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{"created":"2022-01-31T14:04:27.934992+00:00","id":"lit17043","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Bethe, Albrecht","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 20: 472-477","fulltext":[{"file":"p0472.txt","language":"de","ocr_de":"\u2022% 1\n\u00fceber die Silbersubstanz in der Haut von Alburnus lucides\nVon\nAlbrecjht Bethe.\n(A\u00ab9 der chemischen Abtheilung des physiologischen Instituts in Berlin.) (Der Redaction zugegangen am 5. Mari 1895.)\nIn den Schuppentaschen der meisten Knochenfische finden sich kleine, irisirende Krystallpl\u00e4ttchen, welche durch Interferenz-erscheinungen diesen Thieren ihr silbergl\u00e4nzendes Aussehen verleihen. Die Technik hat sich dieser Erscheinung schon seit bangem bem\u00e4chtigt und stellt aus den isolirten, mit einer Wachsmasse zusammengeschmolzenen Krystallen falsche Perlen her.\nSchon 1833 versuchte Rose auf Veranlassung von Ehrenberg, die chemische Beschaffenheit dieses K\u00f6rpers zu ergr\u00fcnden. Er kam zu dem Resultat, dass die Krystallc aus einer organischen Substanz bestehen, weil sie sich beim Erhitzen auf dem Platinblech verfl\u00fcchtigen, ohne einen R\u00fcckstand zu hinterlassen. Die Resultate der n\u00e4chsten Untersucher weichen von diesem Befunde wesentlich ab. Nach Schnitzle in besteht unser K\u00f6rper aus phosphorsaurem Kalk, nach\nMathias aus phosphorsaurer Magnesia. Auch Br\u00fccke sprach sich \u00e4hnlich aus.\nWittich hielt die Krystallc f\u00fcr eine Verbindung einer stickstoffhaltigen Substanz (Geruch nach an'gebranntem Horn beim Erhitzen) mit anorganischen Salzen (da sie eine Asche hinterlassen, die aus kohlensaurem und phosphorsaurem Kalk, Kochsalz und Eisen besteht).\n\u25a0' Bafreswil (Compt. rend. 1861, T.53, S. 246) fand, dass die Reactionen des K\u00f6rpers in allen Punkten mit den Reactionen","page":472},{"file":"p0473.txt","language":"de","ocr_de":"473\ndes Guanin \u00fcbereinstimmen. Er erkl\u00e4rt ihn desshalb als krystallisirtes Guanin. Er verspricht in seiner Mittheilung Analysenresultate bei n\u00e4chster Gelegenheit zu publiciren; so weit mir bekannt, ist aber eine derartige Mit!heiluiig nicht erfolgt. Zwei Jahre sp\u00e4ter untersuchte v. Voit, veranlasst durch v. Sieb old, die Silbersubstanz der Fischschuppen von Neuem, (v. S i e b o 1 d : Die S\u00fcsswasserfische von Mitteleuropa, Leipzig 1863, und v. Voit: Zeitschrift f. wissenschaftliche Zoologie, Bd. 15, 1865.) Er fand, offenbar unabh\u00e4ngig von Barresw.ili dass die Reactionen der Silbersubstanz (besonders das Verhalten gegen Salpeters\u00e4ure beim Eindampfen und nachheriges Befeuchten mit Ammoniak) mit denen des Guanins identisch sind. Die Krystalle hinterlassen beim Verkennen eine bedeutende Menge Asche, welche im Gegensatz zu den neutralen Krystallen alkalisch ist. Sie enth\u00e4lt keine Phosphors\u00e4ure, sondern besteht lediglich aus kohlensaurem Kalk. Da es ihm nun gelang, eine Verbindung von Guanin mit Kalk herzustellen, welche allerdings nicht die optischen Eigenschaften der Silbersubstanz zeigte, so folgerte er, dass wir es in der Silbersubstanz mit einer Verbindung von Guanin und Kalk zu thun haben. In der zweiten der erw\u00e4hnten Ai beiten theilt er mit, dass sich in der Schwimmblase von Argentia sphyraena Krystalle vorf\u00e4nden, welche das gleiche Aussehen wie die der in den Handel kommenden Silber->uktanz zeigten. Diese Krystalle sollen nun aus reinem Guanin bestehen, nicht aus der in den Schuppen vorhandenen Calcium Verbindung, und er giebt hier auch das Resultat einer Stickstoffbestimmung, bei der er 45,64% Stickstoff statt der berechneten 46,36 % fand.\nSp\u00e4terhin wurden zum Theil amorphe, zum Theil krystalli-sirte Ablagerungen in der Haut, den Mesinterien, der Retina und des Tapetums des Auges von Fischen, Amphibien und Reptilien durch K\u00fchne und Sewall (Untersuchungen aus \u00ab1- physiol. Institut zu Heidelberg, III, 1880) und durch Ewald und Krukenberg (Untersuchungen des physiol. Inst, zu Heidelberg, IV, Heft 3; Zeitschrift f\u00fcr Biologie, Bd. XIX), zum Theil als Guanin, zum Theil als Guaninkalk bestimmt.","page":473},{"file":"p0474.txt","language":"de","ocr_de":"474\nDa sich alle erw\u00e4hnten Arbeiten nur auf Reactionen d,.-(juanins (mit Ausnahme der einen Stickstoffbestimmune von Voit) und auf qualitativen Nachweis d\u00e7s Kalkes st\u00fctzen,\nschien es nicht unangebracht, diese Untersuchungen von Neuem in die Hand zu nehmen.\nDie Silbersubstanz stellte ich aus Schuppen von Alburnus lucidus dar, welche ich kiloweise von Herrn A. Reimei und Co. in Stettin bezog. Die Schuppen wurden in einer Glasflasche mit reinem Wasser etwa zu gleichen Theilen 10 bis 20 Minuten gesch\u00fcttelt, durch feine Gase geseiht und dann der Sch\u00fcttelprocess noch 2 bis 3 Mal wiederholt. Beim Sch\u00fctteln l\u00f6sen sich alle Krystalle von den Schuppen und dem Gewebe ab und gehen nachher mit dem Wasser durch die Gase durch, w\u00e4hrend die Schuppen Zur\u00fcckbleiben. Die abfiltnrte Fl\u00fcssigkeit enth\u00e4lt noch vielerlei Verunreinigungen, besonders Epithelien und dergleichen mehr. Durch mehrfaches Centrifugiren wird die Substanz wesentlich gereinigt. Mikroskopische Pr\u00e4parate (Antrocknen einer Probe des Krystall-breies auf dem Deckglas \u00fcber der Flamme und Nachf\u00e4rben mit warmer Methylenblaul\u00f6sung, wobei sich die Verunreinigungen blau f\u00e4rben, w\u00e4hrend die Krystalle den Farbstoff nicht aufnehmen) zeigen, dass trotzdem noch bedeutende Mengen von Verunreinigungen vorhanden sind. Durch Verdauen mit alkalischer Trypsinl\u00f6sung wird ein Theil der noch \u00fcbrigen Verunreinigungen beseitigt. Noch besser verfahrt man, wenn inan den Krystallbrei vier bis f\u00fcnf Wochen mit 10% Ammoniakl\u00f6sung stehen l\u00e4sst, dann wiederholt mit Wasser centrifugirt mit Alkohol ausw\u00e4scht und trocknet.\nTrotz dieser Behandlung erh\u00e4lt man die Substanz nie ganz rein. Sie zeigt immer noch f\u00e4rbbare Verunreinigungen und hinterl\u00e4sst beim L\u00f6sen mit S\u00e4uren eine nicht unbetr\u00e4chtliche Menge membran\u00f6ser Residuen, welche aus dem Gewebe der Schuppen und der Haut herr\u00fchren.\nDie Krystalle sind in Wasser, Alkohol, Aether, Ammoniak und concentrirter Essigs\u00e4ure nicht l\u00f6slich. Dagegen l\u00f6sen sie sich, wie die Autoren schon angegeben haben, in verd\u00fcnnter und concentrirter Kali- und Natronlauge und in Salzs\u00e4ure,","page":474},{"file":"p0475.txt","language":"de","ocr_de":"475\nSchwefels\u00e4ure und Salpeters\u00e4ure leicht auf. Aus diesen L\u00f6sungen krystallisiren beim Eindampfen lange nadelf\u00f6rmige Krystalle aus. F\u00fcgt man zu den alkalischen L\u00f6sungen Essigs\u00e4ure im Ueberschuss oder zu den sauren Ammoniak, so f\u00e4llt tin rein weisses amorphes Pulver aus, welches mit Salpeter-sture eingedampft und mit Ammoniak befeuchtet die Guariin-reaction zeigt. Die Krystalle des salzsauren Salzes (sie bilden sich zuerst in der Form langer Nadeln, bei weiterem Eindampfen h\u00e4utig als kleine dicke Tafeln) zeigen unter gekreuzten Nikols eine Ausl\u00f6schungsrichtung, welche mit den Prismenkanten den f\u00fcr salzsaures Guanin charakteristischen Winkel von 27\u00ae bildet. Aus den abfiltrirten und wieder in verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure gel\u00f6sten Krystallen erh\u00e4lt man durch Neutralismen mit Ammoniak ein reinweisses amorphes Pulver, welches zur Stickstoffbestimmung nach Kjeldahl und zur Kohlenstoffund Wasserstoffbestimmung verwendet wurde.\nDie gefundenen Resultate stellen es ausser allen Zweifel,\ndass die in den Krystallen enthaltene Base thats\u00e4chlich Guanin ist :\nStickstoff, berechnet: 46,35\u00b0/0, gefunden: 46,32\u00b0f0.\nKohlenstoff\t\u00bb\t39,7\t\u00bb\t\u00bb\t39f4\t\u00bb\nWasserstoff\t\u00bb\t3,3\t\u00bb\t\u00bb\t3f6\t\u00bb\nDie Asche der auf vorher beschriebene Weise gereinigten Silbersubstanz besteht nicht aus reinem kohlensauren Kalk, sondern enth\u00e4lt nebenbei deutlich nachweisbare Mengen von 1\u2018hosphors\u00e4ure und Eisen. Da diese Mengen aber gegen\u00fcber dem Kalk ausserordentlich gering sind, so habe ich sie bei der quantitativen Kalkbestimmung nicht in Rechnung gezogen. Der Kalk wurde im Platintiegel als Calciumsulfatanhydrid bestimmt.\nDie Silbersubst^\u00fcz zeigt nun je nach ihrem Reinigungsgrade verschiedenen Gehalt an Calcium, n\u00e4mlich 8,66\u00b0/\u00c4 Ca Wo Ca und 2,9\u00b0/0 Ca.\nBei einer zweiten Versuchsreihe l\u00f6ste ich die Silber-Substanz in verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure, filtrirte von den Verunreinigungen ab und bestimmte den Kalkgehalt des Filtrats und des R\u00fcckstandes. Dabei fand ich in der L\u00f6sung der\nZeitschrift for physiologische Chemie.. XX.\t32","page":475},{"file":"p0476.txt","language":"de","ocr_de":"476\nmit Trypsin verdauten Substanz 2,03\u00b0/0 Ca, in der L\u00f6sung der mit Ammoniak behandelten Substanz nur 1,5\u00b0/0 Ga.\nDa sich nun der Procentgehalt an Ga f\u00fcr Guaninkalk\ng5h4n5o x\t\u25a0\n/ Ga auf 11,76 % berechnet und der Ga-Gehalt der C.H.N.O7\nSilbersubstanz auch bei den h\u00f6chsten gefundenen Werthen noch nicht den dritten Theil der berechneten Menge ati\u00bb macht, so ist als sicher anzunehmen, dass eine der obigen' Formel entsprechende Verbindung des Guanins mit Calcium nicht vorliegt. Vielmehr muss angenommen werden, dass die Calciummengen, welche in der Asche gefunden werden, aus dem Gewebe, besonders aus den Schuppen, herstammen, von denen sich immer Theile beim Aussch\u00fctteln losl\u00f6sen m\u00fcssen. Hierf\u00fcr spricht besonders der Umstand, dass die gefundenen Calcium-inengen proportional den Mengen der Verunreinigungen sind. Es ware auch sonderbar, wenn die Silbersubstanz der Fischblasen, welche in ihrem Aussehen ganz der der ausseren Haut gleichkommt, aus reinem Guanin (Voit) best\u00e4nde, die der \u00e4usseren Haut aber eine Calciumverbindung w\u00e4re. Da in der Blase keine Kalkablagerungen vorhanden sind, so ist es leicht einzusehen, warum hier die Krystalle reiner, d. h. ohne Kalkbeimischung, erhalten werden. Auch die Spuren von Phosphor-saure und Eisen, welche in der Krystallasche gefunden werden, stammen selbstverst\u00e4ndlich aus dem Gewebe. Nach alldem ist es mir nicht zweifelhaft, dass wir es in der Silbersubstanz der Fische mit reinem krystallisirten Guanin zu thun haben.\nAblagerungen von Guanin in der Haut und den Fascien scheinen nach den Untersuchungen von Ewald und Krukenberg bei Fischen, Amphibien und Reptilien eine ziemlich allgemeine Erscheinung zu sein. Jedoch finden sich irisirendo Guaninkrystalle nur bei Fischen und ich zweifle nicht, dass die F\u00e4higkeit der Zellen, das Guanin in diesen Krystallen abzuscheiden, eine im Kampf ums Dasein erworbene Eigenschaft ist. Nicht alle Theile der Haut von silbergl\u00e4nzenden Fischen zeigen eine gleichm\u00e4ssige Vertheilung der Krystalle. Sie finden sich vielmehr haupts\u00e4chlich an der Bauchseite, so dass der Fisch, wenn er im Wasser schwimmt, von unten gegen die helle","page":476},{"file":"p0477.txt","language":"de","ocr_de":"477\nWasseroberfl\u00e4che kaum zu sehen ist. Auf der R\u00fcckenseite sind an Stelle der Guaninkrystalle Pigmentablagerungen vorhanden, die gemeiniglich im Ton des Untergrundes der Gew\u00e4sser, in denen die Fische leben, gehalten sind und die ihn bei der Beobachtung von oben her oft kaum vom Boden unterscheiden lassen. Dass sich auch Guaninkrystalle im Innern des K\u00f6rpers besonders in der Blase vorfinden, spricht nicht wesentlich -egen diese Auffassung, denn es finden sich auch bei vielen Thieren Pigmenlablagerungen im Innern des K\u00f6rpers, wo ihr /weck nicht klar ist. Ausserdem hat Krukenberg darauf aufmerksam gemacht, dass bei kleinen Vertretern der Clupeiden und Mugiliden, welche keine Guaninkrystallablagerungen in der Bauchhaut haben, wohl aber reichliche im Peritoneum, die Bauchhaut so durchsichtig ist, dass die Thiere von unten lier ganz silbern ausschen, obwohl die Krystalle tief im K\u00f6rper liegen.\nZum Schluss sei bemerkt, dass die Bem\u00fchungen, das (iuanin in der sch\u00f6nen krystallisirten Form darzustellen, um die \u00abPerlessenz wohlfeiler zu machen\u00bb (s. Voit), bei'den heutigen Preisen ziemlich aussichtslos sind, da man Guanin aus der Silbersubstanz viel billiger hersteilen kann, als es im Handel zu haben ist. (Man kann aus einem Kilo Schuppen (Preis 10 Mark) ungef\u00e4hr 10 bis 15 gr. Guanin darstellen.)\nHerrn Professor Dr. Kossel spreche ich an dieser Stelle f\u00fcr die Anregung zu dieser Arbeit, sowie f\u00fcr seinen vielseitigen Rath meinen besten Dank aus.","page":477}],"identifier":"lit17043","issued":"1895","language":"de","pages":"472-477","startpages":"472","title":"Ueber die Silbersubstanz in der Haut von Alburnus lucidus","type":"Journal Article","volume":"20"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:04:27.934997+00:00"}