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{"created":"2022-01-31T15:15:51.348415+00:00","id":"lit17101","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Blum, F.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 22: 127-131","fulltext":[{"file":"p0127.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber eine neue Klasse von Verbindungen der Eiweissktfrper.\nVon\nDr# F# Blum,\nprakt. Arzt zu Frankfurt a. M.\n(Der Redaction zugegaDgen am 2. April 18%.)\nSeit l\u00e4ngerer Zeit mit dem Studium der Einwirkung des lormaldehyds (Formol) auf die Gewebe besch\u00e4ftigt'), habe idi neuerdings mehrere gel\u00f6ste Eiweissarten in das Bereich meiner Untersuchungen gezogen und hierbei eine Reihe von merkw\u00fcrdigen Beobachtungen gemacht, die mir interessant\nimnug erscheinen, um sie der allgemeinen Beachtung zu empfehlen.\nVerd\u00fcnnt man das Eiweiss von frischen H\u00fchnereiern 1,1,1 Wasser> so f\u00e4llt e'n Niederschlag von Globulinen aus, \u20181er abfiltrirt werden kann, sodass alsdann eine L\u00f6sung resul-lirl. die nur noch Ovoalbumin und das j\u00fcngst von M\u00f6rner\u2019) beschriebene Ovomukoid enth\u00e4lt. Diese Mischung, die beim -Im keren Erw\u00e4rmen unter Ausfallen von dichten Flocken sich lrubl; verliert sof\u00b0rt ihre Gerinnbarkeit durch Hitze, wenn man ihr wenige Tropfen von Formol\u2019) zusetzt und beh\u00e4lt diese tnfahigkeit, zu coaguliren, auch dann bei, wenn man die Fl\u00fcssigkeit durch Kochen wiederholt stark einengt und den roiinaldehyd dabei vollkommen verjagt. Anf\u00e4nglich versuchte\n') S. dar\u00fcber F. Blum: 4 l\u2019eber Wesen und Werth der Formol-\n^nat. Anzeiger, Bd. XI, No. 23 und 2*, 18%. Hier auch aus-milche Litteraturangabe.\nP Zeitschrift f. physiol. Chemie, 1hl. 18, S. 525.\n\u25a0') Formol ist die 40 procentige L\u00f6sung von Formaldehyd, wie sie von\n:t\" rarb.verken vormals Meister, Lucius &\u2022 Br\u00fcning in H\u00f6chst a. M ;lt,nzirl wird.","page":127},{"file":"p0128.txt","language":"de","ocr_de":"128\nI\nt\nich die Abwesenheit des Aldehyds durch das Verhalten <1. r L\u00f6sung gegen Fuchsin-schweflige S\u00e4ure festzustellen. Aldehyde geben mit diesem farblosen Reagens eine sch\u00f6ne Rothf\u00e4rbung, die selbst durch minimale Spuren von Formaldehyd noch hervorgerufen wird, wofern man nicht zu grosse Mengen von Saure zur Entf\u00e4rbung des Fuchsins angewendet hat.\nDa aber trotz wiederholten Einenge ns der Eiweissl\u00f6sung behufs m\u00f6glichst vollst\u00e4ndiger Entfernung des \u00fcbersch\u00fcssigen Formaldehyds es nie so weit kam, dass die Rothf\u00e4rbung mit dem Reagens ausblieb, so pr\u00fcfte ich das Verhalten von frischem, unbehandeltem und unter allen Gautelen entnommenen1) Eiereiweiss und fand, dass auch dieses eine positive starke Aldehydreaction gibt. Geronnenes Eiweiss verh\u00e4lt sich ebenso.\nNach dieser Beobachtung wurde die Mischung nur noch so lange im Destillationsapparate gekocht, bis weder dir Destillationsr\u00fcckstand mit ammoniakalischer Silberl\u00f6sung, noch das Destillat innerhalb einer Stunde mit Fuchsin-schwefliger S\u00e4ure eine positive Aldehydreaction ergab. Die so erhaltene, von \u00fcbersch\u00fcssigem Formaldehyd befreite klare L\u00f6sung kann beliebig eingeengt werden; je nach der Concentration besitzt sie eine mehr oder weniger intensiv gelbbraune F\u00e4rbung, einen ganz schwach s\u00fcsslichen Geschmack und jenen eigenth\u00fcmlichen Geruch von frischem Eiweiss.\nBeim Eindunsten auf dem Wasserbade beginnt alsbald an der Oberfl\u00e4che eine Bildung von durchscheinenden Membranen, die eine in Wasser unl\u00f6sliche Modification des Eiweisses darstellen ; engt man jedoch unter Luftabschluss \u2014 also z. B. im Vacuum \u2014 ein, so erh\u00e4lt man zuletzt das Eiweiss in trockenem Zustande bei erhaltener L\u00f6slichkeit und Ungerinn-barkeit.\n') Das Ei wurde mit aldehydfreiem Wasser lauere gewaschen, vorsichtig mit ahgesp\u00fclten Instrumenten ge\u00f6ffnet und das Eiweiss in sorgsam gereinigte Gl\u00e4ser gebracht. Diese Vorsichtsmassregeln sind noth-wendig, weil Beimengungen von Spuren von Aldehyd sehr verbreit*\u2019 sind. So enthalten k\u00e4uflicher \u00abchemisch reiner\u00bb Aether, Alkohol, Are-ton etc. das Heagens f\u00e4rbende Substanzen.","page":128},{"file":"p0129.txt","language":"de","ocr_de":"129\nDies getrocknete Eiweiss ist durchscheinend und von hellgelber Farbe; es ist l\u00f6slich in heissem Wasser, selbst nach Zusatz von concentrirter Kochsalz- oder Glaubersalzl\u00f6sung. Die Reaction der L\u00f6sung ist neutral.\n4\tf\nReagentien gegen\u00fcber verh\u00e4lt sie sich folgendermaassen :\nMit alkalischer Kupferl\u00f6sung tritt eine allm\u00e4lig intensiver werdende Violettf\u00e4rbung auf. (Biuretreaction.)\nEssigs\u00e4ure + concentrirte Schwef\u00e8ls\u00e2ure ruft langsam eine sch\u00f6ne Rothfarbung hervor. (Reaction von Adam-kie wies.)\nDie Xanthoprotemreaction f\u00e4llt positiv aus; ebenso die Mil Ion\u2019sehe Reaction.\nMinerals\u00e4uren, sowie Essigs\u00e4ure bringen das Eiweiss zum Ausf\u00e4llen; im Ueberschusse ist es wieder l\u00f6slich.\nIn der Essigs\u00e4ure-L\u00f6sung tritt durch Ferrocyankalium F\u00e4llung ein.\nTannin, sowie Salze von Schwermetallen geben einen Niederschlag.\t'\nVerd\u00fcnnte Alkalien rufen keine sichtbare Ver\u00e4nderung hervor.\nConcentrirte Natronlauge l\u00e4sst die L\u00f6sung zu einer gelatin\u00f6sen Masse erstarren, die bei geringem Wasserzusatz wieder zerfliesst.\nAbsoluter Alkohol oder Aceton f\u00e4llen das Eiweiss aus 10 20procentigen L\u00f6sungen als feinflockige, schneeweisse Masse aus, die auf Zusatz von wenigen Tropfen Wasser wieder in L\u00f6sung geht.\nVersetzt man eine beliebig concentrirte L\u00f6sung mit uo Normal-Salzs\u00e4ure, so entsteht zun\u00e4chst eine F\u00e4llung, die aber bei weiterem Zusatz von S\u00e4ure sich wiederum .l\u00f6st.\nBis zum positiven Ausfall der Phloroglucin-Vanillin-reaction verbraucht 1 Gramm des l\u00f6slichen Trockeneiweiises nicht ganz 2 Cubikcentimeter Normal-Salzs\u00e4ure. Gibt man \u00bbfieser Acidalbuminl\u00f6sung Glaubersalzl\u00f6sung zu, so f\u00e4llt schon m der K\u00e4lte fast alles gel\u00f6ste Eiweiss aus, denn das Filtrat dei Fl\u00fcssigkeit gibt mit alkalischer Kupferl\u00f6sung nur noch eine schwache Biuretreaction.","page":129},{"file":"p0130.txt","language":"de","ocr_de":"130\nEine Peptonisation hat also bei dem langen Erhitzen behufs Reinigung der Mischung nicht stattgefunden.\nKocht man die Eiweissl\u00f6sung mit Kalilauge und Bleiacetat, so tritt eine reichliche Ausscheidung von Schwefelblei auf.\nBeim Kochen der Eiweissl\u00f6sung mit Salzs\u00e4ure f\u00e4rbt sich die Fl\u00fcssigkeit rosa und nimmt reducirende Eigenschaften gegen\u00fcber alkalischem Kupferoxyd an.\nDiese letztgenannten Reactionen k\u00f6nnen nat\u00fcrlich auf das nicht abgetrennte Ovoinukoid eventl. zur\u00fcckgef\u00fchrt werden.\nEs entsteht nun die Frage, welcher Gruppe von Eiweissk\u00f6rpern die aus dem Eiereiweiss durch die Behandlung mit Formaldehyd entstandene Ei weissart angeh\u00f6rt.\nVon dem urspr\u00fcnglichen Ovoalbumin unterscheidet sie sich sehr pr\u00e4gnant durch die mangelnde Gerinnbarkeit in siedendem Wasser, sowie durch die F\u00e4llbarkeit mittelst Alkohol oder Aceton ohne nachweisbare Structurver\u00e4nderung ; denn, w\u00e4hrend Ovoalbumin zwar durch beide Fl\u00fcssigkeiten f\u00e4llbar ist, nachher aber in Wasser unl\u00f6slich bleibt, beh\u00e4lt die neue Eiweissart ihre L\u00f6slichkeit auch nach der Alkoholbehand-limg bei.\nWeder Acidalbumin, Alkalialbuminat, Albumosen noch auch ^ Peptone oder Mukoidsubstanzen kommen gem\u00e4fes der oben geschilderten Reactionen zur Classification in Betracht; vielmehr muss man annehmen, dass hier eine neue Gruppe von Ei weissk\u00f6rpern gegeben ist, die mittelst des Formaldehyds aus den urspr\u00fcnglichen Albuminen entstanden sind. Dieser Gruppe geh\u00f6rt nicht nur die eben geschilderte Substanz an, sondern noch mehrere andere, von denen ich vorl\u00e4ufig nur noch das Serumalbumin erw\u00e4hnen m\u00f6chte. Auch dieses wird unter der Einwirkung von Formol ungerinnbar durch Hitze und verh\u00e4lt sich in fast allen Reactionen dem aus Eiereiweiss\ngewonnenen Product analog.\nAller Wahrscheinlichkeit nach hat sich bei der Entstehung der geschilderten Substanzen ein synthetischer Process am Eiweissmolec\u00fcl abgespielt, den ich mir in der Weise denke, dass der Formaldehyd mit sei es Amido-, sei es\n","page":130},{"file":"p0131.txt","language":"de","ocr_de":"131\nHydroxylgruppen oder anderen unterWasseraustritt in Reaction getreten ist, sodass alsdann Methylenverbindungen der Albumine\nre?ultirten:\n\u2014\tNHt\t_ NH\n* + ch,o = m\n-\tNH,\t- NH\noder\nCH, + H,0.\nNH, + CH,0 = \u2014 N = CH, -f |l,o.\nDiese Methylenverbindungen der Albumine bilden die neue Enveissart, deren Hauptmerkmale hier nochmals zusammengefasst werden m\u00f6gen:\nFehlen jeder Gerinnbarkeit beim Sieden der L\u00f6sun\u00ab \u2022 hohe Wasserl\u00f6slichkeit; F\u00e4llbarkeit durch S\u00e4uren, durch con-centrirten Alkohol oder Aceton bei erhaltener L\u00f6slichkeit auf neuerlichen Wasserzusalz.\nDurch diese Eigenschaften versprechen die neuen Eiweiss-k\u00f6rper in mancher Richtung wcrthvoll zu werden, denn hier hegen zum ersten Male den genuinen Albuminen nahestehende Enveisse vor, die leicht zu reinigen, leicht l\u00f6slich und stcrilisir-bar sind; dadurch aber werden sie m\u00f6glicher Weise dem Studium der Eiweissconstitution, sowie der Bact\u00e9riologie und der Xahrungsmittelchem^e in Zukunft f\u00f6rderlich sein.\nWie sich die neue Enveissart, die in Zukunft den Namen \u00abProtogen \u00bb tragen m\u00f6ge und unter dieser Bezeichnung Von den Farbwerken vormals Meister, Lucius & Br\u00fcning zu H\u00f6chst a. M. hergestellt und erh\u00e4ltlich sein wird, bei der Einwirkung verdauender Fermente und im Organismus verbau, wird den Gegenstand einer demn\u00e4chstigen Mittheilung","page":131}],"identifier":"lit17101","issued":"1896-97","language":"de","pages":"127-131","startpages":"127","title":"Ueber eine neue Klasse von Verbindungen der Eiweissk\u00f6rper","type":"Journal Article","volume":"22"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:15:51.348421+00:00"}