem die Ausscheidung erfolgt; nach und nach werden sie aber auch den \u00fcbrigen Organen entzogen. Die Abnahme ist daher im Blute am gr\u00f6ssten, im Muskel etwas geringer; das Ver-\n1 Vom 24.\u201432 Tage fingen die Hunde an, das Beigebracfite tlieilweise zu erbrechen, sp\u00e4ter wurde das Verzehrte auch nach l\u00e4ngerem Verwe\u00fcen im Magen fast g\u00e4nzlich unver\u00e4ndert durch Erbrechen wieder entleert; es standen offenbar die zur Bereitung eines wirksamen Magensaftes n\u00f6thigen Aschebestandtheile nicht mehr zur Verf\u00fcgung, denn die 12 Stunden im Magen des Thiers gewesene Masse reagirte nur schwach sauer, roch nicht nach Mageninhalt, sondern nach den aufgeweichten Fleischr\u00fcckst\u00e4nden, enthielt aber noch Chlor.","page":357},{"file":"p0358.txt","language":"de","ocr_de":"358 Voit. Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Die Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\nh\u00e4ltniss der einzelnen Aschebestandtheile ist dabei nicht ge\u00e4ndert. Der Verlust an Phosphors\u00e4ure ist zehnmal gr\u00f6sser als der Gehalt des normalen Bluts an diesem Stoffe. Man ist zwar im Stande diese Abnahme durch die chemische Analyse der Organe und S\u00e4fte nachzuweisen, sie ist jedoch nur sehr unbetr\u00e4chtlich. Nach den Berechnungen Forster\u2019s betheiligen sich an dem Verlust an Phosphors\u00e4ure das Blut mit 1.9%, die Muskeln mit 18.5%, die \u00fcbrigen Weich-theile mit 12.7%, die Knochen mit 66.5%; trotzdem ist die Abgabe von Knochenerde aus den Knochen eine so kleine, dass sie durch die chemische Analyse des Knochens nicht dargethan werden kann.\nDas Thier zeigt beim Salzhunger einen geringeren Wassergehalt ; vielleicht wird durch diese Concentration der zu geringe Salzgehalt etwas auszugleichen gesucht.\nDas Leben ist also noch m\u00f6glich, wenn auch die Organe einen Theil ihrer constituirenden Asche eingeblisst haben: ihr Gehalt an Asche kann innerhalb gewisser, allerdings sehr enger Grenzen schwanken. Sobald aber der Verlust \u00fcber diese Grenze hinausgeht, die von dem normalen Gehalte nicht weit abliegt, sind die normalen Functionen der Organe so wenig mehr m\u00f6glich, wie bei einem grossen Verlust an Eiweiss oder Wasser. Es gehen dabei nicht etwa die Zellen zu Grunde, sondern es tritt eine das Leben gef\u00e4hrdende Aen-derung in deren Functionen ein. Es ist dieses Verhalten analog dem einer eomplicirten chemischen Verbindung, welche ihren individuellen Charakter noch nicht zu verlieren braucht, wTenn auch eine Gruppe von Molek\u00fclen daraus weggenommen wird.\nUm den Salzverlust vom K\u00f6rper zu verhindern braucht die Zufuhr von N\u00e4hrsalzen, wenn f\u00fcr die organischen Nahrungsstoffe gesorgt ist, nicht so gross zu sein als man fr\u00fcher annahm; es wird dabei nur eine geringe Menge von Asche dem gebundenen Zustande entzogen und von dieser wegen der sofortigen Wiederverwendung nur wenig ausgeschieden. In der gew\u00f6hnlichen Nahrung des Menschen und der Thiere befinden sich, wenn sie den Bestand an Eiweiss und Fett erh\u00e4lt, mehr wie genug Aschebestandtheile; man braucht daher f\u00fcr gew\u00f6hnlich nicht eigens f\u00fcr dieselben zu sorgen, nur in gewissen seltenen F\u00e4llen ist dies n\u00f6thig.\nWie gross ist nun der Bedarf an N\u00e4hrsalzen, d. h. in welcher Menge sind die N\u00e4hrsalze n\u00f6thig, um die Abgabe von Salz vom K\u00f6rper zu verh\u00fcten? Wir k\u00f6nnen hier\u00fcber nur wenig aussagen.\nDie Ascheausscheidung beim wohlgen\u00e4hrten Menschen giebt uns nach obigen Darlegungen kein Maass f\u00fcr den Bedarf, da dabei in Ueberschuss Aschebestandtheile zur Aufnahme gelangen, die als un-","page":358},{"file":"p0359.txt","language":"de","ocr_de":"Anorganische Nahrungsstoffe : Die Aschebestandtheile.\n359\nbrauchbar wieder entfernt werden. Nach den Beobachtungen von Pettenkofer und mir betr\u00e4gt die t\u00e4gliche Ausscheidung von Asche bei mittlerer gemischter Kost 25.7 Grm. (19.5 Grm. im Harn und 6.2 Grm. im Koth); dies ist also sicherlich mehr als dem Bedarf entspricht, obwohl dabei nur 1 \u00b0/o der Gesammtaschemenge des K\u00f6rpers ausgeschieden wird. Beim Hunger findet sich meist weniger Asche in den Exkreten als bei voller Nahrungsaufnahme. Der von mir untersuchte Hund von 33.8 Kilo Gewicht lieferte in einer 8 t\u00e4gigen Hungerreihe folgende Aschemengen im Harn1:\nTag\tAsche\tHarnstoff\n1.\t5.54\t29.7\n2.\t2.49\t18.2\n3.\t2.25\t17.5\n4.\t1.79\t14.9\n5.\t1.90\t14.2\n6.\t1.71\t13.0\n7.\t2.10\t12.1\n8.\t2.57\t12.9\nNach der Stickstoffausscheidung im Harn und Koth sind in den 8 Tagen 1850 Grm. Fleisch zersetzt worden mit 24.05 Grm. Asche; im Harn und Koth waren 23.03 Grm. Asche enthalten. Es wird demnach beim Zerfall von Organeiweiss die damit verbundene Asche frei und als nicht mehr verwendbare Substanz gr\u00f6sstentheils entfernt; es sind dies f\u00fcr den Tag 0.15 % der Gesammtasche des Thiers. Aber auch die Aschemenge beim Hunger zeigt nicht den wirklichen Bedarf in der Nahrung an, da beim Hunger wegen der Abgabe von Organeiweiss mehr Asche verloren geht als bei Zufuhr salzfreier Nahrung. Die Ascheabgabe bei salzarmer Kost liefert uns ebenfalls keinen Anhaltspunkt f\u00fcr den Bedarf: es ist sicherlich mehr Asche zur Erhaltung des Aschebestandes im K\u00f6rper nothwendig, denn es kommt ein Theil der aufgenommenen Asche unter den in der Niere und im Darme gegebenen Bedingungen zur Ausscheidung, ehe er Verwendung gefunden hat.\nDer Aschegehalt der geringsten Nahrungsmenge, welche eben f\u00fcr einen Organismus gen\u00fcgt, giebt uns wohl eine ann\u00e4hernde Vorstellung von der f\u00fcr ihn n\u00f6thigen Aschezufuhr. Der 31 Kilo schwere Hund von Bischoff und mir2 setzte bei Aufnahme von 500 Fleisch und 250 Fett stetig etwas Eiweiss an und gab wahrscheinlich noch\n1\tVoit, Ztsclir. f. Biologie. I. S. 139. 1865, IL S. 309. 1866. \u2014Im t\u00e4glichen Koth sind 1.88 Grm. Trockensubstanz, 0.15 Grm. Stickstoffund 0.36 Grm. Asche.\n2\tBischoff u. Voit. Die Gesetze der Ern\u00e4hrung des Fleischfressers. S. 104 u. 286. 1861.","page":359},{"file":"p0360.txt","language":"de","ocr_de":"360 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung cler einzelnen Nahrungsstoffe.\netwas Asche ab; in der t\u00e4glichen Nahrung befanden sich nun 6.5 Grm. Asche, also wesentlich mehr als hei Aschehunger und bei Gesammt-hunger zu Verlust geht. F\u00fcr den Menschen k\u00f6nnen wir noch keine Angaben in dieser Beziehung machen.\nUm die Ascheausscheidung richtig zu beurtheilcn, muss man bedenken, dass die Verh\u00e4ltnisse im Hungerzustande und bei Nahrungszufuhr verschieden sind. Beim Hunger (oder auch unter anderen Umst\u00e4nden z. B. beim Fieber) gehen vorz\u00fcglich die consti-tuirenden Aschebestandtheile der zerst\u00f6rten Organe in die Exkrete \u00fcber, so dass die Aschezusammensetzung im K\u00f6rper sich nicht \u00e4ndert. Bei Aufnahme von Nahrung, wobei der Bestand an organischen Stoffen im Organismus erhalten wird und wenig Organis\u00e2tes zu Grunde geht, findet nur ein geringer Ascheverlust, zun\u00e4chst aus den S\u00e4ften stammend, statt; man muss daher nur so viel Mineralstoffe zuf\u00fchren, um diesen Verlust zu verh\u00fcten. Alles was \u00fcber den Bedarf des K\u00f6rpers hinausgeht, wird alsbald wieder abgeschieden, so dass f\u00fcr gew\u00f6hnlich die Aschezusammensetzung der Exkrete von der der Zufuhr bestimmt wird. Findet ein Ansatz von Organeiweiss statt, so werden auch die zu den Organen geh\u00f6rigen Aschebestandtheile mit angesetzt und nicht ausgeschieden.\nDie Asche vertheilt sich in verschiedener Weise auf die Exkrete und die Organe je nach der Art und Menge der Nahrung, der Ausn\u00fctzung derselben im Darm und den Bed\u00fcrfnissen des K\u00f6rpers.\nBeim Hund werden bei F\u00fctterung mit reinem Fleisch oder mit Fleisch unter Zusatz von Fett und Kohlehydraten im Harn etwa 81% der Aschebestandtheile entfernt; beim Hunger 85%. Anders ist es jedoch nach Aufnahme von Brod beim Fleischfresser oder bei der gemischten Kost des Menschen oder beim Pflanzenfresser, wo sich im Koth viel Residuen der Nahrung finden und der Antheil der im Koth entleerten Aschemenge gr\u00f6sser wird. Bei der gemischten Kost des Menschen gehen 76 % der Aschebestandtheile in den Harn, 24% in den Koth \u00fcber.1 Beim ausgewachsenen, mit Wiesenheu ern\u00e4hrten Hammel ist von HennebercT2 der Kreislauf der Mineral-\n1\tDies ist jedoch je nach der Nahrung sehr verschieden, es k\u00f6nnen 11 bis 56% der Asche im Koth sich finden; siehe hier\u00fcber Rubner, Ztschr. f. Biologie. XV. S. 186. 1879.\n2\tHenneberg, Neue Beitr\u00e4ge. Heft 1. S. 230. 1870. Die einzelnen Aschebestandtheile verthe\u00fcten sich auf die Exkrete in folgender Weise:\n\tKali\tNatron\tKalk\tMagnesia\tPhosphors.\tSchwefels.\tChlor\tKiesels.\nKoth\t5.3\t25.2\t110.8\t82.1\t98.8\t35.0\t\u2014\t114.6\nHarn\t84.7\t54.4\t4.7\t25.5\t1.7\t53.2\t86.4\t2.2\nWolle\t3.6\t\u2014\t0.4\t0.2\t0.2\t1.6\t0.5\t0.1\nSumma 93.6\t\t79.6\t115.9\t107.8\t100.7\t89.9\t86.9\t116.9\nAuch Valentin (Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. I. S. 421. 1842) hat die Ver-","page":360},{"file":"p0361.txt","language":"de","ocr_de":"Anorganische Nahrungsstoffe: Die Aschebestandtheile.\n361\nStoffe untersucht worden; von 100 Grm. der im Futter gegebenen Aschebestandtheile erschienen 42.2 \u00b0/o im Harn (haupts\u00e4chlich Kali und Chlor), 58.2 0 o im Koth (haupts\u00e4chlich Kalk, Magnesia und Phosphors\u00e4ure) und 1.2 \u00b0,o in der Wolle. Werden in dem noch wachsenden Organismus Mineralstoffe angesetzt, so wird das Bed\u00fcrfniss an Asche gr\u00f6sser und es findet sich im Harn und Koth relativ weniger Asche vor; es ist in diesem Falle auch die Ausn\u00fctzung im Darm eine bessere, denn w\u00e4hrend nach Bubner der erwachsene Mensch 46.8 \u00b0,o der Asche der Milch nicht resorbirt, verwerthet nach J. Forster das 4monatliche Kind 36.5\u00b0/o derselben nicht, das Saugkalb nimmt sogar nach Soxhlet1 die ganze Asche bis auf 2.6 \u00b0/o in die S\u00e4fte auf. Von 100 Grm. Mineralstoffen der verzehrten Milch gehen beim Saugkalb 2.6% in den Koth, 44.4% in den Harn \u00fcber und 53.0 % werden zum Ansatz im K\u00f6rper verwendet.\nWas die einzelnen Aschebestandtheile als Nahrungsstoffe betrifft, so ist vorz\u00fcglich \u00fcber die Verbindungen der Alkalien (Natron und Kali) mit Chlor und Phosphors\u00e4ure, der alkalischen Erden (Kalk und Magnesia) mit Phosphors\u00e4ure, und \u00fcber das Eisen Einiges zu berichten.\nDer in den Exkreten enthaltene Schwefel stammt von zersetztem Eiweiss ab; er wird f\u00fcr die h\u00f6heren Thiere in der Form von Eiweiss dem K\u00f6rper wieder zugef\u00fchrt.\nEs kommt vor Allem darauf an die Principien, nach denen der Wechsel der Salze erfolgt, zu kennen. Es ist nicht m\u00f6glich auf alle die Verschiedenheiten in der Ausscheidung der einzelnen Aschebestandtheile n\u00e4her einzugehen, da bei den meisten Untersuchungen der Art die Aschezufuhr und auch die \u00fcbrigen Kautelen nicht geh\u00f6rig ber\u00fccksichtigt wurden und das Wenige, was man sicher hier\u00fcber weiss, zum Theil bei der Beschreibung der Zusammensetzung der Exkrete zu bringen ist.\ntheilung der in der Nahrung aufgenommenen Aschebestandtheile auf die Exkrete in einem 3 t\u00e4gigen Versuch bei einem Pferde bestimmt.\n1 Soxhlet, Erster Bericht \u00fcber Arbeiten der k. k. landw. Versuchsstation in Wien aus den Jahren 1870\u20141877. Wien 1878. \u2014 DieVertheilung der einzelnen Aschebestandtheile war folgende :\n\tim Koth\tim Harn\tangesetzt\n100 Phosphors\u00e4ure\t1.1\t26.4\t72.5\n\u201e Chlor .\t.\t.\t1.2\t95.5\t3.8\n\u201e Kalk ....\t2.7\t0.4\t96.9\n\u201e Magnesia .\t.\t3.8\t65.7\t30.5\n\u201e Kali ....\t2.2\t77.1\t20.7\n\u201e Natron .\t.\t.\t5.4\t65.5\t29.1\n\u201e Eisenoxyd .\t.\t61.1\t\u2014\t38.9","page":361},{"file":"p0362.txt","language":"de","ocr_de":"362 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\nA) Die Alkalien.\nVon den Verbindungen der Alkalien mit Chlor und Phosphors\u00e4ure finden sich, wie Liebig zuerst dargethan hat, die mit Kali vorz\u00fcglich in den organisirten Gebilden, die mit Natron in den S\u00e4ften des K\u00f6rpers: im Blutplasma ist das Natron vorherrschend, im blutfreien Muskel und in den Blutk\u00f6rperchen das Kali. Der reichliche Gehalt der Zellengebilde an Kali steht vielleicht in Zusammenhang mit der leichten Imbibitionsf\u00e4higkeit thierischer Membranen f\u00fcr Kalisalze. Nach den Analysen von A. v. Bezold1 ist das Verh\u00e4ltnis der beiden Basen, Natron und Kali, in der ganzen Wirbelthierreihe im Gesammtorganismus nahezu das gleiche, sie finden sich in \u00e4quivalenter Menge vor; f\u00fcr die Maus, das Kaninchen und die Katze hat Bunge2 diese Angabe ann\u00e4hernd best\u00e4tigt, nur \u00fcberwiegt entsprechend dem Alkaligehalt der Nahrung beim Pflanzenfresser ein wenig das Kali, beim Fleischfresser das Natron. Manche Thiere, z. B. die Puppen der Schmetterlinge, sind jedoch nach Bunge sehr natronarm, was wohl von dem Verh\u00e4ltnis der S\u00e4fte und organisirten Gebilde im Thier abh\u00e4ngig ist.\nDie Alkalien werden gr\u00f6sstentkeils im Harn entfernt, nur geringe Mengen im Koth, wenigstens beim Fleischfresser, bei welchem nach animalischer Kost im sp\u00e4rlichen Kothe fast keine in Wasser l\u00f6slichen Aschebestandtheile angetroffen werden; die im Kothe des Menschen3 bei gemischter Kost und in dem der Pflanzenfresser (S. 360 Anmerkung) enthaltenen Alkalien stammen vorwiegend von der Nahrung ab, von der ein betr\u00e4chtlicher Theil unverwerthet wieder ausgeschieden wird. Wird der Darm rascher entleert, z. B. bei Diarrh\u00f6en, so finden sich in den F\u00e4ces mehr Alkalien, vor Allem Natron, von den Verdauungss\u00e4ften herr\u00fchrend.4 Im Speichel ist viel Alkali enthalten ; in den Sputis geht daher Alkali, besonders Natron, verloren, bei Entz\u00fcndung der Mundh\u00f6hle sind die Kalisalze vorherrschend.5\nDie Menge der Alkalien im Harn und das Verk\u00e4ltniss von Kali und Natron ist vorz\u00fcglich von der Art und Menge der Nahrung ab-\n1\tA. v. Bezold, Ztschr. f. wiss. Zool. IX. S. 241. 1858.\n2\tBunge, Ztschr. f. Biologie. X. S. 318. 1874.\n3\tLehmann, Lehrb. d. physiol. Chem. II. S. 117. 1853. \u2014 Fleitmann, Ann. d. Physik. LXXVI. S. 356. \u2014Porter, Ann. d. Chem. u. Pharm. LXXI. S. 109. \u2014 Ender-lin, Ebenda. LIX. S. 335. \u2014 Rogers, Ebenda. LXV. S. 85.\n4\tC. Schmidt, Charakteristik d. epidem. Cholera. S. 90. 1850.\n5\tSalkowski, Arch. f. path. Anat. LUI. S. 209. Nach Manassein enthalten die Muskeln fiebernder Thiere weniger Salze und Extraktivstoffe (Arch. f. path. Anat. 1872. S. 220).","page":362},{"file":"p0363.txt","language":"de","ocr_de":"Anorganische Nahrungsstoffe: Die Aschebestandtheile. Alkalien.\n363\nh\u00e4ngig. In den wichtigeren vegetabilischen Nahrungsmitteln ist das Verh\u00e4ltnis von Kali zu Natron ein weit h\u00f6heres als in dem Ge-sammtorganismus und in den animalischen Nahrungsmitteln. Der hungernde K\u00f6rper scheidet vorz\u00fcglich Kalisalze, welche bei der Zerst\u00f6rung der Organe frei geworden sind, und weniger Natron aus. Beim Fieber ist nach Salkowski im Harn 3\u20144 mal mehr Kali enthalten als im fieberfreien Zustand, da dabei wie beim Hunger besonders die kalireichen Gewebe angegriffen werden ; es erscheint zugleich sehr wenig Natron, so dass wahrscheinlich Natron zur\u00fcckgehalten wird, das dann in einigen F\u00e4llen nach der Krisis zur Ausscheidung kommt.1\nUeber die Bedeutung des Chlorkaliums in den Geweben ist noch nichts Sicheres bekannt. Es wird als solches in animalischen und vegetabilischen Nahrungsmitteln zugef\u00fchrt; es kann sich aber auch erst im K\u00f6rper aus Chlornatrium und Kaliumphosphat bilden.\nMehr als \u00fcber das Chlorkalium wissen wir \u00fcber das Chlornatrium. Dasselbe findet sich unter den Asehebestandtheilen des Blutplasmas, der Lymphe, des Speichels, des Magensaftes, des Schweisses u. s. w. in \u00fcberwiegender Menge constant vor. Man hat angegeben, es habe die Aufgabe, die Aufl\u00f6sung der Blutk\u00f6rperchen2 und die zu grosse Quellung der Zellen und Gewebe zu verh\u00fcten, sowie den Durchgang von Stoffl\u00f6sungen in und aus den organisirten Gebilden zu beg\u00fcnstigen3, gewisse eiweissartige Stoffe (Globulin, Myosin) zu l\u00f6sen, und endlich das Material f\u00fcr das Chlor und Natron mancher Verdauungss\u00e4fte zu liefern.\nDas Chlornatrium wird nach meinen Versuchen am Hund4, entgegen fr\u00fcheren Angaben, vollst\u00e4ndig im Harn und Koth ausgeschieden, wenn es nicht im K\u00f6rper zur\u00fcckgehalten wird. Nur beim Schwitzen geht auch etwas durch den Schweiss ab.5\nIn den vom Menschen verzehrten animalischen Nahrungsmitteln ist es nur in geringer Menge vorhanden wie z. B. im Muskelfleische oder in der Milch, in noch geringerer aber in den meisten Vegeta-bilien.6 Wir setzen daher den Speisen aus dem Thier- und Pflanzen-\n1\tZuelzer (Centralbl. f. d. med. Miss. 1877. No. 42 u. 43; Deutsch. Ztschr. f. pract. Med. 1878. No. 2 u. 3) verglich bei verschiedenen Zust\u00e4nden das Verh\u00e4ltniss von Stickstoff zum Kalium. Natrium, und Chlor im Harn. Bei Excitationszust\u00e4n-den fand er eine Verminderung des Chlornatriums und eine Zunahme des Chlorkaliums; das Umgekehrte bei Depressionszust\u00e4nden.\n2\tJoh. M\u00fcller, Ann. d. Physik. 1832.\n3\tLiebig, Chem. Briefe. S. 489. 1851 ; Ann. d. Chem. LXH. S. 344.1847.\n4\tVoit, Unters, \u00fcb. d. Einfluss des Kochsalzes u. s. w. S. 29. 1860.\n5\tBaxke, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1862. S. 325.\n6\tBunge, Ztschr. f. Biologie. X. S. 295. 1874; mit genauen Bestimmungen des Ivali-, Natron- u. Chlorgehalts verschiedener Nahrungsmittel.","page":363},{"file":"p0364.txt","language":"de","ocr_de":"364 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\nreiche meist Kochsalz zu und sind sehr begierig nach demselben; auch Thiere, namentlich Pflanzenfresser nehmen es mit grosser Gier auf. Es ist aber m\u00f6glich ohne Zusatz von Kochsalz zu der gew\u00f6hnlichen Nahrung auszureichen und den n\u00f6thigen Gehalt an Kochsalz und Natronsalzen zu erhalten, da die meisten Pflanzen- und Fleischfresser zeitlebens kein Kochsalz eigens aufnehmen.\nDer Fleischfresser (der Hund) lebt auf die Dauer von reinem Fleisch unter Zusatz von Fett. Im frischen Fleisch findet man nur 0.069 \u00b0/'o Chlor, entsprechend 0.114% Chlornatrium; in 500 Grm. Fleisch, mit denen ein Hund von 30 Kilo Gewicht mit 200 Grm. Fett auf die Dauer, selbst Jahre lang, ausreicht, werden daher nur 0.6 Grm. Kochsalz im Tag zugef\u00fchrt und doch zeigen die S\u00e4fte desselben den normalen Natrongehalt und wird im Magen saurer Magensaft abgesondert. Dem entsprechend enthalten die Exkrete nur in Spuren Chlor, der Koth so gut w7ie keines, der Harn nur sehr wenig; ich fand im letzteren bei Zufuhr von 500 Grm. Fleisch und 200 Grm. Fett nur 0.28 Grm. Kochsalz, bei 1500 Grm. Fleisch 1.1 Grm. Dies ist allerdings mehr als das hungernde Thier liefert; denn Falck1 erhielt in einem Falle von 0.221 Grm. am ersten Hungertage bis zu 0.017 Grm. am 23. Tage, in einem anderen Falle von 0.017 Grm. am ersten bis zu 0.016 Grm. am 60. Hungertage. Es reicht also beim Fleischfresser die in der Nahrung vorhandene h\u00f6chst geringe Chlornatriummenge hin, die Kochsalzausscheidung zu decken.\nWieviel der Mensch Kochsalz zuf\u00fchren muss, um dem Kochsalz-bed\u00fcrfniss eben zu gen\u00fcgen, ist nicht bekannt; es kann dies aber nicht viel sein, da auch bei ihm beim Hunger die Kochsalzausscheidung im Harn sehr sinkt, ja fast ganz auf h\u00f6rt.2 Ein S\u00e4ugling bekommt in 1 Liter Frauenmilch, mit der er sich ein Jahr lang ern\u00e4hrt, t\u00e4glich nur 0.79 Grm. Kochsalz. Der Mensch nimmt in den meisten F\u00e4llen unstreitig mehr Chlornatrium auf als er zu obigem Zwecke im Minimum n\u00f6thig hat. Der Ueberschuss wird daher aus einem anderen Grunde verzehrt: eine ungesalzene Speise schmeckt uns nicht und das Kochsalz ist uns nicht nur ein Nahrungsstoff, sondern auch das wichtigste Genussmittel, das da, wo es schwer zu erlangen ist, h\u00f6her als Gold gesch\u00e4tzt wird.\nDer Pflanzenfresser erh\u00e4lt in den grossen Massen des Futters nicht unbedeutende Mengen von Chlornatrium; ein Pferd von 427 Kilo Gewicht nimmt nach Valentin t\u00e4glich im Tr\u00e4nkwasser 0.2 Grm. Chlor, im Heu 13.7 Grm., im Hafer 1.2 Grm., im Ganzen also 15.1\n1\tFalck, Beitr\u00e4ge zur Physiologie u. s. w. S. 91. 1875.\n2\tO. Schultzen, Arch. f. Anat. u. Physiol. 18G3. S. 31.","page":364},{"file":"p0365.txt","language":"de","ocr_de":"Anorganische Nahrimgsstofte: Die Aschebestandtheile. Alkalien. 365\nGrm. Chlor auf, wovon 7.4 Grm. im Harn lind 6.6 Grm. im Koth wieder erscheinen.\nSobald man den Nahrungsmitteln Kochsalz zusetzt, tritt alsbald eine gr\u00f6ssere Menge von Kochsalz im Harn auf. Hat der K\u00f6rper vorher nur wenig Kochsalz empfangen, wie es z. B. beim Fleischfresser nach F\u00fctterung mit reinem Fleisch der Fall ist, -so wird in ihm nach meinen Versuchen in den ersten Tagen etwas von dem Salz aufgespeichert, bald aber findet sich in den Ausscheidungen wieder ebensoviel als zugef\u00fchrt worden ist. Diese Zur\u00fcckhaltung des Kochsalzes haben zuerst Buchheim und Wagner1, dann Kaupp2 erkannt. Die Gr\u00f6sse der Aufspeicherung f\u00fcr den ganzen K\u00f6rper des Hundes ist jedoch nur eine sehr geringf\u00fcgige, nur etwa 4\u20145 Grm.; beim Menschen scheint sie bedeutender zu sein. Kehrt man nach Aufnahme einer gr\u00f6sseren Kochsalzmenge zu der geringeren zur\u00fcck, so wird das vorher im K\u00f6rper aufgespeicherte Salz in wenigen Tagen wieder abgegeben. Das in eine Vene oder in den Magen eines Hundes eingespritzte Kochsalz verl\u00e4sst sehr rasch den K\u00f6rper; nach Falck\u2019s3 sorgf\u00e4ltigen Untersuchungen erscheint gleich in der ersten Stunde ein ansehnlicher Theil des Salzes im Harn, in der dritten Stunde nach der Einspritzung ist das Maximum der Ausscheidung erreicht und schon nach 8 Stunden ist alles entfernt.\nEs besteht demnach in den S\u00e4ften und Geweben eine gewisse Breite des Kochsalzgehaltes, aber dieselbe bewegt sich in engen Grenzen ; das Minimum und das Maximum liegen sich so nahe, dass der Procentgehalt kaum eine Aenderung erf\u00e4hrt. Es ist noch unverst\u00e4ndlich, warum das Blut trotz Einf\u00fchrung einer grossen Salzmenge nicht eine h\u00f6here Concentration an Salz annimmt; eine gewisse Quantit\u00e4t von Salz muss jedoch fest gehalten werden, so dass sie nicht entfernt werden kann, was daraus hervorgeht, dass bei Kochsalzhunger das Kochsalz aus dem Harn fast verschwindet, obwohl das Blut noch genug davon enth\u00e4lt. Im ganzen K\u00f6rper des Hundes von 35 Kilo befinden sich etwa 22 Grm. Chlor, entsprechend 36 Grm. Chlornatrium, davon sind etwa 7 Grm. im Blut und 29 Grm. in den \u00fcbrigen Organen; da vom Hund beim Hunger nur 0.2\u20140.3 Grm. Kochsalz ausgeschieden werden, so werden dabei t\u00e4glich nur 0.7 \u00b0/0 der Kochsalzmenge des K\u00f6rpers entfernt.\nGiebt man in der \u00fcbrigen Nahrung kein Kochsalz, so verliert\n1\tBuchheim u. Wagner, Arch. f. physiol. Heilk. XIII. S. 93. 1854.\n2\tKaupp, Ebenda. XIY. S. 385. 1855.\n3\tFalck, Arch. f. path. Anat. LYI. S. 315. 1872. \u2014 Friede. M\u00fcller, Beitrag z. Kenntniss der Wirkung des Chlornatriums. Marburg 1872.","page":365},{"file":"p0366.txt","language":"de","ocr_de":"366 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\nder Organismus allm\u00e4hlich von dem in ihm vorhandenen Salz, jedoch wird dabei vorz\u00fcglich nur der \u00fcbersch\u00fcssige Vorrath abgegeben und darnach von dem nothwendigen Bedarf nur geringe Mengen, so dass schliesslich die Concentration des Kochsalzes im Blut und in den Geweben nicht wesentlich abgenommen hat. Daraus l\u00e4sst sich schliessen, dass dieser fester gehaltene Antheil des Kochsalzes notli-wendig f\u00fcr den Bestand und die Vorg\u00e4nge im K\u00f6rper ist, und also das Kochsalz zum Theil ein wirkliches N\u00e4hrsalz, ein Nahrungsstoff f\u00fcr den Thierk\u00f6rper ist.\nEs liegt noch kein Versuch vor, bei welchem der Kochsalzhunger bei Zufuhr der \u00fcbrigen Nahrungsstoffe so lange fortgesetzt worden ist, bis krankhafte Erscheinungen aus Mangel an diesem Salz eingetreten sind. Beim allgemeinen Hunger werden auch andere, namentlich organische Stoffe vom K\u00f6rper abgegeben, bei den Aschehungerversuchen von Forster, bei welchen zuletzt so gut wie kein Chlor mehr entfernt wurde, noch andere Aschebestandtheile: man weiss daher nicht, welchen Antheil der Kochsalzmangel dabei an den Erscheinungen hatte.\nEs sind am Menschen mehrere Versuche bei Zufuhr ungesalzener Speisen angestellt worden, wobei aber immer noch so viel Kochsalz gegeben wurde, als der Hund bei F\u00fctterung mit reinem Fleisch und Fett erh\u00e4lt. Im Anfang wird dabei der Ueberschuss des Kochsalzes im Harn entfernt, dann bleibt sich die Ausscheidung ziemlich gleich.1 In den von Wundt ausgef\u00fchrten Versuchen kamen folgende Mengen von Kochsalz im Harn zum Vorschein:\n1.\tTag 7.21\n2.\t\u201e\t3.62\n3.\t\u201e\t2.44\n4.\t\u201e\t1.36\n5.\t\u201e\t1.09\nE. Klein und E. Verson2 haben acht Tage lang bei einer t\u00e4glichen Kochsalzzufuhr von h\u00f6chstens 1.4 Grm. gelebt und keine besonderen Unannehmlichkeiten versp\u00fcrt, Der K\u00f6rper gab in diesen 8 Tagen 46.9 Grm. Kochsalz durch Harn und Koth ab; es ist aber zu bemerken, dass die Versuchsperson an einen sehr, reichlichen Salzverbrauch (27 Grm. im Tag) gew\u00f6hnt war. Trotzdem war das Kochsalz im K\u00f6rper noch l\u00e4ngst nicht ersch\u00f6pft; das Blut enthielt n\u00e4mlich :\n1\tFalck, Arzneimittellehre I. S. 129. Marburg 1850. \u2014 Katjpp, Arch. f.physiol. Heilk. 1855. S. 385. \u2014 Wundt, Journ. f. pract. Chem. LIX. S. 354. 1853.\n2\tKlein u. Yepson, Sitzgsber. d. A\\ iener Acad. Math.-phys. Cl. FV . (2) S. 627.\n1867.","page":366},{"file":"p0367.txt","language":"de","ocr_de":"Anorganische Nahrungsstoffe : Die Aschebestandtheile. Alkalien.\n367\n\u00b0/o Kochsalz absolute Menge von Kochsalz\nvor dem Versuch\t0.402\t17.7\nw\u00e4hrend des Versuchs\t0.282\t12.3\nnach dem Versuch\t0.423\t19.0\nDas Blut hat also bei dem achtt\u00e4gigen Kochsalzhunger nur 5.4 Grm. = 31% seines Kochsalzes verloren, die \u00fcbrigen Organe wahrscheinlich verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig noch weniger.\nKlein und Verson scbliessen aus ihren Versuchen, dass das Kochsalz gar kein N\u00e4hrsalz sei, sondern nur ein Genussmittel, und ganz entbehrt werden k\u00f6nne. Dies ist nicht ganz richtig \u2019, denn der K\u00f6rper enthielt immer noch Kochsalz in betr\u00e4chtlicher Menge. Erst dann, wenn im Blute und den \u00fcbrigen Organen kein Kochsalz mehr ist und doch keine pathologischen Erscheinungen auftreten, d\u00fcrfte man schliessen, dass dasselbe zu entbehren w\u00e4re. Es wurden ferner noch 1.4 Grm. Kochsalz in der t\u00e4glichen Nahrung geboten; ein Hund von 35 Kilo reicht mit 0.6 Grm. Kochsalz aus. Dass bei Kochsalzhunger die Oxydation des Eiweisses nicht erh\u00f6ht wird, wie Klein und Verson meinen, hat Forster 2 gezeigt.\nAuch Schenk1 2 3 hat dargethan, dass das Kochsalz ein noth wendiger und zur Zusammensetzung geh\u00f6riger Bestandtheil des Blutes ist. Bei mit chlorfreiem Sagopulver gef\u00fctterten Kaninchen nahm der Gehalt des Blutes an Chlor nur sehr wenig ab; bei einem Hunde, dem er w\u00e4hrend 20 Tagen ausgekochte Fleischr\u00fcckst\u00e4nde gab, nahm der Chlorgehalt des Harns rasch bis auf ein Minimum (0.01 Grm. am 9. Tag) ab, w\u00e4hrend der des Blutes fast unver\u00e4ndert blieb.\nBunge4 stellte eine Hypothese \u00fcber die Nothwendigkeit des Kochsalzzusatzes zu der Nahrung auf. Er hatte gefunden, dass das w\u00e4hrend eines Tags gegebene Kaliumphosphat durch gegenseitigen Austausch (in Natronphosphat und Chlorkalium) dem K\u00f6rper Chlor und Natron entzieht. Er glaubte aus diesem Umstande das auffallende Kochsalzbed\u00fcrfniss der Pflanzenfresser erkl\u00e4ren zu k\u00f6nnen, da in deren Nahrung der Gehalt an Kali den an Natron weit \u00fcberwiegt.5 Es findet sich allerdings in der t\u00e4glichen Nahrung der Pflanzenfresser h\u00e4ufig nicht weniger Natron und so viel Chlor wie in der der Fleischfresser, erstere nehmen aber darin wenigstens doppelt so\n1\tVoit, Sitzgsber. cl. bayr. Acad. II. (4) S. 510. 1869.\n2\tForster, Ztschr. f. Biologie. IX. S. 309. 1873.\n3\tSchenk, Anat.-physiol. Unters. S. 19. Wien 1S72.\n4\tBunge, Ztschr. f. Biologie. IX. S. 104. 1873, X. S. 111. 1874.\n5\tEs ist auch zu beachten, dass manche Vegetabilien sehr wenig Natron enthalten und ein ansehnlicher Theil desselben vom Pflanzenfresser nicht resorbirt wird w\u00e4hrend beim Fleischfresser die Auslaugung eine fast vollst\u00e4ndige ist.","page":367},{"file":"p0368.txt","language":"de","ocr_de":"368 Yoit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\nviel Kali auf als letztere; bei jenem Austausche bandelt es sieb nicht um die absolute, sondern um die relative Menge beider Salze.\nNun ist es durch Bunge sicher erwiesen, dass wenn in den S\u00e4ften noch \u00fcbersch\u00fcssiges Kochsalz sich befindet, an dem einen Tage der Kalidarreichung neben der vermehrten Kaliausscheidung auch mehr Chlor und Natrium in den Harn \u00dcbertritt; allein bei einer l\u00e4ngere Zeit fortgesetzten Aufnahme von Kalisalzen ist dies wahrscheinlich nicht der Fall. Es tritt wohl nur an die Stelle des \u00fcbersch\u00fcssigen Kochsalzes Chlorkalium ein. Aus den Angaben von Bunge geht schon hervor, dass der Organismus durch die einmalige Natronentziehung schon so ersch\u00f6pft an Kochsalz ist, dass er die Tage darauf weniger Natron ausscheidet als normal und von dem in der Nahrung aufgenommenen zur\u00fcckh\u00e4lt.\nDie Frage nach der Grenze, bis zu welcher der Organismus bei fortgesetzter Kalizufuhr fortf\u00e4hrt, Natron abzugeben, ist experimentell bis jetzt zwar nicht entschieden1; jedoch thun die Versuche wenigstens die rasche Abnahme der Natronentziehung dar.\nWenn aber auch die Verdr\u00e4ngung des Natrons ihre Grenze hat, so kann doch Bunge\u2019s Ansicht vollst\u00e4ndig richtig sein, d. h. durch die Herabdr\u00fcckung des Natrongehaltes des K\u00f6rpers auf das \u00e4usserste Maass ein Bed\u00fcrfnis nach Natron bestehen, dessen Befriedigung angestrebt wird.\nBunge hat ferner vielfache Angaben \u00fcber den Kochsalzconsum bei den verschiedenen V\u00f6lkerschaften gemacht, nach denen die von Vegetabilien lebenden St\u00e4mme Kochsalz gemessen, die von Fleisch lebenden aber nicht.2\nEs k\u00f6nnen also die Pflanzenfresser auch ohne Zusatz von Kochsalz zu ihrem Futter leben, wenigstens nehmen die meisten derselben w\u00e4hrend des ganzen Lebens viele Generationen hindurch kein Salz auf. Es ist daher ihr Organismus noch im Stande bei der normalen Nahrung, in welcher der Kali\u00fcberschuss kein sehr grosser zu\n1\tSielie \u00fcber die Natronentziehung durch Kalisalze auch : G\u00e4thgens, Dorpater med. Ztschr. I. S. 358. 1871 ; J. Kurtz, Ueber Entziehung von Alkalien aus dem Thierk\u00f6rper. Diss. inaug. Dorpat 1874; Dehn, Ueber die Ausscheidung der Kalisalze. Diss. inaug. Rostock 1876 u. Arch. f. d. ges. Physiol. XIII. S. 353. 1876. \u2014 Umgekehrt wird durch Aufnahme von Natronsalzen die Kaliausscheidung im Harn vermehrt. G\u00e4thgens u. Kurtz konnten zwar danach keine deutliche Steigerung der Kalimenge finden. sie wird aber schon von Boecker (Prager Yierteljahrschr. IV. S. 117. 1854) und von Ed. Reinson (Unters, \u00fcb. d. Ausscheidung d. Kali und Natrons durch den Harn. Diss. inaug. Dorpat 1864) angegeben. Feder (Ztschr. f. Biologie. XIII. S. 283. 1877, XIV. S. 172. 187b) fand nach Darreichung von Kochsalz und Salmiak die Kaliausscheidung vermehrt.\n2\tSiehe dar\u00fcber auch : Victor Hehn, Das Salz , eine kulturhistorische Studie. Berlin 1873.","page":368},{"file":"p0369.txt","language":"de","ocr_de":"Anorganische Nahrungsstoffe: Die Aschebestandtheile. Alkalien.\n369\nsein braucht (wie z. B. im Wiesenheu, den Riedgr\u00e4sern), der Chlor und Natron entziehenden Wirkung der Kalisalze so weit Widerstand zu leisten, dass die normalen Functionen nicht gest\u00f6rt werden. In gewissen F\u00e4llen k\u00f6nnte aber doch die Widerstandsf\u00e4higkeit gegen das Kali ungen\u00fcgend sein, z. B. bei den kalireichen Kartoffeln und dem Klee, von denen es fraglich ist, ob sie die Pflanzenfresser l\u00e4ngere Zeit hindurch ohne Salzzusatz ern\u00e4hren k\u00f6nnen. In dem Weizen, Roggen, den Kartoffeln und Leguminosen ist verk\u00e4ltnissm\u00e4ssig sehr viel Kali enthalten, also gerade in den Nahrungsmitteln, die das Volk und der Arbeiter vorherrschend geniesst. Darum meint auch Bunge, dass f\u00fcr die \u00e4rmeren Volksklassen das Kochsalz ein unentbehrlicher Nahrungsstoff sei.\nEs kann wohl nicht zweifelhaft sein, dass ein gewisser Zusatz und Uebersclmss von Kochsalz, \u00fcber den unumg\u00e4nglich n\u00f6thigen Bedarf hinaus, g\u00fcnstige Einwirkungen auf den K\u00f6rper hervorbringt. Alle Land-wirtlie berichten, dass die pflanzenfressenden Hausthiere besser gedeihen, wenn man ihrem Futter Salz zuf\u00fcgt. Die Thiere fressen nach Baural 1 2 3 lieber bei Salzzusatz, was auch die Hunde Kemmerichs2 zeigten, welche die Fleischr\u00fcckst\u00e4nde mit den Fleischsalzen und Kochsalz gern verzehrten, ohne dieselben aber nicht an Gewicht Zunahmen, d. h. weniger frassen. Nach E. Wolff werden die Thiere durcluBeigabe einer m\u00e4ssigen Menge von Salz zur Aufnahme eines gr\u00f6sseren Futterquantums bestimmt, so dass das Futter durch seine Schmackhaftigkeit an N\u00e4hreffekt zu gewinnen scheint. In dieser Beziehung wirkt also das Kochsalz nicht direkt als N\u00e4hrsalz, sondern indirekt als Genussmittel. Nach den Angaben von Bo\u00fcssdsGault 3 \u00fcbt das Kochsalz bei Rindern keinen wesentlichen Einfluss auf den Fleisch-, Fett- und Milchertrag aus, aber das Salz hatte f\u00fcr das Ansehen und die Beschaffenheit der Thiere entschieden eine g\u00fcnstige Wirkung, was schon Plinius und Haller erw\u00e4hnen. Man k\u00f6nnte sich auch denken, das Kochsalz habe einen Einfluss auf die Verdaulichkeit des Futters im Darme. Grouven4 sah bei F\u00fctterung von Ochsen mit Roggenstroh keine erh\u00f6hte Ausn\u00fctzung eintreten. Nach E. Wolff 5 6 7 bewirkt das Chlornatrium bei Hammeln unter Umst\u00e4nden eine bessere Verdauung des Rohproteins im Wiesenheu ; dagegen trat diese Wirkung nach Hofmeister 6 bei einem an verdaulicher Proteinsubstanz ziemlich reichen Futter nicht ein ; auch Weiske 7 konnte bei Hammeln keine Aen-\n1\tBarral, Statique chimique des animaux, appliqu\u00e9e sp\u00e9cialement \u00e0 la question de l\u2019emploi agricole du sel. p. 430. Paris 1850.\n2\tKemmerich, Arch. f. d. ges. Physiol. II. S. 75. 1869.\n3\tBoussingault , Ann. d. chim. et d. phys. (3) XIX. p. 117, XX. p. 113, XXII. p. 116. 1848. \u2014 Plouviez, Compt. rend. XXV. p. 110. 1848; Bull, de l\u2019acad. de m\u00ead. XIV. p. 1077. \u2014 Dupasquier, Journ. de pharm, et de chim. (3) IX. p. 339.\n4\tGrouven, Zweiter Bericht u. s. w. 1864. S. 322.\n5\tWolff, Die Versuchsstation Hohenheim. S. 68. 1870.\n6\tHofmeister, Landw. Versuchsstationen. VI. S. 196. 1864.\n7\tWeiske, Journ. f. Landwirthschaft. 1874. S. 370.\nHandbuch der Physiologie. Bd. VI.\t24","page":369},{"file":"p0370.txt","language":"de","ocr_de":"370 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\nderung in der Verwertliung des Futters durch das Salz constatiren. Das Kochsalz hat also in dieser Richtung kaum eine Bedeutung.\nDie phosphorsauren Alkalien1 spielen sicherlich eine grosse Rolle bei den Processen im Thierk\u00f6rper. Das Kaliumphosphat findet sich in allen organisirten Gebilden, auch in den einfachsten Organismen, und geh\u00f6rt nothwendig zu ihrem Bestand. Das alkalisch reagirende Natronsalz ist von Bedeutung f\u00fcr die Vorg\u00e4nge im Blut und den S\u00e4ften2 3; es ist das L\u00f6sungsmittel f\u00fcr manche Eiweissstoffe, f\u00fcr Harns\u00e4ure u. s. w. Sie sind in den Organen und S\u00e4ften neben den Chloralkalien in gr\u00f6sster Menge enthalten, und die stetigen Begleiter der ei weissartigen Substanzen, zu denen sie in enger Beziehung stehen.\nIn den vegetabilischen und animalischen Nahrungsmitteln sind sie gew\u00f6hnlich in gen\u00fcgender Menge vorhanden, um den Verlust an Alkaliphosphat vom K\u00f6rper zu verh\u00fcten; es ist aber noch nicht bekannt, wieviel man zu diesem Zwecke zuf\u00fchren muss. Die Ausscheidung der Phosphors\u00e4ure beim Hunger ist wesentlich gr\u00f6sser als die des Chlornatriums (nach E. Bischoff 3 beim Hund t\u00e4glich im Mittel 1.1 Grm. im Harn gegen 0.2\u20140.3 Grm. Kochsalz), da beim Hunger vorz\u00fcglich die das phospliors^ure Kali im Ueberschuss enthaltenden Muskeln und weniger die kochsalzreichen S\u00e4fte an Masse abnehmen. Nach den fr\u00fcheren Betrachtungen ist es leicht erkl\u00e4rlich, warum bei reichlicher Zufuhr von phosphorsauren Alkalien z. B. in gr\u00f6sseren Portionen von reinem Fleisch, sehr viel von ihnen im Harn erscheint und die Menge der aufgenommenen Phosphors\u00e4ure genau der ausgeschiedenen entspricht; so hat z. B. E. Bischoff nach F\u00fctterung des Hundes mit 2000 Grm. Fleisch (mit 8.90 Grm. Phosphors\u00e4ure) 8.85 Grm. Phosphors\u00e4ure in den Exkreten aufgefunden.\nUeber die Rolle der phosphorsauren Alkalien im Thierk\u00f6rper geben die Versuche von Kemmerich4 einigen Aufschluss. Er reichte jungen, 6 Wochen alten Hunden die der Hauptmasse ihrer Salze beraubten Fleiscli-riickst\u00e4nde, dem einen mit Zusatz der Fleischsalze, dem andern mit Zusatz von Kochsalz. Nach 26 Tagen war das erstere Thier viel schwerer als das letztere, das zwar an K\u00f6rpergewicht etwas zugenommen hatte,\n1\tSiehe hier\u00fcber S. 79.\n2\tMan schrieb fr\u00fcher, nach den Untersuchungen von Chevreul (1825) \u00fcber die Wirkung des Sauerstoffs auf organische Substanzen, den alkalischen S\u00e4ften die Bedeutung zu, die Oxydationsprocesse im K\u00f6rper zu erm\u00f6glichen. Man glaubte deshalb, die Aufnahme von Alkali vermehre die Harnstoff- und Kohlens\u00e4ureausscheidung (Mialhe).\n3\tE. Bischoff, Ztschr. f. Biologie. III. S. 321. 1867. Nach ihm werden etwa 7 0 o der Phosphors\u00e4ure im Koth ausgeschieden.\n4\tKemmerich, Arch. f. d. ges. Physiol. II. S. 75. \u2014 Siehe hier\u00fcber : Voit. Sitzgs.-Ber. d.bayr. Acad. II. (4) S. 18. 1869 u. J. Forster, Ztschr. f. Biologie. IX. S. 313.1873.","page":370},{"file":"p0371.txt","language":"de","ocr_de":"Anorganische Nahrungsstoffe : Die Aschebestandtheile. Alkalische Erden.\t371\naber sich im kl\u00e4glichsten Zustand befand, so dass es kaum mehr gehen konnte und meist gleichg\u00fcltig und theilnahmlos in einem Winkel lag.\nMan k\u00f6nnte daraus schliessen wollen, der mit Zusatz der Fleischasche gef\u00fctterte Hund habe die zum Wachsthum seiner Organe n\u00f6thigen Aschebestandtheile gehabt, welche dem Kochsalzhund fehlten. Jedoch beobachtete Kemmerich, als er dem letzteren Hund danach die Fleischasche zu den Fleisclir\u00fcckst\u00e4nden gab und dem ersteren das Kochsalz, dass allerdings der jetzige Kochsalzhund weniger an Gewicht gewann, er nahm aber doch in 32 Tagen um 530 Grm. zu. Nach den Resultaten Forster\u2019s bei v\u00f6lligem Aschehunger m\u00fcsste die Zunahme des K\u00f6rpergewichts bei beiden Hunden die gleiche sein, nur m\u00fcssten beim Kochsalzhund nach einiger Zeit die Symptome des Aschemangels auftreten. Der st\u00e4rkere Ansatz des mit den Fleischsalzen gef\u00fctterten Hundes wird noch bedenklicher durch eine andere Beobachtung Kemmerich\u2019s. Er hatte n\u00e4mlich zur Fleischasche immer noch etwas Kochsalz hinzugemischt ; liess er dieses weg, so machten die Fleischsalze keine Gewichtszunahme mehr und das Thier verhielt sich, was die Gewichtszunahme betrifft, wie wenn es nur Kochsalz erhalten h\u00e4tte. Daraus geht hervor, dass das Kochsalz mit den Fleischsalzen wohl einen gr\u00f6sseren Ansatz bedingt, aber nur dadurch, dass das Thier dabei den Appetit erhielt, mehr von den Fleischr\u00fcckst\u00e4nden zu verzehren.\nAus den Kochsalzversuchen Kemmerich\u2019s ist jedoch zu entnehmen, dass das Fehlen des phosphorsauren Kalis pathologische Erscheinungen und schliesslich den Tod des Thieres nach sich zieht. Ein Theil der von Forster beim Gesammtaschehunger beobachteten Erscheinungen ist sicherlich auf das Fehlen des Kaliumphosphats zur\u00fcckzuf\u00fchren; die Ausscheidung der phosphorsauren Alkalien war dabei nie aufgehoben, wenn auch auf eine kleine Menge reducirt.* 1\nB) Die alkalischen Erden.\nDie Verbindungen von Kalk und Magnesia mit Phosphors\u00e4ure finden sich in allen organisirten Theilen und sie scheinen f\u00fcr die Constitution der geformten Gebilde ebenfalls unentbehrlich zu sein.'2 Sie sind darin in n\u00e4herer Verbindung mit organischen Stoffen, wahrscheinlich mit den eiweissartigen. Auch in den S\u00e4ften kommen sie vor, wohl ebenfalls in gewisser Beziehung zu dem Eiweiss stehend.3\nDie beiden alkalischen Erden kommen stets mit einander vor;\n\u2022\n1\tUeber die Entziehung von Alkalien aus dem K\u00f6rper siehe: Eylandt, Diss. inaug. Dorpat 1854; Wilde, Diss. inaug. Dorpat 1855; Miquel, Arch. f. Heilk. 1851 ; E. Salkowski, Arch. f. path. Anat. LVIII. S. 1. u. 460. 1873 (durch Taurin und S\u00e4uren beim Kaninchen); GIhtgens, Centralbl. f. med. Wiss. 1872. No. 53 u. Ztschr. f. phys. Chem. IV. S. 35.1880 (durch Schwefels\u00e4ure beim Hund) ; Adamkiewicz, Arch. f. Physiol. 1879. S. 370 (durch Salmiak beim Menschen); Walter, Arch. f. exper. Path. u. Pharm. VIL S. 148. 1877 (durch Salzs\u00e4ure u. Phosphors\u00e4ure am Kaninchen und Hund ; Lassar, Arch. f. d. ges. Physiol. IX. S. 44. 1874 (durch Schwefels\u00e4ure am Kaninchen, der Katze, dem Hunde und dem Schaf).\n2\tC. Schmidt, Zur vergl. Physiol, d. wirbellosen Thiere. S. 44 u. 45. 1845.\n3\tBeim Gerinnen des Faserstoffs im Blut oder des Kaseins der Milch durch\n24*","page":371},{"file":"p0372.txt","language":"de","ocr_de":"372 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\nin den meisten Geweben und S\u00e4ften ist der Kalk in gr\u00f6sserer Menge vorhanden wie die Magnesia, in den Muskeln ist jedoch auffallender Weise die letztere vorherrschend. Die weitaus gr\u00f6sste Masse der beiden Verbindungen ist in den Knochen abgelagert. Im K\u00f6rper eines Hundes von 3.8 Kilo Gewicht findet man nach Heiss* 1 etwa 126.7 Grm. Kalk und 3.1 Grm. Magnesia; davon sind in den Knochen 126.2 Grm. = 99.5 \u00b0/o des Kalks und 2.2 Grm. = 71 % der Magnesia enthalten. Da (nach S. 353) 83 \u00b0/o der Gesammtasche des K\u00f6rpers auf die Knochen treffen, so bilden die Phosphate der alkalischen Erden den \u00fcberwiegend gr\u00f6ssten Theil der Aschebestandtheile.\nAus dem K\u00f6rper der h\u00f6heren Thiere und des Menschen werden best\u00e4ndig phosphorsaure alkalische Erden ausgeschieden, es muss daher in der Nahrung f\u00fcr sie gesorgt sein. Die Ausscheidung derselben erfolgt in dem Harn und Koth, nur kleine Mengen gehen durch die Haare und Epidermisschuppen verloren.\nBei dem Fleischfresser wird, wenn er reines Fleisch mit Fett als Futter erh\u00e4lt, der Haupttheil der Magnesia im Harn, der des Kalks im Koth entfernt. Der von E. Heiss untersuchte kleine Hund schied in 308 Tagen aus:\nKalk\t\tMagnesia\nGrm.\t%\tGrm.\t\u00b0/o\nim Harn 3.73\t27\t12.63\t65\nim Koth 9.99\t73\t6.87\t35\n13.72\t100\t19.50 100\nIm verzehrten Fleisch und Speck nahm das Thier 13.21 Grm. Kalk und 20.69 Grm. Magnesia auf; im Koth befand sich also mehr Kalk, obwohl im verzehrten Fleisch mehr Magnesia enthalten war.2\nNoch ungleich weniger Kalk und Magnesia findet sich bekanntlich im Harn der Pflanzenfresser (Grasfresser) vor, der bei der Abscheidung durch freie Kohlens\u00e4ure neutral oder schwach sauer ist ] und nach einigem Stehen alkalisch wird. Hier ist der Gehalt des Harns an phosphorsauren alkalischen Erden und an Phosphors\u00e4ure\nLab f\u00e4llt phosphorsaurer Kalk mit heraus. Wenn sich auch Kalk und Magnesia durch Ammoniumoxalat und Ammoniak mit phosphorsaurem Natron aus dem Serum v\u00f6llig ausf\u00e4llen lassen, so ist damit eine Bindung der alkalischen Erden an Eiweiss nicht widerlegt, sie kann so locker sein, dass sie leicht zersetzt wird.\n1\tHeiss, Ztschr. f. Biologie. XIT. S. 151. 1876.\n2\tAehn\u00fcche Zahlen hat Bertram (Ztschr. f. Biologie. XIV. S. 336. 1878) f\u00fcr den Menschen bei vorwiegender Fleischkost gefunden; auf 100 Theile der in der Nahrung enthaltenen alkalischen Erden fanden sich:\nKalk im Harn .\t.\t. 43.3 Theile\nMagnesia im Harn.\t.\t36.8\t\u201e\nKalk im Koth . .\t.\t60.4\t\u201e\nMagnesia im Koth .\t.\t58.6\t\u201e","page":372},{"file":"p0373.txt","language":"de","ocr_de":"Anorganische Nahrungsstoffe : Die Aschebestandtheile. Alkalische Erden. 373\nf\u00fcr gew\u00f6hnlich minimal.1 Auf 100 Theile der aufgenommenen alka-\nKalk im Harn . Magnesia im Harn Kalk im Koth . Magnesia im Koth\n\tmilchgeb.\tZiegen-\nHammel2\tZiege3\tbock4\n4.7\t\u2014\t5.1\n25.5\t\u2014\t29.3\n. 110.8\t94.1\t96.9\n82.1\t24.4\t63.6\nDarnach geht auch beim Pflanzenfresser ein gr\u00f6sserer Theil der Magnesia in den Harn \u00fcber, so dass der Koth relativ reicher an Kalk wird.5 6 Wenn beim Pflanzenfresser beim Hunger oder nach Aufnahme von animalischer Nahrung, z. B. von Milch, der Harn allm\u00e4hlich sauer wird, so enth\u00e4lt er wahrscheinlich mehr alkalische Erden.0\nMan k\u00f6nnte glauben, das Vorkommen der Erden im Koth r\u00fchre ausschliesslich von einer unvollst\u00e4ndigen Auslaugung derselben aus der Nahrung her. Dies ist aber nicht der Fall, denn die Sache verh\u00e4lt sich nicht anders beim Hunger, wo nach meiner Beobachtung ebenfalls Koth entleert wird. Derselbe ist sehr reich an Asche, die fast nur aus phosphorsauren alkalischen Erden besteht. Mein Versuchshund von 33.8 Kilo Gewicht lieferte beim Hunger im Tag 1.88 Grm. trockenen Koth mit 0.36 Grm. Asche, welche 39.1 % Kalk und 5.9 % Magnesia enthielt. Es kann daher nicht zweifelhaft sein, dass auch bei stark sauer reagirendem Harn eine betr\u00e4chtliche Menge von Kalk und auch von Magnesia aus den S\u00e4ften in den Darm ausgeschieden wird. In noch h\u00f6herem Grade ist dies der Fall bei den Grasfressern, deren Harn nur Spuren von alkalischen Erden aufnehmen kann, weshalb schon Liebig7 \u00e4usserte, dass beim Pflanzenfresser der Darm die Stelle der Niere \u00fcbernehme. Ob die aus den S\u00e4ften stammenden alkalischen Erden von dem nicht resorbirten Theil\n1\tIm Pflanzenfresserharn sind nur Spuren von Phosphors\u00e4ure: Boussin-gault, M\u00e9m. d. chim. XXII. p. 169; Henneberg u. Stohmann, Beitr. I. S. 11 i ; Knop, Lehrb. d. Agrikulturchemie. S. 856; Henneberg, Neue Beitr. I. S. 121; Stohmann, Biologische Studien. S. 148.\n2\tHenneberg, Neue Beitr. S. 230; bei F\u00fctterung mit Wiesenheu.\n3\tStohmann, Biolog. Studien. S. 150. In der Milch waren 9.1 \u00b0/o des Kalks und 1.1 \u00b0/o der Magnesia.\n4\tBertram, Ztschr. f. Biologie. XIV. S. 336.1878.\n5\tDie Angabe von Lehmann (Lehrb. d. physiol. Chem. I. S. 398. 1853), dass wegen des gr\u00f6sseren Kalkbedarfs im Darme fast aller Kalk, aber nur sehr wenig Magnesia absorbirt werde, weil in den Exkrementen der pflanzenfressenden und fleischfressenden Thiere ein Ueberschuss von Magnesia sich finde, kann demnach, wenigstens im Allgemeinen, nicht richtig sein. Schon bei Berzelius (Lehrb. d. Chem. IX. S. 345. 184't) findet sich eine \u00e4hnliche Mittheilung.\n6\tSiehe hier\u00fcber: J. Lehmann, Landw. Versuchsstationen. I. S. 68. 1859. \u2014 Grouven, Zweiter Bericht u. s. w. 1864. S. 150. \u2014 Weiske, Ztschr. f. Biologie. VIII. S. 246. 1872. \u2014 Bertram a. a. O.\n7\tLiebig, Chem. Briefe. 4. Aufl. IL S. 116.","page":373},{"file":"p0374.txt","language":"de","ocr_de":"374 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\nder Verdauungss\u00e4fte herr\u00fcliren oder die Ausscheidung auf andere Weise an der Darmoberfl\u00e4che geschieht, muss noch untersucht werden.\nObwohl die phosphorsauren alkalischen Erden den weitaus gr\u00f6ssten Theil der Aschebestandtheile des K\u00f6rpers der Wirbelthiere ausmachen, so treten sie doch in den Exkreten gegen\u00fcber den \u00fcbrigen Asckebestandtheilen/ selbst beim Hunger, sehr zur\u00fcck, da sie bis auf geringe Mengen im Knochen gebunden sind.\nUeber die Gr\u00f6sse des Bedarfs an alkalischen Erden in der Nahrung k\u00f6nnen selbstverst\u00e4ndlich nur Versuche am Thier entscheiden. Wegen der grossen Quantit\u00e4t von Kalk in den Knochen hat man die Frage meist so gestellt: wieviel muss man Kalk zuf\u00fchren, um das Skelett zu erhalten, und welche Erscheinungen treten an demselben ein, wenn ein kalkarmes oder kalkfreies Futter gegeben wird?\nChossat1 hat zuerst angegeben, dass Tauben nach l\u00e4ngerer F\u00fct- i terung mit gewaschenen Weizenk\u00f6rnern und destillirtem Wasser Knochenbr\u00fcchigkeit bekommen. Sp\u00e4tere Forscher waren nicht im Stande Chossat\u2019s Beobachtungen an den Tauben zu best\u00e4tigen; man zweifelte daher an der Richtigkeit derselben. Im Laufe der Zeit wurden jedoch mancherlei Angaben \u00fcber Knochenerkrankungen bei Tliie-ren gemacht, welche ein kalkarmes Futter z. B. schlechtes Heu, weiche Tr\u00e4nkwasser u. s. w. bekommen hatten. In Folge davon leiteten die Meisten, allerdings unter dem Widerspruch von mancher * Seite, die Knochenerkrankungen Rhachitis und Ost\u00e9omalacie von einem zu geringen Gehalt an Kalk in der Nahrung ab. Es war aber nicht gelungen, diese Anschauung durch das Experiment zu beweisen.\nEs sind bei zu geringer Zufuhr der alkalischen Erden verschiedene Erfolge m\u00f6glich. Der K\u00f6rper k\u00f6nnte erstens allm\u00e4hlich Erd-salze verlieren, zun\u00e4chst aus dem Blute und dann aus den \u00fcbrigen Organen ; die Knochen, als Haupttr\u00e4ger des Kalks, k\u00f6nnten den anderen Organen wieder Ersatz liefern und dadurch allm\u00e4hlich so viel j Kalk einbiissen, dass tiefgreifende Aenderungen an ihnen vor sich gehen. Es k\u00f6nnten aber auch zweitens die Knochen den Kalk fester halten als die \u00fcbrigen Organe, dann w\u00fcrden letztere bei Kalkmangel an Kalk rasch verarmen und das Leben gef\u00e4hrdende St\u00f6rungen auf- ] treten, ohne dass man an den Knochen irgend eine Erkrankung wahrnimmt; in diesem Falle k\u00f6nnte der Tod erfolgen entweder ohne besondere weitere Ver\u00e4nderung der Organe oder unter Abmagerung und Zerfall derselben, wenn der Kalk zu ihrem Zusammenhalt absolut nothwendig w\u00e4re.\n1 Chossat, Compt. rend. XIV. p. 451. 1S42; Gaz. m\u00e9d. 1842. p. 208.","page":374},{"file":"p0375.txt","language":"de","ocr_de":"Anorganische Nahrungsstoffe: Die Aschebestandtheile. Alkalische Erden. 375\nNach Chossat\u2019s Versuchen w\u00e4re die erste Ansicht die richtige ; jedoch vertrat schon fr\u00fcher Alph. Milne Edwards1 die zweite; denn bei einer Wiederholung der CHOSSAT\u2019scken Versuche, wobei junge Tauben w\u00e4hrend 34/2 Monaten kalkarmes Futter erhielten, bekamen die Thiere Diarrh\u00f6en, verfielen und zeigten zwar ein etwas geringeres Gewicht der Knochen, jedoch keine abnorme Zusammensetzung derselben. In neuerer Zeit vertkeidigte vorz\u00fcglich Weiske2 die zweite Anschauung. Nach ihm wurde eine ausgewachsene Ziege, welche mit einem Gemenge von mit S\u00e4ure ausgezogenem Strohh\u00e4cksel, Kasein, Zucker, St\u00e4rkemehl und Kochsalz unter Zusatz von destil-lirtern Wasser gef\u00fcttert worden war, von Tag zu Tag magerer, sie konnte zuletzt nur m\u00fchsam aufstehen, sich kaum aufrecht erhalten und ging am 50sten Tage zu Grunde. Die Knochen boten aber weder in der Ge^ammtasche noch in den einzelnen Bestandtheilen eine Abweichung vom Normalen dar. Da das Thier 63.8 Grm. Kalk ohne Aenderung der Zusammensetzung der Knochen einb\u00fcsste, so sollen nach Weiske die \u00fcbrigen Organe diese Kalkmenge abgeben und deshalb aufh\u00f6ren zu funktioniren.\nEs ist aber durch J. Forster3 und durch Erwin Voit4 dar-gethan worden, dass die Thiere Weiske\u2019s an Inanition, welche die Abnahme der Organe bedingte, zu Grunde gegangen sind, entweder wegen zu geringer Zufuhr von Eiweiss oder von stickstofffreien Stoffen; die Thiere verlieren n\u00e4mlich bald den Geschmack an dem ungewohnten Futter und nehmen es freiwillig nicht mehr auf. Bei solchen Versuchen ist es aber unumg\u00e4nglich n\u00f6thig, dem Thiere alle \u00fcbrigen Nahrungsstoffe in der geh\u00f6rigen Quantit\u00e4t beizubringen. Es ist durch die Versuche der Genannten, im Gegensatz zu denen Weiske\u2019s, sicher gestellt, dass in diesem Falle sowohl bei Gesammt-aschehunger als auch bei einseitigem Kalkhunger die Thiere nicht an Gewicht einb\u00fcssen und sich im Uebrigen vollkommen erhalten, ja dass junge, noch wachsende Thiere (Hunde und Tauben) an Masse zunehmen. E. Voit hat ferner bei l\u00e4ngerem Kalkmangel Ver\u00e4nderungen an den Knochen auftreten sehen, in Folge deren \u00a3ie Thiere zu Grunde gehen, und nicht an Kalkmangel der anderen Organe, denen von dem grossen Kalkreservoir, den Knochen, immer noch Kalk geliefert wird.\n1\tMilne-Edwards, Compt. rend. LII. p. 1327. 1S61 ; Ann. d. scienc. natur Zool (4) XIII. p. 113.\n2\tWeiske , Ztschr. f. Biologie. YII. S. 179 u. 333. 1S71. YIII. S 239 1872 IX\nS. 541. 1873, X. S. 410. 1874.\t'\t\u2019\n3\tJ. Forster, Ztschr. f. Biologie. IX. S. 369. 1873.\n4\tE. Yoit, Ebenda. XYI. S. 62. 1880.","page":375},{"file":"p0376.txt","language":"de","ocr_de":"37 6 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\nMan muss dabei unterscheiden zwischen den noch wachsenden und den schon ausgewachsenen Organismen ; erstere haben zur Ausbildung und zum Wachsthum ihres Skelettes mehr Kalk n\u00f6thig als die letzteren, welche den schon erlangten Kalkgehalt nur zu erhalten brauchen.\nAn noch wachsenden Thieren zeigen sich bei Kalkmangel nach einiger Zeit alle Erscheinungen der Rhachitis in hohem Maasse, und zwar um so fr\u00fcher je weniger Kalk gegeben wird und je gr\u00f6sser das Kalkbed\u00fcrfniss ist. Dies ist vor allem der Fall bei jungen Thieren grosser Race, welche rasch wachsen. Hierher geh\u00f6ren die Beobachtungen mancher fr\u00fcherer Forscher, namentlich F. Roloff\u2019s1; welcher bei jungen Hunden und jungen Schweinen nach kalkarmem Futter regelm\u00e4ssig Knochenerkrankungen constatiren konnte.\nBei jungen Hunden tritt nach F. Voit bei F\u00fctterung mit einer im Uebrigen ausreichenden Menge von Fleisch unter Zusatz von Fett Rhachitis auf; bei einem Hunde kleiner Race nach etwa 100 Tagen, von wo ab die Ver\u00e4nderungen bis zum 162sten Tage sich immer mehr und mehr steigern, bei einem Hunde grosser Race schon nach 29 Tagen.2 Die Thiere fangen an sich langsamer zu bewegen und \u00e4ussern bei den Bewegungen, sp\u00e4ter auch beim Liegen Schmerzen; die Gelenke an den Extremit\u00e4ten und Rippenknorpeln zeigen Anschwellungen, die Extremit\u00e4ten verkr\u00fcmmen sich nach Aussen, die Wirbels\u00e4ule nach Unten, der Schulterg\u00fcrtel sinkt ein, der Brustumfang ist breit, das Becken schmal, die Z\u00e4hne bleiben klein und lockern sich; schliesslich kann das j\u00e4mmerlich verbildete Thier nicht mehr laufen und den K\u00e4fig nicht mehr ohne Hilfe verlassen. Bei der Sektion zeigen sich alle Organe normal, nur die Knochen bieten alle Merkmale der rhachitischen Erkrankung in h\u00f6chst charakteristischer Weise dar: es fehlt die normale Verkn\u00f6cherung des Skeletts, die Knochen sind m\u00fcrbe und zum Theil geknickt, die platten Knochen erscheinen d\u00fcnner, jedoch besitzen alle die n\u00e4mlichen L\u00e4ngedimensionen wie die eines normal gef\u00fctterten Thieres und haben betr\u00e4chtlich an Gewicht zugenommen. Die Rhachitis ist bekanntlich ein pathologischer Process im wachsenden Skelett, an den Theilen, welche das Knochenwachsthum zu Stande bringen, n\u00e4mlich am Periost und Epiphysenknorpel ; sie ist ein entz\u00fcndlicher\n1\tF. Roloff, Arch. f. path. Anat. XXXVII. 1866 ; Arch. f. wiss. u. prakt. Thier-heilk. I. S. 189. 1875, IV. S. 152. Ziegen und Schafl\u00e4mmer frassen das kalkarme Futter nicht auf die Dauer und verhungerten eher hei voller Krippe. \u2014 Siehe auch : Dusart, fr\u00e8res, Gaz. m\u00e9d. de Paris, p. 61. 1874.\n2\tBei jungen, 3 Wochen alten Tauben beginnen bei F\u00fctterung mit abgeschwemmtem Weizen und destillirtem Wasser nach etwa 34 Tagen krankhafte Erscheinungen sich zu zeigen, jedoch nimmt man zu diesem Zeitpunkt noch keine pathologischen Ver\u00e4nderungen der Knochen wahr.","page":376},{"file":"p0377.txt","language":"de","ocr_de":"Anorganische Nahrungsstoffe : Die Aschebestandtheile. Alkalische Erden. o7i\nZustand, vorz\u00fcglich an den th\u00e4tigen Knochen, an denen die Muskelbewegungen sekund\u00e4r Verbiegungen und Br\u00fcche hervorbringen, wobei an den wachsenden Theilen eine Ueberproduktion von Zellen mit Aussetzen der Verkn\u00f6cherung stattfindet1. Dazu gesellen sich noch Erscheinungen von Seite der Nervencentralorgane: Theilnahmslosig-keit und Stumpfheit gegen\u00fcber den \u00e4usseren Eindr\u00fccken.\nDie Knochen des kalkarm gef\u00fctterten Hundes haben einen h\u00f6heren Wassergehalt; das ganze Skelett des Thieres besitzt wegen der Ar-mutli an Knochenerde im trockenen Zustande ein geringeres Cfewicht als das eines unter Zusatz von Kalk gef\u00fctterten \\ ergleickskundes. Das trockene Skelett hatte aber an Masse w\u00e4hrend der Aufnahme der kalkarmen Nahrung zugenommen.\nDer Gehalt der Organe des kalkarm ern\u00e4hrten Hundes an Kalk ist geringer als der gleichaltriger Hunde. Das Blut junger wachsender normaler Thiere ist merkw\u00fcrdiger Weise sehr reich an Kalk, reicher als das \u00e4lterer Thiere, w\u00e4hrend in den \u00fcbrigen Organen der Kalkgehalt mit dem Alter meist zunimmt; bei den jungen, rkackitiscken Hunden ist die Kalkmenge des Blutes immer noch etwas h\u00f6her wie bei ausgewachsenen normalen Hunden. Obwohl aber der prozentige Kalkgehalt der Knochen ein geringerer ist als normal, so hat doch die absolute Kalkmenge der Knochen und der Organe bei dem kalkarmen Futter nicht abgenommen, sondern sogar etwas zugenommen.2 Es handelt sich demnach bei den wachsenden, kalkarm ern\u00e4hrten Thieren und der Rhachitis nicht um die Entziehung des in den Knochen vorhandenen Kalkes, sondern um eine Nichtablagerung von Kalk neben normal vor sich gehendem Wachsthum des organischen Theiles des Skeletts.\nMan war fr\u00fcher geneigt die Rhachitis von einer Entziehung der Knochenerde durch S\u00e4uren, namentlich durch Milchs\u00e4ure abzuleiten (Marchand 3 4). Dem entsprechend wollte C. Heitzmann 4 bei verschiedenen Thieren durch Beibringung von Milchs\u00e4ure Knochenkrankheiten erzeugt haben; E. Heiss5 that aber dar, dass ein H\u00fcndchen von 3.8 Kilo Gewicht, dem er w\u00e4hrend 308 Tagen zu seinem Futter 4\u20149 Grm. Milchs\u00e4ure gab, ebensoviel Kalk und Magnesia in Harn und Kotli ausschied, als es auf-\n1\tOst\u00e9omalacie und Osteoporose (Atrophie), sind von der Rhachitis ganz verschiedene Pro cesse und streng von ihr zu scheiden.\n2\tHeiberg (Bidrag tit Laren om Stofskiftet, Afhandling for Doctorgraden i Me-dicinen. Kj\u00f6benhavn 1869, siehe Panum, Canstatt\u2019s Jahresber. 1869. S. 81) sah das Skelett junger Hunde selbst bei Inanition oder F\u00fctterung mit Fett und Butter (und destillirtem Wasser) an Gewicht zunehmen. Die Menge der Kalksalze im Knochen war geringer, die des Wassers gr\u00f6sser geworden. Er l\u00e4sst daher das Knochengewebe auf Kosten der \u00fcbrigen Gewebe ern\u00e4hrt werden.\n3\tMarchand, Journ. f. prakt. Chemie. XXVII. S. 93. 1842.\n4\tC. Heitzmann, Wiener med. Presse. 1873. S. 1035.\n5\tE. Heiss, Ztschr. f. Biologie. XII. S. 151. 1876.","page":377},{"file":"p0378.txt","language":"de","ocr_de":"878 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\ngenommen hatte und ganz normale Knochen besass. Neuerdings geben Siedamgrotzky und Hofmeister1 2 an, bei Pflanzenfressern nach l\u00e4ngerer Aufnahme von Milchs\u00e4ure einen deutlich l\u00f6senden Einfluss auf die Knochen wahrgenommen zu haben; es fragt sich aber, ob es sich dabei um eine direkte Wirkung der S\u00e4ure handelt. Es k\u00f6nnen n\u00e4mlich ebenso wie durch Kalkarmuth in der Kost die Erscheinungen des Kalkmangels im K\u00f6rper auch bei normaler Kalkzufuhr hervorgerufen werden, wenn in Folge von Verdauungsst\u00f6rungen oder Diarrh\u00f6en oder von Aufnahme viel Kotli erzeugender Nahrungsmittel nur wenig Kalk im Darme resor-birt wird. Darum bleibt von zwei Kindern, welche beide qualitativ und quantitativ ganz die gleiche Nahrung empfangen, das eine gesund, das andere aber wird rhachitiscli. Bei Entziehung der Knochenerde durch eine S\u00e4ure m\u00fcsste sich im Harn rhachitischer Kinder viel Kalk finden, wie es auch Marchand angab; bei Kalkmangel in der Nahrung oder schlechter Ausn\u00fctzung im Darme dagegen wenig, wof\u00fcr die Erfahrungen von Seemann 2 sprechen.\nDas Kalkbed\u00fcrfniss des noch wachsenden Thiers ist trotzdem kein sehr grosses. Ich stelle einige Zahlenangaben hier\u00fcber zusammen :\njunges Thier\tGewicht in Kilo\tAlter\tKalkbedarf im Tag\nHund kleiner Race\t1.5\u20142.8\t\t0.128\nHund grosser Race\t3.2\u20144.5\t\u2014\t0.769\nTaube3\t\t0.157\u20140.228\t\u2014\t0.039\nSchwein4 .\t.\t.\t.\t25.6\u201496.2\t60 \u2014 126 Tage\t1.72\nSchwein5 .\t.\t.\t.\t\u2014\t1\u2014240 Tage\t2.80\nSchwein ....\t\u2014\t8\u2014 11 Monate\t1.70\nSaugkalb6. .\t.\t.\t50.0\t2\u2014 3 Wochen\t14.5\nKalb7\t.\t. .\t.\t\u2014\t5 Monate\t10.0\nKalb8\t.\t.\t.\t.\t\u2014\t5 Monate\t13.5\nKind, S\u00e4ugling .\t.\t\terstes Lebensjahr\t0.32\nWie man ersieht, ist der Bedarf des jungen Wirbelthiers an Kalk sehr ungleich und es ist noch nicht m\u00f6glich eine bestimmte Regel aufzustellen; die Zufuhr muss verschieden sein je nach dem Gewicht des Thiers, der Masse seiner Knochen, der jeweiligen Wachsthumsgr\u00f6sse, der Art der Nahrung und der Ausn\u00fctzbarkeit derselben im\n1\tSiedamgrotzky u. Hofmeister, Arch. f. Thierkeilk. 1879. S. 243; Centralbl f. d. med. Wiss. XVII. S. 792.\n2\tSeemann, Arch. f. pathol. Anat. LXXVII. S. 299. \u2014 Siehe auch A. Baginsky, Ver\u00f6ffentl. d. Ges. f. Heilk. in Berlin. IL S. 178. 1879.\n3\tE. Voit, Ztschr. f. Biologie. XVI. S. 107. 1880.\n4\tJ. Lehmann, Ztschr. d. landw. Vereins in Bayern. 1873. Decemberheft.\n5\tB ous sing Aul t, Ann. d. chim. etphys. (3) XIV. p. 419. 1845.\n6\tSoxhlet, Erster Bericht \u00fcb. Arbeiten d. k. k. landw. Versuchsstation in Wien 1870\u20141877.\n7\tJ. Lehmann, Mittheil. d. landw. Kreisvereins f. d. Oberlausitz. III. S. 129. I860.\n8\tWeiske, Journ. f. Landw. 21. Jahrg. Heft 2. S. 142.","page":378},{"file":"p0379.txt","language":"de","ocr_de":"Anorganische Nahrungsstoffe : Die Aschebestandtheile. Alkalische Erden. 379\nDarin. Der junge Hund gr\u00f6sserer Race hatte verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig viel mehr Kalk n\u00f6thig als der kleinerer Race; in reinem Fleisch und Fett vermag man einem wachsenden Fleischfresser grosser und kleiner Race nicht gen\u00fcgend Kalk zuzuf\u00fchren, w\u00e4hrend kleine ausgewachsene Hunde sich damit auf die Dauer v\u00f6llig erhalten. Der menschliche S\u00e4ugling bedarf im ersten Lebensjahre t\u00e4glich etwa 0.32 Grm. Kalk nur f\u00fcr das Wachsthum der Knochen; in der getrunkenen Milch befinden sich 0.55\u20142.37 Grm., so dass leicht Mangel an Kalk ein-tritt, wenn die Ausnutzung im Darme eine ung\u00fcnstige ist.\nGanz anders sind die Verh\u00e4ltnisse beim ausgewachsenen Thier, wenn es nur gilt, den an den Erdphosphaten erlittenen Verlust zu decken, ohne einen Ansatz derselben zu bewirken. Hier ist der Bedarf sehr gering, da bei voller Zufuhr der organischen Nahrungsstoffe nur wenig von den alkalischen Erden verloren geht. Nach dem Versuche von E. Heiss erh\u00e4lt sich ein 3.8 Kilo schwerer Hund mit 0.043 Grm. Kalk im t\u00e4glichen Futter (150 Grm. Fleisch und 20 Grm. Fett) dauernd auf seinem Kalkbestande. Ein Hund gr\u00f6sserer Race, z. B. von 38 Kilo, hat zu seiner Erhaltung nicht 1500 Grm. Fleisch und 200 Grm. Fett n\u00f6thig, er reicht vielmehr mit 500 Grm. Fleisch und 130 Grm. Fett aus, worin aber nicht gen\u00fcgend Kalk f\u00fcr das grosse Thier vorhanden ist, so dass es Tag f\u00fcr Tag Kalk von seinem K\u00f6rper abgiebt.1 Es entsteht hierdurch jedoch nicht Rhachitis oder Ost\u00e9omalacie, sondern einfache Atrophie des Knochens, Osteoporose, ohne weitere pathologische Ver\u00e4nderungen desselben.\nIn diese Kategorie geh\u00f6ren die vorher erw\u00e4hnten Versuche von Chossat, der bei mit Weizenk\u00f6rnern gef\u00fctterten Tauben nach 10 Monaten eine Zerbrechlichkeit der Knochen eintreten sah. Ich 2 habe diese Versuche wiederholt und zwei gleichalterige ausgewachsene Tauben, die eine mit gewaschenen Weizenk\u00f6rnern und destillirtem Wasser, die andere mit Weizenk\u00f6rnern und unserem kalkreichen Trinkwasser, dem noch St\u00fcckchen von kohlensaurem Kalk zugesetzt waren, ern\u00e4hrt. Nach einem Jahre waren noch keine Verschiedenheiten wahrzunehmen, beide Thiere befanden sich in sehr gutem Er-\n1\tSchon J. F\u00f6rster (Zeitschr. f. Biologie. IX. S. 297 u. 464. 1873) hat die Abnahme des Kalks der Knochen bei Aschehunger dargethan. Auch Perl (Arch, f. path. Anat. LXXIV. S. 54. 1878) giebt an, dass ein 22 Kilo schwerer Hund bei F\u00fctterung mit 450 Grm. Fleisch und 70 Grm. Speck (unter Zusatz von destillirtem Wasser), obwohl er sich im Stickstoffgleichgewicht befand, doch mehr Kalk ausschied, als er in der Nahrung erhielt.\n2\tVoit, Amtl. Ber. d. 50. Vers, deutsch. Naturf. u. Aerzte in M\u00fcnchen. 1877. S. 243. \u2014 Budge (Deutsche Klinik. 1858. No. 41) hat schon fr\u00fcher bei einem Huhn dem er w\u00e4hrend 9 Monaten ausschliesslich Mais und destillirtes Wasser gab die Beckenknochen und das Brustbein, jedoch nicht die anderen Knochen sehr\u2019ver-\n\u201e d\u00fcnnt gefunden.","page":379},{"file":"p0380.txt","language":"de","ocr_de":"380 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\nn\u00e4hrungszustande und hatten das gleiche K\u00f6rpergewicht; aber einige Monate sp\u00e4ter war bei der ersteren ohne andere St\u00f6rungen und ohne Abmagerung ein Fl\u00fcgelknochen gebrochen, und bei der Section zeigte sich in hohem Grade das, was man Osteoporose nennt. Die Knochen waren zum Theil ganz d\u00fcnn geworden und zwar im Gegens\u00e4tze zu dem Befunde bei den rhachitischen jungen Thieren vor Allem diejenigen Knochen, welche nicht oder in geringerem Grade durch Muskeln bewegt werden. Die Knochen hatten also nicht gleich-massig an Gewicht verloren; die der Extremit\u00e4ten waren nur wenig leichter geworden, das Brustbein und der Sch\u00e4del waren dagegen zu ganz d\u00fcnnen siebartigen Pl\u00e4ttchen zusammengeschrumpft. Da man nicht wohl annehmen kann, es werde von den ersteren weniger Kalk weggenommen, so ist nur die fr\u00fcher (S. 98. 312) schon ausgesprochene Vorstellung m\u00f6glich, dass die Knochen ziemlich gleichm\u00e4ssig Kalk verlieren, aber diejenigen, welche st\u00e4rker benutzt werden, den Kalk aus den S\u00e4ften wieder erg\u00e4nzen.\nBeim Hunger wird noch Kalk ausgeschieden, vorz\u00fcglich aus dem zerst\u00f6rten Organeiweiss stammend. Ein grosser hungernder Hund von 34 Kilo Gewicht scheidet im Mittel 0.074 Grm. Kalk im Harn und 0.14 Grm. Kalk im Koth aus.1 Vom hungernden Thier wird mehr Kalk abgegeben als bei Zufuhr von Ossein (siehe S. 305 u. 319) oder von aschefreier Nahrung, welche die Zersetzung des Organ-eiweisses verh\u00fcten. Aus dem schon S. 359 angegebenen Grunde muss man aber in der Nahrung mehr Kalk reichen als beim Kalkhunger und beim allgemeinen Hunger zu Verlust geht. Ein Theil des beim Hunger abgeschiedenen Kalks r\u00fchrt von den Knochen her, deren organische Grundlage dabei angegriffen wird wie das \u00fcbrige Gewebe, wodurch der darin abgelagerte Kalk frei wird.'2\nDie Art der Resorption des Kalks vom Darm aus in die S\u00e4fte ist noch nicht ganz aufgekl\u00e4rt. So viel ist sicher, dass der Kalk nur in geringer Menge in* die S\u00e4fte \u00fcbergeht, wenn auch viel davon in der Nahrung zur Verf\u00fcgung steht.\nMan dachte sich fr\u00fcher, die in Wasser l\u00f6slichen Kalksalze w\u00fcrden rasch in das Blut aufgenommen, die \u00fcbrigen leicht durch den sauren Magensaft gel\u00f6st und dann resorbirt. Jedoch werden alle gel\u00f6sten Kalksalze durch das alkalische Blutserum gef\u00e4llt, es kann also nur eine gewisse kleine Menge von Kalk, welche in Verbindung mit organischen Substanzen (wahrscheinlich mit Eiweiss3) ist und dadurch die F\u00e4higkeit\n1\tEtzinger, Ztschr. f. Biologie. X. S. 99. 1ST4.\n2\tVoit, Ztschr. f. Biologie. II. S. 355. 1866. \u2014 Weiske. Ebenda. X. S. 442. 1ST4.\n3\tA. P. Fokker. Arch. f. d. ges. Physiol. VU. S. 274. 1873.","page":380},{"file":"p0381.txt","language":"de","ocr_de":"Anorganische Nahrungsstoffe : Die Aschebestandtheile. Alkalische Erden. 381\nempf\u00e4ngt, in alkalischen Fl\u00fcssigkeiten gel\u00f6st zu bleiben, in den S\u00e4ften enthalten sein. Die mit dem Kalk meist ges\u00e4ttigten S\u00e4fte geben ihn an die bed\u00fcrftigen Knochen, Dr\u00fcsen und \u00fcbrigen Gewebe ab; nur dann, wenn die S\u00e4fte durch diese Abgabe Kalk verloren haben, kann neuer aus dem Darmkanal aufgenommen werden, so dass f\u00fcr gew\u00f6hnlich nur soviel Kalk aus dem Darme resorbirt wird, als f\u00fcr den K\u00f6rper n\u00f6thig ist. Ein noch wachsendes Thier, bei welchem die Knochen in gr\u00f6sserer Menge den Kalk aus den S\u00e4ften wegnehmen, resorbirt daher mehr Kalk aus dem Darme und n\u00fctzt hierin eine und dieselbe Nahrung besser aus; \u00e4hnlich ist es bei der Schwangerschaft. Ausgewachsene 4\u20145 j\u00e4hrige Hammel entleeren nach Henneberg 1 bei Heuf\u00fctterung 98.8 % der Phosphors\u00e4ure des Futters im Koth, junge 9 monatliche Tliiere nach Hohenheimer Versuchen nur 79.5 \u00b0/o. Das von Soxhlet untersuchte Saugkalb nahm den Kalk fast ganz (bis auf 2.7 \u00b0/o) aus der Milch auf, setzte aber auch 96.9 % davon im K\u00f6rper an (S. 361). Man sieht bei Hunden nach Aufnahme von Knochen keinen Kalk in den Harn \u00fcbergehen, da der K\u00f6rper dabei nur Spuren von Kalk verliert und kein Bed\u00fcrfniss danach hat. Darum wird auch von den zu der gew\u00f6hnlichen Nahrung gereichten Kalksalzen meist nur wenig resorbirt und im Harn ausgeschieden. Es ist m\u00f6glich, dass das Eiweiss der S\u00e4fte bei reichlicherer Zufuhr von Kalk etwas mehr davon bindet und dann dieser Kalk bei der Zerst\u00f6rung des Eiweisses in den Nieren wieder entfernt wird.1 2 3 4 Etwas anderes ist es, ob bei Zusatz von Kalksalzen zum Futter eines jungen Thiers mehr Kalk an den Knochen zur Ablagerung gebracht, also das Knochenwachsthum beg\u00fcnstigt werden kann. Einige hier\u00fcber angestellte Versuche scheinen daf\u00fcr zu sprechen. Ein f\u00fcnf Monate altes Kalb setzte nach J. Lehmann 3 bei dem gew\u00f6hnlichen Futter t\u00e4glich 10.4 Grm. Kalk am K\u00f6rper an; nach Zusatz von Erdphosphaten an 2 Tagen wurden t\u00e4glich 13.4 Grm. Kalk abgelagert; es ist jedoch m\u00f6glich, dass f\u00fcr diese beiden Tage der Kalk-gelialt des Kotlis zu niedrig angesetzt ist, da der auf sie treffende Koth mit dem Rest des Kalks gewiss nicht an den beiden Tagen, sondern erst sp\u00e4ter entleert wurde. Ein \u00e4hnliches Resultat haben Gohren 4 und Hofmeister5 bei L\u00e4mmern erhalten.\nDer Kalkgehalt der Nahrungsmittel giebt uns nach dem Gesagten keinen Aufschluss \u00fcber ihre Bef\u00e4higung den Kalkverlust vom\n1\tHenneberg, Neue Beitr. u. s. w. Heft 1. S. 230 ; Landw. Jahrb. II. S. 244. 1873 (Versuche aus Hohenheim).\n2\tHuenke, De phosphatum terreorum in urina quantitate. Diss. inaug. Berolini 1856 (nicht beweisend, nur procentige Angaben). \u2014 Neubauer, Journ. f. pract. Chenu LXVII. S. 65. 1856 (am Menschen, keine Vermehrung). \u2014 Riesell, Hoppe-Seyler\u2019s medic.-ehern. Unters. Heft 3. S. 319. 1868 (Vermehrung nach Aufnahme von Kreide). \u2014 Soborow, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1872. No. 39. S. 609 (beim Menschen sehr geringe Vermehrung nach Aufnahme von Kreide). -\u2014 Weisen, Journ. f. Landw. 1873. Heft 2. S. 139 (bei K\u00e4lbern Spuren von Kalk im Harn). \u2014 Studensky, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1872. No. 53. \u2014 Perl, Arch. f. path. Anat. LXXIV. S. 54. 1878 (beim Hund geringe V ermehrung).\n3\tJ. Lehmann, Ann. d. Chem. u. Pharm. CVIII. S. 357. 1858; Landw. Versuchsstationen. I. S. 68. D59.\n4\tGohren, Landw. Versuchsstationen. IIP S. 161. 1861.\n5\tHofmeister, Ebenda. XVI. S. 126. 1873.","page":381},{"file":"p0382.txt","language":"de","ocr_de":"\u2022382 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\nK\u00f6rper zu verh\u00fcten oder die Entwickelung der Knochen zu erm\u00f6glichen; wir m\u00fcssen zu dem Zweck wissen, wieviel Kalk daraus resorbirt wird und dem Organismus zu Gute kommt. Sehr viel Kalk (kohlensaurer) wird gew\u00f6hnlich dem K\u00f6rper durch das meist kalkhaltige Trinkwasser zugef\u00fchrt, wie namentlich Boussingault gezeigt hat. Bei kalkarmem Trinkwasser tritt daher leichter Mangel an Kalk ein.\nAuch kohlensaurer Kalk findet sich in den Knochen der Wirbel-thiere, den Eierschalen, dem Skelett der wirbellosen Thiere, den Muschelschalen, dem Harn der Pflanzenfresser, im Speichel des Pferdes, in den Geh\u00f6rsteinen, bei den Batrachiern an den H\u00fcllen des Gehirns und R\u00fcckenmarks und an der Austrittsstelle der Spinalnerven u. s. w. Er wird von dem in der Nahrung und im Wasser enthaltenen kohlensauren Kalk geliefert.1\nC) Eisen, Kiesels\u00e4ure und Fluorcalcium.\nDas Eisen ist ein Nahrungsstoff, es ist f\u00fcr den Organismus, wenigstens f\u00fcr den der h\u00f6heren bluthaltigen Thiere nothwendig, namentlich zur Bildung des f\u00fcr die Sauerstoffaufnahme so wichtigen H\u00e4moglobins. In dem H\u00e4moglobin und im Blute ist es unter allen Organen und S\u00e4ften des K\u00f6rpers in gr\u00f6sster Menge vorhanden, es findet sich aber auch in Spuren in den \u00fcbrigen Organen und S\u00e4ften vor 2 3 z. B. im blutfreien Muskel. Trotz der geringen Menge des Eisens ist in keinem Organe, selbst nicht im Blut absolut mehr Eisen abgelagert als in den Muskeln, welche den gr\u00f6ssten Bruchtheil des K\u00f6rpers darstellen. Man ist deshalb nicht im Stande aus der Eisenausscheidung beim Hunger oder bei Zufuhr eisenfreier Nahrung die Gr\u00f6sse des Verbrauchs der Blutk\u00f6rperchen zu entnehmen.\nDie Eisenmenge eines ganzen Thiers hat Boussingault 3 bestimmt; er fand:\n1\tUeber die Abgabe von Kalk f\u00fcr das Skelett des H\u00fchnchens aus der Eischale siehe: Liebig, Ueber den Ern\u00e4hrungswerth der Speisen. 1S69; Prout, Philos. Transact. 1822. p. 377; Pr\u00e9vost u. Morin, Ann. d. scienc. natur. IV. p. 47 ; Voit, Sitzgsber. d. bayr. Acad. I. S. 78. 1871 u. Ztschr. f. Biologie. XIII. S. 518. 1877 ; Y. C. Vaugham u. Harriet Y. Bills, Journ. of physiol. I. p. 434 (lassen Kalk aus der Schale kommen).\n2\tSiehe \u00fcber den Eisengehalt der Organe : Scherpf, Die Zust\u00e4nde und Wirkungen des Eisens im gesunden und kranken Organismus. W\u00fcrzburg 1877. \u2014 C. Nitzsch, De Ferro in animalibus obvio. Diss. inaug. Bonn 1846. \u2014 Lemery u. Geoffroy (M\u00e9m. de l\u2019acad. des sciences. 1713) fanden zuerst in den Aschen thierischer und pflanzlicher Gewebe Eisen. \u2014 Menghini (De Bonon. scient, et art. institut, atque academ. comment. 11.(2) p. 244. 1746, (3) p. 475. 1747) gab an, dass das Eisen nur in den Blutk\u00f6rperchen vorkomme. Siehe auch Rouelle und Bucquet (Journ. dem\u00e9dic. 1776) und Forcke (Diss. de martis transitu in sanguinem. Jena 1783).;\n3\tBoussingault, Compt. rend. LXIV. p. 1353.1872.","page":382},{"file":"p0383.txt","language":"de","ocr_de":"Anorganische Nahrungsstoffe: Die Aschebestandtheile. Eisen.\n383\nSchaf von\t32 Kilo Gewicht\t3.38\tGrm.\tEisen = 0.151 \u00b0/o\nMaus \u201e\t27 Grm.\t\u201e\t0.0030\t\u201e\t\u201e = 0.111 \u201e\nMerlan \u201e\t182 \u201e\t\u201e\t0.0149\t\u201e\t\u201e = 0.082 \u201e\nIn wirbellosen Thieren z. B. in Mollusken waren nur Spuren von Eisen vorbanclen; es ist m\u00f6glich, dass f\u00fcr sie und f\u00fcr die einfachen Zellengebilde das Eisen entbehrlich ist.\nDas Eisen wird zum weitaus gr\u00f6ssten Th eil im Koth ausgeschieden. In dem Harn sind allerdings immer Spuren davon vorhanden, sie k\u00f6nnen aber gegen\u00fcber den im Koth befindlichen Mengen vernachl\u00e4ssigt werden. Bidder und Schmidt geben f\u00fcr den 24st\u00fcndigen Harn einer hungernden Katze 0.0014\u20140.0017 Grm. Eisen an; J. Forster fand im t\u00e4glichen Harn eines grossen hungernden Hundes nur 0.0013\u20140.0049 Grm. Eisen.\nHamburger 1 erhielt aus dem Harn eines 8 Kilo schweren Hundes im Tage 0.0032 Grm. Eine gewisse Menge von Eisen kommt auch in den Haaren und Epidermisschuppen vor: in den Menschenhaaren nach Baudrimont 0.021%, nach van Laer 0.154% Eisen; fallen bei einem sich stark h\u00e4renden Hunde 10 Grm. Haare im Tag aus, so gehen damit 0.002 Grm. Eisen weg. Ein Milch gebendes Thier entfernt in der Milch nicht unbedeutende Quantit\u00e4ten von Eisen ; eine Kuh z. B. nach Boussingault t\u00e4glich 0.135\u20140.260 Grm.\nWesentlich mehr Eisen geht im Koth weg. Dass der Darm der Hauptort f\u00fcr die Exkretion des Eisens ist, geht auch aus einer von Buchheim und Aug. Meyer 2 gemachten Erfahrung hervor, wonach wenige Stunden nach Injection von Eisensalzen in die Vena jugularis n\u00fcchterner Thiere die Darmschleimhaut mit einem an Eisenoxyd reichen Sekret bedeckt ist, w\u00e4hrend der Harn nur geringe Mengen von Eisen enth\u00e4lt. Im trockenen Koth des Menschen finden sich gegen 0.06% Eisen vor; es sind daher in 33 Grm. trockenem Koth, welchen der Mensch bei gew\u00f6hnlicher gemischter Kost entleert, 0.02 Grm. Eisen vorhanden. Der nach Aufnahme von reinem Fleisch gelieferte Koth des Fleischfressers hinterl\u00e4sst, wie schon Bidder und Schmidt bemerkt haben, eine an Eisenoxyd sehr reiche Asche; ein Hund (von 35 Kilo Gewicht), welcher t\u00e4glich 500 Grm. Fleisch und 200 Grm. Fett erhielt, schied dabei im Koth 0.048 Grm. Eisen aus. Der 8 Kilo schwere Hund Hamburger\u2019s entleerte bei F\u00fctterung mit 300 Grm. Fleisch im Koth t\u00e4glich 0.0115 Grm. Eisen; also fast 4 mal mehr wie im Harn.\n1\tE. W. Hamburger, Ztschr. f. physiol. Chem. IL S. 191. 1878.\n2\tA. Meyer, De ratione qua ferrum mutetur incorpore. Diss.inaug. Dorpat","page":383},{"file":"p0384.txt","language":"de","ocr_de":"384 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\nEs fragt sich jetzt, um den Bedarf an Eisen kennen zu lernen, wieviel von dem im Koth enthaltenen Eisen Ausscheidungsprodukt aus dem K\u00f6rper ist und wieviel nur Residuum des mit der Nahrung eingef\u00fchrten Eisens. Der reine Fleischkoth enth\u00e4lt zwar nach meinen Ermittelungen kaum unverdaute Residuen der Nahrung mehr, sondern fast nur Ausscheidungsprodukte aus dem K\u00f6rper; es ist jedoch immerhin m\u00f6glich, dass das Eisen des Fleisches nicht vollst\u00e4ndig resorbirt wird.\nNun wird aber auch beim Hunger Koth abgeschieden, dessen Eisen nur Ausscheidungsprodukt aus den S\u00e4ften sein kann. Bidder und Schmidt (S. 82) erhielten von ihrer 2.5 Kilo schweren hungernden Katze in 0.87 Grm. trockenem Koth 0.015 Grm. Eisen; ich habe schon angegeben, dass die Menge dieses Koths ganz ungew\u00f6hnlich hoch ist. Im trockenen Hungerkoth bestimmte ich 1.05 \u00b0/o Eisen, wonach also ein grosser Hund (von 35 Kilo Gewicht) 0.021 Grm. Eisen beim Hunger abgeben w\u00fcrde. Dieses Eisen ist entweder ein Residuum der nicht ganz wieder aufgenommenen Verdauungss\u00e4fte oder es ist in den abgestossenen Epithelzellen und dem Schleim enthalten oder an der Oberfl\u00e4che des Darms aus den Blutgef\u00e4ssen ausgeschieden worden. Dieser Eisenverlust beim Hunger stammt nicht ausschliesslich von unterdess zu Grunde gegangenen Blutk\u00f6rperchen ab, letztere decken etwa nur den f\u00fcnften Theil des Verlustes.\nDer Hungerzustand giebt uns aber keine Vorstellung \u00fcber die notlnvendige Eisenzufuhr; bei Aufnahme von Nahrung k\u00f6nnte der Untergang der rotken Blutk\u00f6rperchen wesentlich geringer sein, er k\u00f6nnte aber auch derselbe bleiben wie beim Hunger oder wie es wahrscheinlich ist unter dem Einfl\u00fcsse der Nahrungszufuhr stark anwacksen. Man erh\u00e4lt vielleicht hier\u00fcber aus der Eisenausscheidung bei eisenfreier Nahrung Aufschl\u00fcsse.\nDies hat namentlich Dietl1 versucht. Er gab einem Hunde von 6 Kilo Gewicht w\u00e4hrend 27 Tagen eine m\u00f6glichst eisenarme Nahrung; er erhielt dabei:\ngegeben im Tag: 0.001462 Grm. Eisen im Koth (0.05 \u00b0/o) : 0.003325\t\u201e\t\u201e\nvom K\u00f6rper ab: 0.001863 Grm. Eisen\nAuch J. Forster2 constatirte bei seinen mit aschefreien Nahrungsmitteln gef\u00fctterten Hunden eine best\u00e4ndige Eisenabgabe vom\n1\tDietl, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LXXI. (3) Maiheft 1875. Siehe auch : Wo-ronichin, Wiener med. Jahrb. 1868. S. 159.\n2\tJ. Forster, Ztschr. 1. Biologie. IX. S. 376 u. 3S0. 1873.","page":384},{"file":"p0385.txt","language":"de","ocr_de":"Anorganische Nahrungsstoffe : Die Aschebestandtheile. Eisen.\n385\nK\u00f6rper. Es ist jedoch m\u00f6glich, dass dieselbe zu hoch ausgefallen ist; ein Hund von 25 Kilo Gewicht im Mittel gab n\u00e4mlich in 38 Tagen im Koth 2.66 Grm. Eisen mehr ab, als er in den ausgelaugten Fleischrtickst\u00e4nden erhalten hatte; ein zweiter Hund von 29 Kilo Gewicht verlor in 26 Tagen 1.38 Grm. Eisen. Dies betr\u00e4gt im Tag 0.070 und 0.053 Grm. Eisen.\nMan ersieht jedenfalls daraus, dass auch bei Zufuhr der organischen Nahrungsstoffe best\u00e4ndig eine geringe Ausscheidung von Eisen stattfindet und daher in der Nahrung Eisen enthalten sein muss.\nDietl l\u00e4sst das im Darm ausgeschiedene Eisen aus der Galle abstammen, in der immer etwas Eisen enthalten ist1; er meint, Vio der entleerten Galle gen\u00fcgte, jenes Eisen zu decken; Bidder und Schmidt lassen die Abscheidung durch die Darmschleimhaut geschehen'2.\nIn den Nahrungsmitteln ist in der Regel nur wenig Eisen vorhanden3 4, aber doch gen\u00fcgend, den Eisenbestand des K\u00f6rpers zu erhalten. Nach Boussingault sind zu diesem Zwecke in der t\u00e4glichen Nahrung des Menschen 59\u201491 Mgrm. Eisen n\u00f6thig. F\u00fcr das Pferd verlangt er t\u00e4glich 1.0166\u20141.5612 Grm. Eisen. Mein grosser Hund nahm in 1500 Grm. Fleisch im Tag 0.081 Grm. Eisen auf und schied im Koth 0.091 Grm. ab, er reichte also mit dieser Eisenquantit\u00e4t nahezu aus; mit der in 500 Grm. Fleisch enthaltenen (0.027 Grm.) war dies jedoch nicht mehr der Fall, da er dabei best\u00e4ndig einen Ueberschuss von Eisen abgab. Der 8 Kilo schwere Hund Hamburger\u2019s nahm in 12 Tagen in 3600 Grm. Fleisch 180 Mgrm. Eisen auf und schied ebensoviel, n\u00e4mlich 176.5 Mgrm. im Harn und Koth ab; er hatte also im Tag 15 Mgrm. Eisen in der Nahrung n\u00f6thig. Ein S\u00e4ugling nimmt in 1000 Grm. Frauenmilch nach Bunge\u2019s Analyse t\u00e4glich im Mittel 0.00336 Grm. Eisen auf; diese geringe Menge gen\u00fcgt vollst\u00e4ndig dem Kinde das zum Wachsthum w\u00e4hrend eines Jahres n\u00f6thige Eisen zu liefern. Es muss darnach, wie es auch bei den \u00fcbrigen Aschebestandtheilen der Fall ist, dem K\u00f6rper mehr\n1\tYoung, Journ. of anat. and physiol. Y. p. 158. 1871. \u2014 Trifanowsky, Arch, f. d. ges. Physiol. IX. S. 492. 1874. \u2014 Kunkel, Arch. f. d. ges. Physiol. .XIV. S. 353. 1876 (ein Hund von 4 Kilo Gewicht scheidet nach ihm in der Galle t\u00e4glich 0.004 bis 0.006 Grm. Eisen ab).\n2\tIn den trockenen Darmepithelien findet sich nach Bidder u. Schmidt (die (Verdauungss\u00e4fte u. der Stoffwechsel. S. 267. 1852) 0.46\u00b0/o Eisen. Im Darmsaft ist nach Quincke (Arch. f. Anat. u. Physiol. 1868. S. 150) kein Eisen.\n3\tMoleschott, Physiologie d. Nahrungsmittel. Giessen 1859. \u2014 Boussingault a. a. O. u. Scherpf a. a. O. S. 91.\n4\tBunge, Ztschr. f. Biologie. X. S. 316. 1874. \u2014 Ancell, Liebig\u2019s Thierchemie u. ihre Gegner. Bearb. V. Krug. S. 163. \u2014 Scherpf a. a. O.\nHandbuch der Physiologie. Bd. YI.\n25","page":385},{"file":"p0386.txt","language":"de","ocr_de":"386 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\nEisen in der Nahrung geboten werden, als er beim Hunger oder bei eisenfreiem Futter einbiisst.\nMan ist nicht im Stande aus der Eisenausscheidung zu entnehmen, wieviel eisenhaltige Substanz z. B. Blutk\u00f6rperchenmasse zerst\u00f6rt worden ist, denn es kann das aus dem Zersetzten losgel\u00f6ste Eisen zum Theil wieder gebunden werden und also von Neuem dienen.1\nDie Resorption des Eisens im Darm geschieht unter \u00e4hnlichen Verh\u00e4ltnissen wie die des Kalks. Auch die Eisensalzl\u00f6sungen werden im alkalischen Blute gef\u00e4llt. Das Eisen wird, wie Mitcherlich2 zuerst vermuthete, wahrscheinlich wie der Kalk in Verbindung mit Eiweiss, in welcher es in alkalischen Fl\u00fcssigkeiten gel\u00f6st bleibt, ins Blut aufgenommen.3 Darum kann nur eine gewisse kleine Menge von Eisen \u00fcbergehen, soviel als das Eiweiss zu binden vermag ; nur wenn von den Organen Eisen den S\u00e4ften entzogen wird, vermag neues einzutreten.\nDeshalb wird auch von den in den Darm eingef\u00fchrten Eisensalzen nur sehr wenig resorbirt wie von den Kalksalzen; d. h. es gehen nur \u00e9inige Milligramme in den Harn \u00fcber und der ganze Rest l\u00e4sst sich im Koth nachweisen; bei den Versuchen Hamburger\u2019s betrug der erstere Antheil nur 2 Milligramm im Tag.4 5 Es k\u00f6nnte allerdings ansehnlich mehr von dem Eisen resorbirt werden und alsbald im Darm wieder zur Abscheidung gelangen; jedoch ist dies wenig wahrscheinlich, da man dann doch im K\u00f6rper gr\u00f6ssere Quantit\u00e4ten von Eisen finden m\u00fcsste, was aber nicht der Fall ist. In die Milch gehen z. B. nur Spuren von Eisen nach Aufnahme von Eisensalzen \u00fcber ; Bisteow 5 fand bei einer Ziege normal in der t\u00e4glichen Milch 0.0101 Grm. Eisen, nach Eisengaben 0.0147 bis 0.0196 Grm., also 5 \u2014 10 Mgrm. mehr.\nUeber die Kiesels\u00e4ure und das Fluorcalcium ist nur Weniges zu sagen.\nDie Kiesels\u00e4ure findet sich ziemlich verbreitet im Thierk\u00f6rper, aber nur in einzelnen Gebilden ist sie zur Erhaltung der Form und zur Zusammensetzung der Theile von Bedeutung. Sie ist enthalten in den Knochen (Fourcroy und Vauquelin 6 7), in der Schafswolle (Chevreul in den\n1\tWenn aus weissen Blutk\u00f6rperchen rothe werden sollen, so muss Eisen in sie eintreten; wenigstens finden sich in 100 trockenem Eiter, der gr\u00f6sstentheils aus weissen Blutk\u00f6rperchen besteht, nur 0.039% Eisen (Miescher, Med.-ehern. Unters, von Hoppe-Seyler. Heft 4. S. 441. T\u00fcbingen 1871).\n2\tMitscherlich, Med. Zeitung v. d. Verein f. Heilk. in Preussen. Berlin 1840.\n3\tSiehe hier\u00fcber: Dietl u. Heidler, Prager Vierteljahrschr. f. prakt. Med. CXXII. S. 93. 1874. \u2014 Friese, Berliner klin. Woch. 1877. No. 29 u. 30. \u2014 Scherpf Ueber Resorption u. Assimilation des Eisens. W\u00fcrzburg 1878.\n4\tSiehe auch: Jhering, Mikr. u. ehern. Unters. Giessen 1852.\n5\tBistrow, Arch. f. pathol. Anat. XLV. S. 98. 1869.\n6\tFourcroy u. Vauquelin, Annal, d. chim. et phys. LXXII. p. 282.\n7\tChevreul, Compt. rend. 1840. No. 16.","page":386},{"file":"p0387.txt","language":"de","ocr_de":"Anorganische Nahrungsstoffe. \u2014 Organische Nahrungsstoffe.\t387\nMenschenhaaren (Vauquelin1, Laer2), in den Federn (Gorup 3, Henneberg 4)> in dem Panzer niederer Thiere; ferner in dem Albumen der Vogeleier (Poleck5), der Galle, auch im Blut (Millon6, Weber7)? im Harn (Berzelius 8, Fleitmann 9), und im Kotli. Sie wird in der Nahrung zugef\u00fchrt, namentlich in der l\u00f6slichen Modifikation, in welcher sie sich in manchen Vegetabilien findet, in Kiesels\u00e4ure haltigen W\u00e4ssern, in verschlucktem Sand (im Brod von den M\u00fchlsteinen herr\u00fchrend).\nDas Fluorcalcium kommt vorz\u00fcglich im Schmelz der Z\u00e4hne vor und in geringer Menge in den Knochen10; im Harn hat man Spuren davon entdeckt. Es wird mit verschiedenen Nahrungsmitteln in den K\u00f6rper aufgenommen.\nII. Organische Nahrungsstoffe.\n1. Stickstoffhaltige Nahrungsstoffe.\nA) Die eiweissartigen Stoffe.\nZu dieser Gruppe der stickstoffhaltigen Nahrungsstoffe geh\u00f6ren die mannigfaltigen Modifikationen der eiweissartigen Stoffe: das Albumin, Kasein, Syntonin, Fibrin, Kleber, Legumin etc. Dieselben besitzen wohl alle eine \u00e4hnliche Constitution, jedoch zeigen sie gewisse Verschiedenheiten und sind es namentlich die Ei weissk\u00f6rper aus dem Pflanzenreiche, welche in ihrer Zusammensetzung z. B. in ihrem Stickstoffgehalte sehr variiren (S. 23 u. 61).\nDie Zellen und Gewebe des Thierk\u00f6rpers, das Protoplasma der niedersten Organismen, also die Gebilde, an welchen wir die Lebenserscheinungen ablaufen sehen, sowie auch die S\u00e4fte bestehen, wenn man von ihrem Wassergehalte absieht, zum gr\u00f6ssten Theile aus eiweissartigen Substanzen und n\u00e4chsten Abk\u00f6mmlingen derselben. In dem Organisirten sind sie zumeist ungel\u00f6st z. B. als Syntonin im Muskel, in dem das Gewebe durchtr\u00e4nkenden Plasma und der Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit jedoch im gel\u00f6sten Zustande.\nIn einem ausgewachsenen menschlichen K\u00f6rper von 68.65 Kilo Reingewicht berechne ich ann\u00e4hernd nach den Trockenbestimmungen\n1\tVauquelin, Ann. cl. chim. et d. phys. LVIII. p. 41.\n2\tLa\u00ebr, Ann. d. Chem. u. Pharm. XLIV. S. 172.\n3\tGorup, Ebenda. LXVI. S. 321.\n4\tHenneberg, Ebenda. LXI. S. 255.\n5\tPoleck, Ann. d. Physik. LXXVI. S. 360.\n6\tMillon, Journ. d. phys. et chim. (3) XIII. p. 86.\n7\tWeber, Ann. d. Physik. LXXVI. S. 387.\n8\tBerzelius, Lehrb. d. Chemie. IX. S. 433.\n9\tFleitmann, Ann. d. Physik. LXXVI. S. 358.\n10\tBerzelius, Gehlen\u2019s Journal. III. S. 1. \u2014 Marchand, Journ. f. prakt. Chemie. XXVII. S. 83. \u2014 Heintz,Berichte d. Berliner Acad. 1*49. S. 51. \u2014 Middleton, Phil. Mag. XXV. p. 14. \u2014 Bibra, Chem. Unters, \u00fcb. Knochen u. Z\u00e4hne. 1844.","page":387},{"file":"p0388.txt","language":"de","ocr_de":"388 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\nvon E. Bischoff1 die folgenden Mengen von Eiweiss und leimgebendem Gewebe:\n\tbei 100\u00b0 trocken\tEiweiss\tleimgebendes Gewebe\nSkelett\t\t8637.6\t\t2202.6\nMuskeln\t\t7074.9\t4837.5\t573.2\nZunge, Schlundkopf, Gaumensegel.\t\t\t\nSpeiser\u00f6hre\t\t42.7\t32.1\t3.8\nDarmkanal\t\t395.7\t297.3\t35.2\nSpeicheldr\u00fcsen\t\t23.3\\\t\t\nLeber\t\t500.6 1\t\t\nPankreas\t\t15.61\t\t\nMilz\t\t31.8 V\t\t\nSchilddr\u00fcse\t\t11.2 f\t347.1\t98.9\nNiere, Nebenniere\t\t52.9 i\t\t\nHarnblase, Harnleiter, Penis, Pro-\t|\t\t\nstata, Hoden, Samenblasen .\t.\t63.2/\t\t\nKehlkopf, Luftr\u00f6hre\t\t15.3\t\u2014\t15.3\nLungen\t\t99.9\t\u2014\t99.9\nHerz\t\t69.1\t51.9\t6.2\nGef\u00e4sse\t\t94.5\t\u2014\t94.5\nHirn, R\u00fcckenmark, Nerven. .\t.\t465.0\t186.5\t\t\nAuge\t\t0.2\t\u2014\t0.2\nThr\u00e4nendriise\t\t0.2\t0.2\t\t\nOhr- und Nasenknorpel ....\t12.4\t\u2014\t12.4\nFett\t\t8809.4\t\u2014\t\t\t\nHaut\t\t1356.5\t48.8\t1037.7\nBlut\t\t581.1\t559.1\t\u2014\n\t28353.1\t6360.5\t4179.9\n\t\t= 22.4%\to o~ GO T-H\nEs sind in den frischen Geweben und Fl\u00fcssigkeiten des Thierk\u00f6rpers im Mittel folgende prozentige Mengen von Eiweiss enthalten :\n\t%\nLymphe .\t.\t.\t.\t2.46\nMilch,\t.\t.\t.\t.\t3.94\nChylus .\t.\t.\t.\t4.09\nGehirn .\t.\t.\t.\t8.63\nLeber\t.\t.\t.\t11.74\nH\u00fchnerei\t.\t.\t.\t13.43\nMuskeln .\t. . . 16.18\nBlut .\t.\t.\t.\t19.56\nDa im lebenden thierischen Organismus best\u00e4ndig und unter allen Umst\u00e4nden, auch beim Hunger und bei reichlichster Zufuhr stickstofffreier Stoffe, Eiweiss zersetzt wird, so muss demselben in der Nahrung Eiweiss zugef\u00fchrt werden. In jeder Nahrung des Men-\n1 E. Bischoff, Ztschr. f. rat. Med. (3) XX. S. 115.","page":388},{"file":"p0389.txt","language":"de","ocr_de":"Organische Nahrungsstoffe : Die eiweissartigen Stoffe.\n389\nsehen und der Thiere finden sich daher eiweissartige Stoffe vor, und zwar in den animalischen und vegetabilischen Nahrungsmitteln (S. 338). So ist in den Pflanzen enthalten l\u00f6sliches, in der Siedehitze gerinnendes natives Eiweiss; ferner ein freiwillig gerinnender Eiweissk\u00f6rper; dann das Pflanzenkasein (das Legumin in den Leguminosen, das Conglutin in den Lupinen und Mandeln, das Glutenkasein des Weizenklebers); endlich die Kleberproteinstoffe (Glutenfibrin im Weizen, in der Gerste und im Mais, das Gliadin und das Mucedin im Weizenkleber). In animalischen Nahrungsmitteln wird im Muskelfleisch vorz\u00fcglich Syntonin, in dem Ei Albumin, in der Milch Kasein aufgenommen.\nDie verschiedenen Eiweissstoffe haben wahrscheinlich ann\u00e4hernd den gleichen Werth f\u00fcr die Ern\u00e4hrung, d. h. f\u00fcr die Verh\u00fctung der Eiweissabgabe und den Eiweissansatz. Jedoch hat man hier\u00fcber noch keine gen\u00fcgenden Erfahrungen; es sind erst von Wildt1 Anf\u00e4nge gemacht worden, die N\u00e4hrwirkung des Fleisch- und Blutmehls mit der von vegetabilischen Eiweissk\u00f6rpern zu vergleichen.\nDie Ausnutzung der eiweissartigen Stoffe im Darm scheint allerdings ungleich zu sein, wie Panum und Heiberg am Hunde gezeigt haben. Die Eiweissstoffe des Fleisches und des Blutes wurden von dem Hunde fast ganz verdaut, gleichg\u00fcltig ob sie in frischer Substanz oder getrocknet zur Verwendung kamen; Weizenkleber und Hiihnereiweiss wurden frisch etwas weniger gut verwerthet als die beiden ersteren, besonders schlecht jedoch im getrockneten Zustande.\nDie Eiweissstoffe aus dem Thierreich sind \u00e4rmer an Stickstoff und zum Theil reicher an Kohlenstoff als die des Pflanzenreichs; nach der Meinung von H. Ritthausen2 besitzen die Eiweissstoffe einen um so h\u00f6heren N\u00e4hreffekt, je \u00e4rmer an Stickstoff und je reicher an Kohlenstoff sie sind ; danach w\u00e4ren die animalischen Eiweisssubstanzen in Beziehung der Ern\u00e4hrung den vegetabilischen \u00fcberlegen.\nDie Bedeutung des Eiweisses in der Nahrung ist durch die im dritten Kapitel berichteten Stoffwechselversuche vollkommen festgestellt. Man giebt das Eiweiss vor Allem, um den Eiweissverlust vom K\u00f6rper zu verh\u00fcten; man ist aber auch im Stande durch gr\u00f6ssere Quantit\u00e4ten von Eiweiss, wenigstens beim Fleischfresser unter gewissen Umst\u00e4nden, die Fettabgabe vom K\u00f6rper aufzuheben, jedoch nicht die von Wasser und von Aschebestandtheilen. Das Eiweiss ist darum nur ein Nahrungsstoff und nicht eine Nahrung.\nDas Eiweiss der Nahrung tritt dabei, wie schon hervorgehoben worden ist (S. 331), nur zum geringen Theile als Ersatz des im K\u00f6r-\n1\tWildt, Jahrb. f. Landw. VI. S. 177. 1877.\n2\tRitthausen, Die Eiweissk\u00f6rper d. Getreidearten, H\u00fclsenfr\u00fcchteu. Oelsamen S. 234. Bonn 1872.","page":389},{"file":"p0390.txt","language":"de","ocr_de":"390 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\nper zerst\u00f6rten organisirten Eiweisses ein, sondern es \u00e4ndern sich mit seiner Aufnahme alsbald die Bedingungen des Zerfalls, indem dadurch die Zellen mehr Material zur Zersetzung erhalten. Es muss stets so viel Eiweiss aufgenommen werden, bis keines mehr vorn K\u00f6rper abgegeben wird.\nUm diesen Punkt zu erreichen, bedarf es nach den fr\u00fcheren Darlegungen der verschiedensten Mengen von Eiweiss. Je gr\u00f6sser die Zellenmasse im K\u00f6rper ist oder je gr\u00f6sser der Organismus ist, desto mehr ist im Allgemeinen an Eiweiss f\u00fcr ihn n\u00f6thig, jedoch verbraucht ein gr\u00f6sseres Thier aus den schon angegebenen Ursachen verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig weniger Eiweiss als ein kleineres. Bei reichlicher Ablagerung von Fett am K\u00f6rper oder bei Zugabe von Eiweisssch\u00fctzern z. B. von stickstofffreien Substanzen geh\u00f6rt weniger Eiweiss zur Erhaltung des Eiweissbestandes.\nGiebt man zu wenig Eiweiss, so geht Eiweiss vom K\u00f6rper zu Verlust und es tritt entweder nach und nach ein miserabler Stand an Eiweiss in demselben ein oder es geht das Thier, wenn auch im letzteren Falle eine Erhaltung der geringen Eiweissmenge nicht m\u00f6glich ist, zu Grunde. Reicht man mehr Eiweiss als n\u00f6thig ist den K\u00f6rper vor einer Einbusse an Eiweiss zu bewahren, so wird der Ueberschuss zersetzt oder es gelangt Eiweiss zum Ansatz, in Folge dessen der K\u00f6rper zwar leistungskr\u00e4ftiger wird, aber, wenn nicht zugleich eine Fettanh\u00e4ufung erfolgt, dauernd mehr Eiweiss braucht, um das vorher Angesetzte nicht wieder verschwinden zu lassen.\nAus diesen Resultaten werden auch die fr\u00fcher bei F\u00fctterung mit reinen eiweissartigen Substanzen beobachteten Erscheinungen verst\u00e4ndlich. Die theilweise (S. 336) schon erw\u00e4hnten ber\u00fchmten Versuche von Magendie und von Tiedemann und Gmelin haben ergeben, dass Thiere bei Zufuhr von reinen Eiweissstoffen z. B. von Blutfaserstoff oder Eiereiweiss zu Grunde gehen. Es fehlen dabei die Aschebestandtheile und es nimmt der K\u00f6rper, auch wenn wirklich daf\u00fcr gesorgt wird, dass die Thiere gen\u00fcgend Eiweiss verzehren, allm\u00e4hlich an Fett ab, wodurch die Menge des zur Erhaltung n\u00f6thigen Eiweisses immer gr\u00f6sser wird. H\u00e4ufig sind jedoch die Thiere zu Grunde gegangen, weil sie nicht gen\u00fcgend von der Eiweisssubstanz frassen und deshalb stetig an Eiweiss verloren. Wenn einige Hunde Magendie\u2019s wirklich w\u00e4hrend 7 5 Tagen je 500 \u20141000 Grm. feuchten Blutfaserstoff (mit wieviel fester Substanz?) aufnahmen und doch unter grosser Abmagerung verendeten, so ist die Abnahme an Fett und der Mangel an Ascliebestandtheilen die Ursache. Magendie blieb es aber r\u00e4thselhaft, warum Blutfaserstoff, Muskelfibrin, Albumin u. s. w. nicht n\u00e4hren, wohl aber das den n\u00e4mlichen Eiweissk\u00f6rper enthaltende rohe Fleisch und er fragt sich, ob die riechenden und schmeckenden Stoffe des Fleisches oder die Salze oder die Spur Eisen, die Fette oder die Milchs\u00e4ure es seien, welche das Fleisch n\u00e4hrend machen; ob die Quantit\u00e4t des Ei-","page":390},{"file":"p0391.txt","language":"de","ocr_de":"Organische Nahrungsstoffe : Die eiweissartigen-Stoffe.\n391\nweisses zureichend war, daran denkt er nicht. Kemmerich1 hat durch seine Versuche erwiesen, dass Hunde nahezu ein Vierteljahr leben k\u00f6nnen, wenn man sie ausschliesslich mit reiner eiweissartiger Substanz mit den n\u00f6thigen Aschebestandtheilen ohne die Extraktivstoffe des Fleisches f\u00fcttert.\nDas in den Organen und S\u00e4ften befindliche Eiweiss hat sich aus eiweissartigen Stoffen der Nahrung abgelagert und ist nicht aus anderen Substanzen entstanden. Wenn also beim Wachsthum die Masse der eiweisshaltigen Gebilde, vorz\u00fcglich durch Vergr\u00f6sserung ihrer Elementartheile, zunimmt, so kann dies nur aus zugef\u00fchrtem Eiweiss geschehen. Ohne Eiweiss in der Nahrung vermag der Organismus, wenigstens der h\u00f6heren Thiere auf die Dauer nicht zu bestehen: es geht in ihm stets Eiweiss zu Grunde, zum Theil gel\u00f6stes cirkulirendes, zum Theil in abgestossenen organisirten Theilen enthaltenes. Es giebt allerdings nach den fr\u00fcheren Auseinandersetzungen Stoffe, welche die Zersetzung des Eiweisses im K\u00f6rper herabsetzen wie die Fette und Kohlehydrate, besonders aber das leimgebende Gewebe, sowie der daraus darstellbare Leim und wahrscheinlich auch die Peptone. Mit der letzteren Gruppe von Eiweisssch\u00fctzern in Verbindung mit stickstofffreien Substanzen zugleich mit Wasser und den n\u00f6thigen Aschebestandtheilen erh\u00e4lt sich daher der K\u00f6rper nahezu auf seinem Eiweissbestande; aber nur nahezu, denn immer wird dabei noch etwas Stickstoff vom K\u00f6rper abgegeben, also noch etwas Eiweiss in ihm zerst\u00f6rt. Wir schliessen daraus, dass die genannten Stoffe nur statt des sonst im S\u00e4ftestrom zersetzten Eiweisses eintreten, nicht jedoch das zu Verlust gegangene Organisirte, die Blutk\u00f6rperchen, die Epithelien, die Epidermoidalgebilde etc. zu erzeugen im Stande sind, welche nur aus Eiweiss entstehen k\u00f6nnen..\nSelbst das im K\u00f6rper befindliche leimgebende Gewebe, welches in sehr bedeutender Menge im Ossein der Knochen, in den Knorpeln, Sehnen, im Bindegewebe etc. abgelagert ist, geht ebenfalls aus ei weissartiger Substanz hervor und bildet sich nicht aus dem verzehrten leimgebenden Gewebe oder dem Leim aus, welche nach meinen Versuchen stets vollst\u00e4ndig umgesetzt werden. Wenn also aus Leim (oder Peptonen) mit stickstofffreien Stoffen auf die Dauer eine Ern\u00e4hrung unm\u00f6glich ist und sich aus diesen hoch zusammengesetzten Stoffen kein Eiweiss bildet, so geschieht dies noch viel weniger durch eine Synthese aus einfacheren stickstoffhaltigen Verbindungen mit stickstofffreien (S. 328 u. 330). Die Versuche, welche als daf\u00fcr beweisend angegeben wurden, sind es nicht, da die Thiere\n1 Kemmerich, Arch. f. d. ges. Physiol. IL S. 74. 1869.","page":391},{"file":"p0392.txt","language":"de","ocr_de":"392 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\nlange Zeit ohne Eiweisszufuhr am Leben bleiben k\u00f6nnen, wenn der Eiweisszerfall in ihnen unter dem Schutze anderer Stoffe ein geringer ist und t\u00e4glich nur wenig organis\u00e2tes Eiweiss eingerissen wird; sie verlieren bei Zugabe stickstofffreier Stoffe nicht an Gewicht, ja sie k\u00f6nnen sogar durch Ansatz von Wasser und Fett daran zunehmen. Hier\u00fcber verm\u00f6gen nur viele Monate lang w\u00e4hrende F\u00fctterungsversuche oder die Contr\u00f4le der Stickstoffabgabe im Vergleich mit der Stickstoffaufnahme zu entscheiden.\nNach Escher1 soll bei F\u00fctterung mit reinem Leim die dem letzte-teren entsprechende Stickstoffmenge im Harn sich finden und das K\u00f6rpergewicht abnehmen, bei Zusatz von Tyrosin dagegen die Harnstoffmenge unter Erh\u00f6hung des K\u00f6rpergewichts geringer werden. Er schliesst daraus, dass Tyrosin mit Leim das Eiweiss der Nahrung ersetze oder mit ihm zu Eiweiss zusammentrete. Dieser Schluss l\u00e4sst sich aber aus den vorliegenden Angaben nicht ziehen.\nRudzki 2 3 meinte ferner, die Harns\u00e4ure w\u00e4re ein Nahrungsstoff. Er gab Kaninchen eine Mischung von St\u00e4rkemehl und Fett; dazu erhielten sie entweder die n\u00f6thigen Aschebestandtheile, oder Fleischextrakt oder Harns\u00e4ure. Da von den f\u00fcnf Thieren dabei drei an Gewicht w\u00e4hrend G\u20147 Wochen Zunahmen, so glaubte er, dass sie keinen Verlust an Eiweiss erlitten haben k\u00f6nnen, sondern dasselbe aus den dem Futter zugesetzten stickstoffhaltigen Zersetzungsprodukten, der Harns\u00e4ure und dein Fleischextrakt ersetzt haben m\u00fcssen. Man ist jedoch nicht im Stande aus dem K\u00f6rpergewicht etwas \u00fcber das Verhalten des Eiweisses zu entnehmen ; die Zunahme des K\u00f6rpergewichts kann durch einen Ansatz von Wasser oder Fett bedingt sein. Das Fleischextrakt liefert sicherlich keine Stoffe zur Synthese von Eiweiss ; Kemmerich 1 hat einen mit Fleischextrakt gef\u00fctterten Hund, der noch genug Fett in seinem K\u00f6rper besass, wegen der dadurch veranlassten Vermehrung des Eiweissumsatzes eher zu Grunde gehen sehen als einen vollst\u00e4ndig hungernden; vor Allem aber geht dies aus den Versuchen von E. Bischoff4 hervor: gab er zu Brod, bei welchem ein Hund best\u00e4ndig etwas Eiweiss von seinem K\u00f6rper einb\u00fcsste, Fleischextrakt hinzu, so wurde der Eiweissverlust nicht geringer, sondern etwas gr\u00f6sser. Oertmann5 that endlich durch direkte Versuche die Fehlerhaftigkeit der Angabe Rudzki\u2019s dar ; nach Aufnahme von Reisst\u00e4rke, Fett und Fleischasche mit und ohne Zusatz von Harns\u00e4ure gingen die Thiere alle zu Grunde und das Leben wurde durch die Harns\u00e4ure nicht verl\u00e4ngert.\nWenn ein solcher Aufbau von Eiweiss m\u00f6glich w\u00e4re, so m\u00fcsste aus stickstoffhaltigen Zersetzungsprodukten bei Gegenwart von Fett oder Zucker stets Eiweiss synthetisch entstehen, namentlich m\u00fcssten Thiere, welche viel Harns\u00e4ure ausscheiden, von Fett oder Zucker l\u00e4ngere Zeit leben\n1\tEscher, Vierteljahrschr. d. naturf. Ges. in Z\u00fcrich. 1876. S. 36.\n2\tRudzki, Petersburger med. Woch. 1876. No. 29.\n3\tKemmerich, Arch. f. d. ges. Physiol. II. S. 86. 1869.\n4\tE. Bischoff, Ztschr. f. Biologie. Y. S. 454. 1869.\n5\tOertmann, Arch. f. d. ges. Physiol. XV. S. 369. 1877.","page":392},{"file":"p0393.txt","language":"de","ocr_de":"Organische NahrungsStoffe : Das Pepton.\t393\nk\u00f6nnen, was doch nicht der Fall ist (siehe \u00fcber die Regeneration von Ei-weiss S. 296).\nMan hat fr\u00fcher, ausgehend von der schon (S. 339 u. 340) erw\u00e4hnten irrigen Vorstellung Liebig\u2019s, nach der das Eiweiss allein im Stoffwechsel zu Grunde gehen d. h. nur als organis\u00e2tes Eiweiss durch die Th\u00e4tigkeit der Organe zersetzt werden soll, dasselbe als den einzigen Nahrungsstoff betrachtet und deshalb den Werth einer Nahrung vorz\u00fcglich nach deren Eiweissgehalt gesch\u00e4tzt. Das Eiweiss ist aber nicht der einzige Nahrungsstoff, es ist auch im Allgemeinen nicht vor die anderen zu stellen, da jeder f\u00fcr den Organismus n\u00f6thige Nahrungsstoff gleich vorz\u00fcglich und wichtig ist und zur Erhaltung des Lebens zugef\u00fchrt werden muss; nehmen wir z. B. die Aschebestandtheile aus der Nahrung weg, so geht der K\u00f6rper schliesslich zu Grunde und zwar nicht wesentlich sp\u00e4ter als ohne jede Nahrung. Aber das Eiweiss hat einen Vorrang vor den anderen Nahrungsstoffen dadurch voraus, dass es als leicht zersetzlicher Stoff vor Allem den Gang der Zersetzungen im K\u00f6rper bestimmt, dass es zur Erhaltung des K\u00f6rperbestandes f\u00fcr alle organischen Nahrungsstoffe eintreten kann und vorz\u00fcglich die Erscheinungen des Lebens erm\u00f6glicht.\nVon den Elementen des zersetzten Eiweisses werden beim Fleischfresser, wo die Verh\u00e4ltnisse am einfachsten liegen, der Stickstoff zu 98.6% im Harn und 1.4% im Koth ausgeschieden, der Kohlenstoff zu 16.9 o/0 im Harn, 2.7% im Koth und 80.4% in der Respiration. 1\nE) Das Pepton.\nAn die eiweissartigen Stoffe schliessen sich die Peptone (Pepsin-und Pankreaspeptone) an. Dieselben k\u00f6nnen aus dem nativen Eiweiss unter Wasseraufnahme im Magen oder Darmkanal erst entstehen oder schon als solche eingef\u00fchrt werden.\nAus dem S. 119 Angegebenen ist noch nicht sicher durch Stoffwechselversuche entschieden, ob das Pepton im Thierk\u00f6rper vollkommen die Rolle des Eiweisses \u00fcbernimmt und in Eiweiss verwandelt wird. Das Pepton scheint vielmehr nach Allem ungleich leichter zersetzlich zu sein als das Eiweiss und stets vollst\u00e4ndig zerst\u00f6rt zu werden. Durch diese Eigenschaft wird es zum vorz\u00fcglichsten Eiweisssch\u00fctzer, den wir kennen; es vermag durch seine Zerst\u00f6rung fast ganz oder ganz den Verbrauch von gel\u00f6stem Eiweiss\n1 Pettenkoferii. Voit, Sitzgsber. cl. bayr. Acad. Math.-phys. CI. 1863. 16. Mai. S. 547.","page":393},{"file":"p0394.txt","language":"de","ocr_de":"394 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\nin den Zellen und Geweben aufzubeben, so dass bei einer gen\u00fcgenden Peptongabe nur so viel Eiweiss als solches noch zugef\u00fchrt werden muss, um die zu Verlust gegangenen organisirten Theile, vorz\u00fcglich die Blutk\u00f6rperchen, die Epithel- und Epidermiszellen wieder aufzubauen.1 Nach dieser Auffassung h\u00e4tte das Pepton nahezu die gleiche Bedeutung wie das in der Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit zugef\u00fchrte Eiweiss, nur w\u00e4re es nicht im Stande in Eiweiss \u00fcberzugehen und einen Ansatz von Eiweiss zu bewirken2; t\u00e4glich w\u00fcrde dabei eine kleine Menge von Eiweiss verloren gehen und schliesslich, allerdings vielleicht erst nach langer Zeit, der Tod durch Eiweissmangel ein-treten, da der Wiederersatz der zerst\u00f6rten oder abgestossenen zeitigen Gebilde auf Kosten des Eiweisses der \u00fcbrigen Organe gesch\u00e4he. Nach der eiweisssch\u00fctzenden Wirkung des Leims berechnet, k\u00f6nnten 7 Monate und noch mehr vergehen, bis das Eiweiss im K\u00f6rper so weit aufgezehrt ist, dass der Tod eintritt.\nDie ersten F\u00fctterungsversuche mit Pepton hat Pl\u00f6sz3 4 angestellt. Er suchte einen 10 Wochen alten Hund von 1.8 Kilo Gewicht mit einem Futter aufzuziehen, das statt des Eiweisses Pepton enthielt; das Thier nahm dabei in 18 Tagen um 501 Grm. an Gewicht zu, woraus Pl\u00f6sz schliesst, dass das Pepton das Eiweiss zu vertreten im Stande ist. Diese Gewichtszunahme ist aber nach meinen Erfahrungen nicht daf\u00fcr beweisend, das Thier h\u00e4tte bei ausschliesslicher F\u00fctterung mit stickstofffreien Stoffen um ebensoviel an Wasser und Fett gewinnen k\u00f6nnen.\nZu gleicher Zeit hat Maly 4 einen Ern\u00e4hrungsversuch mit Pepton an Tauben ausgef\u00fchrt, die er mit verschiedenen Mengen von Weizen unter Zusatz einer aus Pepton, St\u00e4rkemehl etc. zusammengesetzten und zu Pillen geformten Masse f\u00fctterte. Das Gewicht der Tauben hatte nun in 12 Tagen um 3.0 Grm., in 15 Tagen um 11.5 Grm. zugenommen. Aber auch dieser Versuch bringt aus dem gleichen Grunde wie der vorige keinen Entscheid.\nEs liegen mir vergleichende Versuche mit Ratten in dieser Richtung vor. Die gefr\u00e4ssigen Thiere erhalten sich mit ausgelaugtem Fleischmehl, Fleischextrakt und Fett dauernd; bei Aufnahme eines Gemisches von Pepton, Fett und Fleischextrakt gehen sie, obwohl\n1\tWenn dies richtig ist, so m\u00fcsste ein gewisser Theil des Eiweisses aus dem Darm als solches und nicht peptonisirt in die S\u00e4fte \u00fcbergehen. Dies ist auch durch die Yersuche von Br\u00fccke, sowie durch die von Bauer und mir dar-gethan worden.\n2\tF\u00fcr niedere Organismen, welche auch aus Ammoniaksalzen ihr Eiweiss auf bauen k\u00f6nnen, wie z. B. die Spaltpilze, ist das Pepton das vorz\u00fcglichste Eiweiss ansetzende Mittel.\n3\tPl\u00f6sz, Arch. f. d. ges. Physiol. IX. S. 323. 1S74.\n4\tMaly, Ebenda. IX. S. 605. 1874.","page":394},{"file":"p0395.txt","language":"de","ocr_de":"Organische Nahrungsstoffe : Die leimgebenden Gewebe und der Leim. 895\nsie dasselbe bis zum letzten Tage fressen und verdauen, nach 7 Monaten zu Grunde, aber nicht wenn man dem Gemische etwas Eiweiss beif\u00fcgt. Daraus scheint hervorzugehen, dass das Pepton als Nahrungsstoff nicht die volle Bedeutung des Eiweisses besitzt d. h. im K\u00f6rper nicht in Eiweiss \u00fcbergeht.\nIst dies so, dann k\u00f6nnen wir den Nutzen der Peptonpr\u00e4parate f\u00fcr Kranke richtig beurtheilen.1 Man wird durch sie jedenfalls eine Ersparung an Eiweiss erzielen, ja bei der geh\u00f6rigen Gabe derselben den Eiweissverlust vom K\u00f6rper fast ganz verh\u00fcten k\u00f6nnen. Im h\u00f6chsten Falle wirkt das in dem trockenen Pr\u00e4parate enthaltene Pepton wie die gleiche Menge Eiweiss. Darum muss man immer bedenken, wieviel man Pepton zur Erhaltung des K\u00f6rpers n\u00f6thig hat. Ein Kranker braucht dazu sicherlich im Tag gegen 80 Grm. trockenes Pepton zugleich mit viel stickstofffreien Stoffen; so viel hat man aber, wie ich glaube, noch keinem Kranken beigebracht. Allerdings ist etwas Weniges besser wie nichts; es fragt sich jedoch, ob die gleiche Wirkung nicht ebensogut durch eine andere Substanz als durch das meist unangenehm schmeckende Pepton zu erreichen ist.\nC) Die leimgebenden Gewebe und der Leim.2\nUeber die Rolle des leimgebenden Gewebes und des Leimes bei der Ern\u00e4hrung ist viel gestritten worden. Im Laufe der Zeit sah man den Leim als eine vollkommene Nahrung an, dann wurde er wieder als ganz nutzlos, ja als sch\u00e4dlich verdammt.\nIn der animalischen Kost wird von den fleischfressenden Thieren viel leimgebendes Gewebe (Knochen, Knorpel, Sehnen, Bindegewebe) verzehrt, vom Menschen in den durch die Kochkunst zubereiteten Speisen eine nicht unbetr\u00e4chtliche Menge von Leim.\nIm frischen Muskel finden sich etwa 2 \u00b0/0 leimgebendes Gewebe, welches beim Kochen oder im Darmkanal in Leim \u00fcbergeht. Die trockenen Knochen enthalten mindestens 25 % leimgebendes Ossein, von dem im Darmkanal der Hunde ein ansehnlicher Th eil verwertet werden kann; nach Etzinger wurden in einem Falle aus den verzehrten Knochen 53% des Osseins resorbirt. Knorpel, Bindegewebe und Nackenband werden nach den quantitativen Versuchen von Etzinger in grosser Menge vom Fleischfresser verdaut und treten\n1\tSiehe hier\u00fcber: Rubner, Ztschr. f. Biologie. XV. S. 485. 1879.\n2\tA. Gu\u00e9rard, M\u00e9moire sur la gelatine. Paris 1871 ; Ann. d\u2019Hygi\u00e8ne publiq. (2) XXXYI. p. 5. 1871. \u2014 Voit, Ztschr. f. Biologie. VIII. S. 297. 1872. \u2014 Joh. Etzinger, Ebenda. X. S. 84. 1874. \u2014 Voit, Ebenda. X. S. 202. 1874.","page":395},{"file":"p0396.txt","language":"de","ocr_de":"396 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\nim Kotli nicht mehr auf1 2; ebenso verschwindet der Leim in betr\u00e4chtlicher Menge aus dem Darmkanal.\nEs ist bekannt, dass Dionys Papin 2 um das Jahr 1682 mit seinem nach ihm benannten Digestor namentlich aus Knochen Leim ausgezogen und mit der daraus bereiteten Suppe Arme gespeist hatte. Man hielt damals, als man die chemische Zusammensetzung der Nahrungsstoffe noch nicht kannte, das Aufl\u00f6sliche f\u00fcr das Nahrhafte, und so meinte man im Leim geradezu das N\u00e4hrende ausgezogen zu haben.\nAls man sich zur Zeit der ersten franz\u00f6sischen Revolution eifrig damit besch\u00e4ftigte die Nahrung der Soldaten und des Volkes zu verbessern, wurde man wieder auf den Leim aufmerksam, und es waren namentlich Proust, d\u2019Arcet, Pelletier, Cadet de Vaux, welche verbesserte Methoden zur Gewinnung des Leims aus Knochen angaben. Man beurtheilte damals neben der L\u00f6slichkeit auch aus dem Stickstoffgehalt einer Substanz deren N\u00e4hrwerth und hielt den Leim f\u00fcr die einzige n\u00e4hrende Substanz des Fleisches und der Knochen; man meinte, der wohlfeile Leim ersetze deshalb das Fleisch und andere thierische Substanzen. Die Knochen enthalten nach dieser Anschauung viel mehr von dem nahrhaften Stoffe als das Fleisch, weshalb man auf die leimhaltige Fleisch - und Knochenbouillon so grossen Werth legte.\nEine von dem Institut von Frankreich niedergesetzte Kommission (Guyton-Morveau und Deyeux), die erste Gelatinekommission3, hatte ein von Cadet de Vaux vorgelegtes Memoire \u00fcber die Herstellung einer Nahrung aus Knochen zu pr\u00fcfen ; sie erkannte in ihrem Berichte zwar an, dass der Leim \u201en\u00e4hrende Eigenschaften\u201c besitze, ja dass er in gewissen F\u00e4llen das Fleisch ersetzen k\u00f6nne, aber sie hielt es doch nicht f\u00fcr erwiesen, dass der N\u00e4hrwerth eines Nahrungsmittels nur durch die darin enthaltene Leimmenge gemessen werden k\u00f6nne.\nDer Verbrauch des Leims verbreitete sich aber nicht; man schob indess den Misserfolg auf die Geschmack- und Geruchlosigkeit der nahrhaften Knochengallerte und suchte ihren Geschmack durch eine W\u00fcrze zu verbessern (die beiden d\u2019Arcet). Die medizinische Akademie zu Paris war damals (1814) von der Soci\u00e9t\u00e9 philantropique gefragt worden, ob und in welchem Grade der Leim nahrhaft sei und ob sein Gebrauch als Nahrungsmittel gesund sei. Die Akademie4 hielt f\u00fcr v\u00f6llig entschieden,\n1\tNachdem Boerhave (Physiologie, \u00fcbers, von Eberhard. S. 1S8. 1754) und Haller sich gegen die Verdauung der Knochen, Sehnen u. s. w. ausgesprochen, gab R\u00e9aumur (M\u00e9moires de l\u2019acad. Royale 1752) und Spallanzani (Versuche \u00fcb. d. Verdauungsgesch\u00e4ft, \u00fcbers, v. Michaelis. 1785) die Aufl\u00f6sung von Knochen, Sehnen, Leder und Fellen durch Raubv\u00f6gel und Schlangen, ja auch durch den Magen des Hundes und des Menschen an. Diese L\u00f6sung best\u00e4tigten die qualitativen Untersuchungen von Tiedemann und Gmelin (Die Verdauung nach Versuchen. I. S. 197. 210. 303), von Blondlot (Trait\u00e9 analytique de la digestion, p. 317. 407. 1843) und von Frerichs (Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. III. (1) S. 811).\n2\tPapin, La mani\u00e8re d\u2019amollir les os et de cuire toutes sortes de viandes. Paris\n1682.\n3\tGuyton-Morveau u. Deyeux, Bericht vom 24. Messidor an X. 1802.\n4\tBericht von Leroux, Dubois, Pelletan. DumLril u.Vauquelin, Ann. d. chim. XCII.p. 300. 1814.","page":396},{"file":"p0397.txt","language":"de","ocr_de":"Organische Nahrungsstoffe : Die leimgebenden Gewebe und der Leim. 397\ndass der Leim nahrhaft sei: er mache die Fleischbr\u00fche n\u00e4hrend und er sei die am meisten n\u00e4hrende thierische Materie.\nVon da an verbreitete sich der Gebrauch des Leims in den \u00f6ffentlichen Anstalten von Paris, namentlich in vielen Spit\u00e4lern.1 Aber in mehreren scheiterte der Fortgebrauch der Leimsolution bald an dem Widerwillen der Consumirenden, was namentlich in einem von den Aerzten und Pharmazeuten des H\u00f4tel Dieu erstatteten Rapport hervorgehoben wurde. In einigen Anstalten wurde jedoch lange Zeit hindurch die Knochenleimsuppe gegeben und erst die im Grossen gemachten ung\u00fcnstigen Erfahrungen bestimmten die Leitungen mit der Darreichung derselben aufzu-h\u00f6ren ; im Hospital Saint-Louis wurde die Suppe erst abgeschafft, nachdem in demselben von 1S29 \u20141838 nicht weniger als 2.75 Millionen Portionen verabreicht worden waren.\nDie ersten wissenschaftlichen Versuche \u00fcber die Bedeutung des Leims wurden von Donn\u00e9 (1831) an sich und an Hunden ausgef\u00fchrt, welche das Resultat ergaben, dass der Leim nur wenig oder gar nicht nahrhaft sein k\u00f6nne. Seine Versuche sind aber nicht beweisend; man wusste damals noch nicht, wie man Fragen der Art entscheiden m\u00fcsse. Er verzehrte n\u00e4mlich w\u00e4hrend 7 Tagen je 20\u201450 Grm. trockenen Leim mit 85\u2014100 Grm. Brod, wobei er unter Schw\u00e4che und Hungergef\u00fchl an Gewicht abnahm; er h\u00e4tte aber zu der kleinen Portion Brod 20 \u2014 50 Grm. trockner Substanz nehmen d\u00fcrfen, welche er gewollt h\u00e4tte, und es w\u00e4re das gleiche Resultat herausgekommen. Die Hunde frassen den ihnen mit Brod Vorgesetzten Leim bald nicht mehr und w\u00e4ren zu Grunde gegangen, woraus aber nur hervorgeht, dass denselben der Leim nicht schmeckte.\nNach der Beobachtung des Leimfabrikanten G annal verschonten die Ratten den in seiner Fabrik vorr\u00e4thigen Leim, w\u00e4hrend sie die Abf\u00e4lle von der Leimbereitung gierig frassen. Dies veranlasste ihn in seiner Familie Versuche zu machen. Es stellte sich alsbald die Unm\u00f6glichkeit heraus, sich ausschliesslich mit Leim zu ern\u00e4hren. Aber auch bei Leimzusatz zu einer sonst hinreichenden Menge von Brod schien die Ern\u00e4hrung nicht anders zu sein, als bei derselben Quantit\u00e4t von Brod ohne den Leim; die Versuche mussten nach einigen Wochen wegen des un\u00fcberwindlichen Ekels vor dem Leim eingestellt werden. Man ist aber, wie wir jetzt einsehen, nicht im Stande auf diese Weise festzustellen, ob der Leim ein Nahrungsstoff ist; ich halte es ferner f\u00fcr unm\u00f6glich, l\u00e4ngere Zeit von Brod allein zu leben und sich zu erhalten.\nAuch die eingehenden Versuche von William Edwards und Balzac2 an Hunden konnten keinen Entscheid bringen. Mit Weissbrod allein nahmen die Thiere allm\u00e4hlich an Gewicht ab, weniger dagegen bei Zusatz einer Leiml\u00f6sung zum Brod; bei Zusatz von Fleischbr\u00fche zum Brod oder zum Brod mit Leim ern\u00e4hrten sie sich vollst\u00e4ndig. Darum meinten Edwards und Balzac, der Leim trage wohl zur N\u00e4hrf\u00e4higkeit eines Gemisches bei, jedoch w\u00e4re er mit Brod zur Ern\u00e4hrung ungen\u00fcgend; der\n1\tA. De PuYMAtTRiN, M\u00e9moire sur l\u2019application du proc\u00e9d\u00e9 d. M. Darcet \u00e0 la nourriture des ouvriers de la monnaie des m\u00e9daill\u00e9s. Paris 1820.\n2\tEdwards et Balzac, Ann. des sciences natur.XXVI. p. 318. 1832 ; Journ. des connaissances usuelles. XVII. p. 17. 1833. \u2014 Edwards, Recherches statistiques sur l\u2019emploi de la gelatine comme substance alimentaire.","page":397},{"file":"p0398.txt","language":"de","ocr_de":"398 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\nLeim ist ihnen nur ein Nahrungsmittel, das mit anderen Stoffen gegeben werden m\u00fcsse, um eine Nahrung darzustellen. Edwards und Balzac, deren Versuche mit ungleich mehr Einsicht angestellt worden sind als die der sp\u00e4teren Gelatinekommission, kamen der Wahrheit \u00fcber den N\u00e4hrwerth des Leimes viel n\u00e4her als Magendie mit seinen gleich zu erw\u00e4hnenden Versuchen. H\u00e4tten sie die Quantit\u00e4t der von den Hunden aufgenommenen Substanzen bestimmt, so h\u00e4tten sie erfahren, dass die Fleischbr\u00fche nur als Genussmittel wirkt, welches die Hunde veranlasste von dem Brode mehr aufzunehmen als ohne die Br\u00fche, und sie h\u00e4tten sich dann nicht mehr gewundert, wie ein so geringf\u00fcgiger Zusatz von einigen Grammen trockner Substanz in einem L\u00f6ffel Fleischbr\u00fche einen so grossen Erfolg haben kann.\nBei diesem Stande des Wissens, als Niemand mehr den Leim f\u00fcr sich allein f\u00fcr eine Nahrung hielt, trat die zweite Gelatinekommission der Pariser Akademie zusammen, welche nach Anstellung einer grossen Anzahl von Ern\u00e4hrungsversuchen an Hunden nach zehnj\u00e4hriger Th\u00e4tigkeit ihren ber\u00fchmten Bericht durch Magendie1 (1841) erstattete.\nNach dem Berichte sollen sich die Thiere mit Leim allein nicht ern\u00e4hren. Dies ist jedoch nicht durch die Kommission nachgewiesen worden, denn die Thiere ber\u00fchrten den Leim entweder nicht oder sie kosteten nur etwas davon und nahmen ihn nur w\u00e4hrend einiger Tage auf. Die Hunde verweigerten auch nach einigen Tagen gekochtes Eiweiss oder hartes Eigelb oder Fett zu fressen, sie Hessen St\u00e4rkemehl unber\u00fchrt, auch einen Brei aus St\u00e4rkemehl mit Butter, ebenso Zucker, ja selbst Brod, und doch zweifelt kein Mensch daran, dass alle diese Stoffe die trefflichsten Nahrungsstoffe sind. Der Hauptfehler der Kommission, der sie vielfach in die Irre leitete, war der, dass sie meinte, eine vom Thier aus Geschmacksr\u00fccksichten verweigerte Substanz k\u00f6nne kein Nahrungsstoff sein, und dass sie die Menge der von den Thieren verzehrten Stoffe nicht bestimmten. Selbst wenn man die Substanz zwangsweise beibringt, l\u00e4sst sich durch eine solche Versuchsanordnung nur entscheiden, ob sie eine Nahrung ist, aber nicht ob sie die Bedeutung eines Nahrungsstoffes hat.\nDie Kommission nahm aber auch bei Zusatz von Brod und Fleisch zu dem Leim eine unvollst\u00e4ndige Ern\u00e4hrung wahr; die Thiere gingen n\u00e4mlich schliesslich dabei am 80. bis 90. Tage unter den Erscheinungen des Hungers zu Grunde. Sie meinte daher, der Leim, mit anderen Nahrungsmitteln gemischt, verbessere dieselben nicht, sondern mache sie im Gegentheil ungen\u00fcgend. Dies geht jedoch ebenfalls nicht aus ihren Versuchen hervor, welche nur darthun, dass die dargereichte grosse Menge von Leim nicht ertragen wird und die Verdauung st\u00f6rt. Der Leim, in m\u00e4ssigen Gaben verabreicht, kann nichtsdestoweniger einen Nutzen als Nahrungsstoff haben; man m\u00fcsste die Ern\u00e4hrungsversuche ganz anders einrichten, um die Meinung der Kommission zu beweisen, aus deren Versuchen man ebenso gut die Nutzlosigkeit von Eiweiss, Fibrin, Fett, St\u00e4rkemehl erschliessen k\u00f6nnte. Die Versuche der Kommission f\u00fchrten zu keinem bestimmten Ergebniss, namentlich deshalb, weil man damals die Erfahrungen von der Unzul\u00e4nglichkeit des Leims, des Eiweisses, des 4 ettes^\n1 Magendie, Compt. rend. XIII. p. 237. 1841.","page":398},{"file":"p0399.txt","language":"de","ocr_de":"Organische Nahrungsstoffe : Die leimgebenden Gewebe und der Leim. 399\ndes St\u00e4rkemehls u. s. w. f\u00fcr sich allein zur Ern\u00e4hrung, aus Unbekanntschaft mit der Bedeutung der zu einer Nahrung n\u00f6thigen Nahrungsstoffe nicht zu deuten verstand.\nEine Kommission des Instituts der Niederlande befasste sich auf eine Anfrage des Ministers des Innern ebenfalls mit der Angelegenheit, und erstattete durch Vrolik1 den Bericht \u00fcber ihre Versuche. Sie hielt durch die Gelatinekommission der franz\u00f6sischen Akademie f\u00fcr erwiesen, dass der Leim nicht n\u00e4hrt, sie suchte aber zu entscheiden, ob der Leim, anderen nahrhaften Substanzen zugesetzt, nicht deren \u201eN\u00e4hrkraft\u201c vermehrt. Sie leugnet dies, da bei Zusatz von 25\u2014100 Grm. Leim zu Brod, welches letztere f\u00fcr sich allein die Thiere nicht n\u00e4hrte, die Abnahme des K\u00f6rpergewichts nicht aufgehoben wurde, wohl aber durch 250\u2014500 Grm. Fleisch. Das Gewicht der Thiere kann aber nicht \u00fcber den Werth einer Substanz als Nahrungsstoff entscheiden. Die Akademie der Medizin 2 erkl\u00e4rte noch in ihrer Sitzung vom 22. Jan. 1850, auf B\u00e9rard\u2019s Bericht, die Gelatine \u00fcbe nur eine bel\u00e4stigende Wirkung auf die Verdauungsorgane aus und k\u00f6nne in keiner Weise als Nahrungsmittel gelten.\nSeit diesen durchaus verurtheilenden Ausspr\u00fcchen wurde der Leim in der Nahrung nicht mehr verwendet; nach den fr\u00fcheren Uebertreibungen seines Werthes, die ihn geradezu zu einer ausschliesslichen und wohlfeilsten Nahrung stempelten, erfolgte ein ebenso unberechtigter R\u00fcckschlag ins entgegengesetzte Extrem, wonach an ihm nichts Gutes mehr gelassen wurde und er sogar ein Gift sein sollte, obwohl wir doch in der gekochten animalischen Kost nicht unbedeutende Mengen von Leim verzehren.3\nFrerichs4 wendete gegen alle diese Ern\u00e4hrungsversuche mit Leim zuerst ein, dass dabei die genaueren Verh\u00e4ltnisse des Stoffverbrauchs nicht festgestellt wurden und in dem dabei verabreichten Futter m\u00f6glicherweise zur Ern\u00e4hrung nothwendige organische oder unorganische Stoffe nicht vorhanden waren, die Thiere also zu Grunde gegangen sind, weil ihnen gewisse Stoffe fehlten und nicht weil der Leim keinen N\u00e4hrwerth besitzt. Auch Mulder5 erkannte die Beweiskraft der Versuche Magendie\u2019s nicht an und sagte zuletzt v\u00f6llig richtig: \u201ein der That, die Versuche mit Zucker, welche Magendie anstellte, lehrten, dass blosser Zucker keine Nahrung ist. Jedermann hat dieses Resultat anerkannt, und doch prangt der Zucker und mit Recht wieder unter den Nahrungsstoffen. So wird es mit dem Leim ebenfalls gehen\u201c. Es musste also untersucht werden, wie sich die Eiweiss- und Fettzersetzung unter dem Einfl\u00fcsse des Leimes gestaltet und ob der Leim darauf einen Einfluss besitzt.\n1\tVrolik, Compt. rend. XC. p. 423. 1844.\n2\tBalletin de l\u2019acad\u00e9mie nationale de m\u00e9decine. XX. p. 367. 1849 \u2014 50.\n3\tSiehe \u00fcber diese Frage noch die Discussion in der franz\u00f6sischen Akademie zwischen Fremy, Chevreul, Dumas und Milne-Edwards (Compt. rend. Sem. II. LXXI. p. 559. 747 u. 756. 1870), sowie meine Kritik hier\u00fcber (Ztschr. f. Biologie X S. 207.1874).\n4\tFrerichs, Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. III. (1) S. 683. 1845.\n5\tMulder, Physiol. Chemie. IL S. 590 u. 927. 1844\u20141851.","page":399},{"file":"p0400.txt","language":"de","ocr_de":"400 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\nDie Geschichte dieser Bestrebungen ist fr\u00fcher (S. 123) ausf\u00fchrlich er\u00f6rtert worden. Es hat sich schliesslich durch die von Bischoff und mir, sowie durch die von mir und meinen Sch\u00fclern an Hunden angestellten Versuche ergeben, dass der Leim, wenn er mit der Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit durch die Gewebe geht, zersetzt wird und zwar leichter als das Eiweiss, wodurch er letzteres vor der Zersetzung sch\u00fctzt. Der Leim erspart Eiweiss in viel h\u00f6herem Grade als das Fett und die Kohlehydrate, denn 100 Theile Leim ersetzen 50 Theile Eiweiss, und er wird in dieser Beziehung nur vom Pepton \u00fcbertroffen. Durch gr\u00f6ssere Gaben von Leim neben Fett oder Kohlehydraten wird der Eiweissumsatz im K\u00f6rper sehr herabgesetzt, nie aber ist es m\u00f6glich, durch Leim den K\u00f6rper vor jeglichem Eiweissverlust zu bewahren, stets wird von ihm noch etwas Stickstoff oder Eiweiss abgegeben. 1 Der geringe Eiweissverlust nach Aufnahme grosser Leimmengen r\u00fchrt wahrscheinlich von den zerst\u00f6rten Blutk\u00f6rperchen und den abgestossenen Epidermisgebilden her.\nEs kann demnach der Leim einen betr\u00e4chtlichen Theil des Ei-weisses ersetzen, aber wie schon S. 391 hervorgehoben worden ist, nicht in Eiweiss \u00fcbergehen und nicht organisirte Formen bilden ; die gesammte Menge des gegebenen Leims wird rasch zersetzt'2. Es muss desshalb stets zu dem Leim eine geringe Menge von Eiweiss hinzugesetzt werden, um den Eiweissbestand des K\u00f6rpers zu erhalten. Ausserdem wird bei gr\u00f6sseren Gaben von Leim etwas weniger Fett verbrannt; seine Wirkung in dieser Beziehung ist jedoch keine erhebliche, sie ist wesentlich geringer wie die der stickstofffreien Stoffe. Man kann nicht so grosse Mengen von Leim geben, um den Fettverlust vom K\u00f6rper aufzuheben ; man muss zu dem Zwecke immer stickstofffreie Stoffe hinzuf\u00fcgen.\nDarnach ist also der Leim allerdings keine Nahrung, wohl aber ein h\u00f6chst werthvoller Nahrungsstoff, der bei der Ern\u00e4hrung des Fleischfressers eine nicht unbedeutende Bolle spielt. Um eine Nahrung zu haben, muss man dem Leim etwas Eiweiss und zur Verh\u00fctung der Fettabgabe vom K\u00f6rper stickstofffreie Stoffe zumischen.\nDer Knorpel, das Ossein, das Bindegewebe etc. werden besser ertragen als der Leim, der in gr\u00f6sserer Menge leicht Verdauungsst\u00f6rungen macht. Mein Hund verzehrte z. B. w\u00e4hrend 3 Tagen je 357 Grm. trockenes Ossein mit Gier und ohne Nachtheil, bei Auf-\n1\tBei Aufnahme von 357 Grm. trockenem Ossein mit 50 Grm. Fett im Tag und einer Ausscheidung von 113 Grm. Harnstoff gab der Hund noch Eiweiss von seinem K\u00f6rper ab.\n2\tVoit, Ztschr. f. Biologie. IL S. 228. 1866.","page":400},{"file":"p0401.txt","language":"de","ocr_de":"Organische Nahrungsstoffe : Stickstoffhaltige Stoffe.\n401\nn\u00e4hme der gleichen Menge trockenen Leims h\u00e4tte er gewiss die heftigsten Diarrh\u00f6en bekommen. Zu Zeiten der Noth k\u00f6nnen unstreitig die Knochen, Knorpel, Sehnen u.' s. w. mit Vortheil zur menschlichen Nahrung verwendet werden, wie es auch bei der letzten Belagerung von Paris im Jahre 1870\u201471 geschehen ist. Ja es sind die Erz\u00e4hlungen, dass zu Zeiten der Hungersnoth die Menschen zur Stillung des Hungers Leder genagt h\u00e4tten, nicht unglaublich; aus der gegerbten Bindegewebsfaser der Cutis kann wohl auch noch etwas aufgenommen werden. In dem nach franz\u00f6sischer Art zubereiteten Kalbskopf geniessen wir viel Bindegewebe der Haut. In den \u00f6ffentlichen Anstalten und Volksk\u00fcchen sollten die leimgebenden Gewebe da sie Nahrungsstoffe sind, sorgsamste Verwendung finden.\nIn dem Thierk\u00f6rper findet sich sehr viel leimgebendes Gewebe, nach der S. 388 mitgetheilten Tabelle nicht betr\u00e4chtlich weniger als Eiweiss. Man k\u00f6nnte daher daran denken, ob der in den Speisen aufgenommene Leim oder das in der Nahrung enthaltene leimgebende Gewebe im K\u00f6rper nicht zu leimgebendem Gewebe werde und dadurch Eiweiss spare. Liebig1 2 hatte einmal eine solche Ansicht ausgesprochen, die aber schon von Mulder 2 angefochten wurde. Da nach meinen Versuchen der Leim stets in kurzer Zeit v\u00f6llig zersetzt wird, so kann er im Organismus weder zur Bildung von Eiweiss noch von leimgebendem Gewebe dienen.\nD) Weitere stickstoffhaltige Stoffe.\nDie \u00fcbrigen stickstoffhaltigen Stoffe in der Nahrung, die Pflanzenalkaloide sowie die stickstoffhaltigen Extraktivstoffe, welche in der animalischen Nahrung Zersetzungsprodukte des Eiweisses und zum Theil schon Ausscheidungsprodukte sind, haben, soviel wir jetzt wissen, keine oder nur eine geringf\u00fcgige Bedeutung als Nahrungsstoffe d. h. sie sind nicht im Stande die Zersetzung von Eiweiss und Fett zu verringern oder einen f\u00fcr die Zusammensetzung des K\u00f6rpers noth-wendigen Stoff zur Ablagerung zu bringen.\nDas Kreatin des Fleisches wird, wie ich 3 gezeigt habe, ohne eine Aenderung in der Eiweisszersetzung hervorzubringen, v\u00f6llig entweder als solches oder als Kreatinin im Harn entfernt. Der Harnstoff passirt rasch unver\u00e4ndert den K\u00f6rper4 ; ebenso findet sich die der Nahrung\n1\tLiebig, Thierchemie. 2. Aufl. S. 100. 1843.\n2\tMulder, Physiol. Chemie. II. S. 590 u. 927.\n3\tVoit, Ztschr. f. Biologie. IV. S. 77. 1868.\n4\tDerselbe. Ebenda. II. S. 50 u. 227. 1866.\nHandhuch der Physiologie. Bd. VI.\n26","page":401},{"file":"p0402.txt","language":"de","ocr_de":"402 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\nbeigemischte Harns\u00e4ure nach Zabelin\u2019s Versuchen1 im Harn als Harns\u00e4ure oder als Harnstoff wieder vor, ohne dass der Eiweissumsatz eine Verminderung zeigt. Das Glycocoll, das Sarkosin, das Benzamid2 * bringen eine geringe Vermehrung der Eiweisszersetzung hervor. Nur das Asparagin (S. 173), das in gewissen Pflanzen in nicht unbedeutender Menge vorkommt, soll nach Weiske :j bei Hammeln wie der Leim Eiweiss ersparen, also in diesem Sinne ein Nahrungsstoff sein; es ist schwer zu verstehen, wie das ziemlich einfach zusammengesetzte Asparagin eine solche Wirkung aus\u00fcbt, da es nach Knieriem eine Vorstufe des Harnstoffes ist und als solcher ausgeschieden wird.\nWenn auch nach den fr\u00fcheren Angaben (S. 177 u. 178) Morphium und Chinin, welche zum gr\u00f6ssten Theile unver\u00e4ndert mit dem Harn wieder entfernt werden, etwas Eiweiss vor der Zerlegung sch\u00fctzen, so wird man diese Arzneimittel deshalb wohl nicht als Nahrungsmittel betrachten d\u00fcrfen.\nNur das h\u00f6her zusammengesetzte Lecithin, das in dem Gehirn und im Eidotter in gr\u00f6sserer Menge, in fast allen thierischen und pflanzlichen Nahrungsmitteln in kleiner Menge aufgenommen wird, kann zu den Nahrungsstoffen gerechnet werden. Es liegen noch keine direkten Untersuchungen \u00fcber seine Wirkung auf die Stoffzersetzungen im K\u00f6rper vor. Es ist nicht wahrscheinlich, dass das verzehrte Lecithin als solches in dem Gehirn, den Nerven, dem Blute u. s. w. abgelagert wird, da f\u00fcr diese Organe gen\u00fcgend Lecithin bei dem Eiweisszerfall entsteht (S. \u00f6l und 80) und dasselbe ferner nach den Untersuchungen von A. B\u00f6kay4 im Darmkanal durch das Fett zerlegende Ferment des Pankreas in Glycerinphosphors\u00e4ure, Neurin und fette S\u00e4uren gespalten wird. Diese Zersetzungsprodukte werden gr\u00f6ss-tentheils resorbirt, denn nach Aufnahme von Eidotter nimmt die Phosphors\u00e4ureausscheidung im Harn zu und im Koth findet man nicht die mindeste Spur von Lecithin oder Glycerinphosphors\u00e4ure. Jene Produkte m\u00fcssen dann im K\u00f6rper weiter zerst\u00f6rt werden, wobei die Fetts\u00e4uren wohl das Fett des K\u00f6rpers vor dem Zerfall sch\u00fctzen, also als Nahrungsstoffe eine \u00e4hnliche Rolle wie das Fett spielen.\n1\tZabelin, Ann. d. Chem. u. Pharm. 2. Suppl.-Bd. (3) S. 326. \u2014 Voit, Ztschr. f. Biologie. XIII. S. 530. 1877.\n2\tSalkowski, Ztschr. f. physiol. Chem. I. S. L\n1877, IV. S. 55\n3\tWeiske, Ztschr. f. Biologie. XV. S. 261. 1879.\n4\tA. B\u00f6kay , Ztschr. f. physiol. Chem. I. S. 157. 1877\u201478. sten Nahrungsmitteln in geringen Mengen der Verdauungsfermente angegriffen und wird entleert.\n1880.\n- Das in den mei-\nenthaltene Nuclein wird durch keines wahrscheinlich im Koth wieder","page":402},{"file":"p0403.txt","language":"de","ocr_de":"Organ. Nahrungsstoffe: Stickstofffreie organ. Nahrungsstoffe. \u2014 Neutralfette. 403\n2. Stickstofffreie organische Nahrungsstoffe.\nA) Die Neutralfette.\nDie Neutralfette sind bekanntlich meist Gemische mehrerer leichter oder schwerer schmelzbarer Fette, von Olein, Palmitin, Stearin u. s. w., die sich in Glycerin und verschiedene Fetts\u00e4uren spalten lassen1; sie k\u00f6nnen als die neutralen Glycerin\u00e4ther der Oel-Palmitin-und Stearins\u00e4ure betrachtet werden.\nDie von Menschen und Thieren verzehrten Fette sind als Nahrungsstoffe von grosser, fr\u00fcher nicht gen\u00fcgend gew\u00fcrdigter Bedeutung. Wir nehmen sie rein in dem Schmalz und den Oelen auf, oder mit anderen Substanzen gemischt in animalischen und vegetabilischen Nahrungsmitteln. In ersteren in gr\u00f6sserer Menge im Fleisch gem\u00e4steter Thiere, in der Leber, dem Gehirn, dem Eidotter, in der Milch, im Speck; in letzteren in \u00f6lhaltigen Samen und Fr\u00fcchten (N\u00fcssen, Mandeln, Cocosnuss, Erdnuss, Leinsamen, Mohnsamen). Kleinere Mengen von Fett finden sich in allen Nahrungsmitteln thierischen und pflanzlichen Ursprungs. Ich setze den Fettgehalt einiger Nah-\nrungsmittel hier bei:\n0 o Fett\nMastfleisch.....................5 \u201412\nH\u00fchnerei............................... 12\nMilch...........................3 \u2014 4\nButter..........................85\u201490\nK\u00e4se............................8\u201430\nVegetabilien....................0\u20143\nMandeln,\tN\u00fcsse.................53\u201466\nDas Fett ist ein integrirender Bestandtheil des K\u00f6rpers, wenigstens der h\u00f6heren Thiere, nur in den untersten Thierklassen vermisst man es fast g\u00e4nzlich. Es kommt nicht nur in den grossen Fettreservoiren: im Unterhautzellgewebe, um die Nieren, im Mesenterium u.s. w. vor, sondern auch unsichtbar und fein vertheilt in allen Organen und Fl\u00fcssigkeiten des K\u00f6rpers.\nDie thierischen Fette haben nach den Untersuchungen von E. Schulze und A. Reinecke2 eine ziemlich constante Elementarzusammensetzung. Man findet jedoch Unterschiede bei verschiedenen Thierarten und bei demselben Thier je nach der Individualit\u00e4t, dem M\u00e4stungszustande und der K\u00f6rperstelle. Sie erhielten z. B. f\u00fcr:\n1\tMan erk\u00e4lt bei dieser Spaltung 8.0\u20149.8 0 o Glycerin und 94\u2014 96 % Fetts\u00e4uren.\n2\tE. Schulze u. A. Reusecke. Landw. Versuchsstationen. IX. S. 27. 1867 ; Ann, d. Chem. u. Fharm. CXL1I. S. 191.\n26 *","page":403},{"file":"p0404.txt","language":"de","ocr_de":"404 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\n\tC\tH\tO\nOchsenfett\t.\t76.50\t11.91\t11.59\nHammelfett .\t.\t76.61\t12.03\t11.36\nSchweinefett .\t.\t.\t76.54\t11.94\t11.52\nHundefett .\t.\t76.66\t12.01\t11.33\nKatzenfett\t76.56\t11.90\t11.44\nPferdefett\t77.07\t11.69\t11.24\nMenschenfett .\t.\t76.44\t11.94\t11.62\nButter ....\t75.63\t11.87\t12.50\nGesammtmittel .\t76.50\t11.90\t11.60\nDas Fettgewebe enth\u00e4lt um so weniger Wasser, je mehr Fett in ihm aufgespeichert ist; Schulze und Reinecke fanden:\nWasser\tMembranen\tFett\nim Fettgewebe vom\tOchsen\t.\t9.96\t1.16\t88.88\n\u201e\t\u201e\tr.\tHammel.\t10.48\t1.64\t87.88\n\u201e\t\u201e\tn\tSchwein\t6.44\t1.35\t92.21\nDie Menge des in einem kr\u00e4ftigen Organismus abgelagerten Fettes ist gr\u00f6sser als man es sich gew\u00f6hnlich vorstellt. Ich habe f\u00fcr den von E. Bischoff1 untersuchten st\u00e4mmigen Arbeiter (33 Jahre alt, von 68.65 Kilo Gewicht) an Fett berechnet im:\nSkelett .\t.\t.\t.\t2617.2\nMuskeln ....\t636.8\nGehirn, R\u00fcckenmark 226.9 \u00fcbrige Organe .\t.\t7 3.2\nFettgewebe (12570) 8809.4 (29.92 % Wasser)\n12363.5 = 18.0 % des ganzen K\u00f6rpers oder 44.0 % der Trockensubstanz desselben.\nBer\u00fccksichtigt man nur das von der Leiche abpr\u00e4parirte Fettgewebe, und setzt man f\u00fcr dieses nach den Bestimmungen von A. W. Volkmann2 15% Wasser und 2.5% Membranen an, so geben:\n\tK\u00f6rper- gewicht Kilo\tFett- gewebe\t-4-3 -1-3 o\t0 \u00fc des K\u00f6rpers\tAutor\nM\u00e4dchen, 22 J. wohl gen\u00e4hrt\t55.4\t15670\t12928\t23\tE. Bischoff\nMann, 30 J.\t55.75\t6159\t5081\t9\tG. v. Liebig3\nMann, 45 J.\t\u00bb\t76.51\t11028\t9098\t12\tG. v. Liebig\nMann, 36 J.\t\u00bb\t50.5\t9076\t7488\t15\tDursy 4\nMann. 42 J.\t65.25\t7404\t6108\t10\tDursy\nM\u00e4dchen, neugeb. \u201e\t2.969\t406\t257\t9\tE. Bischoff j\n1\tE. Bischoff, Ztschr. f. rat. Med. (3) XX. S. 75.\n2\tA. W. Volkmann , Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. Math.-phys. Cl. 1S74. 14. Nov. S. 236.\n3\tG. v. Liebig, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1874. S. 96.\n4\tDursy, Lehrb. d. system. Anat. 1863.\n5\tMit 36.74\u00b0 o Wasser im Fettgewebe.","page":404},{"file":"p0405.txt","language":"de","ocr_de":"Organ. Nahrungsstoffe : Stickstofffreie organ. Nahrungsstoffe. \u2014 Neutralfette. 405\nWie man daraus ersieht, ist die im K\u00f6rper angeh\u00e4ufte Fettmenge eine sehr betr\u00e4chtliche ; sie ist fast doppelt so gross als die im Organismus befindliche Eiweissquantit\u00e4t. Das sichtbare, abpr\u00e4parirbare Fett macht schon 9\u201423 % des K\u00f6rpergewichts aus. Das Weib enth\u00e4lt verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig mehr Fett als der Mann. Man dachte sich fr\u00fcher den Gehalt an Fett wesentlich geringer: nach Burdach sollte beim Menschen das Fett nur 5% betragen, nach Moleschott nur 3%. Die Gegenwart eines so gewaltigen Fettvorraths ist f\u00fcr die Vorg\u00e4nge im K\u00f6rper von der gr\u00f6ssten Bedeutung.\nIn Mastthieren h\u00e4uft sich noch wesentlich mehr Fett an; La wes und Gilbert1 fanden bei ihren Schlachtversuchen folgende prozentige Zusammensetzung des ganzen Thiers (S. 348):\n\t\u00b0/o Wasser\tEiweiss\t\u00b0/o Fett\t\u00b0/o Asche\nHalbfetter Ochs . .\t51.5\t16.6\t19.1\t4.66\nFetter Ochs ....\t45.5\t14.5\t30.1\t3.92\nMageres Schaf . . .\t57.3\t18.4\t18.7\t3.16\nHalbfettes Schaf . .\t50.2\t14.0\t23.5\t3.17\nFettes Schaf ....\t43.4\t12.2\t35.6\t2.81\nSehr fettes Schaf .\t35.2\t10.9\t45.8\t2.90\nMageres Schwein .\t55.1\t13.7\t23 3\t2.67\nFettes Schwein . .\t41.3\t10.9\t42.2\t1.65\nUm die hohe Bedeutung des im K\u00f6rper abgelagerten und ihm in der Nahrung zugef\u00fchrten Fetts zu w\u00fcrdigen, muss man bedenken, dass der hungernde Organismus neben Eiweiss Fett einbiisst und zwar von letzterem mehr wie doppelt so viel als von ersterem; es muss also in der Nahrung etwas geboten werden, wodurch die Fettabgabe verhindert wird. Dies kann nach unsern fr\u00fcheren Erfahrungen vorz\u00fcglich geschehen durch Eiweiss, Fett und Kohlehydrate. Man ist im Stande einen schon fetten K\u00f6rper durch Zufuhr von Eiweiss allein nicht nur auf seinem Eiweiss- sondern auch auf seinem Fett-bestande l\u00e4ngere Zeit zu erhalten, aber man hat dazu grosse Quantit\u00e4ten von Eiweiss noting; ist der K\u00f6rper fettarm, so gelingt dies nicht, da dazu \u00fcberm\u00e4ssige Mengen von Eiweiss geh\u00f6ren, mehr als\n1 Lawes u. Gilbert, Phil. Transact. II. p. 494. 1859. \u2014 In 100 Theilen K\u00f6rpergewichtszunahme bei der M\u00e4stung ermittelten sie :\n\tWasser\tEiweiss\tFett\tAsche\nSchwein\t28.6\t7.76\t63.1\t0.53\nSchaf\t20.1\t7.13\t70.4\t2.34\nOchs\t24.6\t7.69\t66.2\t1.47\nMittel\t24.4\t7.53\t66.6\t1.45","page":405},{"file":"p0406.txt","language":"de","ocr_de":"406 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\nder Darm zu resorbiren vermag. Giebt man aber einem Fleischfresser neben dem Eiweiss noch Fett, so wird der Vorrath des cirkulirenden Eiweisses und damit die Eiweisszersetzung geringer; man braucht daher in diesem Falle wesentlich kleinere Mengen von Eiweiss, um die Eiweissabgabe zu verh\u00fcten, und ist zugleich im Stande, auch den Fettverlust zu hindern. Es ist ferner nicht m\u00f6glich mit Eiweiss allein einen mageren Organismus reich an Eiweiss und Fett zu machen ; nur bei einem Zusatz von Fett (oder Kohlehydraten) kommt Eiweiss und Fett in gr\u00f6sserem Umfang zur Ablagerung.\nF\u00fcr die Erhaltung und Vermehrung von Eiweiss und Fett am Thier kommt es vor Allem auf das richtige Verh\u00e4ltniss der beiden Stoffe im K\u00f6rper und in der Nahrung an; ein Ueberschuss von Eiweiss macht, dass wesentlich mehr davon zu den genannten Zwecken n\u00f6thig ist.\nDadurch tritt die hohe Bedeutung des Fettes in der Nahrung und im K\u00f6rper hervor. Das leicht zerlegiiche gel\u00f6ste Eiweiss ist es, welches den Gang der Zersetzung bestimmt; aber das Fett soll durch seine Wirkung auf den Vorrath des cirkulirenden Eiweisses den Verbrauch und Bedarf an Eiweiss auf das geh\u00f6rige Maass herabsetzen, so dass nur ein Theil der Kraft der Zellen zur Spaltung des Eiweisses verwendet wird und der Rest dazu dient, Fett zu zerlegen. Die Muskelarbeit verleiht der Zelle die F\u00e4higkeit mehr Stoff zu zerfallen; nach dem Verbrauch des disponiblen Eiweisses wird dazu das Fett in Anspruch genommen: darum ist nichts von gr\u00f6sserem Einfluss auf den Fettumsatz als die Arbeit und hat der Arbeiter in der Nahrung mehr Fett (oder Kohlehydrate) n\u00f6thig.\nDas im K\u00f6rper unter dein Einfl\u00fcsse von Fett (oder Kohlehydraten) abgelagerte Fett bedingt nicht allein einen geringeren Zerfall von Eiweiss, sondern es dient auch als ausgiebiges Reservoir f\u00fcr Zeiten der Noth, namentlich f\u00fcr den Arbeiter. W\u00e4re das Fett leichter zersetz-lich als das Eiweiss, so k\u00f6nnte eine solche Aufspeicherung nicht stattfinden. Ein mit Fett in mittlerem Grade versehener K\u00f6rper ist dauernden Anstrengungen besser gewachsen als ein fettarmer ; er ertr\u00e4gt den Hunger ungleich l\u00e4nger, w\u00e4hrend beim Mageren nach Verbrauch des Fetts die Eiweisszersetzung rapid ansteigt, wodurch dem Leben fr\u00fche ein Ende gemacht wird. F\u00fcr beschwerliche Touren, auf die man nicht die volle Nahrung mittragen kann, beschr\u00e4nken sich die Gebirgsbewohner auf Schmalz, das f\u00fcr sie wichtiger ist als das Eiweiss, da bei der Anstrengung vorz\u00fcglich das Fett angegriffen wird und der Fettverlust auch den Eiweissverbrauch steigert. Einem Rekonvalescenten oder Kranken muss man allerdings Eiweiss geben, um die Zersetzung in den Zellen in geh\u00f6rigen Gang zu bringen, aber","page":406},{"file":"p0407.txt","language":"de","ocr_de":"Organ. Nahrungsstoffe : Stickstofffreie organ. Nahrungsstoffe. \u2014 Neutralfette. 407\ndaneben ist es von der gr\u00f6ssten Wichtigkeit, den Fettverlust vom K\u00f6rper nicht zu gross werden zu lassen und stickstofffreie Substanzen zu reichen, damit das verzehrte Eiweiss nicht alles zerlegt wird und Eiweiss und Fett zum Ansatz kommen kann.\nDarum finden wir in jeder guten Nahrung der h\u00f6heren Thiere, auch der Pflanzenfresser, eine gewisse Menge von Fett vor. Es ist sicherlich nicht ohne Bedeutung, dass die erste Nahrung des S\u00e4ugethiers, die Milch, so viel Fett enth\u00e4lt wie Eiweiss. Eine gute Nahrung zeichnet sich durch einen reichlichen Gehalt an Fett aus (geschmalzene Kost); in der k\u00e4rglichen und schlechten Nahrung, z. B. der Gefangenen, findet sich in der Pegel wenig Fett. Der Thran thut deshalb bei schw\u00e4chlichen Kindern f\u00fcr die Hebung der Ern\u00e4hrung die besten Dienste.\nAus dem Fr\u00fchem ist es verst\u00e4ndlich, warum das Fett f\u00fcr sich allein als organischer Nahrungsstoff nicht gen\u00fcgt: das cirkulirende Eiweiss zerf\u00e4llt leichter, so dass auch bei den gr\u00f6ssten Gaben von Fett, auch wenn dabei Fett zum Ansatz gelangt, immer noch Eiweiss umgesetzt wird. Es geht daher ein mit Fett, Wasser und Aschebestand-theilen gef\u00fcttertes Thier zu Grunde, allerdings nach etwas l\u00e4ngerer Zeit als ohne jegliche Zufuhr, und zwar dann, wenn die Eiweiss-meuge im K\u00f6rper nicht mehr hinreicht die Th\u00e4tigkeit der Organe zu erm\u00f6glichen. Magendie giebt an, dass ein Hund, der nur Butter erhielt, am 68. Tage Hungers starb, obwohl er sehr fett war; ein anderer lebte 56 Tage lang t\u00e4glich mit 120 Grm. Schweineschmalz, wornach sich bei der Sektion eine grosse Masse Fett, vorz\u00fcglich unter der Haut, aber eine allgemeine Atrophie der Organe fand. Von mir beobachtete Ratten, welche bei Entziehung jeglichen Futters, schon nach 3 bis h\u00f6chstens 9 Tagen verendeten, hielten es mit Fett 26\u201429 Tage lang aus.\nEs k\u00f6nnen bedeutende Quantit\u00e4ten von Fett im Darm resorbirt werden 1. Ein Hund von 33 Kilo Gewicht vermochte im Tag von 350 Grm. verzehrtem Fett 346 Grm. in die S\u00e4fte aufzunehmen; bei Aufnahme von 500 Grm. Fleisch mit 200 Grm. Fett, sowie von 800 Grm. Fleisch mit 350 Grm. Fett wurden nur 5 Grm. Fett im Koth entfernt. Wenn bei Darreichung von 100 Grm. Fett 3 Grm. desselben nicht resorbirt werden, so ist mit 97 Grm. Fett nicht die Grenze der Fettaufnahme gekommen, so zwar, dass bei Vermehrung der Fettgabe auf 200 Grm., jetzt 103 Grm. Fett im Koth abgehen, sondern es steigert sich bei weiterem Zusatze von Fett bis zu einem gewissen Maximum immer wieder die Aufnahmsf\u00e4higkeit und es w\u00e4chst die Fettausscheidung im Koth nur ganz unbedeutend an.\n1 Pettenkofer u. Voit, Ztsclir. f. Biologie. IX. S. 30. 1873.","page":407},{"file":"p0408.txt","language":"de","ocr_de":"408 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\nEine reichliche Ansammlung von Fett im K\u00f6rper setzt durch langsamere Entziehung des Nahrungsfetts aus-den S\u00e4ften die Resorption desselben im Darm herab. Nach lange dauernder F\u00fctterung des Hundes mit gr\u00f6sseren Mengen von Fett, wobei fortw\u00e4hrend Fettansatz am K\u00f6rper stattfindet, wird der Koth n\u00e4mlich immer reicher an Fett. Bei einer 58t\u00e4gigen Reihe mit Zufuhr von 500 Grm. Fleisch und 200 Grm. Fett stieg der Fettgehalt des trockenen Koths von 24.9 \u00b0/o auf 32.1% und zuletzt auf 37.6%, so dass darin in der zweiten H\u00e4lfte des Versuchs t\u00e4glich um 2.5 Grm. Fett mehr ausgeschieden wurden als in der ersten.\nAuch im menschlichen Darm k\u00f6nnen nach den Ausn\u00fctzungsversuchen von M. Rubner 1 bis \u00fcber 300 Grm. Fett im Tag resorbirt werden. Das Fett wurde mit Fleisch und Brod aufgenommen und dabei erhalten:\nF e 11 a r t\tFett auf\tFett im Koth\tFett in 0 o im Koth\tFett resorbirt\n1. Speck\t\t99\t17.2\t17.4\t82\n2. Speck \t\t195\t15.2\t7.8\t180\n3. Butter\t\t214\t5.8\t2.7\t208\n4. Speck und Butter\t351\t44.6\t12.7\t306\nDas Fett wird darnach im Allgemeinen im menschlichen Darm bis auf geringe R\u00fcckst\u00e4nde resorbirt. Wie beim Hund kommt auch beim Menschen bis zu einer bestimmten Grenze bei Vermehrung des Fetts in der Nahrung mehr Fett zur Aufnahme. Erst bei einer Zufuhr von 351 Grm. Fett erschienen gr\u00f6ssere Mengen im Koth und war offenbar der Punkt der g\u00fcnstigsten Aufnahme \u00fcberschritten, obwohl sich bei abermaliger Steigerung der Fettgabe gewiss noch eine weitere Zunahme in der Resorption gezeigt h\u00e4tte. Es ist auffallend, dass j durch eine schlechte Ausn\u00fctzung der das Fett einschliessenden Nahrungsmittel, z. B. von gelben R\u00fcben oder Kartoffeln, trotz reichlicher Kothentleerung doch die Fettresorption nicht wesentlich beeintr\u00e4chtigt wird.\tj\nNach den Versuchen Rubner\u2019s scheint es f\u00fcr die Ausn\u00fctzung durchaus nicht gleichg\u00fcltig zu sein, in welcher Form das Fett gereicht wird, denn bei gleich grosser Zufuhr erscheinen bei Butter 2.7 %, bei Speck 7.8% des Fetts im Koth wieder; nach Genuss von Speck kommen im Koth fast unver\u00e4nderte Speckst\u00fcckchen zum Vorschein,\n1 M. Rubner, Ztschr. f. Biologie. XV. S. 115. 1879.","page":408},{"file":"p0409.txt","language":"de","ocr_de":"Organ. Nahrungsstoffe : Stickstofffreie organ. Nahrungsstoffe. Fetts\u00e4uren. 409\nes hindern daher vielleicht die H\u00fcllen, in denen das Fett eingeschlossen ist, etwas die Verwerthung.\nDie Fl\u00fcssigkeit des Fetts, d. h. der Reichthum an Triolein, ist wohl auch von Einfluss auf die Resorption; ein bei der K\u00f6rpertemperatur nicht schmelzbares Fett wird bekanntlich nicht aufgenommen. Schulze und Reineke geben folgende Schmelzpunkte f\u00fcr die Fette verschiedener Thiere an:\nHammel .\t.\t\t41\u201452\u00b0/o\nOchs .\t.\t.\t\t41\u201450\nSchwein .\t\t42\u201448\nMensch\t\t41\nHund .\t\t40\nKatze .\t\t38\nButter .\t\t37\nPferd .\t.\t.\t\t30\nHase\t\t26\nGans\t\t24\u201426\nB) Die Fetts\u00e4uren.\nDie Fetts\u00e4uren werden f\u00fcr gew\u00f6hnlich nur in geringer Menge in der Nahrung aufgenommen. Sie finden sich in den ranzigen Fetten, auch im Leberthran; nach den Untersuchungen von Fkanz Hofmann1 sind sie in Spuren fast in allen Fetten enthalten, nach J. K\u00f6nig2 namentlich in den Pflanzenfetten (Oliven\u00f6l, Lein\u00f6l etc.), in denen nur 2\u20146.5 \u00b0,o Glycerin Vorkommen. Sie treten auch als Spaltungsprodukte der Neutralfette im Darmkanale in geringer Menge auf. Wie J. Munk (S. 169) fand, vermindern die Fetts\u00e4uren ebenso wie die Fette den Eiweisszerfall; wahrscheinlich sind sie auch im Stande, das K\u00f6rperfett vor der Verbrennung zu sch\u00fctzen. Die Fetts\u00e4uren k\u00f6nnen also wie das Fett als Nahrungsstoffe angesehen werden, jedoch kommen sie als solche unter gew\u00f6hnlichen Verh\u00e4ltnissen kaum in Betracht.\nC) Das Glycerin.\nDas Glycerin wird f\u00fcr gew\u00f6hnlich nur in kleinen Quantit\u00e4ten in den K\u00f6rper eingef\u00fchrt. Es ist in Spuren in den gegohrenen Fl\u00fcssigkeiten enthalten, im Bier zu 0.05\u20140.3 \u00b0/o, im Wein zu 0.67\t1.43 \u00b0/o;\nh\u00f6chstens gemessen wir es in verf\u00e4lschten alkoholischen Getr\u00e4nken, z. B. in damit vers\u00fcsstem Bier oder in sckeelisirten Weinen in etwas erheblicherer Quantit\u00e4t.\n1\tFr. Hofmann, Beitr. z. Anat. u. Physiol. Festgabe f. Ludwig. 1875. S. 134.\n2\tJ. K\u00f6nig, Die menschl. Nahrungs- u. Genussmittel. IL S. 24S. 1880.","page":409},{"file":"p0410.txt","language":"de","ocr_de":"410 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\nNach den fr\u00fcheren Darlegungen (S. 166) bringt das Glycerin keine wesentliche Aenderung in dem Zerfall des Eiweisses im K\u00f6rper hervor und wirkt also in dieser Beziehung anders als das Fett und die Kohlehydrate (J. Munk, Lewin, Tschirwinsky). Deshalb ist aber noch nicht ausgeschlossen, dass dasselbe in anderer Richtung als Nahrungsstoff wirkt, n\u00e4mlich durch Verminderung oder Aufhebung des Fettverlustes vom K\u00f6rper, indem es statt des Fettes zersetzt wird. Es ist dies aber noch nicht durch den Versuch dargethan, weshalb bis jetzt nicht angegeben werden kann, ob das Glycerin ein Nahrungsstoff ist oder nicht.\nD) Die Kohlehydrate.1\nDie Kohlehydrate werden vorz\u00fcglich in den vegetabilischen Nahrungsmitteln von den pflanzenfressenden Thieren und vom Menschen bei vegetabilischer und gemischter Kost in grossen Quantit\u00e4ten eingef\u00fchrt; es kommen meist mehrere Vertreter dieser Gruppe zusammen vor und sie bedingen haupts\u00e4chlich den N\u00e4hrwerth vieler Pflanzen-theile. In den animalischen Nahrungsmitteln finden sich Kohlehydrate nur in der Milch (Milchzucker) und allenfalls in der Leber (Traubenzucker) in ber\u00fccksicktigenswertker Menge, die Kohlehydrate im Muskelfleisch u. s. w. sind in so geringen Spuren vorhanden, dass sie als Nahrungsstoffe nicht in Betracht kommen.\nEs giebt eine grosse Anzahl dieser Verbindungen, welche bekanntlich Wasserstoff und Sauerstoff in dem Verh\u00e4ltniss enthalten, in welchem sie Wasser bilden. Ihre chemische Constitution ist noch nicht genau bekannt ; sie unterscheiden sich nur durch wenige Aequivalente Wasser von einander und k\u00f6nnen zum Th\u00e9il durch Aufnahme desselben in einander umgewandelt werden. F\u00fcr unsere Zwecke kommen vorz\u00fcglich die folgenden in Betracht.\nDas St\u00e4rkemehl, Amylum. Es ist ausserordentlich verbreitet in fast allen zur Nahrung verwendbaren vegetabilischen Substanzen, so in den Samen der Cerealien, der Leguminosen, den Kastanien, den Eicheln, in vielen Wurzeln, z. B. den Kartoffeln, im Marke mancher Palmenarten u. s. w. Die Sago, die Tapioka und das Arrowroot bestehen fast ganz aus St\u00e4rkemehl. Es ist in mehr oder weniger dichten H\u00fcllen von Cellulose eingeschlossen, welche bei der Zubereitung gesprengt werden. Das rohe St\u00e4rkekorn enth\u00e4lt als Hauptmasse die St\u00e4rkegranulose und in geringer Menge (2\u20146 \u00b0/o) die St\u00e4rkecellulose; durch das Mundspeichelferment wird nach N\u00e4geli bei niederer Temperatur hur die erstere in Zucker und Dextrin \u00fcbergef\u00fchrt. Da die St\u00e4rke in kaltem Wasser unl\u00f6slich ist\n1 Henri Byasson, Des mati\u00e8res amylac\u00e9es et sucr\u00e9es leur role dans l\u2019\u00e9conomie. Paris 1873.","page":410},{"file":"p0411.txt","language":"de","ocr_de":"Organ. Nahrimgsstoffe : Stickstofffreie org. Nahrungsstoffe. Kohlehjdiate. 411\nund auch in lieissem Wasser nur zu einer unvollkommenen L\u00f6sung auf-quillt, aus der sie sich beim Erkalten als Kleister wieder abscheidet, so muss sie, bevor ihre Aufnahme in die S\u00e4fte geschehen kann, in ein l\u00f6sliches Kohlehydrat verwandelt werden.1 Dies geschieht durch die Verdauungss\u00e4fte (Mundspeichel, pankreatischen Saft, Darmsaft). Der menschliche Darm ist im Stande bedeutende Mengen von St\u00e4rkemehl zu ver-werthen; nach Rubner\u2019s2 Versuchen werden durch ihn von 670 Grm. aufgenommenem St\u00e4rkemehl 665 Grm. resorbirt und nur 5 Grm. (0.8 %) im koth entfernt. Es kommt hierbei allerdings sehr darauf an, in welchen Nahrungsmitteln und Speisen die Kohlehydrate zugef\u00fchrt weiden, am ung\u00fcnstigsten verhalten sich die Kartoffeln, das Schwaizbiod, die gelben R\u00fcben und der Wirsing (mit 8\u201418% Verlust); am g\u00fcnstigsten: Reis, Weissbrod, Sp\u00e4tzel und Maccaroni (mit 0.8\u20141.6 % Verlust).\nVon den verschiedenen Zuck er art en sind als Nahrungsstoffe vorz\u00fcglich der Rohrzucker, der Traubenzucker, der Milchzucker und der unkrystallisirbare Fruchtzucker zu beachten. Der Traubenzucker findet sich in vielen Pflanzens\u00e4ften und in besonders reichlicher Menge in den s\u00fcssen Fr\u00fcchten; in letzteren ist daneben auch in gleichen Theilen Fruchtzucker und h\u00e4ufig auch Rohrzucker enthalten. Im Honig kommt Traubenzucker, Fruchtzucker und Rohrzucker vor, ebenso in den meisten Mannaarten. Der Rohrzucker ist in besonders reichlicher Menge im Saft einiger Gramineen, namentlich im Zuckerrohr (Saccliarum officinal um), dem asiatischen Zuckerrohr (Sorghum saccharatum), dem Mais u.s.w. vorhanden; ferner in den fleischigen Wurzeln, ganz besonders der Runkelr\u00fcbe (Beta vulgaris), im Stamm einiger Birken- und Ahornarten (Acer saccharinum), endlich in s\u00fcssen Fr\u00fcchten z. B. Walln\u00fcssen, Haseln\u00fcssen, Mandeln, den Fr\u00fcchten des Johannisbrodbaums.; Die Zuckerarten dienen nicht nur als Nahrungsstoffe, sondern auch als beliebte Genussmittel. Da der Zucker leicht l\u00f6slich ist, so wird er in reichlicher Menge im Darmkanal resorbirt; ein grosser Hund nimmt im Tag 350, ja 500 Grm. Traubenzucker in die S\u00e4fte auf, ohne dass etwas davon in den Koth \u00fcbergeht. Die australischen Arbeiter sollen t\u00e4glich 131 Grm. reinen Rohrzucker gemessen, die auf den Antillen arbeitenden indischen Kulis 100 bis 150 Grm. Auf den Kopf der Bev\u00f6lkerung treffen in Deutschland 13 Grm., in England 50 Grm. Rohrzucker. In den Datteln verzehren die Araber der W\u00fcste ganz gewaltige Mengen von Zucker.\nDas in Wasser l\u00f6sliche Dextrin (St\u00e4rkegummi) scheint fertig gebildet in vielen Pflanzens\u00e4ften enthalten zu sein.\nDie in Wasser unl\u00f6sliche Cellulose oder Holzfaser ist im Pflanzenreich ganz allgemein verbreitet, noch mehr als das St\u00e4rkemehl; sie bildet das feste Ger\u00fcste der Pflanzen und ist auch in den Wandungen junger Pflanzenzellen abgelagert. Die Cellulose ist h\u00e4ufig mit den sogenannten inkrustirenden Stoffen bedeckt und durchdrungen, welche die mannigfaltigen Coh\u00e4sionszust\u00e4nde in verschiedenen Pflanzen bedingen. In jedem vegetabilischen Nahrungsmittel wird daher dieser Stoff aufgenommen, die Nahrung des Pflanzenfressers besteht f\u00fcr gew\u00f6hnlich zu */4 bis\n1\tSiehe hier\u00fcber : Br\u00fccke, Sitzber. d. Wiener Acad. LXV. 1872. April.\n2\tRubner, Ztschr. f. Biologie. XV. S. 192. 1879.","page":411},{"file":"p0412.txt","language":"de","ocr_de":"412 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\n3 aus demselben. Im Darmkanal der Pflanzenfresser z. B. des Rindes, des Pferdes, der Ziege, des Schafes, des Kaninchens u. s. w. wird selbst die alte und verholzte Cellulose in l\u00f6sliche Verbindungen \u00fcbergef\u00fchrt.1 Es ist noch nicht sicher dargethan, in welcher Weise dies geschieht und welches Produkt dabei entsteht2 ; es wird wahrscheinlich Traubenzucker gebildet, in welchen die Cellulose durch Behandeln mit S\u00e4uren und Alkalien \u00fcbergeht. Aber auch vom Menschen wird die Cellulose junger Pflanzenzellen z. B. von jungen, nicht verholzten Gem\u00fcsen (Sellerie, Kohl, M\u00f6hren), wie Weiske3 dargethan hat, bis zu 47 und 63 \u00b0/o verdaut, w\u00e4hrend nach Fr. Hofmann\u2019s 4 Versuchen die verholzte Cellulose z. B. des Strolis unver\u00e4ndert den Darm passirt.\nDie Gummiarten (Arabin, Bassorin). Man kann aus fast allen Pflanzen mehr oder weniger Gummi erhalten. Die bekannteste Gummiart ist der von verschiedenen Akazienarten stammende arabische Gummi; eine andere ist der Traganthgummi (Bassorin) von einigen im Orient vorkommenden Astragalusarten, welcher in Wasser zu einem Schleim aufquillt. Der in Wasser l\u00f6sliche Gummi geht bekanntlich schon durch verd\u00fcnnte S\u00e4uren in Traubenzucker \u00fcber. Nach den fr\u00fcheren Angaben soll aber der Gummi im Darm grosstentheils unver\u00e4ndert bleiben. Nach Tiedemann und Gmelin 5 ging eine nur mit Gummi gef\u00fctterte Gans nach 16 Tagen zu Grunde und im ganzen Darm fand sich Gummi vor und stark saure Reaktion, was aber h\u00f6chstens bezeugt, dass der Gummi keine Nahrung ist ; Boussingault 6 7 berichtet aber, dass eine Ente fast die ganze Menge des gefressenen Gummis wieder ausschied; ebenso fand Frerichs 7 in den Ausleerungen eines Hahns und eines jungen Hundes, welche w\u00e4hrend 3 Tagen Traganthgummi erhalten hatten, nicht unbedeutende Mengen des Schleims wieder. Nach meinen Beobachtungen 8 9 resorbirt ein Hund mindestens 4 6 \u00b0/o des w\u00e4hrend 3 Tagen beigebrachten Gummis. In unseren Gegenden wird der Gummi nur selten in erheblicher Menge genossen und findet meist nur arzneiliche Anwendung. In Afrika werden aber die Gummiarten h\u00e4ufig verzehrt und im Orient zu Zuckerbackwerken (Lukums) verwendet. Hasselquist 9 und Lind10 haben angegeben, dass die Araber\n1\tSiehe hier\u00fcber : Mitscherlich, Ann. d. Physik. LXXV. S. 305. \u2014 Mulder, Versuch e. allg. physiol. Chem. S. 1024. 1844. \u2014 Donders, Nederl. Lancet. IV. S. 739, VI. S. 227 u. 244. \u2014 Henneberg u. Stohmann, Beitr. etc. 1860. Heftl, 1863. Heft2. \u2014 G. K\u00fchn, Journ. f. Lanclw. 1865. S. 283, 1866. S. 269, 1867. S. 1. \u2014 Hofmeister, Landw. Versuchsstationen. VIII. S. 351. 1866 (Hammel). \u2014 Wolff, Die landw. ehern. Versuchsstation Hohenheim. 1870 (Hammel). \u2014 Schulze u. Marcher. Journ. f. Landw. 1871 (Hammel). \u2014 Dietrich u. K\u00f6nig, Landw. Versuchsstationen. XIII. S. 226. 1871 (Hammel). \u2014 Stohmann, Biol. Studien. Heft 1. 1S73 (Ziege). \u2014 Haubner u. Hofmeister, Landw. Versuchsstationen. VII. S. 413. 1865, VIII. S. 99. 1866 (Pferd). \u2014 Weiske, Ebenda. XV. S. 90. 1872 (Schwein).\n2\tSchmulewitsch, M\u00e9langes physiques et chimiques. XI. p. 163. 1879.\n3\tWeiske, Ztschr. f. Biologie. VI. S. 456. 1870; Centralbl. f. d. med. Wiss. 1870.\nNo. 26. \u2014 Bei G\u00e4nsen wird die Rohfaser nicht gel\u00f6st (Weiske u. Mehlis, Landw.Versuchsstationen. XXL S. 411. 1878).\t4 Voit, Sitzungsber. d. bayr. Acad. 1S69. S. 6.\n5\tTiedemann u. Gmelin, Die Verdauung nach Versuchen. II. S. 186. 1831.\n6\tBoussingault, Ann. d. chim. et phys. XVIII. p. 444.\n7\tFrerichs, Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. IIP (1) S. S07.\n8\tVoit, Ztschr. f. Biologie. X. S. 59. 1874.\n9\tHasselquist, Reise nach der Levante.\n10 Lind, De morbis Europaeorum in terris calidis.","page":412},{"file":"p0413.txt","language":"de","ocr_de":"Organ. Nahrungsstoffe : Stickstofffreie org. KahrungsStoffe. \u2014 Kohlehydrate. 413\nvon dem arabischen Gummi oft Monate lang leben ; dies ist zwar sicherlich unrichtig, denn es wird wohl noch etwas anderes dazu gegessen werden, nach Tiedemann Kameelmilch, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass der Gummi zu den Nahrungsstoffen, mit der Wirkung des Zuckers, gerechnet werden muss.\nAls Pflanzenschleim bezeichnet man eine gummiartige Materie, die in sehr vielen Pflanzen z. B. in der Wurzel von Althaea officinalis, den Knollen der Orchisarten, im Leinsamen, in Quittenkernen u. s. w. enthalten ist. Er quillt in Wasser stark auf und wird durch Kochen mit verd\u00fcnnten S\u00e4uren in Zucker \u00fcbergef\u00fchrt. Aus dem Darm des Hundes wird nach meinen Untersuchungen1 2 von Salepschleim mindestens 54%, von Quittenschleim 7 9 % in die S\u00e4fte aufgenommen. Leinsamen- und Quittenschleim haben nur eine arzneiliche Bedeutung; nur der Salep und das Caraghen werden hier und da als Nutrientia f\u00fcr Kinder und geschw\u00e4chte Personen in Gebrauch gezogen, sie k\u00f6nnen aber als Nahrungsstoffe keine andere Wirkung wie die Kohlehydrate besitzen.\nZu den Kohlehydraten geh\u00f6rt auch das Lichenin oder die Moosst\u00e4rke: sie findet sich in vielen Flechten und Moosarten, namentlich im isl\u00e4ndischen Moos (Cetraria islandica). Dieser Stoff quillt in kaltem Wasser auf und verfl\u00fcssigt sich in kochendem Wasser zu einem dicken Schleim, der beim Erkalten zu einer Gallerte erstarrt; durch Kochen mit verd\u00fcnnter Schwefels\u00e4ure geht er in eine Glykose \u00fcber, wahrscheinlich auch durch die Yerdauungss\u00e4fte, da die Moosst\u00e4rke sicherlich als Nahrungsstoff dient. \u2014 Ein anderes Kohlehydrat ist das Inulin, welches sich reichlich in den Knollen der Dahlien, aber auch in den Wurzeln von Inula Helenium, Angelica archangelica, Colchicum autumnale, Leon-todon taraxacum, den Knollen von Helianthus tuberosus (Topinambur) u. s. w. findet. Das Inulin l\u00f6st sich in kaltem Wasser nur wenig, leicht in heissem Wasser und geht durch Kochen mit verd\u00fcnnten S\u00e4uren, und wahrscheinlich auch durch die Yerdauungss\u00e4fte in Fruchtzucker \u00fcber.\nIch reihe an die Kohlehydrate noch den Man ni t an, der in vielen Yegetabilien, in der Sellerie, der Schwarzwurzel, in einigen Pilzen, in Seetangarten, -im Honigthau mancher Pflanzen u. s. w. enthalten ist, namentlich aber in der Manna, dem aus verschiedenen Fraxinusarten ausschwitzenden und zu einer festen Masse eintrocknenden Saft. Er bildet sich auch bei manchen Zuckerg\u00e4hrungen, vor Allem bei der schleimigen G\u00e4hrung und der Butters\u00e4ureg\u00e4hrung, z. B. bei der G\u00e4hrung des Runkelr\u00fcbensaftes. Der Mannit ist leicht in Wasser l\u00f6slich ; mit Labmagen geht er nach Fr\u00e9my in Milchs\u00e4ure \u00fcber. K\u00fclz 2 sah bei Diabetikern nach dem Genuss von Mannit, in Dosen von 30\u201490 Grm., keine Vermehrung des Harnzuckers eintreten, woraus er schliesst, dass der Mannit im K\u00f6rper nicht in Traubenzucker \u00fcbergef\u00fchrt wird, sondern eine Spaltung erleidet, welche seine Oxydation zu Traubenzucker verhindert. Jedenfalls wird er im Organismus zersetzt, da er sich nur in Spuren im Harn und Kotli nachweisen l\u00e4sst. Gr\u00f6ssere Mengen machen Bl\u00e4hungen und Diarrh\u00f6en. Er ist h\u00f6chst wahrscheinlich ein Nahrungsstoff von dem Werth eines\n1\tVoit, Ztsclir. f. Biologie. X. S. 59. 1S74.\n2\tK\u00fclz, Beitr\u00e4ge z. Path. u. Ther. des Diabetes mell. S. 128. 1874.","page":413},{"file":"p0414.txt","language":"de","ocr_de":"414 Yoit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\nKohlehydrats; das Manna wird in manchen L\u00e4ndern auch h\u00e4ufig, vorz\u00fcglich als Vers\u00fcssungsmittel, gebraucht.\nWichtiger als Nahrungsstoff wie der Gummi, der Pflanzenschleim u.s.w. ist wohl das Pektin, welches in vielen Pflanzentheilen, besonders im Mark der fleischigen Fr\u00fcchte und der Wurzeln z. B. der R\u00fcben in betr\u00e4chtlicher Menge abgelagert ist. Seine Zusammensetzung und Umwandlungsprodukte sind noch nicht gen\u00fcgend bekannt, es steht aber den Kohlehydraten nahe. In den unreifen Fr\u00fcchten findet es sich in unl\u00f6slichem Zustande (Pektose) ; w\u00e4hrend des Reifens geht es in eine in Wasser l\u00f6sliche Substanz \u00fcber, wie auch durch Kochen der unreifen Fr\u00fcchte mit verd\u00fcnnten S\u00e4uren. Ueber sein Verhalten im Darmkanal besitzen wir noch keine sicheren Kenntnisse.\nIm Thierk\u00f6rper sind die Kohlehydrate nur in geringer Menge abgelagert, wenn sie auch darin bei dem Stoffzerfall in bedeutenden Quantit\u00e4ten erzeugt werden. Sie lassen sich bekanntlich nachweisen in der Leber (Glycogen, Traubenzucker), im Muskel (Inosit, Glycogen), im Blut, der Lymphe, in der Milch (Milchzucker), im Mantel der Tunicaten (Cellulose) u. s. w. Sie sind nicht noth wendige Bestand-theile der Gewebe, sondern Uebergangsstufen der Zersetzung, welche in andere Stoffe umgewandelt und zerst\u00f6rt werden.\nDie Kohlehydrate verm\u00f6gen nach den fr\u00fcheren Auseinandersetzungen den Zerfall des Eiweisses zu verringern wie das Fett, nur in noch etwas h\u00f6herem Grade. Sie sind ferner wie das Fett im Stande, die Fettabgabe vom K\u00f6rper ganz zu verh\u00fcten, und zwar leisten hierin etw~a 175 Kohlehydrate so viel wie 100 Fett, so dass sie in diesen beiden Beziehungen das Fett vollst\u00e4ndig ersetzen. W\u00e4hrend aber aus dem verzehrten und resorbirten Fett leicht Fett zum Ansatz gelangt, ist es noch nicht sicher entschieden, ob dies aus Kohlehydraten m\u00f6glich ist. Die Kohlehydrate werden jedenfalls als leicht zersetzliche Materien im Organismus zum gr\u00f6ssten Theil rasch bis zu Kohlens\u00e4ure und Wasser zerst\u00f6rt, und es bleibt h\u00f6chstens bei Zufuhr sehr grosser Quantit\u00e4ten ein Theil unzersetzt, so dass daraus eine Fettablagerung stattfinden kann. Das aus dem Eiweiss abgespaltene Fett wird aber, wenn die Kohlehydrate verbrennen, erspart; es kann also unter dem Einfl\u00fcsse der Kohlehydrate, wie man aus vielfacher Erfahrung weiss, das Thier fett werden, nur ist es zweifelhaft, ob das Fett direkt aus den Kohlehydraten hervorgeht.\nDie Kohlehydrate sind daher h\u00f6chst wichtige Nahrungsstoffe, welche die Rolle des Fettes zu \u00fcbernehmen im Stande sind ; es gilt hier Alles das, was vorher bei Besprechung der Bedeutung des Fettes in der Nahrung und im K\u00f6rper gesagt worden ist. Im Darmkanal verhalten sich aber die Kohlehydrate, zum Theil ihrer grossen Masse","page":414},{"file":"p0415.txt","language":"de","ocr_de":"Organ. Nahrungsstoffe : Stickstofffreie org. Nahrungsstcffe. \u2014 Alkohol. 415\nhalber, anders als das Fett, weshalb es nicht gut ist, dieselben in der Nahrung neben dem Eiweiss ausschliesslich und ohne Fett zu reichen. Hier\u00fcber wird bei Zusammensetzung der Nahrung das Notl\u00fcge berichtet werden.\nAuch bei den gr\u00f6ssten Gaben von Kohlehydrat wird aus schon bekannten Gr\u00fcnden immer noch Eiweiss im K\u00f6rper umgesetzt; darum ist auch bei Darreichung von vorz\u00fcglich St\u00e4rkemehl enthaltenden Nahrungsmitteln, wie z. B. von Arrowroot, eine Ern\u00e4hrung nicht m\u00f6glich. Dadurch erkl\u00e4ren sich auch die Resultate der F\u00fctterungsversuche mit reinen Kohlehydraten, bei denen die Thiere bald zu Grunde gegangen sind1.\nE) Der Alkohol, die organischen S\u00e4uren, die \u00e4therischen Oele.\nIn den gegohrenen Getr\u00e4nken, im Wein, Schnaps, Bier u. s. w. wird Alkohol aufgenommen. Es sind davon enthalten im:\nCognac ....\t69.5\tVolumprozent\nSherry ....\t20\u201422\t\nMadeira ....\t18\u201419\t77\nChampagner .\t10\u201412\t77\nBordeaux ....\t9\u201410\tn\nRheinwein\t8\u201410\tn\nAle, Porter .\t7\u20148\tn\nObstwein\t5.5\tn\nBayrischen Bier\t3 \u2014 3.5\tn\nDer Alkohol wird zum gr\u00f6ssten Theile im K\u00f6rper zu Kohlens\u00e4ure und Wasser verbrannt, jedoch wird eine geringe Menge unver\u00e4ndert im Harn und dampff\u00f6rmig durch Haut und Lungen ausgeschieden2. Der Alkohol bleibt offenbar l\u00e4ngere Zeit im K\u00f6rper, bis er oxydirt oder als solcher entfernt ist; seine Wirkung w\u00e4hrt deshalb geraume Frist an.\n1\tMagendie ; Tiedemann u. Gmelin; Chossat, Ann. d. hygi\u00e8ne. XXXI. p. 449. 1844. \u2014 Letellier, Ann. d. chim. etphys. (3) XI. p. 150. 1844.\n2\tSiehe hier\u00fcber: B\u00fcchheim, Deutsch. Ztschr. f. Staatsarzneikunde, i 854 ; Ma-sing, lieber die Ver\u00e4nderungen, welche mit genossenem Weingeist im Thierk\u00f6rper vorgehen. Dorpat 1854; Setchenow, Beitrag zu einer k\u00fcnftigen Physiologie der Alkoholvergiftung. St. Petersburg 1860. (Im Harn und in der Athemluft Alkohol.) \u2014 Lallemand, Perrin u. Duroy, Gaz. hebd. d. m\u00e9d. et d. chir. 1S59. No. 46. p. 690. (Aller Alkohol unver\u00e4ndert durch die Nieren ausgeschieden.) \u2014 E. Smith, Brit. med. Journ. 1859, Lancet 1861. Jan. (Alkohol im Athem und Harn nachgewiesen.) \u2014 Parkes u. Wollowicz, Glasgow med. Journ. 1870. p. 517, 1871. p. 241. (Grosser Theil als solcher weg.) \u2014 Thudichum, Tenth report of de med. officer of the privy council, p. 2SV. 1868. (Nur Spuren im Harn.) \u2014 Dupr\u00e8, Proc, of royal soc. XX. p. 26S. 1872. (Spuren im Harn.) \u2014 Subbotin, Ztschr. f. Biologie. VII. S. 361. 1871. (Ein Theil durch Haut und Nieren.) \u2014 Anstie, The practitioner. XIII. p. 15. 1874. (In der Athemluft etwas.) \u2014 Aug. Schmidt, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1875. No. 23. (Durch die Lungen Spuren.) \u2014 Binz, Arch. f. exp. Pathol, u. Pharm. VI. S. 1877. (Durch Harn und Athemluft unerhebliche Mengen.)","page":415},{"file":"p0416.txt","language":"de","ocr_de":"416 Voit. Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\nNach Liebig 1 verh\u00e4lt sich der Alkohol im Thierleib wie ein Fett oder ein Kohlehydrat. Nach ihm ist es die Aufgabe der letzteren, den Sauerstoff in Beschlag zu nehmen, d. i. als Respirationsmittel zu dienen ; da aber der Alkohol seiner Meinung nach leichter oxydirbar ist, so sch\u00fctzt er die stickstofffreien Nahrungsstoffe und macht so Fett und Kohlehydrate entbehrlich. Diejenigen, welche die unver\u00e4nderte Ausscheidung des Alkohols annahmen, bestritten seine Bedeutung als Nahrungsstoff, so z. B. Subbotin ; die Anderen, die seine Zersetzung darzuthun vermochten, hielten ihn deshalb f\u00fcr einen Nahrungsstoff. Nach meiner Definition (S. 341) muss ein Stoff noch nicht ein Nahrungsstoff sein, wenn er im K\u00f6rper verbrannt wird und dabei einen Beitrag zur W\u00e4rme des K\u00f6rpers liefert.\nEs kann eine Substanz verbrennen, ohne dass sie die Abgabe eines Stoffes vom K\u00f6rper geringer macht, dann besitzt sie trotz der Zersetzung keinen Werth als Nahrungsstoff. Die Erzeugung von W\u00e4rme hat mit der Ern\u00e4hrung, wo es sich ausschliesslich um stoffliche Wirkungen handelt, nichts zu thun. Ein verbrennender, W\u00e4rme liefernder Stoff bringt unter Umst\u00e4nden gar keinen Gewinn; wenn z. B. unter seinem Einfluss, wie es beim Alkohol der Fall ist, die Gef\u00e4sse der Haut sich ausdehnen und somit durch Beg\u00fcnstigung der W\u00e4rmeabgabe mehr W\u00e4rme zum Abfluss gebracht wird, so wird der K\u00f6rper trotz der gr\u00f6sseren W\u00e4rmeerzeugung k\u00e4lter; Erfrierende werden durch eine reichliche Alkoholgabe nicht erw\u00e4rmt, sondern in Folge des gr\u00f6sseren W\u00e4rmeverlustes abgek\u00fchlt. In \u00e4hnlicher Weise habe ich bei einem Manne w\u00e4hrend anstrengender Arbeit, obwohl dabei viel W\u00e4rme in ihm erzeugt worden ist, durch die starke Wasserverdunstung an der ger\u00f6theten Haut ein Sinken der K\u00f6rpertemperatur eintreten sehen. Daraus ersieht man am besten, dass man die Bedeutung der Nahrungsstoffe nur in ihrer stofflichen Wirkung suchen darf und die Lieferung von W\u00e4rme f\u00fcr sich allein dem K\u00f6rper noch keinen Vortheil zu bringen braucht, ja nicht einmal in allen F\u00e4llen zur Erhaltung der Eigenw\u00e4rme beitr\u00e4gt.\nEs fragt sich also, ob der Alkohol eine Aenderung im Stoffverbrauch hervorbringt. Nach den fr\u00fcheren Darlegungen (S. 170) ist dies allerdings der Fall: er sch\u00fctzt in massigen Dosen etwas Eiweiss vor der Zersetzung, und spart auch wahrscheinlich etwas Fett. Der Alkohol ist daher allerdings streng genommen als ein Nahrungsstoff j anzusehen, aber er n\u00fctzt in dieser Hinsicht, in gew\u00f6hnlicher Quantit\u00e4t eingef\u00fchrt, nur sehr wenig; er wird auch nicht zu diesem Zweck aufgenommen, da andere Stoffe, z. B. ein Bissen Brod, den gleichen Effekt viel besser und wohlfeiler erreichen lassen. Der Alkohol wird \\ vom Menschen vor Allein wegen seiner Eigenschaft als Genussmittel ben\u00fctzt.\nDie \u00fcbrigen in der animalischen und vegetabilischen Nahrung eingef\u00fchrten organischen stickstofffreien Stoffe spielen nur eine ganz\n1\tLiebig, Thierchemie. S. 88. 1846; Chemische Briefe. S. 557. 1851.\n2\tDupr\u00e8, The practitioner. IX. p. 28. 1872.","page":416},{"file":"p0417.txt","language":"de","ocr_de":"Nahrungs\u00e4quivalente.\n417\nuntergeordnete Rolle als Nahrungsstoffe. Zu ihnen geh\u00f6ren die Pflanzens\u00e4uren, die \u00e4therischen Oele u. s. w. Die Pflanzens\u00e4uren (Essigs\u00e4ure, Citronens\u00e4ure, Aepfels\u00e4ure, Milchs\u00e4ure, Weinsteins\u00e4ure, Oxals\u00e4ure u. s. w.) treten zum Th eil unver\u00e4ndert im Harn wieder aus, zum Theil werden sie zu Kohlens\u00e4ure und Wasser verbrannt; es ist m\u00f6glich, dass sie dabei etwas Fett ersparen, aber es ist eine solche Wirkung noch nicht dargethan. Die von diesen S\u00e4uren f\u00fcr gew\u00f6hnlich aufgenommenen Mengen sind so geringf\u00fcgig, dass dieselben kaum eine Bedeutung als Nahrungsstoffe besitzen. Die meisten dieser Stoffe dienen als Genussmittel.\nIII. Nahruiigs\u00e4Tuivalente.\nFr\u00fcher, ehe man die chemische Zusammensetzung der Nahrungsmittel und den Werth der einzelnen Nahrungsstoffe kannte, bestrebte man sich durch praktische Versuche oder durch Beobachtung des Einflusses, welchen die einzelnen Nahrungsmittel auf die Ern\u00e4hrung \u00e4ussern, den Ern\u00e4hrungswerth derselben festzustellen. Auf Grund der in den Nahrungsmitteln enthaltenen festen Theile und extraktiven Materien entstand die erste Nutritionsskala von Vauquelin und Percy1 2 (1818); darnach k\u00f6nnen 45 Kilo Kartoffeln ersetzt werden durch:\n3\u20144 Kilo Fleisch mit 12 Kilo Brod 15\u201416 Kilo Brod\n13 Kilo Reis, trockne Erbsen, Linsen, Bohnen 24 Kilo frische Erbsen, Linsen 90 Kilo gelbe R\u00fcben, Spinat 115 Kilo R\u00fcben 150 Kilo Weisskohl\nDie Landwirthe stellten sich im Anfang unseres Jahrhunderts die Frage, wie viel man zur Ern\u00e4hrung des Rindes bei Zusatz einer bestimmten Quantit\u00e4t von R\u00fcben, Kartoffeln u. s. w. vom Heu weg-lassen d\u00fcrfe; man wollte die dem Heu in ihrer Wirksamkeit entsprechende oder \u00e4quivalente Menge anderer Nahrungsmittel d.h. ihren Heuwerth erfahren. Der ber\u00fchmte Landwirth A. Thaer 2 suchte eine Antwort hierauf zu ertheilen. Als n\u00e4hrungsf\u00e4hig galt ihm ohne Unterschied das, was von dem Verzehrten ins Blut \u00fcbergehen kann oder l\u00f6slich ist; er berechnete daher, den Untersuchungen Einhof\u2019s folgend, die gleichwerthigen Futterrationen nach der Gesammtmenge der\n1\tPercy u. Vauquelin, Bulletin de la facult\u00e9 et de la soci\u00e9t\u00e9 de m\u00e9decine de Paris. VI. p. 75. 1818.\n2\tThaer, Grunds\u00e4tze der rationellen Landwirthschaft. I. \u00a7. 275. Berlin 1809.\nHandbuch der Physiologie. Bd. VI.\t27","page":417},{"file":"p0418.txt","language":"de","ocr_de":"418 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 1. Cap. Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe.\nin Wasser, Alkohol, verd\u00fcnnten S\u00e4uren und Alkalien l\u00f6slichen Pflan-zenbestandtheile.\nDies war ganz entsprechend den Anschauungen der damaligen Zeit, nach denen man das N\u00e4hrende aus dem \u00fcbrigen Ballast aus-ziehen zu k\u00f6nnen meinte. Daher r\u00fchrt der noch nicht ganz erloschene Glaube an die Wirksamkeit der Extrakte; sie sollten das Werthvolle eines Nahrungsmittels in einem kleinen Volum enthalten, wie Manche es sich noch mit dem Fleischextrakt vorstellen. Damit in Zusammenhang steht auch die Meinung, dass die Gallerte oder der Leim das einzig Nahrhafte sei, weshalb man eine Zeit lang den N\u00e4hrwerth einer Substanz nach ihrem Gehalt an Leim sch\u00e4tzte.\nAls man, nach Bekanntschaft mit den in den Nahrungsmitteln enthaltenen Stoffen, das Eiweiss f\u00fcr den einzigen Nahrungsstoff hielt und die stickstofffreien Substanzen nur als W\u00e4rmebildner betrachtete, galt der Stickstoffgehalt als Maass des N\u00e4hrwerths ; so entstanden die Nutritionsskalen von Boussingault, Schlossberger u. Kemp (S. 339), in welchen die Nahrungsmittel nach der in ihnen enthaltenen Stickstoffmenge geordnet waren.\nMan musste aber bald erkennen, wie fehlerhaft eine solche Betrachtungsweise ist. Man darf die Substanzen nicht auf ihren Gehalt an einem Stoff mit einander vergleichen, also z. B. nicht fragen, wie viel muss man Brod verzehren, um die gleiche Quantit\u00e4t von Eiweiss einzuf\u00fchren wie durch eine gewisse Menge von Fleisch, da in diesem Falle das Brod durch seinen Reichthum an St\u00e4rkemehl noch andere Wirkungen hat: Fleisch und Brod k\u00f6nnen als zwei ganz verschiedene Dinge gar nicht mit einander verglichen werden. Es sind also alle in einem Gemische befindlichen Nahrungsstoffe zu ber\u00fccksichtigen.\nMan beachtete sp\u00e4ter bei der F\u00fctterung der landwirthschaftlichen Hausthiere ausser dem Eiweiss auch die stickstofffreien Stoffe der Futtermittel, die Fette und Kohlehydrate. Namentlich liess E. Wolfe, indem er die in verd\u00fcnnten S\u00e4uren und Alkalien unl\u00f6sliche Holzfaser der Vegetabilien f\u00fcr unverdaulich ansah, die Futterarten dann f\u00fcr einander eintreten, wenn sie das gleiche Quantum von Eiweiss, Fett und verdaulichen Kohlehydraten einschliessen wie eine gewisse Menge von Heu. Man nannte die nach diesem Princip eingeleiteten F\u00fctterungen im Gegensatz zu denen nach dem THAER\u2019schen Heuwerth die nach chemischen Grunds\u00e4tzen. In der That es waren F\u00fctterungen nach chemischen Grunds\u00e4tzen und nicht nach physiologischen, denn man hatte \u00fcbersehen, dass ein ansehnlicher Theil der f\u00fcr unverdaulich gehaltenen Holzfaser von vielen Pflanzenfressern","page":418},{"file":"p0419.txt","language":"de","ocr_de":"N ahrungs \u00e4quivalente.\n419\nverdaut wird und dagegen ein Tkeil der l\u00f6slichen Stoffe mit dem Koth wieder abgeht d. k. man hatte die verschiedene Ausn\u00fctzung der einzelnen Futtermittel im Darmkanal nicht beachtet.\nIn vollst\u00e4ndiger Verkennung der Vorg\u00e4nge bei der Ern\u00e4hrung hat man auch aus der Verbrennungsw\u00e4rme der Nahrungsmittel die Aequivalentwerthe abgeleitet. Dies ist aber selbstverst\u00e4ndlich nicht m\u00f6glich, da den Nahrungsstoffen nur eine stoffliche Wirkung im K\u00f6rper zukommt und es daf\u00fcr v\u00f6llig gleichg\u00fcltig ist, welche Menge von W\u00e4rme sie bei ihrer Verbrennung entwickeln. Es sind nicht, wie Frankland1 meinte, 100 Grm. Butter, 1150 Grm. Aepfel und 524 Grm. mageres Rindfleisch als Nahrungsstoffe \u00e4quivalent, weil sie die gleiche Verbrennungsw\u00e4rme liefern, denn diese Substanzen haben die verschiedenste stoffliche Bedeutung: das Fett der Butter vermag den Fettverlust vom K\u00f6rper zu vermindern, ebenso der Zucker der Aepfel, das Eiweiss des Fleisches verh\u00fctet dagegen die Eiweissabgabe.\nAequivalent in ihrer stofflichen Wirkung k\u00f6nnen demnach nur Nahrungsmittel sein, welche die gleiche Menge resorbirbarer und f\u00fcr die stofflichen Vorg\u00e4nge im Organismus gleichwertiger Nahrungsstoffe enthalten. Kennt man die Ausn\u00fctzung der verschiedenen Nahrungsmittel im Darme eines Thieres und ihren Gehalt an Nahrungsstoffen, so ist es leicht gleichwertige Gemische zusammenzustellen, sobald man weiss, in wie weit die einzelnen Nahrungsstoffe einander \u00e4quivalent sind. So k\u00f6nnte es allerdings unter Umst\u00e4nden gleich sein, wenn aus einem Gemische von Fleisch mit Fett die n\u00e4mliche Menge von Eiweiss und die dem St\u00e4rkemehl entsprechende Menge von Fett zur Resorption k\u00e4me wie aus einer gewissen Portion Brod.\nDas Wichtigste zur Bestimmung der Nahrungs\u00e4quivalente ist es also die entsprechenden Werte der einzelnen Nahrungsstoffe zu kennen. Nahrungsmittel oder Nahrungsgemische k\u00f6nnen nur dann \u00e4quivalent sein oder f\u00fcr den stofflichen Bestand im K\u00f6rper den gleichen Effekt haben, wenn sie \u00e4quivalente Mengen der Nahrungsstoffe enthalten.\nStatt des Wassers und der Aschebestandtheile verm\u00f6gen keine anderen Stoffe einzutreten oder f\u00fcr sie \u00e4quivalent zu sein, sie m\u00fcssen als solche zugef\u00fchrt werden.\nZur Aufhebung des Verlustes an Eiweiss im K\u00f6rper, namentlich desjenigen Theils, welcher in zerst\u00f6rten oder zu Verlust gegangenen organisirten Gebilden enthalten war, muss eine gewisse Menge von Eiweiss als solches geboten werden. Statt eines Theils des Eiweisses\n1 Frankland, Philos. magazine. XXXII. p. 198.","page":419},{"file":"p0420.txt","language":"de","ocr_de":"420 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 2. Cap. Bedeutung der Gew\u00fcrz- und Genussmittel.\nder Nahrung k\u00f6nnen aber andere Stoffe eintreten, welche anstatt des Eiweisses in den Zellen zerfallen: f\u00fcr einen gr\u00f6sseren Theil die Peptone oder der Leim, f\u00fcr einen geringeren die Fette und die Kohlehydrate. Die Peptone, der Leim und die stickstofffreien Stoffe sind deshalb f\u00fcr eine gewisse Menge von Eiweiss (nicht f\u00fcr alles) \u00e4quivalent ; sie bewirken, dass der K\u00f6rper mit einem geringeren Eiweissquantum der Nahrung auf seinem Best\u00e4nde an Eiweiss bleibt.\nDas Eiweiss ist unter Umst\u00e4nden im Stande die Fette und Kohlehydrate zu ersetzen, also daf\u00fcr \u00e4quivalent zu sein, denn es vermag wie diese den K\u00f6rper vor einem Verlust an Fett zu sch\u00fctzen. Die Kohlehydrate treten f\u00fcr die Fette v\u00f6llig ein in Beziehung der Erhaltung des Fettbestandes im Organismus, jedoch wahrscheinlich nicht in Beziehung der Ablagerung von Fett. Liebig hat geglaubt, die Fette und Kohlehydrate w\u00e4ren in den Mengen \u00e4quivalent, in denen sie Sauerstoff zur v\u00f6lligen Verbrennung zu Kohlens\u00e4ure und Wasser n\u00f6thig haben, also in Mengen, welche sich wie 100 zu 240 verhalten. Ich habe schon (S. 150) angegeben, dass eine solche Beziehung nicht besteht; es kommt vielmehr darauf an, wie die Bedingungen der Zerst\u00f6rung von Fett und Kohlehydraten in den Zellen sich gestalten, cl. h. wie viel von beiden Stoffen bei gleichem Kraftaufwand durch die Zellen gespalten wird. Es k\u00f6nnte sein, dass weniger Kohlehydrat zerst\u00f6rt wird wie Fett, es k\u00f6nnte aber auch umgekehrt mehr umgesetzt werden. Nach meinen allerdings nicht v\u00f6llig zuverl\u00e4ssigen Bestimmungen werden 100 Fett durch etwa 175 Kohlehydrate ersetzt.\nZWEITES CAPITEL.\nBedeutung der Gew\u00fcrz- und Genussmittel.1\nNeben den angegebenen Nahrungsstoffen gemessen die Thiere und Menschen in dem Futter und in den Speisen noch eine grosse Anzahl anderer, meist nur in sehr geringer Menge vorkommender Stoffe, welche sie wohlschmeckend und geniessbar machen, aber keine Bedeutung als Nahrungsstoffe besitzen, da sie keinen direkten Einfluss auf die Stoffzersetzungen im K\u00f6rper aus\u00fcben und mit der Erhaltung des stofflichen Bestandes des Leibes nichts zu thun haben.\n1 Voit, Sitzgsber. d. bayr. Acad. II. S. 516. 1869; Ztsclir. f. Biologie. XII. S. 1. 1876 ; Ueber die Bedeutung des Wechsels von Th\u00e4tigkeit und Ruhe im Leben des Menschen. Rede 1879.","page":420},{"file":"p0421.txt","language":"de","ocr_de":"Bedeutung der Gew\u00fcrz- und Genussmittel.\n421\nDiese Stoffe nennen wir die W\u00fcrzmittel oder Genussmittel; sie haben eine ganz andere, aber nicht weniger wichtige Aufgabe bei der Ern\u00e4hrung zu erf\u00fcllen wie die Nahrungsstoffe und sind f\u00fcr die Herstellung einer Nahrung ebenso noting wie letztere.\nNach den bis jetzt gemachten Auseinandersetzungen sollte man glauben, ein Thier oder ein Mensch k\u00f6nnte sich mit einem Gemisch aus Eiweiss, Fett, St\u00e4rkemehl, Wasser und Aschebestandtheilen, welches alle Nahrungsstoffe in geh\u00f6riger Quantit\u00e4t darbietet, ern\u00e4hren. Aber Thiere und Menschen w\u00fcrden ein solches Gemenge f\u00fcr gew\u00f6hnlich nicht verzehren, weil es geschmacklos ist, und dabei sicherlich zu Grunde gehen. Zur Aufnahme und Verdauung der Nahrung geh\u00f6rt mehr als ein einfaches Verschlucken der zur Erhaltung des Organismus n\u00f6thigen Substanzen; wie jede Th\u00e4tigkeit des K\u00f6rpers muss auch das Gesch\u00e4ft der Aufnahme der Speise mit einer angenehmen Empfindung verkn\u00fcpft sein.\nMan hat die Wirkung der Genussmittel mit der der Schmiere an den Maschinen verglichen, aus der weder die Maschinenteile hergestellt sind, noch die Kraft f\u00fcr die Bewegung derselben abstammt, die aber den Gang leichter vor sich gehen macht. Oder man verglich sie mit der einer Peitsche, welche das arbeitende Pferd zu gr\u00f6sseren Leistungen anspornt und bef\u00e4higt, ohne ihm eine Kraft mitzutheilen. Auf eine solche Weise leisten auch die Genussmittel f\u00fcr die Prozesse der Ern\u00e4hrung und f\u00fcr andere Vorg\u00e4nge im K\u00f6rper wichtige und unentbehrliche Dienste, obwohl sie nicht im Stande sind, den Verlust eines Stoffes vom K\u00f6rper zu verh\u00fcten, oder durch ihre Zersetzung uns mit lebendiger Kraft zu versorgen; sie geben uns nicht wirkliche Kraft, sondern h\u00f6chstens das Gef\u00fchl von Kraft durch ihre Einwirkungen auf das Nervensystem1. Die Nahrungsstoffe m\u00fcssen in ihrer Wirkung scharf von der der Genussmittel geschieden werden.\n1 Man spricht viel von kr\u00e4ftigen, st\u00e4rkenden Substanzen, indem man dabei allerlei nicht Zusammengeh\u00f6riges vermengt und viele Missverst\u00e4ndnisse hervorruft. Eine Substanz kann kr\u00e4ftig sein oder Kraft geben, wenn sie bei ihrem Zerfall lebendige Kraft, also W\u00e4rme oder mechanische Leistung erzeugt; dies thun nur die Nahrungsstoffe, Eiweiss, Fett, Kohlehydrate, Leim u. s. w. Oder es ist eine Substanz kr\u00e4ftig und st\u00e4rkend zu nennen, welche zum Ansatz gelangt und den vorher abgemagerten K\u00f6rper dadurch leistungskr\u00e4ftiger macht; auch dies thun nur die Nahrungsstoffe, vorz\u00fcglich das Eiweiss, das Fett und die Kohlehydrate. Man pflegt aber auch eine Substanz, welche momentan die Nerven und Nerven-centralorgane anreizt und in die Verfassung versetzt, leichter die entgegenstehenden Widerst\u00e4nde zu \u00fcberwinden, kr\u00e4ftig und st\u00e4rkend zu heissen. In diesem Sinne spricht man f\u00e4lschlich von einem Schluck kr\u00e4ftigenden Weines oder einer st\u00e4rkenden Fleischbr\u00fche, w\u00e4hrend diese doch keine wirkliche Kraft wie die Nahrungsstoffe geben. Man verwechselt dabei die Empfindung von Kraft mit der wirklichen Kraft oder die Summe der im Organismus jeweils vorhandenen lebendigen Kraft mit der Leichtigkeit der Verf\u00fcgung \u00fcber dieselbe nach Aussen.","page":421},{"file":"p0422.txt","language":"de","ocr_de":"422 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 2. Cap. Bedeutung der Gew\u00fcrz- und Genussmittel.\nZu den Genussmitteln darf man nicht nur die meist ausschliesslich darunter verstandenen: den Kaffee, den Thee, die alkoholischen Getr\u00e4nke, den Tabak u. s. w. z\u00e4hlen, sondern auch, und zwar vorz\u00fcglich, alle diejenigen Stoffe, welche den Speisen den ihnen eigent\u00fcmlichen uns angenehm d\u00fcnkenden Geschmack und Geruch verleihen. In diesem Sinne aufgefasst, giebt es keine Speise ohne wohlschmeckende Substanzen, ohne Genussmittel.\nMan h\u00e4lt f\u00fcr gew\u00f6hnlich, im Gegens\u00e4tze zu den Nahrungsstoffen, die Genussmittel nicht f\u00fcr notwendig, sondern f\u00fcr entbehrlich, da sie uns nur gewisse Annehmlichkeiten bereiteten oder einen unn\u00f6tigen, luxuri\u00f6sen Gaumenkitzel bedingten oder gar nur zu ungesunden und unnat\u00fcrlichen Zust\u00e4nden und Erregungen des K\u00f6rpers f\u00fchrten. Diese Auffassung ist nur dann richtig, wenn man in einseitiger Weise zu den Genussmitteln ausschliesslich die eben genannten Pflanzenaufg\u00fcsse und die alkoholischen Getr\u00e4nke rechnet. Darum ist die wahre Bedeutung der Genussmittel so lange nicht geh\u00f6rig gew\u00fcrdigt worden. Eine Speise ohne Genussmittel, ein geschmackloses oder uns nicht schmeckendes Gericht wird nicht ertragen, es bringt Erbrechen und Diarrh\u00f6en hervor. Die Genussmittel machen die Nahrungsstoffe erst zu einer Nahrung; nur ein gewaltiger Hunger steigert die Begierde so sehr, dass die Genussmittel \u00fcbersehen werden, ja dass sonst ekelhaftes angenehm erscheint.\nDie Genussmittel beeinflussen die Vorg\u00e4nge der Verdauung und Ern\u00e4hrung durch ihre Wirkung auf das Nervensystem. Zun\u00e4chst wirken die schmeckenden und riechenden Substanzen der Speisen, nachdem sie uns durch Erregung der Geschmacks- und Geruchsorgane eine angenehme Empfindung ausgel\u00f6st, noch auf viele andere Theile, namentlich des Darmkanals, ein und bereiten letzteren f\u00fcr die Verdauung auf irgend eine Weise vor. Es wird im ersten Falle Speichel reichlich abgesondert, was schon durch die Vorstellung oder den Anblick eines uns zusagenden Gerichtes bedingt wird, so dass uns der Speichel im Munde zusammenl\u00e4uft. Das Gleiche l\u00e4sst sich f\u00fcr die Magensaftdr\u00fcsen darthun ; man ist im Stande an Hunden mit k\u00fcnstlich angelegten Magenfisteln zu zeigen, wie pl\u00f6tzlich an der Oberfl\u00e4che Saft hervorquillt, wenn man den n\u00fcchternen Thieren ein St\u00fcck Fleisch vorh\u00e4lt, ohne es ihnen zu geben. Es setzt sich diese Wirkung wahrscheinlich vom Magen aus auch zu den Dr\u00fcsen und Blutgef\u00e4ssen des Darms fort. Nur so lange es uns schmeckt, ist es m\u00f6glich zu essen. Etwas Geschmackloses oder schlecht schmeckendes und ekelhaftes dagegen verm\u00f6gen wir nicht zu verschlucken ; bei einer nicht begehrenswerten und nicht appetitlichen Speise treten in der That","page":422},{"file":"p0423.txt","language":"de","ocr_de":"Bedeutung der Gew\u00fcrz- und Genussmittel.\n423\ndie angegebenen Erscheinungen nicht mehr ein, sondern es erfolgen vielmehr durch andere Uebertragungen Zusammenziehungen der Muskeln des Rachens, der Speiser\u00f6hre, des Magens, sowie der Muskeln, welche die Brechbewegungen bedingen, wie das W\u00fcrgen und das Abgegessensein der Gefangenen nach l\u00e4ngerer Aufnahme einer monotonen Kost am deutlichsten zeigt. Nicht selten ist man noch nach Jahren nicht mehr im Stande, Speisen, an denen man sich einmal \u00fcberessen, auch wenn es vorher unsere Lieblingsgerichte oder Leibspeisen waren, ohne schlimme Folgen zu gemessen.\nIn dem Magen oder Darm wirken ferner gewisse Substanzen direkt auf die Schleimhaut ein und machen die Blutgef\u00e4sse sowie die Dr\u00fcsen f\u00fcr das Gesch\u00e4ft der Absonderung und Resorption geeignet, obwohl wir keine Empfindung davon haben. Dass dazu nicht alle Stoffe gleich tauglich sind, erf\u00e4hrt man bei Leuten, deren Magen l\u00e4ngere Zeit unth\u00e4tig war, z. B. bei Rekonvalescenten, welche wieder etwas mehr zu essen beginnen: ein St\u00fcck eines kalten Bratens w\u00fcrden sie erbrechen, eine warme gute Fleischbr\u00fche, die den Magen f\u00fcr die Erzeugung von Saft und die Aufsaugung wieder einrichtet, geniessen sie mit Lust und mit Erfolg. Jeder mechanische Reiz der Magenschleimhaut macht bekanntlich Hervorquellen des Safts und F\u00fcllung der Blutgef\u00e4sse ; aber gewisse Reize scheinen dies besser zu bewirken, z. B. Alkohol oder Kochsalz, daher man h\u00e4ufig zur Einleitung eines Mahles gesalzene oder stark gew\u00fcrzte Speisen, Kaviar oder einen Schluck eines alkoholreichen Getr\u00e4nks (Sherry) nimmt. Es haben wohl viele der schmeckenden oder riechenden Stoffe unserer Speisen f\u00fcr den Magen eine \u00e4hnliche Bedeutung; das einfachste und beste Mittel ist erfahrungsgem\u00e4ss eine starke warme Fleischbr\u00fche.\nAndere Stoffe, welche wir ebenfalls zu den Genussmitteln z\u00e4hlen, bringen erst nach der Aufnahme in das Blut ausgebreitetere Wirkungen im K\u00f6rper hervor, gr\u00f6sstentheils auf das Centralnervensystem. Dahin geh\u00f6ren vorz\u00fcglich der Kaffee, der Thee, der Tabak, die alkoholischen Getr\u00e4nke u. s. w., deren Allgemeinwirkungen bekannt sind. Es handelt sich auch hier nicht um Eingriffe in die Zersetzungen, um Ersparung von Nahrungsmaterial, sondern wahrscheinlich um eine ver\u00e4nderte Beweglichkeit und gesteigerte Leistungsf\u00e4higkeit der kleinsten Theile der Nervencentralorgane durch das Genussmittel. Es kommt bei Ueberwindung von Schwierigkeiten sehr auf das, was wir Disposition oder Stimmung nennen, an, in welcher wir uns befinden. Bei gleicher Zersetzung im K\u00f6rper und der Erzeugung von gleich viel lebendiger Kraft wird doch ein Mensch, der mit frischem Muth an die Arbeit geht, dieselbe leichter verrichten als ein durch","page":423},{"file":"p0424.txt","language":"de","ocr_de":"424 Yoit, Die Ern\u00e4hrung. 2. Cap. Bedeutung der Gew\u00fcrz- und Genussmittel.\nKummer gedr\u00fcckter oder an sieh verzweifelnder. Ein Peitschenhieb l\u00e4sst, wie vorher schon erw\u00e4hnt, ein Pferd, ohne dass man ihm dadurch Kraft mittheilt, seine Kraft nach Aussen besser verwenden und ein Hinderniss leichter \u00fcberwinden; \u00e4hnlich kann eine zu rechter Zeit gegebene Tracht Schl\u00e4ge bei einem faulen Jungen wahre Wunder bewirken. Auf solche Weise bringen manche Genussmittel, z. B. der Weih, bestimmte Theile unserer Nervencentralorgane in einen Zustand, bei dem sie besser \u00fcber ihre Kr\u00e4fte verf\u00fcgen und es uns m\u00f6glich machen, \u00fcber gewisse Lagen des Lebens leichter hinwegzukommen und erh\u00f6hten Zumuthungen bereitwilliger Folge zu leisten. Ganz \u00e4hnlich ist die merkw\u00fcrdige, aber auf die Dauer verderbliche Wirkung des Opiums oder des Moschus, unter deren Einfluss ohne nachweisbare stoffliche Aenderung des K\u00f6rpers ein schon ganz verfallener Mensch neu wieder aufzuleben scheint.\nOhne Genussmittel in der Nahrung besteht demnach kein Mensch und kein Thier. Selbst die einfachste Kost, auch die Pflanzenkost, enth\u00e4lt Genussmittel genug, welche uns dieselbe angenehm machen und den Appetit erregen. Die Vegetabilien schmecken uns nur wegen ihres Gehaltes an Genussmitteln; in den Fr\u00fcchten finden sich die wohlschmeckenden Pflanzens\u00e4uren, die \u00e4therischen Oele u. s. w. ; ja es kommen die meisten Genussmittel aus dem Pflanzenreiche. Jeder Mensch liebt den Wohlgeschmack der Speisen; der D\u00fcrftigste geniesst mit Behagen sein einfaches und k\u00e4rgliches Mahl, wobei allerdings oft der Hunger der beste Koch ist, und erfreut sich an der Schmackhaftigkeit desselben vielleicht mehr als der verw\u00f6hnte Reiche. Auch Jas Thier erg\u00f6tzt sich am Geschmack seines Futters und ist hierin meist nicht weniger w\u00e4hlerisch als der Mensch. Besonders f\u00fcr Kranke und Rekonvalescenten sind die Genussmittel in den Speisen von wesentlicher Bedeutung; man muss denselben durch die angenehme Empfindung geradezu die Speisen einzuschmeicheln suchen und dadurch nach und nach die Lust zum Essen erwecken, sowie dem lange un-th\u00e4tigen Darm die F\u00e4higkeit wieder geben, Nahrungsstoffe zu ver\u00e4ndern und zu resorbiren. Jedes Volk hat seine besonderen Genussmittel, jeder Mensch seine Lieblingsspeisen; es spielt hierbei allerdings die Gewohnheit und die Individualit\u00e4t, die Einbildung, wie wir zu sagen pflegen (de gustibus non est disputandum) eine grosse Rolle, aber man muss auf diese verschiedenen Geschm\u00e4cke bei der Zusammenstellung der Nahrung R\u00fccksicht nehmen: ein S\u00fcddeutscher w\u00fcrde z. B. manche Gerichte der norddeutschen K\u00fcche nicht hinunter bringen, der bayrische Soldat ist nicht zu verm\u00f6gen die grossen Portionen von Speck zu verzehren wie der preussische. Wir beur-","page":424},{"file":"p0425.txt","language":"de","ocr_de":"Bedeutung der Gew\u00fcrz- und Genussmittel.\n425\ntheilen die Speisen nach dem ans der Erfahrung bekannten Ge-schmacke, der uns darnach verlangen oder sie abweisen l\u00e4sst.\nEs hat ausserdem noch vieles Andere auf den Verdauungsakt Einfluss, an was man f\u00fcr gew\u00f6hnlich nicht denkt, obwohl man jeden Tag in dieser Richtung Erfahrungen machen kann. Wir suchen uns n\u00e4mlich bei dem Essen noch alle m\u00f6glichen anderen Eindr\u00fccke und Gen\u00fcsse, ausser den durch die Geschmackssinnesorgane vermittelten zu verschaffen, welche offenbar mitbestimmend auf die Vorg\u00e4nge im Darmkanal sind. Wir machen die Speisen durch Zus\u00e4tze wohlriechend ; Speisen, welche einen Geruch besitzen, den wir an ihnen nicht gew\u00f6hnt sind, werden mit Widerwillen gegessen und meist nicht ertragen. Wir suchen ferner den Gerichten angenehme Formen zu geben, wir tischen sie sauber auf, damit sie uns \u201eappetitlich\u201c erscheinen. In stinkenden und unsauberen Lokalit\u00e4ten schmeckt es uns nicht. Es ist bekannt, wie manche Leute durch irgend eine Vorstellung von etwas ihnen ekelhaft erscheinendem sich die Mahlzeit verderben lassen, z. B. durch Tischgespr\u00e4che von Medizinern. Auch die Stimmung, in der wir uns befinden, ist von Wichtigkeit; bei Aerger oder Kummer bekommt uns das Essen nicht und wir magern deshalb dabei ab. Ein mit fr\u00f6hlichen Kindern oder guten Freunden besetzter Tisch, ein heiteres Gespr\u00e4ch oder frisches Lied dabei, geh\u00f6ren auch zu den Genussmitteln. Wir verdauen gewiss anders bei Aussicht in eine heitere Gegend, als auf Kerker- oder Klostermauern. Bei lukullischen Mahlen wird auch noch in anderer ausgedehnter Weise f\u00fcr Sinnengenuss gesorgt: f\u00fcr eine Augenweide durch ausgesuchte Pracht der Tafel und der Umgebung, f\u00fcr den Geruchsinn durch wohlriechende Blumen und D\u00fcfte, f\u00fcr einen Ohrenschmaus durch liebliche Musik.\nEs ist allerdings richtig, dass die Anspr\u00fcche an die Genussmittel sehr verschieden sind und dass Viele darin nicht das richtige Maass zu halten wissen und sich eine unnat\u00fcrliche Verfeinerung angew\u00f6hnen, indem nur durch stets steigende, raffinirte Erh\u00f6hung des Genusses noch ein weiterer Genuss geschaffen werden kann.\nWir lernen die hohe Bedeutung der in richtigem Maasse in der Nahrung aufgenommenen Genussmittel, welche uns nicht blos angenehme, sondern auch n\u00fctzliche und unentbehrliche Gen\u00fcsse verschaffen, geh\u00f6rig w\u00fcrdigen, wenn wir bedenken, dass f\u00fcr sie auch bei den bescheidensten Anspr\u00fcchen viel mehr ausgegeben wird wie f\u00fcr die reinen Nahrungsstoffe. Denn um Nahrungsstoffe zuzuf\u00fchren, k\u00f6nnte man ebenso gut ausgesottenes Rindfleisch wie die verschiedenartigen Fleischsorten, Gefl\u00fcgel und Fische gemessen. Der Grund","page":425},{"file":"p0426.txt","language":"de","ocr_de":"426 Voit. Die Ern\u00e4hrung. 2. Cap. Bedeutung der Gew\u00fcrz- und Genussmittel.\ndes Gebrauchs eines der verbreitetsten und beliebtesten Genussmittel, des s\u00fcssen Zuckers, nach dessen Geschmack wir h\u00e4ufig das, was uns besonders angenehm ist, benennen, ist noch ganz unklar ; wir essen ihn nicht, weil er auch ein Nahrungsstoff ist, denn in dieser Beziehung k\u00f6nnte etwas St\u00e4rkemehl oder Dextrin die gleichen Dienste thun, die Menschen und viele Thiere lieben ihn vielmehr wegen seines s\u00fcssen Geschmackes; Moses tr\u00f6stete sein Volk in der W\u00fcste mit der Verheissung, dass er es in ein Land f\u00fchren werde, wo Milch und Honig fliesst. Selbst die Getr\u00e4nke, in denen wir dem K\u00f6rper das n\u00f6thige Quantum von Wasser zuf\u00fchren, m\u00fcssen ihre Genussmittel haben; wir verschm\u00e4hen das geschmacklose destillirte Wasser zu trinken und lieben im Quellwasser die freie Kohlens\u00e4ure; aber auch das reine Trinkwasser gen\u00fcgt in vielen F\u00e4llen nicht mehr und doch k\u00f6nnte es als Nahrungsstoff eben so gut wie das in so grossen Massen verbrauchte kohlensaure Wasser, oder wie der Wein, oder auch vielfach wie das Bier ausreichen. Der Konsum von Kaviar, Tr\u00fcffeln, Fleischextrakt, Kaffee, Thee, Tabak u. s. w. ist ein geradezu fabelhafter, und die gr\u00f6ssten Fl\u00e4chen Landes werden bebaut, nur um Genussmittel f\u00fcr die Menschen zu produziren. Zur Herstellung eines Liters guten Bieres hat man z. B. einen halben Liter Gerste n\u00f6thig, und zur Deckung des j\u00e4hrlichen Bierkonsums der Stadt M\u00fcnchen allein muss eine Fl\u00e4che Landes von 9.4 deutschen Quadratmeilen mit Gerste bepflanzt werden. Eines der wichtigsten Genussmittel, das Kochsalz, von dem allerdings ein Theil die Rolle eines Nahrungsstoffes spielt, das aber keinen wesentlichen Einfluss auf den Fleisch-, Fett- oder Milchertrag aus\u00fcbt, wird von Menschen und Thieren mit Begierde aufgenommen1; wir k\u00f6nnen ungesalzene Speisen kaum gemessen. In salzarmen Gegenden wird es als gr\u00f6sster Leckerbissen gesch\u00e4tzt und gegen die kostbarsten G\u00fcter eingetauscht ; ja es sind schon blutige Kriege um den Besitz von Salinen und Steinsalzlagern gef\u00fchrt worden.\nEs ist eine auffallende Erscheinung, dass die Gen\u00fcsse in einer gewissen Abwechselung geboten werden m\u00fcssen, sonst treten bald statt der angenehmen Empfindungen unangenehme ein, und die Unlust, die Uebers\u00e4ttigung folgt der Lust. Es war bei Nichtbeachtung dieser Thatsache lange Zeit unm\u00f6glich, den fortw\u00e4hrenden Wechsel in den Nahrungsmitteln des Menschen zu begreifen. Man wurde von der richtigen Erkl\u00e4rung abgelenkt, da man dabei immer an die Wirkung von Nahrungsstoffen dachte.\n1 Victor Hehn, Das Salz, eine kulturliistor. Studie. Berlin 1873. \u2014 J. M\u00f6ller, Ueber das Salz in seiner kulturgeschichtlichen und naturwissenschaftlichen Bedeutung. Berlin 1874.","page":426},{"file":"p0427.txt","language":"de","ocr_de":"Bedeutung der Gew\u00fcrz- und Genussmittel.\n427\nErh\u00e4lt man eine, anfangs recht wohlschmeckende Speise in zu grosser Quantit\u00e4t oder zu oft nach einander vorgesetzt, so stumpft sich die Empfindung f\u00fcr diesen Eindruck ab, die Genussmittel erregen uns dann nicht mehr in der richtigen Weise oder rufen sogar unangenehme Gef\u00fchle hervor und es ist, als ob wir Nahrungsstoffe ohne Genussmittel aufn\u00e4hmen. Je ausgesprochener und intensiver der Geschmack einer Speise ist, desto rascher widert sie uns an. Darum verm\u00f6gen wir nur wenige Speisen Tag f\u00fcr Tag und in gr\u00f6sserer Menge zu gemessen, wie z. B. unser t\u00e4glich Brod, das neben anderen Nahrungsmitteln stets eine willkommene Zuthat ist ; ein s\u00fcsser Kuchen, wenn er auch Eiweiss und Kohlehydrate in derselben Menge liefert, k\u00f6nnte die Stelle des Brodes nicht ersetzen.\nKein erwachsener Mensch vermag sich deshalb auf die Dauer ausschliesslich mit der gleichen Speise zu ern\u00e4hren : sie wird ihm bald zuwider. Wir lieben die Abwechslung, nicht um andere Nahrungsstoffe, welche ja in den mannigfaltigsten Speisen die gleichen sind, sondern um verschiedene Genussmittel zuzuf\u00fchren. Ich weiss von Personen, welche ihr einfaches Mahl in Gasth\u00e4usern zu sich nehmen, dass sie, wenn sie auch anfangs ganz wohl zufrieden sind, doch gen\u00f6thigt waren, von Zeit zu Zeit das Gasthaus zu wechseln, da in jedem die Speisen in allzu gleichf\u00f6rmiger Weise zubereitet werden.\nAuch diejenigen V\u00f6lker, welche als haupts\u00e4chlichste Nahrung ein einziges Nahrungsmittel wie z. B. Reis, Mais, Kartoffeln oder Geb\u00e4cke aus Mehl gemessen, essen stets noch allerlei Substanzen dazu, namentlich wechselnde Gew\u00fcrze, heute eine Zwiebel, morgen etwas K\u00e4se oder einen getrockneten Fisch, oder sie bereiten aus dem gleichen Nahrungsmittel verschiedene Gerichte, z. B. aus dem Mehl Brod, Nudeln, Schmarrn, Kn\u00f6del, Sp\u00e4tzein u. s. w.\nF\u00fcr den in diesen St\u00fccken etwas verw\u00f6hnten Gaumen f\u00e4llt es sogar schwer, den Gesammtbedarf f\u00fcr einen einzigen Tag oder f\u00fcr zwei ausschliesslich in der n\u00e4mlichen Speise aufzunehmen, wenn dieselbe uns bei der ersten Mahlzeit auch noch so gut schmeckt. Einer der mit Sicherheit meint, zwei bis drei Tage nur fetten Rostbraten oder in Fett gebackene Eier, oder Polenta unter Zusatz von K\u00e4se, oder Kl\u00f6sse oder Schwarzbrod, welche Speisen alle ihm in gewisser Menge gen\u00fcgend Nahrungsstoffe bieten, verzehren zu k\u00f6nnen, er nimmt bei der dritten oder vierten Mahlzeit zu seiner Verwunderung wahr, dass sein Beginnen ein recht schwieriges ist und grosse Ueber-windung kostet.\nDeshalb nehmen wir f\u00fcr gew\u00f6hnlich unsere Nahrung in den","page":427},{"file":"p0428.txt","language":"de","ocr_de":"428 Yoit, Die Ern\u00e4hrung. 2. Cap. Bedeutung der Gew\u00fcrz- und Genussmittel.\nmannigfaltigsten Gerichten auf, aus den verschiedensten Nahrungsmitteln oder auch aus ein und demselben Nahrungsmittel in wechselnder Zubereitung hergestellt. Zum Fr\u00fchst\u00fcck geniessen wir etwas anderes als zum Mittag- und Abendessen. Wir wechseln t\u00e4glich mit den Speisen und sind meist nicht zufrieden, wenn ein und dieselbe uns zu h\u00e4ufig vorgesetzt wird. Ja selbst bei der gleichen Mittagsmahlzeit verm\u00f6gen wir uns nur selten mit einer einzigen Speise gen\u00fcgend Material zuzuf\u00fchren, wir m\u00fcssen den Bedarf meist in mehreren verschieden schmeckenden Gerichten aufnehmen, gew\u00f6hnlich in Suppe, Fleisch und Gem\u00fcse, also einen Wechsel der Genussmittel haben. Das was uns eben vorher noch ganz vortrefflich mundete, sagt uns bei weiterer Zufuhr bald nicht mehr zu, wir k\u00f6nnen nicht weiter davon essen, wohl aber noch von etwas Anderem: wir sind von einer Speise ges\u00e4ttigt und sie widersteht uns. Man sieht dies namentlich in Volksk\u00fcchen, in welchen alles f\u00fcr ein Mittagessen N\u00f6thige in einem einzigen Gericht in demselben Topf gegeben wird.\nSo haben alle unsere seit Jahrtausenden eingeb\u00fcrgerten Gebr\u00e4uche ihren guten Grund; nur gelingt es gew\u00f6hnlich erst sp\u00e4t, ihn zu erkennen.\nAn die Betrachtung der Bedeutung der Gew\u00fcrz- und Genussmittel im Allgemeinen reihe ich eine kurze Aufz\u00e4hlung der von uns als solche h\u00e4ufiger ben\u00fctzten Substanzen1.\nNicht alle von uns gebrauchten Genussmittel haben ausschliesslich diese eine Aufgabe; ich habe schon mehrere erw\u00e4hnt, welche zugleich auch als Nahrungsstoffe dienen. Zu diesen rechnen wir den in so ungeheurer Menge eonsumirten Zucker, mit dem wir viele Speisen vers\u00fcssen, den wir im Honig und in den s\u00fcssen Fr\u00fcchten aufnehmen. Zu den Nahrungs- und Genussmitteln zugleich geh\u00f6rt auch das Kochsalz, von welchem wir zur Erhaltung des Kochsalzbestandes im K\u00f6rper nur wenig n\u00f6thig haben. Den intensiv schmeckenden K\u00e4se geniessen wir nach einem opulenten Mahle als Genussmittel, und gewiss nicht um uns noch mit etwas Eiweiss zu bereichern. Auch das Oel, mit dem wir den Salat anmachen, um den rohen Bl\u00e4ttern Schl\u00fcpfrigkeit und einen angenehmen Geschmack zu ertkeilen, oder der zum Ans\u00e4uern mancher Speisen verwendete Essig (mit 5\u20147% Essigs\u00e4ure), sie sind Genussmittel undNahrungsstofife.\nDie meisten anderen Gew\u00fcrze aber, welche wegen der in ihnen befindlichen \u00e4therischen Oele oder scharf schmeckenden und reizenden Stoffe zum W\u00fcrzen der Speisen gebraucht werden, und die vielen\n1 Stohmann, Nahrungs- lind Genussmittel in Muspratt\u2019s techn. Chemie 3. Aufi. IV. S. 1725. \u2014 J. K\u00f6nig, Die menschl. Nahrungs- u. Genussmittel. II. 1880.","page":428},{"file":"p0429.txt","language":"de","ocr_de":"Gegolirene alkoholische Getr\u00e4nke : Wein und Branntwein.\n429\nin den Nahrungsmitteln schon enthaltenen Substanzen der Art1 kommen in so geringer Menge in Anwendung, dass sie nur als Genussmittel dienen und ihr allenfallsiger Gehalt an Nahrungsstoffen ganz verschwindend klein ist. Dahin geh\u00f6ren: Pfeffer, Senf, Zimmt, Vanille, Muskatnuss, Gew\u00fcrznelken, Ingwer, Anis, K\u00fcmmel, alle die verschiedenen K\u00fcchenkr\u00e4uter u. s. w.\nJedes Volk hat endlich ein sogenanntes allgemeines Genussmittel, welches weniger auf die Geruch- und Geschmacksnerven, sondern im Wesentlichen nach dem Uebertritt ins Blut auf bestimmte Nerven-centralorgane einwirkt. Dahin geh\u00f6ren vor Allem die gegoltenen alkoholischen Getr\u00e4nke, die Aufg\u00fcsse von schwach narkotisch wirkenden Pflanzenstoffen wie der Thee, der Kaffee, die Chocolade, und ferner der Tabak, \u00fcber welche ich noch Einiges zu berichten habe.\nI. Gegolirene alkoholische Getr\u00e4nke.\n1. Wein und Branntwein.\nDie alkoholischen oder geistigen Getr\u00e4nke werden bekanntlich durch G\u00e4hrung zuckerhaltiger Fl\u00fcssigkeiten hergestellt.\nDer aus dem Saft der reifen Trauben bereitete Vrein ist seit den \u00e4ltesten Zeiten im Gebrauch. Es finden sich in ihm ausser dem Wasser: Alkohol, Zucker, organische S\u00e4uren und saure Salze derselben (Weins\u00e4ure, Essigs\u00e4ure, Aepfels\u00e4ure), in Spuren Glycerin, Gummi, Eiweiss, Bernsteins\u00e4ure, ferner gewisse riechende Stoffe (Oenanth\u00e4ther und andere Aether), Gerbstoffe, Farbstoffe, Kohlens\u00e4ure und anorganische Salze. Diese Stoffe sind in den verschiedenen Weinen in sehr ungleichen Quantit\u00e4ten vorhanden. Die aromatischen Stoffe geben dem Wrein die Blume oder das Bouquet; die s\u00fcdlichen Weine sind reicher an Alkohol und Zucker, das Aroma tritt dagegen in ihnen zur\u00fcck. Ich gebe in Folgendem die procen-tige Zusammensetzung einiger Weine:\nfranz. Roth wein Marsala .\t.\t.\nChampagner\n88.44\n20.40\n75.56\n74.29\n13.96\n1 H\u00e4ufig entstehen Genussmittel erst durch die Art der Zubereitung der Speisen, wie z. B. die schmeckenden Substanzen beim Braten des Fleisches\u00b0","page":429},{"file":"p0430.txt","language":"de","ocr_de":"430 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 2. Cap. Bedeutung der Gew\u00fcrz- und Genussmittel.\nDie Menge von eiweissartiger Substanz im Wein ist viel zu klein, um als Nabrungsstoff in Betracht kommen zu k\u00f6nnen; sie stammt wahrscheinlich von einem Rest der Hefezellen her; ein Theil des Stickstoffs ist vielleicht in Ammoniaksalzen enthalten. Durch den Gehalt an Zucker und Extraktivstoffen ist dem Wein, namentlich den s\u00fcssen Weinen und dem Champagner ein gewisser Nahrungswerth nicht abzusprechen, jedoch ist derselbe so geringf\u00fcgig, dass diese in einer Flasche Wein gereichten n\u00e4hrenden Bestandtheile eben so gut durch einen Bissen Brod geliefert werden k\u00f6nnten. Auch der Alkohol des Weins, der zwischen 6\u201416 Yol. Procent schwankt, ist streng genommen als ein Nahrungsstoff zu betrachten, insofern er etwas Eiweiss und vielleicht etwas Fett vor der Zersetzung bewahrt. Aber diese Wirkung ist sehr zur\u00fccktretend (S. 416); darum wird auch der Wein nicht getrunken, um Nahrungsstoffe zuzuf\u00fchren, sondern vorzugsweise als Genussmittel und zwar wenn es in massiger Menge zeitweilig genommen wird, als eines der edelsten, das des Menschen Sinn erfreut. Ein Schluck guten starken Weins vermag \u00e4ltere oder schw\u00e4chliche Leute neu zu beleben; er erm\u00f6glicht dem erm\u00fcdeten Wanderer sein Ziel zu erreichen. Allerdings ist es ein ganz falsches Gleich-niss, wenn man sagt, der Wein sei die Milch der Greise. Der Wein bringt vielmehr seine Wirkung zumeist durch den in ihm sich findenden Alkohol, welcher vorz\u00fcglich gewisse Nervencentralorgane in Erregung versetzt und sie zu erh\u00f6hter Th\u00e4tigkeit aufstachelt, hervor.\nDer Branntwein enth\u00e4lt wesentlich mehr Alkohol als die gew\u00f6hnlichen Weine. Der aus Wein dargestellte Cognak liefert \u00fcber 60 Yol. % Alkohol, das Kirschwasser und der aus Zuckerrohrmelasse bereitete Rum gegen 51 %, der aus Reis verfertigte Arrac 61 \u00b0/o, der Kartoffel- und Kornschnaps meist 40\u201450 \u00b0/o. Der Branntwein ist daher von ungleich st\u00e4rkerer Wirkung und sein regelm\u00e4ssiger Genuss, namentlich in gr\u00f6sseren Dosen, f\u00fcr die Gesundheit in hohem Grade sch\u00e4dlich. Ein Schluck Branntwein kann allerdings einen g\u00fcnstigen Einfluss aus\u00fcben z. B. bei Soldaten im Felde nach grossen Strapazen \\ oder als Arznei in gewissen F\u00e4llen. Es ist kaum richtig, dass bei Genuss von Branntwein zur Erhaltung des K\u00f6rpers in erheblicher Menge weniger Nahrungsstoffe noting sind ; der S\u00e4ufer nimmt nur in der Regel in Folge des durch den concentrirten Alkohol hervorgerufenen chronischen Magenkatarrhs weniger Speise auf, kommt aber auch k\u00f6rperlich herunter. Der Darbende, welcher Schnaps trinkt, um die Kraft f\u00fcr die Arbeit zu finden, behandelt seinen K\u00f6rper\n1 Parkes, On tlie issue of a spirit ration etc. during the Ashanti Compaign of 1874. p. 47 u. 57. London 1875.","page":430},{"file":"p0431.txt","language":"de","ocr_de":"Gegohrene alkoholische Getr\u00e4nke : Das Bier.\n431\nebenso wie der Unbarmherzige, der sein von Hunger ersch\u00f6pftes Pferd durch Peitschenhiebe zu neuen Leistungen zwingt.\n2. Das Bier.\nDas Bier wird, wie bekannt, aus Gerstenmalz, Hopfen, Hefe und Wasser hergestellt. Von allen alkoholischen Getr\u00e4nken wird keines in so grossen Quantit\u00e4ten genossen als das Bier. Im gew\u00f6hnlichen leichteren Bier findet sich procentig wesentlich weniger Alkohol als in den Weinen oder dem Branntwein; seine Wirkungen sind daher nicht so eingreifende und sein regelm\u00e4ssiger Genuss nicht so sch\u00e4dlich. Es verdr\u00e4ngt zum Gl\u00fcck immer mehr den Consum von Branntwein, ja es macht selbst in den Wein producirenden Gegenden dem Wein erhebliche Konkurrenz.\nDas Bier ist nicht nur ein vortreffliches Genussmittel, sondern es schliesst auch in ber\u00fccksichtigenswerther Quantit\u00e4t einen Nahrungsstoff ein. Es enth\u00e4lt ausser Wasser, Alkohol, Kohlens\u00e4ure und den aromatischen Stoffen des Hopfens vorz\u00fcglich Dextrin und Zucker, ausserdem noch geringe Mengen von eiweissartigen Stoffen, Glycerin, Milchs\u00e4ure, Essigs\u00e4ure, Bernsteins\u00e4ure und anorganische Salze.\nEs werden im Mittel in Procent angegeben f\u00fcr:\nSorte\tWasscr\tO r-( 'ln o o\tAlkohol Vol. \u00b0/o\tExtrakt\tEiweiss\tZucker\tDextrin und Gummi\tMilchs\u00e4ure\tGlycerin\tAsche\nWinterbier .\t.\t91.81\t0.228\t3.206\t4.988\t0.811\t0.442\t2.924\t0.116\t0.202\t0.200\nSommerbier .\t.\t90.71\t0.218\t3.679\t5.612\t0.491\t0.872\t4.390\t0.128\t0.218\t0.223\nExportbier (Bock)\t88.72\t0.245\t4.066\t7.227\t0.710\t0.900\t\u2014\t0.166\t\u2014\t0.267\nPorter u. Ale .\t88.52\t0.213\t5.164\t6.321\t0.730\t0.884\t\u2014\t0.325\t\u2014\t0.273\nZu einer Zeit, als man den Eiweissgehalt einer Substanz als einziges Maass f\u00fcr ihren N\u00e4hrwerth ansah, glaubte man, das Bier habe in dieser Beziehung keine oder nur eine \u00e4usserst geringe Bedeutung, da es kein Eiweiss enthalte (Liebig). In der That kommt im Biere kein oder nur sehr wenig Eiweiss vor und es kann also keine Nahrung abgeben. Das bei den Analysen angegebene Eiweiss ist nicht direkt bestimmt, sondern nur aus dem Stickstoffgehalte des Extraktes berechnet. Das Eiweiss des Malzes geht wohl zum Theil in die W\u00fcrze \u00fcber, es wird aber fast vollst\u00e4ndig beim Sieden des Biers, durch Verbindung mit dein Gerbstoff des Hopfens und in der sich w\u00e4hrend der G\u00e4hrung entwickelnden Hefe wieder abgeschieden.","page":431},{"file":"p0432.txt","language":"de","ocr_de":"432 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 2. Cap. Bedeutung der Gew\u00fcrz- und Genussmittel.\nNeuerdings wird angenommen, dass sich im Bier Spuren von l\u00f6slichem Eiweiss oder Pepton befinden, welche sich durch ein beim Malzen entstehendes Ferment aus dem Eiweiss w\u00e4hrend des Maischprocesses bilden oder aus der Hefe abstammen sollen.1 Aber auf den reichlichen Gehalt an leicht l\u00f6slichen Kohlehydraten in der so \u00e4usserst g\u00fcnstigen Form von Dextrin und Zucker hatte man fr\u00fcher nicht geachtet, da man die Kohlehydrate nur f\u00fcr W\u00e4rmebildner hielt. Das Kohlehydrat macht das Bier zu einem Nahrungsmittel, welches jedoch theuer zu stehen kommt, denn 30 Grm. desselben in einer Semmel kosten nur 3 Pfennige, in einem halben Liter Bier 13 Pfen-\nnige.\nIn zwei Liter Bier nimmt ein M\u00fcnchner 120 Grm. Extrakt auf, das sind in leicht l\u00f6slicher Substanz 33% des in der menschlichen Nahrung gew\u00f6hnlich verzehrten Kohlehydrates. Ein Arbeiter verzehrt in seiner t\u00e4glichen Nahrung h\u00f6chstens 500 Grm. Kohlehydrate ; in etwas \u00fcber 8 Liter Bier k\u00f6nnte er also seinen ganzen Bedarf an Kohlehydraten zuf\u00fchren. Dies ist allerdings ein viel zu grosses Quantum Bier, welches aber leider von manchen Trinkern erreicht wird. Die M\u00fcnchener Bev\u00f6lkerung hat sich an einen \u00fcberm\u00e4ssigen Verbrauch von Bier gew\u00f6hnt, der v\u00f6llig unn\u00fctz, ist und einen bedeutenden Bruehtheil des Einkommens verschlingt, was nicht nur f\u00fcr die Gesundheit, sondern auch f\u00fcr den Wohlstand der Leute von den traurigsten Folgen ist.\nDie Quantit\u00e4t des consumirten Biers ist eine gauz ungeheuere geworden; die Consumption betrug im Jahre 1874 f\u00fcr den Kopf der Bev\u00f6lkerung in Liter:\nin Belgien ....\t158 Liter\nin England ....\t139\t\u201e\nim Deutschen Reich .\t98\t\u201e\nin Oesterreich ...\t37\t\u201e\nin Frankreich ...\t21\t\u201e\nin M\u00fcnchen .\t.\t.\t.\t566\t_\nII. Alkaloidlialtige Substanzen.\n1. Kajfee.\nIn vielen L\u00e4ndern der Erde, namentlich auch auf dem europ\u00e4ischen Kontinente, wird von Arm und Reich t\u00e4glich der heisse Extrakt der ger\u00f6steten Bohnen des Kaffeebaums (Coffea arabica) genossen, obwohl sein Gebrauch in Europa erst im 16. und 17. Jahrhundert bekannt geworden ist.\n1 Feichtinger, Dingier\u2019s polyt. Journ. CXC\\ IL S. 363. \u2014 V. Griessmayer, Ber. d. d. chem. Ges. X. S. 617. 1877.","page":432},{"file":"p0433.txt","language":"de","ocr_de":"Alkaloidhaltige Substanzen : Kaffee.\n433\nIn den Kaffeebohnen findet sich als haupts\u00e4chlich wirkender Stoff das zu den Alkaloiden gerechnete Kaffein (0.5\u20141 o/0) und ferner die Kaffeegerbs\u00e4ure (als kaffeegerbsaures Kali-Kaffein)1 ; ausserdem 6\u2014So/o Zucker, Fett, Legumin und Cellulose.\nBeim R\u00f6sten (bei 200\u2014250\u00b0 C.) treten allerlei Ver\u00e4nderungen mit den Bestandtheilen der Bohnen ein und es bilden sich aus den in Wasser l\u00f6slichen Stoffen aromatische Substanzen. Der gr\u00f6sste Theil des Zuckers wird dabei zersetzt und in Karamel verwandelt, denn im ger\u00f6steten Kaffee sind nur mehr 0.5 % Zucker vorhanden. Auch die Cellulose erleidet theilweise eine Zersetzung, ebenso die Eiweissstoffe. Das kaffeegerbsaure Kali-Kaffein bl\u00e4ht sich auf und wird wahrscheinlich in seine Bestandtheile zerlegt.\nDer Gewichtsverlust der lufttrockenen Bohnen beim richtigen R\u00f6sten betr\u00e4gt 16\u201417 \u00b0/b ; davon sind nach J. K\u00f6nig2 8.66 \u00b0/o Wasser und 9.11% organische Substanz.\n100 Theile ger\u00f6steter Bohnen liefern nach Liebig 3 21.52 Theile trockenes Extrakt, nach A. Vogel 39 Theile, nach Paten 25 Theile, nach Cadet4 bei rothbrauner F\u00e4rbung 12, bei dunkelbrauner 22 Theile; ich 5 habe aus ger\u00f6steten Bohnen 21.35% Extrakt bekommen.\nNach J. Lehmann gehen von 100 Theilen ger\u00f6steter Bohnen 3.4 Theile Aschebestandtheile, vorz\u00fcglich Kalisalze, in das Extrakt \u00fcber; nach meinen Bestimmungen 3.13 Theile (im trocknen Extrakt waren 14.65% Asche).\nIch fand im Auszug aus 100 Grm. ger\u00f6steten Bohnen 0.68 Grm. Stickstoff, entsprechend 2.4 Grm. Kaffein. Aubert zog das Kaffein direkt mit Chloroform aus und bekam nur 0.072% (in einer Tasse aus 16.66 Grm. ger\u00f6steter Bohnen 0.012 Grm. Kaffein), fast alles was in den Bohnen enthalten war.\nNach einer Zusammenstellung J. K\u00f6nig\u2019s gehen von 100 Grm. gebrannten Bohnen in L\u00f6sung \u00fcber:\n\taus 100 Grm.\taus 15 Grm.\n\tger. Bohnen\t(1 Tasse)\nExtrakt\t.\t25.50\t3.82\nKaffein (aus AT)\t1.74\t0.26\nOel\t\t5.18\t0.78\nA7-freies Extrakt\t.\t14.52\t2.17\nAsche ....\t4.06\t0.61\n1\tPayen, Pr\u00e9cis de cbimie technique. Deutsch v. Stohmann u. Engler. IL S. 3S3.\n2\tJ. K\u00f6nig, Die menschl. Kahrungs- u. Genussmittel. 1SS0. S. 476.\n3\tLiebig, Chem. Briefe. S. 564. 1851.\n4\tBibra, Die narkotischen Genussmittel. S. 23. 1855.\n5\tVoit, Unters, \u00fcber den Einfluss d. Kochsalzes, des Kaffees u. s. w. S. 80. 1860.\n6\tAubert bei Haase , Unters, \u00fcber die Wirkungen des Coffeins. Diss. inau\u00bb-. Rostock 1871.\nHandbuch der Physiologie. Bd. VI.\n28","page":433},{"file":"p0434.txt","language":"de","ocr_de":"434 Voit, Die Ern\u00e4hrung. 2. Cap. Bedeutung der Gew\u00fcrz- und Genussmittel.\nEs sind im Laufe der Zeit allerlei Meinungen \u00fcber die Wirkung des Kaffees und die Bedeutung des Kaffeetrinkens ge\u00e4ussert worden.\nPayen 1 batte die Ansicht aufgestellt, der Kaffeeabsud w\u00e4re seines Stickstoffgebaltes wegen ein wahres Nahrungsmittel; erst als man einsah, dass hierf\u00fcr der Stickstoffgehalt einer Substanz nicht entscheidend ist, sondern vielmehr die Verbindung, in welcher der Stickstoff steckt, kam man von dieser Anschauung ab. Im Kaffeeabsud findet sich der \u00fcberdies nur in geringer Menge vorhandene Stickstoff gr\u00f6sstentheils im Kaffein.\nWegen der Aehnlichkeit in der Zusammensetzung des Kaffeins und des Taurins, dessen Schwefelgehalt damals noch unbekannt war, hielt Liebig'2 das erstere f\u00fcr einen Lebernahrungsstoff, der zur Gallenbildung beitrage.\nRochleder3 hatte aus dem Kaffein Zersetzungsprodukte erhalten -homolog den Oxydationsprodukten im thierischen Organismus, woraus er schloss, dass das Kaffein an der Ern\u00e4hrung Antheil nimmt, indem es vielleicht das Kreatin des Fleisches ersetzt; bei Aufnahme stickstoffarmer Nahrungsmittel, aus denen sich nur wenig Kreatin bilden 1 k\u00f6nne, w\u00e4ren daher die kaffeinhaltigen Substanzen im Stande, den Mangel an Fleisch zu ersetzen.\nIn der folgenden Zeit Hess man das Kaffein in die Zersetzung anderer Stoffe im K\u00f6rper eingreifen und suchte zumeist den Grund ^ des Kaffeetrinkens in einer Verminderung des Stoffwechsels, vorz\u00fcglich des Eiweisszerfalls4 5. Wegen der anscheinend geringeren Harnstoffausscheidung bei Kaffeegenuss dachte man sich, der Kaffee werde getrunken, um stickstoffhaltige Nahrung zu ersparen oder mit derselben Menge der letzteren mehr f\u00fcr den K\u00f6rper zu leisten (siehe S. 174). Knapp 5 meinte z. B., es werde f\u00fcr gew\u00f6hnlich die Kraft f\u00fcr mechanische Leistungen rascher produzirt als man sie f\u00fcr die Arbeit verwenden k\u00f6nne und es sei dadurch, dass unter dem Einfluss des j Kaffees die Zersetzung langsamer erfolge, m\u00f6glich den sonst verloren gehenden Antheil der Kraft zu gewinnen.\nIch habe dagegen dargethan, dass der Eiweissumsatz sich unter der Einwirkung des Kaffees nicht nachweisbar \u00e4ndert. Wenn aber { auch der Kaffee die Eigenschaft gehabt h\u00e4tte, den \u201eStoffwechsel\u201c\nt Payen, Compt. rend. XXII u. XXIII. 1846.\t.\n2\tLiebig, Die org. Chemie in ihrer Anwendung auf Physiol, u- Pathol. S. 181 bis 192 1842\n3\tRochleder, Sitzgsber. d. Wiener Acad. II. S. 259.1849; die Genussmittel u. Gew\u00fcrzein chemischer Beziehung. S. 49. 1852.\n4\tA. Marva\u00fcd, Les aliments d\u2019\u00e9pargne, p. 3U0. Paris 1874.\n5\tKnapp, Wissenschaftl. Vortr\u00e4ge zu M\u00fcnchen. S. 610. 1858.","page":434},{"file":"p0435.txt","language":"de","ocr_de":"Alkaloidhaltige Substanzen : Thee.\n435\nzu verlangsamen, so w\u00e4re es doch noch sehr fraglich gewesen, ob er um dieser Wirkung willen auch getrunken wird. Der Wohlhabende trinkt gewiss nicht aus diesem Grunde den Kaffee nach einem luxuri\u00f6sen Mahle ; die eigentlichen Kafifeeschwestern finden sich nicht unter den armen, sondern in begl\u00fcckteren St\u00e4nden. Im Gegensatz dazu ist der Arme meist auf ganz schlechte Sorten Kaffee angewiesen, ja er trinkt h\u00e4ufig nur Surrogate.\nDer Kaffee hat darnach nichts mit der eigentlichen Ern\u00e4hrung und der Nahrungszufuhr zu thun, er wirkt als ein Genussmittel auf gewisse Nervencentralorgane erregend ein.1 Dadurch zieht die gleiche erregende Ursache st\u00e4rkere Erfolge nach sich oder es bedarf einer geringeren Anregung, um den n\u00e4mlichen Effekt zu erzielen. Er erfrischt auf diese Weise den erm\u00fcdeten K\u00f6rper von Neuem, indem er die Abspannung desselben weniger f\u00fchlbar und ihn so zu fortgesetzter Arbeit tauglich macht. Der Kaffee bewirkt, dass wir unangenehme Zust\u00e4nde weniger empfinden oder uns dar\u00fcber leichter hinwegsetzen und bef\u00e4higter werden, Schwierigkeiten zu \u00fcberwinden ; er wird somit f\u00fcr den prassenden Reichen zum Mittel die Arbeit des Darms nach der Mahlzeit weniger f\u00fchlbar zu machen und die t\u00f6dt-liche Langeweile zu vertreiben, f\u00fcr den Gelehrten ihn bei anhaltenden Studien wach und frisch zu erhalten, f\u00fcr den Arbeiter die M\u00fchen des Tages mit leichterem Sinne zu ertragen.2\n2. Thee.\nDas Kaffein findet sich ausser in den Kaffeebohnen noch in dem in China seit den \u00e4ltesten Zeiten kultivirten Theestrauch (Thea chinensis), ferner im Yerbastrauch (Ilex paraguayensis), der das Lieblingsgetr\u00e4nk der Bewohner eines grossen Theiles von S\u00fcdamerika liefert, dann im Paullinienstrauch (Paullinia sorbilis), dessen schwarze Samen in Brasilien besonders auf Reisen zur Bereitung einer erfrischenden Limonade verwendet werden, und endlich im Colabaum (Cola acuminata), aus dessen N\u00fcssen (Gurun\u00fcssen) in Guinea der Kaffee von Sudan bereitet wird.\n1\tFkerichs, Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. III. (1) S. 672 u. 721. \u2014 C. G. Lehmann, Lehrb. d. physiol. Chemie. I. S. 151. 1853. \u2014 J. Lehmann, Ann. d. Chem. u. Pharm. LXXXVII. S. 205 u. 275. 1853. \u2014 F. Hoppe, Deutsche Klinik. 1857. No. 19. \u2014 J. F. H. Albers, Ebenda. 1852. No. 51. S. 577. \u2014 Boecker, Arch. d. Yer. f. gern.\u2019 Arb. I. S. 213. \u2014 Stuhlmann u. Falck, Arch. f. path. Anat. XL S. 324. 1857. \u2014 Voit a. a. O. S. 135. \u2014 Haase a. a. O. \u2014 Aubert u. Dehn, Arch. f. d. ges. Physiol. Y. S. 589. 18/2, IX. S. 115. 1874. \u2014 Peretti, Beitr. zur Toxikologie des Kaffein. Diss. inaug. Bonn 1875. \u2014 Binz, Niederrhein. Ges. f. Natur- u. Heilk. S. 104. 1872. \u2014 Derselbe* Arch. f. exper. Path. u. Pharm. IX. S. 31.\n2\tParkes, On the issue of a spirit ration etc. during the Ashanti Cornu amn of\n1874. p. 47 u. 57. London 1875.\t0\n2S*","page":435},{"file":"p0436.txt","language":"de","ocr_de":"436 Voit. Die Ern\u00e4hrung. 2. Cap. Bedeutung der Gew\u00fcrz- und Geuussmittel.\nDie Theebl\u00e4tter, deren w\u00e4ssriger keisser Aufguss den Tkee darstellt, enthalten gegen 2 \u00b0/o Kaffein oder Thein, dann 21 % eiweissartige Stoffe (Legumin), 12% Theegerbs\u00e4ure, Cellulose, Dextrin, Gummi, ein Harz, Galluss\u00e4ure, Oxals\u00e4ure, und 0.6\u20141 % eines \u00e4therischen Oeles.\nIn den Tkeeaufguss geht mehr Substanz \u00fcber als in den Kaffeeabsud, n\u00e4mlich gegen 33 %. Darin finden sich 61 % des Stickstoffs der Bl\u00e4tter, und zwar nicht nur in Thein, sondern auch in eiweissartigen Stoffen. Zu 2 Tassen starken Thees braucht man etwa 5 Grm. lufttrockene Theebl\u00e4tter. Im Mittel l\u00f6st sich aus 100 Grm. lufttrockenem Thee und aus 5 Grm. (f\u00fcr eine Portion) auf:\n\taus 100 Grm.\taus 5 Grm.\nGesammtextrakt .\t.\t.\t.\t33.64\t1.68\nThein\t\t1.35\t0.07\nSonstige N-Verbindungen\t9.44\t0.47\nA-freie Extraktstoffe .\t.\t.\t19.20\t0.96\nAsche \t\t3.65\t0.18\nIn einer Portion Thee befindet sich daher im Allgemeinen weniger Thein, Extrakt und Asche, aber mehr Stickstoff als in einer Tasse Kaffee. Liebig hat darauf aufmerksam gemacht , dass im Tkeeaufguss Eisenverbindungen gel\u00f6st sind; im Extrakt von 100 Grm. Thee hat man 0.083 Grm. Eisenoxyd nachgewiesen.\nDer Thee wirkt auf das Nervensystem in \u00e4hnlicher Weise wie ^ der Kaffee und zwar durch seinen Gehalt an Thein und an \u00e4therischem Oel.\n3. Cacao und Chocolade.\nCacao nennt man die Samenk\u00f6rner der Frucht des in Centralamerika wachsenden Cacaobaumes (Theobroma Cacao).\nDie Cacaokerne enthalten ausserordentlich viel (bis zu 45 %) Fett (Cacaofett, Cacaobutter), ferner St\u00e4rkemehl, reichliche Mengen von Eiweiss, das Alkaloid Theobromin 1 zu 1.5% (dem Kafifein nahe j verwandt), Cellulose und Spuren von Zucker. Im Mittel giebt J. K\u00f6nig f\u00fcr verschiedene Sorten gesch\u00e4lten Cacaos an:\nWasser.........................3.25\nEiweiss.......................14.76\nCellulose......................3.68\nSonstige N-freie Extrakte .\t12.35\nSt\u00e4rkemehl....................13.31\nFett..........................49.00\nTheobromin.................... 1.56\nAsche..........................3.65\n1 Liebig, Chem. Briefe. S.342. 1865.","page":436},{"file":"p0437.txt","language":"de","ocr_de":"\u00c0lkaloidhaltige Substanzen: Cacao, Cliocolacle. \u2014 Tabak, Coca.\n437\nDie Cliocolacle1 ist ein Gemenge von Cacao und Zucker, dem gew\u00f6hnlich Gew\u00fcrze (Zimmt oder Vanille) zugesetzt sind; in feiner Chocolade kommen auf 50 Theile Cacaomasse etwa 50 Theile Zucker; im Handel werden meist bis zu 2/3 Zucker zugemischt. Sie vertheilt sich in heissem Wasser zu einer gleichm\u00e4ssigen, emulsionsartigen fl\u00fcssigen Masse. Die Chocolade hat folgende Zusammensetzung:\nWasser.................... 1.55\nStickstoffhaltige\tStoffe\t.\t.\t5.06\nFett......................15.25\nZucker....................63.81\nSonstige iV-freie\tStoffe\t.\t.\t11.03\nHolzfaser................. 1.15\nAsche..................... 2.15\nDie Chocolade ist nicht nur ein Genussmittel, sondern auch durch ihren Gehalt an Fett, eiweissartigen Stoffen und namentlich an Zucker auch ein Nahrungsmittel. Der Cacao ist das unentbehrliche Nahrungsund Erfrischungsmittel des Soldaten spanischer Race in Mexiko. Er wirkt \u00e4hnlich, nur in etwas geringerem Grade belebend auf den Organismus wie der Kaffee. Der Gehalt an Eiweiss kommt hier in Betracht, da von der Chocolade meist gr\u00f6ssere Quantit\u00e4ten verzehrt werden als von dem Thee und Kaffee. Man rechnet f\u00fcr eine Portion des Getr\u00e4nks meist 30 Grm. der lufttrocknen Chocolade, die einen nicht ganz unbedeutenden Bruchtheil des Bedarfs an Nahrungs-stoffen decken.\n4. Tabak, Coca.\nIn den frischen Tabaksbl\u00e4ttern finden sich zwischen 85\u201489 % Wasser, im fertigen Rauchtabak zwischen 8\u201413%. Im trocknen Rauchtabak sind enthalten:\n\t%\nStickstoff .\t.\t.\t.\t4.01\nNikotin .\t.\t.\t.\t1.32\nAmmoniak .\t.\t.\t.\t.\t0.57\nSalpeters\u00e4ure .\t.\t.\t.\t0.49\nSalpeter .\t.\t. . . 1.08\nFett ....\t.\t.\t.\t4.32\nAsche\t. . . 22.81\nBeim Verbrennen des Tabaks verfl\u00fcchtigen sich die schon vorhandenen fl\u00fcchtigen Stoffe : Nikotin und \u00e4therisches Oel, dann bilden sich dabei alle jene Stoffe, welche als Produkte der trockenen Destillation von stickstoffhaltigen und stickstofffreien Substanzen bekannt\n1 A. Mitscherlich, Der Cacao. S. 84. Berlin 1859.","page":437},{"file":"p0438.txt","language":"de","ocr_de":"438\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 3. Cap. Die Nahrungsmittel.\nsind, n\u00e4mlich : Ammoniak, Cyan, Essigs\u00e4ure und Theerprodukte. Im Tabaksrauch sind: Nikotin, ein brenzliches Oel, brenzliches Harz, Ammoniak, etwas Essigs\u00e4ure, ziemlich viel Butters\u00e4ure, verschiedene Kohlenwasserstoffe, auch Kohlenoxydgas. Der Tabak geh\u00f6rt wegen seiner narkotischen Eigenschaften zu den Genussmitteln; das Nikotin bringt vorz\u00fcglich die Wirkung desselben hervor.\nUeber die bei fortgesetztem Gebrauch unter allen Umst\u00e4nden der Gesundheit sch\u00e4dlichen Narkotica: Opium und Haschisch, welche leider nur zu oft auch als Genussmittel benutzt werden, habe ich hier nichts zu sagen.\nDie Cocabl\u00e4tter (von Erythroxylon Coca) sollen beim Kauen die Eingebornen von Peru und Chili bef\u00e4higen, grosse Strapazen und schwere Arbeit lange Zeit trotz mangelnder Nahrung zu ertragen. Man ist bis jetzt nicht im Stande \u00fcber diese von vielen Reisenden erz\u00e4hlten Wirkungen sich irgend eine Erkl\u00e4rung zu machen1. Man sollte es f\u00fcr unm\u00f6glich halten, dass Leute bei h\u00f6chst beschwerlicher Arbeit bis zu 5 Tagen und l\u00e4nger nur mit Cocabl\u00e4ttern leben und dabei nicht an Kr\u00e4ften abnehmen. Es w\u00e4re sehr wichtig, den Einfluss der Coca oder ihres Alkaloids, des Cocains, auf die Stoffzersetzungen im Organismus genau zu untersuchen (siehe S. 177). Ueber die physiologischen Wirkungen des Cocains auf die Vorg\u00e4nge in den einzelnen Organen hat vorz\u00fcglich Anrep2 berichtet, bei dem auch die betreffende Literatur zu finden ist.\nDRITTES CAPITEL.\ni\nDie Nahrungsmittel.\nDie Menschen und Thiere nehmen nicht die einzelnen f\u00fcr die Erhaltung des K\u00f6rpers n\u00f6thigen Nahrungsstoffe auf; nur in wenigen F\u00e4llen werden reine Nahrungsstoffe verwendet, wie z. B. reines Fett oder Zucker oder Kochsalz, meist werden die im Thier- und Pflanzenreich vorkommenden Gemische einer gewissen Anzahl von Nahrungsstoffen in den zusammengesetzten Nahrungsmitteln eingef\u00fchrt.\n1\tTschudi, Reiseskizzen aus Peru in d. Jahren 1838\u20141842. VI. St. Gallen. 1846. \u2014 Mob\u00e9no u. Maiz, Recherches cliim. et physiol, sur l\u2019Erythroxylum Coca du P\u00e9rou et la Coca\u00efne. Paris 1868.\n2\tAnrep, Arch. f. d. ges. Physiol. XXI. S. 38. 1879.","page":438},{"file":"p0439.txt","language":"de","ocr_de":"Vorbemerkungen.\t439\nDie Nahrungsmittel werden durch die Verdauung unter Vernichtung der Organisation in ihre Bestandteile, die Nahrungsstoffe, zerlegt, und diese dann, also vorz\u00fcglich Eiweiss, Fett, Zucker, die anorganischen Stoffe, getrennt durch die Organe des K\u00f6rpers verwertet. So kommt es, dass verzehrtes Muskelfleisch nicht Fleisch bleibt und als solches am Muskel abgelagert wird, so wenig wie in den Darm aufgenommene Leber- oder Gehirnsubstanz in die betreffenden Organe \u00fcbergeht.\nWenn man die Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe f\u00fcr sich und in bestimmten Gemischen, ferner den Gehalt an Nahrungsstoffen in den Nahrungsmitteln, sowie deren Ausn\u00fctzung im Darm kennt, ist man auch in den Stand gesetzt, den N\u00e4hrwert eines Nahrungsmittels zu beurteilen. Es handelt sich daher hier vor Allem um die Prinzipienfragen d. i. um die Wirkung der einzelnen Nahrungsstoffe und ihrer Gemische auf die Vorg\u00e4nge der Zersetzungen und die Erhaltung des stofflichen Bestandes im K\u00f6rper; erst nach L\u00f6sung dieser Aufgabe kann man mit Erfolg daran gehen am Menschen und Thier zu untersuchen, welchen Werth je nach ihrer Zusammensetzung die zur Ern\u00e4hrung benutzten vielfachen Nahrungsmittel besitzen. Aber eine eigentliche Nahrungsmittellehre zu geben, d. h. \u00fcber die chemische Zusammensetzung der mannigfaltigen Nahrungsmittel aus dem Thier- und Pflanzenreiche zu berichten und darzulegen, welche Verschiedenheiten in dieser Beziehung z. B. das Muskelfleisch und die Milch der verschiedenen Thiere oder die Samen der Getreidearten sowie die Wurzeln und Kr\u00e4uter der Pflanzen zeigen, welche Differenzen ferner Vorkommen in der Zusammensetzung des Fleischs und der Milch derselben Thierart unter allerlei Umst\u00e4nden oder in der des Weizens u. s. w., das liegt ausserhalb des Bereichs der Aufgabe der Physiologie, es ist eine rein chemische Untersuchung. Ein Bericht hier\u00fcber w\u00fcrde f\u00fcr das Verst\u00e4ndnis der physiologischen Vorg\u00e4nge im thierischen Organismus nichts Neues bringen und doch das Volum der Ern\u00e4hrungslehre ungeb\u00fchrlich anschwellen machen. Zudem besitzen wir eine Anzahl von Werken, die sich mit diesem Thema ausschliesslich befassen und das Material vollst\u00e4ndig bringen ; ich verweise daher denjenigen der Leser, welcher zur Anwendung der durch die Physiologie gefundenen S\u00e4tze der Ern\u00e4hrungslehre die Zusammensetzung eines Nahrungsmittels n\u00e4her kennen lernen will, auf die betreffenden Werke \u00fcber Nahrungsmittellehre l.\n1 Tiedemann, Physiologie. III. 1836. \u2014 Ign. Hayn. Die Nahrungsmittel in ihren di\u00e4tetischen Wirkungen. Berlin 1842. \u2014 Jonathan Pereira , Abhandlung \u00fcber die Nahrungsmittel d. Menschen. A. d.Engl.v. Carl Velten. Bonn 1845. \u2014 *F\u00b0C. Knapp,","page":439},{"file":"p0440.txt","language":"de","ocr_de":"440\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 3. Cap. Die Nahrungsmittel.\nIch gebe im Folgenden von den einzelnen Nahrungsmitteln des Menschen nur dasjenige an, was auf die physiologischen Processe direkt Bezug hat. Es kann ein Nahrungsmittel durch gewisse Umst\u00e4nde ein besonderes Verhalten im K\u00f6rper zeigen, welches aus dem Gehalt desselben an Nahrungsstoffen nicht erschlossen werden kann und eine Funktion des Organismus ist. Hier ist es namentlich die ungleiche Ausn\u00fctzung im Darmkanal, welche bei Feststellung des N\u00e4hrwerths in Betracht kommt. Ausserdem werde ich Einiges \u00fcber den N\u00e4hrwerth gewisser Nahrungsmittel mittheilen, um einige Beispiele f\u00fcr die Anwendung der Ern\u00e4hrungsgesetze zu geben, welche die letzteren vielleicht am besten zu erl\u00e4utern im Stande sind und das Verst\u00e4ndniss f\u00fcr Aufgaben der Art erwecken. Ueber die an verschiedenen h\u00f6heren und niederen Thieren, namentlich an den landwirtschaftlichen Haustieren in dieser Richtung gemachten Untersuchungen kann ich in einem Handbuch der Physiologie, welches in speziellen Fragen vorz\u00fcglich die Verh\u00e4ltnisse am Menschen in Betracht zu ziehen hat, nicht n\u00e4her eingehen.\nDie Menschen geniessen als zusammengesetzte Nahrungsmittel vorz\u00fcglich folgende Substanzen:\naus dem Thierreiche:\n1. das Muskelfleisch (sowie einige andere Organe) mehrerer S\u00e4ugetiere (Wiederk\u00e4uer, weniger Nager und Dickh\u00e4uter), das einiger V\u00f6gel und Fische.\nDie Nahrungsmittel in ihren chem. u. techn. Beziehungen. Braunschweig 1S48.\u2014 J. Moleschott, Lehre der Nahrungsmittel, f\u00fcr das Volk. Erlangen 1850. \u2014 Franz Heller, Ueber Ern\u00e4hrung und Stoffwechsel, sowie \u00fcber einige d. vorz\u00fcglichsten Nahrungsmittel. Breslau 1855. \u2014 H. Frey, Ueber d. wichtigsten Nahrungsmittel d. Menschen. Z\u00fcricher akad. Vortr\u00e4ge. Z\u00fcrich 1855. \u2014 C. Fr. Fuchs, Ueber den Einfluss d. eiweissartigen, st\u00e4rkemehlhaltigen und fetten Nahrungsmittel auf den menschlichen K\u00f6rper. Neuhaldensleben 1855. \u2014 *J. Moleschott, Physiologie der Nahrungsmittel. 2. Aufl. Giessen 1859. \u2014 F. Artmann, Die Lehre von d. Nahrungsmitteln. Prag 1859. \u2014 *E. Reich, Die Nahrungs- und Genussmittelkunde, historisch, naturwissenschaftlich u. hygienisch begr\u00fcndet. G\u00f6ttingen 1860. \u2014 Bibra, Die Getreidearten und das Brod. N\u00fcrnberg 1860. \u2014 *E. Wolff, Die landw. F\u00fctterungslehre und die Theorie der menschl. Ern\u00e4hrung. Stuttgart 1861. \u2014 *Payen, Pr\u00e9cis th\u00e9orique et pratique des substances alimentaires. 4. Edit. Paris 1865. \u2014 Jul. Cyr, Trait\u00e9 de l'alimentation. Paris 1869. \u2014 G. Langbein, Die Genussmittel. Leipzig u. Heidelberg 1869. \u2014 L. Baltzer, Die Nahrungs- u. Genussmittel des Menschen in ihrer chem. Zusammensetzung und physiol. Bedeutung. Nordhausen 1874. \u2014 *Ed. Smith, Die Nahrungsmittel. Leipzig 1874 (internationale wiss. Bibliothek. VI u. VII). \u2014 Rob. Pott, Unters, \u00fcber die Stoffverth eilung in versch. Culturpflanzen mit bes. R\u00fccksicht auf ihren N\u00e4hrwerth. Samml. physiol. Abhandl. von Preyer. 1876. \u2014 *Fr. Stohmann, Die Nahrungs- u. Genussmittel in Muspratt\u2019s techn. Chem. 3. Aufl. IV. S. 1575. \u2014 *J. K\u00f6nig, Die menschl. Nahrungs- u. Genussmittel. 2 Bde. Berlin 1880. \u2014 A. Almen, Upsala L\u00e4kare f\u00f6renings f\u00f6rh. 1879. XV. p. 1 (Zusammensetzung u. Geldwerth von 191 viel gebrauchten Nahrungsmitteln). \u2014 J\u00fcrgensen, Hospitals Tidende 1879 (Gehalt an Eiweiss, Fett u. s. w. in abgemessenen Mengen verschiedener Gerichte f\u00fcr Kranke). \u2014 Gautier, Trait\u00e9 des aliments et des boissons etc. Paris 1874. \u2014 Dietzsch, Die wichtigsten Nahrungsmittel u. Getr\u00e4nke. Z\u00fcrich 1879. \u2014 Vogl, Nahrungs- u. Genussmittel aus d. Pflanzenreiche. Wien 1872.","page":440},{"file":"p0441.txt","language":"de","ocr_de":"Die animalischen Nahrungsmittel : Das Muskelfleisch.\n441\n2.\tdie Milch der Wiederk\u00e4uer;\n3.\tdie Eier gr\u00f6sserer V\u00f6gel;\naus dem Pflanzenreiche:\n1.\tdie Samen mancher Pflanzen, vorz\u00fcglich der Getreidearten, und die daraus erzeugten Produkte;\n2.\tKnollen und Wurzeln;\n3.\tGem\u00fcse- und K\u00fcchenkr\u00e4uter;\n4.\tdie reifen Fr\u00fcchte einiger B\u00e4ume (und Pilze).\nI. Die animalischen Nahrungsmittel.\n1. Das Muskelfleisch.\nDas Muskelfleisch ist anatomisch nicht ein einfaches gleich-massiges Gebilde, sondern ein sehr zusammengesetztes Ding (S. 20). Es finden sich darin bekanntlich, ausser den eigentlichen Muskelfasern, das die letzteren zusammenhaltende leimgebende Bindegewebe mit Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit getr\u00e4nkt, Fettgewebe in verschiedenem Grade mit Fett erf\u00fcllt, ferner Blut- und Lymphgef\u00e4sse mit mehr oder weniger Inhalt und Nerven; ausserdem haften ihm noch Sehnen, Fascien und Knochen an1.\nDer chemischen Zusammensetzung nach besteht das Muskelfleisch \u00fcberwiegend aus Wasser, eiweissartigen Stoffen, leimgebender Substanz, Extraktivstoffen (gr\u00f6sstentkeils Produkten der Zersetzung), Fett und anorganischen Salzen.\nIm Mittel enth\u00e4lt frisches gereinigtes mageres Ochsenfleisch in Prozent2 :\nWasser .\t. Feste Theile\t.\t.\t.\t75.90 .\t.\t.\t24.10\nKohlenstoff .\t.\t.\t.\t12.52\nWasserstoff .\t.\t.\t.\t1.73\nStickstoff.\t.\t.\t.\t3.40\nSauerstoff\t.\t.\t.\t5.15\nAsche.\t.\t.\t.\t.\t.\t1.30\noder:\nEiweissartige Stoffe\t(gr\u00f6sstentheils Syntonin) 18.36\nLeimgebende Substanz........................... 1.64\nFett............................................0.90\nExtraktivstoffe.................................1.90\nAsche.......................................... 1.30\n1\tBei Bezug gr\u00f6sserer Mengen von Fleisch vom Metzger treffen auf 100 Grm. Fleisch 8.4 Grm. Knochen, 8.6 Grm. Fett und 83.0 Grm. reines Fleisch (Voit, Unters, d. Kost u. s. w. S. 23. 1877).\n2\tBischoff u. Voit, Gesetze d. Ern\u00e4hrung des Fleischfressers. S. 304. 1860>","page":441},{"file":"p0442.txt","language":"de","ocr_de":"442\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 3. Cap. Die Nahrungsmittel.\nDie Zusammensetzung des wasser- und fettfrei gedachten Muskelfleisches ist eine ziemlich gleichm\u00e4ssige K\nDas N\u00e4here \u00fcber die Natur der Eiweissstoffe und der Extraktivstoffe findet sich in dem Handbuche f\u00fcr Physiologie I. (1) S. 266.\nDas im intermuskul\u00e4ren Bindegewebe und im Inhalt des Sarko-lemmaschlauches enthaltene Fett schwankt in seiner Menge ganz ausserordentlich. In dem Fleisch fettarmer, wild lebender Thiere, sowie in dem von Fett sorgf\u00e4ltig befreiten Fleisch nicht gem\u00e4steter Thiere findet sich immer noch etwas Fett vor, so z. B.1 2 3:\n\u00b0/o Fett\nbeim Hasen .\t.\t.\t1.07\nbeim Feldhuhn .\t.\t1.43\nbeim Ochsen. .\t.\t0.76\nbeim Ochsen. .\t.\t0.91\nDagegen kann nach Lawes und Gilbert 3 das Fleisch gem\u00e4steter Thiere, wie es vom Fleischer geliefert wird, enorme Mengen von Fett einschliessen, z. B. das von einem fetten Ochsen 34.8 %, von einem fetten Schweine 49.5%.\nBei der Zunahme des Fettes im Fleisch wird der Wassergehalt desselben geringer. W\u00e4hrend das magere Fleisch nicht gem\u00e4steter Ochsen im Durchschnitt 75.9% Wasser enth\u00e4lt, giebt das des gem\u00e4steten fetten Ochsen nur 45.6%, das des Schweins 38.6% Wasser. Siegert4 fand bei einem fetten Ochsen:\nan\tden\tHalsmuskeln\t0 o Wasser .\t73.5\t% Fett 5.8\nan\tden\tLendenmuskeln\t.\t63.4\t16.7\nan\tden\tSchultermuskeln .\t.\t50.5\t34.0\nNoch mehr tritt der Wasserverlust bei der Leber gem\u00e4steter G\u00e4nse hervor, welche nach Paten5 nur 21.70 % Wasser und 54.47 % Fett enth\u00e4lt. Das Gleiche zeigte sich schon (S. 348) am Gesammt-organismus, wo ebenfalls bei gutem Ern\u00e4hrungsstande und einem Ansatz von Fett Wasser abgegeben wird; es handelt sich dabei nicht ausschliesslich um eine Verdr\u00e4ngung von Wasser aus dem Gewebe, sondern auch und zwar vorz\u00fcglich um eine Erh\u00f6hung des prozentigen Gehalts an Trockensubstanz in Folge der Ablagerung des wasserfreien Fettes. Nach den Darlegungen \u00fcber die Bedeutung\n1\tSchlossberger u. Kemp, Ann. d. Chem. u. Pharm. LVI. S. 7S. 1845. \u2014 Stoh-mann, Ztschr. f. Biologie. Yl. S. 240. 1870. -- Petersen, Ebenda. VIL S. 166. 1871.\n2\tJ. K\u00f6nig, Ztschr. f. Biologie. XII. S. 506. 1876. \u2014 Petersen, Ebenda. VII. S. 173. 1871.\n3\tLawes u. Gilbert, Philos. Transact. II. S. 493. 1859.\n4\tSiegert, Grouven\u2019s Vortr\u00e4ge \u00fcber Agrikulturchemie. 3. Aufl. S. 374. 1872.\n5\tPayen, Substances alimentaires, p. 76.","page":442},{"file":"p0443.txt","language":"de","ocr_de":"Die animalischen Nahrungsmittel: Das Muskelfleisch.\ndes Fettes bei der Ern\u00e4hrung wird es klar, warum wir das fette Fleisch gem\u00e4steter Thiere lieben, und warum Jagdv\u00f6lker, welche das fettarme Fleisch wild lebender Thiere verzehren, so grosse Mengen davon n\u00f6thig haben.\nDas Fleisch von Fischen und vom Frosch hat einen h\u00f6heren Wassergehalt, bis zu 80 o/o.1 2 3\nDie theils stickstoffhaltigen, theils stickstofffreien Extraktivstoffe bedingen den eigentkiimlicken und verschiedenen Geschmack der einzelnen Fleischarten ; selbst das Fleisch verschiedener K\u00f6rperstellen des gleichen Thiers besitzt durch eine ungleiche Vertheilung dieser Stoffe einen ungleichen Geschmack. Das mit kaltem und heissem Wasser ersch\u00f6pfte Fleisch, aus dem die Extraktivstoffe und die l\u00f6slichen anorganischen Salze entfernt sind, stellt eine vollst\u00e4ndig ge-schmack- und geruchlose z\u00e4he Masse dar. Die Extraktivstoffe und Salze sind die Genussmittel, welche das Fleisch angenehm schmeckend machen ; wir geniessen, um eine Abwechselung in der Geschmacksempfindung zu haben, das Fleisch verschiedener Thiere und bereiten es auf mannigfaltige Weise zu.\nDie Qualit\u00e4t des Fleisches ist sehr von der den Thieren gereichten Nahrung abh\u00e4ngig. Es besitzt das Fleisch wohlgen\u00e4hrter Thiere nicht nur einen h\u00f6heren Fettgehalt und einen geringeren Wassergehalt, wodurch sein N\u00e4hrwerth zunimmt, sondern es scheint dabei auch die Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit in gr\u00f6sserer Menge vorhanden zu sein, die das Fleisch weicher und saftiger macht. Das Fleisch hungernder Thiere ist derber und z\u00e4he. Junge, in reichlichem Ern\u00e4hrungszust\u00e4nde geschlachtete Thiere liefern daher das zarteste, saftigste und wohlschmeckendste Fleisch; nach Liebig\u2019s-Angabe ist die Menge des aus dem kalten Auszug in der Hitze als Gerinnsel sich ausscheidenden Albumins bei alten Thieren oft nur 1\u20142 %, bei jungen Thieren bis 14 % (V). Den Einfluss des Futters und des M\u00e4stungszustandes der Thiere auf die Menge des Fleischsaftes zeigen auch die Bestimmungen von Henneberg, E. Kern und H. Wattenberg 3 an gem\u00e4steten und nicht gem\u00e4steten Schafen : es ergab sich bei ersteren eine Vermehrung des l\u00f6slichen Eiweisses von 1.29 % auf 1.39% ohne Aenderung der Extraktivstoffe.\n1\tSchlossberger, Vergl. Unters, d. Fleisches versch. Thiere. Stuttgart 1840. \u2014 Bibra , Arch f. physiol. Heilk. 1845. S. 556. Siehe auch : Aug. Alm\u00e9n, Nova acta re-giae soc. scientiarum Upsaliensis in memoria quatuor saeculorum ab universitate Fpsaliensi peractorum 1877 (Analysen des Fleisches einiger Fische).\n2\tLiebig, Chem. Briefe. S. 505. 1851.\n3\tHenneberg, E. Kern u. H. Wattenberg, Journ. f. Landw. 1878. S. 449.","page":443},{"file":"p0444.txt","language":"de","ocr_de":"444\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 3. Cap. Die Nahrungsmittel.\nDas Fleisch alter Thiere erscheint hart und z\u00e4he, obwohl der Wassergehalt desselben nicht geringer zu sein braucht. Es. sollen mit dem Alter die Fasern fester werden; vielleicht haften sie aber auch durch m\u00e4chtigeres, derberes, schwerer in Leim \u00fcbergehendes Bindegewebe an einander. Es giebt nichts verschiedeneres im Geschmack als z. B. das Fleisch eines einj\u00e4hrigen englischen Masthammels und das eines vierj\u00e4hrigen Wollschafes. Man sagt, das Fleisch ganz junger Thiere enthalte weniger Extraktivstoffe und schmecke deshalb weniger kr\u00e4ftig; arm an Extraktivstoffen ist das Schweinefleisch, welches keine gute Br\u00fche giebt, reich daran das Fleisch des Wildes oder der V\u00f6gel.\nDas Fleisch wird f\u00fcr gew\u00f6hnlich erst nach der L\u00f6sung der Todtenstarre gegessen. Das Fleisch eben geschlachteter Thiere ist z\u00e4h und auf die Dauer kaum geniessbar, wie unsere Soldaten im Kriege zur Gen\u00fcge erfahren haben. Die nach L\u00f6sung der Starre eintretenden Ver\u00e4nderungen machen das Fleisch weicher, namentlich lockert die dabei sich ansammelnde Milchs\u00e4ure die Fasern, indem sie das Bindegewebe zum Quellen bringt. Man sucht das Gleiche zu erreichen durch starkes Klopfen des Fleisches oder auch durch Mazeriren in Essig, wenn man z\u00e4hes Fleisch von schlecht gen\u00e4hrten oder alten Thieren mit derbem Bindegewebe zur Verf\u00fcgung hat.\nVom Menschen wird das Fleisch nur selten in rohem Zustande gegessen. Aber fein zerwiegt wird es von Magenkranken offenbar seiner Weichheit wegen h\u00e4ufig ohne Schmerzen ertragen und vielleicht auch leichter gel\u00f6st als das gar gekochte und durch Coagulation von Eiweiss h\u00e4rter gewordene Fleisch. Das frische rohe Fleisch wird von fleischfressenden Thieren in der gr\u00f6ssten Menge verzehrt und verdaut.\nMeist geniesst der Mensch das Fleisch im gesottenen oder gebratenen Zustande. Beim Sieden und Braten wird das Bindegewebe durch die W\u00e4rme und die S\u00e4ure in Leim verwandelt, so dass die Muskelfasern leichter sich trennen. Ob das Syntonin der letzteren durch diese Behandlung nicht schwerer l\u00f6slich wird, ist noch nicht gen\u00fcgend untersucht; jedenfalls verliert das Fleisch durch das Sieden in Folge von Wasserentziehung an Weichheit und wird durch l\u00e4ngeres Sieden ganz hart und geschrumpft. 100 Grm. frisches, von Knochen und Fett befreites Fleisch geben nach einer von mir gemachten Bestimmung 56.7 Grm. gesottenes Fleisch, so dass dabei 43.3 Grm., gr\u00f6sstentheils Wasser, austreten. Darum hat das gesottene Fleisch ein geringeres Volum und einen viel geringeren Wassergehalt (statt 75.9 % nur mehr 44.3 \u00b0/o). 100 Grm. frisches reines Kalbfleisch liefern","page":444},{"file":"p0445.txt","language":"de","ocr_de":"Die animalischen Nahrungsmittel : Das Muskelfleisch.\t445\n78 Grm. gebratenes mit 66.4% Wasser; fettfreier Schweinebraten enth\u00e4lt 50.6 % Wasser.\nLiebig 1 hat in seiner ber\u00fchmten Untersuchung \u00fcber das Fleisch zuerst N\u00e4heres \u00fcber die Ver\u00e4nderungen des Fleisches beim Kochen angegeben.\nUebergiesst man Fleisch mit viel kaltem Wasser und erw\u00e4rmt ganz allm\u00e4hlich bis zum Sieden, so werden die in Wasser l\u00f6slichen Bestand-theile desselben ausgezogen und zwar um so vollst\u00e4ndiger, je langsamer die Erw\u00e4rmung vorsclireitet. Es l\u00f6sen sich bei niederer Temperatur die in Wasser l\u00f6slichen Salze, die Extraktivstoffe und die l\u00f6slichen Eiweissk\u00f6rper auf. Bei einer Temperatur von 56 0 C. gerinnt das in der Fl\u00fcssigkeit gel\u00f6ste Eiweiss der Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit, aber noch nicht das H\u00e4moglobin des Blutes, daher bei dieser Temperatur die L\u00f6sung noch roth gef\u00e4rbt ist. Erst bei 7 0 0 zersetzt sich das H\u00e4moglobin und nun nimmt die Br\u00fche eine gelbe Farbe an und wird klar. Es entwickelt sich jetzt erst, wahrscheinlich durch Zersetzung gewisser Stoffe der angenehme Geruch nach Fleischbr\u00fche, w\u00e4hrend vorher der Geruch des rohen Fleisches vorhanden war. Auch im Fleisch selbst coagulirt das Eiweiss und das H\u00e4moglobin. Der R\u00fcckstand stellt nach l\u00e4ngerem Kochen eine harte, z\u00e4he, geschmacklose Masse dar ; dagegen hat man eine vorz\u00fcgliche Fleischbr\u00fche, in die auch aus dem Bindegewebe etwas Leim \u00fcbergegangen ist.\nBringt man aber das Fleisch gleich in ein nicht zu grosses Quantum siedenden Wassers, versetzt die durch das Einlegen des kalten Fleisches ausser Sieden geratene Fl\u00fcssigkeit wieder rasch in Siedehitze und erh\u00e4lt dann auf einer etwas niedereren Temperatur, so dass das St\u00fcck Fleisch durch und durch eine Temperatur von 70 0 annimmt, so bekommt man ein zartes und saftiges Fleisch, jedoch nur wenig und schlechte Br\u00fche. Es wird dabei das in den \u00e4ussersten Schichten des Fleisches befindliche Eiweiss rasch zur Gerinnung gebracht, wodurch sich eine sch\u00fctzende, wenig Stoffe hinein- und herauslassende H\u00fclle bildet.\nBeim richtigen Braten werden dem Fleisch nur wenig Bestandteile entzogen. Es erfolgt durch die W\u00e4rme rasch eine Gerinnung des Ei-weisses an der \u00e4usseren Oberfl\u00e4che; der anfangs ausfliessende Saft soll aufgefangen und best\u00e4ndig \u00fcber das erhitzte Fleisch gegossen werden, wo er seine festen Bestandteile, durch die Hitze ver\u00e4ndert, als dunkelgef\u00e4rbte Kruste von sehr angenehmem Geschmack und Geruch zur\u00fcckl\u00e4sst. Bei dem ganzen Process geht also nur Wasser aus dem Fleisch verloren, aber weniger als beim Sieden. Man kann ein mit einer Spitze versehenes Thermometer in die Mitte des Fleischst\u00fcckes einstossen; das Fleisch ist v\u00f6llig gar, wenn die Temperatur im Innern 56 0 erreicht hat, wobei aber das H\u00e4moglobin noch nicht zerlegt ist ; bei 7 0 0 gerinnt auch dieses, dann sieht das Fleisch im Innern nicht mehr blutig aus.\nDurch langes Auslaugen gehen nach Keller'2 von 100 Grm. Asche des Fleisches in siedendes Wasser \u00fcber:\n1\tLiebig, Chem. Untersuchung \u00fcber das Fleisch. Heidelberg 1847 ; Chemische Briefe. S. 503. 1851.\n2\tKeller, Ann. d. Chem. u. Pharm. LXX. S. 91. 1849.","page":445},{"file":"p0446.txt","language":"de","ocr_de":"446\nYoit, Die Ern\u00e4hrung. 3. Cap. Die Nahrungsmittel.\nin die Br\u00fche im Fleisch bleiben\nPhosphors\u00e4ure . . . 26.2 4\t10.36\nKali.................... 35.42\t4.78\nErden und Eisenoxyd.\t3.15\t2.54\nSchwefels\u00e4ure (?) .\t.\t2.95\t\u2014\nChlorkalium ....\t14.81\t\u2014\n82.57\t17.68\nDas Fleisch wird vom Menschen in bedeutender Menge verdaut. J. Ranke1 vermochte im Tag im Maximum 2000 Grm. Fleisch zu verzehren und 1080 Grm. zu zersetzen; Rubner'2 nahm 1435 Grm. Fleisch auf, zerst\u00f6rte aber nahezu alles. Der nur massig arbeitende Mensch kann sich wohl mit grossen Quantit\u00e4ten von reinem Fleisch allein einige Zeit erhalten; der st\u00e4rker Arbeitende kaum oder nur sehr schwer. Ein fleischfressendes Thier verwerthet noch erheblich gr\u00f6ssere Mengen von Fleisch als der Mensch; mein 35 Kilo schwerer Hund ertrug und zersetzte dauernd t\u00e4glich bis zu 2500 Grm., und erst bei Aufnahme von 2900 Grm. Fleisch trat Erbrechen und Diarrhoe auf; ein anderer Hund von 22 Kilo Gewicht frass 2000 Grm. Fleisch, setzte aber nur 1762 Grm. um.\nFrerichs3 hat angegeben, dass der N\u00e4hrwerth des Fleisches nicht so hoch sei, als man namentlich aus seinem hohen Gehalt an eiweissartigen Stoffen erwarten sollte, da das Syntonin der Muskelfaser nur theilweise verdaut werde ; er meinte, ein grosser Theil der Fleischfasern gehe unverdaut mit dem Koth ab. Ich weiss nicht wie Frerichs zu dieser Vorstellung gelangt ist. In dem von Hunden nach F\u00fctterung mit grossen Mengen von reinem Fleisch entleerten Kothe findet man mit dem Mikroskop nie Muskelfasern vor; nur wenn durch Aufnahme \u00fcberm\u00e4ssig grosser Quantit\u00e4ten von Fleisch Diarrh\u00f6en auftreten, werden Muskelfasern darin beobachtet. Nach Aufnahme von 1500\u20142500 Grm. Fleisch mit 362\u2014603 Grm. Trockensubstanz werden nur 10\u201412 Grm. trockner Koth t\u00e4glich vom Hunde erzeugt, also das Fleisch sicherlich bis auf 2\u20143 \u00b0/o ausgenutzt ; aber selbst dieser Koth enth\u00e4lt kaum r\u00fcckst\u00e4ndige organische Bestand-theile des verzehrten Fleischs, da auch beim Hunger 1.9 Grm. trockner Koth entfernt werden. Beim Menschen gehen nach Rubner von dem verzehrten gebratenen Rindfleisch folgende prozentige Mengen im Koth wieder ab:\n1\tRanke, Arch. f. Anat. u. Physiol. S. 311. 1S62.\n2\tRubner, Ztschr. f. Biologie. XV. S. 115. 1S79.\n3\tFrerichs, Wagner\u2019s Handb. d. Physiol. III. (1) S. 697.","page":446},{"file":"p0447.txt","language":"de","ocr_de":"Die animalischen Nahrungsmittel : Das Muskelfleisch.\n447\nvon 1435 Grm. Fleisch von 1172 Grm. Fleisch\nin \u00b0/o\tin \u00b0/o\nTrockensubstanz\t.\t.\t4.7\t5.6\nStickstoff...............2.5\t2.8\nAsche...................15.0\t21.2\nIn diesem Kotli konnten allerdings mit dem Mikroskope in Zerfall begriffene Muskelfasern entdeckt werden, aber von einer schlechten Ausn\u00fctzung des Fleisches, namentlich des Stickstoffs desselben, kann keine Rede sein, zumal der Stickstoff theilweise von den Residuen der Verdauungss\u00e4fte und nicht vom Fleisch herriihrt.\nUeber die Verdaulichkeit der verschiedenen Fleischsorten ist nichts sicheres bekannt, obwohl viel dar\u00fcber geredet wird. Wahrscheinlich handelt es sich dabei zum Theil um die Art des Fettes und die Verkeilung desselben; ein schwerer schmelzbares Fettgemische mit viel Stearin (siehe S. 409) scheint zu bewirken, dass das Fleisch l\u00e4ngere Zeit zur L\u00f6sung braucht (Hammelfleisch) ; das Gleiche findet wahrscheinlich statt, wenn der Sarkolemmainhalt reichlich mit Fett durchtr\u00e4nkt ist (Aal, Hummer).\nMan hat das Fleisch auf mancherlei Weise f\u00fcr l\u00e4ngere Aufbewahrung zubereitet. In S\u00fcdamerika wird es, in lange d\u00fcnne Riemen geschnitten, an der Sonne getrocknet (Tosajo, Ckarque). Oder man zerreibt das getrocknete Fleisch zu einem feinen Mehl wie in der Tartarei oder in Norwegen (Fischfleischmehl). Die fein gepulverten Fleischr\u00fcckst\u00e4nde nach der Fleischextraktbereitung, die allerdings f\u00fcr sich geschmacklos sind, k\u00f6nnen als Eiweisstr\u00e4ger Verwendung Anden h Das Fleischmehl l\u00e4sst sich mit geschmolzenem Fett gemischt als Pemmican verwenden oder mit Mehl zu Brod und Zwieback verbacken, und hat gewiss, sorgf\u00e4ltig hergestellt, noch eine grosse Zukunft1 2.\nBeim Ein salz en oder Ein p\u00f6ke ln werden dem Fleisch gewisse werthvolle Bestandtheile (Eiweiss, Extraktivstoffe und anorganische Salze) entzogen, wodurch es an N\u00e4hrwerth verliert; bei richtigem Verfahren ist dies aber nicht in so hohem Grade der Fall, wie man fr\u00fcher annahm. Nach E. Voit3 erleiden 1000 Grm. frisches Fleisch beim Einp\u00f6keln in 14 Tagen folgende Ver\u00e4nderungen:\n1\tVoit, Sitzgsber. d. bayr. Acad. II. (4) S. 1. 1869 ; Anhaltspunkte zur Beurteilung des sog. eisernen Bestands. S. 18. M\u00fcnchen 1876.\n2\tMan stellt in Schweden auch Blutmehl her, das nach Panum bis auf 8\u00b0/o verdaut wird (Nordisk Medinskt Ark. YI. Xo. 19, auch Canstatt\u2019s Jahresber. 1874)/\n3\tE. Voit, Ztschr. f. Biologie. XV. S. 493. 1879.","page":447},{"file":"p0448.txt","language":"de","ocr_de":"448\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 3. Cap. Die Nahrungsmittel.\nGrm.\t\u00b0/o\nsie nehmen auf: Kochsalz . . . 43.0\t\u2014\nsie geben ab: Wasser ....\t79.7 = 10.4 des Wassers\nOrganische Stoffe\t.\t4.8\t=\t2.1\tder\torgan. Stoffe\nEiweiss .\t.\t.\t.\t2.4\t=\t1.1\tdes\tEiweisses\nExtraktivstoffe .\t.\t2.5\t=\t13.5\tder\tExtraktivstoffe\nPhosphors\u00e4ure .\t.\t0.4\t=\t8.5\tder\tPhosphors\u00e4ure\nGirard in 1 fand in 100 Kilo P\u00f6kelfl\u00fcssigkeit aus 250 Kilo Ochsenfleisch :\nKilo\t\u00b0/o\n1.23 Albumin\t=\t0.5\tdes\tEiweisses\n3.40 Extraktivstoffe\t=\t1.4\tder\tExtraktivstoffe\n0.44 Phosphors\u00e4ure\t=\t0.2\tder\tPhosphors\u00e4ure\n3.65 Kalisalze\t=\t1.5\tder\tKalisalze\nDer Verlust an Eiweiss, Extraktivstoffen und Phosphors\u00e4ure ist nicht so betr\u00e4chtlich, dass dadurch der eigentliche N\u00e4hrwerth erheblich geschm\u00e4lert werden k\u00f6nnte ; die Entziehung von 8.5 % der im Fleisch vorhandenen Phosphors\u00e4ure bringt namentlich keinen besonderen Schaden, da der Rest derselben wohl ausreichend f\u00fcr die Ern\u00e4hrung ist. Die Abnahme der Extraktivstoffe ist zwar nicht unbedeutend; sie vermindert jedoch nur den Wohlgeschmack des Fleisches, so dass wir es nicht so h\u00e4ufig zu gemessen verm\u00f6gen. Ausserdem ist das P\u00f6kelfleisch h\u00e4rter als das gew\u00f6hnliche gesottene Fleisch und enth\u00e4lt mehr Kochsalz als wir sonst dem Fleisch heimischen, wodurch es vielleicht, l\u00e4ngere Zeit gegessen, sch\u00e4dliche Wirkungen aus\u00fcbt.\nDas von Liebig2 durch Behandeln des gehackten Fleischs mit verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure (250 Grm. Fleisch auf 560 Grm. Wasser mit 4 Tropfen Salzs\u00e4ure) in der K\u00e4lte darsgetellte Inf u sum ca rnis enth\u00e4lt nur sehr geringe Mengen von Eiweiss 3 und zwar nicht als Acidalbuminat. Es geht in die verd\u00fcnnte Salzs\u00e4ure wie in Wasser nur ein Theil des Eiweisses der Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit des Fleisches \u00fcber; im Infusum finden sich nur 2.24% feste Bestandtheile mit 1.15% Eiweiss und 0.79% anorganischen Salzen. In 6 Unzen des Infusums, die man einem Kranken t\u00e4glich h\u00f6chstens beibringen kann, sind daher blos 2.2 Grm. Eiweiss enthalten und es fehlen die finden Ansatz von Substanz und die Erhaltung des K\u00f6rpers so wichtigen stickstofffreien Stoffe (S. 406). Es ist ganz unm\u00f6glich, dass bei alleiniger Zufuhr einer so schwachen Eiweissl\u00f6sung fettarme Kranke sich 2 Monate lang bis zur vollkommenen Herstellung ihrer Gesund-\n1\tGirardin, Compt. rend. XLI. p. 746.\n2\tLiebig. Ann. d. Chem. u. Pharm. XCI. S. 244. 1854.\n3\tBauer u. Voit, Ztsckr. f. Biologie. V. S. 536.1869.","page":448},{"file":"p0449.txt","language":"de","ocr_de":"Die animalischen Nahrungsmittel: Das Muskelfleisch.\n449\nheit erhalten und an Fleisch und Kr\u00e4ften zugenommen haben. Der Darreichung des Fleischinfusums liegt noch die falsche Vorstellung zu Grunde, dass das Eiweiss das einzig Nahrhafte sei, f\u00fcr das man daher vor Allem zu sorgen habe. Aber die Zufuhr der stickstofffreien Stoffe ist ebenso nothwendig, namentlich f\u00fcr den Rekon-valescenten; die einseitige Aufnahme von Eiweiss kann sogar durch die Abnahme des Fettes am K\u00f6rper sehr gef\u00e4hrliche Folgen nach sich ziehen.\nEs l\u00e4sst sich aus dem Fleische mit einer starken hydraulischen Presse ein Saft auspressen, der 6 o/0 Eiweiss enth\u00e4lt (Bauer u. Voit). 1 Kilo fein zerwiegtes Fleisch wird, in 4 Lagen auf einander gelegt und durch grobe Leinwand getrennt, in einer Schale von 0.7 Fuss Durchmesser gepresst, wobei eine Fl\u00fcssigkeit von rother Farbe, stark saurer Reaktion und von einem Geschmacke nach rohem Fleisch abl\u00e4uft. Die L\u00f6sung, welche ebenfalls frei von Syntonin ist, kann auf 45\u00b0 erhitzt werden, bis Gerinnung eintritt und l\u00e4sst auf Kochsalzzusatz kein Albumin niederfallen. Man gewinnt aus 1 Kilo Fleisch im Mittel 230 Grm. Saft mit 15.2 Grm. Eiweiss, entsprechend 84 Grm. frischem Fleisch. Der auf 40\u00b0 erw\u00e4rmte Succus car ni s ist nach Zusatz von Kochsalz und Gew\u00fcrzen wohlschmeckend und wird bei chronischem Magenkatarrh und Typhus mit Erfolg l\u00e4ngere Zeit genommen und ertragen. Jedoch muss wohl bedacht werden, dass die Eiweissmenge in ihm immerhin noch eine geringe ist und die stickstofffreien Stoffe fehlen.\nMan hat aus dem Fleisch auf k\u00fcnstliche Weise in Wasser l\u00f6sliche Fleischpep ton pr\u00e4parate hergestellt. Dahin geh\u00f6rt das Pr\u00e4parat von Leube und Rosenthal1, das Fleischpepton von Sanders-Ezn, und das Fluid-Meat von Darby2. Nach dem fr\u00fcher (S. 395) \u00fcber die Bedeutung des Peptons Gesagten kann man den Werth dieser Pr\u00e4parate, den ich f\u00fcr gewisse F\u00e4lle nicht untersch\u00e4tze, be-urtheilen.\nDas Fleischextrakt enth\u00e4lt nur die Extraktivstoffe und in Wasser l\u00f6slichen anorganischen Salze des Fleisches, es ist die zur Syrupsconsistenz eingedickte Fleischbr\u00fche. Einzelne dieser Extraktivstoffe k\u00f6nnen sich im K\u00f6rper vielleicht noch in einfachere Verbindungen zerlegen und dadurch geringe Mengen anderer Stoffe voider Zersetzung sch\u00fctzen, sowie W\u00e4rme liefern, z. B. die Milchs\u00e4ure \u2022 aber Niemand wird das Fleischextrakt geniessen, um Spuren solcher\n1\tLeube u. Rosenthal, Sitzgsber. d. pkys.-med. Societ\u00e4t zu Erlangen 1870 29. Juli. \u2014 Leube, Berliner klin. Woch. 1S73. No. 17.\n2\tZtschr. f. Biologie. XY. S. 485. 1879, XVI. S. 208 u. 212. 1880.\nHandbuch der Physiologie. Bd. VI.\t29","page":449},{"file":"p0450.txt","language":"de","ocr_de":"450\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 3. Cap. Die Nahrungsmittel.\nSubstanzen zuzuf\u00fchren, die ungleich wohlfeiler auf eine andere Weise zu erhalten w\u00e4ren. Auch wegen der N\u00e4hrsalze wird Niemand Fleischextrakt aufnehmen, da diese f\u00fcr gew\u00f6hnlich in der \u00fcbrigen Nahrung in gen\u00fcgender Menge vorhanden sind. Das Fleischextrakt ist im Wesentlichen ein Genussmittel.\nIn der ersten Zeit wurde das Fleischextrakt mit Leim bereitet; solcher Art waren die Suppentafeln der holl\u00e4ndischen Kompagnie, in welchen Chevreul das Kreatin entdeckte. Als man einsah, dass dabei der Gehalt an Leim von keiner Bedeutung ist, suchte man ihn auszuschliessen. Parmentier und Proust 1 stellten zuerst das reine Fleischextrakt ohne Leim her; sie gaben dazu ein Verfahren an, das von dem jetzt \u00fcblichen in Nichts abweicht, und priesen es mit den beredtesten und wahrsten Worten als St\u00e4rkungsmittel f\u00fcr die verwundeten Soldaten. Man muss zu dem Zwecke das zerwiegte Fleisch mit kaltem oder lauem Wasser aus-ziehen, damit sich aus dem Bindegewebe kein Leim bildet; dann erst wird aus der L\u00f6sung das Eiweiss durch die Siedehitze koagulirt, abfiltrirt und das Filtrat zur Syrupsconsistenz abgedampft. Aus 1 Kilo Fleisch gewinnt man etwa 31 Grm. Extrakt. Liebig wurde auf das von Proust hergestellte Fleischextrakt bei Gelegenheit seiner chemischen Untersuchung \u00fcber das Fleisch aufmerksam (1847), und empfahl dabei den Vorschlag von Parmentier und Proust den Regierungen zugleich f\u00fcr die Verpro-viantirung von Schiften und Festungen. Er erwarb sich auch in der Folge die gr\u00f6ssten Verdienste um die weitere Bekanntmachung des Proust\u2019-sclien Extraktes und namentlich um die Verwerthung der Herden \u00fcberseeischer L\u00e4nder zur Herstellung desselben.\nEs ist eine auffallende Erscheinung, dass man \u00fcber den Werth des Fleischextraktes f\u00fcr die Ern\u00e4hrung so lange Zeit im Streite sein konnte; es hat sich allm\u00e4hlich eine ganze Literatur dar\u00fcber angesammelt.'1 2 Durch die \u00fcbertriebenen Anpreisungen verf\u00fchrt, glaubte man lange Zeit, namentlich in \u00e4rztlichen Kreisen, in dem Extrakt alle n\u00e4hrenden und werthvollen Stoffe des Fleisches in kleinem Volum zu besitzen. Namentlich hat Liebig die verschiedensten Meinungen \u00fcber die Bedeutung des Extraktes ausgesprochen.3\nNach seinen ersten Darlegungen4 sind die Extrakte Nahrungsmittel.\n1\tParmentier u. Proust, Ann. d. claim, et phys. (3) XVIII. p. 177.\n2\tSven Sk\u00f6ldberg, Canstatt\u2019s Jahresber. 1S67. S. 117; Medicinskt Archiv ut-gifoetaf L\u00e4rarne vid Carolinska Institute! i Stockholm. III. 1867. \u2014 Almen, Upsala L\u00e4karef\u00f6renings f\u00f6rhandlingar. III. p. 418 u. 590.1868, IV. p. 224 ; Canstatt\u2019s Jahresber. 1868. S. 78; Forhandlinger ved de skandinaviske Naturforsceres tiende Mode i Christiania. 1868. Juli. \u2014 W. Alascheiefp, Cronst\u00e4dter Boten. 1869. Ko. 117. \u2014 Schmu-lewitsch, Vierteljahrschr. d. med. Archivs f\u00fcr Petersburg. 1869. \u2014 H\u00f6rschelmann, St. Petersb. med. Ztschr. K. F. I. (4) S. 368. 1870. \u2014 W. Bogoslowski, Med. Centralblatt. IX. Ko. 32. S. 497. 1871 ; Arch. f.Anat. u. Physiol. 1872. S. 347. \u2014 Al. Rollett, Sitzgsber. d. Vereins d. Aerzte in Steiermark. XI. S. 33. \u2014 Liebig, The Lancet. 1865. 11. Kov. ; Pharm. Ztschr. f. Russland. 1871. Ko. lOu. 12. \u2014 PETTENKOFER,UeberKah-rungsmittel im Allgemeinen und \u00fcber den Werth des Fleischextrakts insbesondere. Braunschweig 1873 ; Ann. d. Chem. u. Pharm. CLXVI. S. 271. 1873.\n3\tSiehe hier\u00fcber: Voit, Ztschr. f. Biologie. VI. S. 354. 1870.\n4\tLiebig, Unters, \u00fcber das Fleisch. S. 108 u. 109. 1847 ; Chem. Briefe. 3. Aufl. S. 509.1851.","page":450},{"file":"p0451.txt","language":"de","ocr_de":"Die animalischen Nahrungsmittel : Das Muskelfleisch.\n451\nEs sollen sich aus den Stoffen der Fleischbr\u00fche namentlich die f\u00fcr die Funktionen der Muskeln n\u00f6thigen Extraktivstoffe bilden; die organischen Bestandteile des Extraktes sind daher nach ihm die Nahrungsstoffe f\u00fcr die entsprechenden Stoffe des Muskels und dienen deshalb zur Hebung der ersch\u00f6pften Kr\u00e4fte.\nSp\u00e4ter schrieb er eine Zeit lang der Fleischbr\u00fche nur eine Bedeutung als Genussmittel durch ihre Wirkung auf die Nerven zu und sprach ihr wegen des Mangels an Nahrungsstoffen jeden N\u00e4hrwerth ab.1 Bald aber kam er von dieser Vorstellung wieder zur\u00fcck und verfiel auf den Gedanken, die Abwesenheit von N\u00e4hrsalzen mache gewisse Nahrungsmittel im Darmkanal teilweise unverdaulich z. B. das Brod. Die geschmacklosen und salzarmen Fleischr\u00fcckst\u00e4nde nach der Extraktbereitung seien -deshalb f\u00fcr die Ern\u00e4hrung so werthlos wie Steine; durch Zusatz der fehlenden Salze z. B. durch Fleischextrakt k\u00f6nne man dem Uebel-stand abhelfen (S. 355). Aber die ung\u00fcnstige Ausnutzung des Brodes wird durch Zusatz von Extrakt nicht verbessert 2 und es werden die Fleisck-r\u00fcckst\u00e4nde auch ohne Salz verdaut wie das Fleisch, ebenso wie auch reiner Blutfaserstoff, reines Fett, reiner Zucker oder St\u00e4rkemehl. Das Fleischextrakt hat keinen Einfluss auf die Verdauung der Nahrungsstoffe.\nDann meinte er, durch das Fleischextrakt erhalte die vegetabilische Nahrung die Eigenschaften der Fleischnahrung, denn die Vegetabilien enthielten die gleichen Stoffe wie das Fleisch bis auf die Extraktivstoffe, welche also die eigentli\u00fcmlichen Wirkungen der Fleischkost bedingten. Die Pflanzenkost unterscheidet sich aber durch manches Andere von der Fleischkost, wodurch ihre verschiedenen Erfolge, wie sp\u00e4ter noch n\u00e4her dargethan werden soll, bestimmt werden. Die Energie und Kraft des Fleischfressers r\u00fchrt nicht von den Extrakten her, sondern von der Menge und dem Verh\u00e4ltniss der Nahrungsstoffe im Fleisch und der besseren Ausnutzung im Darmkanal. Ein Mensch, dem man zu ausreichender Pflanzennahrung z. B. zu Kartoffeln, Extrakt zusetzt, bekommt dadurch nicht die der Fleischkost eigentli\u00fcmlichen Folgeerscheinungen in Beziehung des N\u00e4lirwerths, der Lebhaftigkeit und der Kraftleistung; giebt man dagegen Pflanzenfressern viel Eiweiss, z. B. einem Pferde eine t\u00fcchtige Portion Hafer, so hat man ohne Fleischextrakt die vollen Wirkungen einer animalischen Nahrung.\nZuletzt kam Liebig3 wieder ganz auf seine erste Theorie zur\u00fcck, wonach die nothwendig zur Zusammensetzung des Muskels geh\u00f6renden Extraktivstoffe wahre N\u00e4hrstoffe und zugleich das Kraftmaterial f\u00fcr die Th\u00e4tigkeit des Muskels sein sollen : g\u00e4be man sie als solche, so brauchten sie nicht mehr aus Eiweiss erzeugt zu werden und ersparten also Eiweiss. Es l\u00e4sst sich aber darthun, dass der haupts\u00e4chlichste Stoff des Extraktes, das Kreatin, sich nicht im Muskel ablagert, sondern unver\u00e4ndert im Harn ausgeschieden wird.4 Diente das Fleischextrakt zur Herstellung der Zu-\n1\tLiebig, Auerbach's Volkskalender. S. 148. 1869; PolnischeZtg. 1868. No. 154; Beilage zum Staatsanzeiger f. W\u00fcrttemberg. 1868. No. 127 ; Chem. Briefe. Volksausgabe. 1865. S. 289.\n2\tE. Bischoff, Ztschr. f. Biologie. V. S. 454. 1869.\n3\tLiebig, Sitzgsher. d. bayr. Acad. II. 1869; Ann. d. Chem. u. Pharm. 1870.\n4\tVoit, Ztschr. f. Biologie. IV. S. 77. 1868.","page":451},{"file":"p0452.txt","language":"de","ocr_de":"452\nVoit. Die Ern\u00e4hrung. 3. Cap. Die Nahrungsmittel.\nsammensetzung des Muskels als Nahrungs- und Kraftmittel, so h\u00e4tten die \u00fcbrigen animalischen Nahrungsmittel z. B. Eier, Leber u. s. w. kaum eine gr\u00f6ssere Bedeutung als die Vegetabilien. Wenn die Muskelextrakte die f\u00fcr den Muskel nothwendigen Extraktivstoffe ersetzen und die Kraft f\u00fcr seine Th\u00e4tigkeit entwickelten, so m\u00fcssten doch analog die Extrakte der \u00fcbrigen Organe ebenfalls nothwendig zu ihrer Zusammensetzung geh\u00f6ren und das Arbeitsmaterial derselben darstellen; die Extrakte der Milch m\u00fcssten eine gr\u00f6ssere Th\u00e4tigkeit der Milchdr\u00fcse bedingen, die der Leber w\u00e4ren wichtig f\u00fcr dieses Organ, \u00e4hnlich wie man fr\u00fcher eingedickte Galle bei Leberleiden gab; und f\u00fcr die Arbeit des Gehirns w\u00e4re dann gewiss das Gehirnextrakt rationeller als das Muskelextrakt. Aber die Muskelextraktivstoffe sind Produkte der regressiven Metamorphose, die nicht zur eigentlichen Zusammensetzung des Muskels geh\u00f6ren, grossentheils- schon Ausscheidungsprodukte (Kreatin, Kreatinin, Xanthin); manche derselben liefern allerdings beim W7eiterzerfall noch lebendige Kraft, jedoch ist ihre Menge im verzehrten Fleischextrakt zu gering, um eine ausgiebige Wirkung zu entfalten. Im Muskel von Thieren, die l\u00e4ngere Zeit reichlichst mit Fleisch ern\u00e4hrt worden sind, findet sich nicht mehr Extrakt und Kreatin als in dem Muskel verhungerter Tliiere.\nBei Aufnahme von Fleischextrakt wird im K\u00f6rper nicht weniger Stoff zersetzt und es ist dabei die n\u00e4mliche Quantit\u00e4t von Nahrungsstoffen zur Erhaltung n\u00f6thig; der Stickstoff des Extrakts wird im Harn wieder ausgeschieden. Ein nur mit Fleischextrakt gef\u00fctterter Hund geht nach Kemmerich fr\u00fcher zu Grunde als ein g\u00e4nzlich hungernder.\nDas Fleischextrakt, die Fleischbr\u00fche und die Fleischsuppe bereiten, nachdem sie zuerst durch die schmeckenden und riechenden Extraktivstoffe Geschmacksempfindungen hervorgerufen haben, den Magen Gesunder und Kranker auf die mildeste Weise f\u00fcr das Verdauungsgesch\u00e4ft vor; die Rekonvalescenten w\u00fcrden die gew\u00f6hnlichen Speisen nicht ertragen, wenn ihr Magen nicht vorher f\u00fcr die Absonderung von Saft und die Aufsaugung wieder eingerichtet worden w\u00e4re (S. 423). Die Fleischbr\u00fche hat aber auch allgemein belebende Wirkungen, sie macht namentlich zahlreichere und st\u00e4rkere Herzschl\u00e4ge; es ist wahrscheinlich, dass diese Erfolge wenigstens theil-weise von den Kalisalzen ausge\u00fcbt werden, wie Kemmerich1 erwiesen hat.\nDie vortreffliche Wirkung einer guten, kr\u00e4ftigen Fleischbr\u00fche ist durch tausendf\u00e4ltige Erfahrung seit langem vollkommen sicher gestellt, sie l\u00e4sst sich nicht bestreiten; t\u00e4glich erkennen wir ihren\n1 Kemmerich, Ueher cl. physiol. Wirkung d. Fleischbr\u00fche als Beitrag zur Lehre von den Kalisalzen. Diss. inaug. Bonn 1S68; Arch. f. d. ges. Physiol. I. S. 120. 1868. u. IL S. 49.1869 ; Deutsche Klinik. 1S70. No. 16 u. 17. \u2014 Siehe auch Bunge, Arch. f. d. ges. Physiol. IV. S. 235. 1871. \u2014 Aubert u. Dehn, Ebenda. Y. S. 587. 1S72 u. IX. S. 115. 1874.","page":452},{"file":"p0453.txt","language":"de","ocr_de":"Die animalischen Nahrungsmittel : Die Milch.\n453\nWerth, besonders an der Erquickung, die sie dem schwachen Rekon-valescenten oder dem m\u00fcden Wanderer bringt. Dieser Werth wird dadurch, dass man das Extrakt nicht zu den Nahrungsmitteln, sondern zu den Genussmitteln z\u00e4hlt, nicht im Mindesten geschm\u00e4lert. Wenn es auch gel\u00e4nge, frisches Fleisch aus \u00fcberseeischen L\u00e4ndern uns zuzuf\u00fchren, so w\u00fcrde man doch sicherlich noch fortfahren Fleischextrakt zu bereiten, so gut man den Genuss des Weines nicht auf-giebt, der ja auch kein Nahrungsmittel ist.\n2. Die Milch.\nIn der ersten Lebensperiode, in dem zwischen der Geburt und der Dentition liegenden Zeitraum, liefert die Milch f\u00fcr die S\u00e4uge-thiere alle Stoffe zur v\u00f6lligen Ern\u00e4hrung, zur Erhaltung und zum Wachsthum des K\u00f6rpers. Alle S\u00e4ugethiere sind daher zu dieser Zeit Fleischfresser. F\u00fcr die sp\u00e4tere Lebenszeit, namentlich f\u00fcr den Arbeiter, hat die Milch nicht mehr die richtige Zusammensetzung; man darf daher f\u00fcr den Erwachsenen die Nahrung nicht nach dem Ver-h\u00e4ltniss der Nahrungsstoffe in der Milch mischen ; die Milch ist nicht, wie man fr\u00fcher glaubte, das Prototyp einer Nahrung \u00fcberhaupt, sondern nur f\u00fcr ein bestimmtes Lebensalter.\nDie Milch enth\u00e4lt stets eiweissartige Stoffe (gew\u00f6hnlich Casein und Albumin), Fett, Milchzucker, Extraktivstoffe, anorganische Salze und Wasser. Der Gehalt an diesen Stoffen ist jedoch sehr sclrwan-kend je nach der Thierart, aber auch f\u00fcr dieselbe Thierart je nach der Zeitdauer der Laktation und der Ern\u00e4hrung.\nBei reichlicher Absonderung hat die Kuhmilch im Mittel folgende prozentige Zusammensetzung :\nnach Voit nach J. K\u00f6nig Mittel\nFeste Tlieile.\t12.92\t12.59\nEiweiss\t4.1\t3.41\nFett ....\t3.9\t3.66\nMilchzucker .\t4.2\t4.82\nAsche ....\t0.73\t0.70\nDie Frauenmilch ist etwas \u00e4rmer an festen Bestandtheilen, an Eiweiss, Fett und Asche, dagegen reicher an Milchzucker. Sie wird nicht so rasch sauer als die Kuhmilch und das Casein f\u00e4llt aus ihr durch S\u00e4uren z. B. den s\u00e4uern Magensaft nicht in einer gallertartigen zusammenh\u00e4ngenden Masse, welche sich nach der Resorption der Molke zu einem festen Klumpen ballt, heraus wie aus der Kuhmilch,","page":453},{"file":"p0454.txt","language":"de","ocr_de":"454\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 3. Cap. Die Nahrungsmittel.\nsondern in feinen Flocken, wodurch sich beide Milchsorten wesentlich unterscheiden (Biedert 1).\nIn der Milchasche findet sich verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig viel phosphorsaurer Kalk zum Aufbau des Skelets des jungen Thiers ; die geringen Spuren des darin enthaltenen Eisens gen\u00fcgen vollst\u00e4ndig zur Bildung des Blutes. In 1000 Grm. Milch sind nach G-. Bunge '2 nachstehende Mengen von Aschebestandtheilen:\n\tHundemilch\tKuhmilch\tFrauenmilch\nKali\t\t1.413\t1.766\t0.7029\nNatron\t\t0.806\t1.110\t0.2570\nKalk\t\t4.530\t1.599\t0.3427\nMagnesia ....\t0.196\t0.210\t0.0654\nEisenoxyd....\t0.019\t0.0035\t0.0058\nPhosphors\u00e4ure .\t.\t4.932\t1.974\t0.4685\nChlor\t\t1.626\t1.697\t0.4450\n\t13.522\t8.360\t2.2873\n! O-Aeq. des Chlors .\t0.367\t0.383\t0.1004\n\t13.155\t7.977\t2.1869\nZur Beurtheilung des N\u00e4hrwerthes der Milch muss man ihre Ausn\u00fctzung im Darmkanale kennen und zwar beim Kinde und beim Erwachsenen.\nBeim Kinde hat J. Forster3 4 Versuche w\u00e4hrend 11 Tagen angestellt, aber nicht mit Frauenmilch, sondern mit Kuhmilch. Das 4monatliche Kind nahm t\u00e4glich 1217 Ccm. Milch auf mit 136.8 Grm. Trockensubstanz; im Koth befanden sich 6.35 % der Trockensubstanz, sowie 36.5 % der Asche mit 75 ko des in der Milch enthaltenen Kalks.\nBeim Saugkalb, das t\u00e4glich im Mittel 9077 Grm. Milch aufnahm, stellt sich, wie Soxhlet 4 fand, die prozentige Ausn\u00fctzung g\u00fcnstiger als beim Kind; es wurden von 100 Grm. aufgenommener Substanz im Koth wieder abgeschieden:\nTrockensubstanz .\t.\t.\t2.3%\nEiweiss.....................5.6%\nFett....................0.2 %\nAsche...................2.6 %\n1\tPhil. Biedekt, Unters, \u00fcber die chem. Unterschiede d. Menschen- und Kuhmilch. Diss. inaug. Giessen 1869.\n2\tG. Bunge, Ztschr. f. Biologie. X. S. 295. 1874.\n3\tJ. F\u00f6rster, Mitth. d. morph.-physiol. Ges. zu M\u00fcnchen. 1878. 6. M\u00e4rz. No. 3.\n4\tF. Soxhlet, 1. Bericht \u00fcb. Arbeiten d. k. k. landw.-ehern. Versuchsstation zu Wien aus d. Jahren 1870\u201477. Wien 1878.","page":454},{"file":"p0455.txt","language":"de","ocr_de":"Die animalischen Nahrungsmittel : Die Milch.\n455\nBeim erwachsenen Menschen erhielt M. Rubner 1 folgende pro-zentige Werthe f\u00fcr die Ausn\u00fctzung der Milch im Darmkanal:\n\tbei 2050 Milch\tbei 2438 Milch\tbei 3075 Milch\tbei 4100 Milch\nTrockensubstanz ....\t8.4\t7.8\t10.2\t9.4\nStickstoff\t\t7.0\t6.5\t7.7\t12.0\nFett\t\t7.1\t3.3\t5.6\t4.6\nAscffe\t\t46.8\t48.8\t48.2\t44.5\nOrganische Substanz .\t. .\t5.4\t\u2014\t\u2014\t\u2014\nAbsolute trockene Kothmenge\t22.3\t24.8\t40.6\t50.0\nDer Erwachsene n\u00fctzt demnach die Kuhmilch schlechter aus als das Kind, vor Allem die Asche derselben; er hat eben verh\u00e4ltniss-m\u00e4ssig weniger Mineralbestandtheile n\u00f6thig, besonders weil bei ihm kein Wachsthum der Knochen mehr stattfindet. Das rasch wachsende Saugkalb laugt die Asche der Milch fast vollst\u00e4ndig aus.\nDie Kuhmilch wird vom Erwachsenen nicht so gut verwerthet wie andere animalische Nahrungsmittel, z. B. das Fleisch und die Eier. Dies wird aber vorz\u00fcglich bedingt durch den hohen Aschegehalt des Milchkothes, denn die organischen Bestandteile des Milchkothes verhalten sich nur wenig ung\u00fcnstiger wie die des Fleisches und der Eier. Es ist zumeist der Kalk, der die grosse Aschemenge des Milchkothes hervorruft; er macht 13.2% des trockenen Kothes und 41.2% der Asche desselben aus.\nMit der Menge der zugef\u00fchrten Milch nimmt auch die absolute Kothmenge entsprechend zu, die prozentige Ausn\u00fctzung der Trockensubstanz bleibt sich jedoch ziemlich gleich. Ebenso vermehrt sich bei Steigerung der Milchgabe die absolute Menge von Stickstoff, Fett und Asche im Koth, die prozentige Ausn\u00fctzung des Stickstoffs wTird aber schlechter, w\u00e4hrend sich die des Fettes und der Asche etwas g\u00fcnstiger gestaltet.\nDer Erwachsene erhielt sich mit 2050 Ccm. Milch nicht ganz auf seinem Best\u00e4nde an Eiweiss, wohl aber mit 2438 und 3075 Ccm.\nUeber die als Ersatz f\u00fcr die Frauenmilch angewendeten Surrogate und Kindernahrungsmittel habe ich nicht zu berichten. Aus ihrer Zusammensetzung wird man nach den hier gegebenen Lehren den ihnen zukommenden Werth zu beurtheilen verm\u00f6gen. Sie sind gr\u00f6sstentheils qualitativ und quantitativ verschieden von der Frauenmilch. Es ist bis jetzt noch nicht gelungen, die Milch ohne jeglichen Zusatz unzersetzt zu condensiren; durch den gew\u00f6hnlich dabei\n1 M. Piubnek, Ztschr. f. Biologie. NY. S. 130.1S79.","page":455},{"file":"p0456.txt","language":"de","ocr_de":"456\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 3. Cap. Die Nahrungsmittel.\ngemachten Zusatz von Zucker enth\u00e4lt sie zu viel von diesem Nahrungsstoff.\nAus der Milch werden schon seit den \u00e4ltesten Zeiten werthvolle Nahrungsmittel und Nahrungsstoffe, vorz\u00fcglich der K\u00e4se und die Butter, hergestellt.\nIn dem Kasein der Milch ist bei der Bereitung des K\u00e4ses der gr\u00f6sste Theil des Fettes eingeschlossen. Bei der Gerinnung mittelst Lab f\u00e4llt phosphorsaurer Kalk (zu 6%) mit heraus, bei der durch freiwillige S\u00e4urebildung fast nur freie Phosphors\u00e4ure. Es kommt sehr darauf an, ob das Kasein aus reiner oder aus abgeblasener Milch oder aus Rahm dargestellt wird. Beim Reifen des K\u00e4ses bilden sich allm\u00e4hlich fl\u00fcchtige Fetts\u00e4uren1, welche ihm den uns angenehmen pikanten Geruch und Geschmack ertheilen. Die mittlere prozentige Zusammensetzung des K\u00e4ses ist nach J. K\u00f6nig folgende:\n\tF ettk\u00e4se\t' Halbfettk\u00e4se\tMager- k\u00e4se\nWasser ....\t35.75\t46.S2\t48.02\nFeste Theile . .\t64.25\t53.18\t51.98\nEiweiss ....\t27.16\t27.62\t32.65\nFett\t\t30.43\t20.54\t8.41\nMilchzucker u. s. wr.\t2.53\t2.97\t6.80\nAsche \t\t4.13\t3.05\t4.12\nDer K\u00e4se ist wegen seines Reichthums an Eiweiss und auch an Fett ein sehr wichtiges Nahrungsmittel; er dient namentlich als Eiweisstr\u00e4ger, um eine an Eiweiss arme Kost mit diesem Stoffe zu versorgen.\nRubner hat die Ausn\u00fctzung des K\u00e4ses im Darm untersucht, aber nicht f\u00fcr sich allein, sondern mit Milch, da es schwer ist, gr\u00f6ssere Mengen von K\u00e4se ausschliesslich zu verzehren. Er erhielt im Koth wieder:\n\t2291 Milch 200 K\u00e4se \u00b0/o\t2050 Milch 218 K\u00e4se \u00b0/o\t2209 Milch 517 K\u00e4se %\nTrockensubstanz\t6.0\t6.8\t11.3\nStickstoff .\t. .\t3.7\t2.9\t4.9\nFett . . , . .\t2.7\t7.7\t11.5\nAsche ....\t26.1\t30.7\t55.7\nOrgan. Substanz .\t4.6\t\u2014\t\u2014\n1 Iljenko u. Laskowski, Ann. d. Chem. u. Pharm. LY. S. TS ; LVII. S. 127.","page":456},{"file":"p0457.txt","language":"de","ocr_de":"Die animalischen Nahrungsmittel : Die Milch.\n457\nDurch Zusatz von etwas K\u00e4se zur Milch wird die prozentige Ausn\u00fctzung derselben besser und zwar f\u00fcr s\u00e4mmtliche Nahrungsstoffe; der K\u00e4se wird bei nicht zu grossen Mengen fast vollst\u00e4ndig resorbirt. Bei Aufnahme von viel K\u00e4se dagegen zeigt sich besonders die Verwerthung des Fettes und der Asche beeintr\u00e4chtigt; der Stickstoff oder das Eiweiss wird jedoch noch vortrefflich ausgen\u00fctzt, immer noch besser als bei ausschliesslicher Milchzufuhr.\nDas aus abgerahmter saurer Milch ausgef\u00e4llte Kasein \u2014 weisser K\u00e4se, K\u00e4sematte, frischer Sauermilchk\u00e4se, Quark oder Topfen genannt \u2014 ist seines Eiweissreichthums und seiner Wohlfeilheit halber ein f\u00fcr die Yolksern\u00e4hrung sehr beachtenswerthes Nahrungsmittel. Es ist darin enthalten (Rubner1):\nin \u00b0/o\nWasser ....\t60.27\nFeste Theile\t39.73\nKasein ....\t24.84\nFett\t\t7.33\nMilchs\u00e4ure u. s. w.\t3.54\nAsche\t\t4.02\nAus dem Rahm der Milch bereitet man ferner die Butter, welche fast nur aus den Fetten der Milch besteht und also als Nahrungsstoff die Bedeutung des Fettes besitzt. Aus der Butter wird das reine Schmalz dargestellt. Die Fette der Kuhmilch schmelzen bei 31\u201433\u00b0 C. und haben ein ziemlich constantes Verh\u00e4ltniss von fl\u00fcssigem Olein zu den festeren Fetten, zu Stearin und Palmitin; man findet darin 68 \u00b0/o Stearin, 30% Olein und 2% Glyceride fl\u00fcchtiger Fetts\u00e4uren. Die Elementarzusammensetzung der Butter ist (E. Schulze und A. Reinecke):\nKohlenstoff. .\t.\t7 5.63 %\nWasserstoff .\t.\t.\t11.87 %\nSauerstoff .\t.\t.\t12.50%\nGute Butter enth\u00e4lt im Mittel:\n\tnach K\u00f6nig\tnach Voit\nWasser\t.\t.\t.\t11.7\t7.0\nEiweiss\t...\t0.5\t0.9\nFett .\t.\t.\t.\t.\t87.0\t92.1\nMilchzucker\tu. s. w.\t0.5\t\u2014\nAsche .\t.\t.\t.\t0.3\t\u2014\nDas nach der Ausf\u00e4llung des Kaseins und Fettes mittelst Lab erhaltene Milchserum, die Molke, enth\u00e4lt im Wesentlichen den Milchzucker und die l\u00f6slichen Mineralsalze (vorz\u00fcglich Chlorkalium und\n1 R\u00fcbker. Ztschr. f. Biologie. XY. S. 496. 1879.","page":457},{"file":"p0458.txt","language":"de","ocr_de":"458\nVoit. Die Ern\u00e4hrung. 3. Cap. Die Nahrungsmittel.\nKaliumphosphat) der Milch, neben geringen Mengen von Albumin und etwas Pepton. Es findet sich darin im Mittel:\nWasser\t Feste Theile ....\t7 \u00ab 93.31 5.69\nEiweiss\t\t0.82\nFett\t\t0.24\nMilchzucker ....\t4.65\nMilchs\u00e4ure (?) .\t0.33\nAsche\t\t0.65\nDarnach ist die Molke selbstverst\u00e4ndlich keine Nahrung, aber sie schliesst einige Nahrungsstoffe ein, gegen 5 % Milchzucker und 0.7 % Aschebestandtheile. Es fragt sich, ob beim Gebrauch der Molke diese Stoffe wegen ihrer Eigenschaft als Nahrungsstoffe aufgenommen werden, oder ob sie bei gewissen Krankheiten andere\nbedeutungsvolle\nWirkungen aus\u00fcben.\nBei kurm\u00e4ssigem Gebrauch von t\u00e4glich 500 Grm. Ziegenmolke werden 25 Grm. Zucker und 3.3 Grm. Salze dem kranken K\u00f6rper zugef\u00fchrt; letztere dienen vielleicht als Ersatz f\u00fcr die w\u00e4hrend des fiebernden Zustandes (S. 363) durch die profusen Schweisse und andere Sekrete zu Verlust gegangenen Kalisalze (May !) ; die Kalisalze der Molke haben eine \u00e4hnliche allgemeine Wirkung auf das Herz und die Erregbarkeit der Nerven und Muskeln wie die Fleischbr\u00fche.\nDie Buttermilch, welche nach dem Buttern und der Ausscheidung des Fettes des Rahms verbleibt, enth\u00e4lt das zum Theil schon geronnene Kasein, noch etwas Fett, Milchzucker und geringe Mengen von Milchs\u00e4ure. Sie ist daher zu eiweissarmen Nahrungsmitteln ein ganz vortrefflicher Zusatz; in Irland wird sie vielfach zu den Kartoffeln gegessen. Sie hat folgende quantitative Zusammensetzung:\nWasser . Feste Theile .\t.\t.\t.\t90.62 .\t.\t.\t9.38\nKasein .\t3.78\nFett ....\t.\t.\t.\t1.25\nMilchzucker\t.\t.\t.\t3.38\nMilchs\u00e4ure .\t.\t.\t.\t0.32\nAsche\t. . . 0.62\nDer Kumys, Milchbranntwein, wird aus Stuten- oder Kameel-milch hergestellt; dabei wird der Milchzucker in g\u00e4hrungsf\u00e4higen Zucker und dieser theilweise in Alkohol \u00fcbergef\u00fchrt. Die Analyse ergiebt :\n1 May, Zur Existenzfrage der Molke. M\u00fcnchen 1879.","page":458},{"file":"p0459.txt","language":"de","ocr_de":"Die animalischen Nahrungsmittel : Die Yogeleier.\n459\nFeste Theile ....\t12.12\nAlkohol\t\t1.59\nMilchs\u00e4ure\t\t1.06\nZucker \t\t3.76\nKasein\t\t2.83\nFett\t\t0.94\nAsche\t\t1.07\nFreie Kohlens\u00e4ure\t0.88\nDer vorzugsweise von nomadischen V\u00f6lkern Russlands und Asiens getrunkene Kumys ist ein leicht alkoholisches, angenehmes Genussmittel und ein Nahrungsmittel zugleich; es hat vor dem Bier den Vorzug, dass es ausser dem Alkohol, dem Zucker und der freien Kohlens\u00e4ure noch eiweissartige Stoffe enth\u00e4lt.\n3. Die Vogeleier.\nDas Ei der eierlegenden Thiere schliesst alle Stoffe zum Aufbau des jungen Organismus in richtigem Verh\u00e4ltniss ein; es ist deshalb f\u00fcr die Embryonalzeit eine vollst\u00e4ndige Nahrung wie die Milch f\u00fcr die erste Lebenszeit. Es ist daher das Ei f\u00fcr den Erwachsenen jedenfalls als ein vorz\u00fcgliches Nahrungsmittel zu betrachten.\nEin H\u00fchnerei wiegt im Mittel 51.1 Grm. und besteht aus 6.1 Grm. (= 11.9%) Schale, 28.1 Grm. (= 55%) Albumen und 16.9 Grm. (= 33.1%) Dotter. Peout giebt 10.69% Schale, 60.42% Albuinen und 28.89 % Dotter an.\nIm Dotter finden sich neben Wasser eiweissartige Stoffe (Vitellin), Lecithin, Fett und Asche (vorz\u00fcglich Verbindungen von Phosphors\u00e4ure mit Kali und Kalk). Im Albuinen ausser Wasser wesentlich Eiereiweiss und Asche (\u00fcberwiegend Chloralkalien und kohlensaures Natron). Der Dotter liefert von der aus dem Lecithin frei gewordenen Phosphors\u00e4ure eine sauer reagirende Asche, das Albuinen eine stark alkalische, beide zusammen eine alkalische Asche.1\nEs finden sich in 100 Theilen:\n1 Liebig (Reden u. Abhandl. S. 127. 1874) hat gemeint, es m\u00fcsse aus der Eischale Kalk zur Neutralisation genommen werden, da der Dotter eine saure Asche gebe und diese zur Entwicklung des Embryo nicht dienen k\u00f6nne. Dies ist nicht richtig, denn die x4sche des ganzen Eies ist alkalisch und die saure Asche des Dotters r\u00fchrt von Lecithin her, welches wahrscheinlich als solches in den Nerven und Nervencentralorganen des Embryos abgelagert wird. Der Kalkgehalt des Albumens und des Dotters reicht vollst\u00e4ndig zur Entwicklung des Skeletts des jungen H\u00fchnchens hin. und braucht dazu der Kalk der Eischale nicht in Anspruch genommen zu werden (S. 382).","page":459},{"file":"p0460.txt","language":"de","ocr_de":"460\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 3. Cap. Die Nahrungsmittel.\n\tDotter\tAlbumen\t37.6 Dotter 62.4 Albumen\tEi mit Schale\tin 1 Ei mit Schale\nWasser .\t.\t54.00\t85.87\t73.90\t\t\t\nFeste Theile\t46.00\t14.13\t26.10\t\u2014\t\nEiweiss .\t.\t15.40\t13.30\t14.10\t12.4\t1 6.3\nFett . .\t.\t28.80\t\u2014\t10.90\t9.6\t4.9\nAsche .\t.\t.\t1.75\t0.71\t\u2014\t\u2014\t\nIm ganzen Ei verh\u00e4lt sich das Eiweiss zum Fett wie 100 : 77, in der Kuhmilch im Mittel (100 Fett = 176 Kohlehydrat angesetzt) wie 100 : 1S4 d. h. es findet sieh im Ei verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig viel mehr Eiweiss vor als in der Milch. Das Ei dient zur Entwicklung des Embryo, welcher vorz\u00fcglich Eiweiss zur Erzeugung der Zellen n\u00f6thig hat und nur schwache Bewegungen ausf\u00fchrt. Das neugeborne S\u00e4ugethier muss allerdings ebenfalls noch wachsen, aber es verbraucht auch stickstofffreie Stoffe, da es lebhafte Bewegungen macht ; es wird sich noch zeigen, dass ein Erwachsener wegen seiner betr\u00e4chtlichen Leistungen verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig noch mehr stickstofffreie Substanz n\u00f6thig hat als das Kind und daher mit Milch allein nicht auszureichen vermag.\nEin Ei enth\u00e4lt ann\u00e4hernd so viel Eiweiss und Fett wie 150 Clrm. Kuhmilch, welche aber dazu noch den Milchzucker einschliesst. Ein ganzes Ei ist h\u00f6chstens 40 Grm. fettem Fleisch gleichwerthig und bietet nicht mehr Eiweiss als 30 Grm. fettfreies reines Fleisch. Zur Deckung des t\u00e4glichen Eiweissbedarfs f\u00fcr einen gesunden kr\u00e4ftigen Mann sind mindestens 20 St\u00fcck Eier n\u00f6thig ; mit der Stickstoffmenge in 21 Eiern erhielt sich eine Versuchsperson nicht ganz auf ihrem Stickstoffgehalte, sie verlor noch etwas Stickstoff vom K\u00f6rper.\nDie Ausn\u00fctzung der hart gesottenen Eier im Darmkanal des Menschen ist von M. Rubner untersucht worden. Im Tag wurden 948 Grm. (21 St\u00fcck) davon verzehrt; der prozentige Verlust im Koth betrug:\nA /\n\t\t\u00b0/o\nan\tTrockensubstanz .\t.\t.\t5.2\nan\tStickstoff ....\t.\t.\t2.9\nan\tFett\t\t5.0\nan\tAsche\t\t.\t.\t18.4\nDie Eier unterscheiden sich somit in Beziehung der Verwerthung der Trockensubstanz, des Eiweisses und der Asche fast gar nicht vom Fleische. Dagegen wurde von dem Fett (Aetherextrakt) der Eier wesentlich mehr im Darm resorbirt, was aber von der gr\u00f6sseren","page":460},{"file":"p0461.txt","language":"de","ocr_de":"Die vegetabilischen Nahrungsmittel.\n461\nFettmenge derselben herr\u00fchrt. Im fettarmen Fleisch befindet sieb so wenig Fett, dass das Aetherextrakt der nicht resorbirten Verdauungss\u00e4fte von Einfluss wird.\nII. Die vegetabilischen Nahrungsmittel.\nGegen\u00fcber den Nahrungsmitteln aus dem Thierreiche, welche im Allgemeinen f\u00fcr die Prozesse der Ern\u00e4hrung als Gemische aus Wasser, eiweissartigen Stoffen, Fett und anorganischen Salzen angesehen werden k\u00f6nnen, in denen von den organischen Bestandtheilen das Eiweiss den Haupttheil oder einen sehr grossen Bruchtheil ausmacht, sind die Nahrungsmittel aus dem Pflanzenreiche meist viel complizirter zusammengesetzt; auch die Mischung der Nahrungsstoffe ist in ihnen gr\u00f6sstentheils eine andere.\nDie Vegetabilien nehmen ein grosses Interesse in Anspruch, da der weitaus gr\u00f6sste Theil der Menschheit den Bedarf an Nahrungsstoffen haupts\u00e4chlich aus dem Pflanzenreiche bezieht.\nIm Allgemeinen treten in ihnen die Eiweissstoffe mehr zur\u00fcck, andere Substanzen dagegen, welche in den animalischen Nahrungsmitteln gar nicht oder* nur in verschwindend kleiner Menge vorhanden sind, gewinnen das Uebergewicht wie z. B. die mannigfaltigen Kohlehydrate: St\u00e4rkemehl, die Zuckerarten, Gummi, Dextrin, Pflanzenschleim; ein anderes Kohlehydrat, die Cellulose, bildet das mehr oder weniger derbe Geh\u00e4use der Pflanzenzelle, in welchem die \u00fcbrigen Nahrungsstofte eingeschlossen sind. Dann kommen in den pflanzlichen Nahrungsmitteln h\u00e4ufig noch viele andere Stoffe in betr\u00e4chtlicher Menge vor: die Pflanzens\u00e4uren, Asparagin, Amidos\u00e4uren (z. B. Glutamins\u00e4ure), Solanin, Amygdalin, Betain u. s. w.\nF\u00fcr die Zwecke der Ern\u00e4hrung kann man, so lange eingehende Untersuchungen noch nicht vorliegen, in den vegetabilischen Nahrungsmitteln als organische Nahrungsstoffe annehmen: die verschiedenen Eiweissstoffe, das Fett, die Rohfaser und die stickstofffreien Extraktstoffe.\nIn den Pflanzen finden sich mancherlei Eiweissmodifikationen von verschiedener Zusammensetzung, i Man hat gew\u00f6hnliches in kaltem Wasser l\u00f6sliches, in der Siedehitze gerinnendes Eiweiss (Pflanzeneiweiss) daraus dargestellt. Ferner das Pflanzenkasein, unl\u00f6slich in Wasser, aber l\u00f6slich in basischen phosphorsauren Salzen, sowie in Alkalien, und daraus durch S\u00e4uren f\u00e4llbar; hierher geh\u00f6rt das durch Ans\u00e4uern mit Essigs\u00e4ure aus\n1 Siehe Ritthausen. Die Eiweissk\u00f6rper der Getreidearten, H\u00fclsenfr\u00fcchte und Oelsamen. Bonn 1872. \u2014 R. Sachsse, Die Chemie und Physiologie der Farbstoffe Kohlehydrate und Proteinsubstanzen. Leipzig 1877.","page":461},{"file":"p0462.txt","language":"de","ocr_de":"462\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 3. Cap. Die Nahrungsmittel.\nder L\u00f6sung\u2019 ausfallende Legumin der Leguminosen, das Conglutin in den Lupinen und Mandeln, das in Alkohol unl\u00f6sliche Glutenkasein aus dem Weizenkleber (identisch mit dem Pflanzenfibrin Liebig\u2019s und dem unl\u00f6slichen Pflanzenalbumin von Berzelius). Dann die Kleberproteinstoffe, l\u00f6slich in Alkohol und in Wasser mit \u00e4usserst geringen Mengen von S\u00e4uren und Alkalien; dazu z\u00e4hlt man das Glutenfibrin des Weizens, der Gerste und des Maises, das Gliadin oder den Pflanzenleim und das Mucedin im Weizenkleber (S. 389).\nEs ist fr\u00fcher schon (S. 23) angegeben worden, dass man bei Pflanzennahrung aus zwei Gr\u00fcnden in gewissen F\u00e4llen nicht im Stande ist, aus dem Stickstoffgehalte das darin enthaltene Eiweiss genau genug zu berechnen. Einmal weil die verschiedenen Eiweissarten aus dem Pflanzenreiche ziemlich ungleiche Mengen von Stickstoff enthalten. Die deutschen Agrikulturchemiker nehmen im Eiweiss im Mittel 16% Stickstoff an und multipliziren daher die gefundene Stickstoffmenge mit dem Faktor 6.25 ; die franz\u00f6sischen Chemiker (Payen) rechnen zumeist mit dem Faktor 6.5, entsprechend einem mittleren Stickstoffgehalte des Eiweisses von 15.4%; Andere bedienen sich des Faktors 6.33 (= 15% Stickstoff); Ritthausen hat nach seinen Stickstoff-Bestimmungen in pflanzlichen Eiweissarten (16.67 %) den Faktor 6 in Vorschlag gebracht, jedoch ist seine Stickstoffzahl m\u00f6glicherweise etwas zu hoch. Ein weiterer Grund der Ungenauigkeit der Umrechnung des Stickstoffs auf Eiweiss ist der, dass in manchen Pflanzen ausser dem Eiweiss noch andere stickstoffhaltige Verbindungen in erheblicher Menge Vorkommen z. B. Asparagin, Amidos\u00e4uren, Betain, Ammoniak, salpetersaure Salze; in den Kartoffeln sind nach E. Schulze und J. Barbi\u00e9ri vom Gesammtstickstoff nur 56.2 % in eiweissartigen Stoffen und 43.8 % in Asparagin und Amidos\u00e4uren enthalten, in den Futterr\u00fcben befinden sich sogar nur 20 % des Gesammtstickstoffs in Eiweiss, 43% in Amiden, 37% in Salpeters\u00e4ure und Ammoniak. In anderen F\u00e4llen sind jedoch diese stickstoffhaltigen Verbindungen in so geringer Quantit\u00e4t vorhanden, dass der Fehler nur ein kleiner ist.\nAls Fett bezeichnet man alles mit Aether Ausziehbare. Dies ist ebenfalls nicht ganz richtig, da in das Aetherextrakt auch Wachs, Harz, Chlorophyll, Farbstoffe, Cholesterin und andere Stoffe \u00fcbergehen. In den vom Menschen benutzten pflanzlichen Nahrungsmitteln findet sich im Aetherextrakt fast nur wirkliches Fett.\nRohfaser nennt man den in Wasser, verd\u00fcnnten S\u00e4uren und Alkalien, sowie in Alkohol und Aether unl\u00f6slichen Tlieil der Pflanzen. Sie besteht gr\u00f6sstentheils aus Cellulose (Holzfaser), in der aber noch andere Stoffe eingelagert und angelagert sind, von denen die letzteren mit den Lignin- und Cutinstoffen identisch sind. In dem R\u00fcckstand ist immer noch etwas Asche, die in Abrechnung gebracht wird, und auch etwas Eiweiss, dessen Menge man aus dem Stickstoffgehalt ermittelt, Die Ligninsubstanzen und die inkrustirenden Materien sind nicht von der Cellulose abzutrennen, da sie den L\u00f6sungsmitteln hartn\u00e4ckig widerstehen. Die Resultate der Cellulosebestimmung sind demnach etwas zu hoch, weshalb man die r\u00fcckbleibende Substanz nicht als Cellulose, sondern als Rohfaser bezeichnet; der Fehler wird dadurch in etwas compensirt, dass die Cellulose durch Kochen mit verd\u00fcnnten S\u00e4uren zum Theil in Zucker \u00fcbergeht","page":462},{"file":"p0463.txt","language":"de","ocr_de":"i\nDie veget. Nahrungsmittel. \u2014 Die K\u00f6rnerfr\u00fcchte u. deren Produkte : Cerealien. 463\nDie Versuche die Cellulose in der Rohfaser direkt zu bestimmen, sind bis jetzt nicht gegl\u00fcckt.\nUnter stickstofffreien Extraktstoffen versteht man alle diejenigen Stoffe, welche noch \u00fcbrig bleiben, wenn man von der Trockensubstanz die Summe von Eiweiss, Fett, Rohfaser und Asche in Abzug bringt. Es geh\u00f6ren dazu vorz\u00fcglich die Kohlehydrate ausser der Cellulose (St\u00e4rkemehl, Zucker u.s.w.), die gummi- und pektinartigen Substanzen, ferner die organischen S\u00e4uren (Essigs\u00e4ure, Oxals\u00e4ure, Aepfels\u00e4ure, Citronens\u00e4ure, Weins\u00e4ure, Gerbs\u00e4ure) und noch manche andere unbekannte Stoffe.\n1. Die K\u00f6rnerfr\u00fcchte (Samen) und deren Produkte.\nDie zur Nahrung* des Menschen dienenden wasserarmen K\u00f6rnerfr\u00fcchte sind sehr reich an St\u00e4rkemehl, und enthalten meist nicht unbedeutende Mengen von Eiweiss, aber nur wenig Fett, etwas Zucker und eine Gummiart. Vor Allem rechnet man hierher die Getreidearten oder Cerealien und die Leguminosen.\nA) Die Cerealien.\nVon den Cerealien werden haupts\u00e4chlich der Weizen und der Roggen verwendet; ferner der Hafer, die Gerste, der Mais, der Reis u. s. w.\nSie geh\u00f6ren zu den wichtigsten Nahrungsmitteln. Der Anbau des Getreides bedingte den Beginn der Civilisation; er fesselte die Nomadenv\u00f6lker an die Scholle und bereitete der ausschliesslich animalischen Ern\u00e4hrung durch den Ertrag der Jagd und des Fischfangs ein Ende. Die Erlangung der Nahrung durch die Jagd macht einen best\u00e4ndigen Wechsel des Wohnsitzes n\u00f6thig und nimmt die ganze Zeit des Menschen in Anspruch; erst durch den Ackerbau blieb ihm die Musse zu weiteren Besch\u00e4ftigungen. Durch die Bestellung des Feldes bietet eine geringe Fl\u00e4che einer dichten Bev\u00f6lkerung den Unterhalt, w\u00e4hrend weite Strecken dazu geh\u00f6ren eine geringe Zahl mit animalischer Nahrung zu versorgen.\nIch gebe als Beispiele die mittlere prozentige Zusammensetzung der Samen der gebr\u00e4uchlichsten Cerealien nach J. K\u00f6nig:\n\tWeizen\tRoggen\tGerste\tHafer\tMais\tReis\nWasser\t\t13.56\t15.26\t13.78\t12.92\t13.88\t14.41\nFeste Theile\t\t86.54\t84.74\t86.22\t87.08\t86.12\t85.59\nEiweiss (gr\u00f6sstentheils Kleber) .\t12.42\t11.43\t11.16\t11.73\t10.05\t6.94\nFett\t\t1.70\t1.71\t2.12\t604\t4.7 6\t0.51\nHolzfaser\t\t2.66\t2.01\t4.80\t10.83\t2.84\t0.08\nVfreie Extrakte\t\t67.89\t67.83\t65.51\t55.43\t66.78\t77.61\nAsche\t\t1.79\t1.77\t2.63\t3.05\t1.69\t0.45","page":463},{"file":"p0464.txt","language":"de","ocr_de":"464\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 3. Cap. Die Nahrungsmittel.\nDer Gehalt des Weizens an eiweissartigen Stoffen ist sehr vom Boden, der D\u00fcngung und dem Klima und wohl noch von anderen Einfl\u00fcssen abh\u00e4ngig.1 Der russische Weizen ist besonders reich an Stickstoff; harter Weizen und kleine K\u00f6rner enthalten mehr Stickstoff. Auch die Gerste zeigt einen sehr verschiedenen Eiweissreichthum (von 8\u201418\u00b0/o), verschieden je nach D\u00fcngung, Klima, Bodenbearbeitung u. s. w.2 Der Mais enth\u00e4lt etwas weniger Eiweiss als das ganze Weizenkorn, dagegen viel eines gelben Oels. Arm an Eiweiss ist der von vielen V\u00f6lkern fast ausschliesslich gegessene Reis, in welchem sich jedoch sehr viel feines St\u00e4rkemehl befindet.\nDie Getreidearten werden vor dem Gebrauch meist zu einem Mehl vermahlen und dabei die \u00e4usseren holzigen H\u00fcllen des Korns zerrissen und als Kleie abgetrennt.3 Der innerste Theil des Kerns ist am weichsten und deshalb in den ersten Mehlsorten enthalten; er liefert das feinste und weisseste Mehl, das aber einen geringeren Gehalt an eiweissartigen Stoffen, welche gr\u00f6sstentheils der Klebergruppe angeh\u00f6ren, und mehr St\u00e4rkemehl besitzt. Nach den Untersuchungen von S. L. Schenk4 5 ist der Kleber in der ganzen Masse des inneren Korns verbreitet, aber in den peripherischen Partien reichlicher als in den centralen; die am \u00e4usseren Umfange des Kerns befindlichen Zellen, die man fr\u00fcher als die eigentlichen Kleberzellen bezeiclmete, sollen jedoch kein Eiweiss (oder Kleber) enthalten. ? Um den inneren weicheren Kern liegen die h\u00e4rteren kleberreicheren Schichten. Die innere harte Schicht liefert beim ersten Beuteln des Mehls die weisse Gr\u00fctze, welche weiter vermahlen mit dem feinsten Mehl das gew\u00f6hnliche Mehl f\u00fcr Weissbrod bildet; die \u00e4ussere harte Schicht wird als graue Gr\u00fctze abgesondert und giebt, da sie mit mehr oder weniger von den Bestandtheilen der Kleie gemengt ist, ein schwarzes Brod.\nEs ist f\u00fcr die Beurtheilung des Werthes der Cerealien als Nah- j rungsmittel von grosser Bedeutung, wie die Nahrungsstoffe in dem Kerne und in den Mehlgattungen vertheilt sind. 0. Dempwolf 5 hat die s\u00e4mmtlichen Mehlprodukte einer Portion ungarischen Weizens\n1\tN. Laskowsky, Ann. d. Chem. u. Pharm. CXXXV. S. 346. \u2014 Ritthausen u. Kreusler, Landw. Versuchsstationen. XVI. S. 3S4.\n2\tL. Aubry, 1. Jahresber. d. wiss. Station f. Brauerei in M\u00fcnchen 1876\u201477.\n3\tK. Birnbaum, Das Brodbacken im landw. Gewerbe von Otto-Birnbaum. 8. Th. Braunschweig 1878. \u2014 Stohmann, in Muspratt\u2019s technischer Chemie. I. S. 1519, Artikel Brod. \u2014 Bibra, Die Getreidearten und das Brod. 2. Aufl. N\u00fcrnberg 1861. \u2014 J. K\u00f6nig, Die menschl. Nahrungs- u. Genussmittel. S. 271. 1880.\n4\tSchenk, Anzeiger d. Wiener Acad. d. Wiss. 1870. No. 5. S. 41 ; Anat.-physiol. Unters. S. 32. Wien 1872.\n5\tO. Dempwole, Ann. d. Chem. u. Pharm. CXLIX. S. 343.","page":464},{"file":"p0465.txt","language":"de","ocr_de":"Die veget. Nahrungsmittel. \u2014 Die K\u00f6rnerfr\u00fcchte u. deren Produkte : Cerealien. 465\nanalysirt. Es ergab sich, dass der Stickstoff- oder Klebergebalt von den feinsten Mehlsorten an bis zu den Brodmehlen inclusive eine allm\u00e4hliche geringe Steigerung (von 13.4\u201417.9 % Eiweiss in der wasserfreien Substanz) erf\u00e4hrt und dass das Schwarzmehl sowie die Kleien etwas geringhaltiger an Eiweiss sind (16.3 %) als die gew\u00f6hnlichen Brodmehle. Die St\u00e4rkemenge ist am h\u00f6chsten in den feinsten Auszugmehlen (70.1 \u00b0/o) und sinkt regelm\u00e4ssig mit der Abnahme des Feinheitsgrades des Mehles (bis auf 61.03% im Schwarzmehl). Der Aschegehalt steigt in dem Verh\u00e4ltniss wie die Feinheit des Mehles abnimmt (von 0.38\u20141.55%); in der Kleie findet sich sogar bis zu 5.7 % Asche vor.\nAn der Kleie haftet immer mehr oder weniger von den Bestandteilen des Mehles au, da eine vollst\u00e4ndige Trennung der H\u00fcllen und des Kerns nicht m\u00f6glich ist. Die feste Oberhaut der Kleie bestellt vorzugsweise aus Holzfaser, w\u00e4hrend die inneren Schichten derselben weicher und zarter sind und stickstoffhaltige Substanzen enthalten, darunter auch das von M\u00e8ge-Mouri\u00e8s 1 entdeckte Cerealin, welches wie ein Ferment St\u00e4rkekleister in Zucker verwandeln und auch Milchs\u00e4ure- und Butters\u00e4ure-g\u00e4hrung einleiteu soll, wodurch ein Theil des Klebers zersetzt wird. Das Cerealin soll durch diese Eigenschaften die schwarze Farbe und die leichte S\u00e4uerung des mit Kleie gebackenen Brodes bedingen; es kann daher aus einem kleiehaltigen Mehl ein weisses, nicht saures Brod gebacken werden, wenn man das Cerealin durch Einleitung von geistiger G\u00e4hrung mit Hefe und Zucker, sowie durch Zusatz von S\u00e4uren oder Kochsalz zersetzt oder unwirksam macht.\nIch gebe hier die Resultate der Analysen einiger Mehlsorten nach J. K\u00f6nig\u2019s Zusammenstellungen:\n\t\u00bbfeinstes\tgr\u00f6beres\tRoggenmehl\t\n\u2014\tWeizenmehl\tWeizenmehl\t\tWeizenkleie\n! Wasser .\t.\t.\t14.86\t12.18\t14.24\t14.07\nFeste Theile\t85.14\t87.82\t85.76\t85.93\nEiweiss . .\t.\t8.91\t11.27\t10.97\t13.46\nFett ....\t1.11\t1.22\t1.95\t2.46\nHolzfaser.\t.\t.\t0.33\t0.84\t1.62\t30.80\n-V-freie Extrakte\t74.28\t73.65\t69.74\t31.63\n! Asche ....\t0.51\t0.84\t1.48\t6.52\nAus dem Mehle der Cerealien werden allerlei Speisen, unter Zusatz von anderen Nahrungsmitteln und Nahrungsstoffen hergestellt. Diese Zubereitung durch Kochen oder Backen geschieht, um die\n1 M\u00e8ge-Mouri\u00e8s, Compt. rend. XXXVII. (2) p. 775. 1853, XXXVIII. n. 351 n 505, XLIV. (1) p. 40. 1S57.\nHandbuch der Physiologie. Bd. VI.\n30","page":465},{"file":"p0466.txt","language":"de","ocr_de":"466\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 3. Cap. Die Nahrungsmittel.\nH\u00fcllen der Zellen zum Zerplatzen zu bringen und so die in den letzteren eingeschlossenen St\u00e4rkek\u00f6rnchen f\u00fcr die Verdauungss\u00e4fte zug\u00e4nglich zu machen, wobei das St\u00e4rkemehl ebenfalls ver\u00e4ndert und unter Wasseraufnahme in Kleister verwandelt wird. Das seit den \u00e4ltesten Zeiten aus dem Mehl bereitete Geb\u00e4ck ist das Brod, das zu den wichtigsten Nahrungsmitteln des Menschen geh\u00f6rt; eine Hauptbedeutung desselben ist, dass es sich l\u00e4ngere Zeit auf bewahren l\u00e4sst. Ausserdem werden aus dem Mehl allerlei Mehlspeisen zubereitet.\nMan stellt das Brod her, indem man das Mehl mit Wasser, dem meist Kochsalz zugesetzt wird, und mit einem G\u00e4hrungsmittel1 zu einer plastischen z\u00e4hen Masse, zu einem Teig, knetet und dann nach beendigter G\u00e4hrung den letzteren im Ofen einer h\u00f6heren Temperatur (200\u2014270 \u00b0 C.Daussetzt. Durch die G\u00e4hrung und die Kohlens\u00e4ureentwicklung wird der Teig und das Brod mit mehr oder weniger grossen Bl\u00e4schen durchsetzt, so dass es locker wird; ohne die Auflockerung erh\u00e4lt man beim Backen eine feste, steife Masse, welche schwer zu kauen und den Verdauungss\u00e4ften nicht gut zug\u00e4nglich ist. Bei der Erhitzung der Aussenwand des Brodlaibs bildet sich die Kruste vorz\u00fcglich durch eine Umwandlung des St\u00e4rkemehls.\nDas frische Brod hat eine harte spr\u00f6de Kruste und eine weiche elastische Krume von grossem Wohlgeschmack. Mit der Zeit wird das Brod altbacken, d. h. die spr\u00f6de Kruste wird weich, die Krume hart und zerbrechlich. Es beruht dies nicht, wie man sich gew\u00f6hnlich vorstellt, auf einer Austrocknung durch Wasserverlust, sondern auf einer allm\u00e4hlichen iWnderung des Molekularzustandes; durch Erw\u00e4rmen kann die frische Beschaffenheit des Brodes wieder hervorgerufen werden (Boussingault).\nDurch das Backen ist im Brod ein Theil der St\u00e4rke in Wasser l\u00f6slich geworden; ein anderer Theil hat sich in Dextrin oder in weitere Zersetzungsprodukte verwandelt. Das Albumin ist durch die hohe Temperatur koagulirt; der Kleber ist innig mit dem aufgequollenen St\u00e4rkemehl verbunden, so dass sich dasselbe durch Kneten mit Wasser nicht mehr daraus gewinnen l\u00e4sst. Die Kruste enth\u00e4lt mehr Dextrin und l\u00f6sliche St\u00e4rke als die Krume; dann, wie Baural berichtet, eine in Wasser l\u00f6sliche stickstoffhaltige Substanz.\nAus 100 Kilo Weizenmehl werden zwischen 125 und 130 Kilo Brod erhalten; nach anderen Angaben liefern 100 Kilo Getreide-\n1 Man nimmt Sauerteig oder Alkoholhefe, die einen Theil des Zuckers im Mehl in Kohlens\u00e4ure und Alkohol spaltet, oder auch zu gleichem Zweck kohlensaure Salze.","page":466},{"file":"p0467.txt","language":"de","ocr_de":"Die veget. Nahrungsmittel. \u2014 Die K\u00f6rnerfr\u00fcchte u. deren Produkte : Cerealien. 467\nk\u00f6rner 83 Kilo Weizenmehl, 85 Kilo Roggenmehl und 114 Kilo Backwerk.\nDie Krume des Schwarzbrods (1 Tag alt) enth\u00e4lt nach meinen Bestimmungen 53.7 \u00b0/o Trockensubstanz, 8.3% Eiweiss und 44.2% Kohlehydrate. Zur Ermittlung des Wassergehalts des ganzen Brod-laibs wurden 2 Laibe Roggenbrod mit Kruste und Krume getrocknet: es wurden dabei 61.82 % und 64.76 % feste Theile erhalten und weiterhin 8.5% Eiweiss, 1.3% Fett und 52.5 % Kohlehydrate.\nDer Stickstoffgehalt des Schwarzbrods ist auffallenden Schwankungen unterworfen, deren Ursachen mir nicht klar geworden sind. Ich habe fr\u00fcher, als ich vor nunmehr 20 Jahren die ersten Analysen der Brodkrume von runden Laibchen (sog. Riemisch-Brod) machte, in der Trockensubstanz 2.27\u20142.46 o/0 Stickstoff gefunden; dieselbe Zahl (2.38 %) gab noch J. Ranke im Jahre 1862 an. G. Mayer1 erhielt dagegen 1871 in dem gleichen, von dem n\u00e4mlichen B\u00e4cker bezogenen Brod nur 1.98% Stickstoff und ich bekomme jetzt regelm\u00e4ssig daraus nur mehr 1.57 %. Der sehr bedeutende Unterschied ist selbstverst\u00e4ndlich von einschneidenden Folgen f\u00fcr die Ern\u00e4hrung des Volkes und verdient in hohem Grade die Aufmerksamkeit der Landwirthe und National\u00f6konomen. Da in die Zwischenzeit der Import von russischem Getreide nach S\u00fcddeutschland f\u00e4llt, so dachte ich daran, ob darin nicht der Grund der Stickstoffabnahme zu suchen ist; das russische Getreide giebt aber gerade im Gegentheil mehr Stickstoff. Es ist m\u00f6glich, dass wir jetzt weisseres Mehl lieben, dessen Stickstoffgehalt geringer ist; es ist jedoch in der Beschaffenheit und dem Aussehen des Brodes keine Aenderung zu bemerken. Auch bei der Gerste hat man in der Neuzeit ein Zur\u00fcckgehen des Eiweisses gegen\u00fcber \u00e4lteren Jahrg\u00e4ngen bemerkt.2\nDas aus Weizenmehl bereitete Weissbrod (Semmel) giebt mit der Kruste nach meinen Analysen folgende Werthe:\nWasser. .\t7 o . . 28.6\nFeste Theile .\t.\t.\t71.4\nEiweiss\t.\t.\t9.6\nFett\t\t. . 1.0\nKohlehydrate.\t. . 60.1\nJ. Ranke fand darin 26.78 % Wasser und in der Trockensubstanz 2.2 % Stickstoff, G. Mayer im Mittel 2.01% Stickstoff.\nEine der wichtigsten Fragen f\u00fcr die Ern\u00e4hrungslehre ist die nach der Ausn\u00fctzung der verschiedenen Geb\u00e4cke aus dem Mehl der Cerealien im Darmkanal.\nEs ist eine l\u00e4ngst bekannte Thatsache, dass der Genuss von Schwarzbrod grosse Kothmengen macht; Liebig3 hat schon in seinen\n1\tG. Mayer, Ztschr. f. Biologie. VIL S. 19. 1871.\n2\tAubry, 1. Jahresber. d. wiss. Station f. Brauerei in M\u00fcnchen. 1876/77. S. 8.\n3\tLiebig, Chem. Briefe. S. 550. 1851.\n30*","page":467},{"file":"p0468.txt","language":"de","ocr_de":"46S\nVoit. Die Ern\u00e4hrung. 3. Cap. Die Nahrungsmittel.\nchemischen Briefen angegeben, dass die Grenzen des Niederrheins lind Westphalens, wo der sogenannte Pumpernickel verzehrt wird, sich an der ganz besonderen Gr\u00f6sse der Ueberreste genossener Mahlzeiten erkennen lassen, welche Vor\u00fcbergehende an Hecken und Z\u00e4unen hinterlassen. Erfahrene Aerzte verordnen darum Leuten mit tr\u00e4gem Stuhlgang Schwarzbrod.\nBischoff und ich1 haben beobachtet, dass Hunde nach Aufnahme von Schwarzbrod ungleich \u00f6fter und mehr Koth entleeren; derselbe ist allerdings viel w\u00e4ssriger als der gew\u00f6hnliche Koth nach Fleischf\u00fctterung, jedoch wird auch ansehnlich mehr trockner Koth dabei ausgeschieden. W\u00e4hrend unser grosser Hund bei reichlichster F\u00fctterung mit Fleisch (1500 Grm.) im Tag etwa 10 Grin, trockenen Koth bereitete, erschienen nach F\u00fctterung mit Brod (770 Grm. t\u00e4glich im Mittel) 51 Grm. trockener Koth. Diese ung\u00fcnstige Ausn\u00fctzung des Schwarzbrods im Darm des Hundes best\u00e4tigte E. Bischoff'2; bei Aufnahme von 800 Grm. Brod traten 59.7 Grm. trockener Koth auf und gingen 14 To der Trockensubstanz des Brodes mit 17 % des Stickstoffs desselben mit dem Kothe wieder ab. Der Zusatz von Fleischextrakt zum Brode \u00e4nderte an der Ausn\u00fctzung im Darm nichts; auch ein Zusatz von etwas Fleisch brachte keine Aenderung in der Kotkmenge und in der Ausn\u00fctzung des Brodes hervor, was sp\u00e4ter G. Mayer best\u00e4tigte. Der Hund von G. Mayer entleerte nach F\u00fctterung mit 1000 Grm. Brod 70.1 Grm. trocknen Koth = 13.3 0 o des trocknen Brods mit 19.5% des Stickstoffs und 32.8 \u00b0/o der Asche desselben ; reichte er dagegen den Stickstoff des Brods in der Form von Fleisch und den St\u00e4rkegehalt desselben als Fett (in 377 Grm. Fleisch mit 184 Grm. Fett), so kamen nur 19.7 Grm. trockner Koth = 7.2 % der trocknen Nahrung mit 7.6 % ihres Stickstoffs.\nAls E. Bischoff dem Hunde den Stickstoff und das Kohlehydrat von 800 Grm. Brod in 302 Grm. Fleisch mit 354 Grm. St\u00e4rke in compakten Kuchen gab, nahm die Kothmenge wesentlich ab, denn sie betrug jetzt nur mehr 17.1 Grm. mit 4.5% der trockenen Nahrung. Daraus und aus meinen F\u00fctterungsversuchen3 mit St\u00e4rkemehl geht hervor, dass es nur zum kleinen Theil das St\u00e4rkemehl an und f\u00fcr sich ist, welches die grossen Portionen Koth hervorruft, sondern die Beschaffenheit des Schwarzbrods.\nDies lehren vor Allem die am Menschen angestellten Ausn\u00fctzungsversuche mit Brod und anderen aus Weizenmehl bereiteten Geb\u00e4cken.\n1\tBischoff u. Voit, Gesetze der Ern\u00e4hrung des Fleischfressers. S. 210. 1S60.\n2\tE. Bischoff, Ztschr. f.Biologie. V. S. 452. i860.\n3\tVoit, Ztschr. f. Biologie. VIL S. 10. 1871.","page":468},{"file":"p0469.txt","language":"de","ocr_de":"Die veget. Nahrungsmittel. \u2014 Die K\u00f6rnerfr\u00fcchte u. deren Produkte : Cerealien. 469\nG. Mayer hat zuerst solche Versuche mit verschiedenen Arten von Brod gemacht, n\u00e4mlich 1) mit weissem Weizenbrod (Semmel), 2) mit Roggenbrod (aus Roggenmehl unter Zusatz gr\u00f6berer Sorten Weizenmehl gebacken), 3) mit HoRSFORD-LiEBiG\u2019schem Roggenbrod (mit N\u00e4hrsalzen) und 4) mit Schwarzbrod von ganzem Korne (norddeutscher Pumpernickel). In allen 4 F\u00e4llen wurde nahezu die gleiche Menge Trockensubstanz gereicht. Sp\u00e4ter hat M. Rubner1 noch zwei Versuche Nr. 5 und 6 mit Weissbrod aus Weizenmehl und einen Versuch Nr. 7 mit schwarzem grobem Roggenbrod angestellt. Dabei ergab sich:\n1 No.\tim\tBrod\tverzehrt\t\tim Koth\t\t\t\t\t\t\t\n\tfeste Theile\tN\tKohle- hydrat\tAsche\tfeste Theile\t\tStickstoff\t\tKohlehydrat\t\tAsche\t\n\t\t\t\t\tGrm.\t\u00b0/o\tGrm.\t\u00b0/o\tGrm.\t\u00b0/o\tGrm.\t%\n1.\t439\t8.S\t\t10.0\t25.0\t5.6\t1.8\t19.9\t\t\t3.0\t30.2\n2.\t438\t10.5\t\u2014\t18.1\t44.2\t10.1\t2.3\t22.2\t\u2014\t\u2014\t5.5\t30.5\n3.\t437\t8.7\t\u2014\t24.7\t50.5\t11.5\t2.8\t32.4\t\u2014\t\u2014\t9.4\t38 1\n4.\t423\t9.4\t\u2014\t8.2\t81.8\t19.3\t4.0\t42.3\t\u2014\t\u2014\t7.9\t96.6\n5-1\t455\t7.6\t391\t9.9\t23.5\t5.2\t2.0\t25.7\t6\t1.4\t2.5\t25.4\n6.\t779\t13.0\t670\t17.2\t28.9\t3.7\t2.4\t18.7\t5\t0.8\t3.0\t17.3\n7.\t765\t13.3\t659\t19.3\t115.8\t15.0\t4.3\t32.0\t72\t10.9\t10.2\t36.0\nDarnach zeigen das HoRSFORD-LiEBiG-Brod und das gew\u00f6hnliche Roggenbrod nur geringe Differenzen in der Verwerthung; beide werden in mittleren Mengen ausgen\u00fctzt. Dagegen ergab sich ein bedeutender Unterschied bei dem weissen Weizenbrod; bei der gleichen Quantit\u00e4t der verzehrten Trockensubstanz erschien hier (Nr. 1) nur die H\u00e4lfte trocknen Koths als in den F\u00e4llen Nr. 2 und 3; die reichlichere Aufnahme von Weizenbrod \u00e4ndert kaum etwas am Resultat, denn obwohl im Versuch 6 viel mehr Weizenbrod gegessen wurde als im Versuch 5, so ergab sich doch nur eine geringe absolute Zunahme der Kothmenge und eine prozentig bessere Ausn\u00fctzung. Am auffallendsten sind aber die Zahlen bei dem groben Schwarzbrod und dem Pumpernickel, wo weitaus am meisten Koth erscheint, 3\u20144mal so viel als bei Genuss von Semmel; es werden dabei 15 bis 19% der trockenen Nahrung mit 32\u201442 % ihres Stickstoffs und 36 \u2014 97 % ihrer Asche im Koth wieder entfernt. Bei gleicher Zufuhr von Trockensubstanz ist also die Semmel entschieden die nahrhafteste\n1 51. Rubner, Ztschr. f. Biologie. XV. S. 150. 1870.","page":469},{"file":"p0470.txt","language":"de","ocr_de":"470\nVon, Die Ern\u00e4hrung. 3. Cap. Die Nahrungsmittel.\nder 4 Brodsorten, weil sie die geringste Menge von Kotli liefert und aus ihr am meisten stickstoffhaltige Bestandteile ausgezogen werden ; dem Weissbrod am n\u00e4chsten steht das Roggenbrod und zuletzt folgt der Pumpernickel.\nEs ist von der gr\u00f6ssten national\u00f6konomischen Bedeutung, dass das Weissbrod besser ausgen\u00fctzt wird wie das Schwarzbrod. Die Arbeiter in M\u00fcnchen gemessen vielfach statt des Roggenbrods sogenannte Laibein, aus einer dunkleren Sorte Weizenmehl gebacken. Die Franzosen, die Engl\u00e4nder, die Schweizer essen vorz\u00fcglich halb-weisses Weizenbrod, das besser ausgen\u00fctzt wird. Es ist nur im Allgemeinen nicht m\u00f6glich von dem weniger intensiv schmeckenden und trockneren Weissbrod sa viel zu essen als vom Schwarzbrod.\nDer zu Rubner\u2019s Versuchen (5, 6 und 7) ben\u00fctzte kr\u00e4ftige Mann konnte auch mit der gr\u00f6ssten Menge von Weizenbrod oder Schwarzbrod, die er noch zu bew\u00e4ltigen vermochte, nicht seinen Bestand an Eiweiss erhalten, denn er gab t\u00e4glich immer noch 2\u20143.5 Grm. Stickstoff von seinem K\u00f6rper her.\nDa der Mensch die gleiche Erscheinung der schlechten Ausn\u00fctzung des Roggen- und Schwarzbrodes zeigt wie der Hund, so ist es nicht die Organisation des Fleischfressers, welche jene bedingt, zudem der Hund St\u00e4rkemehl in gr\u00f6sster Menge verdaut und resorbirt.1 E. Bischoff hat den Grund der reichlichen Kothentleerung nach Aufnahme von Schwarzbrod gefunden. Der Koth hat darnach eine stark saure Reaktion, welche beim Stehen immer mehr zunimmt. Es tritt eine G\u00e4hrung im Brodchymus auf und zwar vorz\u00fcglich im untern Theile des D\u00fcnndarms, wo die alkalischen Darms\u00e4fte eine Abnahme der sauren Reaktion des Magensafts hervorrufen.2 Die S\u00e4ure ist in Weingeist l\u00f6slich und besteht zum gr\u00f6ssten Theil aus Butters\u00e4ure, die offenbar aus dem St\u00e4rkemehl sich bildet. Es ist nicht der Sauerteig, der diese G\u00e4hrung bewirkt, denn auch ohne Sauerteig hergestelltes Schwarzbrod nimmt im Darm die gleiche saure Beschaffenheit an. Die S\u00e4ure ruft starke peristaltische Darmbewegungen hervor, welche zu einer raschen Entleerung des Inhalts f\u00fchren. W\u00e4hrend das Schwarzbrod einen stark sauer reagirenden, breiartigen, reichlich mit Gasblasen durchsetzten Koth giebt, der \u00f6fters im Tag\n1\tNach dem fr\u00fcher (S. 355) Gesagten kann der geringere Aschegehalt des Mehls ohne Kleie nicht, wie Liebig glaubte, die Ursache der reichlichen Koth-entleerung sein; das feinste Mehl mit der kleinsten Aschemenge giebt am wenigsten Koth, und der Zusatz der Salze in Fleischextrakt zum Brod vermindert die Quantit\u00e4t des Kothes nicht.\n2\tSchon Frerichs hat in D\u00fcnndarmschlingen eingef\u00fcllten St\u00e4rkekleister rasch sauer werden und in Milchs\u00e4ure und Butters\u00e4ure \u00fcbergehen sehen.","page":470},{"file":"p0471.txt","language":"de","ocr_de":"Die veget. Nahrungsmittel. \u2014 Die K\u00f6rnerfr\u00fcchte u. deren Produkte: Cerealien. 471\nentleert wird, ist der Koth nacli Genuss von Semmel und Weizen-brod ziemlich consistent, nicht oder nur ganz schwach sauer, weshalb die Masse l\u00e4nger im Darm verweilt und besser ausgen\u00fctzt wird.\nNach Liebig soll das Getreidekorn bei seiner Verwandlung in Mehl die st\u00e4rkste Einbusse an seiner Nahrhaftigkeit, besonders durch die Entziehung von N\u00e4hrsalzen, erleiden, und deshalb gerade das weisseste und feinste Mehl den geringsten N\u00e4hrwerth besitzen. Man m\u00fcsste also, meint er, dem Brod die verlorenen N\u00e4hrsalze wieder zusetzen. Wenn aber auch dem Korn beim Mahlen noch mehr Asclie-bestandtheile entzogen w\u00fcrden, so braucht es deshalb noch nicht an seinem N\u00e4hrwerth eingebtisst zu haben, da man nicht weiss, ob so viel Salze zur Ern\u00e4hrung wirklich n\u00f6thig sind und die geringere Aschemenge des Mehls gegen\u00fcber der des ganzen Korns nicht l\u00e4ngst hinreichend ist, den K\u00f6rper mit Salzen zu versorgen. Nach den Untersuchungen Forster\u2019s ist es wohl nicht zweifelhaft, dass wenn im Mehl gen\u00fcgend Eiweiss zugef\u00fchrt wird, auch damit dem K\u00f6rper die n\u00f6thigen Aschebestandtheile zukommen.\nEs fragt sich jetzt noch, ob man dem Brode nicht die Kleie zubacken soll, um durch den Darmkanal die darin befindlichen eiweissartigen Stoffe und Aschebestandtheile, sowie das noch anh\u00e4ngende Mehl verwerthen zu lassen. Es wurde vielfach \u00fcber den N\u00e4hrwerth der Kleie gestritten ; die einen priesen sie wegen ihres Gehaltes an Nahrungsstoffen, namentlich an Eiweiss und Asche, und hielten ihre Entfernung f\u00fcr sch\u00e4dlich (zuerst Millon 1849); die anderen meinten, diese Nahrungsstoffe seien von der den Verdauungss\u00e4ften schwer zug\u00e4nglichen Holzfaser umschlossen, die selbst durch eingreifende Behandlung mit S\u00e4uren und Alkalien nicht ganz entzogen werden k\u00f6nnten. Hier\u00fcber kann nicht die chemische Analyse, sondern nur das Experiment am Thier entscheiden; es handelt sich nicht darum, welcher Theil des Korns den meisten Stickstoff oder die meiste Asche enth\u00e4lt, sondern vielmehr darum, wie viel davon im Darm resorbirt wird.\nSo viel ich weiss, hat zuerst Poggiale 1 diesen einzig richtigen Weg eingeschlagen und gefunden, dass die Menge der nicht verwertbaren Materien der Kleie sehr betr\u00e4chtlich ist und dass namentlich nicht- aller Stickstoff derselben durch den Darm entzogen wird. Er liess n\u00e4mlich Kleie nach einander den Darm von 2 Hunden und einem Hahn durchlaufen ; sie enthielt darnach immer noch ein Drittel ihrer stickstoffhaltigen Substanzen, weshalb Poggiale die Weglassung der Kleie aus dem Mehl f\u00fcr gerechtfertigt hielt.\n1 Poggiale, Compt. rend. XXXVII. (2) No. 5. p. 173. 1853.","page":471},{"file":"p0472.txt","language":"de","ocr_de":"472\nY oit, Die Ern\u00e4hrung. 3. Cap. Die Nahrungsmittel.\nDer menschliche Darm nimmt sicherlich von der Kleie etwas auf. Nach Poggiale l\u00f6st der Darm des Hundes 44% der Kleie, die aber wahrscheinlich vorz\u00fcglich aus anh\u00e4ngendem Mehl bestanden.\nFr. Hofmann 1 gab einem Hund mit verd\u00fcnnter Schwefels\u00e4ure ausgekochte Kleie und beobachtete eine nicht unbetr\u00e4chtliche Abnahme des Gewichts derselben im Koth. Damit ist aber nicht entschieden, ob die stickstoffhaltigen Stoffe und die Aschebestandtheile der Kleie verwerthet werden. Donders fand die Schichte der eiweissreichen Zellen der Kleie bei Pflanzenfressern v\u00f6llig verdaut, beim Hunde und Menschen war sie dagegen unver\u00e4ndert im Koth zu entdecken. Nach J. Lehmann 2 frassen Schweine von Weizenkleie, welche so gut wie frei von anh\u00e4ngendem Mehle war, nur 32 Tage lang und hatten dabei kaum an Gewicht zugenommen, obwohl die Kleie 13.5% stickstoffhaltige Stoffe enthielt. Meissner und Fl\u00fcgge 3 haben dargethan, dass das Huhn vom ganzen Korn der Gerste und des Weizens nur einen Theil der eiweissartigen Stoffe verdaut ; von der Gerste werden nur die in Wasser l\u00f6slichen Eiweisssubstanzen (28 o/o) resorbirt, die in den peripherischen Theilen des Korns enthaltenen, in Wasser unl\u00f6slichen (72%) sind mit der Cellulose im Koth nachzuweisen; auch von dem ganzen Weizenkorn verwerthet das Huhn die in Wasser l\u00f6slichen stickstoffhaltigen Theile (6 %) und von den in Wasser unl\u00f6slichen nur den Kleber (42%), der Rest (52%) geht unver\u00e4ndert ? mit dem Koth ab.1 2 3 4 5\nDas an der Kleie noch anhaftende Mehl macht bei der Verbesserung der M\u00fchlen nicht mehr viel aus, und die in der Kleie selbst enthaltenen Stoffe sind f\u00fcr den Menschen nur zum kleinen Theile brauchbar; denn die Hauptmasse des Stickstoffs und namentlich der Aschebestandtheile wird nicht ausgelaugt. Man k\u00f6nnte aber doch, wenigstens zu Zeiten der Noth, die Kleie verwerthen lassen, wenn nicht dabei etwas anderes in Betracht k\u00e4me, n\u00e4mlich die un-verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig grosse Kothmenge nach Beimischung der Kleie zum Brod. Schon Panum und Heiberg 5 haben angegeben, dass das Bei-\n1\tFr. Hofmann, Ztschr. f. Biologie. VII. S. 42. 1871.\n2\tJ. Lehmann, Amtsbl. f. d. landw. Vereine d. Kcnigr. Sachsen. 1S6S. No. 2.\n3\tMeissner u. Fl\u00fcgge, Ztschr. f. rat. Med. (3) XXXI. S. 185, XXXY I. S. 184.\n1869.\n4\tDer Mensch und der Hund verwerthen von dem ungebeutelten YV eizenmehl mehr als das Huhn. Der Hund verdaut nach Panum fast ganz den frischen Kleber aus Weizenmehl.\n5\tPanum, Bidrag t\u00fc Bed\u00f6mmelsen of F\u00f6demidlernes N\u00e4ringsverdi. Ivjobenhavn 1866. \u2014 Heiberg, Om Urinstofproductionen hos Hunde vedFodring med Bl\u00f6d og Kj\u00f6d tilberedt paa forskjeilig maade. \u2014 Panum, Dagbladet. 1868. Ko. 31. (Jahresbericht f. d. ges. Med. Abthl. Anat. u. Physiol. 1867. S. 114 u. 1868. S. 77). \u2014 Auch E. Smith erw\u00e4hnt (Die Nahrungsmittel. S. 183. Leipzig 1874), er habe 1863 in einem","page":472},{"file":"p0473.txt","language":"de","ocr_de":"Die veget. Nahrungsmittel. \u2014 Die K\u00f6rnerfr\u00fcchte u. deren Produkte : Cerealien. 47 3\nbacken der Kleie unn\u00fctz und sogar sch\u00e4dlich sei und nur den B\u00e4ckern Vorth eil bringe; sie st\u00fctzen sich dabei auf Versuche an Hunden, bei denen der Koth nach F\u00fctterung mit kleiehaltigem Schwarzbrod 75% der eingef\u00fchrten Brodmenge betrug, bei kleiefreiem Weizenbrod dagegen nur 15 \u00b0/o. Das Gleiche haben die Versuche von G. Mayer und M. Rubner am Menschen erwiesen. Es ist dies zum grossen Theil eine rein mechanische Wirkung der groben Beschaffenheit und der unverdaulichen Cellulose des Kleienbrods ; Fr. Hofmann 1 hat dem entsprechend bei Zusatz von Cellulose zu Fleisch die Kothmenge bedeutend anwachsen sehen.\nDas was aus der Kleie im Darm des Menschen allenfalls gewonnen wird, das wird weitaus aufgehoben durch die rasche Entleerung des Darminhalts und den massigen Koth dabei, wodurch viel sonst noch brauchbare Substanz verloren geht. Es scheint mir daher rationeller, wenn man die Kleie pflanzenfressenden Thieren, welche Cellulose reichlich verdauen, giebt, da diese am besten auch die damit verbundenen stickstoffhaltigen Stoffe auslaugen werden.\nDie Menschen bereiten sich aus dem Mehl der Getreidearten ausser dem Brod noch die mannigfaltigsten Geb\u00e4cke, wTie z. B. Nudeln, Sp\u00e4tzein, Kn\u00f6del, Makkaroni, welche h\u00e4ufig die Hauptmasse der Nahrung darstellen. Es ist sehr wohl m\u00f6glich, dass diese verschiedene Zubereitung eines und desselben Nahrungsmittels nicht nur eine Abwechselung im Geschmacke gew\u00e4hrt, sondern auch wegen ungleicher Ausn\u00fctzung der Speisen im Darmkanal geschieht.\nUm dies zu untersuchen, hat M. Rubner aus derselben Quantit\u00e4t des gleichen Weizenmehls Brod gebacken (Nr. 5 und 6 auf S. 469) und Sp\u00e4tzein (Nr. 1) bereitet. Ferner erprobte er die gew\u00f6hnlichen Makkaroninudeln (Nr. 2), sowie solche, denen Kleber zugesetzt war (Nr. 3). Er erhielt dabei:\nNo.\tverzehrt\t\t\t\tfeste r\t\t\tim Koth\t\t\t\t\n\tfeste Theile\tN\tKohle- hydrat\tAsche\t\t[heile\tStickstoff\t\tKohlehydrat\t\tAsche\t\n\t\t\t\t\tGrm.\t\u00b0/o\tGrm.\t\u00b0/o\tGrm.\t\u00b0/o\tGrm.\t%\n1.\t743\t11.9\t558\t25.4\t36.3\t4.9\t2.3\t20.5\t9\t1.6\t5.4\t20.9\n2.\t626\t10.9\t462\t21.8\t27.0\t4.3\t1.9\t17.1\t6\t1.2\t5.3\t24.1\n3.\t664\t22.6\t418\t32.0\t38.1\t5.7\t2.5\t11.2\t10\t2.3\t7.1\t22.2\nBericht \u00fcber die Kost der schlecht gen\u00e4hrten Bev\u00f6lkerung und 1864 in der Society of Arts in dem Thema der Di\u00e4tetik der Armen und der Gefangenen darauf aufmerksam gemacht, dass die Kleie nachtheilig sei.\n1 Voit, Sitzgsber. d. bayr. Acad. 1869. December.","page":473},{"file":"p0474.txt","language":"de","ocr_de":"474\nVoit. Die Ern\u00e4hrung. 3. Cap. Die Nahrungsmittel.\nDie Sp\u00e4tzeln verhalten sich demnach nahezu so, wie das aus demselben Mehl gebackene Weissbrod, sie werden sogar in allen St\u00fccken etwas weniger gut ausgen\u00fctzt als das Weissbrod in Versuch 6 (S. 469) ; mit Kn\u00f6deln und anderen Gebacken ist das gleiche Resultat zu erwarten. Auch die gew\u00f6hnlichen Makkaroni, vorzugsweise aus hartem, glasigem, kleberreichem Weizen, bei dem die St\u00e4rkek\u00f6rner zusammenbacken, bereitet, verhalten sich nahezu wie die Sp\u00e4tzeln. Bei den Makkaroninudeln mit Kleberzusatz werden die einzelnen Stoffe etwas weniger gut verwertket mit Ausnahme des Stickstoffs, der sich g\u00fcnstiger verh\u00e4lt. W\u00e4hrend es aber bei keiner Mehlspeise m\u00f6glich war, den K\u00f6rper des Menschen auf seinem Best\u00e4nde an Stickstoff zu erhalten, gelang dies mit den Makkaroninudeln, denen Kleber zugesetzt war.\nIch habe noch Einiges \u00fcber die Ausn\u00fctzung von Mais und Reis (S. 463) zu sagen, welche bekanntlich auf einem grossen Theil der Erdoberfl\u00e4che von den Menschen fast als ausschliessliche Nahrung, so wie in anderen L\u00e4ndern die Geb\u00e4cke aus Weizen- oder Roggenmehl, verzehrt werden.\nDer aus S\u00fcdamerika zu uns gekommene Mais1 wird in Oberitalien, S\u00fcdtyrol, Aegypten, den s\u00fcdlichen Staaten Nordamerikas u. s. w. gegessen und verh\u00e4lt sich g\u00fcnstiger als der in Ostindien, Japan, China u. s. w. eingeb\u00fcrgerte Reis, da er ansehnlich mehr Eiweiss und eine wohl zu beachtende Menge von Fett enth\u00e4lt.\nDie Ausn\u00fctzung der beiden Cerealien stellt sich folgendermassen :\n\tverzehrt\t\t\t\tim Koth\t\t\t\t\t\t\t\n\tO O 7^\t\t1\t-4J\tO\tfeste Theile\t\tStickstoff\t\tKohlehydrat\t\tAsche\t\n\tts g\t3\t\tO\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\t\t\txn <\tGrm.\t%\tGrm.\t\u00b0/o\tGrm.\t\u00b0/o\tGrm.\t%\nMais\t738\t14.7\t563\t26.8\t49.3\t6.7\t2.3\t15.5\t18\t3.2\t8.0\t30.0\nReis\t660\t10.4\t493\t23.8\t27.2\t4.1\t2.1\t20.4\t4\t0.9\t3.6\t15.0\nDer Mais stellt sich in Beziehung der Ausn\u00fctzung der N\u00e4hrstoffe \u00e4hnlich wie die Geb\u00e4cke aus Weizenmehl; die stickstoffhaltigen Stoffe im Reis werden \u00e4hnlich verwerthet wie die im Mais, besonders gut aber die Kohlehydrate. Bei beiden bildet jedoch das grosse Volumen der gekochten Speise dem daran nicht gew\u00f6hnten Magen ein bedeu-\n1 Maizena wird aus den mehligen Theilen der Maisk\u00f6rner gewonnen und besteht fast nur aus reinem St\u00e4rkemehl.","page":474},{"file":"p0475.txt","language":"de","ocr_de":"Die veget. Nahrungsmittel. \u2014 Die K\u00f6rnerfr\u00fcchte u. d. Produkte : Leguminosen. 475\ntendes Hinderniss f\u00fcr die Aufnahme. Der gekochte Reis enth\u00e4lt nur etwa 20 % feste Theile ; aber es wird auch von Reisenden mit Staunen berichtet, welche kolossalen Massen von Reis von den Bewohnern des \u00f6stlichen Asiens verzehrt werden k\u00f6nnen. Es war nicht m\u00f6glich, den K\u00f6rper mit Mais oder Reis auf seinem Eiweissbestande zu erhalten.\nEinige andere aus den Produkten der Samenk\u00f6rner der Cerealien hergestellte Nahrungsmittel sind:\nDer aus der Weizen-, Reis- und Maisst\u00e4rke (sowie aus Kartoffelst\u00e4rke und dem im Mark der Palme enthaltenen St\u00e4rkemehl) bereitete Sago, welcher also vorz\u00fcglich aus Amylon besteht.\nGraupen sind die von den H\u00fclsen und Spitzen befreiten und durch Abreiben und Poliren in Kugelgestalt gebrachten Gersten- und Weizen -k\u00f6rner.\nGr\u00fctze nennt man die entweder nur von den Schalen befreiten oder die entsch\u00e4lten und dann noch gr\u00f6blich geschrotenen K\u00f6rner von Hafer, Buchweizen, Hirse und Gerste.\nGries ist ein unvollkommen aufgemahlener Weizen, bei welchem die Kleie vollst\u00e4ndig entfernt und das sich abl\u00f6sende Mehl abgesiebt ist.\nB) Die Leguminosen.\nDie K\u00f6rner der Leguminosen enthalten im Verh\u00e4ltniss zum St\u00e4rkemehl mehr Stickstoff und eiweissartige Stoffe als die der Cerealien ; sie sind unter allen vegetabilischen Nahrungsmitteln die stickstoffreichsten und geh\u00f6ren daher zu den werthvollsten Nahrungsmitteln des Menschen.\nIn den Cerealien findet sich der Stickstoff zumeist in den Kleberproteinstoffen, in den Leguminosen kommen vorz\u00fcglich die Pflanzen-kaseine (meist Legumin) vor. Die Leguminosen enthalten viel Asche, und darin mehr Kali und Kalk, aber weniger Phosphors\u00e4ure als das Getreide. Es findet sich in ihnen1 im Mittel nach J. K\u00f6nig:\n\tBohnen\tErbsen\tLinsen\nWasser\t\t13.60\t14.31\t12.51\nFeste Theile .\t.\t.\t86.40\t85.69\t87.49\nEiweiss\t\t23.12\t22.63\t24.81\nFett\t\t2.28\t1.72\t1.85\nHolzfaser\t\t3.84\t5.45\t3.58\niV-freie Extrakte .\t.\t53.63\t53.24\t54.78\nAsche\t\t3.53\t2.65\t2.47\n1 Ervalenta, Revalenta arabica. Revalesci\u00e8re du Barry ist nichts als feines Linsenmehl; Revalenta ist ein Gemisch von Linsen-, Bohnen- und Maismehl.","page":475},{"file":"p0476.txt","language":"de","ocr_de":"476\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 3. Cap. Die Nahrungsmittel.\nMan sollte meinen, die Leguminosen w\u00fcrden im Darm schlecht ausgen\u00fctzt, da sie im Verh\u00e4ltnis zu ihrem hohen Gehalt an Eiweiss billig sind.\nVon Str\u00fcmpell 1 liegt ein Ausn\u00fctzungsversuch vor mit einem Linsenpr\u00e4parat (HAKTENSTEiN\u2019sche Leguminose), von Woroschiloff'1 2 mit Erbsen; jedoch verwendeten beide die Leguminosen nicht rein, sondern mit verschiedenen Zuspeisen, welche die Verwerthung derselben ver\u00e4ndern konnten, und sie nahmen ferner nur wenig von der Substanz auf, ersterer t\u00e4glich nur 219 Grm., letzterer 300 Grm. Rubner3 machte 2 Versuche mit Erbsen (Erbsenbrei), und zwar mit einer mittleren Portion und einer \u00fcberm\u00e4ssig grossen, wobei sich ergab:\nverzehrt\t\t\t\tim Koth\t\t\t\t\t\t\t\nfeste Theile\tN\tKohle- hydrat\tO \u00fc in <\tfeste Theile\t\tStickstoff\t\tKohlehydrat\t\tAsche\t\n\t\t\t\tGrm.\t\u00b0/o\tGrm.\t%\tGrm.\t\u00b0/o\tGrm.\t\u00b0\u00b0\n521 960\t20.4 32.7\t357 588\t30.1 44.8\t48.5 124 0\t9.1 14 5\t3.6 9.1\t17.5 27.8\t12.9 41.0\t3.6 7.0\t3.1 16.1\t32.5 38.9\nDer frische Koth reagirte sauer und hatte das Ansehen wie die aufgenommene Speise ; er war ohne Gasblasen. Bei der \u00fcberm\u00e4ssigen Aufnahme von Erbsen war die Verwerthung im Darm eine h\u00f6chst ung\u00fcnstige; bei den mittleren Gaben stellte sich dieselbe ungleich besser. Die Kohlehydrate der Erbsen kommen ebenso gut zur Aufnahme wie die im Mais, etwas weniger gut als die des Weizenmehls, jedoch ungleich besser als die des Schwarzbrods. Auch in Beziehung der Stickstoffverwerthung nehmen die Erbsen unter den pflanzlichen Nahrungsmitteln keine schlechte Stellung ein : sie stehen hierin zun\u00e4chst den mit Kleber versetzten Makkaroni, werden aber besser ausgen\u00fctzt wie Weissbrod und Sp\u00e4tzein.\nMit der mittleren Gabe von Erbsen konnte sich der Mann nahezu auf dem Stickstoffgleichgewicht erhalten, was mit den Cerealien nicht m\u00f6glich war.\n2. Knollen und Wurzeln.\nIn den Nahrungsmitteln dieser Klasse findet sich im Allgemeinen neben viel Wasser wenig Eiweiss (vorwaltend gew\u00f6hnliches Albumin),\n1\tStr\u00fcmpell, Deutsch. Arch. f. klin. Med. XVII. S. 103. 1S76.\n2\tWoroschiloff, Berliner klin. Woch. 1873. No. 8.\n3\tRubner, Ztschr. f. Biologie. XVI. S. 1L9. 1880.","page":476},{"file":"p0477.txt","language":"de","ocr_de":"Die vegetabilischen Nahrungsmittel : Knollen und Wurzeln.\t47 7\ndagegen ein hoher Gehalt an Kohlehydraten (St\u00e4rkemehl und Zucker). Ein nicht unbedeutender Theil des Stickstoffs ist nicht in eiweissartigen Stoffen, sondern in Amiden, auch in Salpeters\u00e4ure und Ammoniak enthalten. Es geh\u00f6ren hierher: die Kartoffeln, Topinambur, die Bataten, die verschiedenen R\u00fcben.\nIch gebe einige Beispiele f\u00fcr ihre Zusammensetzung:\n\tKartoffeln\tM\u00f6hren (gelbe E\u00fcben)\tKohlr\u00fcbe (weisse R\u00fcbe)\nWasser ....\t75.77\t87.05\t91.24\nFeste Tlieile .\t.\t24.23\t12,95\t8.76\nEiweiss (?) .\t.\t.\t1.79\t1.04\t0.96\nFett\t\t0.1G\t0.21\t0.16\nSt\u00e4rkemehl .\t.\t.\t20.56\t9.34\t5.98\nHolzfaser .\t.\t.\t0.75\t1.40\t0.91\nAsche\t\t0.97\t0.90\t0.75\nDie Kartoffel hat sich nach und nach wegen ihres reichen Ertrages zu einem der beliebtesten Nahrungsmittel aufgeschwungen, welches in vorz\u00fcglicher Weise St\u00e4rkemehl f\u00fcr die Nahrung des Menschen liefert; sie ist dadurch ein wahres Volksnahrungsmittel. Sie wird aber leider vielfach in ganz verkehrter Weise angewendet, und bringt so den gr\u00f6ssten Schaden ; dies geschieht dann, wenn die eiweissarme Frucht als fast ausschliessliche Nahrung dient und in zu grossen Massen verzehrt wird. Durch das Kochen quillt das St\u00e4rkemehl der Kartoffel und saugt den Saft der Zellen auf; eine an St\u00e4rkemehl arme Kartoffel bleibt beim Kochen w\u00e4ssrig, eine st\u00e4rkereiche wird durch v\u00f6lliges Verschwinden des Saftes mehlig.\nWie man aus obigen Analysen ersieht sind die R\u00fcben noch weit reicher an Wasser und \u00e4rmer an Eiweiss wie die Kartoffeln.\nM. Rubnee hat das Verhalten der Kartoffeln (1) und gelben R\u00fcben (2) im Darm des Menschen untersucht, wobei sich folgendes ergab :\n| No.\tverzehrt\t\t\t\tim Kotli\t\t\t\t\t\n\tfrisch\tfeste Th eile\tN\tKohle- hydrat\tfeste Theile\t\tStickstoff\t\tKohlehydrat\t\n\t\t\t\t\tGrm.\t\u00b0/o\tGrm.\t%\tGrm.\t%\nF ! 0\t3078 2566\t819 352\t11.5 6.5\t718 282\t94 85\t9.4 20.7\t3.7 2.5\t32.2 39.0\t55 50\t7.6 18.2","page":477},{"file":"p0478.txt","language":"de","ocr_de":"478\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 3. Cap. Die Nahrungsmittel.\nDie Menge des frischen Koths bei Kartoffelkost ist eine ganz enorm grosse ; die Kothentleerungen folgen sich viel h\u00e4ufiger als bei einer anderen Kost, denn es wurde mehrmals im Tag, ja selbst w\u00e4hrend der Nacht Koth abgegeben. Derselbe ist sehr reich an Wasser (85.2%), breiartig, \u00fcbelriechend und sauer reagirend. Von den Kartoffeln wird entschieden weniger Trockensubstanz und Kohlehydrat im Darm resorbirt als vom Mais und Reis; vor Allem aber werden die stickstoffhaltigen Stoffe schlecht verwerthet, da ein volles Drittel derselben im Koth wieder abgeht. Trotz des kolossalen Quantums der verzehrten Kartoffeln, an dem der Mann, man kann sagen, den ganzen Tag \u00fcber ass, verlor der K\u00f6rper t\u00e4glich doch noch von seinem Eiweiss.\nAehnlich ist es auch bei Aufnahme von R\u00fcben. Der Koth ist ebenfalls massig, wie die verzehrte Speise aussehend und schon 5\u20146 Stunden nach der ersten Mahlzeit zum Vorschein kommend. Der Verlust an Stickstoff und besonders an Kohlehydrat durch den Koth ist ein sehr bedeutender. Es ist selbstverst\u00e4ndlich nicht m\u00f6glich in R\u00fcben das f\u00fcr einen kr\u00e4ftigen K\u00f6rper n\u00f6thige Eiweiss zu liefern.\nDas aus der Pfeilwurzel abgeschiedene reine St\u00e4rkemehl ist das Arrow-Root, welches daher nur als Nahrungsstoff, kaum als Nahrungsmittel und noch weniger als Nahrung betrachtet werden darf.\n3. Gr\u00fcne Gem\u00fcse, Salatpjlanzen, K\u00fcchenkr\u00e4uter.\nEs sind dies die Triebe, Stengel, Bl\u00e4tter, Fr\u00fcchte und Samen der verschiedensten Pflanzen, welche in jungem Zustande noch vor dem Eintritt der Verholzung der Zellen gegessen werden.\nSie enthalten sehr viel Wasser, aber im Verh\u00e4ltniss zu den stickstofffreien Stoffen mehr stickstoffhaltige als die Knollen und Wurzeln, wie folgende Tabelle zeigt:\n\tSchnitt-\tWeiss-\tSpinat\tKopf- salat\tHerzkohl 1\n\tbohnen\tkraut\t\t\tWir sins: ! 1\nj Wasser....\t88.36\t89.97\t90.26\t94.33\t87.09\n! Feste Theile .\t.\t11.64\t10.03\t9.74\t5.67\t12.91\nEiweiss....\t2.77\t1.89\t3.15\t1.41\t3.31\nFett\t\t0.14\t0.20\t0.54\t0.31\t0.71\nN-freies Extrakt\t8.02\t4.87\t3.34\t2.19\t6.02\nHolzfaser .\t.\t.\t1.14\t1.84\t0.77\t0.73\t1.23\n, Asche ....\t0.57\t1.23\t1.94\t1.03\t1.64","page":478},{"file":"p0479.txt","language":"de","ocr_de":"Die vegetal). Nahrungsmittel : Gr\u00fcne Gem\u00fcse, Salatpflanzen u. K\u00fcchenkr\u00e4uter. 47 9\nBei der Zubereitung m\u00fcssen viele dieser Gem\u00fcse z. B. alle Kohl-arten zuerst mit Wasser halb gar gekocht werden, da sie Substanzen von unangenehmem, scharfem Geschmack enthalten, welche man durch die vorl\u00e4ufige Abkochung entzieht; dann erst werden sie mit frischem Wasser und den n\u00f6thigen Zus\u00e4tzen fertig gemacht. Es findet jedoch dabei ein nicht unbedeutender Verlust an n\u00e4hrenden Bestandteilen dadurch statt, dass l\u00f6sliche Theile in das Br\u00fchwasser \u00fcbergehen.1 Von 1000 Grm. frischem Spinat gehen z. B. in das Absudwasser \u00fcber:\nFeste Theile .\t.\t.\t.\t8.53\tGrm.\nA-haltige Substanz\t.\t.\t1.68\t\u201e\nM-freie Extrakte .\t.\t.\t3.52\t\u201e\nAsche (phosphors.\tKali)\t3.38\t\u201e\nGesalzenes Wasser entzieht weniger l\u00f6sliche Substanzen als reines Wasser (B\u00f6ttcher 2).\nW\u00e4hrend des Kochens gehen gewisse Ver\u00e4nderungen mit dem Gem\u00fcse vor sich. Bei einer Temperatur von 45 \u2014 50 \u00b0 stirbt die Zelle ab, die Membranen werden schlaff und es tritt Fl\u00fcssigkeit aus ihnen aus. Bei h\u00f6herer Temperatur gerinnt das l\u00f6sliche Eiweiss und quillt das St\u00e4rkemehl auf, welches Wasser bindet. Warum die meisten Gem\u00fcse, um gar zu werden, Stunden lang sieden m\u00fcssen, ist noch unbekannt; sie bleiben sonst z\u00e4h und hart; vielleicht wird dabei die Intercellularsubstanz der Zellen l\u00f6slich gemacht.\nVon Rubner liegt ein Ausn\u00fctzungsversuch am Menschen mit Wirsing (1) und einer mit gr\u00fcnen Bohnen (2) vor:\n\tverzehrt\t\t\t\t\t\tim\tKoth\t\t\nNo.\tfrisch\tO rS\t>\tg\tfeste Theile\t\tStickstoff\t\tKohlehydrat\t\n\t\t^ H\t\t\tGrm.\t\u00b0/o\tGrm.\t%\tGrm.\t%\n1.\t3831\t406\t13.2\t247.0\t73.4\t149\t2.4\t18.5\t38.0\t15.4\n2.\t540\t40\t1.4\t25.5\t15.2\t15.0\t0.7\t\u2014\t3.9\t15.4\nDie Kothentleerungen beim Wirsing waren \u00e4usserst volumin\u00f6s ; die Ausn\u00fctzung desselben ist daher keine g\u00fcnstige und es wird ein betr\u00e4chtlicher Theil der darin aufgenommenen Stoffe unben\u00fctzt wieder ausgeschieden; der K\u00f6rper gab dabei noch viel von seinem Eiweiss ab. Von den gr\u00fcnen Bohnen konnte, des grossen Volums des Gem\u00fcses\n1\tGrouven, Landw. Jahresber. von Heimeberg u. Kraut. IL S. 183. 1855/56.\n2\tD\u00fcttcher, Landw. Jakresber. II. S. 174. 1854.","page":479},{"file":"p0480.txt","language":"de","ocr_de":"480\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 3. Cap. Die Nahrungsmittel.\nhalber, nicht viel verzehrt werden; die prozentige Verwerthung der festen Theile und der Kohlehydrate derselben gestaltete sich \u00e4hnlich wie beim Wirsing.\n4. Reife Fr\u00fcchte, Obst, Schw\u00e4mme.\nDie reifen Obstfr\u00fcchte enthalten als vorz\u00fcglichsten Nahrungsstoff Zucker, dagegen nur wenig Eiweiss. Durch ihren Gehalt an wohlschmeckenden Pflanzens\u00e4uren (Aepfels\u00e4ure, Weinsteins\u00e4ure, Citronen-s\u00e4ure), Zucker und gewissen aromatischen Substanzen dienen sie auch als Genussmittel. Ich gebe hier die Zusammensetzung einiger frischer und trockner Fr\u00fcchte:\n\tfrisch :\t\t\t\t\n\tAepfel\tBirnen\tZwetschgen\tKirschen\tTrauben\nWasser\t\t83 58\t83.03\t81.18\t80.26\t78.17\nFeste Theile ....\t16.42\t16.97\t18.82\t19.74\t21.83\nEiweiss\t\t0.39\t0.36\t0.78\t0.62\t0.59\nZucker\t\t7.73\t8.26\t6.15\t10.24\t24.36\nSonstige N-freie Stoffe\t5.17\t3 54\t4.92\t1.17\t1.96\nHolzfaser\t\t1.9S\t4.30\t5.41\t6.07\t3.60\nAsche\t\t0.31\t0.31\t0.71\t0.73\t0.53\n\t\t\tgetrocknet :\t\t\nWasser\t\t27.95\t29.41\t29.30\t49.88\t32.02\nFeste Theile. .\t.\t.\t72.05\t70.59\t70.70\t50.12\t67.98\nEiweiss\t\t1.28\t2.07\t2.35\t2.07\t2.42\nZucker\t\t42.83\t29.13\t44.35\t31.22\t54.56\nSonstige TV-freie Stoffe\t17.00\t29.67\t17.89\t14.29\t7.48\nHolzfaser\t\t4.95\t6.86\t1.48\t0.61\t1.72\nAsche\t\t1.57\t1.67\t1.38\t1.63\t1.21\nDie frischen Fr\u00fcchte werden gew\u00f6hnlich nicht in einem so grossen Quantum gegessen, dass sie Nahrungsstoffe in erheblicher Menge zuf\u00fchren. Jedoch haben die getrockneten Fr\u00fcchte f\u00fcr manche Gegenden diese Bedeutung ; wenn sie von der Landbev\u00f6lkerung in einer Br\u00fche zu den Nudeln gegessen werden, so dienen sie dazu den letzteren einen guten Geschmack zu geben und sie anzufeuchten, aber auch als Tr\u00e4ger von stickstofffreien Nahrungsstoffen.\nDie essbaren Schw\u00e4mme und Pilze besitzen einen nicht unbedeutenden Gehalt an N\u00e4hrstoffen, namentlich an stickstoffhaltigen Substanzen, worin manche getrocknete Pilze die Leguminosen \u00fcbertreffen; ausserdem Anden sich darin geringe Mengen von Kohlehydraten (Mannit und Traubenzucker).","page":480},{"file":"p0481.txt","language":"de","ocr_de":"Die vegetabilischen Nahrungsmittel : Reife Fr\u00fcchte, Obst, Schw\u00e4mme. 481\nDer Champignon z. B. enth\u00e4lt im frischen und getrockneten\nZustand :\nWasser .... fV-lialtige Substanz\nFett................\nMannit .... Zucker .... Wfreie Stoffe Holzfaser .... Asche...............\nDie getrockneten Schw\u00e4mme\nfrisch\tgetrocknet\n91.11\t17.54\n2.57\t23.84\n0.13\t1.21\n0.38\t3.62\n0.67\t5.97\n3.71\t34.56\n0.67\t6.21\n0.76\t7.05\nlassen\tsich daher recht gut in\nBr\u00fchen als Zusatz zu stickstoffarmen Nahrungsmitteln verwerthen;\nam Lande werden sie in den Wintermonaten vielfach mit Nudeln\ngegessen.\n5. Bemerkungen \u00fcber die Ausn\u00fctzung der Vegetabilien durch die\nPflanzenfresser.1 2\nIch gebe hier der Vollst\u00e4ndigkeit wegen Einiges \u00fcber die Verwer-thung des complizirt zusammengesetzten Futters durch die pflanzenfressenden Hauss\u00e4ugethiere, namentlich um gewisse durch den ungleichen Bau des Darms bedingte Unterschiede hervorzuheben. Die Frage nach der Ausn\u00fctzung der Nahrungsstoffe ist bei diesen Thier en noch von ungleich gr\u00f6sserer Bedeutung als beim Menschen und Fleischfresser, da dieselben bei ihrem gew\u00f6hnlichen Futter wesentlich mehr Unbenutztes im Koth ausscheiden.\nDie Lehre von der Verdaulichkeit der Futterbestandtheile im Darm der landwirtschaftlichen Nutzthiere wurde durch Henneberg und Stoh-mann 2 begr\u00fcndet; sie stellten zuerst durch exakte Versuche die Ausn\u00fctzung verschiedener Rauhfutterarten f\u00fcr sich und unter Beigabe leicht verdaulicher Stoffe fest.\nVon Gras und Wiesenheu werden durch verschiedene Pflanzenfresser (Rind, Ziege, Hammel) im Mittel verdaut und resorbirt:\n1\tVortreffliche Zusammenstellung bei E. Wolff, Die Ern\u00e4hrung der landw. Nutzthiere. 1876.\n2\tHenneberg u. Stohmann, Beitr. zur Begr\u00fcndung einer rationellen F\u00fctterung der Wiederk\u00e4uer. l.Heft. 1860, 2. Heft. 1863/64. \u2014 Weitere Literatur: Grouven, 2. Bericht v. Salzm\u00fcnde. 1864. \u2014 G.K\u00fchn, H. Schulze u. Aronstein, Journ. f. Landw. 1865. S. 283, 1866. S. 269, 1867. S. 1. \u2014 K\u00fchn, Fleischer u. Striedter, Landw. Ver-suchsstat. XL S. 177. 1869. \u2014 Henneberg, Neue Beitr\u00e4ge u. s. w. 1870/72. Heft 1. \u2014 E. Wolff, Landw. ehern. Versuchsstation Hohenheim. 1870. S. 75. \u2014 Stohmann. Journ. f. Landw. 1868. S. 135; Ztschr. f. Biologie. VI. S. 211. 1870; Biolog. Studien. 1873. Heft 1 (an Ziegen). \u2014 E. Schulze u. Maercker, Journ. f. Landw. 1871. S. 52 (an Hammeln). \u2014 Dietrich u. K\u00f6nig, Landw. Versuchsstat. XIII. S. 226. 1871. \u2014 Aus Hohenheim: Landw. Jahrb. I. 1S72, IL S. 221. 1873. \u2014 Fleischer u. M\u00fcller, Journ. f. Landw. 1874. S. 275 (an Hammeln). \u2014 Weiske, Ebenda. 1874. S. 148. u. 159. \u2014 Schulze u. Maercker, Ebenda. 1875. S. 170. \u2014 E. Wolff. Landw. Jahrb. 1879. VIH lam Pferd, Hammel und Schwein).\nHandbuch der Physiologie. Bd. VI.\n31","page":481},{"file":"p0482.txt","language":"de","ocr_de":"482\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 3. Cap. Die Nahrungsmittel.\nvom Eiweiss .\t.\t.\t.\t60\nvon der Rohfaser .\t.\t62\nvom Fett................48\nvom N-freien Extrakt .\t66\nvon der organ. Substanz 63\nDie Ausn\u00fctzung der Nahrung ist demnach bei den genannten Pflanzenfressern viel unvollst\u00e4ndiger als beim Menschen und Fleischfresser ; ein wesentlicher Unterschied ist der, dass erstere auch die verholzten Cellu-loseh\u00fcllen in gr\u00f6sserer Menge l\u00f6sen und so die darin befindlichen Nahrungsstoffe zug\u00e4nglich machen k\u00f6nnen. Die Verdaulichkeit der Rohfaser ist auffallender Weise nicht vorherrschend durch die Qualit\u00e4t derselben bedingt, sondern mehr durch den Eiweissreichthum des Futters. Aus eiweissreichen Heusorten wird mehr Eiweiss in die S\u00e4fte aufgenommen.\nAus dem Stroh der Cerealien gelangt das Eiweiss nicht so gut zur Ausn\u00fctzung als aus dem Heu, nicht ganz 50%; je stickstoff\u00e4rmer, rohfaserreicher und h\u00e4rter das Stroh ist, desto weniger wird daraus gel\u00f6st.\nDie einseitige Steigerung der stickstoffhaltigen N\u00e4hrstoffe des Futters durch Beigabe von leicht verdaulichen Eiweissstoffen (z. B. in Bohnenschrot, Erbsenschrot, Leinkuchen, Rapskuchen) \u00fcbt merkw\u00fcrdiger Weise keinen st\u00f6renden Einfluss auf die Verdauungsverh\u00e4ltnisse des \u00fcbrigen Futters aus; auch die stickstoffreichen Futtermittel werden nicht v\u00f6llig re-sorbirt.\nDurch betr\u00e4chtliche Beigabe von reinen Kohlehydraten dagegen erh\u00e4lt man eine Depression vorz\u00fcglich in der Verdauung des Eiweisses, aber auch der Rohfaser; St\u00e4rkemehl wirkt in dieser Hinsicht etwas mehr als ein in Wasser l\u00f6sliches Kohlehydrat. Hierbei werden die zugesetzten Kohlehydrate selbst vollst\u00e4ndig resorbirt, so lange das Verh\u00e4ltnis der N\u00e4hrstoffe im Gesammtfutter wenigstens 1 :S betr\u00e4gt; erst wenn es sich noch mehr erweitert, wird ein Theil der Kohlehydrate unver\u00e4ndert ausgeschieden.\nKartoffel und R\u00fcben sind f\u00fcr wiederk\u00e4uende Thiere absolut verdaulich fim Gegensatz zum Menschen und Fleischfresser) und \u00e4ussern auf die Verdauung des \u00fcbrigen Futters keine wesentlich deprimirende Wirkung, wenn sie von dem Gewicht der Trockensubstanz des gleichzeitig gereichten Rauhfutters nicht mehr als 15% ausmachen und das N\u00e4lir-stoffverh\u00e4ltniss im Gesammtfutter nicht sehr \u00fcber 1 : 8 sich erweitert. F\u00fcttert man mehr von denselben zu, dann tritt eine Depression in der Ausn\u00fctzung ein, besonders in der des Eiweisses. Ein Zusatz eines stickstoffreichen Beifutters vermindert die Depression wieder.\nAuch bei den Futterberechnungen f\u00fcr landwirthschaftliche Nutzthiere sind als organische N\u00e4hrstoffe ausschliesslich Eiweiss, Fett und Kohlehydrate in Betracht zu nehmen; denn der zur Verdauung gelangende Antheil der Rohfaser ist reine Cellulose, und der verdaute Theil der stickstofffreien Extrakte hat nahezu dieselbe Zusammensetzung und vermuth-lich denselben N\u00e4hrwerth wie das St\u00e4rkemehl.\nDie Menge der unverdaut gebliebenen stickstofffreien Extrakte ist gleich dem verdauten Theil der Rohfaser, oder es ist die Menge jener Extrakte im Futter gleich dem zur Verdauung gelangenden Theil der","page":482},{"file":"p0483.txt","language":"de","ocr_de":"Ausn\u00fctzung der Yegetabilien durch die Pflanzenfresser.\n483\nstickstofffreien organischen Substanz (Rohfaser -j- stickstofffreie Extraktstoffe). Der unverdaute Antheil der stickstofffreien Extraktstoffe besteht aus kohlenstoffreichen, in ihrer Gesammtheit dem sogenannten Lignin \u00e4hnlich zusammengesetzten Substanzen. Die Gesammtmenge der in Wasser l\u00f6slichen Bestandtheile des Rauhfutters bildet ein relatives Maass f\u00fcr den verdaulichen Antheil der stickstofffreien Extraktstoffe.\nBei ausschliesslicher Verabreichung verschiedener Quantit\u00e4ten eines und desselben Rauhfutters ist die prozentige Ausn\u00fctzung der Bestandtheile fast die gleiche.\nDie Trockensubstanz des Gr\u00fcnfutters hat im Wesentlichen dieselbe Verdaulichkeit wie die in dem entsprechenden Heu.1 2 Die Art der Heuwerbung. sowie die Gunst oder Ungunst der Witterung bei derselben, hat einen grossen Einfluss auf die chemische Beschaffenheit und Verdaulichkeit des Futters.\nDurch Zerschneiden des Rauhfutters zu H\u00e4cksel, durch Anbr\u00fchen, D\u00e4mpfen und Selbsterhitzung wird die Verdaulichkeit nicht wesentlich erh\u00f6ht.- Bei l\u00e4ngerer Aufbewahrung unter g\u00fcnstigen Verh\u00e4ltnissen erleidet das Rauhfutter eine nicht unbedeutende Ver\u00e4nderung in der chemischen Zusammensetzung und in der Verdaulichkeit der Bestandtheile.3\nMit dem Fortschreiten der Vegetation, mit dem Aelterwerden der Pflanze, ver\u00e4ndert sich wesentlich die Zusammensetzung der Trockensubstanz, sowie das Verh\u00e4ltniss der N\u00e4hrstoffe und gleichzeitig die Verdaulichkeit der einzelnen Bestandtheile.4\nDie verschiedenen Arten der wiederk\u00e4uenden Thiere scheinen ein und dasselbe Futter ziemlich in gleichem Grade zu verdauen ; es ist wahrscheinlich, dass die nicht wiederk\u00e4uenden Thiere bez\u00fcglich ihres Verdauungsverm\u00f6gens sich anders verhalten.5\nVerschiedene Racen einer und derselben Thierart (z. B. Schafracen) haben im Allgemeinen das n\u00e4mliche Verdauungsverm\u00f6gen f\u00fcr das gleiche Futter, der N\u00e4hreffekt ist aber sehr ungleich.6 Junge, in raschem Wachsthum begriffene Thiere scheinen ein an sich leicht verdauliches Futter ebenso gut zu verdauen wie vollj\u00e4hrige Thiere gleicher Gattung.7 Durch die Individualit\u00e4t der Thiere ist das Verdauungsverm\u00f6gen oft wesentlich beeinflusst.\n1\tG. K\u00fchn, Amtsbl. f. d. landw. Vereine d. K\u00f6nigreichs Sachsen. 1871. S. 134 u. Landw. Versuchsstat. XVI. S. 81. 1873. \u2014 Weiske, Beitr. zur Frage \u00fcb. Weidewirth-schaft und Stallf\u00fctterung. S. 43. Breslau 1871.\n2\tHellriegel u. Lucanus, Landw.Versuchsstat. III. S. 387. 1865. \u2014 W. Funke, Wochenbl. d. preuss. Ann. d. Landw. 1863. No. 35 u. 36.\n3\tAus Hohenheim : Landw. Jahrb\u00fccher. II. S. 282. 1873.\u2014 Hofmeister, Landw. Versuchsstat. XVI. S. 353. 1873.\n4\tG. K\u00fchn, S\u00e4chs. Amtsbl. f. landw. Vereine. 1870. S. 90. \u2014 Wolff, Die Versuchsstation Hohenheim. 1870. S. 80.\n5\tHaubneru. Hofmeister, Landw. Versuchsstat. VIL S. 413. 1865, VIII. S. 99. 1866 (am Pferd). \u2014 Weiske, Ebenda. XV. S. 90. 1872 (Schweine verdauen Rohfaser).\n6\tHofmeister, Landw. Versuchsstat. VIII. S. 351. 1866. \u2014 Haubner u. Hofmeister, Landw. Versuchsstat. XII. S. 8. 1869; aus Hohenheim: Landw. Jahrb. I. 1872, II. S. 278. 1873.\n7\tEbenda. II. 1873.\n31 *","page":483},{"file":"p0484.txt","language":"de","ocr_de":"484\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 3. Cap. Die Nahrungsmittel.\nIII. Ueber die Unterschiede der animalischen und vegetabilischen Nahrungsmittel in ihrer Bedeutung f\u00fcr die Ern\u00e4hrung und \u00fcber die Verdaulichkeit im Allgemeinen.1\nNach dem Gesagten finden sich im Allgemeinen bedeutende Differenzen in der Ausn\u00fctzung im Darmkanale zwischen den animalischen und vegetabilischen Nahrungsmitteln.\nIn der Menge des vom Menschen bei verschiedener Kost t\u00e4glich ausgeschiedenen trockenen Koths ergeben sich Schwankungen von 13\u2014116 Grm. (4\u201421 % der trockenen Nahrung). Diese Unterschiede sind vorz\u00fcglich von der Qualit\u00e4t des Nahrungsmittels abh\u00e4ngig und nicht so sehr von der Quantit\u00e4t der darin verzehrten Trockensubstanz. Noch auffallender sind die Schwankungen in der Masse des frischen Koths (53\u20141670 Grm.): es finden sich sehr kleine Quantit\u00e4ten mit geringem Wassergehalt nach Aufnahme von Fleisch oder Eier, dagegen ganz kolossale mit einem bedeutenden Wassergehalt nach Aufnahme von Schwarzbrod, Kartoffeln, Wirsing und gelben R\u00fcben.\nDie rein animalische Nahrung macht, wenn sie ertragen wird, im Allgemeinen sehr wenig Koth und es findet die Entleerung in gr\u00f6sseren Zwischenr\u00e4umen statt (beim Hunde alle 5\u20146 Tage); dabei wird so gut wie kein Eiweiss oder Residuum der Nahrung im Koth ausgeschieden.\tt\nDie Vegetabilien liefern dagegen im Allgemeinen viel Koth, welcher meist reichlich Wasser enth\u00e4lt und \u00f6fters entleert wird (beim Rind 12 mal t\u00e4glich). Es ist dies jedoch durchaus nicht bei allen Vegetabilien der Fall, da gerade einige Nahrungsmittel aus dem Pflanzenreiche, welche von ganzen V\u00f6lkerschaften beinahe ausschliesslich gegessen werden, wie z. B. der Reis, das Mehl der Getreidearten in gewisser Zubereitung (als Weissbrod, Sp\u00e4tzein, Makkaroni) im Darmkanale vorz\u00fcglich gut, so gut wie die animalischen Nahrungs- | mittel, verwerthet werden. Mais und Erbsen geben mittlere Zahlen, ung\u00fcnstige dagegen: die Kartoffeln, Wirsing, gelbe R\u00fcben und das Schwarzbrod.\nDie grosse Kothmenge bei gewissen Vegetabilien r\u00fchrt nur zum -kleinen Theil von der Nichtresorption des St\u00e4rkemehls her, sondern wesentlich davon, dass das ganze Nahrungsmittel rasch wieder ausgeschieden wird. Es ist in der That wunderbar, welche bedeutende Mengen von St\u00e4rkemehl der menschliche Darm zu verwerthen und zu resorbiren im Stande ist. Bei Weissbrod, Reis, Makkaroni, Sp\u00e4tzein\n1 Voit, Sitzgsber. d. bayr. Acad. Matli.-phys. Cl. IL S. 516. 1S69; Ztschr. f. Biologie. VI. S. 346. 1870.","page":484},{"file":"p0485.txt","language":"de","ocr_de":"Heber die Unterschiede d. animalischen u. vegetabilischen Nahrungsmittel etc. 485\nu. s. w. erscheinen von den Kohlehydraten, selbst bei Aufnahme von 462\u2014670 Grm. nur 4\u20149 Grm. im Kothe wieder, sie werden bis auf 0.8\u20141.6 % im Darm ausgen\u00fctzt. Kur bei den im Ganzen ung\u00fcnstig sich verhaltenden Nahrungsmitteln: Kartoffeln, Wirsing, gelben R\u00fcben und Schwarzbrod wird auch mehr St\u00e4rkemehl (38\t72 Grm.)\nim Koth angetroffen, so dass 8\u201418 % desselben unbenutzt den K\u00f6rper wieder verlassen. Aber das St\u00e4rkemehl der Vegetabilien veih\u00e4lt sich stets g\u00fcnstiger als dasEiweiss; obwohl die vegetabilische Kost im Allgemeinen arm an Stickstoff ist, geht doch bei ihr selbst bei im Uebrigen guter Verwerthung durchg\u00e4ngig absolut und relativ betr\u00e4chtlich mehr Stickstoff mit dem Koth ab (mindestens 17\t25%);\nbesonders ung\u00fcnstig stellen sich in dieser Beziehung wiederum das Schwarzbrod, die Kartoffeln, die gelben R\u00fcben, von denen 32\u201439 \u00b0/o des Stickstoffs nicht resorbirt werden. Bei der Untersuchung einer fast ausschliesslich aus Vegetabilien bestehenden Gef\u00e4ngnisskost fand Ad. Schuster, einen Abgang von 37% Stickstoff im Koth; zu einer \u00e4hnlichen Zahl gelangte Fr. Hofmann1 bei Pr\u00fcfung der Kost des s\u00e4chsischen Zellengef\u00e4ngnisses Waldheim; den gr\u00f6ssten Verlust (von 47 %) fand letzterer2 nach Aufnahme einer rein vegetabilischen Kost, aus ganzen Linsen, Kartoffeln und Brod bestehend.\nDieses verschiedene Verhalten der Nahrungsmittel im Darmkanal bedingt im Allgemeinen einen Unterschied zwischen der animalischen und vegetabilischen Kost. Am pr\u00e4gnantesten tritt dies hervor bei der gew\u00f6hnlichen Ern\u00e4hrung der fleischfressenden und pflanzenfressenden Thiere ; denn w\u00e4hrend der Fleischfresser bei gen\u00fcgender animalischer Kost kaum Koth als Residuum der letzteren entleert, giebt der Pflanzenfresser einen ansehnlichen Theil der reichlich verzehrten Pflanzenkost unbenutzt wieder ab; 100 Kilo des fleischfressenden Hundes liefern bei ausreichender F\u00fctterung mit Fleisch im Tag etwa 30 Grm. trocknen Koth, 100 Kilo Ochs bei F\u00fctterung mit Heu 600 Grm. Die Pflanzenfresser nehmen im Wesentlichen nicht mehr Nahrungsstoffe in die S\u00e4fte auf, nur muss bei ihnen statt des Fettes die \u00e4quivalente Menge von Zucker \u00fcbertreten, wohl aber verzehren sie viel mehr, da sie ein Drittel davon wieder im Koth entfernen.\nDas bei, der Pflanzenkost so reichlich Entleerte besteht nicht aus lauter absolut Unverdaulichem; die darin befindlichen Stoffe k\u00f6nnten wohl zum gr\u00f6ssten Theil verdaut werden, wenn neben der n\u00f6thigen Menge der Verdauungss\u00e4fte die geh\u00f6rige Zeit gegeben w\u00e4re.\n1 Ad. Schuster bei Voit, Unters, d. Kost. S. 16S. 1877. \u2014Fr. Hofmann, Unters. d\u2019 \u00b0 *2Fr!Hofmann bei Voit, Sitzgsber. d. bayr. Acad. H. S. 8. 1869.","page":485},{"file":"p0486.txt","language":"de","ocr_de":"486\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 3. Cap. Die Nahrungsmittel.\nWarum ist nun die Ausn\u00fctzung der Yegetabilien zumeist eine so unvollkommene?\nDie Nahrungsstoffe sind in der Pflanzennahrung h\u00e4ufig in mehr oder minder festen Geh\u00e4usen aus Cellulose eingeschlossen und daher schwerer zug\u00e4nglich als die in animalischen Gebilden frei liegenden. Die eiweissartigen Stoffe, die Fette, die Kohlehydrate u. s. w. m\u00fcssen daraus entweder allm\u00e4hlich ausgelaugt oder die schwer verdauliche Cellulose vorher aufgel\u00f6st werden. Der Mensch und der Fleischfresser verm\u00f6gen nicht wie viele Pflanzenfresser harte Cellulose zu l\u00f6sen, daher sie nicht im Stande w\u00e4ren von Heu oder Stroh zu leben. Darum erfordert auch die Verdauung der pflanzlichen Nahrung einen complizirteren und l\u00e4ngeren Darmkanal und mehr Zeit. Die Peste der Fleischnahrung sind beim Fleischfresser in etwa 18 Stunden bis in den Mastdarm vorger\u00fcckt; beim Pflanzenfresser verweilen die verzehrten Vegetabilien oft eine Woche lang im Darm. Trotzdem geht bei letzterem h\u00e4ufig bis zu einem Drittel des Futters ungen\u00fctzt und kaum ver\u00e4ndert wieder ab ; \u00e4hnlich ist es beim Menschen nach Aufnahme von jungem Gem\u00fcse, z. B. von Wirsing und gelben R\u00fcben, wo auch bis zu 15\u201421 % im Koth sich finden. Es ist also hier die Zeit f\u00fcr die v\u00f6llige Verdauung der schwerer zug\u00e4nglichen Nahrungsstoffe nicht gegeben.\nDie Einschliessung der Nahrungsstoffe in Celluloseh\u00fcllen ist nicht ? der einzige Grund der h\u00e4ufig so betr\u00e4chtlichen Kothmengen bei der Pflanzenkost, denn sie erscheinen auch bei Genuss von Schwarzbrod, Kartoffeln oder anderen Speisen, in denen die H\u00fcllen gesprengt worden waren.\nDas Volum der vegetabilischen Nahrung ist durch die schlechtere Ausn\u00fctzung im Allgemeinen gr\u00f6sser als das der animalischen. 1000 Kilo Ochs haben zur Erhaltung t\u00e4glich 14 Kilo Trockensubstanz n\u00f6thig; 1000 Kilo Hund nur 8 Kilo. Aber auch wenn die Vegetabilien s\u00e4mmtlich gleich gut ausgen\u00fctzt w\u00fcrden wie die animalischen j Substanzen, m\u00fcsste das in ersteren zugef\u00fchrte Volum bedeutender sein, da zur Aufhebung des Fettverlustes vom K\u00f6rper statt 100 Theile Fett mindestens 175 Theile St\u00e4rkemehl erforderlich sind. Der Mensch geniesst ausserdem die st\u00e4rkemehlhaltigen Speisen, z. B. die Erbsen, \\ den Reis, die gr\u00fcnen Gem\u00fcse u. s. w. meist in sehr wasserreichem Zustand.1 W\u00e4hrend das Gewicht der bei M. Rubner\u2019s Versuchen\n1 Nach Mulder (Die Ern\u00e4hrung in ihrem Zusammenhang finden sich in den gekochten Speisen folgende Wasser\ngekochte gr\u00fcne Erbsen .\t.\t63 %\ngekochte weisse Bohnen . . 63%\ngekochter Beis..............74%\ngekochte Kartoffeln. .\t.\t.\t70%\nu. s. w. 1S47. S. 52)","page":486},{"file":"p0487.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Unterschiede d. animalischen u. vegetabilischen Nahrungsmittel etc. 487\nt\u00e4glich im gekochten Zustand verzehrten Speisen ohne Getr\u00e4nke bei animalischer Kost 738\u2014948 Grm. (mit Ausnahme der Milch) betrug, machte es bei vegetabilischer Kost 1237\u20144248 Grm aus. Durch das gr\u00f6ssere Volumen der Speise wird die Mahlzeit bedenklich verl\u00e4ngert und der Darmkanal \u00fcberf\u00fcllt. Dies tr\u00e4gt sicherlich zur rascheren Fortschiebung und Verdr\u00e4ngung des Darminhaltes, sowie zu der unvollst\u00e4ndigen Verwerthung und gr\u00f6sseren Quantit\u00e4t der F\u00e4ces bei, zudem dabei letztere wegen der kurzen Verdauungszeit meist sehr reich an Wasser sind ; nach Aufnahme einer grossen Portion von Weissr\u00fcben erschien schon nach 6 Stunden der erste Koth. Es muss aber noch ein anderes Moment zur reichlichen Koth-bildung bei Vegetabilien beitragen, da Hunde und Menschen nach Zufuhr eines grossen Volums Fleisch nur wenig Koth entleeren, dagegen viel nach Aufnahme eines geringeren Volums Schwarz-brod.\nEin solches Moment ist die im D\u00fcnndarm eintretende G\u00e4hrung des St\u00e4rkemehls (S. 470). Diese tritt nicht immer nach Einf\u00fchrung von St\u00e4rkemehl auf, sondern nur in bestimmten F\u00e4llen. Reine Albuminate f\u00fcr sich oder unter Zusatz von Fett und Zucker machen stets nur wenig Koth ; bei einem Zusatz von viel St\u00e4rkemehl in gewissen Geb\u00e4cken (Weissbrod, Sp\u00e4tzein, Makkaroni, Reis, Mais) wird die Kothmenge nur wenig gr\u00f6sser, sie nimmt aber alsbald gewaltig zu bei Genuss von Schwarzbrod, Kartoffeln, Wirsing und gelben R\u00fcben. Die darin stattfindende G\u00e4hrung bringt eine stark saure Reaktion des Inhalts, das Auftreten niederer Fetts\u00e4uren, vorz\u00fcglich von Butters\u00e4ure, und die Entwicklung von Grubengas und Wasserstoffgas hervor, und bedingt dadurch eine rasche Entleerung des Darms. Die schwer stillbaren Durchf\u00e4lle kleiner Kinder bei Auff\u00fctterung mit Mehlpapp werden sicherlich h\u00e4ufig von dieser Umsetzung des St\u00e4rkemehls im Darm veranlasst.\nEs giebt noch manche Stoffe, welche eine \u00e4hnliche Wirkung auf die peristaltische Darmbewegung haben wie die Entwicklung einer S\u00e4ure und dadurch die geh\u00f6rige Ausn\u00fctzung der Nahrung hindern. In solcher Weise wirkt die stark verholzte Cellulose mancher Vegetabilien oder die Kleie im Schwarzbrod (S. 473), und zwar auf rein mechanische Weise. Alle festeren Partikel in dem Speisebrei vermehren aus diesem Grunde die Kothmenge ; dies thun z. B. ganze Linsen oder Kartoffelst\u00fcckchen. Als Fe. Hofmann einem Mann 207 Grm. ganze Linsen, 1000 Grm. Kartoffeln und 40 Grm. Brod gab, schied er 116 Grm. trocknen Koth mit 47 \u00b0/o des Stickstoffs der Nahrung aus; derselbe Mann lieferte bei einer gleichwerthigen ani-","page":487},{"file":"p0488.txt","language":"de","ocr_de":"488\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 3. Cap. Die Nahrungsmittel.\nmalischen Kost (390 Grm. Fleisch mit 126 Grm. Fett) nur 28 Grm. trocknen Koth mit 17 % des verzehrten Stickstoffs.\nDie vegetabilischen Nahrungsmittel enthalten meist absolut und relativ, gegen\u00fcber den stickstofffreien Stoffen, weniger Eiweiss ; selbst die stickstoffreichsten Gebilde der Pflanzenwelt, die H\u00fclsenfr\u00fcchte, schliessen auf 100 eiweissartige Stoffe 260 stickstofffreie ein. Durch die absolut geringere Menge von Eiweiss in den Yegetabilien und durch den Ueberschuss der stickstofffreien Stoffe wird ein Unterschied gegen\u00fcber den animalischen Substanzen hervorgebracht. Man ist jedoch im Stande aus Yegetabilien absolut ebensoviel Eiweiss zur Resorption zu bringen wie aus animalischen Substanzen z. B. durch Zusatz von Leguminosen zur Pflanzenkost des Menschen oder von Hafer zum Futter des Pferdes. Auch die Schnelligkeit der Resorption des Eiweisses aus dem Darm kann einen bestimmten Effekt hervorrufen; aus den Nahrungsmitteln aus dem Thierreich wird das Eiweiss meist ungleich rascher in die S\u00e4fte aufgenommen, so dass dabei in der Zeiteinheit mehr in Cirkulation ger\u00e4th und zersetzt wird als bei Pflanzenkost.\nDurch alle diese Umst\u00e4nde unterscheiden sich viele der pflanzlichen Nahrungsmittel von den thierischen. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass im Allgemeinen die ersteren dem Darm mehr Arbeit aufb\u00fcrden. Es ist meist l\u00e4ngere Zeit erforderlich, die darin enthaltenen Nahrungsstoffe in l\u00f6sliche Modificationen \u00fcberzuf\u00fchren; ein Pflanzenfresser verdaut nahezu Tag und Nacht, w\u00e4hrend der resor-birende Theil des Darms des Fleischfressers in IS Stunden nach einer Mahlzeit, die ihm f\u00fcr 24 Stunden ausreicht, leer ist. Ein Pflanzenfresser muss mindestens 3 mal des Tags Futter vorgesetzt erhalten und er kaut lange Zeit daran herum, der Fleischfresser dagegen verschlingt in einigen Augenblicken das f\u00fcr 24 Stunden n\u00f6thige Quantum.\nEs ist unm\u00f6glich durch irgend einen Zusatz z. B. von etwas Fleisch (S. 468) oder von Fleischextrakt (S. 355, 451, 46S) oder von N\u00e4hrsalzen (im Horsford - Liebig - Brod) jene Unterschiede auszugleichen, da dadurch die Ursachen, durch welche dieselben hervorgerufen werden, keine Aenderung erfahren. Ich habe schon (S. 451) angegeben, dass Liebig den Hauptunterschied der animalischen und vegetabilischen Nahrung in den in ersterer enthaltenen Extrakten suchte und deshalb meinte, durch Zusatz der Extrakte des Muskels der vegetabilischen Nahrung die Wirkung der animalischen verleihen zu k\u00f6nnen. Die ungleichen Wirkungen der beiden Classen von Nahrungsmitteln sind aber durch die vorher angegebenen Momente be-","page":488},{"file":"p0489.txt","language":"de","ocr_de":"lieber die Unterschiede d. animalischen u. vegetabilischen Nahrungsmittel etc. 489\ndingt und nicht durch die Extrakte, welche eine ganz andere Bedeutung haben.\nAus diesen Betrachtungen wird sich sp\u00e4ter ergeben, wie weit und unter welchen Umst\u00e4nden wir die animalischen und vegetabilischen Nahrungsmittel f\u00fcr die Ern\u00e4hrung des Menschen anwenden d\u00fcrfen.\nEs sei mir gestattet an dieser Stelle Einiges zu sagen \u00fcber das, was man im gew\u00f6hnlichen Leben die Verdaulichkeit heisst, da dies in vielen F\u00e4llen auf die Wahl der Speisen von maassgebendem Einfluss ist.\nMan nennt im gew\u00f6hnlichen Leben eine Substanz verdaulich, wenn man grosse Mengen derselben ohne Beschwerden verzehren kann; und man sagt allgemein, dieser oder jener verdaue z. B. Fett nicht gut, wenn er Beschwerden nach der Aufnahme desselben bekommt.\nMan ordnet auch die Speisen je nach ihrer Verdaulichkeit; man meint vielfach, Kalbfleisch sei leichter verdaulich als Ochsenfleisch, ein weiches Ei leichter als ein hartes, und so weiss fast jeder Arzt und Laie \u00fcber die Verdaulichkeit der Nahrungsmittel etwas auszusagen, obwohl wir bis jetzt keine Versuche hier\u00fcber besitzen, ja sogar gar nicht wissen, wie man solche Versuche anstellen m\u00fcsste. Die meisten gehen dabei von Vorstellungnn aus, deren Richtigkeit nicht erwiesen ist; sie glauben gew\u00f6hnlich, etwas Fl\u00fcssiges oder Weiches m\u00fcsste leichter verdaulich sein als etwas Hartes und Festes; daher r\u00fchrt offenbar die Meinung, das weiche Ei w\u00e4re leichter verdaulich wie das harte, Milch leichter wie K\u00e4se, Sehnen, B\u00e4nder und Knorpel w\u00e4ren unverdaulich. Man spricht davon, dass durch gewisse Substanzen die Verdauung oder auch die Verdaulichkeit von Nahrungsmitteln bef\u00f6rdert werde; es ist aber auch hier\u00fcber, wenigstens f\u00fcr den Menschen noch nichts Sicheres bekannt. Wir haben nur erfahren, dass durch K\u00e4se die Ausn\u00fctzung der Milch eine bessere wird ; es k\u00f6nnte darauf die Sitte beruhen, nach einer gr\u00f6sseren Mahlzeit ein St\u00fcckchen K\u00e4se zu verzehren.1 Eine solche Bef\u00f6rderung der Verdauung k\u00f6nnte aber auf allem M\u00f6glichen beruhen, auf einer reichlicheren Absonderung der Verdauungss\u00e4fte, einer rascheren Resorption durch Anregung der Peristaltik u. s. w.\nBevor man eine Untersuchung in dieser Richtung anstellt, muss man den Begriff \u201eVerdaulichkeit\u201c vollkommen festgestellt haben und nicht vielerlei ganz differente Vorg\u00e4nge darunter subsumiren. Ver-\n1 Shakespeare l\u00e4sst den Achill in Troilus und Cressida (Akt 2 Scene 3) sagen: \u201eEi, mein K\u00e4se, mein Verdauungspulver.\u201c","page":489},{"file":"p0490.txt","language":"de","ocr_de":"490\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 3, Cap. Die Nahrungsmittel.\nsteht man unter \u201eVerdauung\u201c alle die vielen Vorg\u00e4nge im ganzen Darmtraktus, dann wird man nie \u00fcber die Verdaulichkeit der Speisen ins Reine kommen.1\nEs findet dabei zun\u00e4chst entweder eine chemische Ver\u00e4nderung gewisser Nahrungsstoffe im Darmkanal durch Einwirkung von Verdauungss\u00e4ften statt \u2014 und es w\u00e4re gut, dies ausschliesslich mit dem Worte Verdauung zu bezeichnen \u2014, oder es tritt eine einfache L\u00f6sung in Wasser ein, oder es bleiben die schon in gel\u00f6stem und fl\u00fcssigem Zustande eingef\u00fchrten Stoffe unver\u00e4ndert; dann erst kommt die Aufnahme in die S\u00e4fte, die Resorption.\nDarnach m\u00fcssten koagulirtes Eiereiweiss und Blutfaserstoff jedenfalls einer Verdauung unterliegen; Fett w\u00fcrde unver\u00e4ndert, also unverdaut resorbirt, m\u00f6glicherweise auch fl\u00fcssiges Eiereiweiss.\nMan hat die Zeit, in welcher gewisse Stoffe durch die Verdauungss\u00e4fte chemisch ver\u00e4ndert werden, als Maass f\u00fcr die Verdaulichkeit derselben angesehen. Es ergab sich z. B., dass in der Siedhitze koagulirtes Eiereiweiss durch Magensaft ebenso rasch in Pepton \u00fcbergeht als fl\u00fcssiges ; man hat daher gesagt, das harte Ei w\u00e4re nicht schwerer verdaulich wie das weiche. Es wird aber m\u00f6glicherweise das fl\u00fcssige Eiereiweiss gar nicht verdaut, sondern alsbald resorbirt; und dann k\u00f6nnen mehrere Verdauungss\u00e4fte auf den gleichen Nahrungsstoff ver\u00e4ndernd einwirken. Andere haben als Maassstab f\u00fcr die Verdaulichkeit die Menge von Substanz genommen, welche im Tag im Darmkanal verdaut und resorbirt wird; so haben Panum und Heiberg zugesehen, wieviel Harnstoff bei Zufuhr gleicher Mengen eines eiweisshaltigen Nahrungsmittels entsteht und z. B. gefunden, dass die Harnstoffproduktion die gleiche ist, ob man dieselbe Quantit\u00e4t Ei-weiss in rohem, gekochtem, getrocknetem, gesalzenem oder ger\u00e4uchertem Fleisch giebt. Auf diese Weise erh\u00e4lt man aber nur die Ausn\u00fctzbarkeit einer Substanz und nicht eigentlich deren Verdaulichkeit.\nUeber die Resorbirbarkeit (die Zeit der Resorption) der gel\u00f6sten oder fl\u00fcssigen Stoffe ist ebenfalls nur wenig bekannt. Ich habe durch die st\u00fcndliche Untersuchung der Gr\u00f6sse der Harnstoffausscheidung beim Menschen nach Aufnahme bestimmter Nahrungsmittel \u00fcber die Zeit der Verdauung und die Resorption derselben etwas zu erfahren gesucht, aber die Resultate waren nur wenig verschieden; der gesunde Darm verarbeitet fast Alles mit gleicher Leichtigkeit und die Curven der Harnstoffausscheidung sind daher ziemlich gleich.\nManche werden vielleicht entgegnen, sie h\u00e4tten bestimmtest die\n1 Voit, Bericht d. Vers, deutsch. Naturf. u. Aerzte zu M\u00fcnchen. 1S77. S. 354.","page":490},{"file":"p0491.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Unterschiede d. animalischen u. vegetabilischen Nahrungsmittel etc. 491\nErfahrung gemacht, dass sie dies oder jenes schlechter verdauen als Anderes. Woher entnehmen sie dies aber? Nicht aus Beobachtungen der Zeit der chemischen Umwandlung oder Verdauung der Nahrungsstoffe der Speisen, auch nicht aus der Beobachtung der Resorptionszeit, sondern einfach nur aus dem Gef\u00fchl des Behagens oder Unbehagens nach Aufnahme gewisser Speisen. Dieses Gef\u00fchl hat aber mit dem Grade der Verdauung und der Resorption nichts zu thun. Es kann m\u00f6glicher Weise eine Substanz verdaut und resorbirt werden und doch unangenehme Gef\u00fchle bereiten. Ein gesunder Magen und Darm ertr\u00e4gt in dieser Beziehung alles M\u00f6gliche, ein kranker ist dagegen aufs h\u00f6chste empfindlich; jede nur etwas feste Substanz, ein St\u00fcckchen nicht wohl zerkautes Fleisch, ein St\u00fcckchen Kartoffel oder frisches Schwarzbrod u. s. w. sie dr\u00fccken mechanisch die Magenoberfl\u00e4che und erregen Zusammenziehungen und heftige Schmerzen, aber nicht weil sie schwer verdaulich sind, sondern weil sie reizen und nicht ertragen werden. Solche Leute ertragen daher nur Fl\u00fcssiges oder ganz Weiches, gleichg\u00fcltig ob dasselbe rasch oder weniger rasch verdaut und resorbirt wird. Darum wird von ihnen der Succus carnis oder auch eine Peptonl\u00f6sung gern genommen, nicht deshalb weil sie nicht mehr verdaut zu werden brauchen, sondern weil sie keine Beschwerde machen; denn wenn die Verdauung im Magen fehlt, leidet gew\u00f6hnlich auch die Resorption und kann ja auch noch im Darm die Verdauung stattfinden. Darum wird ein weiches Ei leichter ertragen als ein hartes ; fein zerwiegtes Fleisch besser als gr\u00f6ssere St\u00fccke desselben. Kuhmilch wird h\u00e4ufig nicht ertragen, da sie im Magen gerinnt und nach der Resorption des Milchserums ein fester Klumpen von Kasein und Fett zur\u00fcckbleibt. Es kommt in dieser Beziehung darauf an, dem Darm so wenig als m\u00f6glich Arbeit zu machen.\nMan muss also wohl unterscheiden, ob eine Substanz leicht verdaut, rasch resorbirt oder gut ertragen wird.\nVIERTES CAITTEL.\nDie Nahrung.\nI. xVllgemeine Anforderungen an eine Nahrung.\nEine Nahrung ist ein Gemische von Nahrungsstoffen und Nahrungsmitteln mit den n\u00f6thigen Genussmitteln, welches den thierischen Organismus f\u00fcr einen bestimmten Fall auf seinem stofflichen Be-","page":491},{"file":"p0492.txt","language":"de","ocr_de":"492\tVoit, Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\nStande erh\u00e4lt oder ihn in einen gew\u00fcnschten stofflichen Zustand versetzt.\nEs gilt jetzt aus den vorher abgehandelten Nahrungsstoffen und Nahrungsmitteln diejenigen Gemische zusammenzusetzen, welche diese stoffliche Wirkung am Besten erf\u00fcllen.1\nBis vor Kurzem waren die Voraussetzungen zur Beuriheilung einer Nahrung f\u00fcr einen Organismus unter verschiedenen Verh\u00e4ltnissen nur sehr unvollst\u00e4ndig gegeben; man musste zu dem Ende vor Allem den Einfluss der einzelnen Nahrungsstoffe und ihrer Gemische auf den Umsatz der Stoffe im K\u00f6rper kennen und wissen, was und wieviel unter allerlei Umst\u00e4nden z. B. bei Ruhe und Arbeit, bei wechselnder Temperatur der umgebenden Luft, bei verschiedenen Zust\u00e4nden des K\u00f6rpers, grossen und kleinen, magern und fetten Organismen, verbraucht wird.\nWie erf\u00e4hrt man nun, ob ein Gemische von Nahrungsstoffen und Nahrungsmitteln eine Nahrung ist? Mit Sicherheit allein dadurch, dass man sich \u00fcberzeugt, ob der betreffende Organismus dabei auf seinem Best\u00e4nde bleibt, ob er also kein Eiweiss oder Fett oder Wasser oder keine Aschebestandtheile verliert.\nVielfach hat man fr\u00fcher das K\u00f6rpergewicht als untr\u00fcgliches Zeichen der Erhaltung des K\u00f6rpers oder eines Ansatzes von Substanz gehalten ; man hat geglaubt, dass wTenn die Menschen bei irgend einer Kost w\u00e4hrend einiger Zeit auf ihrem Gewicht bleiben oder gar an Gewicht zunehmen, diese Kost dann auch eine Nahrung sei. Das K\u00f6rpergewicht ist aber, wie Bischoff und ich am Hunde gefunden haben, kein sicheres Kriterium f\u00fcr eine Nahrung, da der K\u00f6rper bei gleichbleibendem oder zunehmendem Gewichte Wasser\n1 Liebig, Die Thierchemie oder d. organ. Chemie in ihrer Anwendung auf Phys. u. Path. 1S43. \u2014 Fberichs, Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. III. (1) 1846. \u2014 G. J. Melder, Die Ern\u00e4hrung in ihrem Zusammenh\u00e4nge mit dem Volksgeist. Aus d. Holland, v. J. Moleschott. Utrecht 1847. \u2014 Moleschott, Lehre d. Nahrungsmittel. F\u00fcr das Volk. 1850; Die Physiol, d. Nahrungsmittel. Darmstadt 1850. \u2014 Lyon Playfair, Proceed, of the royal. Instit. 1853 ; Edinb. new philos. Journ. 1854. January to April. 266. \u2014 C. G. Lehmann, Lehrb. d. phys. Chem. III. S. 237. 1853. \u2014 Hildesheim, Die Normaldi\u00e4t. Berlin 1856. \u2014 Artmann, Die Lehre v. d. Nahrungsmitteln. Prag 1859. Lippe-Weissenfeld , Die rationelle Ern\u00e4hrung des Volkes. Leipzig 1866. \u2014 Play-fair, On the food of man in relation to his useful work. Edinburgh 1865 ; Med. Times andGaz. II. p.325. 1866. \u2014 Jul. Cyr, Trait\u00e9 de l\u2019alimentation. Paris 1869.\u2014 C. Kirchner, Lehrb. d. Milit\u00e4rhygiene. Erlangen 1869. \u2014 PiOth u. Lex, Handb. d. Milit\u00e4rgesundheitspflege. II. Berlin 1875. \u2014 Voit, Ztschr. f. Biologie. XII. S. 1. 1876. \u2014 Derselbe, Unters, d. Kost in einigen \u00f6ffentlichen Anstalten. 1877. \u2014\u2018 Huizinga, Unsere Ern\u00e4hrung. Gemeinverst\u00e4ndl. Vortr\u00e4ge. Groningen 1878. \u2014 Gorup-Besanez , Lehrb. d. phys. Chem. S.800.1878. \u2014 K\u00f6nig,Diemenschi. Nahrungs-u. Genussmittel. S.99.1880.\nNahrung der Thiere : H. Grouven, Vortr\u00e4ge \u00fcber Agrikulturchemie. K\u00f6ln I860. \u2014 Gohren, Die Naturgesetze der F\u00fctterung d. landw. Nutzthiere. Leipzig 1872. \u2014 E. Wolff, Die landw. F\u00fctterungslehre. 1874. \u2014 Wolff, Die Ern\u00e4hrung d. landw. Nutzthiere. Berlin 1876.","page":492},{"file":"p0493.txt","language":"de","ocr_de":"Allgemeine Anforderungen an eine Nahrung.\n493\nansetzen, jedoch Eiweiss und Fett verlieren, oder auch bei Zunahme des Gewichts und einer Ablagerung von Fett an Eiweiss abnehmen kann. Schlecht Ern\u00e4hrte sind h\u00e4ufig nicht leichter (S. 348), sondern enthalten nur weniger Eiweiss und Fett bei gr\u00f6sserem Reichthum des K\u00f6rpers an Wasser. Jeder Thierzitchter weiss, dass das Thier im Anf\u00e4nge der M\u00e4stung nicht entsprechend der Ablagerung an Eiweiss und Fett an Gewicht zunimmt; kein Metzger kauft einen Ochsen nach dem Gewicht allein, sondern er beurtheilt durch die Betastung die G\u00fcte des Fleisches. Man wird nicht sagen wollen, dass die Kost, hei der ein Mensch recht fett und schwer geworden ist, eine passende Nahrung ist. Trotzdem benutzt man beim Menschen h\u00e4ufig noch das K\u00f6rpergewicht als Anzeiger f\u00fcr eine richtige Ern\u00e4hrung, obwohl l\u00e4ngst nachgewiesen ist, dass es nur zu T\u00e4uschungen Veranlassung giebt.1\nEbensowenig ist das subjektive Wohlbefinden ein Maassstab f\u00fcr den Werth einer Kost oder Nahrung, da wir darin grossen Irrungen ausgesetzt sind. Ein 5 Kilo Kartoffeln im Tag verzehrender Irl\u00e4nder befindet sich dabei seiner Meinung nach ganz gut, obwohl er schlecht gen\u00e4hrt ist; ja er wird sich nicht ges\u00e4ttigt f\u00fchlen und \u00fcber Hunger klagen, wenn er eine ausreichende und gute Nahrung in einem kleineren Volum erh\u00e4lt. Die an ein grosses Volum der Speise Gew\u00f6hnten beurtheilen nach der Anf\u00fcllung des Magens und dem tr\u00fcgenden Gef\u00fchl der S\u00e4ttigung den Werth einer Nahrung, sie versp\u00fcren ein Hungergef\u00fchl, sobald ihr Magen bei einer besseren und compen-di\u00f6seren Kost nicht mehr so stark angef\u00fcllt wird. Dieser Umstand hindert h\u00e4ufig die Einf\u00fchrung einer besseren Ern\u00e4hrungsweise. Die an volumin\u00f6se Pflanzenkost (Mehlspeisen) gew\u00f6hnten Bauernburschen\n1 Auch die Reduktion des Bedarfs an Nahrungsstoffen auf 1 Kilo K\u00f6rpergewicht als Einheit und die Berechnung desselben von da auf ein bestimmtes K\u00f6rpergewicht, sowie auch die Reduktion der Exkrete auf jene Einheit zur Anstellung von Vergleichungen ist nicht zul\u00e4ssig (siehe Voit, Unters, \u00fcb. d. Einfluss d. Kochsalzes u. s. w. I860. S. 17 ; Ztschr. f. Biologie. IL S. 344. 1866), und f\u00fchrt zu falschen Vorstellungen. Man k\u00f6nnte nur dann die Einheit K\u00f6rpergewicht als Maass f\u00fcr den Bedarf nehmen, wenn die zu vergleichenden Thiere gleiche relative Zusammensetzung h\u00e4tten, also in gleichem Gewicht die gleiche Menge Wasser. Eiweiss und Fett hes\u00e4ssen und die Gewichte ihrer Organe in gleichem Verh\u00e4ltniss st\u00e4nden. Da dies aber nicht der Fall ist und die Organismen die verschiedenste Zusammensetzung zeigen, so kann 1 Kilo K\u00f6rpergewicht nicht den Maassstab f\u00fcr den Bedarf abgeben. Aus dem n\u00e4mlichen Grunde darf man auch nicht zum Vergleiche die Exkretmengen auf 1 Kilo K\u00f6rpergewicht berechnen; um so weniger, da selbst der n\u00e4mliche Organismus oder das n\u00e4mliche Organ ohne Ver\u00e4nderung des Gewichts je nach dem Grade seiner Th\u00e4tigkeit die verschiedensten Mengen der Exkretionsstoffe liefern kann; denn ein und derselbe Organismus vermag je nach der Eiweisszufuhr viel oder wenig Eiweiss zu zersetzen und viel oder wenig Harnstoff zu erzeugen, ebenso schwankt die Galleabsonderung ein und derselben Leber um das dreifache hin und her.","page":493},{"file":"p0494.txt","language":"de","ocr_de":"494\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\nsind anfangs mit der Fleisch enthaltenden Menage in der Kaserne nicht zufrieden. Aus dem gleichen Grunde reichten die an die grossen Mengen des schwarzen Kommissbrodes gew\u00f6hnten gefangenen russischen Soldaten in der Krim mit der Ration des mit Recht so ger\u00fchmten franz\u00f6sischen Weizenbrods nicht aus, es musste ihnen ein Zuschuss bewilligt werden. Die n\u00e4mliche Erfahrung macht man an den f\u00fcr den Milit\u00e4rdienst ausgehobenen Bauernpferden, welche sich ebenfalls an die Ersetzung einer Portion Heu durch weniger Raum einnehmenden Hafer erst gew\u00f6hnen m\u00fcssen. So ist also das Gef\u00fchl ein tr\u00fcgerisches. Ohne dass wir es in der ersten Zeit bemerken, kann eine Kost in allen Nahrungsstoffen oder nur f\u00fcr den einen oder andern ungen\u00fcgend sein. Um aus einer Sch\u00e4digung des K\u00f6rpers oder aus der Leistungsunf\u00e4higkeit auf eine unrichtige Ern\u00e4hrung z. B. auf eine zu geringe oder eine \u00fcberm\u00e4ssige Aufnahme des einen oder anderen Nahrungsstoffes zu schliessen, m\u00fcsste man' h\u00e4ufig lange Zeit, Monate lang, die betreffende Kost aufnehmen.\nEs giebt f\u00fcr den besagten Zweck keinen anderen Weg als den des direkten Versuchs am lebenden Organismus und die Ermittlung der Bilanz der Einnahmen und Ausgaben; eine chemische Analyse versetzt uns nicht in die Lage, \u00fcber den Werth eines Gemenges als Nahrung in einem gegebenen Falle zu urtkeilen.\nAber auch wenn man auf solche Weise die Gr\u00f6sse des Stoffverbrauchs und den Bedarf an den einzelnen Nahrungsstoffen f\u00fcr einen bestimmten Organismus in einem gewissen Falle kennen gelernt hat, ist es nicht so einfach die Nahrungsstoffe in der gefundenen Menge in der besten Nahrung dem K\u00f6rper zuzuf\u00fchren. Denn wir mischen unsere Nahrung niemals aus den einfachen Nahrungsstoffen zusammen, wir nehmen nur wenige der letzteren f\u00fcr sich z. B. Zucker, reines St\u00e4rkemehl, Fett, Kochsalz u. s. w. zu uns, sondern wir setzen die Nahrung aus Nahrungsstofifen und den mannigfaltigsten Nahrungsmitteln, in denen die Nahrungsstoffe in den verschiedensten Verh\u00e4ltnissen sich befinden, zusammen und dies macht die Sache com-plizirt.\nSowie die angenehmen und n\u00fctzlichen Folgeerscheinungen den Menschen darauf gef\u00fchrt haben, das gleiche Alkaloid im Kaffee und Thee zu finden, so hat er auch, durch lange Erfahrung belehrt, in den meisten F\u00e4llen die passende Nahrung sich gew\u00e4hlt, und es wird sich im gew\u00f6hnlichen Leben, auch wenn einmal die Wissenschaft die ganze Ern\u00e4hrungslehre beherrscht, kaum etwas Wesentliches in der Wahl der Speisen \u00e4ndern. Es wird zwar in vielen F\u00e4llen, selbst von ganzen V\u00f6lkerschaften, z. B. den Irl\u00e4ndern und Japanesen, eine","page":494},{"file":"p0495.txt","language":"de","ocr_de":"Allgemeine Anforderungen an eine Nahrung.\n-195\nunrichtige Ern\u00e4hrungsweise eingehalten, aber hier erzwingen meist andere Umst\u00e4nde die Art der Nahrung, n\u00e4mlich die Unm\u00f6glichkeit etwas Besseres sich zu verschaffen, da die Armuth des Landes oder des Einzelnen keine weitere Wahl l\u00e4sst.\nWenn aber schon derjenige Mensch, der, soweit es seine Mittel erlauben, frei w\u00e4hlen kann, in Fehler verf\u00e4llt, wie gross k\u00f6nnen diese aber erst da sein, wo eine solche Wahl unm\u00f6glich ist, und die Kost von Anderen bestimmt wird, welche oft nur aufs Geradewohl und nach falschen Vorstellungen die Bestimmungen treffen. So ist es in Kasernen, Kadettenh\u00e4usern, Waisenh\u00e4usern, Gefangenen- und Altersversorgungsanstalten, in Volksk\u00fcchen und Krankenh\u00e4usern u. s. w. ; hier sind schon zahlreiche Missgriffe gemacht worden: ich erinnere nur an die Leimsuppen, das Fleischinfusum, das Kleienbrod. Aber ganz abgesehen von der praktischen Wichtigkeit der Sache ist es n\u00f6thig, die Gesetze der Ern\u00e4hrung zu erkennen, zu suchen wie wir das Ziel, n\u00e4mlich das der stofflichen Erhaltung des Organismus, am besten erreichen und warum wir zu dem Zwecke das oder jenes in bestimmter Menge zu geben haben.\nEhe wir dazu schreiten, die Gr\u00f6sse des Bedarfs an den einzelnen Nahrungsstoffen f\u00fcr eine Anzahl von F\u00e4llen festzustellen, ist es noch n\u00f6thig, die allgemeinen Anforderungen an die Kost des Menschen oder an die Nahrung eines Thiers zusammenzufassen.\nI. Es muss jeder Nahrungsstojf in gen\u00fcgender Menge vorhanden sein.\nZun\u00e4chst m\u00fcssen in der t\u00e4glichen Kost, um sie zu einer Nahrung zu machen, d. h. um den betreffenden Organismus dauernd auf seinem Best\u00e4nde an Eiweiss, Fett, Aschebestandtheilen und Wasser zu erhalten, die dies bewirkenden Nahrungsstoffe in gen\u00fcgender Quantit\u00e4t zugef\u00fchrt werden. Nach den Er\u00f6rterungen \u00fcber die Bedeutung der Nahrungsstoffe ist es klar, warum jeder einzelne derselben in hinreichender Menge vorhanden sein muss und warum es nicht gen\u00fcgt, ein grosses Volum des einen oder anderen zu geben, denn wir k\u00f6nnen aus Mangel an Eiweiss, an Fett, an Aschebestandtheilen und an Wasser bei reichlichster Zufuhr aller \u00fcbrigen Nahrungsstoffe zu Grunde gehen.\nZur Erhaltung braucht der Mensch f\u00fcr gew\u00f6hnlich eine ganz erkleckliche Masse, und Jeder muss so viel gemessen, sonst nimmt er allm\u00e4hlich an seinem K\u00f6rper ab und stirbt zuletzt Hungers. Die Gr\u00f6sse des Bedarfs ist, wie sp\u00e4ter noch n\u00e4her er\u00f6rtert werden wird, nicht f\u00fcr Alle die gleiche, sondern sie ist je nach der Beschaffen-","page":495},{"file":"p0496.txt","language":"de","ocr_de":"496\nYou, Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\nheit des K\u00f6rpers und je nach den Umst\u00e4nden, unter welchen er lebt, ausserordentlich verschieden. Ein kr\u00e4ftiger Mann, der eine t\u00fcchtige Arbeit leistet, braucht ungleich mehr als ein schw\u00e4chlicher, keiner Anstrengung f\u00e4higer K\u00f6rper. Es gieht einzelne bis aufs Aeusserste herabgekommene Personen, welche bei m\u00f6glichster Ruhe auffallend wenig Material zur Bestreitung ihrer geringen Bed\u00fcrfnisse n\u00f6thig haben; dies ist jedoch ein krankhafter Zustand ohne Leistungsf\u00e4higkeit, bei dem aber doch noch eine gewisse Menge von allen Nah-rungsstoffen erforderlich ist.\nDie Erz\u00e4hlungen von ganzen V\u00f6lkerschaften, welche nur sehr wenig Nahrung aufnehmen und doch thatkr\u00e4ftig bleiben sollen, haben sich s\u00e4mmtlich bei n\u00e4herer Untersuchung als Fabeln herausgestellt. Der Araber der W\u00fcste geniesst nicht nur eine Hand voll Reis oder Datteln t\u00e4glich, die Arbeiter auf den Hochebenen Norwegens vollenden ihr schweres Tagewerk nicht nur bei einem St\u00fcckchen Flach-brod und etwas K\u00e4se, so wenig wie die Holzarbeiter im bayrischen Gebirge im Winter bei der h\u00e4rtesten Arbeit mit etwas Mehl und Schmalz ausreichen. Es hat sich herausgestellt, dass der Hindu und der Chinese soviel an Nahrungsstoffen brauchen als wir, und ebenso der italienische Arbeiter, von dem behauptet worden ist, dass er nur eine \u00e4usserst geringe Menge von Mais t\u00e4glich verzehrt. Man darf keinen Angaben der Art, wenn sie von einem Laien gemacht worden sind, Vertrauen schenken, da ein solcher allzuleicht das, was ihm nicht wichtig erscheint, f\u00fcr nichts achtet. Es f\u00e4llt an der Kost dieser V\u00f6lkerschaften vorz\u00fcglich das Einerlei auf, dass sie Jahr aus Jahr ein fast ausschliesslich Reis oder Mais oder Kartoffeln aufnehmen, aber man \u00fcbersieht gew\u00f6hnlich dabei, welch grosse Quantit\u00e4ten sie davon gemessen. Es wird sich aus den sp\u00e4teren Mittheilungen ergeben, dass selbst die Trappisten und die am \u00e4rmlichsten lebenden Menschen wie die Bev\u00f6lkerung in manchen Distrikten Sachsens oder die ungl\u00fccklichen N\u00e4hm\u00e4dchen Londons, welche gewiss nur das Nothwendigste aufnehmen, um ein k\u00fcmmerliches Dasein zu fristen, noch eine nicht unbedeutende Menge von Nahrungsstoffen verzehren.\n2. Die einzelnen Nahrungsstojfe m\u00fcssen in richtigem Verh\u00e4ltniss\ngegeben werden.\nMan kann einen bestimmten Organismus auf die mannigfaltigste Weise, mit den verschiedensten Nahrungsmitteln, auf seinem stofflichen Best\u00e4nde erhalten, ohne dass damit allemal den Anforderungen,","page":496},{"file":"p0497.txt","language":"de","ocr_de":"Allgemeine Anforderungen an eine Nahrung.\n497\ndie wir an eine richtige Nahrung stellen, gen\u00fcgt ist. 2 V2 Kilo fettarmes Fleisch dienen unter Umst\u00e4nden f\u00fcr einen Tag als Nahrung, ebenso 41/2 Kilo Kartoffeln, aber wir haben damit keine richtige Nahrung zugef\u00fchrt. Es muss zu letzterem Zwecke von jedem der Nahrungsstoffe so viel gegeben werden als zur Erhaltung der Stoffe des K\u00f6rpers eben n\u00f6thig ist, nicht zu viel und nicht zu wenig, d. h. die einzelnen Nahrungsstoffe sollen in richtigem Verh\u00e4ltniss gemischt sein.\nEs ist leicht zu zeigen, um was es sich hier handelt und welche Missgriffe man in dieser Richtung begehen kann, wenn man versucht, die f\u00fcr einen kr\u00e4ftigen Menschen bei mittlerer Arbeit t\u00e4glich n\u00f6thige Menge von Stickstoff (oder Eiweiss), sowie von Kohlenstoff in einigen der wichtigsten Nahrungsmittel auszudr\u00fccken. Nach vielfachen Erfahrungen braucht ein solcher Mensch, um den Verlust an Stickstoff (oder Eiweiss) und an Kohlenstoff von seinem K\u00f6rper zu verh\u00fcten, im Tag ann\u00e4hernd 18.3 Cfrm. Stickstoff (= 118 Grm. trock-* nes Eiweiss) und im Ganzen mindestens 328 Grm. Kohlenstoff, von denen, da in 11S Grm. Eiweiss schon 63 Grm. Kohlenstoff enthalten sind, 265 Grm. in stickstofffreien Nahrungsstoffen, Fett und Kohlehydraten, darzureichen sind. Er m\u00fcsste darnach, um 18.3 Grm. Stickstoff und 328 Grm. Kohlenstoff zuzuf\u00fchren, von den folgenden Nahrungsmitteln in Grm. gemessen:\n\tf\u00fcr 18.3 Grm. Stickstoff\t\tf\u00fcr 328 Grm. Kohlenstoff\nK\u00e4se\t\t272\tSpeck ....\t450\nErbsen ....\t520\tMais\t\t801\nFettarmes Fleisch\t538\tWeizenmehl .\t.\t824\nWeizenmehl .\t.\t796\tReis\t\t896\nEier (IS St\u00fcck)\t905\tErbsen ....\t919\nMais\t\t989\tK\u00e4se\t\t1160\nSchwarzbrod .\t.\t1430\tSchwarzbrod .\t.\t1346\nReis\t\t1868\tEier (43 St\u00fcck) .\t2231\nMilch\t\t2905\tFettarmes Fleisch\t2620\nKartoffeln .\t.\t.\t4575\tKartoffeln .\t.\t.\t3124\nSpeck ....\t4796\tMilch\t\t4652\nWeisskohl .\t.\t.\t7625\tWeisskohl .\t.\t.\t9318\nWeisse R\u00fcben\t8714\tWeisse R\u00fcben\t10650\nBier\t\t17000\tBier\t\t13160\nAus dieser Tabelle ist ersichtlich, dass keines unserer gebr\u00e4uchlichen Nahrungsmittel f\u00fcr sich allein einem kr\u00e4ftigen Arbeiter alle Nahrungsstoffe in richtiger Zusammensetzung bietet und also keines f\u00fcr ihn eine richtige Nahrung ist. Es w\u00e4re eine Erhaltung f\u00fcr kurze Zeit mit fast jedem dieser Nahrungsmittel m\u00f6glich, aber die Ern\u00e4h-\nHandbuch. der Physiologie. Bd. YI.\t32","page":497},{"file":"p0498.txt","language":"de","ocr_de":"498\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\nrung w\u00e4re dabei eine h\u00f6chst irrationelle, da die aufgez\u00e4hlten Substanzen von dem einen oder dem andern Nahrungsstoff zu viel oder zu wenig enthalten.\nEin Arbeiter w\u00e4re wohl im Stande sich mit einem nur aus Wasser, den n\u00f6thigen Aschebestandtheilen und Eiweiss bestehenden Nahrungsmittel z. B. mit fettarmem Muskelfleisch zu ern\u00e4hren, also damit seinen Bestand an Eiweiss, Fett, Wasser und Aschebestandtheilen zu erhalten, wie es bei Jagdv\u00f6lkern zeitweise Vorkommen mag, aber nur f\u00fcr kurze Dauer und mit grosser Ueberb\u00fcrdung des Darmes und des \u00fcbrigen K\u00f6rpers, denn es sind dazu erstens enorme Mengen von Fleisch n\u00f6thig und es geh\u00f6ren zweitens zur Deckung des Stickstoffbedarfs nach obiger Tabelle nur 53S Grm. Fleisch, zu der des Kohlenstoffs aber 2620 Grm., durch welche letztere man eine v\u00f6llig \u00fcberfl\u00fcssige Menge von Stickstoff (oder Eiweiss) einf\u00fchren w\u00fcrde. Fettarmes Fleisch f\u00fcr sich allein giebt deshalb f\u00fcr den Menschen eine ganz ung\u00fcnstige Nahrung, und man f\u00fcgt daher, wenn irgend m\u00f6glich, stickstofffreie Substanzen, Fette oder Kohlehydrate, hinzu. Aus diesem Grunde m\u00e4sten wir gew\u00f6hnlich die Thiere, deren Fleisch wir gemessen. Die von der Jagd lebenden St\u00e4mme sind gierig nach Fett, sie schlagen die Knochen auf, um das fettreiche Mark zu erhalten, und die fetten Tatzen des B\u00e4ren sind ihnen Leckerbissen; die Eskimos verzehren nicht nur Muskelfleisch, sondern sie nehmen im Thran auch bedeutende Mengen von Fett auf. Es wird von einer Expedition ins Innere von Australien berichtet, dass die Leute \u00fcber einen Ueberschuss von Fleisch durch Erlegen von V\u00f6geln verf\u00fcgten, aber trotz Aufnahme grosser Mengen desselben und lebhaften Appetits unter Abmagerung zu Grunde gegangen sind; wer den Stoffzerfall im K\u00f6rper bei ausschliesslicher Zufuhr von Eiweiss kennt, dem wird die Erkl\u00e4rung dieser Erscheinung nicht schwer fallen: es fehlten die so wichtigen stickstofffreien Substanzen. Die Indianer des n\u00f6rdlichen Amerikas nehmen auf ihre Jagdz\u00fcge als einzige Nahrung den Pemmikan, ein Gemisch von Fleischpulver und Fett, mit.\nSelbst die Milch ist trotz ihres Gehaltes an Fett und einem Kohlehydrat f\u00fcr den Arbeiter keine richtig zusammengesetzte Nahrung; bietet sie f\u00fcr ihn den Bedarf an Kohlenstoff, so f\u00fchrt sie, wie das fettarme Fleisch, zu viel Eiweiss ein. Daraus wird klar, warum wir zur animalischen Kost Fett oder Kohlehydrate heimischen.\nEs ist von h\u00f6chster Bedeutung, dass das Mehl der Getreidearten, das haupts\u00e4chlichste Nahrungsmittel des Menschen, von allen Nahrungsmitteln am n\u00e4chsten der richtigen relativen Zusammensetzung","page":498},{"file":"p0499.txt","language":"de","ocr_de":"Allgemeine Anforderungen an eine Nahrung.\n499\nkommt, denn man braucht f\u00fcr den Arbeiter nahezu gleiche Mengen davon, um den n\u00f6thigen Stickstoff und Kohlenstoff zu liefern. Gewisse Geb\u00e4cke aus dem Mehl der Cerealien wie z. B. Nudeln k\u00f6nnen, mit Br\u00fchen zum Befeuchten und mit einigen Genussmitteln, nahezu als ausschliessliche Nahrungsmittel auf die Dauer dienen, w\u00e4hrend das aus dem Mehle bereitete Schwarzbrod, der schlechten Ausn\u00fctzung im Darm und der zu grossen Gleichf\u00f6rmigkeit der Kost halber, keine gute ausschliessliche Nahrung f\u00fcr den Menschen ist, wenn auch mit anderen ein vorz\u00fcgliches Nahrungsmittel.\nUmgekehrt wie das fettarme Fleisch verhalten sich die stickstoffarmen Nahrungsmittel: der Mais, der Reis, die Kartoffeln, die R\u00fcben u. s. w. Sie enthalten wenig Eiweiss; wenn man daher wirklich so viel davon verzehrt, dass die Menge des Eiweisses gen\u00fcgt, so f\u00fchrt man, abgesehen von der grossen, kaum bew\u00e4ltigbaren Masse, welche mancherlei Beschwerden nach sich zieht, viel zu viel stickstofffreie Substanzen zu und begeht demnach eine Verschwendung. Darum werden diese Nahrungsmittel stets mit einem eiweissreichen vermischt und von keiner V\u00f6lkerschaft ausschliesslich genossen. Die Hindus und die Chinesen nehmen zu dem Reis, obwohl sie ihn in unglaublicher Menge verzehren, noch Fische, Bohnen, Erbsen, einen aus letzteren bereiteten K\u00e4se u. s. w.; der Italiener isst zu der Polenta trockenen K\u00e4se ; der Irl\u00e4nder und der Ostpreusse zu den Kartoffeln saure Milch oder H\u00e4ringe, da man nicht im Stande ist, auch in einem enormen Quantum von Kartoffeln in Folge der schlechten Ausn\u00fctzung gen\u00fcgend Eiweiss aufzunehmen.\nFette und Kohlehydrate ersetzen sich in ihrer Wirkung in Beziehung der Verh\u00fctung des Fettverlustes vom K\u00f6rper, aber nicht, wie schon fr\u00fcher (S. 281. 3IS) mitgetheilt worden ist, in derjenigen Menge, in welcher sie Sauerstoff zur Ueberf\u00fchrung in Kohlens\u00e4ure und Wasser in Anspruch nehmen (100:240), sondern ann\u00e4hernd in dem Verh\u00e4ltniss von 100:175. Die Einen mischen ihre Nahrung vorz\u00fcglich aus Eiweiss und Fett, die Anderen vorz\u00fcglich aus Eiweiss und Kohlehydraten. Zu der ausreichenden Eiweissmenge m\u00fcsste man zur v\u00f6lligen Deckung des Kohlenstoffs noch 346 Grm. Fett oder 596 Grm. St\u00e4rkemehl aufnehmen. Man k\u00f6nnte wohl nach den Ausn\u00fctzungsversuchen Rubner\u2019s solche Quantit\u00e4ten resorbiren, aber f\u00fcr eine gew\u00f6hnliche, auf die Dauer zu verzehrende Nahrung sind diese Mengen zu gross. Ausserdem sind die Kohlehydrate wohl in der Ersparung von Eiweiss und der Aufhebung der Fettabgabe vom K\u00f6rper dem Fett \u00e4quivalent, aber sie stellen wahrscheinlich nicht das Material f\u00fcr die Fettbildung dar (S. 414); da in diesem Falle bei Mangel an Fett in der Kost das Eiweiss die einzige\n32*","page":499},{"file":"p0500.txt","language":"de","ocr_de":"500\nVoit. Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\nFettquelle f\u00fcr den Organismus ist, indem sich aus demselben bei der Zersetzung Fett abspaltet, so ist namentlich bei geringer Eiweissgabe und geh\u00f6riger Th\u00e4tigkeit die Zufuhr von Fett von Bedeutung. Man mischt aus diesen Gr\u00fcnden zum Eiweiss Fette und Kohlehydrate zu. Auf den Gehalt der Nahrung und des K\u00f6rpers an Fett hat man bis jetzt viel zu wenig R\u00fccksicht genommen und erst in letzter Zeit ist man darauf aufmerksam geworden, dass dasselbe in der Nahrung und am K\u00f6rper eine wichtige Rolle spielt und nicht in jeder Beziehung durch die Kohlehydrate ersetzt werden kann. Die bessere Kost des Menschen (die geschmalzene) enth\u00e4lt daher stets reichlich Fett und zwar um so mehr, je intensiver gearbeitet wird; die Aermeren m\u00fcssen allerdings h\u00e4ufig sich auch hierin mit dem Aeusser-sten begn\u00fcgen. Ein Ueberschuss von Fett in der Nahrung ist \u00fcberdies nicht nutzlos, da derselbe im K\u00f6rper abgelagert wird und sp\u00e4ter zur Verwendung kommen kann; aber ein Ueberschuss von Kohlehydraten, \u00fcber die Menge hinaus, welche erforderlich ist, um den Verlust von Fett zu verh\u00fcten oder einen Ansatz von Fett zu Stande zu bringen, ist vollkommen nutzlos, da er einfach zerst\u00f6rt wird. Um eine richtige Mischung der beiden Stoffe zu erzielen, w\u00e4hlt der Mensch meist eine aus animalischen und vegetabilischen Substanzen gemischte Kost; die Fleischkost allein l\u00e4sst eine richtige Mischung nicht zu, wohl aber die Pflanzenkost allein, wenn man z. B. die eiweissreichen Leguminosen und Oel mit dem Mehl der Getreidearten zur Herstellung einer Nahrung verwendet.\nDer Verbrauch an den einzelnen Nahrungsstoffen ist nun, wie aus der Darlegung der Verschiedenheiten der Stoffzersetzung unter verschiedenen Verh\u00e4ltnissen hervorgeht, nicht stets der gleiche, sondern je nach der jeweiligen Zusammensetzung des K\u00f6rpers und den Umst\u00e4nden, unter denen er lebt, ein wechselnder. Dem entsprechend muss auch die Zusammensetzung der Nahrung, welche den K\u00f6rper auf seinem Bestand erhalten soll, also das Verh\u00e4ltnis der einzelnen Nahrungsstoffe zu einander, ungleich sein; es ist nicht, wie man geglaubt hat, f\u00fcr den Menschen oder eine Thierart constant. Arbeitet ein Mensch, der sich mit einer bestimmten Eiweissmenge auf seinem Gehalt an Eiweiss erh\u00e4lt, so wird viel mehr Fett in ihm zerst\u00f6rt als vorher bei der Ruhe d. h. er hat ein anderes Verh\u00e4ltnis von eiweisshaltigen und stickstofffreien Stoffen in der Nahrung n\u00f6thig1; ein Kind braucht zum Wachsthum seiner Organe relativ mehr Eiweiss; um\n1 Ein und derselbe Arbeiter zeigte nach Pettenkofek und mir, aus dem Verbrauch von Substanz berechnet, unter sonst, gleichen Bedingungen. an zwei auf einander folgenden Tagen bei Ruhe ein Yerh\u00e4ltniss von 1:3.5, bei Arbeit von 1:4.7.","page":500},{"file":"p0501.txt","language":"de","ocr_de":"Allgemeine Anforderungen an eine Nahrung.\n501\nEiweiss imcl Fett, wie bei der M\u00e4stung, zu m\u00f6glichst reichlichem Ansatz zu bringen, muss die Zufuhr von Eiweiss und Fett ansetzenden und sch\u00fctzenden Nahrungsstoffen eine ganz bestimmte sein, etwas zu viel oder zu wenig von dem einen oder andern Stoff \u00e4ndert in ung\u00fcnstiger Weise das Resultat.\nDurch die Untersuchung \u00fcber den wechselnden Verbrauch und Bedarf der einzelnen Nahrungsstoffe in verschiedenen F\u00e4llen ist das Geheimniss des richtigen Verh\u00e4ltnisses der stickstoffhaltigen und stickstofffreien Stoffe in der Kost, auf das zuerst Liebig aufmerksam gemacht hat, aufgekl\u00e4rt.\nIn dieser Beziehung wird vielfach gefehlt: die einen f\u00fchren zu viel Eiweiss, die andern zu viel Fett oder Kohlehydrate zu. Es kann das gleiche Resultat, die Erhaltung des stofflichen Bestandes eines Organismus auf mannigfache Weise, d. h. bei verschiedener Mischung und Menge der Nahrungsstoffe erreicht werden, aber nur ein Fall aus den mannigfachen M\u00f6glichkeiten ist f\u00fcr den jeweiligen K\u00f6rperzustand der richtige; dies ist derjenige, bei welchem mit den kleinsten Mengen jedes Nahrungsstoffes jener Effekt erzielt wird.\nMan muss in den Nahrungsmitteln zun\u00e4chst die geringste Quantit\u00e4t von Eiweiss reichen, bei welcher der Eiweissgehalt eines gegebenen und unter bestimmten Verh\u00e4ltnissen sich befindenden Organismus erhalten wird, und dann so viel Fette und Kohlehydrate zusetzen, dass kein Fettverlust vom K\u00f6rper eintritt. Dies giebt uns dann das f\u00fcr den betreffenden K\u00f6rperzustand richtige Verh\u00e4ltniss der stickstoffhaltigen und stickstofffreien Nahrungsstoffe. Um dies zu erreichen, mischen wir die Nahrung aus allerlei Nahrungsstoffen und Nahrungsmitteln des Thier- und Pflanzenreichs zusammen: aus Fleisch, Brod, Milch, Gem\u00fcsen, Fett u. s. w.\n3. Die Nahrungsstoffe m\u00fcssen aus dem Darmkanal in die S\u00e4fte auf genommen werden k\u00f6nnen.\nEin dritter Punkt, auf den bei Herstellung einer Nahrung R\u00fccksicht zu nehmen ist, ist der, dass die verzehrten Nahrungsstoffe auch in einer Form sich finden, in der sie vom Darm aus in gen\u00fcgender Menge in die S\u00e4fte \u00fcbergehen k\u00f6nnen, und zugleich dem Darm sowie dem \u00fcbrigen K\u00f6rper zu ihrer Bew\u00e4ltigung nicht zu viel Last und Arbeit aufb\u00fcrden oder anderweitige Sch\u00e4dlichkeiten bereiten.\nEs k\u00f6nnte ja, nach den bis jetzt angegebenen Anforderungen an eine Nahrung, Jemand auf den Einfall kommen, einem Menschen Heu vorzusetzen und ihm darin die n\u00f6thigen Nahrungsstoffe in ge-","page":501},{"file":"p0502.txt","language":"de","ocr_de":"502\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\nh\u00f6riger Menge und in dem richtigen Verh\u00e4ltnis darzubieten, und doch w\u00e4re das Heu f\u00fcr den Menschen keine Nahrung, weil aus demselben von dem menschlichen Darm die in den unl\u00f6slichen Celluloseh\u00fcllen eingeschlossenen Nahrungsstoffe nur zum geringsten Theile ausgelaugt werden. Man muss also wissen, ob die in den angeblichen Nahrungsmitteln enthaltenen Nahrungsstoffe auch im Darm verwerthet werden und in welcher Menge und Zeit dies geschieht.\nWir haben nun erfahren, dass die Ausn\u00fctzung im Darm eine sehr ungleiche ist, und darin ein Hauptunterschied gewisser pflanzlicher und thierischer Nahrungsmittel liegt. Giebt man in Fleisch mit Fett und in Brod oder Kartoffeln die gleiche Quantit\u00e4t von Ei-weiss und stickstofffreien Stoffen, so tritt im ersteren Falle mehr Eiweiss in die S\u00e4fte \u00fcber (S. 46S, 487). Nimmt ein Mensch in den gew\u00f6hnlichen vegetabilischen Nahrungsmitteln mit Brod, Kartoffeln und Gem\u00fcsen nur so viel von den einzelnen Nahrungsstoffen auf als seine Organe eben n\u00f6thig haben, so reicht, weil ein Theil der Stoffe im Koth entfernt wird, das Resorbirte zur Ern\u00e4hrung des K\u00f6rpers nicht hin. Erh\u00e4lt man aber den Organismus durch Mehraufnahme schliesslich auf seinem Best\u00e4nde, so wird viel sonst noch brauchbare Substanz mit dem Koth abgegeben, was eine Verschwendung von werthvollem Material und eine Ueberanstrengung des Darms bedingt.\nDas zumeist ansehnlich gr\u00f6ssere Volum der vegetabilischen Nahrung (S. 486), wie z. B. nach Aufnahme von Schwarzbrod, Kartoffeln, Reis, Mais u. s. w. bringt f\u00fcr den Darm und den \u00fcbrigen K\u00f6rper h\u00e4ufig weitere Beschwerden mit sich. Nur ein ganz gesunder Darm vermag die stark sauren Massen bei vorwaltender Brod- oder Kartoffelaufnahme auf die Dauer zu ertragen. Die mitgetheilten Ausn\u00fctzungsversuche ergeben, dass man mit einem Nahrungsmittel \u00fcber eine bestimmte Grenze nicht hinausgehen darf, wenn man die g\u00fcnstigste Verwerthung erzielen und dem K\u00f6rper keine \u00fcberm\u00e4ssige Belastung aufbiirden will.\nVom gew\u00f6hnlichen Roggenbrod m\u00fcsste ein robuster Arbeiter mindestens 1430 Grm. verzehren, um seinen Eiweissbedarf zu decken (S. 497), und wenn man die Kotkentleerung mit in Rechnung bringt, etwa 1750 Grm. Eine solche Quantit\u00e4t Brod k\u00f6nnen die wenigsten Menschen verzehren, obwohl Viele im Stande sind die entsprechende Menge von Mehl in verschiedenen Mehlspeisen zuzuf\u00fchren. G. Mayer bew\u00e4ltigte w\u00e4hrend 4 Tagen im Maximum je 817 Grm. Brod. William Stark (S. 337) lebte 42 Tage lang t\u00e4glich von 566\u2014849 Grm. Brod, wobei sein K\u00f6rpergewicht um 17 Pfd. abnahm; verzehrte er t\u00e4glich 736\u2014962 Grm. Brod mit 113\u2014226 Grm. Zucker, so verlor er in","page":502},{"file":"p0503.txt","language":"de","ocr_de":"Allgemeine Anforderungen an eine Nahrung.\n503\n28 Tagen 3 Pfd. an Gewicht; er nahm dagegen an Gewicht zu bei Aufnahme von 849 Grm. Brod und 1800 Grm. Milch. Die Versuchsperson Rubner\u2019s nahm w\u00e4hrend 2 Tagen ein Mal 1420, das andere Mal 1300 Grm. Schwarzbrod auf (mit 659 Grm. St\u00e4rkemehl im Mittel); es gingen dabei 15 \u00b0/o der aufgenommenen Trockensubstanz mit dem Kotli ab und es gelang nicht, den K\u00f6rper vor einem Verlust an Eiweiss ganz zu bewahren (S. 470).1 Es ist also wohl nur selten, nur bei herabgekommenem K\u00f6rper und ohne anstrengende Arbeit, m\u00f6glich, sich mit Brod allein zu ern\u00e4hren; ein Setzen auf Wasser und Brod kommt dem allm\u00e4hlichen Verhungern gleich. Und wenn das Brod, in gewissen F\u00e4llen, wirklich ausreichen w\u00fcrde, so ist die Ueberlastung des Darms eine bedeutende und der Verlust an Ern\u00e4hrungsmaterial gross. Der Mensch sollte vern\u00fcnftiger Weise f\u00fcr die Dauer nicht mehr als 750 Grm. Brod im Tag aufnehmen; es ist aber f\u00fcr den Arbeiter oder Soldaten leicht m\u00f6glich, diese Portion, namentlich in verschiedenen Brodsorten, zu verzehren.\nNoch viel schlimmer als mit dem Brod steht es mit den so viel gepriesenen Kartoffeln. Um mit ihnen (neben etwas Eiweiss in H\u00e4ringen oder Buttermilch) den K\u00f6rper zu erhalten, braucht man t\u00e4glich bis zu 3.5 Kilo. Die Versuchsperson Rubneu\u2019s (S. 478) hat im Mittel w\u00e4hrend 3 Tagen je 3078 Grm. Kartoffeln mit grosser Anstrengung verzehrt und trotzdem noch Eiweiss vom K\u00f6rper ein-geb\u00fcsst. Neben der kolossalen Verschwendung an Nahrungsstoffen durch die schlechte Ausn\u00fctzung ist die dem K\u00f6rper zugemuthete Last eine ungeheure. Die gr\u00f6sstentheils von Kartoffeln sich n\u00e4hrenden Irl\u00e4nder oder die arme Bev\u00f6lkerung mancher Gegenden Norddeutschlands bleiben nichts desto weniger schlecht gen\u00e4hrt, haben H\u00e4ngeb\u00e4uche (Kartoffelb\u00e4uche), sind zu keiner strengen Arbeit bef\u00e4higt und widerstehen krankmachenden Einfl\u00fcssen nur wenig. Die Kartoffel ist ein vorz\u00fcgliches Nahrungsmittel f\u00fcr den Menschen, aber die Versuche sie ausschliesslich d. h. als Nahrung zu ben\u00fctzen, haben zu den verderblichsten Folgen gef\u00fchrt.\nDas bedeutende Volum mancher vegetabilischen Kost macht dem Darm Beschwerden, wenn sie auch schliesslich so gut wie das Fleisch\n1 Auch f\u00fcr Hunde ist das Brod allein keine passende Nahrung. Ein Hund von 29 Kilo Gewicht, der von E. Bischoff t\u00e4glich 80<J Grm. Brod erhielt, verlor best\u00e4ndig Eiweiss von seinem K\u00f6rper; er befand sich nach 132 Tagen, nachdem er allm\u00e4hlich 3363 Grm. Fleisch abgegeben und h\u00f6chst elend geworden war, noch nicht ganz im Stickstoffgleichgewicht. Erst wenn sehr viel Brod verzehrt wird, tritt Stickstoffgleichgewicht ein z. B. bei einem Hunde von 22 Kilo Gewicht nach Aufnahme von 1054 Grm. Brod im Tag, wrobei aber dann 17 % der Trockensubstanz und 23 \u00b0/o des Stickstoffs des gefressenen Brodes im Koth wieder abgehen (Ztschr. f. Biologie. 1869. Y. S. 467. 46S. 473).","page":503},{"file":"p0504.txt","language":"de","ocr_de":"504\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\nausgen\u00fctzt wird, wie z. B. der Mais oder der Reis. Die in den ober-italienischen Reisfeldern arbeitenden Tagl\u00f6hner, welche ausschliesslich von Reis leben, erliegen vor der Zeit Ersch\u00f6pfungskrankheiten ; Aehnliches berichtet Wernich 1 \u00fcber die vorz\u00fcglich von Reis sich n\u00e4hrenden Japanesen.\nNach allen diesen Auseinandersetzungen ist es am besten und einfachsten, die Kost des Menschen aus animalischen und vegetabilischen Substanzen zu mischen. Rein animalische Kost ist nicht g\u00fcnstig, da man dabei entweder \u00fcberm\u00e4ssig Fleisch oder \u00fcberm\u00e4ssig Fett braucht; ausschliesslich vegetabilische Kost ist meist ung\u00fcnstig z. B. die aus Brod, Reis, Mais, Kartoffeln oder gr\u00fcnen Gem\u00fcsen zusammengesetzte.1 2 Man ist wohl im Stande, sich die Nahrung im geh\u00f6rigen Verh\u00e4ltniss der Nahrungsstoffe f\u00fcr manche Zwecke nur aus Substanzen vegetabilischen Ursprungs zu mischen z. B. aus Leguminosen und dem Mehl der Getreidearten, aus welchen man allerlei mit Fett versetzte Geb\u00e4cke bereitet3; aber eine solche rein vegetabilische Kost setzt immer einen recht gesunden Darm voraus und macht durch die st\u00e4rkere Belastung und l\u00e4ngere Verdauungszeit manche Schwierigkeiten, so dass selbst die sogenannten Vegetarianer sich den Genuss von Milch, K\u00e4se, Butter, Honig, animalischen Fetten u. s. w., welche doch aus dem Thierreiche stammen, nicht versagen. Kranke und Rekonvalescenten sind wohl kaum ohne Nachtheil auf vegetarianische Weise zu ern\u00e4hren, auch kleine Kinder nicht. Es ist absolut nicht einzusehen, warum wir uns zu unserer Ern\u00e4hrung nicht auch der Nahrungsmittel aus dem Thierreiche bedienen sollen. Die Bestrebungen der Vegetarianer sind aber trotz ihrer Einseitigkeit ein ganz heilsamer R\u00fcckschlag gegen die fr\u00fcheren Irrlehren, nach denen das Eiweiss allein nahrhaft sein und das eiweissreiche Fleisch vor Allem Kraft geben soll, gewesen.\nGr\u00f6ssere Leistungen lassen sich jedoch mit Vegetabilien allein\n1\tEr sagt w\u00f6rtlich: \u201eDie Japanesen haben nicht die robuste K\u00f6rperkonstitution der Chinesen ; eher zeigen sie eine physische Schw\u00e4che, die sich schon in ihrem d\u00fcrftigen W\u00fcchse, dem geringen Brustumfang und der sp\u00e4rlichen Entwicklung der Muskulatur zeigt. Als Kost nehmen sie Reis auf, in Wasser gequollen, nur von Zeit zu Zeit mit einem Bissen Fleisch und in Salz pr\u00e4servirtem Gem\u00fcse. Die Menge des Reises betr\u00e4gt f\u00fcr je eine der drei Mahlzeiten 470 Grm. ; sie leiden daher an habitueller Magenerweiterung und h\u00e4utig an Verdauungsst\u00f6rungen.\u201c\n2\tRummel hat 10 Tage lang ausschliesslich Vegetabilien gegessen ; sein K\u00f6rpergewicht nahm dabei um 2.5 Kilo ab. In der Nahrung waren 73.4 Grm. Stickstoff, im Harnstoff 108.3 Grm., sodass der K\u00f6rper ansehnlich Eiweiss einb\u00fcsste. (Verh. d. phys.-med. Ges. zu W\u00fcrzburg. 1855. S. 67.)\n3\tSiehe hier\u00fcber: Gustav Steuve, Pflanzenkost, die Grundlage einer neuen Weltanschauung. Stuttgart 1869. \u2014 Alfr. v. Seefeld, Die modernen Theorien der Ern\u00e4hrung und der Vegetarianismus. Hannover 1875. \u2014 Gust. Henschke, Die Pflanzenkost. Bern 1876.","page":504},{"file":"p0505.txt","language":"de","ocr_de":"Allgemeine Anforderungen an eine Nahrung.\n505\nkaum aiisf\u00fchren oder es kann wenigstens dabei die Kost nicht eine richtige Nahrung genannt werden. Ein starker Arbeiter braucht viel Eiweiss zur Erhaltung seiner bedeutenden Muskelmasse und eine gewaltige Menge stickstofffreier Substanz zur Verh\u00fctung des Fettverlustes. Er kommt nun'dabei an die Grenze, wo aus Mehl und anderen Vegetabilien nicht weiter mehr Eiweiss und St\u00e4rkemehl aufgenommen wird. Man f\u00fcgt deshalb gew\u00f6hnlich Substanzen hinzu wie z. B. Fleisch, trockne Fische, Milch oder K\u00e4se, aus welchen Eiweiss noch leicht ausgelaugt wird, und ausserdem Fett, um nicht so viel St\u00e4rkemehl geniessen zu m\u00fcssen. Daher bemerkt man im Allgemeinen, dass die Kost um so reicher an animalischen Substanzen und an Fett wird, je gr\u00f6sser die Arbeitsleistung ist. Es ist am einfachsten in Fleisch einen Theil des n\u00f6thigen Eiweisses aufzunehmen.1 Es giebt allerdings Beispiele, wo auch ohne Fleischgenuss eine t\u00fcchtige Arbeit ausgef\u00fchrt wird. Die Knechte auf dem Gute Laufzorn2 erhalten seit hundert Jahren ihre Hauptnahrung in Mehl und Schmalz, wie es in ganz Oberbayern und einem Theil von Schwaben unter der Landbev\u00f6lkerung \u00fcblich ist, aber sie m\u00fcssen darin t\u00e4glich die ganz enorme Menge von 7S8 Grm. St\u00e4rkemehl verzehren, um das n\u00f6thige Eiweiss zu erlangen, was nur einem sehr kr\u00e4ftigen Darm zugemuthet werden darf und im Allgemeinen gewiss keine ganz richtige Ern\u00e4hrungsweise ist. Aehnlich ist es mit der Kost der Holzknechte in Reichenhall und Oberaudorf3, welche Fleisch nicht mit auf die Berge f\u00fchren, und sich daher mit Mehl, Brod und Schmalz begn\u00fcgen m\u00fcssen; erstere verzehren 691 Grm., letztere 876 Grm. Kohlehydrate. Ich bin \u00fcberzeugt, dass die Bauern ausserdem noch Milch geniessen.\nDie Versuchsperson Rubner\u2019s hat allerdings im Tag an St\u00e4rkemehl verzehrt und aus dem Darm resorbirt:\nSt\u00e4rkemehl\n\tverzehrt\tresorbirt\nin Sp\u00e4tzein .\t558\t549\nin Mais .\t563\t545\nin Schwarzbrod.\t659\t587\nin Semmel .\t670\t665\nin Kartoffeln\t718\t663\nAber dies sind schon Extreme wie bei den oberbayerischen Bauern, den Irl\u00e4ndern und Japanesen. Man sollte nach meinen Er-\n1\tDer aus Erbsen hergestellte K\u00e4se oder die eiweissreiche S\u00fclze aus Bohnen unterscheidet sieb in nichts von den animalischen Substanzen.\n2\tH. Ranke, Die bayr. Landwirtschaft in den letzten 10 Jahren. Festgabe etc. S. 160. M\u00fcnchen 1872.\n3\tLiebig, Sitzgsber. d. bayr. Acad. II. S. 463. I860 ; Reden u. Abhandl. S. 121.","page":505},{"file":"p0506.txt","language":"de","ocr_de":"506\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\nfahrungen im Allgemeinen und auf die Dauer nicht mehr als 500 Grm. St\u00e4rkemehl in der t\u00e4glichen Nahrung eines Arbeiters reichen. In einer richtig zusammengesetzten Nahrung nimmt man nur so viel Eiweiss und St\u00e4rkemehl in Vegetabilien auf, als ohne Beschwerden f\u00fcr den K\u00f6rper m\u00f6glich ist; bei einem dar\u00fcber hinaus gehenden Bedarf wird durch einen m\u00e4ssigen Zusatz von Fleisch und Fett der Zweck besser erreicht als durch weitere Steigerung von Eiweiss und St\u00e4rkemehl in Vegetabilien.\nWegen des ziemlich betr\u00e4chtlichen Volums der t\u00e4glichen Nahrung des Menschen, namentlich des Arbeiters, ist es f\u00fcr gew\u00f6hnlich nicht m\u00f6glich auf ein Mal die f\u00fcr 24 Stunden ausreichende Quantit\u00e4t aufzunehmen. Wir halten daher mehrmals des Tags Mahlzeit. Ein fleischfressendes Thier ist leicht im Stande seine volle Nahrung f\u00fcr einen ganzen Tag in wenigen Minuten zu verschlingen ; der Pflanzenfresser kaut dagegen einen grossen Theil der Zeit an seinem Futter herum. Ein S\u00e4ugling muss alle 2\u20143 Stunden an die Brust gelegt werden. Bei vorwiegend animalischer Kost braucht man weniger Mahlzeiten zu halten als bei vegetabilischer; unsere Arbeiter, deren Kost zum guten Theil aus Brod besteht, essen in der Regel f\u00fcnfmal des Tags (Brodzeit). Der Japanese, der in 3 Mahlzeiten je 470 Grm. Reis verzehrt, der 4 Kilo Kartoffeln verschlingende Irl\u00e4nder, sie m\u00fcssen l\u00e4ngere Zeit auf ihr Essen verwenden. Nach der Beobachtung von J. Forster kommen die Soldaten im Kriege bei l\u00e4ngeren M\u00e4rschen haupts\u00e4chlich deshalb so herunter, weil sie h\u00e4ufig nur 1 mal des Tags ausser dem Fr\u00fchst\u00fcck zur Aufnahme von Speise kommen und es nicht m\u00f6glich ist, auf lmal das nach der grossen Anstrengung n\u00f6thige bedeutende Volum an Nahrung zu verzehren.\nZum Verzehren eines St\u00fcckes Brod von nicht ganz 200 Grm. sind 15 Minuten erforderlich. Tuczek 1 hat gefunden, dass ein Mensch bei gew\u00f6hnlichem gemischtem Essen in 3 \u25a0 Mahlzeiten 30 Minuten lang kaut, aber l\u00e4ngere Zeit auf die Mahlzeiten verwenden muss, bei denen ja nicht best\u00e4ndig gekaut wird. Die mehrmaligen Mahlzeiten haben auch noch einen anderen Grund; man will dadurch dem Darmkanal Pausen der Ruhe g\u00f6nnen, in denen andere Organe vollauf th\u00e4tig sein k\u00f6nnen und ferner die Zersetzungen im K\u00f6rper mehr gleichm\u00e4ssig und nach Bedarf vertheilen; denn nach der Nahrungsaufnahme w\u00e4chst der Stoffumsatz im K\u00f6rper an und wird somit mehr lebendige Kraft f\u00fcr die Wirkungen und Leistungen frei. Die Eintkeilung der Mahlzeiten auf den Tag und die Vertheilung der\n1 Tuczek, Ztsclir. f. Biologie. XII. S. 554. 1S7G. Der Arbeiter, der in der Zwischenzeit noch 2 mal Brod isst, kaut 58 Minuten lang.","page":506},{"file":"p0507.txt","language":"de","ocr_de":"Allgemeine Anforderungen an eine Nahrung.\n507\nNahrungsstoffe auf dieselben darf nicht eine beliebige und willk\u00fcrliche sein, sondern muss sich nach der Art der Kost, nach der Art und Gr\u00f6sse der Arbeit, und nach anderen Umst\u00e4nden richten. Es ist noch nicht entschieden, ob es besser ist, die Hauptmahlzeit mitten in das Tagewerk oder an den Schluss desselben zu verlegen. Die M\u00fcnchener Arbeiter nehmen nach meinen Bestimmungen1 in der Hauptmahlzeit zu Mittag 50 % des f\u00fcr den Tag n\u00f6thigen Eiweisses, 61 % des Fettes und 32% der Kohlehydrate auf. J. F\u00f6rster2 hat sp\u00e4ter noch einige Versuche der Art an 2 Arbeitern und 2 jungen Aerzten ausgef\u00fchrt und \u00e4hnliche Zahlen wie ich, n\u00e4mlich im Mittel 45 % Ei-weiss, 57% Fett und 39% Kohlehydrate, erhalten. Eine falsche Vertheilung der Mahlzeiten und der Nahrungsstoffe r\u00e4cht sich sicherlich an der Gesundheit des Menschen.\n4. Es m\u00fcssen ausser den Nahrungsmitteln noch Genussmittel\n(jegeben werden.\nDie letzte Anforderung an eine richtige Nahrung ist die Zumischung von Genussmitteln, deren Bedeutung fr\u00fcher schon (S. 420) dargelegt worden ist.\nNach diesen Prinzipien mischen wir die Nahrung aus den verschiedenartigsten Nahrungsstoffen und Nahrungsmitteln unter Zusatz von Genussmitteln zusammen.\nDie Kochkunst hat darnach eine wichtige Aufgabe. Sie hat nicht nur die Nahrungsstoffe in eine solche Mischung zu bringen, dass der Organismus sich dadurch auf die beste Weise stofflich erh\u00e4lt, sondern auch die Materialien f\u00fcr die Verdauung vorzubereiten und die mannigfachen Genussmittel in richtiger Art und Folge hinzuzuf\u00fcgen, damit die Speisen mit Lust verzehrt werden und einen guten Ablauf der Vorg\u00e4nge im Darm bewirken. Zu diesem Zwecke wird das Unverdauliche entfernt, und das Brauchbare geh\u00f6rig zubereitet, d. h. ihm eine Form und Beschaffenheit gegeben, dass es leicht durch die Verdauungss\u00e4fte angegriffen und daher die Zeit der Verdauungsarbeit abgek\u00fcrzt und der Darm m\u00f6glichst wenig bel\u00e4stigt wird.\nDiejenige wohlschmeckende Nahrung, welche allen Anforderungen strenge gen\u00fcgt, d. h. welche die f\u00fcr einen bestimmten Fall gerade erforderliche Quantit\u00e4t der einzelnen Nahrungsstoffe in rich-\n1\tVoit, Ztschr. f. Biologie. XII. S. 46. 1S76 ; Unters, d. Kost. S. 28. 1877.\n2\tJ. Forster, Ztschr. f. Biologie. IX. S. 396. 1874. \u2014 In der Schrift des Grafen Lippe \u00fcber ..Die rationelle Ern\u00e4hrung des Volkes\" Leipzig 1866, findet sich ein erster Versuch einer solchen Ausscheidung.","page":507},{"file":"p0508.txt","language":"de","ocr_de":"508\nYoit, Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\ntiger Mischung zuf\u00fchrt und dabei den K\u00f6rper so wenig als m\u00f6glich bel\u00e4stigt und abn\u00fctzt, ist f\u00fcr diesen Fall die richtige Nahrung oder das Ideal der Nahrung.\nEs wird h\u00e4ufig von diesem strengen Ideal in etwas abgewichen ; der K\u00f6rper besitzt gl\u00fccklicherweise Ausgleichungen daf\u00fcr durch Zerst\u00f6rung des \u00fcbersch\u00fcssigen Eiweisses, der Fette und der Kohlehydrate, durch Ansatz von Eiweiss und Fett, durch Ausscheidung des nicht verwendbaren Wassers und der Aschebestandtheile. Aber dies darf nicht zu weit und nicht zu lange Zeit hindurch geschehen, wenn . nicht eine Sch\u00e4digung der Gesundheit eintreten soll.\nII. Feststellung der Nahrung f\u00fcr einen Organismus und die Bilanz der Einnahmen und xlusgaben.\nNach den fr\u00fcheren Mittheilungen (S. IS) geht die Untersuchung des Verbrauchs im Thierk\u00f6rper, sowie der Verh\u00fctung des Verlustes von der Vergleichung der in den Einnahmen und in s\u00e4mmtlichen Ausgaben enthaltenen Elemente aus. Decken sich diese genau, dann hat sich der Organismus durch die Zufuhr auf seinem Best\u00e4nde erhalten; es k\u00f6nnen aber auch mehr oder weniger Stickstoff oder Kohlenstoff oder Aschebestandtheile u. s. w. vom K\u00f6rper abgegeben worden sein als in den Einnahmen enthalten waren, also Verlust 1 oder Ansatz dieser Elemente stattgefunden haben. Es wurde ebenfalls schon berichtet (S. 73), wie und unter welchen Voraussetzungen man die Stoffe findet, aus deren Zerst\u00f6rung die Elemente oder Produkte der Ausscheidungen hervorgegangen sind. In dieser Weise erkennt man aus der Bilanz der Einnahmen und Ausgaben, ob eine Mischung von Nahrungsstoffen und Nahrungsmitteln den K\u00f6rper erh\u00e4lt, d. h. ob sie eine Nahrung ist und in welcher Ausdehnung ein Ansatz oder eine Abgabe von Stoffen am K\u00f6rper stattfindet.\t1\nEs handelt sich aber, wie schon \u00f6fter hervorgehoben wurde (S. 497), nicht allein darum, ob \u00fcberhaupt mit einer gewissen Mischung von Eiweiss und stickstofffreien Nahrungsstoffen Gleichgewicht der Elemente der Einnahmen und Ausgaben besteht, sondern vielmehr, i wie dasselbe mit den geringsten Mengen von Substanz zu erreichen ist.\nEs ist nicht m\u00f6glich f\u00fcr den Menschen oder einen andern Organismus von vorn herein die beste Nahrung anzugeben, denn der Umsatz und der Bedarf an Stoffen im K\u00f6rper ist je nach der Individualit\u00e4t und den Umst\u00e4nden sehr verschieden (S. 500). Wir haben erkannt, dass die Gr\u00f6sse der Zersetzung der einzelnen Stoffe abh\u00e4ngig ist: zun\u00e4chst von der Beschaffenheit des Organismus, d. h. von","page":508},{"file":"p0509.txt","language":"de","ocr_de":"Bilanz der Einnahmen und Ausgaben.\n509\nder Masse seiner stoffzersetzenden Tkeile, ferner von der F\u00e4lligkeit der letzteren die Stoffe zu zerlegen, und von dem Reichthum an Fett in ihm, dann von der Menge des den Zellen zugef\u00fclirten zerst\u00f6rbaren Materials, sowie von gewissen Bedingungen, denen er unterliegt, z. B. der Gr\u00f6sse der Arbeitsleistung oder der Temperatur der Umgebung. Darnach richtet sich auch die Menge und Mischung der einzelnen Nahrungsstoffe in der Nahrung, der Eiweissbedarf vorz\u00fcglich nach der Organmasse, der Bedarf an stickstofffreien Stoffen nach der Arbeitsleistung. Nur selten wird es Vorkommen, dass zwei Organismen in allen diesen Momenten ganz gleich sich verhalten und daher zu einer idealen Nahrung ganz die gleiche Zufuhr aller Nahrungsstoffe n\u00f6thig haben. Jeder Organismus stellt somit eigentlich an jedem Tage einen speziellen Fall f\u00fcr sich dar mit bestimmten Bedingungen.\nWir wissen jetzt, warum grosse und kr\u00e4ftige Leute mehr bed\u00fcrfen als kleine oder herabgekommene, warum der Arbeitende relativ mehr stickstofffreie Stoffe braucht als der Ruhende. Wir verstehen den Einfluss des Alters und Geschlechts; Kinder haben wegen des Wachsthums und des kleineren K\u00f6rpers relativ mehr Eiweiss n\u00f6thig; Greise, welche gew\u00f6hnlich eine geringere Muskelmasse und einen zu gr\u00f6sseren Leistungen nicht mehr f\u00e4higen K\u00f6rper besitzen, m\u00fcssen weniger Substanz zuf\u00fchren. Man sagt gew\u00f6hnlich, Weiber h\u00e4tten einen geringeren Stoffwechsel als M\u00e4nner, da man bei ihnen meist weniger Harnstoff im Harn und weniger Kohlens\u00e4ure im Athem gefunden hat (Bischoff, Scharling, Andral und Gavarret), und bringt damit das Geschlecht in Zusammenhang; dies ist eine ganz falsche Vorstellung, denn bei gleicher Organmasse und Zusammensetzung zersetzt das Weib so viel wie der Mann, aber weniger, wenn es, wie es gew\u00f6hnlich der Fall ist, um 8\u20149 Kilo leichter ist als der Mann, mehr Fett am K\u00f6rper besitzt und nicht so intensiv arbeitet.\nMan hat f\u00fcr eine grosse Anzahl von F\u00e4llen der Art am Hund und Menschen den Stoffverbrauch ermittelt und die allgemeinen Prinzipien, welche f\u00fcr das Ideal einer Nahrung sowie f\u00fcr den Ansatz und die Abgabe von Substanz am K\u00f6rper maassgebend sind, erkannt. Um jedoch f\u00fcr einen bestimmten Organismus mit einer gegebenen Zusammensetzung und Arbeitsleistung die ideale Nahrung aufstellen zu k\u00f6nnen, m\u00fcsste man durch eingehende Versuche vorerst den Umsatz in ihm kennen lernen. Aber auch nach Durchf\u00fchrung einer solchen Untersuchung w\u00e4re man nicht im Stande f\u00fcr einen anderen Menschen die richtige Ern\u00e4hrungsweise vorzuschreiben. Man hat nun in den meisten F\u00e4llen nicht einen einzelnen Menschen zu ern\u00e4hren, sondern","page":509},{"file":"p0510.txt","language":"de","ocr_de":"510\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\nz. B. in Kasernen, Gef\u00e4ngnissen u. s. w. eine gr\u00f6ssere Anzahl, unter denen sich Leute von verschiedenster K\u00f6rperbeschaffenheit, Grosse und Kleine, Robuste und Schw\u00e4chliche, befinden; da es nicht m\u00f6glich ist, jedem eine besondere Nahrung nach seinem Bedarf vorzusetzen, sondern jeder das gleiche Gemisch erh\u00e4lt, so bleibt nichts anderes \u00fcbrig als f\u00fcr eine m\u00f6glichst grosse Anzahl von F\u00e4llen, an verschiedenen Individuen, bei wechselnder Zufuhr und allen m\u00f6glichen anderen Einfl\u00fcssen den Umsatz und den Bedarf festzustellen und dann eine Mittelzahl zu entnehmen f\u00fcr einen mittleren Organismus.1 Zur Aufstellung solcher mittlerer Werthe hat man neben der direkten Ermittlung der idealen Nahrung auch die Menge der Nahrungsstoffe, welche die Menschen und Thiere unter verschiedenen Umst\u00e4nden in ihrer Nahrung, mit der sie sich erfahrungs-gem\u00e4ss dauernd erhalten, verzehren, zu Hilfe genommen '2; allerdings bietet eine solche Erhebung keine vollkommene Sicherheit f\u00fcr eine richtige Ern\u00e4hrung wie der m\u00fchsame Versuch, da dabei nicht selten zu viel oder zu wenig von den einzelnen Nahrungsstoffen aufgenommen wird; aber die Erfahrung hat hier seit langer Zeit doch den Weg gewiesen und meist auch richtig finden lassen. Diese Erhebungen k\u00f6nnen daher mit den durch die genauen Untersuchungen gewonnenen Werth en als Anhaltspunkte zur Aufstellung einer Mittelzahl dienen.\n1\tBei der Ern\u00e4hrung der Thiere hat man schon l\u00e4ngst einen Unterschied gemacht ; man giebt den Pferden schwereren Schlages der schweren Reiterei mehr Heu und Hafer als denen der leichten Reiterei.\n2\tIn der ersten Zeit hat man die in der Nahrung aufgenommene Menge der Elemente, vorz\u00fcglich von Stickstoff und Kohlenstoff, beachtet, so z. B. bei den S. 10 angef\u00fchrten Stoffwechselgleichungen. Sp\u00e4ter hat man die darin enthaltenen Nahrungs Stoffe bestimmt, wie Mulder f\u00fcr die niederl\u00e4ndischen Soldaten, Playfair f\u00fcr verschiedene Arbeiter, Liebig f\u00fcr die Holzknechte im Gebirge und die Bergleute in der Rauris u. s. w., wor\u00fcber nachher noch berichtet werden wird. \u2014 Ueber die Methoden der Untersuchung der Kost des Menschen siehe : Voit, Ztschr. f. Biologie. XII. S. 51. 1870 und Untersuchung der Kost in einigen \u00f6ffentlichen Anstalten. 1877. Die Untersuchung der schon gekochten Kost giebt keine gen\u00fcgenden Aufschl\u00fcsse. Man kann auch nicht aus dem eingekauften Rohmaterial die verzehrten Nahrungsstoffe entnehmen, sondern nur aus den zur Herstellung der Speisen verwendeten Substanzen, da die Abf\u00e4lle meist sehr bedeutend sind. Man muss bei den Erhebungen besonders sorgf\u00e4ltig und vorsichtig sein. Es haben\nsich beim Sch\u00e4len und \"Putzen der Materialien folgende Abf\u00e4lle ergeben:\n0/\u201e\nNeue Kartoffel .\t.\t.\t19\nAlte Kartoffel (Juni) .\t30\nAlte Kartoffel (Juli)\t34\nFrische gr\u00fcne Bohnen\t2\nGelbe R\u00fcben ....\t6\nBlaukraut \t\t14\u201430\nWirsing\t\t16 \u2014 30\nWeisskraut ....\t20\u201425","page":510},{"file":"p0511.txt","language":"de","ocr_de":"Bilanz der Einnahmen und Ausgaben.\n511\nVolkmann 1 li\u00e2t die Elementarzusammensetzung des ganzen Menschen ermittelt und f\u00fcr einen mittleren Mann von 61.8 Kilo K\u00f6rpergewicht folgende Zahlen gefunden:\n\tGesammtmenge\t%\nWasser .\t.\t.\t40694\t65.9\nKohlenstoff.\t.\t11357\t18.4\nWasserstoff.\t1694\t2.7\nStickstoff\t1626\t2.6\nSauerstoff .\t3682\t6.0\nMineralstoffe\t2716\t4.4\nIch habe schon nach E. Bischoff\u2019s 2 Bestimmungen den Gehalt des ganzen menschlichen K\u00f6rpers und der haupts\u00e4chlichsten Organe an Wasser (S. 346), an Eiweiss und leimgebendem Gewebe (S. 388), an Fett (S. 404) und an Aschebestandtheilen (S. 353) angegeben. Daraus berechnet sich folgender prozentige Gehalt an diesen Stoffen:\n\t\u00b0;0\nWasser\t\t59\nEiweiss\t\t9\nLeimgebendes Gewebe\t6\nFett\t\t21\nAsche \t\t5\nDie Hauptmasse des K\u00f6rpers machen die Muskeln, dann das Skelett und das Fettgewebe aus; man hat, in Prozenten ausgedr\u00fcckt, daf\u00fcr erhalten 1 2 3 :\n\tV OLKMANN Mensch, Mittel\tBischoff Mann\tBischoff W eib\tBischoff Neugeborener\nSkelett .\t. .\t16.3\t15.9\t15.1\t15.7\nWillk. Muskeln\t43.0\t41.8\t35.8\t23.5\nFettgewebe .\t.\t9.9\t18.2\t28.2\t13.5\nBest ....\t30.8\t24.1\t20.9\t47.3\n\t100.0\t100.0\t100.0\t100.0\n1\tVolkhann, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. Math.-phys. CI. 1874. S. 202.\n2\tE. Bischoff, Ztschr. f. rat. Med. XX. (3) S. 75.1863.\n3\tGewichtsbestimmungen der Organe des Menschen wurden ausser von E. Bi-schoff und Volkmann noch ausgef\u00fchrt von: Welcher (Ztschr. f. rat. Med. 1863. S. 75), Durst (Systemat. Anat. 1863, Ztschr. f. rat. Med. XXI. (3) S. 195. 1864); G. v. Liebig (Arch. f. Anat. u. Physiol. 1874. S. 96); Dieberg (Casper\u2019s Vierteljahr-schritt f. gerichtl. u. \u00f6ffentl. Med. XXV. S. 127. 1S64) und Blosfeld (Henke\u2019s Ztschr. f. Staatsarzneikunde. LXXXVIII. S. 1.1864). \u2014 Ferner an Thieren: Organe d. Hundes von Scheffer (De animalium, aqua iis adempta, nutritione. Diss. inaug. Marburg 1852), Scheffer und C. Ph. Falck (Arch. f. physiol. Heilk. XIII. S. 508. 1854), und C. Ph. Falck (Arch. f. path. Anat. VII. S. 37. 1854). Organe der Katze von Bidder und Schmidt (Die Verdauungss\u00e4fte und der Stoffwechsel. S. 328 u. 329. 1852), Voit","page":511},{"file":"p0512.txt","language":"de","ocr_de":"512\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\nMan kann nun zusehen, welcher Bruchtheil der im Organismus abgelagerten Stoffe beim Hunger in einem Tage verloren geht und wie sich die Bilanz der Einnahmen und Ausgaben unter verschiedenen Verh\u00e4ltnissen stellt.1\nNach Pettenkofer und mir2 werden von einem 71 Kilo schweren kr\u00e4ftigen Manne beim Hunger an Elementen in 24 Stunden abgegeben:\n\tW asser\tKohlen- stoff\tWasser- stoff\tStick- stoff\tSauerstoff\tAsche\nEinnahmen:\t\t\t\t\t\t\nFleischextrakt 12.5\t3.97\t2.44\t0.49\t1.18\t2.02\t2.40\nKochsalz .\t.\t15.1\t0.27\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t14.83\nWasser .\t.\t1027.2\t1026.79\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t0.41\nSauerstoff. .\t779.9\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t779.90\t\u2014\n1834.7\t1031.03 = 114.56H 916.470\t2.44\t0.49 114.56 115.05\t1.18\t781.92 916.47 1698.39\t17.64\nAusgaben :\t\t\t\t\t\t\nHarn .\t.\t.\t1197.5\t1147.44\t8.25\t2.00\t12.51\t7.60\t19.70\nRespiration .\t1567.2\t828.90\t201.30\t\u2014\t\u2014\t537.00\t\u2014\n2764.7\t1976.34 = 219.59H 1756.75 O\t209.55\t2.00 219.59 221.49\t12.51\t544.60 1756.75 2301.35\t19.70\nDifferenz \u2014 930.0\t\u2014\t\u2014 207.11\t\u2014 106.54\t\u201411.33\t\u2014 602.96\t\u20142.06\nDarnach lebte der Mensch t\u00e4glich beim Hunger auf Kosten von : 80 G-rm. trocknem Fleisch, 216 Grm. Fett und 889 Grm. Wasser; er verlor etwa 1.6% seines Gesammtkohlenstoffs und 0.6% seines Stickstoffs. Die Ausgaben vertheilen sich zu 43% auf den Harn und zu 57 % auf die Respiration.\n(Ztschr. f. Biologie. H. S. 353 u. 354. 1S66) und F. A. Falck (Beitr. z. Physiologie, Hygiene, Pharinakol. und Toxikologie. 187 5. S. 129). Organe der Kaninchen von F. A. Falck (Beitr\u00e4ge u. s. w. 1875. S. 129). Organe des Rinds : Lawes u. Gilbert (Philos. Transact. H. p. 493. 1859). Organe der Gans von Emanuel (Quaedam de effectu, quem olea, in specie oleum jecoris aselli, exerceantin organismorum ejusque partes. Diss. inaug. Marburg 1848). Organe des Huhns von C. Ph. Falck (Schriften d. Ges. zur Bef\u00f6rderung d. ges. Haturw. zu Marburg. VIII. S. 195. 1857).\n1\tBei den fr\u00fcheren sogenannten Stoffwechselgleichungen, denen von Bous-singault, Barral u. s. w. (S. 10) wurde der Verlust durch Haut und Fungen nicht direkt bestimmt, und kam man namentlich in Beziehung der Stickstoff- und Koh-lenstofi\u00e4usfuhr zu den absurdesten Resultaten. Bilder und Schmidt bestimmten w\u00e4hrend einer Stunde des Tages auch die Kohlens\u00e4ureausscheidung. Kur bei den Versuchen von Pettenkofer und mir am Hund und Menschen wurden alle Elemente der Einnahmen und Ausgaben w\u00e4hrend 24 Stunden direkt controlirt.\n2\tPettenkofer u. Voit, Ztschr. f. Biologie. II. S. 480. 1866.","page":512},{"file":"p0513.txt","language":"de","ocr_de":"Bilanz der Einnahmen und Ausgaben.\n513\nUm einen Einblick in die unter der Einwirkung der Nahrungsaufnahme im Stoffumsatz stattfindenden Ver\u00e4nderungen zu gewinnen, theile ich die Bilanz von demselben Manne (von 69.5 Kilo Gewicht) bei reichlicher gemischter Kost und m\u00f6glichster Ruhe mit:\n\t\tWasser\tKohlen- stoff\tW asser-stoff\tStick- stoff\tSauerstoff\tAsche\nEinnahmen: Fleisch .\t.\t139.7\t\t79.5\t31.3\t43\t8.50\t12.9\t3.2\nI Eiereiweiss .\t41.5\t32.2\t5.0\t0.7\t1.35\t2.0\t0.3\nBrod .\t.\t.\t450.0\t208.6\t109.6\t15.6\t5.77\t100.5\t9.9\nMilch .\t.\t.\t500.0\t435.4\t35.2\t5.6\t3.15\t17.0\t3.6\nBier .\t.\t.\t1025.0\t961.2\t25.6\t4.3\t0.67\t30.6\t2.7\nSchmalz .\t.\t70.0\t\u2014\t53.5\t8.3\t\u2014\t8.1\t\u2014\nButter .\t.\t.\t30.0\t2.1\t22.0\t3.1\t0.03\t2.8\t\u2014\nSt\u00e4rkemehl .\t70.0\t11.0\t26.1\t3.9\t\u2014\t29.0\t\u2014\nZucker .\t.\t17.0\t\u2014\t7.2\t1.1\t\u2014\t8.7\t\u2014\nKochsalz .\t.\t4.2\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t4.2\nWasser .\t.\t286.3\t286.3\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\nSauerstoff.\t709.0\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t709.0\t\u2014\n\t3342.7\t2016.3\t315.5\t46.9\t19.47\t920.6\t23.9\nAusgaben Harn .\t.\t.\t1343.1\t= 224.0 H 1792.3 O 1278.6\t12.60\t224 0 270.9 2.75\t17.35\t1792.3 2712.9 13.71\t18.1\nKoth .\t. .\t114.5\t82.9\t14.50\t2.17\t2.12\t7.19\t5.9\nRespiration .\t1739.7\t828.0\t248.60\t\u2014\t\u2014\t663.10\t\u2014\n\t3197.3\t2189.5\t275.70\t4 92\t19.47\t684.00\t24.0\n\t\t= 243.3 H 1946.2 O\t\t243.30 248.22\t\t1946.20 2630.20\t\nDifferenz: + 145.4\t\t\u2014\t+ 39.8\t+ 22.7\t0\t+ 82.7\t\u2014 0.1\nDaraus berechnet sich :\n\taufgenommen\tzerst\u00f6rt\tangesetzt\nEiweiss\t.\t137\t137\t\u2014\t\nFett .\t.\t.\t.\t117\t52\t65\nKohlehydrate\t.\t352\t352\t\u2014\t\nDer K\u00f6rper h\u00e4tte sich daher bei m\u00f6glichster Ruhe erhalten mit 137 Grm. Eiweiss, 52 Grm. Fett und 352 Grm. Kohlehydrat. Der t\u00e4gliche Kohlenstoffumsatz betrug 2.1 % des Gesammtkohlenstoffs des K\u00f6rpers, der Stickstoffumsatz 1.1 % des Gesammtstickstoffs. Es werden 42 % der Ausscheidungen durch den Harn, 54 \u00b0/o durch die Respiration und 4 % durch den Kotli abgegeben.\nHandbuch der Physiologie. Bd. VI.\t3g","page":513},{"file":"p0514.txt","language":"de","ocr_de":"514\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\nGanz anders stellen sich die Verh\u00e4ltnisse, wenn derselbe Mann bei der n\u00e4mlichen gemischten Kost stark arbeitet:\n\t\tWasser\tKohlen- stoff\tW asser-stoff\tStick- stoff\tSauerstoff\tAsche\nEinnahmen :\t\t\t\t\t\t\t\nFleisch .\t.\t151.3\t91.05\t31.30\t4 32\t8.50\t12 90\t3.20\nEiereiweiss .\t48.1\t38.78\t5.00\t0.70\t1.35\t2.00\t0.30\nBrod .\t.\t.\t450.0\t208.60\t109.60\t15.60\t5.77\t100.50\t9.90\nMilch . . .\t500.0\t435.40\t35.25\t5.55\t3.15\t17.00\t3.65\nBier .\t. .\t1065.9\t999.60\t26.57\t4.48\t0.69\t31.77\t2.83\nSchmalz .\t.\t60.2\t\u2014\t46.05\t7.16\t\u2014\t6.98\t\u2014\nButter .\t.\t.\t30.0\t2.10\t22 00\t3.10\t0.03\t2.80\t\u2014\nSt\u00e4rkemehl .\t70.0\t11.00\t26.10\t3.90\t\u2014\t29.00\t\u2014\nZucker.\t. .\t17.0\t\u2014\t7.20\t1.10\t\u2014\t8.70\t\u2014\nKochsalz .\t.\t4.9\t0.09\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t4.81\nWasser. . .\t480.1\t479.91\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t0.19\nSauerstoff. .\t1006.1\t\u2014\t\u2014\t\t\u2014\t1006.10\t\u2014\nAusgaben\t3883.6\t2266.53 = 251.83# 2014.70 O\t309.17\t45.91 251.83 297.74\t19.49\t1217.75 2014.70 3232.45\t24.88\nHarn .\t.\t.\t1261.1\t1194.2\t12.6\t2.75\t17.41\t14.74\t19.4\nKoth .\t.\t.\t126.0\t94.1\t14.5\t2.17\t2.12\t7.19\t5.9\nRespiration .\t2545.5\t1411.8\t309 20\t\u2014\t\u2014\t824.50\t\u2014\n\t3932.6\t2700.1 = 300.00# 2400.10 O\t336.30\t4.92 300.00 304.92\t19.53\t846.43 2400.10 3246.53\t25.3\nDifferenz :\t\u2014 49.0\t\u2014\t\u2014 27.13\t\u2014 7.18\t\u2014 0.04\t\u2014 14.08\t-0.42\nAus diesen Zahlen geht hervor, dass bei der starken Arbeit nicht mehr Stickstoff, wohl aber wesentlich mehr Kohlenstoff ausgeschieden wird; es werden verbraucht: 137 Grm. Eiweiss, 173 Grm. Fett und 352 Grm. Kohlehydrat. Es wurden t\u00e4glich 2.6 % des im K\u00f6rper abgelagerten Kohlenstoffs umgesetzt und 1.1 % des Stickstoffs. Die Ausgaben vertheilen sich zu 33 \u00b0/o auf den Harn, 65 \u00b0/o auf die Respiration und 2 % auf den Koth.\nEs ist noch von Interesse, die Verh\u00e4ltnisse der Ausscheidungen eines kleineren, schlecht gen\u00e4hrten Mannes, von nur 52.5 Kilo Gewicht, bei der gleichen gemischten Nahrung im Ruhezustand zu betrachten.\nEs ergab sich bei ihm:","page":514},{"file":"p0515.txt","language":"de","ocr_de":"Bilanz der Einnahmen und Ausgaben.\n515\n\t\tWasser\tKohlen- stoff\tWasser-stoff\tStick- stoff\tSauerstoff\tAsche\nEinnahmen :\t\t\t\t\t\t\t\nFleisch .\t.\t151.1\t90.85\t31.3\t4.30\t8.50\t12.90\t3.20\nEiereiweiss .\t61.8\t52.48\t5.0\t0.7\t1.35\t2.0\t0.3\nBrod . . .\t450.0\t208.60\t109.6\t15.6\t5.77\t100.5\t9.9\nMilch .\t.\t.\t509.6\t443.76\t35.93\t5.61\t3.21\t17.33\t3.72\nBier....\t1012.7\t949.71\t25.25\t4.25\t0.66\t30.19\t2.69\nSchmalz .\t.\t58.8\t\u2014\t44.98\t7.0\t\u2014\t6.80\t\u2014\nButter .\t.\t.\t30.0\t2.10\t22.00\t3.10\t0.03\t2.80\t\u2014\nSt\u00e4rkemehl .\t70.0\t11.00\t26.1\t3.9\t\u2014\t29.0\t\u2014\nZucker.\t.\t.\t17.0\t\u2014\t7.2\t1.1\t\u2014\t8.7\t\u2014\nKochsalz .\t.\t4.3\t0.08\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t4.22\nWasser .\t.\t41.4\t41.38\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t0.02\nSauerstoff.\t.\t600.7\t\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t600.7\t\u2014\n\t3007.4\t1799.96\t307.36\t45.46\t19.52\t810.92\t24.05\n\t\t= 199.97/\t\t199.90\t\t1600.00\t\n\t\t1600.0 O\t\t245.36\t\t2410.92\t\nAusgaben\t\t\t\t\t\t\t\nHarn .\t.\t.\t1069.6\t1005.7\t12.70\t2.80\t18.03\t12.37\t18.0\nKoth . .\t.\t137.1\t105.3\t14.58\t2.17\t2.12\t7.71\t5.9\nRespiration .\t1597.8\t902.6\t189 6\t\u2014\t\u2014\t505.60\t\u2014\n\t2804.5\t2013.6\t216.88\t4.97\t20.15\t525.68\t23.90\n\t\t= 223.70 H\t\t223.70\t\t1789.90\t\n\t\t1789.90 O\t\t228.67\t\t2315.58\t\nDifferenz: -[-202.9\t\t\u2014\t+ 90.48\t+ 16.69\t\u2014 0.63\t-f- 95.34\t-j\u2014 0.15\nTrotz gleicher Nahrung ist also der Erfolg bei verschiedenen Menschen ein ganz verschiedener; der schlecht gen\u00e4hrte Mann zersetzt dabei die n\u00e4mliche Menge von Eiweiss wie der wohl gen\u00e4hrte, kr\u00e4ftige Mann, er setzt aber daraus wesentlich mehr Fett an als der letztere.\nIch gebe noch einige charakteristische Beispiele aus den von Pettenkofek und mir 1 an einem Hunde von etwa 33 Kilo Gewicht angestellten Reihen, und zwar beim Hunger (6. Hungertag), bei ausschliesslicher Fleischnahrung, welche den K\u00f6rper v\u00f6llig auf seiner Zusammensetzung erhielt, und bei Zufuhr einer nahezu gen\u00fcgenden Menge von Fleisch mit Fett oder Zucker.\n1 Petteekofer u. Voit , Ztsclir. f. Biologie. Y. S. 371. 1S69, VIL S. 456. 1871, IX. S. 6 u. 442. 1873.\n33*","page":515},{"file":"p0516.txt","language":"de","ocr_de":"516\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\nBeim Hunger:\n\t\tWasser\tKohlen- stoff\tWasser-stoff\tStick- stoff\tSauerstoff\tAsche\nEinnahmen\t\t\t\t\t\t\t\nWasser .\t. Sauerstoff. .\t33.0 358.1\t33.0\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t358.1\t\n\t391.1\t33.0 = 3.1 H 29.3 O\t\u2014\t3.7\t\u2014\t358.1 29.3\t\n\t\t\t\t\t\t387.4\t\nAusgaben:\t\t\t\t\t\t\t\nHarn .\t.\t. Respiration .\t124.3 766.8\t105.6 400.5\t4.2 99.9\t1.0\t5.95\t5.4 266.4\t2.15\n\t891.1\t506.1 = 56.2 H 449.9 O\t104.1\t1.0 56.2\t5.95\t271.8 449.9\t2.15\n\t\t\t\t57.2\t\t721.7\t\nDifferenz : \u2014\t500.0\t\t\u2014 104.1\t\u2014 53.5\t\u2014 5.95\t\u2014 334.3\t\u2014 2.15\nDaraus ergiebt sich ein Verbrauch von 42.2 Grm. Eiweiss und 107 Grm. Fett.\nDagegen zeigten sich, als derselbe Hund mit 1500 Grm. reinem Fleisch gef\u00fcttert wurde, im Mittel aus 4 Versuchstagen folgende v\u00f6llig ge\u00e4nderte Verh\u00e4ltnisse:\n\t\tW asser\tKohlen- stoff\tWasser- stoff\tStick- stoff\tSauerstoff\tAsche\nEinnahmen :\t\t\t\t\t\t\t\nFleisch .\t.\t1500.0\t1138.5\t187.8\t25.9\t51.0\t77.2\t19.5\nSauerstoff .\t486.6\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t486.6\t\n\t1986.6\t1138.5\t187.8\t25.9\t51.0\t563.8\t19.5\n\t\t= 126.5 R\t\t126.5\t\t1012.0\t\nAusgaben\t\t1012.0 O\t\t152.4\t\t1575.8\t\nHarn .\t.\t.\t1061.0\t920.5\t30.3\t7.9\t50.3\t\u202235.9\t16.1\nKoth .\t.\t.\t40.1\t28.8\t4.9\t0.7\t3.7\t1.5\t3.4\nRespiration .\t910.6\t365.3\t149.3\t1.5\t\u2014\t394.5\t\n\t2011.7\t1314.6\t184.5\t10.1\t51.0\t431.9\t19.5\n\t\t= 146.1 H\t\t146.1\t\t1168.5\t\n\t\t1168.5 O\t\t156.2\t\t1600.4\t\nDifferenz: -\t- 25.1\t\u2014\t+ 3.3\t\u2014 3.8\t0\t\u2014 24.6\t0\nAus diesem Ergebniss ist ersichtlich, dass die gegebene Menge Fleisch f\u00fcr den Hund eine Nahrung ist und sich die Elemente der","page":516},{"file":"p0517.txt","language":"de","ocr_de":"Bilanz der Einnahmen und Ausgaben.\n517\nEinnahmen und Ausgaben vollst\u00e4ndig decken. Es ist im K\u00f6rper nichts anderes als 1500 Grm. Fleisch zersetzt worden.\nMan kann nun das Thier ebenfalls auf seinem Best\u00e4nde erhalten durch Zufuhr von viel weniger Fleisch unter Zusatz von stickstofffreien Stoffen, z. B. von Fett oder Kohlehydraten.\nBei Aufnahme von 500 Grm. Fleisch und 100 Grm. Fett fand sich:\n\t\tWasser\tKohlen- stoff\tWasser- stoff\tStick- stoff\tSauerstoff\tAsche\nEinnahmen Fleisch. .\t.\t500.0\t379.5\t62.6\t8.7\t17.0\t25.8\t6.5\nFett. . . .\t100.0\t\u2014\t76.5\t11.9\t\u2014\t11.6\t\u2014\nSauerstoff.\t.\t375.5\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t375.5\t\u2014\n\t975.5\t379.5\t139.1\t20.6\t17.0\t412.9\t6.5\nAusgaben: Harn .\t.\t.\t353.0\t= 42.1 H 337.3 O 307.2\t9.8\t42.1 62.7 2.6\t16.4\t337.3 750.2 11.7\t5.2\nKoth .\t. .\t14.9\t8.1\t3.6\t0.5\t0.3\t0.9\t1.5\nRespiration .\t639.5\t274.7\t98.6\t3.2\t\u2014\t263.0\t\u2014\n1007.4\t\t590.0\t112.0\t6.3\t16.7\t275.6\t6.7\n\t\t- 65.5 H 524.5 O\t\t65.5 71.8\t\t524.5 800.1\t\nDifferenz: -\t-31.9\t\t+ 27.1\t\u2014 9.1\t+ 0.3\t\u2014 49.9\t\u2014 0.2\nEs wurden dabei im K\u00f6rper zersetzt: 491 Grm. Fleisch und 66 Grm. Fett, also 9 Grm. Fleisch und 34 Grm. Fett angesetzt.\nAls der Hund 400 Grm. Fleisch mit 250 Grm. Zucker erhielt, ergab sich Folgendes:\n\t\tW asser\tKohlen- stoff\tWasser- stoff\tStick- stoff\tSauerstoff\tAsche\nEinnahmen:\t\t\t\t\t\t\t\nFleisch.\t.\t.\t400.0\t303.6\t50.1\t6.9\t13.6\t20.6\t5.2\nZucker.\t.\t.\t250.0\t22.7\t90.9\t15.2\t\u2014\t121.2\t\u2014\nWasser .\t.\t350.0\t350.0\tc\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\nSauerstoff. .\t434.7\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t434.7\t\u2014\n\t1434.7\t676.3\t141.0\t22.1\t13.6\t576.5\t5.2\n\t\t= 75.1 H\t\t75.1\t\t601.2\t\n\t\t601.2 O\t\t97.2\t\t1177.7\t\nAusgaben\t\t\t\t\t\t\t\nHarn .\t.\t.\t276.0\t240.9\t7.6\t2.0\t12.6\t9.0\t4.0\n1 Koth .\t.\t.\t38.7\t26.2\t5.4\t0.8\t0.8\t1.7\t3.8\nj Respiration .\t1258.7\t720.9\t146.6\t\u2014\t\u2014\t391.2\t\u2014\n1573.4\t\t988.0 = 109.8 H 878.2 O\t159.6\t2.8 109.8\t13.4\t401.9 878.2\t7.8\n\t\t\t\t112.6\t\t1280.1\t\nDifferenz: \u2014 i\t- 138.7\t_\t\u2014 18.6\t\u2014 15.4\t+ 0.2\t\u2014 102 4\t\u2014 2.6","page":517},{"file":"p0518.txt","language":"de","ocr_de":"518\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\nDaraus ergiebt sich, dass im K\u00f6rper 393 Grm. Fleisch und 227 Grm. Zucker zersetzt wurden; es fand ein Ansatz von 7 Grm. Fleisch und eine Abgabe von 25 Grm. Fett vom K\u00f6rper statt. Es h\u00e4tte also eine etwas gr\u00f6ssere Gabe von Zucker zum Fleisch gereicht werden m\u00fcssen, um das Thier auf seinem Fettbestande zu erhalten.\nWenn man nun von den allgemeinen Betrachtungen zu den speziellen F\u00e4llen \u00fcbergeht und f\u00fcr bestimmte Verh\u00e4ltnisse die Menge der einzelnen Nahrungsstoffe zu ermitteln sucht, so sieht man der Einfachheit halber zun\u00e4chst von der Angabe der Gr\u00f6sse der Zufuhr des Wassers, das zumeist frei zur Verf\u00fcgung steht, ab; ebenso von den in den gew\u00f6hnlichen Nahrungsmitteln in gen\u00fcgender Menge vorhandenen Aschebestandtheilen, und ber\u00fccksichtigt also nur die organischen Nahrungsstoffe. Von diesen beschr\u00e4nkt man sich unter den stickstoffhaltigen auf das Eiweiss, da die \u00fcbrigen stickstoffhaltigen Nahrungsstoffe z. B. der Leim nur einen kleinen Bruchtheil in der Nahrung ausmachen, und unter den stickstofffreien aus dem gleichen Grunde auf das Fett und die Kohlehydrate. Man giebt daher f\u00fcr gew\u00f6hnlich nur an, wieviel Eiweiss, Fett und Kohlehydrate in einem bestimmten Falle im Mittel erforderlich sind.\nIII. Nahrung eines mittleren Arbeiters.\nEs ist am besten die f\u00fcr einen kr\u00e4ftigen Arbeiter bei der gew\u00f6hnlichen 9\u201410st\u00e4ndigen mittleren Arbeit in der Nahrung n\u00f6thige Menge von Eiweiss, Fett und Kohlehydraten zuerst zu betrachten, um ein Normalmaass f\u00fcr einen mittleren leistungsf\u00e4higen Menschen zu gewinnen.\nDer kr\u00e4ftige 70 Kilo schwere Arbeiter von 2S Jahren, dessen Stoffumsatz Pettenkofer und ich 1 untersuchten, verbrauchte t\u00e4glich :\nbei Ruhe bei Arbeit Eiweiss\t137\t137\nFett.............72\t173\nKohlehydrate\t.\t.\t352\t352\nStickstoff ....\t19.5\t19.5\nKohlenstoff\t.\t.\t.\t2S3\t356\nJ. Forster2 fand in der nach Belieben aufgenommenen Nahrung bei mehrt\u00e4giger Beobachtung folgende Mengen der Nahrungsstoffe :\n1\tPettenkofer u. Voit, Ztschr. f. Biologie. IL S. 4S8. 1866.\n2\tJ. Forster, Ebenda. IX. S. 381. 1873; bei Voit. Unters, d. Kostu. s. w. 1877. S. 208.","page":518},{"file":"p0519.txt","language":"de","ocr_de":"Nahrung eines mittleren Arbeiters.\n519\n\tEi- weiss\tFett\tKohle- hydrate\tN\tC\nArbeiter, Dienstmann, 36 J.\t133\t95\t422\t21\t331\nArbeiter, Schreiner, 40 J. .\t131\t6S\t494\t20\t342\nJunger Arzt\t\t127\t89\t362\t20\t297\nJ linger Arzt\t\t134\t102\t292\t21\t280\nKr\u00e4ftiger alter Mann .\t.\t.\t116\t68\t345\t\u2014\t\u2014\nZu \u00e4hnlichen Zahlen sind auch Andere durch mehr oder weniger genaue Berechnungen der in der Kost aufgenommenen Nahrungsstoffe gekommen1:\n\tEiweiss\tFett\tKohle- hydrate\tA\tC\tAutor\nNormalration eines Erwachsenen .\t130\t\t\t20\t310\tPayen\n11\tV\tV\tM\t119\t51\t530\t18\t337\tPlayfair\nMann bei mittlerer Arbeit....\t130\t40\t550\t20\t325\tMoleschott\nii\tn\tv\t*\t120\t35\t540\t19\t331\tWolff\nSoldat, leichter Dienst\t\t117\t35\t447\t18\t288\tHildesheim\nim Felde\t\t146\t44\t504\t23\t336\t\nNiederl\u00e4ndische Soldaten ....\t100\t\u2014\t\u2014\t16\t\u2014\tMulder\nAls Mittelwerth aus einer gr\u00f6sseren Anzahl von Beobachtungen habe ich f\u00fcr einen mittleren Arbeiter 118 Grm. Eiweiss und 328 Grm. Kohlenstoff als Erforderniss angegeben2, und zwar bei einer gemischten aus etwas Fleisch und Vegetabilien (mit Brod) bestehenden Nahrung. Es sind also, da 118 Grm. Eiweiss schon 63 Grm. Kohlenstoff enthalten, noch 265 Grm. Kohlenstoff durch Fett oder Kohlehydrate zu decken. Diese Betrachtung ist zwar nicht ganz richtig3,\n1\tPayen, Pr\u00e9cis des substances alimentaires, p. 4S2. Paris 1854. \u2014 Playeair, The medical Times and Gazette. I. p. 461. 1865. \u2014 Moleschott, Physiologie d. Nahrungsmittel. S. 223. I860. \u2014 Hildesheim, Die Normaldi\u00e4t. S. 32. 1856. \u2014 Mulder, Die Ern\u00e4hrung in ihrem Zusammenh\u00e4nge mit d. Volksgeist, \u00fcbers, v. Moleschott. 1847.\n\u2014\tFrerichs nahm, aus der Harnstoffausscheidung beim Hunger gesch\u00e4tzt, nur 60 Grm. Eiweiss als Erforderniss an.\n2\tUeber die Harnstoffausscheidung beim Menschen siehe : Lecanu, Journ. de pharmacie. XXV. 1839. \u2014 Bischoff, Der Harnstoff als Maass des Stoffwechsels. 1853.\n\u2014\tBeigel, Nova acta etc. XXV. (1) p. 479. 1S55. \u2014 Nach Liebig\u2019s Berechnung (Thierchemie. S. 14. 1S46) soll ein Soldat 464 Grm. Kohlenstoff durch Haut und Lunge abgeben, was sicherlich viel zu hoch ist. Nach Scharling scheidet ein Mann durch die Respiration im Tag 219 Grm. Kohlenstoff aus; nach Speck 246 Grm.\n3\tDie verschiedenen Angaben \u00fcber den Eiweissverbrauch eines Menschen r\u00fchren zum Theil daher, dass es wegen der ungleichen Ausn\u00fctzung sehr darauf ankommt, in welchen Substanzen das Eiweiss gereicht wird ; in einer m\u00e4ssig Fleisch enthaltenden Kost braucht man weniger zu geben als in einer vorwiegend aus Brod und Kartoffeln bestehenden.","page":519},{"file":"p0520.txt","language":"de","ocr_de":"520\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\nda es selbstverst\u00e4ndlich nicht auf den Gehalt an Kohlenstoff\u201c ankommt, sondern darauf, in welchen Stoffen derselbe steckt, denn der Kohlenstoff im Fett ist mehr werth als der in den Kohlehydraten. Es ist fr\u00fcher (S. 499) schon angegeben worden, dass es nicht rationell w\u00e4re, den Bedarf von 265 Grm. Kohlenstoff nur in Fett oder nur in Kohlehydraten zu geben, weil die Wenigsten so viel Fett oder so viel St\u00e4rkemehl auf die Dauer zu ertragen verm\u00f6chten ; bei gr\u00f6sserer Arbeitsleistung, bei welcher entsprechend mehr stickstofffreie Substanz zerst\u00f6rt wird, gestaltet sich die Sache noch schlimmer. Der Mensch geniesst daher in der Regel Fette und Kohlehydrate. Man soll bei Arbeitern nach meinen Erfahrungen wegen der fr\u00fcher hervorgehobenen Unzuk\u00f6mmlichkeiten nicht \u00fcber 500 Grm. St\u00e4rkemehl hinausgehen; der Rest des Kohlenstoffs wird dann durch Fett gedeckt und zwar bei 500 Grm. St\u00e4rkemehl durch 56 Grm. Fett.1 F\u00fcr die nicht mit der Kraft ihrer Arme Arbeitenden halte ich es f\u00fcr besser nur gegen 350 Grm. Kohlehydrate zu geben und den \u00fcbrigen Bedarf in Fett zu reichen; im Allgemeinen enth\u00e4lt die Kost der wohlhabenden Klassen absolut und relativ mehr von dem theuern Fett und weniger von den volumin\u00f6sen Kohlehydraten (S. 500).\nMan gab sich fr\u00fcher, verleitet durch falsche Voraussetzungen, grossen T\u00e4uschungen \u00fcber die f\u00fcr einen Arbeiter n\u00f6thigen Nahrungsstoffe hin. Man hatte bekanntlich die Idee, dass bei der Th\u00e4tig-keit der Muskeln die organisirte eiweisshaltige Substanz derselben, entsprechend der Anstrengung, zerst\u00f6rt werde, und dass daher ein Mensch bei der Arbeit mehr Eiweiss zersetze, also auch mehr davon in der Nahrung bed\u00fcrfe als bei der Ruhe, d. h. dass ein und derselbe Arbeiter je nach der Gr\u00f6sse der Arbeit mehr oder weniger Eiweiss erhalten m\u00fcsse. Man wurde in der Richtigkeit dieser Schlussfolgerung vorz\u00fcglich durch die Zusammenstellungen Playfair\u2019s best\u00e4rkt, nach denen wirklich verschiedene Arbeiter, ziemlich ent-\n1 Es finden sich in der\nNahrung :\n\tEiweiss\tFett\tKohlehydrate\tAutor\nDeutscher Soldat in der Garnison .\t.\t.\t117\t26\t547\tVoit\n\u201e\t\u201e auf dem Marsch .\t.\t143\t36\t595\t\n\u00ab\t\u00bb im Krieg\t\t151\t46\t522\t\n\u201e\t\u201e bei ausserord. Leistung Gut bezahlter Arbeiter\t\t191\t63\t607\t\n\t\u2014\t56\t450\t\nW\tv\t5?\t\t\t\u2014\t59\t491\t\nV\tv\t\t\t\u2014\t48\t497\t\nArbeiter\t\t\u2014\t95\t422\tForster\n5?\t\t\t\u2014\t68\t494\t\nJunger Arzt\t\t\u2014\t89\t362\t\n5)\tW\t\t\t\u2014\t102\t292\t","page":520},{"file":"p0521.txt","language":"de","ocr_de":"Nahrung eines mittleren Arbeiters.\n521\nsprechend dem Grad ihrer Arbeitsleistung, Eiweiss in der Kost aufnehmen. Playfair 1 giebt an :\n\tEi- weiss\tFett\tKohle- ' hydrate\tC\nMinimalbedarf (Erhaltung) .\t.\t57(?)\t14\t340\t190\nRuhe\t\t71(?)\t28\t340\t210\nMassige Bewegung\t\t119\t51\t530\t337\nStarke Arbeit\t\t156\t71\t567\t380\nAngestrengte Arbeit ....\t184\t71\t567\t405\nNach Liebig\u2019s Angabe nimmt ein Brauknecht der Sedlmayr\u2019schen Bierbrauerei zu M\u00fcnchen w\u00e4hrend des Sudes bei angestrengtester Th\u00e4tigkeit in Brod, Fleisch und Bier auf:\nEiweiss Fett Kohlehydrate\nBrod .\t.\t42\t\u2014\t224\nFleisch\t.148\t73\t\u2014\nBier .\t\u2014\t\u2014\t37 5\nL9\u00d6\t73\t599\nEs kann nach diesen Erhebungen nicht zweifelhaft sein, dass verschiedene Arbeiter entsprechend der Anstrengung, die ihnen die Arbeit auferlegt, Eiweiss verzehren. Nun hat sich aber, vorz\u00fcglich durch meine Untersuchungen herausgestellt, dass ein und derselbe Mensch, der stets die gleiche ausreichende Kost erh\u00e4lt, bei der st\u00e4rksten Arbeit, deren er f\u00e4hig ist, nicht mehr Eiweiss zerst\u00f6rt als bei m\u00f6glichster Ruhe, wohl aber viel mehr Fett.\nDieses Resultat widerspricht nicht der gew\u00f6hnlichen Erfahrung, nach welcher nach k\u00f6rperlicher Anstrengung der Appetit w\u00e4chst; denn es ist damit nicht ausgesagt, dass bei der Arbeit gleich viel Stoff im K\u00f6rper zersetzt werde wie bei der Ruhe, sondern nur dass dabei nicht mehr Eiweiss zersetzt werde, wohl aber mehr stickstofffreie Stoffe.\nMan hat gemeint, das von mir durch den Versuch Gefundene\n1 Playfair, Edinburgh new philosophical Journal. LVI. p. 266. 1854; On the food of man in relation tho is useful Work. Edinburgh 1S65 ; Medical Times and Gazette. I. p. 460. 1865, II. p. 325. 1S66. Er hat dabei ferner gefunden :\nEiweiss Fett Kohlehydrat\nLandwirthschaftl. Arbeiter in Indien ....\t57(?)\t560\n\u201e\t\u201e\t\u201e in Dortsetshire .\t.\t83 (?)\t293\n\u201e\t\u201e in Gloucestershire .\t108\t432\nEnglische Marine............................. 142\t73\t408\nEisenbahnarbeiter in der Krim................ 162\t94\t375\nSchmiede.....................................176\t71\t666\nEnglische Preisfechter....................... 288\t88\t93","page":521},{"file":"p0522.txt","language":"de","ocr_de":"522\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\nlasse sich nicht mit den eben erw\u00e4hnten statistischen Ermittlungen Playfair\u2019s vereinigen. Dieser Widerspruch ist aber nur ein scheinbarer.\nJeder Mensch vermag je nach seiner Muskelmasse eine bestimmte Arbeit zu leisten und braucht zu deren Erhaltung eine gewisse Menge von Eiweiss in der Nahrung, gleichg\u00fcltig ob er Arbeit leistet oder nicht. Der schweren Arbeit eines Schmieds oder eines Brauknechts oder eines englischen Hafenarbeiters wird sich aber nur derjenige Mann unterziehen, welcher sie auch verm\u00f6ge seiner Muskeln zu leisten vermag; er wird daher zu der Erhaltung der entwickelten Arbeitsorgane mehr Eiweiss bed\u00fcrfen als ein schwacher Schneider. Wenn der Letztere auch noch so viel Eiweiss aufnimmt und zersetzt, wird er doch nie die Arbeit eines Schmieds thun k\u00f6nnen. Das m\u00f6gliche Maximum der Arbeit eines Menschen richtet sich nach der Entwicklung der Muskeln und in demselben Maasse hat der Arbeiter auch Eiweiss in der Nahrung n\u00f6thig; deshalb findet man, dass ein kr\u00e4ftiger Arbeiter mehr Eiweiss zuf\u00fchrt als ein schwacher, und die Eiweisszersetzung bei verschiedenen Individuen meist der Arbeit parallel geht. Aber ein und derselbe Mensch zerst\u00f6rt unter sonst gleichen Verh\u00e4ltnissen bei der Ruhe und bei der Arbeit die gleiche Eiweissmenge. W\u00fcrde die Arbeit den Eiweissumsatz steigern, dann m\u00fcsste ein Arbeiter an Sonn- und Feiertagen weniger Eiweiss gemessen als an den Arbeitstagen; man untersuche aber nur einmal die Nahrung eines starken Arbeiters an solchen Tagen und man wird erfahren, dass das Eiweissquantum beide Male das gleiche ist, denn der Arbeiter w\u00fcrde durch Entziehen von Eiweiss am Ruhetag an Muskelmasse verlieren und dann am Arbeitstag nicht mehr die gewohnte Arbeit leisten k\u00f6nnen. Da bei der Th\u00e4tigkeit mehr stickstofffreie Substanz zerst\u00f6rt wird, so braucht ein Arbeiter am Tage der Ruhe weniger stickstofffreie Stoffe und also relativ mehr Eiweiss.\nEs ist darum auch eine Verschwendung an Eiweiss einem muskelkr\u00e4ftigen Arbeiter eine geringere Arbeit zu \u00fcbertragen als seiner Muskulatur entspricht, da er letztere doch ern\u00e4hren muss und bei dem gleichen Eiweissverbrauch mehr zu leisten bef\u00e4higt w\u00e4re.\nDie oben angegebenen Zahlen beziehen sich nur auf einen Arbeiter von mittlerer Leistungsf\u00e4higkeit und nicht auf einen intensiv th\u00e4tigen, welchem wegen der gr\u00f6sseren Muskelmasse noch mehr Eiweiss, bis zu 150 Grm. und dar\u00fcber, namentlich aber mehr stickstofffreie Substanz zu geben ist. Diese bedeutenden Eiweissquantit\u00e4ten sind nicht oder wenigstens nur recht schwer und unter grosser Belastung des K\u00f6rpers durch Vegetabilien zuzuf\u00fchren (S. 504); es ist hier ein","page":522},{"file":"p0523.txt","language":"de","ocr_de":"Kahrung eines mittleren Arbeiters.\t523\nZusatz von dem leicht verwertbaren Fleisch geboten, so zwar dass bis zu 30 und 50, im Mittel 35 Prozent des n\u00f6thigen Eiweisses in dieser Form dargereicht werden.1 Da man aus den schon angegebenen Gr\u00fcnden bei einer rationellen Ern\u00e4hrung dem K\u00f6rper nicht wesentlich mehr als 500 Grm. St\u00e4rkemehl zumuthen soll, so vermehrt man bei intensiverer Arbeit die Fettmenge von 56 Grm. an bis auf 200 Grm. Nach den fr\u00fcheren Mittheilungen trifft beim Menschen auf 1 Stunde Arbeit ein Mehrverbrauch von 8.2 Grm. Fett oder 14 Grm. Kohlehydrat (S. 202). Bei m\u00e4ssiger Th\u00e4tigkeit sollen mindestens 25 %, bei angestrengter Th\u00e4tigkeit mindestens 33 \u00b0/o des n\u00f6thigen Fettes als Kernfett gereicht werden. Es ist bekannt, welche Menge von Speck der norddeutsche Arbeiter zu sich nimmt, oder welche Portion Butter er auf sein Brod legt und wieviel Schmalz die s\u00fcddeutschen Bauernknechte w\u00e4hrend der Ernte zu den Nudeln oder dem Schmarrn beigebacken erhalten.\nNach den jetzigen Erfahrungen legt man bei dem starken Arbeiter mehr Werth auf die best\u00e4ndige und reichliche Zufuhr der stickstofffreien Stoffe als der stickstoffhaltigen. Die Gemsenj\u00e4ger nehmen zu ihren beschwerlichen Wanderungen, zu welchen sie m\u00f6glichst wrenig Ballast brauchen, nicht ein eiweissreiches Nahrungsmittel mit sich, sondern Fett, das w\u00e4hrend der enormen Anstrengung in grosser Menge vom K\u00f6rper abgegeben und bei den ohnehin an Fett nicht sehr reichen Leuten schwerer vermisst wird als der geringere Verlust des am K\u00f6rper vorhandenen Eiweisses, welches sich nachtr\u00e4glich durch einige reichliche Mahlzeiten bald wieder ersetzen l\u00e4sst. Wenn der von Pettenkofer und mir untersuchte Mann bei Hunger und Arbeit t\u00e4glich 75 Grm. Eiweiss und 380 Grm. Fett zerst\u00f6rt, so verliert er dabei etwa 0.8 % seines Eiweissgehalts und 3.3 % seines Fettgehalts.\nZu welchen Ungeheuerlichkeiten man kommt, wenn ein starker Arbeiter ausschliesslich oder fast ausschliesslich von den gew\u00f6hnlich gebrauchten Vegetabilien (Brod, Kartoffeln, Mais) sich n\u00e4hrt, zeigen einige von Paven ver\u00f6ffentlichte Beispiele von l\u00e4ndlichen Arbeitern; dieselben m\u00fcssen zur Vermeidung des Fettverlustes vom K\u00f6rper grosse Massen der Vegetabilien aufnehmen, von denen ein betr\u00e4chtlicher Bruchtheil durch den Koth verloren geht. Es erhalten nach ihm:\n1 Ueber den Fleiscbconsum in verschiedenen St\u00e4dten und L\u00e4ndern siehe: Schmoller (Ztschr. d. landw. Centralvereins f. d. Prov. Sachsen. 1870. S. 201 u. 233); Payen (Substances alimentaires, p. 19); G. Mayr (M\u00fcnchener Gemeindeztg. Ko. 1)-in der Ztschr. d. k. s\u00e4chs. statist. Bureaus. 1S6S. Ko. 9 u. 10 ; bei Stohmann. Muspratt\u2019s techn. Chemie. 3. Aufl. IV. S. 1634; bei Voit, Unters, d. Kost. 1877. S. 21 ; Schieffer-deckeR; Ueber die Ern\u00e4hrung der Bewohner K\u00f6nigbergs u. s. w. 1869.","page":523},{"file":"p0524.txt","language":"de","ocr_de":"524\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\nArbeiter\tEiweiss\tFett\tKohle- hydrate\tHauptnahrungsmittel\nvon Vaucluse ....\t138\t80\t829\tBrod und Kartoffel\nvon Waadtland .\t.\t.\t174\t77\t778\t\nvom Norden Frankreichs\t196\t109\t1180\t\nvom Dep. Corr\u00e8ge .\t.\t.\t152\t86\t1272\t\naus der Lombardei\t173\t141\t1116\tMais\naus Irland\t\t116\t25\t1328\tKartoffel\nDie Quantit\u00e4t von 1116\u20141328 Grm. Kohlehydrat f\u00fcr den Tag ist eine ganz enorme, und man muss sich fragen, oh solche Mengen wirklich verzehrt werden. Man muss sich n\u00e4mlich sehr h\u00fcten aus den Rohmaterialien den Consum zu berechnen und das scheint offenbar hier geschehen zu sein; Rubner\u2019s Versuchsperson konnte nur mit Anstrengung in Sckwarzbrod 659 Grm. St\u00e4rkemehl, in Kartoffeln 718 Grm. bew\u00e4ltigen. Jedenfalls ist f\u00fcr einen Arbeiter eine solche Ern\u00e4hrungsweise eine ganz ung\u00fcnstige und ist er auch dabei keiner starken Anstrengung f\u00e4hig; der Darm und der \u00fcbrige K\u00f6rper haben zu viel mit der Ueberwindung der grossen Last der Nahrung zu thun.1 Ein Irl\u00e4nder, der t\u00e4glich 4.5 Kilo Kartoffeln verzehrt, erh\u00e4lt darin 981 Grm. St\u00e4rkemehl und 90 Grm. Eiweiss, von denen aber nur 61 Grm. re-sorbirt werden; in 1497 Grm. Reis nimmt ein chinesischer Arbeiter 112 Grm. Eiweiss und 1169 Grm. St\u00e4rkemehl auf.'2 Dass manche Arbeiter wirklich h\u00f6chst bedeutende Mengen von Vegetabilien und St\u00e4rkemehl aufnehmen, geht aus folgenden Angaben hervor3:\nArbeiter \t\tKost\tEiweiss\tFett\tKohle- hydrate\tAutor\nItalienische Ziegelarbeiter . .\t1000 Mais, 178 K\u00e4se\t167\t117\t675\tH. Ranke\nHolzknechte in Reichenhall .\tBrod.Mehl,Schmalz\t112\t309\t691\tLiebig\nHolzknechte in Oberaudorf .\tv\ty\t135\t208\t876\tLiebig\nBauernknechte in Laufzorn .\tMehl, Schmalz\t143\t108\t788\tH. Ranke\nBergleute in d. Grube Silberau\tviel V egetabilien\t133\t113\t634\tE. Steinheil\n1\tScherzer bemerkt \u00fcber die Kost der Chinesen w\u00f6rtlich : ..Nach einer einstimmigen, mir von allen Chinesen, mit denen ich verkehrte, gegebenen 4 ersiche-rnng kann ein Individuum, mit Reis allein ern\u00e4hrt, h\u00f6chstens 15 Tage schwerere Arbeit verrichten.\u201c\n2\tScherzer, Berichte d. \u00f6sterr. Expedition nach Siam, China u. Japan. \u2014 Voit, Unters, d. Kost. 1877. S. 16.\n3\tH. Ranke, Ztschr. f. Biologie. XIII. S. 130. 1877. \u2014 Liebig, Sitzgsber. d.bayr. Acad. II. S. 463. 1869 ; Reden u. Alihandl. S. 121. \u2014 E. Steinheil, Ztschr. f. Biologie. XIII. S. 415.1877. \u2014 Liebig, Chem. Briefe. \"Volksausgabe. IL S. 521.","page":524},{"file":"p0525.txt","language":"de","ocr_de":"Nahrung eines mittleren Arbeiters.\n525\nEs kann nickt zweifelhaft sein, dass es g\u00fcnstiger w\u00e4re in diesen Fallen von den koklekydratreichen Substanzen wegzulassen und daf\u00fcr andere eiweissreichere und Fett in gr\u00f6sserer Menge zu geben.\nWegen der schlechteren Ausn\u00fctzung der Vegetabilien w\u00e4re es am besten zu verlangen, dass aus den Speisen eine gewisse Menge von Eiweiss in die S\u00e4fte \u00fcbergehen m\u00fcsse z. B. bei einer mittleren Arbeit 105 Grm. ; aber es w\u00e4re nicht ganz richtig, diesen Antheil des resorbirten Eiweisses allein aus dem im Harn befindlichen Stickstoff messen zu wollen, da auch ein Theil der stickstofi haltigen Zersetzungsprodukte mit dem Kotk abgeht.\nMan hat gemeint1, die f\u00fcr einen mittleren Arbeiter angegebenen Mengen von Nakrungsstoffen (118 Grm. Eiweiss, 56 Grm. Fett und 500 Grm. Kohlehydrat) w\u00e4ren als allgemeines Mittelmaass zu hoch gegriffen, der Arbeiter k\u00f6nnte auch mit weniger ausreichen, da manche Menschen weniger, namentlich an Eiweiss, verzehren. Es kann ja nicht zweifelhaft sein, dass weniger leistungsf\u00e4hige oder herabgekommene Menschen mit weniger wie 118 Grm. Eiweiss (wovon 105 Grm. verdaulich) ausreichen. So hat Fl\u00fcgge2 gefunden, dass der 59.7 Kilo wiegende Diener im hygienischen Institut zu Leipzig von schw\u00e4chlicher K\u00f6rperkonstitution und geringer k\u00f6rperlicher Leistungsf\u00e4higkeit bei seiner gew\u00f6hnlichen vorzugsweise vegetabilischen Kost nur 9\u201410 Grm. Stickstoff (= 52\u201465 Grm. Eiweiss) im Harn ausscheidet; auch einzelne andere Personen in Leipzig und 2 Arbeiter in Berlin lieferten ihm nur 8\u201411 Grm. Stickstoff im Harn. Ich habe ebenfalls f\u00fcr Gefangene solche niedere Werthe angegeben; aber ein schw\u00e4chlicher und wenig leistungsf\u00e4higer Mann ist nicht ein mittlerer Arbeiter. Es w\u00e4re das f\u00fcr einen mittleren Arbeiter geforderte Maass nur dann zu hoch, wenn Leute von 67 Kilo Gewicht auf die Dauer die Arbeit eines mittleren Arbeiters, also z. B. die 9\u201410st\u00e4ndige Arbeit eines Schreiners oder eines Maurers oder eines Soldaten vollf\u00fchren k\u00f6nnten und doch bei gemischter, vorwaltend vegetabilischer Kost weniger Eiweiss zur Erhaltung ihrer Muskelmasse n\u00f6thig h\u00e4tten. Es muss wohl beachtet werden, dass bei vorz\u00fcglich animalischer Kost wegen der besseren Ausn\u00fctzung derselben im Darm nur etwa 108 Grm. Eiweiss n\u00f6thig sind. Nach den Erhebungen von Bowie3 ist ein kr\u00e4ftig gebauter Mann nicht im Stande sich mit weniger als 118 Grm. Eiweiss auf dem Stickstoffgleichgewicht zu erhalten.\n1\tBexeke. Schriften der Ges. zur Bef\u00f6rderung d. ges. Natunviss. zu Marburg. XL S. 277. 1878.\n2\tFl\u00fcgge. Beitr\u00e4ge zur Hygiene. S. 93. Leipzig 1879.\n3\tBowie, Ztschr. f. Biologie. XY. S. 459. 1879.","page":525},{"file":"p0526.txt","language":"de","ocr_de":"526\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\nDer Soldat lebt in der Garnison unter denselben Verh\u00e4ltnissen wie ein mittlerer Arbeiter, beim Man\u00f6ver und im Kriege muss er dagegen die Kost eines stark Arbeitenden erhalten. Man rechnet daher f\u00fcr ihn 1 :\n\tEiweiss\tFett\tKohle- hydrate\treines Fleisch\tFleisch mit Knochen u. Fett\tBrod\nin der Garnison\t120\t56\t500\t191\t230\t750\nbeim Man\u00f6ver\t135\t80\t500\t214\t258\t750\nim Krieg .\t.\t145\t100\t500\t233\t281\t750\nEin Mensch mit kleinerer Organmasse braucht bei gleichem Alter zu seiner Erhaltung weniger Eiweiss, aber aus schon angegebenen Gr\u00fcnden nicht im Verh\u00e4ltniss zu seinem geringeren Gewicht, sondern ganz unverh\u00e4ltnissm\u00e4ssig mehr (S. 86. 87. 137). Anders dagegen stellt sich der Verbrauch an stickstofffreien Nahrungsstoffen, welcher zun\u00e4chst von der Gr\u00f6sse der Eiweisszersetzung und dann vor Allem von der Arbeitsleistung abh\u00e4ngig ist. Wegen des gr\u00f6sseren Eiweiss-zerfalls sollte ein kleinerer Organismus bei m\u00f6glichster Ruhe weniger stickstofffreie Stoffe n\u00f6thig haben; da aber die Herz- und Athem-arbeit in ihm relativ gr\u00f6sser ist und er unter Umst\u00e4nden die gleiche \u00e4ussere Arbeit zu leisten vermag, so ist die Fettzersetzung absolut nicht so sehr verschieden von der in einem grossen Organismus.\nAuch bei dem Erhaltungsfutter der verschiedenen Thiere \u00fcbt die Gr\u00f6sse derselben einen entscheidenden Einfluss aus, indem kleine ebenfalls relativ mehr Eiweiss, jedoch in der Ruhe nur wenig mehr stickstofffreie Stoffe n\u00f6thig haben; nur diejenigen kleinen Thiere, welche sich durch besondere Lebhaftigkeit und Beweglichkeit auszeichnen, verbrauchen auch relativ mehr von letzteren Substanzen. Man hat fr\u00fcher vielfach gemeint, der verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig gr\u00f6ssere Bedarf eines kleinen Organismus r\u00fchre von dem durch die relativ gr\u00f6ssere Oberfl\u00e4che bedingten reichlicheren W\u00e4rmeverlust her; es ist klar, dass der letztere nicht die Ursache des gr\u00f6sseren Verbrauchs, namentlich nicht des Eiweisses sein kann, die Ursache ist vielmehr der relativ lebhaftere S\u00e4ftekreislauf und die betr\u00e4chtlichere Muskelanstrengung.\nIch stelle f\u00fcr eine Anzahl von Thieren einige Werthe der Zusammensetzung des Erhaltungs- und Mastfutters zusammen :\n1 Ern\u00e4hrung des Soldaten im Frieden und im Kriege. Bericht der \u00fcber die Ern\u00e4hrungsfrage des Soldaten niedergesetzten Spezial-Commission. M\u00fcnchen 1880.\u2014 Ueber rationelle Ern\u00e4hrung des Soldaten, von einem kgl. preuss. Offizier d. Artillerie. Potsdam 1858. Verlag von Stein. \u2014 Voit, Anhaltspunkte zur Beurtheilung des sog. eisernen Bestandes f\u00fcr den Soldaten. M\u00fcnchen ffiTG. \u2014- V orm M\u00fcller, Norsk Magazin for S\u00e4ger. VII. Heft 5. \u2014 Debrom, Arch.m\u00e9d. Belg. 1876. 3. \u2014 Arnould, Ann. d\u2019hyg. 35. 241. \u2014 Chahpouillon, Rec. de m\u00e9m. de m\u00e9d. milit. 27. 205. \u2014 Raefauf, Naturalverpflegung an Bord. Kiel 1869. \u2014 Housson, Ann. d'hyg. 35. 5.","page":526},{"file":"p0527.txt","language":"de","ocr_de":"Nahrung eines mittleren Arbeiters.\n527\n\t\tO \u2022 I-* -4-3\t_\tauf 1 Kilo Thier\t\tXJ1 \u2019S\t\nThier art\tFutter\tr\u00bb .2 w P q\tEi-\tFett oder Kohle-\t73\tBemerkungen\n\t\t\tweiss\thydrat\t>\t\n1. Fleischfresseri: Hund, alt u. fett .\tErhaltung\t42.4\t2.60\t3.25F.\t\t\nHund\t Hund, jung u. nicht\t55\t39.0\t2.82\t3.08F.\t\u2014\t\u2014\nfett\t\t\u00bb5\t27.6\t3.19\t4.53F.\t\u2014\t\u2014\nHund, nicht fett .\t55\t4.32\t7.63\t4.63F.\t\t\t\t\nKatze\t\t55\t2.75\t9.59\t5 45F.\t\u2014\t\u2014\nBatte\t\tM\t0.263\t20.06\t20.91F.\t\u2014\t\u2014\nBatte\t\t55\t0.150\t24.76\t34.00F.\t\u2014\t\u2014\n2. Pflanzenfresser-: Ochs3, Buhe . .\t55\t600.0\t0.6\t7.0 K.\t1 : 12\tverdaut, Fett auf Kohlehydrat umge-\nOchs, Buhe .\t.\t.\t\t\t\t\t\trechnet.\n\tMast\t625.0\t1.66\t9.16K.\t1 : 5\tverdaut, Minimum\nOchs, Buhe .\t.\t.\t55\t55\t2.88\t12.09K.\t1 : 4\tverdaut, Maximum\nSchaf4 ....\tErhaltung\t50.0\t1.3\t10.4 K.\t1 : 8\tverdaut\nSchaf \t\tMast\t50.0\t3.3\t16.7 K.\t1 : 5\tverdaut, Mittel\nSchaf\t\t55\t50.0\t5.0\t20.0 K.\t1 : 4\tverdaut, Maximum\nPferd5\t.\t.\t.\t.\tErhaltung\t505.5\t1.16\t/0.32F.I 17.09K./\t1 : 7\tverdaut\nSchwein6, 3 Monat\tMast\t21\t9.83\t34.5 K.\t1 : 3.3\tverzehrt\n?>\t5\t\u201e\t5*\t50\t7.53\t27.9 K.\t1 : 4-2\t\n\u00bb 6\t55\t62\t4.42\t25.7 K.\t1 : 6.2\t\n\u00ab\t7-8\t\u201e\t55\t86\t4.14\t22.2 K.\t1 : 6.0\t\n\u201e\t9\u201410 \u201e\t,,\t133\t2.66\t15.9 K.\t1 : 6.3\t\nHahn1\t...\t.\t^Erhaltung\t2.0\t2.20\t32.44K.\t1:15\tverdaut, v. 110 Gerste sind im Koth auf 1 Kilo Thier 5.60 unl\u00f6sl. Eiweiss u.\n\t\t\t\t\t\t3.07 Cellulose\n1\tSiehe S. 137.\n2\tSiehe \u00fcber das Erhaltungs- und Mastfutter der landw. Nutzthiere : E. Wolff, Die Ern\u00e4hrung d. landw. Nutzthiere 1S76 und die Fortsetzung in: Landw. Jahrb. Vin. Suppl. 1879.\n3\tHenneberg u. Stohmann, Beitr\u00e4ge zur rationellen F\u00fctterung der Wiederk\u00e4uer. Heft 1. I860, Heft 2. S. 276. 1864. \u2014 Henneberg. Neue Beitr\u00e4ge u. s. w. Heft 1. S.356.1871.\n4\tHenneberg, Neue Beitr\u00e4ge u. s.w. S. 199. 1871 ; Journ. f. Landw. 1859. S. 362, 1860. S. 1, 1861. S. 63, 1862. S. 221, 1864. S. 1, 1866. S 303. \u2014 Wolff, Die Versuchsstation Hohenheim. 1870. S. 573; W\u00fcrttemberg. Wochenblatt f. Landw. u. Forstwiss. 1809. No. 32; Landw. Jahrb. I. 1872. IL S. 221. 1873. \u2014 Stohmann, Journ. f. Landw. 2 Suppl. 1865, Jahrg. 15. S. 133. 1867. \u2014 F. Krocker, Preuss. Ann. d. Landw. 1S69. Sept.- u. Dez.-Heft.\n5\tKeller, Landw. Jahrb. 1S79. VIII. S. 701, 1879. 1 Suppl. S. 17.\n6\tAmtsblatt f. d. s\u00e4chs. landw. Vereine. 1864. S. 42. \u2014 J. Lehmann, Ebenda. 1865. S. 55 u. 64, 1866. S. 20, 1868. S. 14. \u2014 Peters, Preuss. Ann. d. Landw. L. S. 3. 1867..\u2014 Heiden, Bericht \u00fcber die Arbeiten der Versuchsstation Pommritz. S. 7. 1870 u. Beitr\u00e4ge zur Ern\u00e4hrung des Schweins. 1876. \u2014 Henneberg, Journ. f. Landw. 1861 S. 33.\n7\tMeissner, Ztschr. f. rat. Med. XXXI. (3) S. 185. \u2014 Fl\u00fcgge, Ebenda. XXXVI S. 185. 1869.","page":527},{"file":"p0528.txt","language":"de","ocr_de":"528\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\nDaraus geht hervor, dass das Rind und das Pferd, wie die gr\u00f6sseren Organismen \u00fcberhaupt, zur Erhaltung verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig weniger Eiweiss verbrauchen als der Hund, aber ebensoviel stickstofffreie Stoffe (das Fett auf Kohlehydrat umgerechnet). Das Schaf, welches nur wenig schwerer ist wie der Hund, hat zur Erhaltung weniger Eiweiss und mehr stickstofffreie Stoffe noting. Sehr auffallend ist der Bedarf des Huhns, das trotz des viel geringeren K\u00f6rpergewichts relativ nicht mehr Eiweiss verdaut als der grosse Hund, jedoch viel mehr stickstofffreie Stoffe. Bei der Mast muss auf gleiches Gewicht sowohl mehr Eiweiss als auch mehr stickstofffreie Substanz zugef\u00fchrt werden.\nIY. Nahrung nicht arbeitender und arbeitsunf\u00e4higer\nMenschen.\nEs ist dies eine sogenannte Erhaltungsdi\u00e4t, welche einen K\u00f6rper, an den keine Anspr\u00fcche an Kraftleistungen gemacht werden, auf einem herabgekommenen Zustande eben zu erhalten und vor dauerndem Nachtheil zu bewahren im Stande ist. Es geh\u00f6rt hierher vorz\u00fcglich die Kost in Gef\u00e4ngnissen, in welchen nicht gearbeitet wird, und die Kost alter, gebrechlicher und erwerbsunf\u00e4higer Leute, deren K\u00f6rpermasse eine geringe ist, also die Kost in Altersversorgungsanstalten und Armenh\u00e4usern.\nEs ist schwierig f\u00fcr die Gefangenen1 das richtige Maass zu treffen; man darf sie einerseits nicht \u00fcber eine gewisse Grenze hinaus an K\u00f6rpersubstanz verlieren lassen und so den K\u00f6rper sch\u00e4digen, und andererseits ihnen doch auch nicht mehr geben als eben n\u00f6thig ist, einen etwas herabgekommenen K\u00f6rper zu erhalten.\nMan hat fr\u00fcher vielfach die Vorstellung gehabt, die einfachsten Nahrungsmittel z. B. Brod oder Kartoffeln reichten f\u00fcr den Gefangenen v\u00f6llig aus, wenn sie nur in ansehnlicher Menge geboten w\u00fcrden, alles \u00fcbrige w\u00e4re nur eine angenehme Zuthat, also ein Luxus.\nAber gerade die Wirkungen des Gef\u00e4ngnisses, z. B. die depri-mirenden psychischen Einfl\u00fcsse der Haft, der Mangel an Bewegung in vielen F\u00e4llen u. s. w. machen, dass eine Kost, die dem Freien leicht zugemuthet werden kann, nicht ertragen wird. Es muss als Grundsatz gelten, dass die Sch\u00e4digungen am K\u00f6rper und an der Gesundheit keine bleibenden sein d\u00fcrfen, dass vielmehr die Ge-\n1 Beneke, Arch. f.phys.Heilk. XII. S.409. 1853. \u2014 Playfair, Edinb. new philos. journ. LYI. p. 266. 1854. \u2014 B\u00f6hm, Deutsche Vierteljahrschr. f. \u00f6ffentliche Gesundheitspflege. I. S. 371. 1869. \u2014 Baer, Die Gef\u00e4ngnisse, Strafanstalten u. Strafsysteme in hygien. Beziehung. 1871. \u2014 Voit, Ztschr. f. Biol. XII. S. 32. 1876. \u2014 Schuster, bei Voit, Unters, d. Kost. S. 142. 1877. \u2014 Baer, Deutsche Vierteljahrschr. f. \u00f6ffentl. Gesundheitspflege. VIII. S. 601 ; Vierteljahrschr. f. ger. Med. 1871. S. 291. \u2014 Bogo, Lancet. I. p. 220. \u2014 Isham, The Clinic. X. p. 8.","page":528},{"file":"p0529.txt","language":"de","ocr_de":"Nahrung nichtarbeitender und arbeitsunf\u00e4higer Menschen.\t529\nfangenen nach Abb\u00fcssung der Strafe die M\u00f6glichkeit haben, sich k\u00f6rperlich v\u00f6llig zu restituiren. Es ist also f\u00fcr einen Gefangenen das Minimum an einzelnen Nahrungsstoffen zu suchen, welches den Leib auf einem Stand erh\u00e4lt, bei dem er ohne bleibende Sch\u00e4digung seiner Gesundheit zu existiren vermag.\nDer nicht arbeitende Gefangene reicht mit weniger Eiweiss in der Nahrung aus, da er keinen so eiweissreichen und muskelstarken K\u00f6rper braucht als der Arbeiter, der auch an Ruhetagen die Werkzeuge f\u00fcr seine Leistungen intakt zu erhalten hat. Der-muskelkr\u00e4ftig in das Gef\u00e4ngniss Eintretende verliert dann von seinen Organen so lange Eiweiss, bis diese sich mit der geringen Eiweissmenge der Gefangenenkost in den Gleichgewichtszustand gesetzt haben und leistet dann nicht mehr das, was er vorher leisten konnte; man muss sich jedoch sehr h\u00fcten, so wenig Eiweiss zu geben, dass ein Gleichgewichtszustand damit nicht m\u00f6glich ist und der K\u00f6rper fort und fort, wenn auch t\u00e4glich ganz geringe Mengen von Eiweiss von sich abgiebt. Bei einer k\u00fcrzeren Haft schadet dies nicht viel, namentlich wenn gen\u00fcgend stickstofffreie Stoffe zugef\u00fchrt werden, welche die Fettabgabe vom K\u00f6rper verhindern; bei l\u00e4ngerer Haft und dauernder Abmagerung an Eiweiss geschieht eine Restitution nur sehr schwer, die normalen Lebenserscheinungen sind dann nicht mehr m\u00f6glich und es treten tiefe Erkrankungen auf.\nAus bekannten Gr\u00fcnden hat der nicht arbeitende Gefangene aber auch ansehnlich weniger Stickstoff lose Stoffe n\u00f6thig wie der Arbeiter an den Tagen der Arbeit. Auch hier giebt es eine untere Grenze, die man nicht ohne bleibenden Nachtheil f\u00fcr den Gefangenen \u00fcberschreiten darf. Da aus den Kohlehydraten wahrscheinlich kein Fett entsteht, und dieselben nur das aus dem Eiweiss abgespaltene Fett sch\u00fctzen, so muss man Gefangenen, welche aus der geringen Menge des gereichten Eiweisses nur sehr wenig Fett erzeugen, namentlich dann wenn sie schon etwas abgemagert sind, Fett zukommen lassen. Eine allm\u00e4hliche Abnahme des K\u00f6rpers an Fett bringt, wie aus dem fr\u00fcher Gesagten hervorgeht, grosse Gefahren mit sich, weil bei zu geringem Fettgehalt auch das Eiweiss in steigender Menge der Zerst\u00f6rung anheimf\u00e4llt, w\u00e4hrend die Eiweissabgabe bei einem gewissen Fettvorrath im K\u00f6rper wesentlich geringer ist und daher l\u00e4nger ohne bleibenden Nachtheil ertragen wird. Darum sind die Gefangenen ausserordentlich begierig nach Fett und man kann mit Lebertkran viel Gutes bei ihnen bewirken.\nEs w\u00e4hrt oft l\u00e4ngere Zeit bis sich die schlimmen Folgen einer theilweisen Inanition einstellen: \u00e4hnlich wie ein Mangel an Kalk\nHandbuch der Physiologie. Bd. VI.\t34","page":529},{"file":"p0530.txt","language":"de","ocr_de":"530\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\nbei ausgewachsenen Thieren erst nach Verlauf eines Jahres, Mangel an Eiweiss bei Peptonf\u00fctterung erst nach Monaten sich geltend macht. Man hat daher besonders bei l\u00e4ngerer Haft mit aller Sorgfalt auf eine Kost zu achten, die f\u00fcr den, wenn auch schw\u00e4cher gewordenen K\u00f6rper eine Nahrung ist.\nWas ist nun das geringste Maass der Nahrungsstoffe, bei dem ein schon herabgekommener nicht arbeitender Organismus bestehen kann? J. Forster hat bei einer in armseligen Verh\u00e4ltnissen lebenden, aber noch r\u00fcstigen Frau, welche jedoch einige Zeit darauf an Lungen-phthisis erkrankte, und dann in der Kost alter Pfrtindnerinnen beobachtet:\nEiweiss\tFett\tKohlehydrate\nArme Frau\t.\t.\t76\t23\t334\nPfr\u00fcndnerin\t.\t.\t80\t49\t226\nMan darf nach meinen Erfahrungen f\u00fcr gefangen gehaltene, nicht arbeitende M\u00e4nner nicht unter den folgenden niedersten Satz herunter gehen: 85 Eiweiss, 30 Fett und 300 Kohlehydrate, da die Mehrzahl der Gefangenen aus jungen, sehr kr\u00e4ftig gebauten Menschen besteht. Playfair giebt, von der falschen Voraussetzung ausgehend, dass durch die Muskelth\u00e4tigkeit mehr Eiweiss zersetzt werde, f\u00fcr eine mittlere Erhaltungskost ohne Arbeit nur 66 Eiweiss, 24 Fett und 331 Kohlehydrate an.\nSchuster hat die Kost in zwei M\u00fcnchener Gef\u00e4ngnissen genau gepr\u00fcft und zwar in einem Untersuchungsgef\u00e4ngnisse, in welchem die Insassen nicht arbeiten, und in einem Zuchthause, wo gearbeitet wird ; er hat dabei ermittelt :\n\tEiweiss\tFett\tKohlehydrate\nGef\u00e4ngniss ohne Arbeit .\t87\t22\t305\nZuchthaus mit Arbeit.\t.\t104\t38\t521\nist wieder besonders zu\tbeachten\t, in\twelchen Nahrungs\nmittein die Nahrungsstoffe enthalten sind. Wird n\u00e4mlich ein betr\u00e4chtlicher Theil jenes Minimums an Nahrungsstoffen in Nahrungsmitteln gegeben, welche im Darm nur unvollkommen verwertket und in betr\u00e4chtlicher Menge unben\u00fctzt mit dem Koth wieder abgeschieden werden, dann ist der Hungerzustand gegeben ; dies tritt dann ein, wenn wie gew\u00f6hnlich in den Gef\u00e4ngnissen ein grosser Theil der Nahrungsstoffe in der Form von Brod oder von Kartoffeln und anderen eiweissarmen Gem\u00fcsen gereicht wird. Die Gefangenen in dem Zuchthause, in dem eine an Vegetabilien reiche Kost eingef\u00fchrt ist, haben nach Schuster von 104 Grm. verzehrtem Eiweiss nur 78 Grm. (= 75%) resorbirt, w\u00e4hrend die Bewohner des Gef\u00e4ngnisses (ohne Arbeit), welche eine qualitativ bessere Kost erhalten, von 87 Grm.","page":530},{"file":"p0531.txt","language":"de","ocr_de":"Nahrung nichtarbeitender und arbeitsunf\u00e4higer Menschen.\n531\nin der Nahrung enthaltenen Eiweisses 76 Grm. (= 88%) in die S\u00e4fte aufnehmen. Letztere machen daher trotz der geringeren Eiweissaufnahme fast ebensoviel f\u00fcr den K\u00f6rper nutzbar wie erstere.1 Man ersieht aus diesem Beispiel besonders deutlich, dass man aus der Menge des Eiweisses in der Kost nicht zu bestimmen vermag, ob der K\u00f6rper damit ausreicht, man muss auch die Ausn\u00fctzung desselben im Darm in R\u00fccksicht nehmen. Die grosse Zufuhr von kohlehydratreichen Nahrungsmitteln, nur um darin die n\u00f6thige Eiweissmenge zu bieten, und die geringe Quantit\u00e4t von Fett macht die Bek\u00f6stigung in manchen Gef\u00e4ngnissen zu einer ungen\u00fcgenden und verderblichen, abgesehen von der Verschwendung an St\u00e4rkemehl.\nNirgends l\u00e4sst sich die hohe Bedeutung der Genussmittel, welche ein ausreichendes Gemische von Nahrungsstoffen erst zu einer Nahrung machen, so schlagend darthun als in den Gef\u00e4ngnissen, deren Bewohner sich die Speisen nicht nach Geschmack aussuchen, niemals das geringste dazu bekommen k\u00f6nnen und das Gekochte so nehmen m\u00fcssen, wie es ihnen geboten wird.\nIn der Mehrzahl der Gef\u00e4ngnisse gab es fr\u00fcher in der Kost ausserordentlich wenig Abwechselung: die Speisen waren meist ganz gleichf\u00f6rmig zubereitet, Alles zu einer Masse von breiartiger Consistenz und ohne hervorstechenden Geschmack verkocht. Wenn man auch einige Zeit hindurch eine solche Kost ganz leidlich findet, z. B. ein dieselbe hie und da kontrolirender Beamter, so ist es doch unm\u00f6glich sie auf die Dauer zu verzehren. Die Leute bekommen trotz lebhaften Hungers nach und nach einen so un\u00fcberwindlichen Ekel davor, dass W\u00fcrgbewegungen und Dyspepsien eintreten, die eine Ern\u00e4hrung nicht zulassen.\nEs ist selbstverst\u00e4ndlich, dass die arbeitenden Gefangenen je nach der Anforderung an ihre Kr\u00e4fte die Kost eines Arbeiters erhalten m\u00fcssen.\nF\u00fcr die Armenh\u00e4user und Altersversorgungsanstalten gen\u00fcgt das Minimum an Eiweiss und stickstofffreien Stoffen, wie es J. Forster 2 in der Nahrung alter Pfr\u00fcndner, welche sich dabei vortrefflich befinden, ermittelt hat. Es handelt sich dabei um einen durch Alter und Armuth mehr oder weniger herabgekommenen Organismus, der nur mehr geringer Leistungen f\u00e4hig ist, dessen Erhaltung daher\n1\tDie Gefangenen im Untersuchungsgef\u00e4ngnis entleerten t\u00e4glich 30 Grm. trockenen Kotk, die im Zuchthause 70 Grm.\n2\tJ. Forster, Ztschr. f. Biol.. IX. S. 401. 1873; bei Voit, Unters, d. Kost. u. s.w. S. 186. 1877. \u2014 Voit, Ztschr. f. Biologie. XII. S. 32. 1876. \u2014 d\u2019Alinge, in Sch\u00f6mberg\u2019s s\u00e4chs. Armengesetzgebung. S. 282. Leipzig 1864. \u2014 Armin Graf zu Lippe-Weissen-fels, Ern\u00e4hrung im Armenhause zuGelenau. 1866. \u2014 Playfair, Edinb. New. philos. journ. LVI. p. 266. 1854.\n34*","page":531},{"file":"p0532.txt","language":"de","ocr_de":"532\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\nweniger Eiweiss und stickstofffreie Stoffe erfordert. Es ist wahrscheinlich, dass mit der Abnahme der Funktion der \u00fcbrigen Organe im Greisenalter auch die der Verdauungsorgane abnimmt, weshalb man alten Leuten nicht mehr so viel schwer zu bew\u00e4ltigende, den Darm bel\u00e4stigende Nahrungsmittel, wie Brod und Kartoffeln, zumuthen darf.\nF\u00f6rster fand in der Kost erwerbsunf\u00e4higer alter Pfr\u00fcndnerinnen im Mittel aus der Beobachtung von 7 Tagen: 79 Eiweiss, 49 Fett und 266 Kohlehydrate. In einer anderen M\u00fcnchener Pfr\u00fcndneranstalt, in welcher alte M\u00e4nner und Weiber untergebracht sind, fanden sich in der t\u00e4glichen Nahrung: 89 Eiweiss, 45 Fett und 309 Kohlehydrate.\nArme Leute, welche kaum im Stande sind, sich das t\u00e4gliche Brod zu erwerben und nur das zu sich nehmen, was zur Erhaltung ihres schwachen und \u00e4rmlich ern\u00e4hrten K\u00f6rpers absolut nothwendig ist, verzehren immer noch ein betr\u00e4chtliches Quantum von Nahrungsstoffen. Hildesheim 1 giebt an, dass ein armer wenig leistungsf\u00e4higer Arbeiter, der sich die Woche \u00fcber von Brod, Kartoffeln, etwas Milch, Fett und Mehl ern\u00e4hrte, darin t\u00e4glich 86 Eiweiss, 13 Fett und 610 St\u00e4rkemehl erhielt; B\u00f6hm berechnete f\u00fcr einen Mann der untersten \u00e4rmsten Volksklasse noch 64 Grm. Eiweiss und 600 Grm. St\u00e4rkemehl. Ich 1 2 habe \u00fcber die Kost in einem Trappistenkloster, dessen M\u00f6nche bekanntlich auf das \u00e4usserste Maass eingeschr\u00e4nkt leben, Mittheilungen erhalten und darin immer noch 68 Grm. Eiweiss, 11 Grm. Fett und 469 Grm. Kohlehydrate gefunden. Die armen N\u00e4hm\u00e4dchen Londons verzehren nach Playfair3 im Tag durchschnittlich: 54 Eiweiss, 29 Fett und 292 Kohlehydrate.\nV. Nahrung noch wachsender Organismen.\nDieser Fall unterscheidet sich von den bisher betrachteten dadurch, dass man es dabei nicht mit der Ern\u00e4hrung eines ausgewachsenen K\u00f6rpers, sondern mit der von noch wachsenden Organismen verschiedenen Alters zu thun hat, welche sich nicht nur erhalten sollen, sondern auch Substanz zum Ansatz bringen m\u00fcssen. Bei dem Wachsthum wird die Zahl der Zellen im K\u00f6rper, die Zahl der Blutk\u00f6rperchen, der Epidermis- und Epithelzellen betr\u00e4chtlicher, aber im Grossen und Ganzen handelt es sich um ein Anwachsen des Inhalts schon vorhandener Gebilde, z. B. des Inhalts der Muskelschl\u00e4uche, der Nervenfasern.\nMan meint f\u00fcr gew\u00f6hnlich, in einem jugendlichen Organismus\n1\tHildesheim, Die Normaldi\u00e4t. S. 67. 1856.\n2\tVoit, Unters, d. Kost u. s. w. S. 17. 1877.\n3\tPlayfair, Med. Times. I. p. 460. 1865.","page":532},{"file":"p0533.txt","language":"de","ocr_de":"Nahrung noch wachsender Organismen.\n533\ngehe ein besonders reger Stoffwechsel vor sich. Die kindlichen Gewebe besitzen jedoch gewisse den Stoffumsatz beeintr\u00e4chtigende Eigenschaften; die Organe, namentlich die Muskeln, die Leber und das Gehirn sind n\u00e4mlich reicher an Wasser und \u00e4rmer an fester Substanz ; mit dem Wachsthum nimmt der Wassergehalt anfangs rasch, dann langsamer ab. Dagegen wird der Verbrauch an Eiweiss beg\u00fcnstigt durch die geringe Fettablagerung in der ersten Lebenszeit, und dadurch dass ein kleinerer Organismus verk\u00e4ltnissm\u00e4ssig mehr davon n\u00f6thig hat. Ob also das Wachthum der Organe den Eiweisszerfall steigert oder herabsetzt, das kann nicht von vornherein entschieden werden. Die Zersetzung der stickstofffreien Stoffe ist im jungen Thier wahrscheinlich relativ geringer, da es zwar lebhafte k\u00f6rperliche Bewegungen macht, aber verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig wohl nicht soviel leistet wie der Arbeiter.\nAuch an dem ausgewachsenen K\u00f6rper findet unter Umst\u00e4nden ein Ansatz von Substanz statt, das Normale ist aber bei ihm der stoffliche Gleichgewichtszustand. Dies ist beim wachsenden Organismus ganz anders, bei welchem eine best\u00e4ndige Vermehrung der Masse stattfinden muss ; giebt man ihm nur so viel, dass er an Elementen ebensoviel ausscheidet als eingef\u00fchrt worden ist, dann ist entweder ein Wachsthum unm\u00f6glich oder es wachsen einzelne Organe auf Kosten anderer, wodurch schliesslich dem Leben die Grenze gesteckt wird.\nBei dem Ausgewachsenen tritt nur unter gewissen Bedingungen eine Ablagerung von Stoffen ein, und zwar nur dann wenn man einen betr\u00e4chtlichen Ueberschuss derselben darreicht; der m\u00f6gliche Ansatz ist jedoch nicht gross und er h\u00f6rt bei der gleichen Zufuhr bald auf. Es ist zu untersuchen, ob bei dem Wachsenden der Ansatz unter denselben Bedingungen stattfindet wie beim Erwachsenen, d. h. ob bei ihm ebensoviel unter sonst gleichen Verh\u00e4ltnissen dargereicht werden muss, um den Gleichgewichtszustand und eine Ablagerung hervorzurufen, oder ob bei ihm schon bei einer geringeren Stoffaufnahme ein Ansatz eintritt. Man k\u00f6nnte geneigt sein, die Thatsache, dass Kinder im Verh\u00e4ltniss mehr verzehren als Erwachsene, im ersteren Sinne zu deuten, jedoch r\u00fchrt dies m\u00f6glicherweise nur von der relativ gr\u00f6sseren Zersetzung im kleineren Organismus her. Die Vermehrung der K\u00f6rpersubstanz im jugendlichen Thier ist so gross und rasch, dass es bei gleichen Verh\u00e4ltnissen wie beim Erwachsenen ganz ungeheure Massen aufnehmen m\u00fcsste: 100 Kilo des Saugkalbs nehmen z. B. t\u00e4glich nahezu um 2 Kilo (im Mittel 1.85\u00b0/o) an K\u00f6rpergewicht zu, vollj\u00e4hrige Ochsen oder","page":533},{"file":"p0534.txt","language":"de","ocr_de":"534\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\nSchafe w\u00e4hrend der Mast nur um 0.3\u20140.4%. Darnach scheinen bestimmte Unterschiede in der Stoffzersetzung' des wachsenden und ausgewachsenen Organismus gegeben zu sein.\nEs liegt \u00fcber diese Verh\u00e4ltnisse bis jetzt nur eine einzige, aber musterhafte Untersuchung vor, n\u00e4mlich die von Soxhlet1 an Saugk\u00e4lbern gemachte, welche mittelst einer Saugflasche Kuhmilch erhielten. Es ergab sich f\u00fcr ein 2\u20143 Wochen altes Durchschnittsthier von 50 Kilo K\u00f6rpergewicht im Tag eine Einnahme von 8093 Grm. Milch mit 245 Grm. Eiweiss, 237 Grm. Fett und 422 Grm. Milchzucker; f\u00fcr 1 Kilo Thier also von 161.9 Grm. Milch mit 4.90 Grm. Eiweiss, 4.75 Grm. Fett und 8.44 Grm. Milchzucker. Es wurden t\u00e4glich auf 1 Kilo K\u00f6rpergewicht aus dem Darm in die S\u00e4fte auf-\ngenommen :\n\tStick- stoff\tKohlen- stoff\tA : C\nOchs, Beharrungszustand2\t\t0.112\t4.04\t1 : 36\nMastfutter\t\t\t8.50\t19\nSaugkalb im Mittel\t\t0.784\t9.80\t12.5\nHammel, Beharrungszustand3\t\t0.212\t5.60\t26\nMastfutter\t\t0.520\t8.70\t17\n! Mensch von 65 Kilo 4\t\t0.310\t4.80\t15.5\n71\t\u00bb\t0.275\t3.40\t12.4\nKind\t\u201e\t5.3\t,.\t4 Monate alt\t\t0.6\t12.0\t20\nHund,34Kilo, 500Fleischu. lo9 Fett (Beharrung6)\t0.485\t4.29\t8.8\n,.\t33 \u201e\t800 Fl. u. 350F.(UeberschussanF.7)\t0.S24\t10.80\t13.0\n! Soxhlet, Erster Bericht \u00fcber Arbeiten d. k. k. landw. cbem. Versuchsstation in Wien aus den Jahren 1870\u20141877. Wien 1878. \u2014 Schon vorher hat F. Crusi\u00fcs (Journ. f. pract. Chem. LXVIII. S. 1. 1856) an 4 K\u00e4lbern die Menge der aufgenommenen Milch bestimmt; danach verzehrt das saugende Kalb zunehmend gr\u00f6ssere Milchmengen, n\u00e4mlich\nin der\t1. Woche\t7.5 Kilo t\u00e4glich\nin der\t2. \u201e\t8.0 \u201e\nin der\t3.\t\u201e\t8.2 \u201e\nin der\t4.\t\u201e\t8.5\t\u201e\t\u201e\nin der 5 -\t-6. \u201e\t9.35 \u201e\t\u201e\nin der 7-\t-9.\t\u201e\t10.1 \u201e\nDagegen nimmt die von gleichen Gewdchtstheilen des Thiers verzehrte Milchmenge allm\u00e4hlich ab, d. h. der absolute Milchverbrauch steigt nicht in dem Grade wie das K\u00f6rpergewicht. Das gr\u00f6ssere Kalb zeigt in gleicher Zeit eine betr\u00e4chtlichere Massenzunahme als das Kind, denn es sind n\u00f6thig:\nbeim Kalb beim Kind\nzur Zunahme um 80% 4 Wochen 4 Monat \u201e\t\u201e\t\u201e 270% 9\t\u201e\t9\t\u201e\nEs nimmt von Woche zu Woche der Ansatz und das Wachsthum ab, auch bei nahezu gleicher Milchmenge.\n2\tWolef, Landw. F\u00fctterungslehre. S. 222. 1874.\n3\tHenheberg, Journ. f. Landw. 1870. S. 190.\n4\tForster, Ztschr. f. Biologie. IX. S. 391 u. 407. 1873.\n5\tVoit, Ebenda. IL S. 4S8. 1866.\n6\tDerselbe, Ebenda. V. S. 163.1869.\t7 Derselbe, Ebenda. IX. S. 15. 1873.","page":534},{"file":"p0535.txt","language":"de","ocr_de":"Nahrung noch wachsender Organismen.\n535\nDas Saugkalb erh\u00e4lt also auf die K\u00f6rpereinheit siebenmal mehr Stickstoff und doppelt so viel Kohlenstoff als das ausgewachsene Kind bei Beharrungsfutter, und 80% mehr Stickstoff und 15% mehr Kohlenstoff als das Kind bei reichlichster Ern\u00e4hrung w\u00e4hrend der Mast. Dadurch k\u00f6nnte zwar nur ausgedr\u00fcckt sein, dass ein kleinerer Organismus verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig mehr Eiweiss braucht wie der gr\u00f6ssere, dagegen nur wenig mehr stickstofffreie Stoffe. Aber wenn man das ausgewachsene Schaf von nahezu gleichem K\u00f6rpergewicht mit dem Saugkalb vergleicht, so findet man bei letzterem immer noch eine betr\u00e4chtlich gr\u00f6ssere Stickstoff- und Kohlenstoffaufnahme als bei er-sterem, selbst bei reichlichster Ern\u00e4hrung und bei der Mast. Das Saugkalb verzehrt ein an Eiweiss reicheres und an stickstofffreien Stoffen \u00e4rmeres Futter als der Mastochs oder das Mastschaf; es besteht der organische Theil der Nahrung\nEiweiss in \u00b0/o Fett in %\tKohlehydrat in %\nBeim Saugkalb aus . . 27\t27\t46\nBeim Mastthier aus\t16\t3\t81\nUm zu erfahren, was mit den zugef\u00fchrten Nahrungsstoffen im K\u00f6rper geschieht, muss man die Elemente der Einnahmen und der Ausgaben mit einander vergleichen.\nZun\u00e4chst nimmt das Saugkalb an Gewicht zu und zwar verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig betr\u00e4chtlich mehr als der ausgewachsene Wiederk\u00e4uer, denn 1 Kilo trockene Milch produziren bei ersterem eine t\u00e4gliche Zunahme des K\u00f6rpergewichts um 957 Grm., 1 Kilo verdaute Nahrungssubstanz bei letzterem dagegen nur 100\u2014120 Grm.\nWorin besteht nun diese Zunahme des K\u00f6rpergewichts? Das Saugkalb setzt Eiweiss, Fett, Mineralbestandtheile und Wasser an.\nAuf 1 Kilo Gewicht werden im Saugkalb, nach der Stickstoffausscheidung im Harn und Koth berechnet, im Tag 1.2s Grm. Eiweiss (== 0.204 Grm. Stickstoff) zersetzt. Man kann diesen Verbrauch des Saugkalbs mit dem bei ann\u00e4hernd gleich schweren ausgewachsenen Organismen vergleichen; es wird auf 1 Kilo K\u00f6rpergewicht im Harn und Koth an Stickstoff abgegeben:\n\u2022\tStickstoff im Harn u.Koth\tStickstoff aufgenommen\nHund, 33 Kilo. 800 Fleisch und 350 Fett .\t.\t0.640\t0.824\n36\t1 Hungertag\t\t0.243\t0\n..\t33\t..\t\u2022\u2022\t\t\t0.280\t0\n..\t33\t..\t4\t..\t\t\t0.182\t0\nMensch. 71 Kilo. Beharrung\t\t0.239\t0.2 i 5\nHammel. 45.5 Kilo. Beharrung\t\t0.167\t0.212\n\u201e\tMast\t\t\u2014\t0.520\nSaugkalb. 50.0 Kilo, wachsend\t\t0.204\t0.784","page":535},{"file":"p0536.txt","language":"de","ocr_de":"536\nYoit, Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\nAn den Tagen, an welchen der Hund nur so viel Stickstoff ausschied als das Saugkalb, hungerte er, und als er soviel Stickstoff (in 800 Fleisch und 356 Fett) zugef\u00fchrt erhielt wie das letztere, zerst\u00f6rte er dreimal mehr stickstoffhaltige Substanz. Bei ann\u00e4hernd gleicher Stickstoffausscheidung nimmt das Saugkalb wesentlich mehr Stickstoff im F utter auf als der Mensch und das Schaf, und es zersetzt weniger Eiweiss wie das Mastschaf trotz reichlicherer Eiweisszufuhr.\nDer Menge des aufgenommenen Eiweisses nach verh\u00e4lt sich also das Saugkalb wie der reichlich ern\u00e4hrte Fleischfresser, nach der Menge des zerst\u00f6rten Eiweisses aber wie der hungernde Fleischfresser; oder das Saugkalb \u00fcbertrifft in der Eiweissaufnahme den gleich schweren ausgewachsenen Wiederk\u00e4uer (den Hammel), welcher reichliches Mastfutter erh\u00e4lt, gleicht aber in der Eiweisszerst\u00f6rung dem Wiederk\u00e4uer bei Erhaltungsfutter.\nIn der Mehrzahl der F\u00e4lle wird beim ausgewachsenen Thier auch soviel Eiweiss zersetzt wie in den K\u00f6rper eingef\u00fchrt worden ist; nur dann wenn ein betr\u00e4chtliches Quantum eiweissersparender Nahrungsstoffe (Fett und Kohlehydrate) aufgenommen worden ist, bleibt ein unter allen Umst\u00e4nden verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig geringer Theil des Nahrungseiweisses unzerst\u00f6rt und gelangt zum Ansatz. Bei dem fleischfressenden Hund betrug in ganz extremen F\u00e4llen die Eiweissablagerung 55 % vom Nahrungseiweiss, f\u00fcr gew\u00f6hnlich zersetzt er unter den g\u00fcnstigsten Verh\u00e4ltnissen wenigstens 75% des letzteren. Der vollj\u00e4hrige Ochs 1 zerst\u00f6rt bei einem Futter, welches viel eiweiss-ersparende, stickstofffreie N\u00e4hrstoffe enth\u00e4lt, 64\u201476% des verzehrten Eiweisses, die Milch produzirende Ziege 2 zwischen 60\u201470%, w\u00e4hrend das Saugkalb im Mittel nur 26% davon umsetzt und demnach 74% zur Aufspeicherung bringt.\nEs steht daher fest, dass im noch wachsenden Organismus die Bedingungen f\u00fcr den Eiweisszerfall ungleich ung\u00fcnstiger sind als beim ausgewachsenen, womit eben das rasche Wachsthum der Organe zusammenh\u00e4ngt. Warum wird aber im ersteren weniger Eiweiss zersetzt?\nDas junge Thier k\u00f6nnte weniger Eiweiss zersetzen, weil es in seiner Nahrung im Verh\u00e4ltniss zum Eiweiss mehr stickstofffreie ei-weisssparende Stoffe aufnimmt oder weil sein Leib reicher an Fett ist oder weil in ihm die S\u00e4ftecirkulation eine geringere ist oder weil die jungen Zellen im geringeren Grade die F\u00e4higkeit besitzen, Stoffe\n1\tE. Wolff, Ern\u00e4hrung der landw. Nutzthiere S. 295. 1876, nach den Versuchen von Henneberg u. Stohmann.\n2\tStohmann, Biolog. Studien. Heft 1. S. 129. 1873.","page":536},{"file":"p0537.txt","language":"de","ocr_de":"Nahrung noch wachsender Organismen.\n537\nzu zerlegen, oder endlich weil die nicht ausgewachsenen Zellen das Eiweiss mit grosser Kraft f\u00fcr sich wegnehmen.1 2\nWas die erstere Annahme betrifft, so setzt der Hund bei dem gleichen Verh\u00e4ltnis der stickstoffhaltigen und stickstofffreien Stoffe in der Nahrung viel weniger Eiweiss am K\u00f6rper an als das Saugkalb; in den Versuchen von Henneberg und Stohmann am vollj\u00e4hrigen Rind war das Verh\u00e4ltnis noch ungleich g\u00fcnstiger f\u00fcr die stickstofffreien Stoffe und doch wurde von ihm wesentlich mehr Eiweiss zerst\u00f6rt als vom Saugkalb ; in der Milchnahrung des S\u00e4uglings findet sich relativ mehr Eiweiss vor als in der gemischten Nahrung des Arbeiters. Das neugeborne Kalb ist ferner ein \u00e4usserst fettarmer Organismus und auch das neugeborne Kind enth\u00e4lt meist prozentig weniger Fett als der Erwachsene. Nach den Aufzeichnungen von Vierordt 2 ist bei kleineren und bei j\u00fcngeren Organismen die Kreislaufszeit eine geringere und die in der Zeiteinheit cirkulirende Blutmasse gr\u00f6sser, wodurch eigentlich mehr Eiweiss in den Zerfall ge-rathen sollte; er giebt daf\u00fcr an:\nKreislaufszeit in\tDurch 1 Kilo K\u00f6rper\nSekunden\tcirkulirt Blut in 1 Min.\nim Neugeborenen ...\t12.1\t379\nim 3j\u00e4hrigen ....\t15.0\t306\nim 14j\u00e4hrigen ....\t18.6\t246\nim Erwachsenen ...\t22.1\t206\nDie Neugeborenen machen sich weniger Bewegung, sie schlafen fast den ganzen Tag; aber diese Ruhe beg\u00fcnstigt nach den fr\u00fcheren Darlegungen nur den Ansatz von Fett und nicht den von Eiweiss. Es l\u00e4sst sich auch nicht einsehen, warum die jungen Zellen in geringerem Maasse die F\u00e4higkeit besitzen sollten, Eiweiss zu zerlegen. Es bleibt daher nichts anderes \u00fcbrig als anzunehmen, dass die wachsenden Organe dem Strom des cirkulirenden Eiweisses rasch das Eiweiss entziehen und es so durch Anlegung als Organeiweiss vor dem Zerfall sch\u00fctzen; es wirkt das junge Organ wie der wachsende Eierstock des Lachses oder die milchgebende Brustdr\u00fcse oder eine rasch sich entwickelnde Neubildung, wodurch ebenfalls Eiweiss gebunden und vor der Zerst\u00f6rung bewahrt wird; auch das Fett vermindert die Eiweisszersetzung, indem unter seinem Einfl\u00fcsse aus dem cirkulirenden Eiweiss Organeiweiss entsteht. In Folge der zunehmenden Masse der wachsenden Organe wird nach und nach mehr Eiweiss verbraucht; es nimmt aber auch allm\u00e4hlich das Wachsthum\n1\tDas weniger an den Umsetzungen sich betheiligende Skelett macht bei jungen und ausgewachsenen Organismen den gleichen Bruchtheil des K\u00f6rpergewichts aus, denn nach den Bestimmungen von E. Bischoff betr\u00e4gt es bei Erwachsenen 15.9\u00b0/o des K\u00f6rpergewichtes, bei Neugeborenen 15.7\u00b0/o.\n2\tVierordt, Physiologie des Kindesalters. S. 59. 1877.","page":537},{"file":"p0538.txt","language":"de","ocr_de":"538\nVoit. Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\nder Zellen ab, so dass immer weniger und weniger Eiweiss dem S\u00e4ftestrom entrissen und immer mehr und mehr zersetzt wird und daher eine gr\u00f6ssere Quantit\u00e4t von Eiweiss zur Produktion von K\u00f6rpersubstanz n\u00f6thig ist.\nGanz anders wie die Eiweisszersetzung verh\u00e4lt sich der Fettumsatz beim jungen Thier. Soxhlet hat den Fettverbrauch beim Saugkalb aus der Kohlenstoffausscheidung berechnet. Es werden darnach bei ihm verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig mehr stickstofffreie Stoffe zersetzt ; es treffen n\u00e4mlich an Kohlens\u00e4ure auf 1 Kilo K\u00f6rpergewicht in\n24 Stunden:\nGrm. Kohlens\u00e4ure\nMensch, mittlere Kost........................14.4\nHund, 32 Kilo, Hunger........................11.4\nHund, 32 Kilo, 800 Fl. u.\t350\tF.........18.4\nHund, 32 Kilo, 800 Fl. u.\t450\tSt.........20.0\nOchs, Beharrungsfutter 1.....................10.3\nOchs, Mastfutter.............................13.0\nHammel, Beharrungsfutter.....................17.0\nSaugkalb.....................................19.5\nEs verh\u00e4lt sich also in Beziehung der Kohlens\u00e4ureabgabe das Saugkalb wie der mit 800 Fleisch und 350 Fett gef\u00fctterte Hund, der aber mehr Eiweiss zersetzte, denn er schied auf 1 Theil Stickstoff nur 29 Theile Kohlens\u00e4ure aus, w\u00e4hrend das Saugkalb auf 1 Theil Stickstoff 85 Theile Kohlens\u00e4ure lieferte. Dies ist ganz in Ueber-einstimmung mit dem fr\u00fcher angegebenen Gesetze, wonach die Zelle das stickstofffreie Material angreift, wenn ihre F\u00e4higkeit zu zersetzen durch das disponible Eiweiss noch nicht ersch\u00f6pft ist; stets wird darum bei einem geringeren Eiweisszerfall mehr Fett zerst\u00f6rt und so auch hier, wo durch die wachsenden Zellen das leicht zersetzbare cirkulirende Eiweiss in Organeiweiss verwandelt wird. Man ersieht daraus, dass die junge Zelle in hohem Grade die F\u00e4higkeit hat, Stoffe zum Zerfall zu bringen, nur spaltet sie weniger Eiweiss, da weniger von letzterem unter die Bedingungen der Zersetzung ger\u00e4th. Zur Produktion der Kohlens\u00e4ure dienen beim Saugkalb 422 Grm. Milchzucker, 78.5 Grm. Milchfett und 32.7 Grm. Fett, welche aus dem Eiweiss entstanden sind, sowie 4.8 Grm. kohlenstoffhaltige Reste nach Abtrennung von Fett und Harnstoff aus dem Eiweiss.\nDas Saugkalb setzt wegen der reichlichen Stoffaufnahme ausser dem Eiweiss noch ziemlich viel Fett an, welches alles aus dem in der Milch aufgenommenen Fett stammen kann. Der fettarme Zustand des neugeborenen Kalbes beg\u00fcnstiget sehr die Aufspeicherung von\n1 Henneberg, Journ. f. Lanclw. 1871. S. 250.","page":538},{"file":"p0539.txt","language":"de","ocr_de":"Nahrung noch wachsender Organismen.\n539\nFett. Wenn aus den Kohlehydraten wirklich kein Fett entsteht, so ist es noting dem jungen Thier ein fettreiches Gemische, Milch, als Nahrung zuzuf\u00fchren, da in ihm nur wenig Eiweiss zerf\u00e4llt, also auch nur wenig Fett daraus sich abspaltet. Erst wenn sp\u00e4ter mehr Eiweiss zersetzt wird, kann das daraus sich abtrennende Fett durch das zugleich gereichte Kohlehydrat erspart werden.\nBei einem 2\u20143 Wochen alten Saugkalb von 50 Kilo K\u00f6rpei-gewicht besteht der Ansatz am K\u00f6rper t\u00e4glich in:\n168\tGrm. Eiweiss\n158\t\u201e\tFett\n33\t\u201e\tAsche\n566\t\u201e\tWasser\n925 Grm. Gesammtansatz\nDie Angaben von Soxhlet f\u00fcr das Saugkalb gelten wohl auch f\u00fcr das mit Muttermilch ern\u00e4hrte Kind im ersten Lebensjahre: der S\u00e4ugling erh\u00e4lt verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig mehr Nahrungsstoffe, namentlich mehr Eiweiss als der Erwachsene ; er setzt aber daraus bei gleicher Aufnahme wesentlich mehr Eiweiss und Fett an, und zerst\u00f6rt weniger Eiweiss als letzterer.\nDie Ern\u00e4hrung des S\u00e4uglings ist eine ungemein gleichm\u00e4ssige, er hat im ersten Lebensjahre noch keine Abwechselung- in den Nahrungsmitteln wie der Erwachsene.\nCamerer1 hat die Mengen von Muttermilch bestimmt, welche ein gesundes Kind im ersten Lebensjahre in t\u00e4glich 5 Mahlzeiten\naufnimmt :\n\t\u00ab\t-4-3 O\tMutter- milch\tauf 1 Kilo Muttermilch kommen Zuwachs\tEiweiss\t\tFett\t\tI Milchzucker\t\nLebenstag\tII hh cc\t\t\tabs. ! i\tauf 1 Kilo\tabs.\tauf 1 Kilo\tabs.\tauf 1 Kilo\n1\t3280\t10\t\t0.30\t0.093\t0.36\t0.108\t0.36\t0.111\n\u2022)\t3160\t92\t\u2014\t2.81\t0.889\t3.26\t1.033\t3.35\t1.061\n3\t3110\t247\t\u2014\t7.54\t2.425\t8.76\t2.818\t9.00\t2.894\n4\t3110\t337\t98\t10.29\t3.307\t11.96\t3.844\t12.28\t3.948\n5\t3124\t2SS\t98\t8.80\t2.815\t10.22\t3.271\t10.49\t3.359\n6\t3160\t379\t98\t11.57\t3.659\t13.45\t4.255\t13.81\t4.370\n9-12\t3150\t495\t46\t15.12\t4.799\t17.56\t5.575\t18.04\t5.726\nIS\u201421\t3390\t534\t59\t16.31\t4.810\t18.95\t5.588\t19.46\t5.740\n31-33\t3670\t555\t51\t16.95\t4.618\t19.69\t5.365\t20.22\t5.510\n46-69\t4410\t651\t37\t19.88\t4.508\t23.10\t5.237\t23.72\t5.379\n105 \u2014 113\t5200\t749\t24\t22.87\t4.399\t26.57\t5.110\t27.29\t5.249\n161\u2014163\t6100\t766\t24\t23.39\t3.835\t27.18\t4.455\t27.91\t4.576\n211\u2014245\t7200\t1345 (Kuhmilch)\tH\t53.76\t7.466\t37.08\t5.1 50\t61.67\t8.565\n357\u2014359\t8900\t1563 (gemischt)\t6\t\t\t\t\t\t\t\n1 Camerer, Ztschr. f. Biologie. XI\\. S. 3SS. 1S7S.","page":539},{"file":"p0540.txt","language":"de","ocr_de":"540\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\nAhlfeld 1 giebt h\u00f6here Zahlen der vom S\u00e4ugling aufgenommenen Muttermilch an als Camerer; es kommen selbstverst\u00e4ndlich hierin grosse Verschiedenheiten vor je nach dem K\u00f6rpergewicht und den \u00fcbrigen individuellen Bedingungen des Kindes1 2; er findet aber f\u00fcr 1 Kilo getrunkener Muttermilch den n\u00e4mlichen, allm\u00e4hlich abnehmenden K\u00f6rperzuwachs wie letzterer. Nach Soxhlet bewirkt die Aufnahme von 1 Kilo frischer Milch beim Saugkalb im Mittel eine t\u00e4gliche K\u00f6rpergewichtszunahme von 114 Grm., also mehr wie beim Kind, da das rascher wachsende Thier mehr Stoff der Zerst\u00f6rung entzieht. Der ruhende Arbeiter nimmt auf 1 Kilo K\u00f6rpergewicht t\u00e4glich nur 1.93 Grm. Eiweiss, 1.01 Grm. Fett und 4.96 Grm. Kohlehydrat auf.\nBei Ern\u00e4hrung des Kindes mit Kuhmilch nimmt man f\u00fcr ein Alter von 6 Monaten 1200\u20141300 Grm. Milch an; ein 5 Monate altes M\u00e4dchen von 6750 Grm. Gewicht verzehrte nach Camerer3 w\u00e4hrend 6 Tagen t\u00e4glich 1390 Grm. Kuhmilch mit Zuckerwasser. Dies stimmt mit den betreffenden Mittheilungen Ahlfeld\u2019s \u00fcberein. Von der Kuhmilch wird daher vom Kinde wesentlich mehr aufgenommen als von der Muttermilch und zugleich mehr Harn und Koth ausgeschieden, da dieselbe schlechter ausgen\u00fctzt wird, aber auch deshalb weil das Kind sie mit geringerer M\u00fche erlangt.4\nEs liegen bis jetzt noch keine gen\u00fcgenden Untersuchungen \u00fcber die Gesammtzersetzungen im K\u00f6rper von Kindern verschiedenen Alters unter verschiedenen Verh\u00e4ltnissen vor; man m\u00fcsste die Menge und Zusammensetzung der aufgenommenen Milch, sowie die in 24 Stunden unter ihrem Einfl\u00fcsse im Harn, im Koth und in der Respiration ausgeschiedenen Elemente genau bestimmen, um den Umsatz an Eiweiss, Fett und Kohlehydraten zu erfahren. Man hat zwar den Kohlens\u00e4uregehalt der Athemluft in einigen F\u00e4llen ermittelt, in anderen die Harnstoffmenge im Harn, oder die Stickstoffmenge im Harn und Koth; man ist aber nicht im Stande aus solchen Einzelbeobachtungen ein Ge-sammtbild der Zersetzungen zu gewinnen. Um den Bedarf an den\n1\tAhlfeld, Ueber Ern\u00e4hrung des S\u00e4uglings an der Mutterbrust. Leipzig 1878.\n2\tSiehe \u00fcber die vom S\u00e4ugling aufgenommenen Milchmengen noch: Cou-dereau, Rech. chim. et physiol, sur l\u2019alimentation des enfants. Paris 1869 ; G. Kr\u00fcger, Arch. f. Gyn\u00e4kologie. VII. S. 59. 1874 ; Bouchaud, De la mort par l\u2019inanition et \u00e9tudes exp\u00e9rimentales sur la nutrition chez le nouveau-n\u00e9. Versailles 1864 ; Bartsch, Arch. f. gem. Arb. V. S. 123. 1860; Botjchut, Gaz. des hop. 1874. No. 34; C. Deneke, Arch. f. Gyn\u00e4kol. XV. S. 281.\n3\tCamerer, W\u00fcrttemb. Corr.-Bl. d. W\u00fcrttemb. \u00e4rztl. Vereins. XLVI. No. 11. S. 81. 1S76; Ztschr. f. Biologie. XIV. S. 388. 1878.\n4\tUeber die Wachsthumsverh\u00e4ltnisse des Kindes siehe: Vierordt, Physiol, d. Kindesalters. T\u00fcbingen 1877 ; Quetelet , Sur l\u2019homme et le d\u00e9veloppement physique de ses facult\u00e9s. Paris 1835, \u00fcbersetzt von Riecke. Stuttgart 1838 ; Bouchaud; Ahlfeld; Fleischmann, Ueber Ern\u00e4hrung und K\u00f6rperw\u00e4gungen der Neugebornen und S\u00e4uglinge. Wien 1877 ; Bowditch, The growth of children. Boston 1877; Camerer, Ztschr. f. Biologie. XIV. S. 383. 1878.\n|","page":540},{"file":"p0541.txt","language":"de","ocr_de":"Nahrung noch wachsender Organismen.\n541\nverschiedenen Nahrungsstoffen zu erfahren, hat man ferner die von \u00e4lteren Kindern an einigen Tagen in den Speisen aufgenommenen Nahrungsstoffe ann\u00e4hernd untersucht oder die Zusammensetzung der in \u00f6ffentlichen Anstalten gereichten Kost, mit welcher die Kinder erfahrungsgem\u00e4ss wachsen und gedeihen. Immerhin ist es aber m\u00f6glich, dass diese Kost nicht die ideale ist, d. h. dass man mit gewissen Aenderungen in den Mengen einzelner Nahrungsstoffe den Zweck besser erreichen k\u00f6nnte. Wir wissen daher noch nichts Zuverl\u00e4ssiges dar\u00fcber, wieviel ein Kind von bestimmtem Alter von den einzelnen Nahrungsstoffen n\u00f6thig hat, um einen guten K\u00f6rperzustand zu erhalten, sowie den n\u00f6thigen Stoffansatz beim Wachsthum zu bewirken, und wieviel davon zersetzt wird oder zum Ansatz gelangt.\nMan giebt gew\u00f6hnlich an, junge Thiere bes\u00e4ssen im Verh\u00e4ltniss zum K\u00f6rpergewicht einen gr\u00f6sseren Gaswechsel als ausgewachsene.1 R\u00e9gnault und Reiset bemerken unter den Resultaten ihrer Respirationsversuche, dass bei Thieren derselben Species, f\u00fcr gleiche Gewichte, von den jungen Thieren mehr Sauerstoff verzehrt wird als von den ausgewachsenen ; ich bin aber nicht im Stande brauchbare Versuche aufzufinden, welche dies darthun. Scharling2 hat w\u00e4hrend 1 Stunde die Kohlens\u00e4ureausscheidung am ausgewachsenen und noch wachsenden Menschen bestimmt; dann liegt noch eine Beobachtung von Speck an einem 13j\u00e4hrigen M\u00e4dchen vor; dies sind die einzig verwerthbaren Angaben, obwohl auch aus ihnen nicht zu entnehmen ist, wieviel bei ausreichender Nahrung und passender Lebensweise im Tag Kohlens\u00e4ure geliefert wird. Die betreffenden Zahlen sind folgende:\nVersuchs- person\tAlter in Jahren\tK\u00f6rper- gewicht\tKohlens\u00e4ure in 24 Stunden\tK\u00f6hlens, auf 1 Kilo K\u00f6rpergewicht\tBeobachter\nMann\t35\t65.5\t804.6\t12.3\tScharling\n11\t16\t57.75\t820.6\t14.2\t11\nii\t28\t82\t878.9\t10.7\tY)\nWeib\t19\t55.75\t603.7\t12.6\t11\nKnabe\t93/4\t22\t488.1\t22.2\t\nM\u00e4dchen\t10\t23\t458.5\t19.9\t11\n91\t13\t35\t536.4\t15.3\tSpeck\n1 Die Versuche von Hervier und St. Sager sind nicht gen\u00fcgend, um sichere Schl\u00fcsse zu ziehen; sie haben nur den prozentigen Gehalt der Ausathemluft an Kohlens\u00e4ure gepr\u00fcft (Compt. rend, des Pacad. de sciences. LVIII. p. 260. 1849). Die Versuche von Andral u. Gavarret (Ann. d. chim. et phys. (3) VIII. p. 129. 1843) sind allerdings zu gleicher Tageszeit und in gleicher Distanz von der Mahlzeit und unter m\u00f6glichst gleichen \u00fcbrigen Bedingungen angestellt, aber die Versuchsdauer ist nur 8\u201413 Minuten, so dass man die mittlere Kohlens\u00e4uremenge daraus nicht entnehmen kann. 2 Scharling, Ann. d. Chem. u. Pharm. XLV. S. 214. 1843.","page":541},{"file":"p0542.txt","language":"de","ocr_de":"542\nYoit, Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\nDas Kind von etwa 10 Jahren scheidet demnach, auf gleiches K\u00f6rpergewicht berechnet, betr\u00e4chtlich mehr Kohlens\u00e4ure aus als der Erwachsene ; dieser Unterschied r\u00fchrt aber wohl zum gr\u00f6ssten Theil von der relativ gr\u00f6sseren Zersetzung im kleineren Organismus her, da die S. 588 angegebenen Zahlen von Soxhlet beim Saugkalb eine wesentlich geringere Differenz zeigen.\nAuch \u00fcber die Menge des bei Kindern in 24 Stunden ausgeschiedenen Harns und des darin enthaltenen Harnstoffs liegen Beobachtungen vor, die aber gr\u00f6sstentheils keinen Schluss auf die Gr\u00f6sse der Eiweisszersetzung zulassen, weil dazu die Messung des Stickstoffs im Harn und Koth unter gleichzeitiger Ber\u00fccksichtigung der Qualit\u00e4t und Quantit\u00e4t der Nahrung n\u00f6thig ist.\nF\u00fcr die ersten Lebenswochen des Kindes sind folgende Werthe\ndes Harnstoffs angegeben\tworden L\t\n\tHarnstoff im Tag\tBeobachter\n1. Tag .\t.\t0.077\tMartin u. R\u00fcge\n1 \u2014 10. Tag .\t.\t0.192\tMartin u. R\u00fcge\nS\u201417. Tag .\t.\t0.219\tHecker\n11\u201430. Tag .\t.\t0.910\tParrot u. Robin\n35. Tag .\t.\t1.410\t\u00dcltzmann\nDarnach scheidet das Kind in den ersten Lebenstagen auf gleiches K\u00f6rpergewicht wesentlich weniger Harnstoff aus als der Erwachsene, obwohl es relativ mehr Eiweiss in der Nahrung aufnimmt; es setzt daher, ganz in Uebereinstimmung mit der Beobachtung Soxhlet\u2019s am Saugkalb, einen grossen Theil des verzehrten Eiweisses am K\u00f6rper an; am 10. Lebenstage trafen nach Martin und R\u00fcge auf 1 Kilo K\u00f6rpergewicht nur 0.05 Grm. Harnstoff, beim Erwachsenen finden sich darauf mindestens 0.5 Grm.\nBei \u00e4lteren Kindern sind von mehreren Autoren1 2 Harnstoff be-stimmungen ausgef\u00fchrt worden, aber ohne Ber\u00fccksichtigung der Kost, so geben z. B. Scherer, Rummel und J. Ranke an:\n1\tSiehe hier\u00fcber: Dohrn, Monatsschr. f. Geburtskunde. XXIX. S. 105. 1S6T. (Der bei der Geburt in der Blase enthaltene Harn) ; Martin u. Buge, Ztschr. f. Geburtshilfe und Frauenkrankheiten. I. S. 273. 1875; Ueber das Verhalten von Harn u. Nieren d. Neugebornen. Stuttgart 1875 ; Centralbl. f. d. med.Wiss. 1875. No. 24. S. 387 ; Ber. d. deutsch, chem. Ges. VIII. S. 1184. 1875; Hecker, Arch. f. path. Anat. XI. S. 217. 1857; Parrot u. Robin, Arch. g\u00e9n. 1876. Febr. p. 129 ; \u00dcltzmann, in Poliak\u2019s Jahrb. f. Kinderheilk. II. S. 27. 1869; P. Cruse, Ebenda. N. F. XI. S. 393. 1877. (Die wesentlichen Harnbestandtheile nehmen nach ihm, auf 1 Kilo berechnet, vom 2. bis 10. Tage schnell zu und bleiben dann bis zum 60. Tage ziemlich gleich.)\n2\tScherer, Verhandl. d. phys.-med. Ges. zu W\u00fcrzburg. III. S. 180. 1852.\u2014 Rummel, Ebenda. V. S. 116. 1854. \u2014 Mosler, Arch. f. gern. Arb. III. S. 398. 1857. \u2014 Uhle, Wiener med. Woch. No. 7\u20149. 1859. \u2014 J. Ranke, Die Blutvertheilung u. s. w. S. 136. Leipzig 1871.","page":542},{"file":"p0543.txt","language":"de","ocr_de":"Nahrung noch wachsender Organismen.\n543\n\tAlter\tHarnstoff\tauf 1 Kilo\nScherer: Kind\t3 72 J.\t12.94\t0.699\nM\u00e4dchen\t7\t18.29\t0.457\nMann\t38\t29.82\t0.426\nRummel : Knabe\t2\t\t\t0.939\n\t4\t\u2014\t1.079\nM\u00e4dchen\t4\t\u2014\t1.083\nMann\t31\t\u2014\t0.514\nJ. Ranke: M\u00e4dchen\t3\t12.7\t0.926\nW\u00e4hrend also das Kind in den ersten Tagen seines Lebens relativ weniger Harnstoff als der Erwachsene produzirt, nimmt die Harnstoffausscheidung oder die Eiweisszersetzung bald so zu, dass sie die des letzteren betr\u00e4chtlich \u00fcbersteigt, woher auch die von Scharling und Speck beobachtete gr\u00f6ssere Kohlens\u00e4ureabgabe herr\u00fchrt.\nCamerer1 hat bei einem Kinde vom 125\u2014135. Lebenstage bei Ern\u00e4hrung mit Muttermilch die in letzterer aufgenommenen Nahrungsstoffe bestimmt, sowie den Harn und Kotli untersucht; ebenso vom 204\u2014206. Tage bei Aufnahme von Kuhmilch. Er erhielt dabei f\u00fcr den Tag im Mittel:\nLebenstag\tK\u00f6rper-\tMilch\tin\tder Milch\t\tStickstoff\tKoth\tStickstoff im Koth\n\tgewicht\tauf\tEiweiss\tFett\tZucker\tim Harn\tlest\t\n1)\t125\u2014135 2)\t204\u2014206\t5500 6700\t750 1345\t22.9 53.8\t26.6 37.1\t27.3 61.7\t0.73 2.34\t0.91 15.0\t0.67\nEs erh\u00e4lt:\n\t\tEiweiss\tFett\tZucker\n1\tKilo\tKind 1) 4.2\t4.8\t5.0\nl\tn\t\u00bb 2) 8.0\t5.5\t9.2\n1\tn\tArbeiter 1.8\t0.8\t7.5\nDarnach treffen auf 1 Kilo des 4 monatlichen Kindes in der Nahrung viel mehr Eiweiss und Fett als beim Erwachsenen. Das Verh\u00e4ltnis des Eiweisses zu den stickstofffreien Stoffen in der Nahrung ist beim Kinde wie 1 : 1.82 oder 1 : 1.35, beim Arbeiter 1 : 2.9; letzterer verbraucht bei der Arbeit mehr stickstofffreie Stoffe, w\u00e4hrend das Kind einen Ueberschuss von Eiweiss zum Wachsthum noting hat.\n1 Camerer, Ztschr. f. Biologie. XIY. S. 394. 1878.","page":543},{"file":"p0544.txt","language":"de","ocr_de":"544\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die ISahrung.\nBei der k\u00fcnstlichen Auff\u00fctterung der Kinder werden gew\u00f6hnlich absolut und im Verh\u00e4ltniss zum Eiweiss viel zu viel Kohlehydrate und zu wenig Fett gegeben. J. Forster 1 hat z. B. in solchen F\u00e4llen\ngefunden :\nNahrung\tAlter\tK\u00f6rper- gewicht\tin der Nahrung\t\t\tVer-\n\t\t\tEi- weiss\tFett\tKohle- hydrat\th\u00e4ltniss\nMehlbrei mit Milch und Zucker .\t.\t7 Wochen\t\t29\t19\t120\t1 : 3.02\nChamer Milch .\t.\t4\u20145 Monate\t5.53\t21\t18\t98\t1 : 3.52\ngemischte Kost .\t.\t11/2 Jahre\t\u2014\t36\t27\t150\t1 : 3.13\nEs kann dieses Uebermaass von Kohlehydraten nur von Nachtheil sein; der Zusatz von Rohrzucker zur Cha\u00eener Milch macht wahrscheinlich nicht so leicht St\u00f6rungen der Verdauung, da der Zucker rasch und in ziemlicher Menge resorbirt wird, wohl aber bewirkt das St\u00e4rkemehl leicht saure G\u00e4hrung im Darm und Diarrh\u00f6en.\nWeitere Beobachtungen hat Camerer 2 an 5 Kindern im Alter von 2\u201411 Jahren angestellt. Nach der S\u00e4uglingsperiode nimmt darnach das Wachsthum des Kindes mit seinem grossen Einfluss auf die Ern\u00e4hrung rasch ab, und es treten dagegen immer mehr die den Verbrauch bei den Erwachsenen bestimmenden Einfl\u00fcsse auf.\nEs ergab sich:\n\tAlter in Jahren\tAn- fangs- ge- wicht in Kilo\tWachs- thum im Jahr\tHarn- stoff im Harn\tKoth\t\tin der Nahrung\t\t\n\t\t\t\t\tfest\ti\u00a5\tEi- weiss\tFett ,\tKohle- hydrat\n1) M\u00e4dchen\t10 Va\t21.860\t3910\t15.1\t26.8\t2.42\t67.5\t45.7\t268.6\n2) M\u00e4dchen\t8\u2018/a\t21.760\t2361\t14.9\t28.9\t1.94\t61.3\t47.0\t207.7\n3) Knabe\t4\t17.426\t1824\t14.6\t27.7\t1.67\t637\t45.8\t197.3\n4) M\u00e4dchen\t3\t12.610\t1620\t11.1\t24.8\t1.42\t44.8\t41.5\t102.7\n5) M\u00e4dchen\tl1/*\t8.950\t1700\t12.1\t12.8\t0.77\t47.1\t43.3\t95.9\nAuf 1 Kilo K\u00f6rper kommen in der Nahrung:\nEiweiss\tFett\tKohlehydrat\tVerh\u00e4ltniss\n1) 2.9\t2.0\t11.5\t1 : 2.97\n2) 2.7\t2.1\t9.2\t2.74\n3) 3.5\t2.5\t11.0\t2.52\n4) 3.4\t3.1\t7.7\t2.12\n5) 4.4\t4.0\t8.9\t2.07\n1\tJ. Forster, Ztschr. f. Biologie. IX. S. 381. 1873.\n2\tCamerer, Ebenda. XVI. S. 25.1880; siehe auch: Anna Schabanowa, Ztschr.","page":544},{"file":"p0545.txt","language":"de","ocr_de":"Nahrung noch wachsender Organismen.\n545\nHildesheim* 1 giebt f\u00fcr Kinder von 6\u201410 Jahren als n\u00f6thig an: 69 Eiweiss, 21 Fett und 210 Kohlehydrate (1: 2.04). Ich habe durch den M\u00fcnchener Magistrat genauen Aufschluss \u00fcber den Verbrauch an Lebensmitteln im Waisenhause erhalten und daraus die einem Kind im Mittel t\u00e4glich gegebene Menge von Eiweiss, Fett und Kohlehydraten berechnet.2 Die im Alter von 6\u201415 Jahren stehenden Kinder befinden sich dabei vortrefflich, sie sind wohl gen\u00e4hrt und haben ein gesundes Aussehen. Sie bekommen t\u00e4glich 79 Eiweiss, 35 Fett und 251 Kohlehydrate (1:2.26), also nahezu die gleiche Menge wie die alten Pfriindnerinnen (S. 530), welche zwar eine gr\u00f6ssere K\u00f6rpermasse besitzen, aber keinen Bedarf f\u00fcr das Wachsthum mehr haben.3\nTI. Nahrung bei weiteren Ausgaben des K\u00f6rpers (besonders\nbei der Milchabsonderung).\nEs sind zu gewissen Zeiten des Lebens Stoffe f\u00fcr weitere Bed\u00fcrfnisse des Organismus n\u00f6thig, besonders zur Bereitung der Milch in der Brustdr\u00fcse und zur Entwicklung des F\u00f6tus. Es ist selbstverst\u00e4ndlich, dass das Material daf\u00fcr direkt von den S\u00e4ften und indirekt von der Nahrung geliefert werden muss, wenn der K\u00f6rper nicht an Masse abnehmen soll.\nEs ist nicht m eine Aufgabe den Einfluss der Nahrung auf die Menge der in der Milch abgesonderten Stoffe und die Bildungsweise der letzteren eingehend darzulegen, dies geh\u00f6rt zu der Betrachtung der Milchsekretion \u00fcberhaupt. Es soll hier vorz\u00fcglich nur er\u00f6rtert werden,\nf. Kinderheilkunde. XIV. S. 2S1. 1879. (Die relative Nahrungsmenge nimmt vom 2. Jahr an allm\u00e4hlich ah, die relative Harnstoffinenge wird bis zum 4. Jahre gr\u00f6sser, dann aber stetig geringer.)\n1\tHildesheim, Die Normaldi\u00e4t. 1856. S. 47.\n2\tSiehe hier\u00fcber: Voit, Unters, d. Kost u.s. w. S. 125. 1877. \u2014 Playfair, Edinburgh, New Philos. Journ. LYI. p. 266. \u2014 Simler, Ern\u00e4hrungsbilanz der Schweiz. S.6. 1872.\n3\tWeiske (Unters, \u00fcber d. Ern\u00e4hrungsvorg\u00e4nge d. Schafes in seinen verschied. Altersperioden. 1880) hat ein Lamm nach der Entw\u00f6hnung von der Muttermilch mit Wiesenheu und Erbsenschrot gef\u00fcttert. 1 Kilo verdauliche Trockensubstanz des Futters bringt mit zunehmendem Alter des Thiers eine immer geringer werdende Zunahme des Lebendgewichts hervor. Der t\u00e4gliche absolute Ansatz und Umsatz von Stickstoff bleibt nahezu constant, der relative f\u00e4llt um so mehr, je \u00e4lter das Thier wird. Bis zum 15. Lebensmonat scheint das Schaf im Ganzen ungef\u00e4hr gleiche Mengen von trockenem Fleisch und Fett abzulagern. Mit der Entwickelung wird der K\u00f6rper reicher an Trockensubstanz und \u00e4rmer an Wasser. Bei fortschreitender Ausbildung bedarf das Lamm absolut mehr Futtertrockensubstanz, wobei jedoch die darin enthaltene Eiweissmenge nahezu die gleiche bleiben kann. Gleiches K\u00f6rpergewicht bedarf sp\u00e4ter immer weniger. Bei vollendetem 2. Lebensjahr ist nur die H\u00e4lfte Trockensubstanz, Fett und Kohlehydrat n\u00f6thig, und nur Vs so viel Eiweiss als im 4. Lebensmonat.\nHandbuch der Physiologie. Bd. VI.\n35","page":545},{"file":"p0546.txt","language":"de","ocr_de":"546\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\nwelche Aenderung die gew\u00f6hnliche Nahrung erf\u00e4hrt, wenn die Sekretion von Milch stattfindet.\nEs k\u00f6nnte dabei der K\u00f6rper genau um ebensoviel an Nahrungsstoffen mehr aufnehmen m\u00fcssen als Stoffe durch die Milch verloren gehen. Oder es k\u00f6nnten zur Bildung und Abscheidung der Milch-bestandtheile viel mehr Stoffe n\u00f6thig sein, sowie beim ausgewachsenen Organismus zur Erzielung eines Ansatzes von 100 Grm. Eiweiss nicht nur ein Plus von 100 Grm. Eiweiss in der Nahrung gereicht werden muss, sondern wesentlich mehr, da bei ihm jede Vermehrung der Zufuhr auch den Zerfall steigert. Oder es k\u00f6nnte beim milchgebenden Thier ebensoviel Stoff ausreichen wie ohne Milchabsonderung, dadurch dass die betreffenden Bestandtheile durch die Dr\u00fcse dem S\u00e4ftestrom entzogen werden und der Umsatz in den \u00fcbrigen Organen entsprechend geringer wird.\nNach den \u00fcbrigen Erfahrungen \u00fcber die Vorg\u00e4nge im K\u00f6rper ist voraussichtlich der zweite Fall gegeben, wonach also in der Nahrung des milchgebenden Thiers mehr (wenigstens mehr Eiweiss) eingef\u00fchrt werden muss als der Absonderung entspricht. Wahrscheinlich braucht man zu dem Zwecke nahezu so viel Substanz als f\u00fcr den Ansatz oder die Mast eines ausgewachsenen Thiers, also mehr wie f\u00fcr das Wachsthum eines jungen Thiers.\nEs ist die Aufgabe zu untersuchen, wieviel man von den einzelnen Nahrungsstoffen darreichen muss, um unter ihrem Einfluss die gr\u00f6sste Milchabsonderung mit der gr\u00f6ssten Menge der einzelnen Milch-bestandtheile zu erhalten.\nIn 800 Grm. Frauenmilch, welche vom 5 monatlichen Kind etwa aufgenommen werden, befinden sich 20 Grm. Eiweiss, 31 Grm. Fett und 48 Grm. Zucker; das ist, wenn man zur Ern\u00e4hrung einer nicht arbeitenden, nicht s\u00e4ugenden Frau t\u00e4glich 85 Grm. Eiweiss, 30 Grm. Fett und 300 Grm. Kohlehydrat annimmt, ein betr\u00e4chtlicher Brucli-theil des zur Erhaltung des K\u00f6rpers n\u00f6thigen Nahrungsmaterials.\nAm Menschen sind noch keine brauchbaren Versuche \u00fcber die hier vorliegenden Fragen angestellt worden, da es schwierig ist, die Milchquantit\u00e4t zu ermitteln und eine bestimmt zusammengesetzte Kost einzuf\u00fchren; man muss daher die an Thieren ausgef\u00fchrten Untersuchungen zu verwerthen suchen.1 2\nEs geht aus allen Versuchen, schon aus den von Boussingault 2 an K\u00fchen gemachten hervor, dass die Beschaffenheit der Nahrung keine so\n1\tEine vortreffliche Zusammenstellung der Versuchsresultate findet sich bei : E. Wolff, Die Ern\u00e4hrung d. landw. Nutzthiere. S. 496. Berlin 1876.\n2\tBoussingault, Ann. d. chim. u. phys. (2) IX. p. 132. 1866.","page":546},{"file":"p0547.txt","language":"de","ocr_de":"Nahrung hei weiteren Ausgaben des K\u00f6rpers.\n547\ngrosse Wirkung auf den Ertrag und die Zusammensetzung der Milch hat, wie man es sich fr\u00fcher vorstellte ; es bedarf l\u00e4nger w\u00e4hrender Versuchsreihen, um einen solchen Einfluss \u00fcberhaupt nachzuweisen.\nNachdem in Hohenheimer Versuchen 1 2 an K\u00fchen bei einer steigenden Eiweissmenge im Futter eine deutliche Erh\u00f6hung der Milchproduktion und der darin ausgeschiedenen Trockensubstanz, jedoch fast keine Aenderung in der prozentigen Zusammensetzung der Milch bemerkt worden war, pr\u00fcfte M. Fleischer 2 ebenfalls an K\u00fchen, ob bei sehr verschiedener F\u00fctterungsweise und bei dadurch hervorgerufener wesentlicher Aenderung im Ern\u00e4hrungszust\u00e4nde des Thiers sich ein bestimmter Einfluss auf die Milchabsonderung zeigt. Der Milchertrag nahm bei einer anhaltend \u00e4rmlichen F\u00fctterung, bei welcher vorz\u00fcglich ein Ausfall von Eiweiss stattfand, um 25\u201433 u/o ab; bei Erh\u00f6hung der Eiweissgabe wuchs die Produktion von Milch allm\u00e4hlich, um bei recht reichlicher F\u00fctterung das Maximum zu erreichen ; Zusatz von Oel zu \u00e4rmlichem Futter hatte nur einen sehr geringen Einfluss. Bei der andauernd ungen\u00fcgenden F\u00fctterung, bei welcher trotz Abgabe von Fleisch und Fett die Thiere nicht an Gewicht abnahmen, sondern den Verlust durch Wasseransatz ausglichen, wurde die Milch ebenfalls w\u00e4ssriger; bei dem besseren Ern\u00e4hrungszustand des K\u00f6rpers ist der prozentige Gehalt der Milch an Eiweiss um ein geringes h\u00f6her, dagegen bleibt der prozentige Fettgehalt unver\u00e4ndert, auch bei einem Zusatz von Oel zum Futter.\nGanz \u00e4hnliche Versuche wie die vorausgehenden f\u00fchrte G. K\u00fchn 3 in M\u00f6ckern an Milchk\u00fchen aus. Der Einfluss des Futters auf die prozentige Zusammensetzung der Milch findet ungleich langsamer und allm\u00e4hlicher statt als der auf die Quantit\u00e4t derselben; aber auch hier fand sich in Folge reichlicher F\u00fctterung, namentlich bei eiweissreichem con-centrirtem Futter, eine betr\u00e4chtliche Steigerung des Milchertrags, und zugleich eine prozentige Zunahme der Trockensubstanz bei unver\u00e4ndertem gegenseitigem Verh\u00e4ltniss der einzelnen Milchbestandtheile. Ein Fettzusatz zum stickstoffreichen Futter vermehrte etwas die Menge der Milch, jedoch nicht deren prozentigen Fettgehalt; ein Zusatz von stickstofffreien Stoffen zu Wiesenheu brachte ebenfalls nur eine geringe Wirkung hervor: der von St\u00e4rkemehl machte gar keine Ver\u00e4nderung in der Milchproduktion, der von Riibol erh\u00f6hte etwas die Quantit\u00e4t der Milch, verminderte aber entschieden den prozentigen Gehalt an Trockensubstanz. Ist einmal das Thier w\u00e4hrend einiger Zeit ungen\u00fcgend gef\u00fcttert worden, so erfordert es eine lange Zeit andauernder kr\u00e4ftiger F\u00fctterung, um es wieder in denjenigen guten Ern\u00e4hrungszustand zu bringen, in welchem es zur relativ h\u00f6chsten Milchproduktion bef\u00e4higt ist; darum f\u00fcttert man lieber etwas zu reichlich als zu sparsam.\nFr. Stohmann4 hat endlich an milchgebenden Ziegen eingehende\n1\tE. Wolff, Die Versuchsstation Hohenheim S. 35. Berlin 1870.\n2\tM. Fleischer. Journ. f. Landw. 1871. S. 371, 1872. S. 395.\n3\tG. K\u00fchn, Landw. Versuchsstationen. XII. S. 114. 1S69; Journ. f. Landw. 1874. S. 175 u. 191 ; Chem. Centralbl. 1871. S. 102 ; Journ. f. Landw. 1874. S. 178 u.295; Sachs, landw. Ztschr. H75. S. 153; G. K\u00fchn u. M. Fleischer, Landw. Versuchsstationen. XII. S. 197 u. 351. 1869.\n4\tFr. Stohmann, Ztschr. f. Biologie. VI. S. 204. 1870; Journ. f. Landw. 1868\n35*","page":547},{"file":"p0548.txt","language":"de","ocr_de":"548\tVoit, Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\nVersuche angestellt und zwar mit Wiesenheu unter Zusatz von stickstofffreien Stoffen (St\u00e4rkemehl; Zucker, Oel) und von stickstoffreichen Stoffen (Leinkuchen, Kleberpr\u00e4parat).\nBei stickstoffarmer F\u00fctterung, n\u00e4mlich bei Zusatz von St\u00e4rkemehl und Zucker unter Abzug von Heu, wurde die Menge der Milch nicht wesentlich vermehrt, dagegen nahm der absolute und prozentige Gehalt derselben an Fett ab, nach Stohmann durch die Verminderung der Eiweissgabe bedingt. Die Fettmenge der Milch geht bis zu einer gewissen Grenze proportional dem Eiweissgehalte des Futters. Zusatz von stickstoffreichen Substanzen zu Wiesenheu brachte noch eine betr\u00e4chtliche Steigerung der Sekretion der Milchdr\u00fcse hervor; jedoch hatte bei einer sehr stickstoffreichen F\u00fctterung eine weitere Steigerung kaum einen Einfluss auf die Quantit\u00e4t der Milch, ja es sinkt bei dem gleichen \u00fcberm\u00e4ssig stickstoffreichen Futter allm\u00e4hlich der Prozentgehalt des Fettes in der Milch, sowie auch die Fettmenge im K\u00f6rper dabei abnimmt. Eine Zugabe von Oel zum Futter steigerte den prozentigen Fettgehalt der Milch, ein Entziehen des Fettes aus dem Futter machte ein Sinken desselben.\nAus diesen Erfahrungen lassen sich gewisse Schl\u00fcsse auf die bei der Milchabsonderung zu verabreichende Nahrung ziehen.* 1\nEs kann nicht zweifelhaft sein, dass die Quantit\u00e4t der Milch zun\u00e4chst und vor Allem abh\u00e4ngig ist von der Entwicklung der Brustdr\u00fcse, deren Zellen die Milch bereiten und die Bestandtheile der zugef\u00fchrten S\u00e4fte verwerthen. Die Milchbestandtheile filtriren nicht einfach aus dem Blute durch, sondern sie werden in den Zellen der Dr\u00fcse erzeugt oder durch die Zellen aus den S\u00e4ften aufgenommen. Kein Einfluss auf die Milchproduktion ist so gross wie die Zeit seit Beginn der Laktation, mit welcher die Gr\u00f6sse der Dr\u00fcse stetig abnimmt ; auch das reichlichste Futter bringt in einer sp\u00e4teren Periode keine ergiebige Sekretion mehr hervor. Die Nahrungsstoffe wirken daher nicht direkt auf die Zusammensetzung der Milch ein, sondern sie haben in erster Linie die Aufgabe, die Dr\u00fcse auf einen guten Zustand zu bringen und darauf zu erhalten und dann erst ihren Zellen Material zur Ausscheidung zu liefern. Darum sehen wir, weil es sich um den Aufbau von Organisirtem handelt, vor Allem die Eiweisszufuhr von Einfluss auf die Gr\u00f6sse der Absonderung; alle Untersuchungen haben ergeben, dass der Milchertrag in direktem Zusammenhang mit der Eiweissmenge des Futters steht. Bei einer gegebenen Dr\u00fcse w\u00e4hrt es deshalb einige Zeit bis die Steigerung der Zufuhr eine Vermehrung des Sekrets hervorbringt und noch l\u00e4nger\nund I860; W\u00fcrttemb. Wochenbl. f. Landw. u. Forstwirtschaft. 1872. S. S3: Biolog. Studien. 1873. Heft 1.\n1 Voit, Ztschr. f. Biologie. V. S. 127. 1869.","page":548},{"file":"p0549.txt","language":"de","ocr_de":"Nahrung hei weiteren Ausgaben des K\u00f6rpers.\n549\nbis das durch k\u00fcmmerliche Ern\u00e4hrung klein gewordene Organ wieder aufgebaut ist und wie vorher reichlich Milch liefert oder bis der Prozentgehalt einzelner Milchbestandtheile sich \u00e4ndert. Reicht man eine gen\u00fcgende Nahrung aus Eiweiss und stickstofffreien Stoffen, welche eine gute Ern\u00e4hrung der Dr\u00fcse und eine reichliche Milchabsonderung bedingt, so bringt vorz\u00fcglich eine Vermehrung des Ei-weisses eine weitere Steigerung hervor, w\u00e4hrend ein Zusatz von Fett oder St\u00e4rkemehl keinen oder nur einen geringen Einfluss aus\u00fcbt. Ist einmal ein m\u00e4chtiges Organ gegeben, dann k\u00f6nnen durch dasselbe andere Stoffe, welche nicht an der Organisation betheiligt sind und nicht dem Untergang desselben entstammen, aufgenommen werden und zur Bildung des Sekrets beitragen wie z. B. das Fett, welches unm\u00f6glich alles in den Dr\u00fcsenzellen aus Eiweiss oder Kohlehydraten entstehen kann, sondern zum guten Theil als solches aus dem Blute eintreten muss. Aber auch die gr\u00f6sste Masse von Eiweiss oder Fett oder Zucker im Blute bewirkt keinen Uebertritt dieser Stoffe in die Milch, wenn das Dr\u00fcsenparenchym fehlt, welches den Uebertritt derselben in das Sekret vermittelt. In Folge einer unzureichenden Quantit\u00e4t der Nahrungsstoffe sinkt die Milchmenge, da zun\u00e4chst die Dr\u00fcse wegen Mangels an Ersatzmaterial atrophirt und auch die vorher durchtretenden Stoffe fehlen; aber auch wenn letztere bei abermaliger reichlicher F\u00fctterung wieder gegeben sind, ist die Milchabsonderung noch gering, bis nach und nach die Dr\u00fcse wieder gewachsen ist.\nAus diesen Betrachtungen wird es klar, warum bei verschiedener Nahrungszufuhr vorz\u00fcglich das Milchquantum und die Menge der Trockensubstanz darin ge\u00e4ndert wird, aber h\u00e4ufig nicht oder nur in geringem Grade das gegenseitige Verh\u00e4ltnis der einzelnen Bestandteile der Milch; warum man ferner in der Regel nicht durch die Art der F\u00fctterung einen oder den andern Bestandtheil der Milch einseitig und betr\u00e4chtlich zunehmen machen kann, und dies nur f\u00fcr das Milchfett in einigen F\u00e4llen durch eine gesteigerte Zufuhr von Eiweiss, besonders in gewissen Futtermitteln, m\u00f6glich gewesen ist.\nNach allen Erfahrungen muss entsprechend unseren Voraussetzungen zur Absonderung reichlicher und guter Milch die Nahrung ziemlich reich an Eiweiss sein, vielleicht noch etwas reicher als bei der Mast. Bei letzterer handelt es sich vorz\u00fcglich um eine Ablagerung von \u00fcbersch\u00fcssigem Eiweiss und besonders von Fett an den schon vorhandenen, ausgewachsenen K\u00f6rpertheilen, bei der Milchbildung muss dagegen das Organ best\u00e4ndig erneuert werden, wozu ein gr\u00f6sserer Ueber-schuss von Eiweiss geh\u00f6rt. Diese gr\u00f6ssere Eiweisszufuhr bringt dem Milchthier keinen Schaden, da bei ihm das Eiweiss durch die reich-","page":549},{"file":"p0550.txt","language":"de","ocr_de":"550\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\nlieh seeernirende Dr\u00fcse alsbald in Beschlag genommen und weggef\u00fchrt wird und nicht dazu dient, den Eiweissbestand im K\u00f6rper dauernd zu vermehren. Jedoch muss auch hier ein bestimmtes Ver-h\u00e4ltniss von stickstoffhaltigen zu den stickstofffreien Stoffen in der Nahrung gegeben sein, um das Fett und den Zucker f\u00fcr die Milch zu liefern und sie nicht der Zerst\u00f6rung anheimfallen zu lassen ; bei einem zu grossen Ueberschuss von Eiweiss nimmt der Fettgehalt der Milch ab, ebenso wie das Fett am K\u00f6rper.\nZur Milchbereitung muss mehr Nahrung eingef\u00fchrt werden. Eine stillende Frau hat bekanntlich einen gr\u00f6sseren Appetit wie unter gew\u00f6hnlichen Verh\u00e4ltnissen und auch wie w\u00e4hrend der Schwangerschaft; sie scheidet daher mehr Stickstoff und Kohlenstoff im Harn und in der Respiration aus. Ebenso ist die Menge des Erhaltungsfutters einer nicht milchproduzirenden Kuh kleiner als das f\u00fcr das milchgebende Thier n\u00f6thige Nahrungsquantum ; giebt man ersterer so viel als letzterer, so setzt sie an und m\u00e4stet sich ; versiecht die Milchproduktion, so wird die Kuh bei gleichem Futter fett, Wolff rechnet auf 1000 Kilo Lebendgewicht guter Milchk\u00fche im t\u00e4glichen Futter, bei 22\u201428 Kilo Trockensubstanz, 2.5 Kilo verdauliches Eiweiss und 12.5 Kilo stickstofffreie N\u00e4hrstoffe (N\u00e4hrstoffverh\u00e4ltniss von 1 : 5), wodurch von 1000 Kilo Thier 27.6 Kilo Milch mit 0.7 Kilo Eiweiss, 1.0 Kilo Fett und 1.3 Kilo Milchzucker produzirt werden. Beim Ochsen sind im Erhaltungsfutter f\u00fcr 1000 Kilo Lebendgewicht nur 0.6 Kilo stickstoffhaltige und 7.4 Kilo stickstofffreie N\u00e4hrstoffe n\u00f6thig (Verh\u00e4ltniss von 1 : 13); im Mastfutter 1.66 \u20142.88 Kilo verdauliches Eiweiss und 9.16\u201412.09 Kilo stickstofffreie Stoffe. Zur Milchbildung geh\u00f6rt demnach eine gr\u00f6ssere Quantit\u00e4t von Nahrung mit einem relativen Vorwalten von Eiweiss. Es muss absolut mehr Eiweiss gegeben werden als in der Milch zur Abscheidung gelangt, aber auch mehr stickstofffreie Stoffe, jedoch von ersterem verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig mehr als von letzteren. Es ist noch nicht gen\u00fcgend festgestellt, bei welcher Menge und bei welchem Verh\u00e4ltniss der N\u00e4hrstoffe die Milchproduktion f\u00fcr ein bestimmtes Thier am g\u00fcnstigsten und vortheilhaftesten sich gestaltet; es sind die Schwierigkeiten, namentlich wegen der allm\u00e4hlichen Abnahme der Milchmenge mit der Laktationsdauer, ganz ausserordentlich gross. Die Ziege braucht nach Stohmann, auf gleiches K\u00f6rpergewicht berechnet, in gen\u00fcgender Ration f\u00fcr die relativ h\u00f6chste Milchproduktion doppelt so viel Eiweiss in der Nahrung als die Kuh, was offenbar mit dem gr\u00f6sseren Bedarf des kleineren Thiers in Zusammenhang steht,","page":550},{"file":"p0551.txt","language":"de","ocr_de":"Nahrung in verschiedenen Klimaten.\n551\nYII. Nahrung in verschiedenen Klimaten.1\nMan hat.fr\u00fcher, gr\u00f6sstentheils ausgehend von theoretischen Erw\u00e4gungen, ganz allgemein angenommen, dass in kalten Klimaten, um die Eigentemperatur zu erhalten, ein weit gr\u00f6sseres Maass von Nahrung nothwendig sei als in heissen, ja selbst in unseren Breitegraden im Winter mehr als im Sommer. Man dachte sich, in der K\u00e4lte werde dem K\u00f6rper viel mehr W\u00e4rme entzogen, also m\u00fcsste unter solchen Umst\u00e4nden auch mehr W\u00e4rme erzeugt und somit mehr Material verbrannt werden.2\nDas Bed\u00fcrfniss nach W\u00e4rme kann aber selbstverst\u00e4ndlich nicht zur Ursache einer intensiveren Verbrennung werden; es m\u00fcssen in einem solchen Falle besondere Veranstaltungen getroffen sein, welche eine Mehrzersetzung in der K\u00e4lte einleiten; w\u00e4ren diese nicht gegeben, dann w\u00fcrde eben der K\u00f6rper in der K\u00e4lte frieren.\nAls Ursache f\u00fcr die lebhaftere Verbrennung in der K\u00e4lte oder f\u00fcr die Anpassung der W\u00e4rmeproduktion an den W\u00e4rmeverlust, wodurch der Organismus geschickt wird, in den verschiedensten Temperaturgraden und Zonen der Erde auszuhalten, gab man fr\u00fcher den gr\u00f6sseren Sauerstoffreichthum der dichteren kalten Luft an (Lavoisier) oder die erh\u00f6hte Sauerstoffaufnahme in Folge der vermehrten Zahl der Athemz\u00fcge und der Herzbewegungen (Liebig).\nBeweise f\u00fcr die Annahme eines gr\u00f6sseren Stoffverbrauchs in der K\u00e4lte durch Versuche hielt man von manchen Seiten kaum f\u00fcr n\u00f6thig, da die einfache Ueberlegung ein solches Resultat zu fordern schien; es lagen allerdings Versuche an Thieren und Menschen vor, wie die Besprechung des Einflusses der Temperatur der umgebenden Luft auf den Stoffumsatz im K\u00f6rper zeigte (S. 211), namentlich die von Lavoisier am Menschen, jedoch f\u00fchrte man dieselben gew\u00f6hnlich nicht als Beweise an.\nEs ist jetzt durch viele Versuche erwiesen, dass im thierischen Organismus durch die Wirkung der K\u00e4lte, wenn dabei die K\u00f6rpertemperatur nicht erniedrigt wird, mehr Fett zersetzt und dadurch mehr W\u00e4rme erzeugt wird (um 36%). Die Mehrzersetzung geschieht zum Theil durch verst\u00e4rkte willk\u00fcrliche Bewegungen, zum Theil durch die gr\u00f6ssere Anstrengung der Athemmuskeln, zum Theil durch Uebertragung der Nervenerregung an der Haut auf andere Organe, vorz\u00fcglich auf die Muskeln. In der W\u00e4rme findet beim Menschen,\n1\tVoit, Ztschr. f. Biologie. XIV. S. 151. 1878.\n2\tLiebig, Thierchemie. 3. Aufl. S. 17. 21. 23. 1846 ; Chemische Briefe. S. 368 u. 370. 1851.","page":551},{"file":"p0552.txt","language":"de","ocr_de":"552\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\nwenn dadurch die K\u00f6rpertemperatur nicht erh\u00f6ht wird, keine erhebliche Aenderung der Zersetzung gegen\u00fcber der bei mittlerer Temperatur statt, eher jedoch eine Steigerung derselben (um 10 %) als eine Herabsetzung (S. 216).\nF\u00fcr den Aufenthalt in der K\u00e4lte w\u00e4re sicherlich durch die Mehrzersetzung von Fett eine zweckentsprechende Einrichtung zur Erhaltung der Eigenw\u00e4rme gegeben. Zum Zweck der Beurtheilung der Nahrung in verschiedenen Temperaturen der Umgebung fragt es sich aber, welchen quantitativen .Werth diese Regulation gegen\u00fcber den \u00fcbrigen Regulatoren der Eigenw\u00e4rme besitzt und ob sie bei den in kalten Klimaten lebenden Organismen wesentlich in Betracht kommt.\nEs ist unzweifelhaft, dass die K\u00e4lte bei uns in den Wintermonaten, sowie an den Polen, wenn die Temperatur des K\u00f6rpers nicht abnimmt und man von einer mittleren Temperatur von 150 ausgeht, unter sonst gleichen Verh\u00e4ltnissen einen gr\u00f6sseren Fettverbrauch hervorruft und somit mehr W\u00e4rme erzeugt. Bei der Katze hat sich unter diesen Umst\u00e4nden bei einem Temperaturunterschied von 37 0 eine Differenz in der Kohlens\u00e4ureausscheidung von S3\u00b0o, bei dem Menschen bei einem Temperaturunterschied von 26\u00b0 eine solche von 40% ergeben. Man k\u00f6nnte sogar meinen, dass, da der Mensch und die Thiere eine noch wesentlich niederere Temperatur, als bei den genannten Versuchen zur Wirksamkeit kam, ertragen, die W\u00e4rmeerzeugung noch weit mehr zuzunehmen verm\u00f6chte. Nach meiner Ansicht war jedoch bei diesen Versuchen schon die Grenze nahe, an welcher unter gleich bleibenden Bedingungen Abk\u00fchlung des K\u00f6rpers eintritt, ja es sind dabei schon abnorme Verh\u00e4ltnisse gegeben, welche im gew\u00f6hnlichen Leben nicht Vorkommen.\nDer Mann, welcher ohne Mantel im gew\u00f6hnlichen Zimmeranzug sechs Stunden lang bei einer Temperatur von -f- 4 0 in der Kammer des Respirationsapparates ruhig sass, fror stark, namentlich gegen das Ende des Versuchs, und bekam darnach heftiges Zittern, von dem er sich nur durch l\u00e4ngere K\u00f6rperbewegung wieder zu erholen vermochte. H\u00e4tte der Mann bei einer der niederen \u00e4usseren Temperatur entsprechenden w\u00e4rmeren Bekleidung, welche er sonst angelegt h\u00e4tte, gearbeitet, so w\u00e4re sicherlich keine erhebliche Steigerung der Fettzersetzung, gegen\u00fcber der bei gleicher Arbeit in einem m\u00e4ssig temperirten Raum, hervorgetreten.\nEs scheint mir, dass die unserem Willen entzogene Regulation der Eigenw\u00e4rme durch eine gr\u00f6ssere W\u00e4rmeproduktion in nicht sehr","page":552},{"file":"p0553.txt","language":"de","ocr_de":"Nahrung in verschiedenen Klimaten.\n553\ngrosser Ausdehnung unter den gew\u00f6hnlichen im Leben des Menschen und der Thiere gegebenen Verh\u00e4ltnissen stattfindet und jedenfalls durch die Wirkung der k\u00f6rperlichen Bewegung oder der Nahrungsaufnahme weit \u00fcbertroffen wird.\nDie frei lebenden Thiere sind n\u00e4mlich nicht wie bei einem Versuche der K\u00e4lte preisgegeben : sie suchen bei starker K\u00e4lte sch\u00fctzende H\u00f6hlen und Verstecke auf, sie erhalten durch dichtere Behaarung und eine dickere Fettlage im Unterhautzellgewebe Umh\u00fcllungen von schlechten W\u00e4rmeleitern, und sie f\u00fchren endlich lebhafte Bewegungen aus. Dass die Regulation durch reflektorische W\u00e4rmeerzeugung bei ihnen nicht sehr ergiebig ist, zeigt die best\u00e4ndige Abnahme der K\u00f6rpertemperatur bei einem auf dem R\u00fccken ausgespannten Kaninchen, bei welchem durch die Ausstreckung der Glieder die W\u00e4rmeabgabe eine g\u00fcnstigere wird.\nDie in kalten Klimaten lebenden Menschen sind meist klein und abgerundet wie die Eskimos, die Lappl\u00e4nder etc. und bieten somit der Abk\u00fchlung eine m\u00f6glichst geringe Oberfl\u00e4che dar; lange und magere Leute w\u00fcrden eher unter der K\u00e4lte leiden und vielleicht zu Grunde gehen. Sie vermeiden noch auf andere Weise den W\u00e4rmeverlust und sch\u00fctzen sich vor Frost, indem sie ihren gew\u00f6hnlich mit einem ansehnlichen Fettpolster versehenen Leib mit Pelzen und andern schlechten W\u00e4rmeleitern umh\u00fcllen, und wenn sie nicht im Freien arbeitend sich auf halten, in ihren br\u00fchwarmen H\u00fctten dicht beisammen kauern. Sie vermehren dann auch die W\u00e4rmebildung durch k\u00f6rperliche Anstrengung im Freien, ohne welche sie trotz der reflektorischen Regulation erfrieren w\u00fcrden.\nNach Allem dem fragt es sich also, ob unter den gew\u00f6hnlichen Lebensverh\u00e4ltnissen im Winter mehr Nahrung aufgenommen und mehr zerst\u00f6rt wird als im Sommer. W. F. Edwards 1 hatte kleine V\u00f6gel zu verschiedener Jahreszeit w\u00e4hrend 1 Stunde einer Temperatur von 00 ausgesetzt, und beobachtete, dass die Thiere im Sommer sich mehr abk\u00fchlten als im Winter; er brachte ferner die V\u00f6gel zur Sommer- und Winterzeit bei 20\u00b0 unter eine Glocke, worin sie im Winter fr\u00fcher erstickten. Man k\u00f6nnte aus diesen Versuchen, sowie aus denen von Dittmar Finkler1 2, nach welchen Meerschweinchen bei der n\u00e4mlichen Aussentemperatur von 18\u00b0 im Winter einen um 23% h\u00f6hern Gaswechsel zeigten wie im Sommer, schliessen, dass die Thiere im Winter durch die anhaltende Einwirkung der K\u00e4lte, auch dann wenn man sie in einen erw\u00e4rmten Raum bringt, st\u00e4ndig\n1\tEdwards, De l\u2019influence des agens physiques sur la vie. p. 163 u. 200. 1824.\n2\tFinkler, Arch. f. d. ges. Physiol. XY. S. 603. 1877.","page":553},{"file":"p0554.txt","language":"de","ocr_de":"554\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\nmehr zersetzen wie im Sommer. Es ist jedoch die Thatsache vielleicht noch anf eine andere Weise zu deuten.\nDie Angaben von Barral 1 \u00fcber die reichlichere Nahrungszufuhr bei Menschen im Winter sind nicht entscheidend, da nicht ein von der Willk\u00fcr abh\u00e4ngiger, m\u00f6glicherweise vor\u00fcbergehender Mehrkonsum von Speisen in vereinzelten F\u00e4llen, sondern nur eine dauernde Abnahme der Zersetzung w\u00e4hrend des Sommers oder eine Zunahme w\u00e4hrend des Winters bei gleichbleibender Nahrungsaufnahme beweisend ist. Das N\u00e4mliche gilt von den Versuchen von E. Smith, nach denen ein Mensch in den k\u00e4lteren Monaten mehr Kohlens\u00e4ure liefern soll als in den w\u00e4rmeren.\nSenator'1 2 nahm in sonst richtig angelegten Versuchen nur einen geringen Einfluss der \u00e4usseren Temperatur auf den Stoffverbrauch wahr. Er beobachtete zun\u00e4chst bei einem gleichm\u00e4ssig mit 300 Grm. Fleisch und 10 Grm. Schmalz ern\u00e4hrten Hunde, den er verschiedenen Temperaturen aussetzte, nur sehr geringf\u00fcgige Schwankungen des K\u00f6rpergewichts. Fernerhin fand er3 4, dass ein Hund A von 5392 Grm. Gewicht bei der n\u00e4mlichen Ern\u00e4hrungsweise mit Fleisch und Fett im Monat August 3.455 Grm. Kohlens\u00e4ure in 1 Stunde lieferte, im Monat Oktober bei einer um 10\u00b0 niederem Temperatur nur 2.6165 Grm.; das K\u00f6rpergewicht war etwas geringer geworden, die Harnstoffmenge etwas gestiegen. Ein 7520 Grm. schwerer Hund C schied ebenso im August 3.154 Grm. Kohlens\u00e4ure aus, im Oktober bei geringerem K\u00f6rpergewicht nur 2.780 Grm. Die Abnahme der Kohlens\u00e4ureausscheidung in den k\u00e4lteren Monaten r\u00fchrt vielleicht von einer Aenderung der K\u00f6rperbeschaffenheit des Thiers her.\nDer durch sechs Monate andauernde, von dem Herrn Herzog Carl Theodor in Bayern an einer Katze ausgef\u00fchrte Versuch, bei welchem das Thier stets die gleiche Nahrung erhielt, zeigte evident, dass in der kalten Jahreszeit das Thier nahezu auf seinem Gewicht blieb, mit dem Eintritt der w\u00e4rmeren Tage dagegen an Gewicht nicht unbetr\u00e4chtlich zunahm. Im Sommer ist also in der That weniger Nahrung n\u00f6thig als im Winter.\nMan fabelt in Reisebeschreibungen allerdings viel von den unglaublichen Portionen, welche die Polarmenschen verzehren, aber zuverl\u00e4ssige Angaben \u00fcber das von ihnen w\u00e4hrend l\u00e4ngerer Zeit Aufgenommene sind, soviel ich weiss, noch nicht vorhanden. Sie\n1\tBarral, Ann. d. chim. etphys. (3) XXV. p. 129. 1849.\n2\tSenator, Arch. f. path. Anat. XLY.\n3\tDerselbe, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1872. S. 20, 1874. S. 46.\n4\tHerzog Carl Theodor, Ztschr. f. Biologie. XIV. S. 51. 1878.","page":554},{"file":"p0555.txt","language":"de","ocr_de":"Nahrung in verschiedenen Klimaten.\t555\nverschlingen zwar manchmal, wenn gerade die Gelegenheit geboten ist, viel auf einmal, Rennthierfleisch und Thran in Masse, wie der Tieger in heissen Klimaten es auch thut; sie nehmen aber dann zu anderen Zeiten auch wenig auf.\nMan erz\u00e4hlt, dass die Walfischf\u00e4nger die Matrosen eigens aussuchen und nur solche auf die Expedition mitnehmen, welche ein grosses Quantum Speise ertragen k\u00f6nnen. Es weist dies ebenfalls darauf hin, dass in kalten Gegenden der Bedarf wirklich ein gr\u00f6sserer ist und dass dortselbst theils zur Verh\u00fctung des Stoffverlustes, theils um noch ausserdem mehr W\u00e4rme zu bilden, mehr Nahrung aufgenommen werden muss.\nEs w\u00e4re sehr wichtig, \u00fcber die Ern\u00e4hrungsverh\u00e4ltnisse von Thieren und Menschen in Kamtschatka oder Gr\u00f6nland oder Spitzbergen etwas Sicheres zu erfahren. Man sollte denken, es k\u00f6nnte eine Aufzeichnung \u00fcber die ziemlich einfache Kost der Menschen oder \u00fcber den Futterbedarf der Rennthiere und der Hunde ohne zu grosse M\u00fche gemacht werden.\nE. A. Scharling 1 widersprach der LiEBiG\u2019schen Lehre von dem so sehr verschiedenen Stoffverbrauch in kalten und warmen Klimaten auf das Entschiedenste. Er hat Notizen \u00fcber die Kost der Indianer in Mexiko, der eingeborenen Matrosen in Indien, und der Gr\u00f6nl\u00e4nder, sowie \u00fcber den Proviant auf Schiffen, welche auf Fahrten in die Nordsee oder nach Westindien sich befanden, erhalten und mitge-theilt, aber es war mir unm\u00f6glich, daraus etwas \u00fcber die Quantit\u00e4ten der t\u00e4glich verzehrten Nahrungsstoffe zu entnehmen.\nSenator '1 2 machte auf eine Angabe von George Kennan aufmerksam, wornack die zum Ziehen der Schlitten in Kamtschatka und Nordasien verwendeten Hunde bei einer K\u00e4lte von \u2014 70 0 F. == \u2014 57 0 C. ausschliesslich Abends nach Beendigung ihres m\u00fchsamen Tagewerkes 1Q-2\u20142 Pfd. = im Mittel 795 Grm. ged\u00f6rrte Fische erhalten, und er wundert sich dar\u00fcber, wie aus deren Spannkr\u00e4ften nicht nur der gewaltige W\u00e4rmeverlust durch die K\u00e4lte ersetzt, sondern auch noch eine so bedeutende Arbeit geleistet werden k\u00f6nne. Im getrockneten Stockfisch befinden sich nun 81.4% feste Theile und nur 18.6 % Wasser; in 795 Grm. demnach etwa 647 Grm. Trockensubstanz. Nimmt man diese bis zu 80 % als Fleisch (Muskeln, Dr\u00fcsen, leimgebendes Gewebe etc.) an, so w\u00fcrden sie *2148 Grm. frischem fettfreiem Fleisch entsprechen. Dies ist das Maximum an reinem Fleisch, mit dem\n1\tScharling, Ann. d. Chem. u. Pharm. LVI. S. 1. 1846; Journ. f. pract. Chemie XXXVI. S. 454. 1845, XLVIII. S. 435. 1849.\n2\tSenator, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1874. S. 42\u201453.","page":555},{"file":"p0556.txt","language":"de","ocr_de":"556\nYoit, Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\nman einen 35 Kilo schweren Hund in das Stickstoffgleichgewicht bringen kann. Da die Fische aber neben dem Fleisch noch Fett einschliessen, so reicht die verzehrte Masse zur Erhaltung eines Hundes auch bei der gr\u00f6ssten Leistung und Zersetzung hin.\nDie Mehrzersetzung in der K\u00e4lte durch die unwillk\u00fcrliche Regulation steht vollkommen fest, aber sie ist f\u00fcr das Leben in kalten Klimaten wahrscheinlich nicht so sehr bedeutend, da dabei andere Mittel von ungleich gr\u00f6sserer Wirksamkeit zu Hilfe kommen, n\u00e4mlich die Umh\u00fcllung des K\u00f6rpers mit schlechten W\u00e4rmeleitern, der Aufenthalt in warmen H\u00fctten w\u00e4hrend der Nacht, die Erzeugung von viel W\u00e4rme durch starke Muskelth\u00e4tigkeit. F\u00fcr sich allein, d. h. mit weniger sch\u00fctzenden Kleidern und ohne die k\u00f6rperliche Anstrengung w\u00fcrde die reflektorische Mehrzersetzung die Bewohner arktischer Gegenden nicht vor dem Erfrieren bewahren. Wirkt sie ja nicht soviel, um f\u00fcr den Menschen bei einer Temperatur von \u2014p- 250 die Kleider entbehrlich zu machen.1\nIch glaube daher, dass der Mehrbedarf an Nahrungsmitteln in kalten Klimaten nicht so betr\u00e4chtlich ist, als man anzunehmen geneigt war. Da die K\u00e4lte keinen gr\u00f6sseren Verbrauch an Eiweiss, welcher bei eben gen\u00fcgender Zufuhr vor Allem durch die Masse der stofflich th\u00e4tigen Zellen bestimmt wird, bedingt, so ist in der K\u00e4lte zur Erhaltung des Eiweissbestandes im K\u00f6rper sicherlich nicht mehr Eiweiss in der Nahrung n\u00f6thig als in unseren Breitegraden. Der Fettverbrauch dagegen wird vorz\u00fcglich beeinflusst durch die Gr\u00f6sse der Muskelarbeit und auch nebenbei bei ungen\u00fcgender Bedeckung durch die reflektorische K\u00e4ltewirkung, weshalb in kalten Klimaten bei gleicher Arbeitsleistung wohl etwas mehr Fette oder stickstofffreie Stoffe zugef\u00fchrt werden m\u00fcssen, die allerdings unter Umst\u00e4nden auch durch einen Ueberschuss von eiweissartigen Stoffen ersetzt werden k\u00f6nnen. Um durch Nahrungszufuhr eine Mehrzersetzung im K\u00f6rper und eine gr\u00f6ssere W\u00e4rmebildung hervorzurufen, ist das Fett nicht tauglich, da ein Ueberschuss desselben nicht verbrannt, sondern angesetzt wird ; wohl aber eignen sich dazu das Eiweiss und die Kohlehydrate.\nEine weitere Frage ist die, ob auch f\u00fcr h\u00f6here Temperaturen der Umgebung, wenn man von einer Temperatur von 16\u00b0 ausgeht, eine solche unwillk\u00fcrliche Regulation durch eine Minderzersetzung besteht. Von den Meisten wird eine solche angenommen, so schon von Lavoisier und von Liebig, und es gilt gew\u00f6hnlich f\u00fcr ganz\n1 Krieger, Ztschr. f. Biologie. V. S. 514. 1S69.","page":556},{"file":"p0557.txt","language":"de","ocr_de":"Nahrung in verschiedenen Klimaten.\n557\nausgemacht, dass in heissen Klimaten viel weniger Nahrung aufgenommen wird als in kalten.\nWenn die Katze des Herrn Herzogs Carl Theodor im Sommer an Gewicht zunahm, so beweist dies noch nicht eine verminderte Zersetzung in h\u00f6heren Temperaturen, denn jener Erfolg kann ebensogut nur durch den vermehrten Zerfall in der K\u00e4lte gegen\u00fcber dem bei mittlerer Temperatur hervorgebracht worden sein.\nIn einer Temperatur von 31\u00b0 wurde von der Katze etwas weniger Kohlens\u00e4ure produzirt wie bei 15\u00b0, vom Menschen dagegen eher etwas mehr; eine wesentliche Aenderung konnte nicht gefunden werden. Wenn die K\u00e4lte durch Reizung sensibler Nerven einen gr\u00f6sseren Fettverbrauch hervorbringt, so wird eine die mittlere, f\u00fcr uns vollkommen behagliche Temperatur \u00fcbertreffende Erw\u00e4rmung der Umgebung h\u00f6chstens noch eine geringe Herabsetzung oder vielleicht sogar bei eintretender Unbequemlichkeit eine geringe Erh\u00f6hung der Zersetzung bewirken. Die Auslegung von Zuntz, dass es sich im letztem Fall um die Folge der Abk\u00fchlung der Haut, durch die Wasserverdunstung handle, ist, wie ich schon bemerkt habe, nicht wahrscheinlich; die Erkl\u00e4rung ist vorl\u00e4ufig aber ganz gleichg\u00fcltig, Thatsache ist, dass beim Menschen bei h\u00f6herer Temperatur unter Umst\u00e4nden, wie sie in einem heissen Klima meistentheils gegeben sind, mehr und nicht weniger zersetzt wird. Es giebt noch andere Momente, welche in der Hitze einen erh\u00f6hten Umsatz bedingen; es ruft z. B. der reichliche Wasserkonsum eine etwas gr\u00f6ssere Eiweiss-zerst\u00f6rung hervor, oder es w\u00e4chst der Verbrauch von Fett, wenn die Thiere im Stalle in der schw\u00fclen Luft, durch Fliegen bel\u00e4stigt, unruhig werden, oder wie die Hunde mit heraush\u00e4ngender Zunge keuchend athmen.\nF\u00fcr die h\u00f6heren W\u00e4rmegrade scheint demnach, wenigstens beim Menschen, keine in Betracht kommende reflektorische Regulirung durch verminderte Oxydation zu existiren.\nDies wird auch durch die allerdings noch sp\u00e4rlichen Nachrichten \u00fcber die Kost in heissen L\u00e4ndern best\u00e4tigt. Nach dem Berichte der \u00f6sterreichischen Expedition nach Siam, China und Japan von C. v. Scherzer 1 nimmt ein im s\u00fcdlichen China lebender Arbeiter t\u00e4glich im Mittel 902 Grm. Reis mit noch anderen stickstoff-reichen Nahrungsmitteln auf; f\u00fcr einen mittleren, in unseren Gegenden lebenden Arbeiter habe ich S96 Grm. Reis mit einem geringen Zusatz einer eiweissreichen Substanz als n\u00f6thig berechnet. Engl\u00e4n-\n1 Scherzer, Bericht d. \u00f6sterr. Expedition u. s. w. Anhang. S. 56.","page":557},{"file":"p0558.txt","language":"de","ocr_de":"558\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. 4. Cap. Die Nahrung.\nder, welche l\u00e4ngere Zeit in Indien gelebt haben, versichern mich \u00fcbereinstimmend, dass sie dort nicht weniger und nicht anders essen als in der Heimath.1 Das Gleiche erfuhr ich aus zuverl\u00e4ssiger Quelle \u00fcber die Ern\u00e4hrungsverh\u00e4ltnisse in Aegypten.\nWenn man die Sache nach den \u00fcber die stoffliche Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe jetzt ermittelten Thatsachen \u00fcberlegt, so kann es auch gar nicht anders sein. Zur Erhaltung des Eiweissbestandes eines Organismus geh\u00f6rt eine bestimmte Quantit\u00e4t von Ei-weiss; Niemand sieht ein, warum sich in der W\u00e4rme weniger Ei-weiss zersetzen soll als bei einer mittleren Temperatur. Ebenso ist eine bestimmte Menge von stickstofffreien Stoffen zur Erhaltung des Fettgehaltes des K\u00f6rpers erforderlich, welche sich vorz\u00fcglich nach der Arbeitsleistung desselben richtet. Wird daher in einem heissen Klima die gleiche Arbeit verrichtet wie in unserer gem\u00e4ssigten Zone, so muss auch nahezu die gleiche Menge stickstofffreier Stoffe zersetzt werden, wobei allerdings recht viel und zwar unn\u00f6thig viel W\u00e4rme geliefert wird, mehr als zur Erhaltung der K\u00f6rpertemperatur noting ist. Deshalb ist es auch viel schwieriger, in solchen Himmelsstrichen zu arbeiten, da man dort die grosse Quantit\u00e4t von W\u00e4rme nur mit M\u00fche los wird. Viele Anstrengungen und mancherlei Veranstaltungen sind daher bekanntlich in den Tropenl\u00e4ndern darauf gerichtet, die W\u00e4rme, welche bei der Ern\u00e4hrung des K\u00f6rpers erzeugt wird, wieder wegzubringen z. B. durch gute W\u00e4rmeleiter in Kleidung und Wohnung, durch Verdunsten von Wasser, Zuf\u00e4cheln von Luft, h\u00e4ufige B\u00e4der u. s. w.\nDaraus erkennt man abermals recht deutlich, dass die Nahrungsstoffe dazu dienen, den K\u00f6rper auf seiner stofflichen Zusammensetzung zu erhalten und nicht um bei ihrem Zerfall die n\u00f6thige Menge von W\u00e4rme zu erzeugen; ein Stoff, der nichts weiter thut als W\u00e4rme zu entbinden, ist daher kein Nahrungsstoff, denn es kann uns seine Zersetzung und seine Eigenschaft, W\u00e4rme zu bilden, unter Umst\u00e4nden recht unbequem werden und unn\u00fctz sein (S. 341. 416).\nIn heissen Klimaten thut man gut, solche Nahrungsstoffe zu w\u00e4hlen, welche ihren Zweck der Erhaltung der K\u00f6rpersubstanz erf\u00fcllen und dabei so wenig als m\u00f6glich W\u00e4rme liefern. Da die verschiedenen eiweissartigen Substanzen nahezu die gleiche Menge von W\u00e4rme geben werden, so kommen hier haupts\u00e4chlich das Fett und\n1 Auch die Angaben von Playeair \u00fcber die Kost in England und in Bombay lassen keinen wesentlichen Unterschied in der Nahrung, namentlich auch nicht in den stickstofffreien Stoffen erkennen (Proceed, of the Roy. Soc. 1853: Edinb. new philos. Journ. LVI. p. 262. 1854.","page":558},{"file":"p0559.txt","language":"de","ocr_de":"Nahrung in verschiedenen Klimaten.\n559\ndie Kohlehydrate in Betracht. Nach den Bestimmungen von Frankland erzeugt 1 Grm. Fett 9069 W\u00e4rmeeinheiten, 1 Grm. St\u00e4rkemehl nur 3752 W\u00e4rmeeinheiten. Da 1 Grm. Fett in seiner Wirkung auf die Fettabgabe im K\u00f6rper etwa 1.75 Grm. St\u00e4rkemehl oder Zucker \u00e4quivalent ist, so werden bei gleicher Wirkung vom Fett 9069, vom St\u00e4rkemehl nur 6566 W\u00e4rmeeinheiten geliefert. Es ist wohl m\u00f6glich und wahrscheinlich, dass der reichliche Genuss von St\u00e4rkemehl- und zuckerhaltigen Nahrungsmitteln in den Tropen, wie z. B. von Reis, Mais, Zuckerrohr, Datteln u. s. w. hierauf zur\u00fcckzuf\u00fchren ist.\nUm f\u00fcr einzelne F\u00e4lle, d. h. f\u00fcr die verschiedenen Thiere unter allen m\u00f6glichen Verh\u00e4ltnissen und Anforderungen die richtige und beste Nahrung festzustellen, sind allerdings noch viele Untersuchungen n\u00f6thig, aber man kennt jetzt wenigstens im grossen Ganzen die Bedeutung der einzelnen Nahrungsstoffe f\u00fcr die Erhaltung des Organismus, sowie den Einfluss der K\u00f6rperbeschaffenheit, der Arbeitsleistung und anderer Momente auf den Stoffumsatz. Es sind darin sicherlich gewisse Verschiedenheiten je nach der Organisation und der chemischen Zusammensetzung der Thiere gegeben, aber in den Gesetzen des Verbrauchs besteht kein wesentlicher und prinzipieller Unterschied. Ein Fleischfresser vermag z. B. verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig so viel St\u00e4rkemehl oder Zucker aufzunehmen und zu zersetzen als ein Pflanzenfresser, nur kann er nicht die Cellulose in seinem Darmkanal verwerten, da ihm die Apparate daf\u00fcr mangeln; sind die Substanzen aber einmal in das Blut und in die S\u00e4fte gelangt, so ergeben sich je nach der Stoffzufuhr wohl noch einige Differenzen in den Zwischenstufen und den Endprodukten, aber die Umwandlungen vollziehen sich im Allgemeinen nach den gleichen Regeln. Es ist die Aufgabe eines Handbuchs der Physiologie, die allgemein g\u00fcltigen Gesetze darzulegen; zu berichten, wie sich die kleinen Abweichungen und die quantitativen Verh\u00e4ltnisse in jedem einzelnen Falle gestalten, muss denen \u00fcberlassen bleiben, f\u00fcr welche ein solcher spezieller Fall von Interesse ist.","page":559},{"file":"p0560.txt","language":"de","ocr_de":"ANHANG.\nHunger- und Durstgef\u00fchl.\nWir besitzen in dem Hunger- und Durstgef\u00fcbl einen Anzeiger, 1 welcher uns belehrt, dass der Organismus zu seiner Erhaltung neuen Materials bedarf, sowie auch dass in dieser Beziehung gen\u00fcgend f\u00fcr ihn gesorgt ist. Der Mangel und der Ueberfluss durften nicht erst an ihren Folgen, an der Abmagerung des K\u00f6rpers und der Abnahme der Leistungsf\u00e4higkeit desselben, oder an dem \u00fcberm\u00e4ssigen Ansatz von Substanz erkennbar sein; jene Empfindungen thun uns dies fr\u00fcher kund, sie veranlassen die Aufnahme der festen und fl\u00fcssigen Nahrung und begrenzen dieselbe quantitativ.\ti\nEs ist zu untersuchen, welche Ursachen die genannten Gef\u00fchle bedingen, welche Endorgane dadurch getroffen werden, und welche Nerven die Erregung zu den Centralorganen, in denen die Empfindungen stattfinden, fortleiten.1\nI. Hungergef\u00fchl.\nF\u00fcr gew\u00f6hnlich nimmt der erwachsene Mensch sein t\u00e4gliches j Nahrungsquantum in drei Mahlzeiten auf, der st\u00e4rker Arbeitende hat bis zu f\u00fcnf Mahlzeiten n\u00f6thig, so dass wenigstens unter Tags und auch w\u00e4hrend eines Theils der Nacht die Verdauung und Resorption im Darmkanal fast ununterbrochen fortgeht. Wenn wir etwa , alle sechs Stunden neue Nahrung zuf\u00fchren, so m\u00fcssen die ersten Anzeichen des Hungergef\u00fchls auftreten, bevor der Magen ganz leer und die Verdauung des vorher Verzehrten im Darm v\u00f6llig beendet ist.\n1 Die \u00e4ltere Literatur \u00fcber Hunger und Durst findet sich bei Tiedemann, Physiologie d. Menschen. III. S. 22 u. S. 57. 1836 zusammengestellt; die neuere bei Longet , Trait\u00e9 de physiol. I. p. 21. 1S6S und Anat. u. Physiol, d. Nervensystems. Uebers. v. Hein. IL S. 27S. 1S49.","page":560},{"file":"p0561.txt","language":"de","ocr_de":"561\nHungergef\u00fchl.\nWir bezeichnen diese ersten Gef\u00fchle als Appetit oder als Esslust. Man sagt gew\u00f6hnlich, dieselben seien angenehme Empfindungen ; an und f\u00fcr sich sind sie jedoch nicht angenehm, sondern nur die daran gekn\u00fcpften Vorstellungen von den Empfindungen, welche wir bei Stillung des Appetits haben werden, die Vorstellung wie gut es uns bei der Aufnahme von Speise schmecken wird.\nIn diesem Stadium sind wir wieder nach Speise begierig, es treten Vorstellungen nach solchen auf, begleitet von einer verst\u00e4rkten Absonderung von Speichel, und in der Magengegend versp\u00fcren wir undefinirbare Empfindungen von Dr\u00fccken und Nagen, sowie schwache Contraktionen des Magens mit Kollern und Gurgeln im Leibe. Das erste Auftreten des Hungergef\u00fchls h\u00e4ngt sehr von der Zeit ab, in der wir gew\u00f6hnt sind unsere Mahlzeiten zu halten ; wir werden dann zu dieser Zeit durch die angegebenen Symptome an die Nahrungsaufnahme erinnert; dieselben lassen jedoch wieder nach oder h\u00f6ren auf, wenn aus irgend einem Grunde erst sp\u00e4ter die Mahlzeit gehalten wird. Sie k\u00f6nnen auch durch eifrige Besch\u00e4ftigung und \u00e4hnliche Momente ganz \u00fcbersehen werden.\nIst Speise in den Magen eingebracht worden, dann verschwindet dieses erste Hungergef\u00fchl bald und es tritt bei einer gewissen Anf\u00fcllung des Magens das Gef\u00fchl der S\u00e4ttigung ein. Dieses Gef\u00fchl ist schon zu einer Zeit vorhanden, wo erst sehr wenig von dem Verzehrten resorbirt und an die stoffbed\u00fcrftigen Organe getragen sein kann. Es wird das Hungergef\u00fchl in diesen ersten Stadien auch beschwichtigt durch Verschlucken unverdaulicher Dinge (wie z. B. von Erde bei den Otomaken), und es ist ferner das Eintreten der S\u00e4ttigung in hohem Grade abh\u00e4ngig von der Ausdehnung, welche f\u00fcr gew\u00f6hnlich der Magen durch die Mahlzeit erleidet: denn die an eine starke Anf\u00fcllung des Magens mit Kartoffeln gew\u00f6hnten Irl\u00e4nder klagen \u00fcber Hunger, wenn sie eine Kost erhalten, welche ihren Organen ebensoviel und mehr Nahrungsstoffe bietet, aber in einem kleineren Volum ; die an das grosse Quantum der aus Mehl gebackenen Nudeln gew\u00f6hnten oberbayerischen Bauernbursche meinen anfangs schlecht ern\u00e4hrt zu sein, wenn sie in der Stadt die weniger volumin\u00f6se, vorwiegend animalische Kost erhalten.\nNach diesen Erfahrungen geht das erste Hungergef\u00fchl offenbar vom Magen aus; es ist aber nicht sicher bekannt, auf welche Weise es dort erzeugt wird. Es sind hier\u00fcber die verschiedensten Meinungen ge\u00e4ussert worden ; aber es h\u00e4ngt wohl unzweifelhaft irgendwie mit der Leere des Magens zusammen. Haller und seine Sch\u00fcler Hessen die Empfindungen beim Hunger von der Pteibung der gefal-\nHandbuch der Physiologie. Bd. YI.\t3ti","page":561},{"file":"p0562.txt","language":"de","ocr_de":"562\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. Anhang.\nteten und gerunzelten Schleimhautfl\u00e4chen des leeren Magens und der dadurch bedingten Spannung und Zerrung der Nerven desselben kommen, welche Reibung durch Einbringen von Speise und Entfernung der Magenwandungen von einander aufgehoben werde. Andere leiteten sie von der Absonderung eines stark sauren Saftes oder der beginnenden Selbstverdauung des keine Speise enthaltenden Magens (Dumas *), oder der Anh\u00e4ufung des Sekrets in den geschwellten Dr\u00fcsen ab (Beaumont) ; es ist aber bekannt, dass beim Hunger kein saurer Magensaft abgesondert wird. Nach Darwin 2 soll beim Hunger der Magen durch das Fehlen des normalen Reizes erschlafft und unth\u00e4tig sein, welcher Zustand von einer Schmerzempfindung begleitet sei.\nDas erste Hungergef\u00fchl kann nicht durch einen Substanzmangel in den Magen- und Darmh\u00e4uten oder in den sensiblen Nerven der- I selben oder im Blute veranlasst sein, da zu dieser Zeit noch kein wesentlicher Stoffverlust stattgefunden hat.\nE. H. Weber1 2 3 wies zuerst darauf hin, dass es sich hier wahrscheinlich um Muskelgef\u00fchle handelt, indem die Zusammenziehungen der glatten Muskelfasern des leeren Magens Empfindungen hervor-rufen, \u00e4hnlich wie die des Uterus die Geburtswehen oder des Dickdarms den Stuhldrang. Man kann sich mit Vierordt 4 denken, dass wenn im leeren Zustande des Magens die Muskeln nicht elastisch * gespannt sind, die peristaltischen Bewegungen eigenth\u00fcmliche Gef\u00fchle bewirken, w\u00e4hrend bei vollem Magen die Contraktionen der stark gedehnten Muskeln Gef\u00fchle anderer Art hervorrufen.\nVerschieden von diesen ersten Zeichen des Hungers durch bestimmte Vorg\u00e4nge oder Zust\u00e4nde im Magen sind die Erscheinungen bei l\u00e4ngerem Hungern. Es treten dann st\u00e4rkere Schmerzen, die Empfindung von heftigem Dr\u00fccken und Bohren am Magen und Darm, und das Gef\u00fchl \u00e4usserster Schw\u00e4che und Mattigkeit auf. Die letz- | teren Symptome h\u00e4ngen unstreitig mit dem Stoffverlust, welchen die Organe des K\u00f6rpers, besonders die Muskeln, bei l\u00e4ngerer Inanition erleiden, zusammen. Es handelt sich hier um die Folge einer allgemeinen Ver\u00e4nderung im Organismus, die sich zun\u00e4chst durch ein , spezielles Gef\u00fchl im Magen ausdr\u00fcckt. Es ist m\u00f6glich, dass dabei ausser den Sensationen vom Magen aus noch andere, nicht bestimmt lokalisirte Gef\u00fchle, die mit der Abmagerung der Theile und\n1\tDumas. Principes de physiol. I. 1806.\n2\tDarwin, Zoonomie. III. S. 222.\n3\tE. H. Weber, Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. III. (2) S. 5Su. -1 Yierordt, Grundriss cl. Physiol. 4. Aufl. 1871. S. 433.","page":562},{"file":"p0563.txt","language":"de","ocr_de":"Hungergef\u00fchl.\t563\ndem Stoffbed\u00fcrfniss des Gesammtorganismus verkn\u00fcpft sind, Vorkommen.\nGegen die Meinung, nach welcher das Hungergef\u00fchl ausschliesslich von gewissen Zust\u00e4nden des Magens bedingt sei, hat man n\u00e4mlich angef\u00fchrt, dass auch bei Mangel des Magens oder bei grossen Verletzungen und Ver\u00e4nderungen desselben, z. B. bei ausgedehntem Magenkrebs das Hungergef\u00fchl nicht aufgehoben sei. Nach Aufnahme unverdaulicher Dinge stellt sich ferner das anfangs dadurch verscheuchte Hungergef\u00fchl nach einiger Zeit doch wieder ein, und man hat wahrgenommen, dass Kaninchen, welche nach eint\u00e4giger Entziehung der Nahrung alle Zeichen der Fresslust darboten, einen noch mit Futterresten gef\u00fcllten Magen hatten. Das Einspritzen von L\u00f6sungen von Nahrungsstoffen in die Venen soll ohne F\u00fcllung des Magens das Hungergef\u00fchl zum Verschwinden bringen.\nWeiterhin hat Busch1 beobachtet, dass bei einem Menschen mit hochgelegener Darmfistel, aus welcher der Chymus wieder zum Vorschein kam, nach Anf\u00fcllung des Magens nicht das eigentliche Hungergef\u00fchl nachliess, sondern nur die l\u00e4stigen Sensationen in der Magengegend aufh\u00f6rten; ersteres schwand erst, als im Darmkanal eine reichliche Absorption von Nahrungsstoffen stattgefunden hatte. In \u00e4hnlicher Weise w\u00e4hrt das Hungergef\u00fchl trotz vollen Magens an bei einem zu kurzen Darmrohr, und in anderen F\u00e4llen, wo nicht gen\u00fcgend Material in die S\u00e4fte \u00dcbertritt. Wodurch aber dieses allgemeine Hungergef\u00fchl bedingt ist, ist noch unbekannt. Man hat gemeint, die Stoffarmuth des Blutes beim Hunger werde durch alle Gef\u00fchlsnerven des K\u00f6rpers erkannt; Budge2 stellte die Hypothese auf, es seien die mit dem Blute in so naher Ber\u00fchrung stehenden Herznerven, welche das Gef\u00fchl dieser Ver\u00e4nderung vermittelten. Es ist auch m\u00f6glich, dass in gewissen F\u00e4llen durch mangelhafte Ern\u00e4hrung der nerv\u00f6sen Centralorgane, in welchen die Hungerempfindung stattfindet, bei gef\u00fclltem Magen diese Empfindung ausgel\u00f6st wird. Es muss sich hier um nerv\u00f6se Einwirkungen handeln, obwohl bekannt ist, dass beim Hunger die Nerven und die Nervencentral-organe nicht oder nur wenig an dem gewaltigen Gewichtsverlust des K\u00f6rpers betheiligt sind ; es k\u00f6nnen aber vielleicht ganz geringf\u00fcgige Ver\u00e4nderungen jene Gef\u00fchle hervorrufen.\nBeim Menschen treten manchmal bei l\u00e4ngerem Hunger unertr\u00e4gliche Schmerzen, unter welchen die unnat\u00fcrlichsten und entsetzlichsten Handlungen begangen werden, um sich Speise zu verschaffen,\n1\tBusch, Arch. f. pathol. Anat. XIV. S. 140.\n2\tBudge, Lehrb. d. Physiol, des Menschen. 8. Aufl. S. 697. 1862.\n36 *","page":563},{"file":"p0564.txt","language":"de","ocr_de":"Voit, Die Ern\u00e4hrung. Anhang.\n664\nein, sowie auch psychische St\u00f6rungen, die sich bis zur Raserei steigern.1 2 Jedoch ertragen Manche, welche sich aushungern, z. B. Geisteskranke, den Hunger ohne solche Alterationen, und es tritt bei ihnen schliesslich in einem Zustande \u00e4usserster Abmagerung und Schw\u00e4che der Tod ein. Hungernde Thiere, Hunde und Katzen sind nur die ersten Tage unruhig und erwarten gierig das gewohnte Fressen; sp\u00e4ter sind sie ganz ruhig und scheinen keine eigentlichen Schmerzen zu empfinden. Atrophische Kinder oder Kranke, welche allm\u00e4hlich an Inanition zu Grunde gehen und die \u00e4usserste Abmagerung zeigen, klagen nicht \u00fcber Schmerzen. Die Rheinlachse, welche w\u00e4hrend 6 Monaten hungern und unter Atrophie der R\u00fcckenmuskeln die Geschlechtsorgane m\u00e4chtig entwickeln, haben dabei gewiss keine Schmerzen und kaum das Gef\u00fchl des Hungers.\nJe gr\u00f6sser der Stoffverlust ist, welchen der K\u00f6rper erleidet, desto eher treten selbstverst\u00e4ndlich die Symptome des Hungers auf, also z. B. sp\u00e4ter bei Ruhenden als bei Arbeitenden. Die Esslust ist jedoch bei gewissen Erkrankungen, namentlich des Magens und Darms, trotz bedeutender Abmagerung sehr gering; ebenso tritt bei fieberhaften Krankheiten das Gef\u00fchl des Hungers nicht auf, die Kranken haben keinen Appetit und verweigern sogar die Speise oder ekeln sich davor. Es muss hier eine Ver\u00e4nderung (Verminderung der Erregbarkeit) der das Hungergef\u00fchl bedingenden Nerven gegeben sein; auch der Zustand der nerv\u00f6sen Centralorgane ist von Einfluss auf das Hungergef\u00fchl, weil der Appetit durch Gem\u00fcthsaffekte oft pl\u00f6tzlich erlischt und manche Stoffe, wie z. B. Opium, Tabak u. s. w. die Empfindung des Hungers zu vermindern oder zeitweilig aufzuheben verm\u00f6gen. Man hat gesagt, dass nach Wegnahme der Hemisph\u00e4ren des Grosshirns (bei Tauben) das Hungergef\u00fchl nicht mehr vorhanden sei, da die Thiere darnach freiwillig kein Futter mehr verzehren; nach meiner Auffassung haben dieselben noch Hunger, nur machen sie sich keine Vorstellung mehr, dass das Vorgesetzte das Futter ist, mit dem sie den Hunger stillen k\u00f6nnen.\nMan hat sich bem\u00fcht die Nervenbahnen aufzufinden, durch welche die Hungergef\u00fchle vermittelt werden, man hat aber noch wenig Sicheres hier\u00fcber ermittelt. Man hat sich zun\u00e4chst an die Nervi vagi gewendet und dieselben durchschnitten. Br\u00e4chet 2 hatte darnach das Gef\u00fchl von Hunger und Durst verschwinden sehen; es ist aber wahrscheinlich, dass seine Thiere in Folge der eingreifenden\n1\tSavigny, Observ. sur les effets de la faim et de la soif. Th\u00e8se de Paris 1828. \u2014 Soyiche, Ann. d\u2019hygien. publ. et de m\u00e9d. l\u00e9g. I. p. 207.\n2\tBr\u00e4chet , Rech. sur les fonct. du syst. nerv. ganglionnair. p. 219. Paris 1837.","page":564},{"file":"p0565.txt","language":"de","ocr_de":"565\nHungergef\u00fchl.\nOperation nichts mehr gefressen haben. Denn alle sp\u00e4teren Beobachter (Reid, Volkmann1, Sedillot'2, Leuret und Lassaigne3, Budge 4, Schiff 5 6, Bidder und Schmidt , Claude Bernard) sahen die Thiere nach der Durchschneidung jener Nerven noch gierig Nahrung aufnehmen. Einige haben sogar angegeben, dass die Thiere darnach einen gr\u00f6sseren Appetit besitzen ; sie haben aber wahrscheinlich nur die Ansammlung von Speise im gel\u00e4hmten Oesophagus als Anzeichen daf\u00fcr betrachtet. Man h\u00e4tte vielleicht einwenden k\u00f6nnen, dass die Thiere nach der Durchschneidung der Nervi vagi deshalb noch gefressen haben, weil der Geschmackssinn noch erhalten war; Longet g hat aber gezeigt, dass dies auch der Fall ist nach Durchschneidung der Nervi vagi und glossopharyngei. Auch nach der Durchschneidung der Nervi splanchnic! nehmen die Thiere noch Futter auf (Ludwig und Haffter 7).\nMan hat aus diesen Versuchen geschlossen, dass die Nervi vagi das Hungergef\u00fchl nicht bedingen k\u00f6nnen. Dieselben stehen aber m\u00f6glicherweise nur in Beziehung zu den Magensymptomen, w\u00e4hrend die allgemeinen Hungergef\u00fchle noch vorhanden sind. Der Anblick und der Wohlgeruch der Speisen veranlasst hier vielleicht die Aufnahme derselben, sowie wir auch h\u00e4utig ohne gerade Hunger zu empfinden, dies oder jenes, was uns geboten wird, verzehren.\nDas Gef\u00fchl der S\u00e4ttigung zeigt uns nicht immer korrekt die zur Vermeidung von Stoffverlust gen\u00fcgende Zufuhr an. Wir sind bald ges\u00e4ttigt, wenn uns eine Speise nicht schmeckt; wir geniessen dagegen nicht selten von einem uns recht zusagenden Gerichte mehr als eigentlich n\u00f6thig ist. Nach reichlicher Aufnahme tritt aber, auch in letzterem Falle, wenn wir noch mehr zuzuf\u00fchren suchen, das Gef\u00fchl des Ekels auf (S. 420). Man hat gemeint, dass das Gef\u00fchl der S\u00e4ttigung von einer gelinden Reizung der Vaguszweige im Magen herr\u00fchrt, welche das Gef\u00fchl des Hungers verscheucht. Die Abneigung gegen die Speisen nach der S\u00e4ttigung soll auf die gleiche Weise entstehen, wenigstens scheinen gewisse Reize der Enden des Nervus vagus im Magen z. B. durch Brechmittel Uebelkeit und Erbrechen zu bewirken.\n1\tA olkmann, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1841. S. 332 u. Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb d. Physiol. IL S. 588.\n2\tSedillot, Du nerf pneumogastrique. Th\u00e8se inaug. Paris 1829.\n3\tLeuret u. Lassaigne, Rech. phys. et chim. pour servir \u00e0 l\u2019hist. del\u00e0 digestion. p.211.\t\u00b0\n4\tBudge, Acta Leopold. XXVII. 1860; Physiologie. S. 815. 1862.\n5\tSchiff, Schweizer. Monatsschr. f. prakt. Med. 1860. No. 11 u. 12.\n6\tLonget, Anat. u. Physiol, d. Nervensystems. Uebers. v. Hein. IL S. 281 1849 u. Trait\u00e9 de physiol. I. p. 24. 1868.\nT Ludwig u. Haffter, Ztschr. f. rat. Med. N. F. IV. S. 322.","page":565},{"file":"p0566.txt","language":"de","ocr_de":"566\nVoit, Die Ern\u00e4hrung. Anhang.\nDas Ekelgef\u00fchl ist ein Muskelgef\u00fchl (E. H. Weber), welches zun\u00e4chst auf anomalen Contraktionszust\u00e4nden der Pharynx- und Gaumenmuskeln beruht. Dieselben treten reflektorisch auf bei uns widerlichen Ger\u00fcchen und Geschm\u00e4cken, durch mechanische Reizung und Kitzeln des Gaumensegels oder der Zungenwurzel, durch den Anblick oder auch durch Vorstellungen von Ekelhaftem, bei Gem\u00fctsbewegungen, bei Erkrankungen des Verdauungstraktus. Nur die Begierde bei sehr heftigem Hunger bewirkt, dass sonst ekelhaft Erscheinendes verzehrt und der Ekel \u00fcberwunden wird.\nII. Durstgef\u00fchl.\nDas Durstgef\u00fchl, welches das Verlangen nach k\u00fchlenden Getr\u00e4nken erweckt, wird in erster Linie hervorgerufen durch eine von der Schleimhaut des Schlundes und der Mundh\u00f6hle, vorz\u00fcglich der Zungenwurzel und des Gaumens, erregte Empfindung. Es ist also zun\u00e4chst ein von einer eng begrenzten Stelle ausgehendes Gef\u00fchl, welches sich als Trockenheit und Brennen im Schlunde kund giebt. Dasselbe ist offenbar bedingt durch eine Abnahme des Wassergehalts der Mund- und Rachenschleimhaut, wodurch die Theile rauher werden und die Zunge am Gaumen klebt. Schon durch Austrocknung* der Schleimhaut der Mundh\u00f6hle beim Einatmen trockener Luft, oder nach l\u00e4ngerem Sprechen und Singen, ferner nach Unterbindung der Ausf\u00fchrungsg\u00e4nge der Mundspeicheldr\u00fcsen, und durch das Kauen gr\u00f6sserer Quantit\u00e4ten wasserarmer Speisen z. B. von trockenem Brod entsteht ein m\u00e4ssiges Durstgef\u00fchl, ohne dass die \u00fcbrigen Organe und S\u00e4fte des K\u00f6rpers \u00e4rmer an Wasser geworden sind.\nUngleich heftiger tritt der Durst auf, wenn ausser dieser lokalen Eintrocknung der Rachenschleimhaut auch die \u00fcbrigen Theile des Organismus Wasser verlieren1, so z. B. durch reichliches Schwitzen, durch Verdunsten von viel Wasser bei starker k\u00f6rperlicher Anstrengung, namentlich in trockener und heisser Luft, durch profuse Diarrh\u00f6en, Blutverluste, hydropische Transsudationen, durch Ausscheidung von viel Wasser im Harn nach Aufnahme von salzigen Speisen und Getr\u00e4nken oder bei der Zuckerharnruhr. Das Eintreten des Durstes wird dagegen verz\u00f6gert, wenn die Verdunstung eine geringere ist wie bei \u00f6fterem Baden und Waschen, bei Befeuchten der Kleider mit Wasser u. s. w.\nIn seinen ersten Stadien kann der Durst vor\u00fcbergehend gestillt\n1 Orfila, Diet, des sc. mecl., Art. Soif, (sielie auch S. 351, Anm. 1).","page":566},{"file":"p0567.txt","language":"de","ocr_de":"Durstgef\u00fchl.\n567\nwerden durch Befeuchten der Mundschleimhaut mit Wasser, besonders wenn sich darin eine verd\u00fcnnte S\u00e4ure, etwas Essigs\u00e4ure oder Citronens\u00e4ure befindet.\nHaben dagegen die Organe und S\u00e4fte Wasser verloren, dann treten in der Mund- und Rachenh\u00f6hle heftigere, brennende Schmerzen auf und das Durstgef\u00fchl wird ein unertr\u00e4gliches. Es wird uns dann entweder der allgemeine Wassermangel des K\u00f6rpers durch die letzteren Empfindungen in h\u00f6herem Grade bemerkbar gemacht, oder es treten neben diesen lokalen Gef\u00fchlen noch allgemeine auf, \u00fcber deren Entstehen wir aber noch nichts Sicheres wissen.\nDie Existenz eines solchen allgemeinen Durstgef\u00fchls hat man angenommen, weil dasselbe nicht durch lokale Befeuchtung der Mundschleimhaut beseitigt werden kann, sondern nur durch Ersatz des vom K\u00f6rper zu Verlust gegangenen Wassers: nach l\u00e4ngerer Zeit durch Trinken von Wasser, oder durch Injektion von Wasser in den Mastdarm, rascher durch Injektion von Wasser in die Venen. Nach Dupuytren verloren Thiere, welche anhaltend den Sonnenstrahlen ausgesetzt waren, den Durst nach Einspritzen von Wasser in die Venen. Claude Bernard hat beobachtet, dass ein Hund mit offener Magenfistel, aus welcher das getrunkene Wasser sofort wieder abfloss, den Durst nicht zu l\u00f6schen vermochte, obwohl das Wasser beim Trinken mit der Mund- und Rachenschleimhaut in Ber\u00fchrung kam. Es k\u00f6nnten jedoch die angegebenen Erscheinungen auch so erkl\u00e4rt werden, dass die durch den allgemeinen Wassermangel st\u00e4rker vertrockneten Rachennerven bei dem raschen Vor\u00fcbergleiten des getrunkenen Wassers nicht gen\u00fcgend Wasser aufnehmen.\nF\u00fcr die Lokalisation des Durstgef\u00fchls spricht eine Mittheilung von Schoenborn, nach der bei einem Menschen mit k\u00fcnstlicher Magenfistel die direkte Einf\u00fchrung von Speise in den Magen wohl das Hungergef\u00fchl, die direkte Einf\u00fchrung von Fl\u00fcssigkeit aber nicht das Durstgef\u00fchl zu beseitigen vermochte; letzteres schwand erst durch die Aufnahme von Wasser in die Mundh\u00f6hle.\nMan hat gesagt, die das Durstgef\u00fchl vermittelnden Nerven der Mundh\u00f6hle seien f\u00fcr die Abnahme des Wassergehaltes besonders empfindlich. Es ist dies wenig wahrscheinlich, dieselben sind vielmehr f\u00fcr die Vertrocknung viel g\u00fcnstiger gelagert als die \u00fcbrigen Nerven; die feuchte Mund- und Rachenschleimhaut verliert leicht an die Luft ihr Wasser, es geben uns aber auch ferner f\u00fcr gew\u00f6hnlich nur die Theile am Eingang des Verdauungskanals von erlittenen Ver\u00e4nderungen durch Empfindungen Kunde.\nFragen wir nach den Nerven, welche hier mitwirken, so k\u00f6n-","page":567},{"file":"p0568.txt","language":"de","ocr_de":"568\nYoit, Die Ern\u00e4hrung. Anhang.\nnen f\u00fcr das lokale Durstgef\u00fchl nur der Trigeminus, der Glossopha-ryngeus und der Vagus in Betracht kommen. Nach Longet1 schien nach Durchschneidung dieser Nerven bei Thieren der Durst nicht gemindert zu sein, d. h. sie schienen nach jeder F\u00fctterung ebensoviel zu trinken als gew\u00f6hnlich. Es beweist dies jedoch nicht, dass der Sitz des Durstgef\u00fchls nicht im Schlund sein k\u00f6nne; man hat gegen einen solchen Schluss geltend gemacht, dass vom Nerv, vagus hoch oben Nervenf\u00e4den zum Schlundkopf gehen, welche nicht durchschnitten sind, sowie dass er ausserdem vom Trigeminus F\u00e4den empf\u00e4ngt; es ist aber auch m\u00f6glich, dass nach der Durchschneidung jener Nerven die Thiere durch den Anblick des Wassers ohne eigentliche Durstempfindung zur Aufnahme desselben veranlasst worden sind oder dadurch nur das lokale Durstgef\u00fchl, jedoch nicht das allgemeine, aufgehoben war.\t;\nEs ist selbstverst\u00e4ndlich, dass bei Ver\u00e4nderung oder L\u00e4hmung der nerv\u00f6sen Centralorgane im Gehirn, in denen die Durstempfindung zu Stande kommt, das Gef\u00fchl des Durstes nicht mehr auftritt ; man beobachtet daher bei manchen Kranken keinen Durst trotz grosser Trockenheit der Mundh\u00f6hle. Es kann aber auch durch direkte Reizung dieser Centralorgane bei durchfeuchteter Schleimhaut Durstgef\u00fchl Vorkommen.\nDer Durst ist ein sehr unangenehmes, peinigendes Gef\u00fchl und i man leidet darunter viel mehr als durch den Hunger; die Stillung des Durstes befriedigt uns daher mehr als die des Hungers.\nEs wird behauptet, der Hunger werde leichter ertragen, wenn die Wasserzufuhr dabei frei stehe. Nun nehmen aber hungernde Thiere h\u00e4ufig von dem Vorgesetzten Wasser gar nichts auf, wie Chossat f\u00fcr Tauben angab und ich f\u00fcr den Hund best\u00e4tigte, n\u00e4mlich dann, wenn vom K\u00f6rper nicht mehr Wasser abgegeben wird als dem Gewebsverlust entspricht, so dass der prozentige Wassergehalt j des K\u00f6rpers unver\u00e4ndert bleibt (S. 99). Wird dagegen beim Hunger reichlich Wasser verdunstet, durch hohe \u00e4ussere Temperatur oder starke Anstrengung, so tritt Durst ein und dann mag allerdings die Pein eine noch gr\u00f6ssere sein und der Tod fr\u00fcher erfolgen, jedoch , glaube ich, dass der Durst mit Hunger leichter zu ertragen ist als der einseitige Durst unter Aufnahme von viel trockenen Nahrungsmitteln (S. 351).\n1 Longet, Anat. u. Physiol, d. Nervensystems. Uebers. v. Hein. IL S. 279. 1849.\nDruck von J. B. Hirscli feld iu Leipzig.","page":568},{"file":"p0569.txt","language":"de","ocr_de":"SACHREGISTER\nZUM ERSTEN THEILE DES SECHSTEN BANDES.*)\nA.\nAderlass s. Blutentziehung.\nAdipo cir e 244.\nAepfel als Nahrungsmittel 480.\nAequivalenzverh\u00e4ltnisse der N\u00e4hrstoffe 417.\nAlkalien, Bedeutung f\u00fcr den Stoffwechsel 362.\nAlkalientziehung 371.\nAlkalisalze, Bedeutung f\u00fcr den Stoffwechsel 362.\nAlkaloide in Genussmitteln 432.\nAlkohol, Gehalt in Getr\u00e4nken 415; Einfluss auf Stoffumsatz 169; als N\u00e4hrstoff 415; als Genussmittel 429.\nAmmoniak, Ausscheidung durch Ath-mung 49; kohlensaures, Einfluss auf Stoffumsatz 163 ; salzsaures, desgl. 161.\nAntimon salze, Einfluss auf Stoffumsatz 184.\nAppetit 561.\nArbeit s. Muskelarbeit, Geistesth\u00e4tig-keit.\nArbeiterkost 514, 518, 519, 524.\nArrac 430.\nArrow-root 478.\nArsenige S\u00e4ure, Einfluss auf Stoffumsatz 181.\nAsche b esta ndtheile, Bedeutung als N\u00e4hrstoffe 351 ; Menge in den Organen 353.\nAsparagin, Einfluss auf Stoffumsatz 173; N\u00e4hrwerth 402.\nAssimilation 335.\nAthembewegungen, Einfluss auf Stoffumsatz 202.\nAthmung, Ausscheidung von Stickstoff 36, 42; von Ammoniak 49; von Kohlens\u00e4ure 66, 69; Ausscheidungsgr\u00f6ssen s. Stoffwechsel.\nAthmungsst\u00f6rungen, Einfluss auf Stoffumsatz 222, 307.\nAuge, Einfluss auf Stoffumsatz 206.\nAusscheidungen, Ausscheidungswege 13; quantitative Bestimmung 24 ; s. auch Bilanz.\nAuswurf, Stickstoffverlust 53.\nB.\nBacken s. Brodbereitung.\nBantingcur 317.\nBenz amid, Einfluss auf Stoff'umsatz 173; N\u00e4hrwerth 402.\nBenzoes\u00e4ure, Einfluss auf Stoffum-umsatz 172.\n*) Wegen der heterogenen Beschaffenheit der Gegenst\u00e4nde beider Theile des sechsten Bandes ist vorgezogen worden, die Sachregister zu trennen.","page":569},{"file":"p0570.txt","language":"de","ocr_de":"570\nRegister,\nBier, Zusammensetzung 431; Glyceringehalt 409; Consum in verschiedenen L\u00e4ndern 432.\nBilanz des Stoffwechsels, Feststellung 48; Tabellen f\u00fcr Menschen: im Hunger 512, bei reichlicher Kost 513, 515, bei Arbeit 514; f\u00fcr Hunde 516.\nBindegewebe, als Nahrung 400.\nBirnen 480.\nBlut als Sitz von Stoffwechselprocessen 291.\nBlutentziehung, Einfluss auf Stoffumsatz 220, 308.\nBlutinjection, Einfluss auf Stoffumsatz 304.\nBohnen 475; gr\u00fcne 479.\nBorax, Einfluss auf Stoffumsatz 164.\nBranntwein 429; s. auch Alkohol.\nBraten s. Fleisch.\nBrechweinstein, Einfluss auf Stoffumsatz 184.\nB r o d, N\u00e4hrwerth. Ausnutzung und Einfluss auf Kothbildung 467; Auswahl zu F\u00fctterungsversuchen 21.\nBrodbereitung 466, 471.\nBro dfr\u00fcchte 463.\nButter, Zusammensetzung 403, 457, s. auch Fette; als Nahrungsmittel 457.\nButtermilch 458.\nC (s. auch K).\nCacao 436.\nCaffee, Ca ff ein, Einfluss auf Stoffumsatz 174; als Genussmittel 432.\nCellulose, Verbreitung 411, 462 ; Verdaulichkeit und Rolle bei der Verdauung 482,486 ; s. auch Kohlehydrate.\nCerealien 463.\nCerealin 465.\nChampignons 4SI.\nChinin, Einfluss auf Stoffumsatz 178, 402.\nChlorammonium s. Salmiak.\nChlor kalium als N\u00e4hrstoff 363.\nChlornatrium s. Kochsalz.\nChocolade 436.\nCoca, Einfluss auf Stoffumsatz 174;\nals Genussmittel 437.\nCognak 430.\nCollagen s. Leimgebendes Gewebe. Conglutin 389, 462.\nCorpulenz, Behandlung 317. Curare, Einfluss auf Stoffumsatz 203. Cyan, Rolle im Eiweiss 297.\nD.\nDextrin 410; s. auch Kohlehydrate. Diabetes, Einfluss auf Stoffumsatz 225.\nDigitalis, Einfluss auf Stoffumsatz 180.\nDurstgef\u00fchl 560, 566.\nDyspnoe, Einfluss auf Stoffumsatz 222.\nE.\nEier, Zusammensetzung u. N\u00e4hrwerth 403, 459; Verdaulichkeit 490; Umwandlung von Eiweiss in Fett 247.\nEinnahmen, Bestimmung 18 ; s. auch Bilanz.\nEisen, Gehalt in Geweben und Nahrung 3S2; Einfluss auf Stoffumsatz 180.\nEiweiss, Gehalt in den Organen 388; Einfluss auf Stoffumsatz 103; Umsetzung und Regeneration 296, s. auch Eiweissverbrauch; Frage der Synthese im Thierk\u00f6rper 391; als Nahrungsstoff 343, 387; Beziehung zur Fettbildung 243, 248; \u2014 \u201ecirculirendes\u201c s. Eiweissverbrauch.\nEiweiss verbrauch (s. auch Stickstoffverbrauch), beim Hungern 84; bei Eiweisszufuhr 103; Grenzen 112; bei Peptonzufuhr 119; bei Leimzufuhr 124; bei Fettzufuhr 127; bei Zufuhr von Fleisch und Fett 129, von Kohlehydraten und Fleisch 139; Einfluss des Wassers, der Salze etc. s. Stoffwechsel; Einfluss der Muskelarbeit 188; \u2014 Theorie 300, 315; Modus","page":570},{"file":"p0571.txt","language":"de","ocr_de":"Register.\n571\n295; circulirendes und Organeiweiss 300.\nElemente, chemische, des K\u00f6rpers 3. Enzyme s. Fermente.\nErbsen 475.\nErden, alkalische, N\u00e4hrwerth 371. Ern\u00e4hrung 1, 327; s. auch Stoffwechsel, Nahrung, Nahrungsstoffe, Nahrungsmittel, Kost.\nErvalenta 475.\n\u00c8sslust 561.\nExcrete s. Ausscheidungen.\nF.\nFaeces s. Koth.\nF\u00e4ulnis s, Bildung von Fetts\u00e4uren 244.\nFermente, als Ursache des Stoffumsatzes 286, 289; Theoretisches 323.\nFett, Einfluss auf Stoffumsatz 127, auf Fettbildung 241; Theorie 317; als Nahrungsstoff 403; Resorptionsgrenzen 407, 408 ; \u2014 Gehalt in Schlacht-thieren 348, 405, in menschlichen Organen 404; \u2014 Vorrath im K\u00f6rper: Erhaltung durch Eiweisszufuhr 117, s. auch Fettansatz, Fettbildung; Einfluss auf den Hungerzustand 93.\nFettansatz 113, 134, 144; s. auch F ettbildung.\nFettbildung 235, 262; aus Kohlehydraten 236, 251,254; aus Nahrungs-fett 241; aus Eiweiss 243; aus Fetts\u00e4uren 260; im K\u00e4se 245; in Eiern 247.\nFette, thierische, Zusammensetzung 404.\nFettgewebe, Wassergehalt 404; Menge beim Menschen 404; s. auch Fett, Fettansatz etc.\nFettleibigkeit, Behandlung 317.\nFetts\u00e4uren, fettsaure Salze, Einfluss auf Stoffumsatz 169; Beziehungen zur Fettbildung 260; Auftreten bei F\u00e4ul-niss 244; als Nahrungsstoff 409.\nFettumsatz, Fettverbrauch, bei Zufuhr von Eiweiss 115, von Leim 126, von Fett 128, von Fleisch und\nFett 134, von Fleisch und Kohlehydraten 144.\nFieber, Einfluss auf Stoff'umsatz 230.\n\u201eFleisch\u201c, als Stoffwechselgr\u00f6sse 64.\nFleisch, als Nahrungsmittel 441; Zusammensetzung 403, 441; Zubereitung 444 ; Conservirung 447 ; Ausnutzung und N\u00e4hrwerth 446; \u2014 Auswahl zu F\u00fctterungsversuchen 20.\nFleischansatz 113.\nFleischbr\u00fche 444, 452.\nFleischextract 449.\nFleischinfus 448.\nFleischpeptonpr\u00e4parate 449.\nFleischsaft 449.\nFleischverbrauch s. Eiweissver-brauch.\nFluor calcium in Geweben und Nahrung 387.\nFrauenmilch 453.\nFr\u00fcchte s. Cerealien, Leguminosenfr\u00fcchte, Obst.\nF\u00fctterungsmethodik bei Stoffwechselversuchen 18.\nFutterausnutzung 4SI, 486.\n(j.\nG\u00e4hrungstheorien 323.\nGaswechsel s. Stoffwechsel.\nGef\u00e4ngnisskost 528.\nGehirnth\u00e4tigkeit,Geistes th\u00e4tig-keit, Einfluss auf Stoffumsatz 208.\nGelatine s. Leim.\nGem\u00fcse, gr\u00fcne 478.\nGenussmittel 420; Bedeutung 507.\nGerste 463.\nGewebe, Wassergehalt 346; Aschegehalt 353; Eisengehalt 382; Eiweissund Leimgehalt 388; Fettgehalt 348, 404 ; \u2014 Erneuerung und Consum 247 ; \u2014 s. auch Zellen und die einzelnen Gewebe.\nG e web s eie mente, chemische 3.\nGew\u00fcrze 420.\nGlaubersalz, Einfluss auf Stoffumsatz 160.\nGliadin 389, 462.","page":571},{"file":"p0572.txt","language":"de","ocr_de":"572\nRegister.\nGl a ten fi brin 389, 462.\nGlutin s. Leim.\nGlycerin, Einfluss auf Stoffumsatz 166 ; als N\u00e4hrstoff und Gehalt in Nahrungsmitteln 409.\nGlycin s. Glycocoll.\nGlycocoll, N\u00e4hrwerth 402.\nGummi, in Nahrungsmitteln 412 ; s. auch Kohlehydrate.\nH.\nHaare, Wachsthum und Verlust 275.\nHafer 463.\nHarn, Aufsammlung 24; Stickstoffbestimmung 28 ; Stickstoffdeficit 42 ; Schwefelausscheidung 77; Phosphorausscheidung 79; s. auch Harnstoff etc.\nHarns\u00e4ure, N\u00e4hrwerth 392, 401.\nHarnstoff, N\u00e4hrwerth 401; F\u00fctterungsversuche 48 ; Ausscheidungsgr\u00f6sse und Einfl\u00fcsse auf dieselbe s. Eiweissverbrauch und Stoffwechsel.\nHaschisch 438.\nHeu, Ausnutzung beim Pflanzenfresser 481.\nHolzfaser 462; s. auch Cellulose.\nHorngebilde, Abstossung und Stickstoffverlust 51, 275.\nH\u00fchnereier, s. Eier.\nHunger 82; Zersetzung von Eiweiss und Fett 84; Einfluss der Thierart 85, der Zeit 88, des Fettvorrathes 93; Abnahme der einzelnen Organe 95; Eintritt des Todes 101; s. auch Salzhunger.\nHungergef\u00fchl 560.\nI.\nInanition s. Hunger.\nJod, Einfluss auf Stoffumsatz 181.\nK (s. auch C).\nK\u00e4lte, Einfluss auf Stoffumsatz 211, 309, 551.\nK\u00e4se, Zusammensetzung403, 456 : Fett-\nbildung 245; als Nahrungsmittel 456; Wirkung auf die Verdauung 489.\nKalisalze in Geweben und Nahrung 362.\nKaliumnitrat s. Salpeter.\nKalksalze in Geweben und Nahrung 371.\nKartoffeln 477, 482.\nKiesels\u00e4ure in Geweben und Nahrung 386.\nKinder, Stoffumsatz und Kostmaass 532.\nKirs ch en 480.\nKleber 389, 462, 464.\nKleie 464, 465, 471.\nKleienbro d 471.\nKlima, Einfluss auf Kostbed\u00fcrfniss 551.\nKnochen, Kalkgehalt 374; Fluorcalciumgehalt 387 ; Rhachitis 376 ; als Nahrung 400.\nK nochenerden, Abh\u00e4ngigkeit von der Nahrung 374.\nKnollen 476.\nKnorpel als Nahrung 400.\nKochkunst, Bedeutung 507.\nKochsalz, Einfluss auf Stoffumsatz 157; als N\u00e4hrstoff 363.\nKochsalzhunger 366.\nK\u00f6rnerfr\u00fcchte 463.\nKohl 478.\nKohlehydrate, Einfluss auf den Stoffumsatz im Allg. 127, 151, auf den Eiweissverbrauch 138, auf den Fettverbrauch 144; Beziehungen zur Fett-bildung 236, 251, 254, Theorie 317; Vorkommen in der Nahrung und Bedeutung als N\u00e4hrstoff 410; s. auch Cellulose, St\u00e4rke, Zucker, Gummi etc.\nKohlenstoffausscheidung 66; R\u00fcckschl\u00fcsse daraus 73; s. auch Bilanz.\nKohlen st off geh alt der Nahrungsmittel 497.\nKohlenstoff verbrauch 73.\nKost,Kostmaass, erforderliche Stoffe 495; Verh\u00e4ltniss derselben 496; Re-sorbirbarkeit 501 ; Zusatz von Genussmitteln 507 ; absolute Gr\u00f6ssenangaben f\u00fcr Menschen 508, f\u00fcr Ar-","page":572},{"file":"p0573.txt","language":"de","ocr_de":"Register.\nbeiter 518, f\u00fcr nicht Arbeitende 528, f\u00fcr noch Wachsende 532, f\u00fcr S\u00e4ugende 545, f\u00fcr verschiedene Klimate 551, f\u00fcr Thiere 526.\nKoth, Aufsammlung 30; Mengen 31, 467; Abgrenzung 32; Trennung des Nahrungs- und des Stoffwechselan-theils 33 ; Stickstoffdeficit 42 ; Einfluss des Brodgenusses 467, der Nahrungsart \u00fcberhaupt 484.\n\u201eKr\u00e4ftige\u201c N\u00e4hrstoffe 421.\nKreatin, N\u00e4hrwerth 401.\nKumys 458.\nL.\nLeberthran 409.\nLecithin, Bedeutung f\u00fcr die Fettbil-dungsfrage 248; N\u00e4hrwerth 402. Legumin 389.\nLeguminose 476. Leguminosenfr\u00fcchte 475.\nLeich en wachs 204.\nLeim, Leimgebendes Gewebe, Einfluss auf Stoff\u00fcmsatz 122, 318; N\u00e4hrwerth 391, 395; Gehalt in den Organen 388.\nLi chenin 413.\nLicht, Einfluss auf den Stoffwechsel 206.\nLignin s. Cellulose.\nLinsen 475.\nLuxus consumption 269, 271.\nM.\nMagnesiasalze, N\u00e4hrwerth 371. Mais 463, 474.\nMandeln, Fettgehalt 403.\nMannit 413.\nMast, M\u00e4stung s. Fettansatz. Mastfutter 527.\nMastthiere, Fettgehalt 405. Mehlfr\u00fcchte s. Cerealien. Mehlsorten 465.\nMilch, Zusammensetzung 453 ; Fettgehalt 403; Zunahme desselben beim\n573\nStehen 246; als Nahrungsmittel 453; Ausnutzung 454; Surrogate 455; Pro-ducte s. Butter, K\u00e4se, Molke.\nMilch production, Einfluss auf Kost-bed\u00fcrfniss 545.\nMilchs\u00e4ure, Rolle bei Rhachitis 377. Molke 457.\nMoosst\u00e4rke 413.\nMorphium, Einfluss auf Stoffumsatz 177, 402.\nMucedin 389, 462.\nMuskelarbeit, Einfluss auf Stoffumsatz 187, 203, 204, 310, 350, auf Kost-bed\u00fcrfniss s. Arbeiterkost. Muskelfleisch s. Fleisch.\nN.\nN\u00e4gel, Abnutzung und Verlust 275.\nNahrung im Allg., Erfordernisse 491 ; s. auch Kost.\nNahrungs\u00e4quivalente 417.\nNahrungsaufnahme, Einfluss auf Stoffumsatz 209; Herbeif\u00fchrung s. Hungergef\u00fchl.\nNahrungsmittel, Begriff 438; plastische und respiratorische 268, 340; animalische 441; vegetabilische 461; Unterschiede beider 484; Stickstoffund Kohlenstoffgehalt 497.\nNahrungsstoffe, Bedeutung 327,345 ; Geschichtliches und Eintheilungsver-suche 331; plastische und respiratorische 268, 340; unorganische 345; organische 387 ; stickstoffhaltige 387 ; stickstofffreie 403 ; Aequivalenzver-h\u00e4ltnisse 417.\nNatriumacetat, Einfluss auf Stoffumsatz 164.\nNatriumborat, Einfluss auf Stoffumsatz 164.\nN a t r i u m c a r b o n a t, Einfluss auf Stoff-umsatz 162.\nNatriumchlorid s. Kochsalz.\nNatriumphosphat, Einfluss auf Stoff\u00fcmsatz 163.\nNatriumsalze, N\u00e4hrwerth 362.\nNatrium sulp hat s. Glaubersalz.","page":573},{"file":"p0574.txt","language":"de","ocr_de":"574\nRegister.\nNatron salze, N\u00e4hrwerth 362. Neutralfette s. Fette.\nN\u00fcsse, Fettgehalt 403.\n0.\nObst 480.\nOpium, Einfluss auf Stoffumsatz 177;\nals Genussmittel 438.\nOrganeiweiss 300.\nOssein s. Leim und Knochen. Oxydation s. Verbrennung.\nOzon, Rolle im Organismus 286.\nP.\nPectin 414.\nPeptone, Einfluss auf den Eiweissumsatz 119, 306, 318; N\u00e4hrwerth 393. Perspiration, Stickstoffausscheidung 36.\nPfeilwurzel 478.\nPflanzeneiweiss 461. Pflanzenfibrin s. Kleber. Pflanzenfresser, Ausnutzung des Futters 481.\nPflanzenleim s. Gliadin. Pflanzennahrung s. Nahrungsmittel, vegetabilische.\nPflanzens\u00e4uren 417. Pflanzenschleim 413.\nPhosphate, N\u00e4hrwerth 370, 371. Phosphor, Einfluss auf Stoffumsatz 184, 285.\nPhosphorausscheidung, Phosphorstoffwechsel 79.\nPilze 480.\nP\u00f6keln 447.\nQ-\nQuecksilber, Einfluss auf Stoff\u00fcm-satz 181.\nR.\nRachitis s. Rhachitis.\nReis 463, 474.\nRespiration s. Athmung, Athembe-wegungen, Athmungsst\u00f6rungen. Respirationsmittel 268, 340.\nRevalenta 475.\nRhachitis, Ursache 376.\nRoggen, Roggenmehl 463, 465.\nRohfaser 462.\nRoquefort-K\u00e4se, Verfettung 245.\nR\u00fcben 477, 482.\nR\u00fcckenmarkdurchschneidung, Einfluss auf Stoffumsatz 204.\ns.\nS\u00e4ttigungsgef\u00fchl 565.\nS\u00e4ugen, Einfluss auf Kostbed\u00fcrfniss 545.\nS\u00e4uglinge, StoffumsatzundKostmaass 542.\nSalicyls\u00e4ure, Einfluss auf Stoffumsatz 172.\nSalmiak, Einfluss auf Stoffumsatz 161.\nSalpeter, Einfluss auf Stoff Umsatz 164.\nSalze, Einfluss auf Stoffumsatz 157, 354; s. auch Aschebestandtheile.\nSalzhunger 354, 366.\nSarcosin, N\u00e4hrwerth 402.\nSauerstoff, Rolle beim Stoff\u00fcmsatz 279, 307.\nSauerstoffausscheidung 67.\nSa uers tof f mangel, Einfluss auf Stoffumsatz 222, 307.\nSchlaf, Einfluss auf Stoffumsatz 204.\nSchw\u00e4mme 480.\nSchwarzbrod 467.\nSchwefelausscheidung, Schwefelumsatz 77.\nSchweiss, Stickstoffausscheidung 53.\nSeifen s. Fetts\u00e4uren.\nSinnesorgane, Einfluss auf Stoff\u00fcm-satz 205.\nSpaltung, oxydative 4, 280, 284.\nSpinat 478.\nSt\u00e4rke 410, 470, 487; s. auch Kohlehydrate.\nStickstoffausscheidung, respiratorische 36, als Ammoniak 49 ; durch Hornsubstanz 51; durch Auswurf 53; im Schweiss 53.\nStickstoffbestimmung 54; im Harn 24, 28; im Koth 30; in der Perspiration 36; s. auch Stickstoffdeticit.","page":574},{"file":"p0575.txt","language":"de","ocr_de":"Register.\n575\nStickstoffdeficit imHarn u.Koth42.\nStickstoffgehalt der Nahrungsmittel 497.\nStickstoffgleichgewicht hei verschiedenen Kostmaassen 111.\nStickstoffverbrauch 56; s. auch Stickstoffausscheidung und Eiweissverbrauch.\nStoff Umsatz s. Stoffwechsel.\nStoffverbrauch s. Stoffwechsel.\nSt off verlust s. Ausscheidungen und Stoffwechsel.\nStoffwechsel 1, 5; Ziele der Untersuchung 6; Geschichtliches 8; Methodik 13; Einfl\u00fcsse 81: Hunger 82, Zufuhr von Eiweiss 103, von Pepton 119, 306, 318, von Leim 122, 318, von Fett 127, 241, von Kohlehydraten 127, 151, von Wasser 152, Salze 157, 354, Glycerin 166. Fetts\u00e4uren 169, Alkohol 169, Benzo\u00f6s\u00e4ure 172, Salicyls\u00e4ure 172, Benzamid 172, Asparagin 173, Caffee, Thee, Coca 174, Morphium 177, 402, Chinin 178, 402, Digitalis 180, Eisen ISO, Jod 181, Quecksilber 181, arsenige S\u00e4ure, Brechweinstein 181, Phosphor 184, 285, Muskelarbeit 187, 203, 204, 310, 350, Athembewegung 202, Curare 203, Schlaf 204, Sinnesorgane 205, geistige Arbeit 208, Darmth\u00e4tigkeit 209, Lufttemperatur 211, 309, 556, pathologische Zust\u00e4nde 219, Blutentziehung 220, Respirationsst\u00f6rungen 222, 307, Diabetes 225, Fieber 230; \u2014 Ursachen 264; Verbrennungstheorie 265; Bolle des Sauerstoffs 279, 307.\nStoffwechselgleichungen 10; s. auch Bilanz.\nStoffw ecliselprod ucte 4; s. auch Ausscheidungen.\nSu ecus ca rnis 449.\nT.\nTabak 437.\nTemperatur, Einfluss auf Stoffumsatz 211, 309, 556.\nThee, Einfluss auf Stoffumsatz 174; als Genussmittel 435.\nThran 409.\nTransfusion, Einfluss auf Stoffumsatz 304.\nTrauben 480.\nUrin s. Harn.\nu.\nY.\nVerbrennung als Ursache des Stoffumsatzes 265, 279, 307. Verdaulichkeit 489.\nVerdauung, Einfluss auf Stoffumsatz 209.\nVerhungern s. Hunger.\nVogeleier s. Eier.\nw.\nWachsthum, Einfluss auf Kostbe-d\u00fcrfniss 532, auf Gaswechsel 541.\nW\u00e4rme, Einfluss auf Stoffumsatz 211, 309.\nW asser, Einfluss auf Stoffumsatz 152; als Nahrungsstoff 342, 345; als Ge-websbestandtheil 346; Ausgabe 350.\nWasserstoffausscheidung 67; s. auch Bilanz.\nWein, Zusammensetzung 429; Glyceringehalt 409.\nWeintrauben 480.\nWeis sbrod 467.\nWeizen 463.\nWeizenkleber s. Kleber.\nWeizenmehl 465.\nWolle, Wachsthumssch\u00e4digung durch Transport 275; s. auch Horngebilde.\nWurzeln 476.\nZ.\nZellen, Einfluss auf den Stoffumsatz 300, 308, 321; Untergang 274. Zuckerarten 411; Einfluss auf den Stoffumsatz und Bedeutung als N\u00e4hrstoff s. Kohlehydrate.\nZuck er r\u00fchr s. Diabetes. Zwetschgen 480.","page":575},{"file":"z0001.txt","language":"de","ocr_de":"Druck tou J. B. Hirschfeld in Leipzig.","page":0}],"identifier":"lit16896","issued":"1881","language":"de","pages":"1-575","startpages":"1","title":"Erster Theil: Physiologie des allgemeinen Stoffwechsels und der Ern\u00e4hrung","type":"Book Section","volume":"6"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:38:51.681204+00:00"}