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{"created":"2022-01-31T12:59:47.755145+00:00","id":"lit17133","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Weiss, J.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 22: 526-531","fulltext":[{"file":"p0526.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber den angeblichen Einfluss des H\u00f6henklimas auf die\nH\u00e4moglobinbildung.\nVon\nDr. J. Weiss.\n(Aus \u00ablern Laboratorium von Herrn Professor v. Bunge iu Basel.) (Der Redaction zugegangen am 25. December 1806.)\nPaul Bert1) sprach zuerst im Jahre 1877 die Ver-muthung aus, dass vielleicht bei der Adaptation von Menschen und Thieren an die d\u00fcnne Luft grosser H\u00f6hen eine Vermehrung der Blutk\u00f6rperchenzahl oder der H\u00e4moglobinmenge eine Rolle spiele und forderte zu diesbez\u00fcglichen BlutunteV suchungen auf. A. M\u00fcntz*) setzte 1883 auf dem Gipfel des Pic du Midi in den Pyren\u00e4en (2877 m) eine Heerde Kaninchen aus, in der Absicht, nach Jahr und Tag die verwilderten Nachkommen derselben zu untersuchen. Im Jahre 1889 machte Viault*) eine Reise nach Peru und Bolivia und beobachtete dabei in Morococha, einer 4392 m hoch gelegenen peruanischen -Minenortschatt, dass nicht nur die eingeborenen oder seit Jahren dort wohnhaften Menschen und Thiere, sondern auch er selbst und sein Begleiter eine ungew\u00f6hnlich hohe Blutk\u00f6rperchenzahl zeigten; bei letzterem hatte in 3 Wochen die Zahl von 7 aut 8 Millionen per cbmm. zugenommen. Auch M\u00fcntz erinnerte sich bei dieser Gelegenheit wieder seiner auf dem Pic du Midi verwilderten Kaninchen und fand in der That, dass das Blut derselben viel mehr Eisen enthielt und viel mehr Sauerstoff absorbirte als das Blut beliebiger Kaninchen aus der Ebene. Auch das Blut von Schafen, welche\n*) P* Bert, La pression barom\u00e9trique, Paris 1877, S. 1109.\n\u2022') Comptes rendus de P Acad, des Sciences, Paris 1891, A. 112, 8.29*.\n3> Comptes rendus. A. Ill, S. 917.","page":526},{"file":"p0527.txt","language":"de","ocr_de":"527\neinige Wochen an den Abh\u00e4ngen des Pic du Midi geweidet hatten, fand er ungew\u00f6hnlich reich an festen Bestandteilen und Eisen.\nIm Jahre 1891 nahm Egger1) in Arosa diese Versuche wieder auf und const\u00e0tirte ebenfalls eine bedeutende Zunahme iler Zahl der rothen Blutk\u00f6rperchen unter dem Einfluss der H\u00f6he sowohl bei Menschen als bei Thieren, welche sogar bis zu f>3 \u00b0/0 betrug und ihr Maximum theils in 11\u201415 Tagen, theits in mehreren Wochen erreichte. Wurden die Thiere wieder in die Eb\u00e8ne verbracht, so trat in gleicher Weise eine Verminderung der Zahl der rothen Blutk\u00f6rperchen ein. ln der Mehrzahl der F\u00e4lle blieb die Zunahme des H\u00e4moglobingehaltes hinter derjenigen der Blutk\u00f6rperchenzahl Anfangs zur\u00fcck,, nur in 2 F\u00e4llen von 12 nahm schon in den ersten 1'/,\u20144 Wochen tier Blutfarbstoff erheblich mehr zu als die Blutk\u00f6rperchenzahl. Bei neun Personen ergab sich innerhalb\n12,7 Tagen Zunahme der Blutk\u00f6rperchen = 19,72\u00fc|0.\n12,7\t\u00bb\t\u00bb\tdes\tH\u00e4moglobingehaltes = 7,23 \u00bb\ninnerhalb 3b,2 Tagen Zunahme der Blutk\u00f6rperchen \u25a0 \u2022* = 23,27%,.\n36,2\t\u00bb\tv\tdes\tH\u00e4moglobingehaltes = 15,32 \u00bb\nM\u00fcntz hatte in 100 gr. Blut von Bergkaninchen 70x2 mgr. Bison bei einem specifischen Gewichte von 1060,1, bei Kaninchen in der Ebene nur 40,3 mgr. bei einem specifischen Gewichte von 1046,2 gefunden.\nAber auch unter anderen Bedingungen kommen auffallende Schwankungen in der Zahl der rothen Blutk\u00f6rperchen vor. So hat Ma lassez1) gefunden, dass sich bei Inanition die Zahl der rothen Blutk\u00f6rperchen im Anfang steigerte. Andreesen3) hat dies durch Versuche bei Geisteskranken, welche jede Nahrungsaufnahme verweigerten, best\u00e4tigt. Wurde 'len Hungernden Wasser zugef\u00fchrt, so wurde die Zahl\u201c der\n9 Verhandlungen des XII. Congresses f\u00fcr innere Medicin. Wies-.baden 1893, S. 262.\n2)\tArchives de Physiologie normale et pathologique 1875, S. 261.\n3)\tA. Andreesen. Ueber die Ursachen der Schwankungen im Ver-li\u00e4ltniss (1er rothen Blutk\u00f6rperchen zum Plasma. Inaug.-Diss., Dorpat, ^chnakenburg 1883.","page":527},{"file":"p0528.txt","language":"de","ocr_de":"528\nBlutk\u00f6rperchen f\u00fcr kurze Zeit herabgesetzt. Auch bei Versuchen mit Gaben von Alkohol, Chloralhydrat und Amylnitrit, welche Stoffe einen Einfluss auf die Weite der Blutgef\u00e4ss.* aus\u00fcben, wurde eine deutliche Herabsetzung der Zahl der Blutk\u00f6rperchen constat\u00e2t. Formanek und Haskovec\u2019) wiesen hei Ihieren, die sie durch Gaben von Strychnin und Brucin oder durch Reizung des centralen Endes des durchschnittenen X. ischiadicus in Krampfzustand versetzt hatten, sowohl eine Vermehrung der Blutk\u00f6rperchen, als des H\u00e4moglobin- und Eisengehaltes gegen\u00fcber dem Normalzust\u00e4nde nach.\nBei allen diesen Versuchen ist es schon a priori unwahrscheinlich, dass es sich um Schwankungen in der H\u00e4mo-globinmenge ties Gesammtorganismus handelt. Es ist weit wahrscheinlicher,, dass der Rauminhalt des geschlossenen Gelasssystems unter den genannten Einfl\u00fcssen sich \u00e4ndert. Wenn die Schwankungen im H\u00e4moglobingehalte und in der Blutk\u00f6rperchenzahl nicht immer proportional gefunden wurden, so erkl\u00e4rt sich dieses vielleicht aus der Ungenauigkeit der H\u00e4moglobinbestimmung. Bunge*) \u00e4usserte sich \u00fcber dies. Frage folgendermaassen : \u00abIn Betreff der Erfolge, die man erzielt haben will in Bezug auf die Blutk\u00f6rperchenbildung und H\u00e4moglobinbildung durch das H\u00f6henklima, durch den ver\u00e4nderten Luftdruck, ist es doch sehr auffallend, wie rasch dieser Vortheil, den man oben erzielt, wieder verloren gellt, sobald die Individuen zur\u00fcck ins Thal kommen. Dort stellt bald wieder der alte H\u00e4moglobingehalt sich her. Ich m\u00f6chte daher fragen, ob hier nicht eine andere Erkl\u00e4rung auch zul\u00e4ssig ist. Ich gebe ja die M\u00f6glichkeit zu, dass in der H\u00f6henbitt viel Blutk\u00f6rperchen gebildet werden, aber wir k\u00f6nnen es uns auch anders denken. Es ist sehr wohl m\u00f6glich, dass oben die Blutgef\u00e4sse sieb zusammenziehen, ein Theil des Plasmas heraustritt in die Lymphr\u00e4ume und nur relativ die H\u00e4moglobinmenge vermehrt wird. Dass dies geschieht, ist teleologisch ganz plausibel; es kann n\u00e4mlich bei gleicher\n') Wiener medicinische Bl\u00e4tter. Nr. 7, 18D6.\n') Verhandlungen des Congresses f\u00fcr innere Medicin. M\u00fciuhei. lstir\u00bb. s. 10*2.","page":528},{"file":"p0529.txt","language":"de","ocr_de":"529\nHoi zarbeit umsomehr H\u00e4moglobin durch die Lungen getrieben und umsomehr Sauerstoff trotz des verminderten Partiardruckes aufgenommen werden, je gr\u00f6sser der H\u00e4moglobingehalt in .1er Volumeinheit des Blutes. Es handelt sich also um einen von den Processen der Selbstregulirung, denen wir so h\u00e4ufig in der Natur begegnen\u00bb.\nAuf Anregung von Herrn Professor Bunge beschloss ich daher, durch den directen Versuch die Frage zu entscheiden, ob unter dem Einfluss des H\u00f6henklimas der H\u00e4rno-globingehalt des Gesammtorganismus steigt. Ein Versuch wurde auf dem Prlatus (2070 m), zwei Versuche in Andermatt (1444 m) vorgenommen, indem von je zwei W\u00fcrfen Kaninchen die eine H\u00e4lfte jedes Wurfes nach diesen hochgelegenen Orten verbracht wurde, w\u00e4hrend die andere H\u00e4lfte als Gontrolle in Basel (265 m) verblieb; die Nahrung war \u2022lie gleiche. Nach Ablauf von vier Wochen wurde die Zahlung \u20221er Blutk\u00f6rperchen vorgenommen. Darauf wurden die Thiere mit Aether get\u00f6dtet und in Eis verpackt nach Basel gebracht. Dort wurde das Fell und der Verdauungstra\u00e7tus vom Rachen bis zum After entfernt, sowie die Gallenblase und der Inhalt der Harnblase, da die dem Felle allenfalls anhaftenden Unreinigkeiten sowohl als die specifischen Farbstoffe des Darminhaltes und des Inhaltes der Harn- und Gallenblase eine St\u00f6rung der colorimetrischen Bestimmung h\u00e4tten verursachen k\u00f6nnen. Man erh\u00e4lt auf diese Weise zwar keine richtigen absoluten, daf\u00fcr aber unter einander um so besser vergleichbare Werthe. Nachdem dann das Gewicht durch Subtraction bestimmt war, wurden die Thiere zerhackt und so lange mit Wasser extrahirt, als noch eine F\u00e4rbung der ablaufenden Fl\u00fcssigkeit erkennbar war. Die gewonnene Fl\u00fcssigkeit wurde dann durch ein dickes Papierfilter filtrirt, nachdem vorher ihre Menge festgestellt war, und dann mit einer L\u00f6sung von l\u2019ferdebluth\u00e4moglonin verglichen, welches nach Zinoffski1) dargestellt war. Der H\u00e4rnoglobingehalt war vorher bestimmt worden. Von der grossen Genauigkeit dieser Methode hatte\ni\n\u2018j Diese Zeitschr., Bd. 10, 8. 10, 1885.","page":529},{"file":"p0530.txt","language":"de","ocr_de":"530\nirli mich vorher durch viele Versuche \u00fcberzeugt, welche bis auf drei Stellen genaue Resultate ergaben. Die Vergleichung erfolgte mit Hilfe der planparallelen Gl\u00e4ser im auffallenden Tageslichte. Mit den in Basel verbliebenen Controllthieren wurde in ganz gleicher Weise verfahren. Die Ergebnisse waren folgende;\nI. Versuch.\nPilatus.\tBasel.\nH\u00e4moglobingebalt pro loaugr. K\u00f6rpergewicht.\n1. o,0; >\t1. 5,6\nII. 4,25\tII. 4,09\nIII 4,25\tIII. 4.20\nBlutk\u00f6rperchen pro cbmm.\t\nI. 0,7 Mill.\tI. 6,0 Mill\nII. 0,4\t>\u25a0\tII. 5,6\t\u00bb\nHL 6,3\t-\tIII. 5,8\t>\nAlter der Thiere bei der T\u00f6dtung:\t7 Wochen.\nII. Versuch.\t\nn d e r ut a 11.\tBasel.\nH\u00e4 moglobingehalt pro 1000 gr. K\u00f6rpergewicht.\t\nI 4,1\t1 7.1\n11. 5,7\t11. 5,56\nIII. 5.4\tIII 5,5\nBlutk\u00f6rperchen pro cbmm.\t\nI. 6,8 Mill.\tI. 4,7 Mill.\nII. 6,4\t>\tH. 4,0 >\nLH. 6.7 v\tIII. 4,4 >\nAller der Thiere : 12 Wochen,\t\nIII. Versuch.\t\nn <1 c r m a 11.\tBase 1.\nH\u00e4moglolving) liait pro loi'Ogr. K\u00f6rpergewicht.\t\nI. 6,5\t1. 6.25\n11 6,41\tII. 6 40\nHl. 6.7s\tHI. 6.1::\nBlutk\u00f6rperchen pro cbmm.\t\n1. 6.4 Mill.\t1. 5.6 Mill.\nII. 6,s\tH. 5.24\nIII. 6.5\t111. 5.4","page":530},{"file":"p0531.txt","language":"de","ocr_de":"531\nW\u00e4hrend also eine relative Vermehrung der rotheii Blutk\u00f6rperchen innerhalb 4 Wochen von 12\u201424\u00b0/0 bei den Thieren, welche in die H\u00f6he verbracht wurden, gegen\u00fcber den unten Bleibenden eintrat, blieb der H\u00e4moglobingehalt des Gesammt-organismus derselbe. Es liegt somit vorl\u00e4ufig kein Grund vor, einen g\u00fcnstigen Einfluss des H\u00f6henklimas auf die Assimilation des Eisens und die H\u00e4moglobinbildung anzunehmen.","page":531}],"identifier":"lit17133","issued":"1896-97","language":"de","pages":"526-531","startpages":"526","title":"Ueber den angeblichen Einfluss des H\u00f6henklimas auf die H\u00e4moglobinbildung","type":"Journal Article","volume":"22"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:59:47.755151+00:00"}