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{"created":"2022-01-31T13:29:22.631088+00:00","id":"lit17150","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Kutscher, Fr.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 23: 109-114","fulltext":[{"file":"p0109.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Physiologie der Phosphorescenz.\nVon\nFr. Kutscher.\nAXit einer Tafel.\n(Aus dem physiologischen Institut zu Marburg.)\n(Der Redaction zugegangen am 2. M\u00e4rz 1897.)\nEine seit alten Zeiten bekannte Erscheinung ist die zuweilen am faulen Holze beobachtete Phosphorescenz. Es ist daher eine reichliche Litteratur *) dar\u00fcber vorhanden, welche das Ph\u00e4nomen zu erkl\u00e4ren versucht. Trotzdem sind noch heute die Ansichten \u00fcber die das Leuchten des Holzes bedingenden physiologischen Vorg\u00e4nge getrennt, und die einen Forscher sehen die Ursache in rein chemischen Umsetzungen der Holzbestand-theile, w\u00e4hrend andere sie in den auf dem Holze schmarotzenden Pilzen suchen. F\u00fcr die erste Meinung tritt sehr bestimmt bez\u00fcglich des nassen weissfaulen Laub- und Nadelholzes de Bary1 2 3) ein. Der Grund, der ihn im genannten Sinne sich, \u00e4ussern l\u00e4sst, war ein doppelter. Zun\u00e4chst war es die Beobachtung, dass sich an phosphorescirendem Holze h\u00e4ufig nicht dort die st\u00e4rkste Lichtintensit\u00e4t zeigte, wo die Pilzwucherung am kr\u00e4ftigsten war. Weiterhin konnte er ein St\u00fcck leuchtendes Buchenholz untersuchen, das er auf weite Strecken frei von Pilzvegetationen fand. Aehnhch wie de Bary hatte sich bereits vorher Hartig\u00ae) ausgesprochen.\nDer Angabe de Bary\u2019s widersprach Ludwig4) auf Grund seiner Studien an leuchtenden rhizomorphakranken Fichten.\n1)\tBetreffs der Litteratur s. Ludwig. Ueber die Phosphorescenz der Pilze und des Holzes. Inaug.-Diss. 1874.\n2)\tde Bary: Handbuch der physiol. Botanik, Bd. II.\n3)\tHartig: Botanische Zeitung, Jahrg. 1855.\n4)\tLudwig: 1. c.\n8","page":109},{"file":"p0110.txt","language":"de","ocr_de":"110\nDerselbe suchte auch die Phosphorescenz des weissfaulen Holzes auf die das Holz durchwuchernden Pilze zur\u00fcckzuf\u00fchren. Den Angaben Ludwig's schloss sich Pfl\u00fcger an. Seither ist dann meines Wissens die Frage, ob die Phosphorescenz des weissfaulen Holzes durch chemische Umsetzungen oder durch Organismen bedingt sei, nicht wieder ausf\u00fchrlicher discutirt worden.\nAuf Veranlassung meines Chefs, des Herrn Professor Dr. Koss el, trat ich obiger Frage n\u00e4her. Einige Schwierigkeit verursachte allerdings die Beschaffung brauchbaren Materials, doch gl\u00fcckte es mir, gelegentlich einer Harztour in der N\u00e4he von Grund in den Besitz leuchtenden Holzes zu gelangen. Der Fundort war eine Tannenrodung. Als ich dieselbe genau absuchte, stiess ich auf einen k\u00fcrzlich ausgegrabenen Tannenstumpf, der in ausgezeichneter Weise mit blau-weissem Lichte phosphorescirte. Sehr stark leuchteten an demselben die zum Tlieil weissfaulen Wurzeln, aber auch die noch gesunden Wurzeln zeigten an ihren frischen Schnittfl\u00e4chen deutliche Phosphorescenz. Weiter fanden sich in der Umgebung des Stumpfes grosse, von den gesunden Wurzeln herr\u00fchrende, sch\u00f6n leuchtende Holzsplitter. Dabei liess sich weder an den gesunden Wurzelschnittfl\u00e4chen noch an den Holzsplittern irgendwelche Pilzvegetation wahrnehmen. Ich hatte demnach neben weissfaulem leuchtenden Holze einen Befund vor mir, wie ihn De Bar y am leuchtenden Buchenholz gemacht und als Beweis gegen eine belebte Ursache der Phosphorescenz des Holzes benutzt hatte. Denn es handelte sich auch in meinem Falle um gr\u00f6ssere Holzfl\u00e4chen, die scheinbar frei von Holzvegetation leuchteten. Das gefundene Material konnte ich noch leuchtend nach Marburg bringen. Liier fielen mir bei genauer Untersuchung an den Holzsplittern kaum sichtbare Spalten auf, die das Holz in der Richtung des Faserverlaufes durchsetzten. Bei meinen Versuchen, die Holzsplitter in der Dichtung der Spalten zu trennen, klappten dieselben meist leicht auseinander. Das Bild, das sich mir jetzt zeigte, war ein eigenartiges. Denn die beiden genau auf einander passenden Theile waren von einem zarten, rein weissen, wolligen Pilzrasen bedeckt, der den Band der","page":110},{"file":"p0111.txt","language":"de","ocr_de":"ni\nHolz fl\u00e4chen freiliess und sich gegen das von ihm nicht \u00fcberwucherte Holz durch eine scharfe braune Linie abgrenzte. Die Untersuchung des Pilzmycels in der Dunkelkammer belehrte mich sofort, dass ich in demselben die Ursache des Phosphores-cirens der Holzsp\u00e4hne vor mir haben musste, da das Holz, so weit sich das Mycel makroskopisch verfolgen liess, besonders stark leuchtete, w\u00e4hrend das Leuchten an den Stellen, an denen man das Mycel mechanisch entfernte, sofort abnahm. Das freie Mycel dagegen leuchtete auch nach seiner Losl\u00f6sung vom Holze gleichm\u00e4ssig gut fort. Auff\u00e4llig war ferner der Anblick des vom Mycel befreiten Holzes. Dasselbe war dort, wo das kr\u00e4ftigste Mycel gelagert hatte, rein weiss und f\u00e4rbte sich allm\u00e4hlich gegen den Rand des Mycels stark braun. Abgeschlossen wurde die F\u00e4rbung durch die bereits erw\u00e4hnte tiefdunkelbraune Linie, die sich oft als feine Leiste von der Holzfl\u00e4che erhob.\nUm den gefundenen Pilz zu kultiviren, \u00fcbertrug ich ihn zun\u00e4chst auf die in der Bakteriologie \u00fcblichen N\u00e4hrb\u00f6den. Dieselben versagten jedoch. Ich musste mir daher einen geeigneten N\u00e4hrboden verschaffen. Bei der Bereitung desselben verf\u00fchr ich in der Weise, dass ich 150 gr zerkleinerte Buchenrinde mit 500 gr Wasser abkochte, ffltrirte und das Filtrat entweder mit 2\u00b0/o Agar-Agar oder 12 \u00b0/0 Gelatine versetzte. Die stark saure Reaction der Gelatine schw\u00e4chte ich etwas durch Soda ab. Die so erhaltenen festen N\u00e4hrb\u00f6den wurden, wie \u00fcblich, sterilisirt. Impfte ich Platten, die von den eben geschilderten N\u00e4hrb\u00f6den gegossen waren, mit kleinen Fetzen des Mycels, dann konnte ich bereits nach 24 Stunden ein lebhaftes Spitzenwachsthum an den einzelnen Mycelf\u00e4den konstatiren, und nach 2\u20143 Tagen hatten die lebhaft leuchtenden Mvcelst\u00fccke auch bereits makroskopisch merklich an Umfang zugenommen. Die dem ausges\u00e4ten Pilzmyeel anhaftenden Verunreinigungen waren entweder gar nicht oder nur k\u00fcmmerlich zur Entwickelung gekommen, so dass bereits nach der zweiten oder dritten Uebertragung auf die aus Buchenrinde gewonnenen N\u00e4hrb\u00f6den sich der leuchtende Pilz rein in meinen H\u00e4nden befand. Mit Hilfe des gleichen N\u00e4hrbodens gelang es mir weiter ohne\n8*","page":111},{"file":"p0112.txt","language":"de","ocr_de":"112\ngr\u00f6ssere Schwierigkeit, sowohl von den Stellen des Holzes, die ohne mikroskopisch wahrnehmbare Pilzvegetation leuchteten, als auch aus den weissfaulen Wurzelst\u00fccken den gleichen leuchtenden Pilz zu z\u00fcchten. Diese Befunde geben, glaube ich, ein klares Bild \u00fcber die Uebertragung des von mir gez\u00fcchteten Pilzes auf die verschiedenen Theile des Tannenstumpfes. Zuerst waren jedenfalls die weissfaulen Wurzeln mit dem leuchtenden Pilz inficirt. Durch die Instrumente der Arbeiter geschah dann die weitere Uebertragung auf die Schnittfl\u00e4chen der gesunden Wurzeln und auf die Holzsplitter, ohne dass es hier jedoch zu einer sichtbaren Ausbildung eines Myeels kam. Gleichzeitig scheinen diese Befunde mir den einen Einwand de Bar y's gegen eine belebte Ursache der Phosphorescenz zu widerlegen, da sie die Vermuthung sehr nahe legen, dass de Bar y ein St\u00fcck Buchenholz in H\u00e4nden gehabt hat, welches nur sp\u00e4rlich von makroskopisch nicht wahrnehmbaren Pilzf\u00e4den durchsetzt war. Ob er das Holz mikroskopisch oder mit H\u00fclfe der Gultur untersucht hat, gibt de Bar y nicht an.\nDas Wachsthum des von mir gez\u00fcchteten Pilzes war nicht besonders charakteristisch. Auf der Gelatine entwickelte sich in 8\u201414 Tagen bei einer Temperatur von e. 20\u00b0 C. durch allseitiges Spitzenwachsthum ein rundes, rein weisses Mvcel, das allm\u00e4hlich ein wenig in die Gelatine einsank und einen Durchmesser von 3\u20144 cm. erlangen konnte. Die einzelnen Mycelf\u00e4den zeigten sich in kurzen Abst\u00e4nden septirt. Fruk-tifikationen irgend welcher Art konnte ich dagegen nicht bemerken. Eigenartig verhielt sich der Pilz insofern, als sich die Gelatine unter der Kultur br\u00e4unte und rings um dieselbe tief dunkelbraun gef\u00e4rbte Farbstoffk\u00f6rner auftraten. Das Wachsthum des Pilzes auf Buchenrinden-Agar unterschied sich wenig von demjenigen auf Gelatine. Auch hier bildete sich bei angemessener Temperatur (d. h. 15\u201420\u00b0 C.) ein leuchtendes, weisses Mvcel, das den N\u00e4hrboden stark braun f\u00e4rbte. Zu einer Fruktifikation kam es auf dem Agarn\u00e4hrboden gleichfalls nicht.\nEine Uebertragung der Reinkulturen auf sterile Tannen-, Buchenrinde oder weissfaules Holz bot keine Schwierigkeit,","page":112},{"file":"p0113.txt","language":"de","ocr_de":"\u2014 113 \u2014;\nwenn man nur f\u00fcr die gen\u00fcgende Feuchtigkeit und Temperatur sorgte. Auch auf diesen nat\u00fcrlichen N\u00e4hrb\u00f6den wollte der Pilz nicht fruktificiren, daher ist es mir zur Zeit noch unm\u00f6glich, ihn genau zu klassificiren.\nVon Wichtigkeit gegen\u00fcber dem zweiten Einwand de B ary's, dass sich am phosphorescirenden Holz h\u00e4ufig nicht dort die st\u00e4rkste Lichtintensit\u00e4t zeige, wo die Pilzwucherung am kr\u00e4ftigsten sei, scheint mir folgende an meinen Reinkulturen gemachte Beobachtung. In den ersten Tagen nach der Verimpfung auf Tannen- resp. Buchenrinde leuchtete das wuchernde Mycel in seiner Gesammtheit. Mit zunehmender Ausdehnung desselben wurde jedoch die Phosphorescenz in den \u00e4lteren, den dichtesten Rasen zeigenden Theilen schw\u00e4cher oder h\u00f6rte ganz auf, w\u00e4hrend der zarte, langsam vorr\u00fcckende Rand der Kultur stark weiter phosphorescirte. Dieses Verhalten liess sich eigentlich von vornherein annehmen. Denn es ist klar, dass in einer-Kultur die \u00e4ltesten Theile entweder durch Ersch\u00f6pfung des N\u00e4hrbodens oder durch Altersschw\u00e4che in der vollen Beth\u00e4tigung der ihnen zu kommenden Eigenschaften behindert werden. Der geschilderte Vorgang der Abnahme der Lichtintensit\u00e4t mit zunehmendem Alter der Kultur, welcher durchaus nicht auch gleichzeitig eine Verminderung des einmal gebildeten kr\u00e4ftigen Mycels erfordert, w\u00fcrde meiner Meinung nach in ungezwungener Weise den von de Bar y erhobenen Befund erkl\u00e4ren.","page":113},{"file":"p0113s0002.txt","language":"de","ocr_de":"Hoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f\u00fcr physiologische Chemie, Band XXIII.\nKutscher, Fr., Zur Physiologie der Phosphorescenz.\tVerlag von Karl J. Tr\u00fcbner in Strassburg.\nTafel I.","page":0},{"file":"p0114.txt","language":"de","ocr_de":"Erkl\u00e4rung zu Tafel I.\nDie Abbildung zeigt die beiden H\u00e4lften eines in seiner Gesammtheit phosphorescirenden Holzsplitters in nat\u00fcrlicher Gr\u00f6sse. Dieselben waren in ihrem Innern von einem zarten weissen Pilzmycel bedeckt, das an den in der Reproduktion rein weiss \u2018 erscheinenden Stellen besonders kr\u00e4ftig entwickelt war. Der makroskopisch sichtbare Pilzrasen war durch eine scharfe, auch in der Tafel wohl erkennbare braune Linie eingeschlossen. Jenseits dieser Linie war mit unbewaffnetem Auge nichts mehr von Mycel zu erkennen, dagegen erschien das Holz zum Teil noch eine Strecke weit braun verf\u00e4rbt. Die Abbildung gibt diese Verf\u00e4rbung gleichfalls sehr deutlich wieder.\nDie Vervielf\u00e4ltigung ist nach einem von dem Mechaniker des Institutes, Herrn Rink, angefertigten Photogramm vorgenommen worden.","page":114}],"identifier":"lit17150","issued":"1897","language":"de","pages":"109-114","startpages":"109","title":"Zur Physiologie der Phosphorescenz","type":"Journal Article","volume":"23"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:29:22.631093+00:00"}