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{"created":"2022-01-31T14:03:46.616365+00:00","id":"lit17176","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Nolf, Pierre","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 23: 505-520","fulltext":[{"file":"p0505.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber den Nachweis der Carbamins\u00e4ure.\nVon\nDr. Pierre Noll'.\n]>Xit einem Holzschnitt.\n(Aus dem physiologischen Institut zu Marburg.)\n(Der Redaction zugegangen am 15. Juni 1897.)\nEine jetzt von den meisten Physiologen, wenn nicht als sicher, so doch mindestens als sehr wahrscheinlich angenommene Thatsache ist das Vorhandensein der Carbamins\u00e4ure-salze in verschiedenen physiologischen Fl\u00fcssigkeiten. Drechsel ist der erste, welcher auf die Bedeutung der Carbamins\u00e4ure mit Nachdruck hingewiesen hat und seine Arbeiten sind die wichtigsten, welche wir \u00fcber diese Frage besitzen. Drechsel hat die Entstehung von carbarn i nsau rem Ammon durch Oxydation der Amidos\u00e4uren in alkalischer Fl\u00fcssigkeit festgestellt,1) ferner hat er das Vorhandensein desselben Salzes in dem Blutserum des Hundes2) und in dem alkalischen Harn des Pferdes3) nachgewiesen; durch elektrische Wechselstr\u00f6me ist es ihm endlich gelungen, aus Ammoniumcarbaminat Harnstoff darzustellen.4) Diese Thatsachen fasst er zusammen, indem er annimmt, dass das Ammonsalz der Carbamins\u00e4ure eine Zwischenstufe ist bei der physiologischen Harnstoffbildung. Das durch Oxydation des Eiweiss\u00eas und seiner Derivate gebildete car-baminsaure Ammon soll durch abwechselnde Oxydation und Reduction in Harnstoff \u00fcbergehen. F\u00fcr diesen Vorgang stellt Drechsel folgende Formel auf:\nH4N0 \u2014 CO \u2014 nh2 + 0 = 1I2N0 \u2014 CO \u2014 nh2 + h2 0\nAmmoniumcarbaminat\nH2N0-C0-NH2 + H2 = H2N-C0-NH2 + H20\nHarnstoff.\n1)\tJournal f\u00fcr prakt. Chemie (NF.) Bd. 12, S. 417.\n2)\tIbidem.\n3)\tDu Bois-Reymond\u2019s Archiv, Jahrg. 1891.\n4)\tJournal f\u00fcr prakt. Chemie (NF.) Bd. 22.\n33","page":505},{"file":"p0506.txt","language":"de","ocr_de":"Nachher haben Abel und Muirhead1) ein reichliches Auftreten der Carbam ins\u00e4ure im Harn von Menschen und Thieren nach Kalkf\u00fctterung beobachtet. Endlich haben Nencki und Hahn2) die heftigen Vergiftungssymptome, welche bei Hunden nach Anlegung einer Eck\u2019sehen Fistel auftreten, von der Nichtumwandlung des Ammonimncarbaminats in Harnstoff in Folge der verhinderten Lebercirculation hergeleitet. Bei diesen Hunden soll im Harn die Carbamins\u00e4ure in gr\u00f6sserer Menge auftreten als im normalen Zustand. Diese Forscher nehmen das Vorkommen der Carbamins\u00e4ure in normalem sauerreagirenden Harn vom Rinde und Menschen an.\nUnter den Salzen der Carbamins\u00e4ure sind das Ammonium-und das Caieiumearba m i nat die wichtigsten.\nDas erste H4 N \u2014 C02 \u2014 H2N entsteht bekanntlich, wenn Kohlens\u00e4ure und Ammoniak in trockenem Zustande sich im Verh\u00e4ltniss von 1:2 Vol. vereinigen (Rose). In L\u00f6sung kann man es darstellen, indem man Kohlens\u00e4ure in starkes Ammoniak hineinleitet (K o 1 b e). Dabei bekommt man eine ammoniakalische L\u00f6sung von Ammoniumcarbaminat, welche Kalkhydroxyd aufl\u00f6st, ohne sich zu tr\u00fcben, unter Bildung von Kalkcarbaminat.\nEine frisch dargestellte w\u00e4sserige L\u00f6sung von Ammoniumcarbaminat tr\u00fcbt sich durch Zusatz von Calciumchlorid anfangs nicht, wohl aber nach kurzer Zeit. L\u00e4sst man sie dagegen einige Minuten stehen und f\u00fcgt nun erst das Calciumchlorid hinzu, so entsteht sofort ein Niederschlag von Calciumcarbonat, weil das Ammoniumcarbaminat durch Aufnahme eines Molek\u00fcls Wasser schon theilweise in neutrales Carbonat umgewandelt worden ist. In stark ammoniakalischer L\u00f6sung ist das Ammoniumcarbaminat gut best\u00e4ndig. Man kann sogar durch starkes Ammoniak beide Ammoniumcarbonate in Carbaminat \u00fcberf\u00fchren (Divers).\nDas Calciumcarbaminat Ca (C02NH2)2 -)- 1/a H20 wurde in reinem Zustande zuerst von Drechsel3) dargestellt und\n!) Archiv f\u00fcr experiment. Pathologie und Pharmakologie, Bd. 81, S. 15.\n2)\tDasselbe, Bd. 32. S. 16.1.\n3)\tJournal f\u00fcr prakt. Chemie (NF.) Bd. 16, S. 180.","page":506},{"file":"p0507.txt","language":"de","ocr_de":"507\nzwar nach folgender Methode: Kohlens\u00e4ure wird in starke Ammoniakl\u00f6sung hineingeleitet, wobei Ammoniumcarbaminat entsteht. Von Zeit zu Zeit setzt man etwas frische Kalkmilch hinzu, solange man Aufl\u00f6sung wahrnimmt. Alsdann l\u00e4sst man etwas absitzen und fdtrirt direkt in das gleiche Volumen auf 0\u00b0 abgek\u00fchlten absoluten Alkohols. Es entsteht sofort ein dicker Niederschlag, welcher mit Alkohol\u00e4ther gewaschen und \u00fcber Schwefels\u00e4ure getrocknet wird.\nDas Calciumearbaminat l\u00f6st sich in kaltem Wasser zu einer zun\u00e4chst klaren L\u00f6sung, welche sich schon nach einigen Secunden tr\u00fcbt und reichliche Mengen von kohlensaurem Kalk abscheidet.\nCa (C02 NHa) 2 + 2 H2 0 = Ca C03 ^ (NH4), C03\nIn ammoniakalischer L\u00f6sung ist es viel best\u00e4ndiger und erst beim Erhitzen tritt Zersetzung ein. Doch kann eine solche ammoniakalische L\u00f6sung nur einige Tage in der K\u00e4lte aufbewahrt werden, da sie sich allm\u00e4hlich unter Bildung von krystal Unis ehern kohlensauren Kalk zersetzt. Die Unl\u00f6slichkeit des Calciumsalzes in Alkohol, seine L\u00f6slichkeit in Wasser zu einer klaren Fl\u00fcssigkeit, woraus beim Erw\u00e4rmen sich das leicht erkennbare Calciumcarbonat abscheidet, w\u00e4hrend Ammoniak entweicht, macht dies Salz zum Nachweis der Carbamins\u00e4ure sehr geeignet.\nDrechsel hat zwei Methoden f\u00fcr diesen Nachweis gegeben, welche beide auf den Eigenschaften des Calciumsalzes beruhen. Die erste, nach welcher er die Carbamins\u00e4ure im Blute des Hundes nachgewiesen hat, ist eine unvollkommene und theilweise mit Hecht durch Hofmeister1) angegriffen worden. Die zweite ist in seinen sp\u00e4teren Arbeiten, und ebenso von Abel, Nencki u. A. angewandt worden.\nIn ihren Hauptz\u00fcgen ist sie folgende : Die Fl\u00fcssigkeit wird mit einem Ueberschuss von Kalkmilch l\u00e4ngere Zeit gesch\u00fcttelt. Auf diese Weise werden die Carbaminate in Calciumcarbaminat verwandelt. Dann wird noch Calciumchlorid und etwas kry-stalliirisches Calciumcarbonat hinzugegeben und wieder ge-\nl) Pfl\u00fcger\u2019s Archiv, Bd. XII, S. 337.\n33*","page":507},{"file":"p0508.txt","language":"de","ocr_de":"508\nsch\u00fcttelt, um den Uebergang des kohlensauren Kalks in die krystallinische Form zu bef\u00f6rdern. Man l\u00e4sst einige Zeit auf Eis stehen und filtrirt in auf 0\u00b0 abgek\u00fchlten Alkohol. Der Niederschlag wird sp\u00e4ter wiederholt in Ammoniak aufgel\u00f6st, durch kalten Alkohol gef\u00e4llt und an seinen oben angef\u00fchrten Eigenschaften erkannt. Wenn dies Verfahren auch f\u00fcr den qualitativen Nachweis hinreicht, so ist es doch in quantitativer Beziehung nicht brauchbar. Man erh\u00e4lt auch schon infolge der Zersetzlichkeit des Calciumsalzes die Zersetzungsprodukte, Kohlens\u00e4ure und Ammoniak, gew\u00f6hnlich nicht in den der Theorie entsprechenden Mengen.\nDies zweite Verfahren von Drechsel st\u00fctzt sich auf vier Hauptexperimente, welche ich hier ihrer Wichtigkeit wegen erw\u00e4hnen m\u00f6chte.\n\u00abVersuch I. 5 ccm. einer Salmiakl\u00f6sung wurden mit 4 Tropfen einer reinen, frisch bereiteten Kalkmilch versetzt, nach Aufl\u00f6sung des Kalks mit 5 ccm. Na2 C03 (1 ccm. = 0,05301 Na2 COs) vermischt, gesch\u00fcttelt, bis der Niederschlag krystallinisch geworden, sofort mit 5 ccm. Ca Cl2 (1 ccm. = 0,0555 Ca Cl2) versetzt und 15 Minuten gesch\u00fcttelt. Der vollkommen krystallinische Niederschlag wurde abfiltrirt, eine Probe des v\u00f6llig klaren Filtrats in eine auf beiden Seiten d\u00fcnn ausgezogene Glasr\u00f6hre aufgesogen und eingeschmolzen. Beim nun folgenden mehrst\u00fcndigen Erhitzen im Wasserbad blieb die Fl\u00fcssigkeit v\u00f6llig klar.\nVersuch II. 5 ccm. derselben Salmiakl\u00f6sung wie in I wurden mit 5 ccm. der n\u00e4mlichen Sodal\u00f6sung versetzt und etwa l1/\u00ab Stunden bei gew\u00f6hnlicher Temperatur in gut verschlossenem Gef\u00e4sse stehen gelassen. Erst' nach Ablauf dieser Zeit wurden 4 Tropfen derselben Kalkmilch hinzugef\u00fcgt, gesch\u00fcttelt, bis der Niederschlag krystallinisch geworden, 5 ccm. derselben Chlorcaliuml\u00f6sung hinzugegeben und 15 Minuten gesch\u00fcttelt. Hierauf wurde die Fl\u00fcssigkeit von dem v\u00f6llig krystallinischem Niederschlage abfiltrirt, wie oben, in eine Glasr\u00f6hre eingeschmolzen und in demselben Wasserbade erhitzt. Sie tr\u00fcbte sich schnell und ziemlich stark.\nIn den beiden folgenden Versuchen diente eine L\u00f6sung von kohlensaurem Ammon, dargestellt aus kohlensaurem Silberoxyd und Jodammonium, welche seit etwa 10 Wochen in einem wohlverschlossenen Gef\u00e4sse gestanden hatte.\nVersuch III. Die eine H\u00e4lfte der noch vorhandenen L\u00f6sung wurde mit 3 Tropfen Chlorcalciuml\u00f6sung versetzt, gesch\u00fcttelt, bis der Niederschlag krystallinisch geworden, mit 5 ccm. Chlorcalciuml\u00f6sung gef\u00e4llt, und 15 Minuten lang gesch\u00fcttelt. Hierauf wurde die Fl\u00fcssigkeit von dem","page":508},{"file":"p0509.txt","language":"de","ocr_de":"\u2014 509 \u2014\nv\u00f6llig krystallinisch gewordenen Niederschlage abfiltrirt und, wie oben angegeben, behandelt; sie blieb v\u00f6llig klar beim Erhitzen.\nVersuch IV. Die andere H\u00e4lfte der erw\u00e4hnten L\u00f6sung wurde mit 3 Tropfen Kalkmilch versetzt, gesch\u00fcttelt, bis der Niederschlag krystallinisch geworden, 5 ccm. Chlorcalciuml\u00f6sung hinzugef\u00fcgt und ganz so verfahren, wie in III; die Fl\u00fcssigkeit tr\u00fcbte sich schnell und ziemlich stark.\nAus diesen 4 Versuchen (welche \u00fcbrigens zu verschiedenen Zeiten mit demselben Erfolge wiederholt wurden) ergibt sich nun Folgendes:\nDie Vollst\u00e4ndigkeit der F\u00e4llung des kohlensauren Kalks wird durch die Gegenwart von freiem Ammoniak nicht beeintr\u00e4chtigt (Versuch I), dagegen ist es nicht gleichgiltig, ob die Mischung von kohlensaurem Natron und Salmiak, welche also neutrales kohlensaures Ammon enthalten muss, sofort oder erst nach einiger Zeit weiter untersucht wird; hat sie nur anderthalb Stunden gestanden, so erh\u00e4lt man eine Nachf\u00e4llung, welche nur durch die Anwesenheit von neu gebildeter Carbamins\u00e4ure zu erkl\u00e4ren ist. \u2014 Aus Versuch III und IV ergibt sich aber, dass man Carbamins\u00e4ure mittelst Kalkl\u00f6sung bei Gegenwart von kohlensaurem Ammon nur dann sicher nachweisen kann, wenn die Fl\u00fcssigkeit freies Ammoniak enth\u00e4lt, eine Thatsache, welche in dem sp\u00e4ter zu beschreibenden Verhalten des carbaminsauren Kalks ihre vollkommene Erkl\u00e4rung findet.\u00bb\nVon der Richtigkeit dieser Thatsachen kann man sich bequem und rasch \u00fcberzeugen, jedoch kann ich mich der Deutung derselben nicht anschliessen. Vielmehr scheint es mir, dass man die vier Experimente noch in anderer Weise ebenso gut erkl\u00e4ren kann.\nFassen wir die gesammten Versuche zusammen, so sehen wir, dass die erste Bedingung f\u00fcr das Zustandekommen der Car-bamins\u00e4urereaction in der Gegenwart von kohlensaurem Ammon besteht. F\u00fcr die Bildung dieses Salzes aus Na2C03 und NH4C1 war in dem ersten Versuch keine Zeit. Es ist dagegen in den drei letzten Versuchen entstanden. Diese Versuche unterscheiden sich von einander dadurch, dass in II und IV Calciumhydroxyd gebraucht worden ist und in III Calciumchlorid. In II und IV hat Drechsel die Carbamins\u00e4ure nachgewiesen, in III nicht.\nDaf\u00fcr gibt Drechsel folgende Gr\u00fcnde: Das kohlensaure Ammon verwandelt sich in w\u00e4sseriger L\u00f6sung theilweise in Ammoniumcarbaminat. Letzteres Salz war also in den drei letzten Versuchen vorhanden. Es war dagegen nur in II und","page":509},{"file":"p0510.txt","language":"de","ocr_de":"510\nIV nachweisbar, weil in diesen Experimenten durch Gebrauch von Kalkhydroxyd eine kleine Menge von Ammoniak frei gemacht worden ist, welches das aus NH4, C02, NH2 und CaCl2 entstandene Calciumcarbaminat gegen den sch\u00e4dlichen Einfluss des Wassers gesch\u00fctzt hat. Diesen Folgerungen habe ich mich nicht ohne Weiteres anschliessen k\u00f6nnen, da ich in den von Drechsel mitgetheilten Versuchen keinen gen\u00fcgenden Grund f\u00fcr sie ersehen konnte. Die Gegenwart von Ammonium-carbaminat in der L\u00f6sung vor der Behandlung mit Kalk ist durch Drechsel durchaus nicht bewiesen und a priori kann man sich sehr gut vorstellen, dass dieses Salz erst w\u00e4hrend des Versuches durch die Einwirkung des frei gemachten Ammoniaks auf das kohlensaure Ammon entstanden ist.. Es ist in der That fr\u00fcher erw\u00e4hnt worden, dass Ammoniak im Stande ist, kohlensaures Ammon in Ammoniumcarbaminat \u00fcberzuf\u00fchren.\nEine dritte Hypothese, welche sich theilweise mit der zweiten deckt, aber die rasche Bildung von Garbaminat klarer darstellt, beruht auf der Annahme, dass Calciumhydroxyd nicht im Stande sei, das ganze Ammoniak aus dem kohlensauren Ammon zu treiben. Sobald in der Fl\u00fcssigkeit eine gewisse Ammoniaktension herrschte, w\u00fcrde die H\u00e4lfte des Ammoniaks in dem Ammoniumcarbonatmolek\u00fcl bleiben und in Folge dessen sich Calciumcarbaminat bilden nach der Formel :\n2 (NH4) 2C03 + Ca (OH) 2 = Ca (C02 NH2) 2 Sh3 N + 4 H20. '\nWelche von diesen aprioristischen Hypothesen \u2019 die wahre ist, k\u00f6nnen meines Erachtens die vier Versuche nicht erkl\u00e4ren. Aus diesem Grunde stellte ich folgende Experimente an:\nZuerst stellte ich mir eine Normall\u00f6sung von Na2C03 (1 ccm. \u2014 0,0530 gr. Na2C03) und eine von NH4C1 (1 ccm. = 0,0534 gr. NH4C1) her. Diesen L\u00f6sungen entsprachen 1) eine Chlorcalcimnl\u00f6sung, deren 11 ccm. sich mit 10 ccm. der Na2C03-L\u00f6sung umsetzten, und 2) eine reine, dicke Kalkmilch, von der ungef\u00e4hr 30 Tropfen sich in 10 ccm. der Salmiakl\u00f6sung aufl\u00f6sten. In den folgenden Versuchen wurden die Fl\u00fcssigkeiten immer w\u00e4hrend 15 Minuten in gut geschlossenem Gef\u00e4sse gesch\u00fcttelt (diese Zeit reicht aus, um den kohlensauren Kalk kristallinisch zu machen) und dann sofort filtrirt. Das klare Filtrat wurde","page":510},{"file":"p0511.txt","language":"de","ocr_de":"511\nin einem Glasrohre eingeschmolzen, dieses letztere aber nicht erhitzt. Wenn unter diesen Umst\u00e4nden nach einiger Zeit (in den meisten F\u00e4llen schon nach einigen Minuten) eine Tr\u00fcbung der Fl\u00fcssigkeit stattfmdet, kann man sicher mit Drechsel die vorherige Gegenwart von Calciumcarbaminat annehmen.\nDie beiden ersten Versuche wurden als Gegenprobe der zwei ersten von Drechsel angestellt.\nVersuch I. 10 ccm. der Salmiakl\u00f6sung wurden mit 15 Tropfen der Kalkmilch versetzt, nach Aufl\u00f6sung des Kalkes mit 10 ccm. der Natriumcarbonatl\u00f6sung vermischt und eine halbe Stunde in geschlossenem Ge-f\u00e4sse stehen gelassen. Dann wurden 11 ccm. der GaCl2-L\u00f6sung hinzugef\u00fcgt, 15 Minuten gesch\u00fcttelt und das klare Filtrat eingeschmolzen. Tr\u00fcbung.\nVersuchll. 10 ccm. der Salmiakl\u00f6sung wurden mit 10 ccm. Na2 C03 gemischt, sofort 15 Tropfen Kalkmilch hinzugegeben, vermischt, 11 ccm. CaCl2 hihzugef\u00fcgt und nach \u00fcblicher Weise verfahren.\nSpuren von kohlensaurem Kalk setzten sich nach l\u00e4ngerer Zeit ab.\nAus Versuch I geht schon hervor, dass die Entstehung von Calciumcarbaminat in Drechsel\u2019s Experimenten nicht als die Folge einer besonderen Einwirkung von Ca (OH) 2 auf (NH4) 2 C03 aufzufassen ist, denn hier war das Ca (OH) 2 vor dem Zusatz von (H4N)2C03 v\u00f6llig in CaCl2 \u00fcbergef\u00fchrt.\nEs bleibt dagegen die Frage offen: Ist carbaminsaures Ammon in einer w\u00e4sserigen L\u00f6sung von neutralem kohlensaurem Ammon pr\u00e4formirt oder ist zu seiner Bildung eine gewisse Menge freien Ammoniaks nothwendig, welcher einen Theil des neutralen Salzes in Carbaminat \u00fcberf\u00fchrt?\nIn einem Vorversuch l\u00f6ste ich in 10 ccm. Wasser von 0\u00b0 0,01 gr. reines Ammoniumcarbaminat, f\u00fcgte einen geringen Ueberschuss von CaCl2 hinzu und sch\u00fcttelte w\u00e4hrend 15 Minuten. Es war durch eine besondere Einrichtung daf\u00fcr gesorgt, dass die Temperatur w\u00e4hrend des Versuches auf 0\u00b0 blieb. Nach dieser Zeit war die L\u00f6sung noch fast ganz klar. Beim Stehen bei gew\u00f6hnlicher Temperatur trat bald Tr\u00fcbung ein. Eine Kontrollprobe mit der Na2C03-L\u00f6sung war negativ: hier blieb das Filtrat beim l\u00e4ngeren Stehen und beim Erhitzen v\u00f6llig klar. Also war festgestellt, dass bei 0\u00b0 eine w\u00e4sserige L\u00f6sung von Calciumcarbaminat verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig gut haltbar ist.","page":511},{"file":"p0512.txt","language":"de","ocr_de":"Versuch III. 10 ccm. der Sodal\u00f6sung, welche seit 10 Tagen mit\n10\tccm. der Salmiakl\u00f6sung in gut geschlossenem Gef\u00e4sse standen, wurden auf 0\u00b0 abgek\u00fchlt, mit 11 ccm. kalter CaCl2 L\u00f6sung versetzt und 15 Minuten bei 0\u00b0 gesch\u00fcttelt. Nach dem \u00fcblichen Verfahren trat die f\u00fcr Carbamin-s\u00e4ure charakteristische Tr\u00fcbung ein. Aus diesem Versuch, wo die L\u00f6sung kein freies Ammoniak enthielt, geht klar hervor, dass eine L\u00f6sung von neutralem Ammoniumcarbonat (bei 0\u00b0 und wahrscheinlich auch bei gew\u00f6hnlicher Temperatur) auch Carbaminat enth\u00e4lt.\nInteressant war es, zu wissen, ob sich bei der Neutralisation vonAmmoniumbicarbonat ebenfalls Carbaminat bildet. Das Ammoniumbicarbonat kann man sieh leicht rein und frei von Carbaminat in sch\u00f6nen Krystallen verschaffen, indem man nach der \u00fcblichen Weise eine L\u00f6sung von neutralem Carbonat durch Kohlens\u00e4ure f\u00e4llt, die Krystaile mit Wasser und Alkohol w\u00e4scht und \u00fcber Schwefels\u00e4ure trocknet.\nVersuch IV. Es wurden 0,398 gr. NH4 HCOs in 10 ccm. Wasser (Normall\u00f6sung) gel\u00f6st und sofort mit einer so grossen Menge Ammoniak versetzt, dass neben dem neutralen Carbonat noch ein leichter Ueber-schuss von NH3 vorhanden war. Da die als Reagens gebr\u00e4uchliche Ammoniakfl\u00fcssigkeit stets Carbaminat enth\u00e4lt (s. u.), verfuhr ich folgender-massen. Ich versetzte 10 ccm. der normalen Salmiakl\u00f6sung mit 25 Tropfen der Kalkmilch und setzte sie dann der NH4 HC03-L\u00f6sung hinzu. Zu dieser Fl\u00fcssigkeit f\u00fcgte ich dann, ohne zu sch\u00fctteln, sofort\n11\tccm. Ca Cl2-L\u00f6sung hinzu und verarbeitete sie weiter zum Nachweis der Carbamins\u00e4ure. Es trat eine Tr\u00fcbung ein.\nDas Resultat war dasselbe, als 10 ccm. einer \u00e4hnlichen NH4 HGOg-L\u00f6sung direkt mit 25 Tropfen Kalkmilch versetzt und wie gew\u00f6hnlich verarbeitet wurden.\nEine L\u00f6sung von reinem, neutralem Ammoniumcarbonat enth\u00e4lt also stets Carbaminat sofort nach der Entstehung des neutralen Salzes, sei es, dass dieses durch Doppelzersetzung zwischen einem anderen Carbonat und einem Ammonsalz, oder durch Neutralisation des Bicarbonats entstanden ist.\nDie Thatsache, dass neutrales Ammoniumcarbonat in w\u00e4sseriger L\u00f6sung immer von Carbaminat begleitet wird, scheint mir von grosser Bedeutung f\u00fcr die Beurtheilung der physiologischen Verh\u00e4ltnisse der Carbamins\u00e4ure zu sein, und es ist schwer verst\u00e4ndlich, weshalb dies bei den physiologischen Er\u00f6rterungen bisher nicht gen\u00fcgend in Betracht gezogen ist.","page":512},{"file":"p0513.txt","language":"de","ocr_de":"513\nFerner ist schon durch die zuletzt citirten Versuche (Neutralisation des sauren Carbonats) der Beweis geliefert, dass \u00fcberall, wo Ammoniumbicarbonal in L\u00f6sung ist oder dem entsprechend ein Gemisch von anderen Alkalibicarbonaten und Ammonsalzen, die Methode von 1) re eh sei Calciumcarbaminat liefern wird.\nAuch ist es wahrscheinlich, dass in einer L\u00f6sung von neutralem Ammoniumcarbonat die Menge des Carbaminats w\u00e4hrend des Behandelns mit Calciumhydroxyd steigen wird, in Folge des Freiwerdens von Ammoniak. Hierf\u00fcr sprechen besonders die mit dem Ammoniumbicarbonat gewonnenen Resultate.\nVers\u00fbch V. 10 ccm. Salmiakl\u00f6sung wurden mit 10 ccm. Wasser vermischt, dann w\u00e4hrend 1/2 Stunde C02 hindurchgeleitet, mit 15 Tropfen Kalkmilch 15 Minuten gesch\u00fcttelt, filtrirt und in geschlossenem Rohr stehen gelassen. \u2014 Starke Tr\u00fcbung.\nEs gen\u00fcgt also die Gegenwart von freier Kohlens\u00e4ure neben einem Ammonsalze in der Fl\u00fcssigkeit, um nach der Kalkbehandlung Calciumcarbonat zu gewinnen.\nIn den beiden erw\u00e4hnten Versuchen wurde das Calciumcarbaminat nur an einem seiner Zersetzungsprodukte erkannt, an der Bildung von kohlensaurem Kalk.\nWenn diese in L\u00f6sungen stattfmdet, deren Zusammensetzung man genau kennt, tritt sie in ganz charakteristischer Weise ein und ist f\u00fcr den, der sich mit dem Kalksalze etwas bekannt gemacht hat, schon ausreichend, um einen sicheren Schluss auf das Vorhandensein von Carbamins\u00e4ure ziehen zu k\u00f6nnen.\nEine andere Methode, welche noch zuverl\u00e4ssiger ist, habe ich auf den Rath des Herrn Professors Kos sei angewandt. Ich versuchte, ob die Krystallform des Calciumsalzes sich nicht zu einem sicheren und m\u00f6glichst einfachen Nachweis benutzen l\u00e4sst. Es wurden zun\u00e4chst die schon von Drechsel beschriebenen Krystalle, welche sich in k\u00fcnstlich rein dargestellten L\u00f6sungen von Calciumcarbaminat in Ammoniak nach Zusatz - von Alkohol bilden, genauer untersucht. Ist die L\u00f6sung sehr concentrirt und findet die Krystallisation","page":513},{"file":"p0514.txt","language":"de","ocr_de":"514\nin der K\u00e4lte statt, so bekommt man kleine, gut ausgebildete, flache Prismen, welche sich unter dem Mikroskop als doppeltbrechend zeigen. Werden aber die Krystalle sogleich nach der F\u00e4llung unter das Mikroskop gebracht, so bilden sie gew\u00f6hnlich d\u00fcnne, parallelogrammf\u00f6rmige Bl\u00e4ttchen, welche sehr oft ziegelweise auf einander liegen oder sich in den drei Raumrichtungen um ein Centrum so anlagern, dass einige in der Objecttr\u00e4gerebene liegen, andere senkrecht oder schr\u00e4g stehen und wie Nadeln oder d\u00fcnne Prismen aussehen. L\u00e4sst man hingegen verd\u00fcnnte L\u00f6sungen ruhig in der K\u00e4lte krystallisiren, so bekommt man ganz charakteristische Formen. Die meisten Krystalle bilden dann regelm\u00e4ssige Kreuzformen, welche aus einer Zusammensetzung von Prismen und Bl\u00e4ttchen bestehen, andere bilden sternf\u00f6rmige Conglomerate von sehr schmalen Prismen. Zwischen diesen zahlreichen Formen sind die Kreuzformen die zur Erkennung des Salzes geeignetsten, und ich habe deshalb eine Abbildung eines solchen Aggregates hier beigegeben.\nDiese Krystalle sind leicht zerst\u00f6rbar und unter dem Mikroskop kann man sehr oft sehen, wie sie zusammenschrumpfen und theilweise in eine amorphe Substanz \u00fcbergehen. Eine v\u00f6llige Zerst\u00f6rung bewirkt man durch Trocknen und nachtr\u00e4glichen Zusatz eines Tropfen Wassers. Es scheidet sich sofort oder nach einiger Zeit dieselbe feink\u00f6rnige amorphe Substanz aus, welche sich leicht als Calciumcarbonat erweisen l\u00e4sst.\nDiese Umsetzung solcher Krystalle, welche durch ihre Form und L\u00f6slichkeit in Wasser schon ganz charakteristisch sind, in ein amorphes Pulver von kohlensaurem Kalk ist ein f\u00fcr C\u00e4lciumcarbaminat ausserordentlich feines und sicheres Erkennungszeichen, welches nur den Nachtheil hat, dass zur","page":514},{"file":"p0515.txt","language":"de","ocr_de":"Bildung der Krystalle die gr\u00f6sste Reinheit der L\u00f6sung noth-wendig ist. Dieselbe darf keine Substanzen enthalten, welche sich auch durch Alkoholzusatz ausscheiden, in diesem Falle bekommt man einen k\u00f6rnigen Niederschlag, welcher durchaus nicht charakteristisch ist.\nIch muss hier auch hervorheben, dass die beschriebenen Krystallformen dem reinen Calciumcarbaminat zukommen, das man durch F\u00e4llung einer L\u00f6sung von Ammoninmearbaminat mittelst Ca Cl2 und Alkohol bekommt ; man darf also nicht etwa annehmen, dass die einen vielleicht zu dem neutralen Salz geh\u00f6rten, die anderen zu dem hypothetischen basischen 0H-Ca-0-C0-NH2.\nDiesen Nachweis mit H\u00fclfe der Krys tall form habe ich in folgender Weise ausgef\u00fchrt. Um unter g\u00fcnstigen und m\u00f6glichst constanten Bedingungen zu arbeiten, verwandte ich immer 50 ccm. auf 0\u00b0 abgek\u00fchlter L\u00f6sungen. Diese wurden mit einer auf Eis gek\u00fchlten Kalkmilch im Ueberschuss versetzt, 10 Minuten in geschlossenem Gef\u00e4ss t\u00fcchtig gesch\u00fcttelt, wobei man beobachten muss, dass die Temperatur eine niedrige bleibt, dann mit einigen Tropfen einer kalten zehnprocentigen Ca Cl2-L\u00f6sung versetzt,1) noch einige Minuten gesch\u00fcttelt, w\u00e4hrend einer halben Stunde auf Eis gebracht und in 3 Volumen auf 0\u00b0 abgek\u00fchlten Alkohol filtrirt. Der R\u00fcckstand wurde sofort in geringer Menge starker Ammoniakfl\u00fcssigkeit (2\u20145 ccm.) verrieben, m\u00f6glichst durch dasselbe Filter in ein Reagensglas filtrirt, abgek\u00fchlt und mit 3 Volumen kalten Alkohols versetzt. Nach einer halben Stunde wurde der Niederschlag unter das Mikroskop gebracht und gepr\u00fcft.\nAuf diese Weise wurden Resultate gewonnen, welche durchaus mit den obenerw\u00e4hnten stimmen, also:\n1.\tNeutrales Ammoniumcarbonat oder ein Gemisch von Ammoniumchlorid und Natriumcarbonat geben, mit Drechsel\u2019s Methode behandelt, erhebliche Mengen von Garb amins\u00e4ure.\n2.\tDasselbe gilt f\u00fcr Ammoniumbicarbonat oder ein Gemisch von reinem Natriumbicarbonat und Ammoniumchlorid.\n1) In den meisten F\u00e4llen war dieser Zusatz als unn\u00f6thig weggelassen.","page":515},{"file":"p0516.txt","language":"de","ocr_de":"516\n3.\tEine w\u00e4sserige L\u00f6sung von freier Kohlens\u00e4ure und Chlorammonium gibt ganz \u00e4hnliche Resultate.\n4.\tAn Stelle von Ammoniumchlorid kann man andere Ammonsalze, wie z. B. das Nitrat, das Oxalat, das Acetat, gebrauchen. Das Sulfat eignet sich nicht hierzu, weil durch Alkoholzusatz neben dem Calciumcarbaminat noch Sulfat gefallt wird, wodurch die Krystallisation des ersten Salzes ganz verhindert wird.\nDie bis jetzt erw\u00e4hnten Versuche waren mit eoncentrirten Salzl\u00f6sungen ausgef\u00fchrt. Da dieses den physiologischen Verh\u00e4ltnissen nicht entspricht, so war es von Wichtigkeit, zu pr\u00fcfen, inwiefern die gefundenen Thatsachen sich auch in verd\u00fcnnten L\u00f6sungen beobachten liessen.\nZu diesem Zwecke wurden Ammoniumbicarbonatl\u00f6sungen von den Concentrationen \u00c7ioo, V200, 1/3oo etc. dargestellt, daneben wurden L\u00f6sungen von entsprechenden Mengen Na2C03, NaHC03, NH4 CI benutzt. Diese Fl\u00fcssigkeiten, von denen immer 50 ccm. verarbeitet w\u00fcrden, gaben noch in Verd\u00fcnnungen von 1/6oo und noch weniger nicht unbetr\u00e4chtliche Ausbeuten an carbamin-saurem Kalk. Da aber bei noch verd\u00fcnnteren Fl\u00fcssigkeiten die erhaltenen Mengen immer geringer werden, da andererseits das gew\u00f6hnliche Ammoniak, das zum Aufl\u00f6sen des ersten Niederschlages dient, schon f\u00fcr sich Spuren von carbaminsaurem Ammon enth\u00e4lt, so wurde auf weitere Verd\u00fcnnung verzichtet.\nNun entspricht ungef\u00e4hr eine 1 500 Ammoniumbicarbonat-l\u00f6sung dem gew\u00f6hnlichen Gehalt des menschlichen Harns an Ammoniak, so dass die fr\u00fcher mit eoncentrirten L\u00f6sungen beobachteten Thatsachen sich auch in Fl\u00fcssigkeiten best\u00e4tigen liessen, deren Procentgehalt an Kohlens\u00e4ure und Ammoniak sich innerhalb der physiologischen Grenzen bewegt.\nHier muss ich auf zwei Thatsachen Nachdruck legen:\n1. Bei diesen grossen Verd\u00fcnnungen war immer ein grosser Ueberschuss an Calciumhydrat gegen\u00fcber dem Ammonsalz vorhanden, so dass die Bedingungen des hypothetischen, von Drechsel angenommenen, basischen Salzes g\u00fcnstig waren. Trotzdem werden immer dieselben. Krystalle von neutralem Carbaminat gefunden.","page":516},{"file":"p0517.txt","language":"de","ocr_de":"517\n2. Wie oben erw\u00e4hnt, enth\u00e4lt das starke Ammoniak, wie schon Drechsel beobachtete, stets geringe Mengen Kohlens\u00e4ure, welche als Carbaminat gebunden ist. Man kann sich von dieser Thatsac-he leicht \u00fcberzeugen, indem man einige Cubikcentimeter der kalten Ammoniakfl\u00fcssigkeit mit wenigen Tropfen CaCl2-L\u00f6sung versetzt, mit auf 0\u00b0 abgek\u00fchltem Alkohol vermischt und auf Eis stehen l\u00e4sst. Nach einiger Zeit findet man sp\u00e4rliche Krystalle von Calciumcarbaminat. Reine, concentrirte Ammoniakfl\u00fcssigkeit darzustellen, welche keine Spur von Kohlens\u00e4ure enthalten w\u00fcrde, ist ausserordentlich schwierig, und w\u00e4re das erreicht, so ist es noch nicht ausgeschlossen, dass w\u00e4hrend der Manipulation Kohlens\u00e4ure aus der Respirationsluft absorbirt wird. Da andererseits in der Methode von Drechsel der erste Niederschlag gr\u00f6sstentheils aus Kalkhydrat besteht, so wird das gesammte Carbaminat der Ammoniakfl\u00fcssigkeit in Calciumsalz \u00fcbergef\u00fchrt werden. Deshalb scheint es mir nothwendig, immer Kontrollversuclie zu machen, bei welchen dieselben Mengen Ammoniakfl\u00fcssigkeit mit gel\u00f6schtem Kalk unter den gleichen Redingungen verrieben werden wie der untersuchte Niederschlag.\nDie quantitative Restimmung des Calciumcarbaminats, welches bei obigen Versuchen gefunden war, l\u00e4sst sich, wie schon fr\u00fcher Untersucher erfahren haben, leider nicht ausf\u00fchren. Die Resultate sind sehr schwankend und werden besonders durch Temperaturerh\u00f6hung sch\u00e4dlich beeinflusst. Im Sommer ist es unter den gew\u00f6hnlichen Redingungen fast unm\u00f6glich, mit Carbamins\u00e4ure zu arbeiten. Da diese Arbeit gr\u00f6sstentheils bei w\u00e4rmerer Lufttemperatur ausgef\u00fchrt wurde, so musste ich auf die quantitativen Restimmungen ganz verzichten. In zwei F\u00e4llen aber, wo, wie gew\u00f6hnlich, nicht quantitativ gearbeitet worden war, schien mir die erhaltene Menge des Salzes zu einer W\u00e4gung auszureichen. Das Salz, welches mikroskopisch rein war, ohne Reimengung eines anderen Niederschlages, wurde auf gewogenem Filter als CaC03 tarirt.\nSo waren einmal aus 50 ccm. einer L\u00f6sung von 0,06645 gr. NH4, durch welche w\u00e4hrend LT Stunde Kohlens\u00e4ure durch-","page":517},{"file":"p0518.txt","language":"de","ocr_de":"geleitet wurde, 0,0058 gr. CaC03 erhalten, entsprechend 0,0098 Ca(C02 Nri2)g \u2014j\u2014 1 /a H20 oder 0,00197 gr. H3N, so dass 9,13 \u00b0/o des in NHL CI vorhandenen Ammoniaks in dem car-baminsauren Salze sich wiederfanden. Aus einer L\u00f6sung von 0,06645 gr. NH4C1, mit der aequivalenten Menge von Na2C03 vermischt, habe ich ein anderes Mal durch dasselbe Verfahren 0,007 gr. CaC03 gewogen, entsprechend 0,00238 gr. H3N, das ist 11,05 \u00b0/o des in NH4C1 vorhandenen Ammoniaks. In den beiden F\u00e4llen k\u00f6nnte nur ein geringer Theil aus der am-moniakalischen Fl\u00fcssigkeit entstanden sein, wie Kontrollversuche zeigten. Woher auch das Salz entsteht, ist, bez\u00fcglich des Werthes der Methode, gleichg\u00fcltig, das Endresultat ist allein zu betrachten.\nDiese Gewichtsproeente m\u00fcssen als minimal angenommen werden, da sie durch Zufall in einem nicht quantitativen Versuch gewonnen wurden. H\u00f6here Zahlen w\u00fcrde man sicher bekommen, wenn man unter den g\u00fcnstigsten Bedingungen gr\u00f6ssere Mengen verwendete. Ich muss jedoch bekennen, dass die erhaltenen Mengen \u00f6fters viel geringer sind.\nDie oben citirten Resultate scheinen mir verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig sehr hoch zu sein, so hoch, dass man ein Recht hat, zu fragen, in welchem Maasse die Carbamins\u00e4ure, welche durch das DrechseFsche Verfahren in physiologischen Fl\u00fcssigkeiten nachgewiesen wurde, schon vor der Behandlung in der Fl\u00fcssigkeit pr\u00e4existirte und selbst, ob sie \u00fcberhaupt vorher vorhanden war.\nIn seiner Kritik der ersten Arbeit von D rech sei hatte Hofmeister Folgendes bemerkt: \u00bbDurch das Verfahren von Drechsel w\u00fcrden die f\u00fcr Carbamins\u00e4ure als charakteristisch gegebenen Reaetionen \u00fcberall da entstehen, wo kohlensaure Salze in alkalischer L\u00f6sung mit Substanzen Zusammentreffen, welche durch Alkalien leicht unter Ammoniakentwicklung zersetzt werden.\u00ab Die Bedenken, welche Hofmeister bez\u00fcglich der L\u00f6slichkeit des Calciumcarbonats in Alkalien erhoben hat, sind zwar von Drechsel gehoben worden, andererseits sind alle Ammoniak liefernden Substanzen oder selbst freies Ammoniak nicht in allen F\u00e4llen gen\u00fcgend, um das Entstehen von Am-moniumcarbaminat zu bewirken. Das beweisen Versuch 1.","page":518},{"file":"p0519.txt","language":"de","ocr_de":"519\nvon Drechsel und II. von mir. Der Satz enth\u00e4lt aber doch viel Wahrheit, wie es meine Versuche gezeigt haben, und man k\u00f6nnte ihn auf folgende Weise ver\u00e4ndern : Nicht nur die Re-actionen, sondern das Calciumcarbaminat selbst wird bei iVnwendung des Drechsel\u2019schen Verfahrens da vorhanden sein, wo ein Ammoniumcarbonat in L\u00f6sung ist, oder wo freie Kohlens\u00e4ure neben Ammonsalzen existirt.\nEs muss auch bemerkt werden, dass der Methode die auf keine Weise bewiesene Annahme zu Grunde liegt, die Bedingungen f\u00fcr die Existenz des Calciumsalzes in w\u00e4sseriger L\u00f6sung seien ungef\u00e4hr dieselben wie f\u00fcr das Ammoniumsalz. Dass dieses nur ann\u00e4hernd wahr ist, haben schon die fr\u00fcheren Versuche gezeigt. Das Calciumcarbaminat ist gegen Wasser viel empfindlicher, so dass es z. B. in folgendem Falle a priori durchaus nicht zu entscheiden ist, welche von zwei L\u00f6sungen die grosse Ausbeute an Carbamins\u00e4ure liefern w\u00fcrde, deren eine 1 gr. Ammoniumcarbaminat auf 1 Liter Wasser, w\u00e4hrend die andere 1 gr. doppeltkohlensaures Ammon und noch 10 gr. NH4 CI auch auf 1 Liter Wasser enth\u00e4lt. Das Beispiel ist ganz willk\u00fcrlich genommen und der Fall wird sich unter physiologischen Bedingungen nicht darbieten. Es ist nur gew\u00e4hlt, um zu zeigen, dass die Ausbeute an Carbamins\u00e4ure und \u00fcberhaupt das Endresultat der Operationen von secund\u00e4ren Factoren abh\u00e4ngig sein kann, und dass wir nicht ohne Weiteres aus dem Werthe dieser Ausbeute einen direkten Schluss auf den Gehalt der Fl\u00fcssigkeit an carbaminsaurem Ammon ziehen d\u00fcrfen, auch in dem Falle, wo in beiden Fl\u00fcssigkeiten das Ammonsalz pr\u00e4-existirte.\nDer Schluss ist, dass wir jetzt keine Methode besitzen, um den Gehalt einer Fl\u00fcssigkeit an Carbamins\u00e4ure zu bestimmen, wenn letztere in Form ihrer Ammoniaksalze vorhanden ist. Nur wenn die S\u00e4ure als Kalkverbindung in der Fl\u00fcssigkeit gel\u00f6st ist, kann sie bestimmt werden, und zwar durch direkte F\u00e4llung mittels Alkohols in der K\u00e4lte.1)\np Es ist kaum zu denken, dass Calciumcarbaminat in physiologischen Fl\u00fcssigkeiten, welche alkalisch reagiren und Kohlens\u00e4ure ent-","page":519},{"file":"p0520.txt","language":"de","ocr_de":"Ob eine \u2022 genaue und ganz einwandfreie Methode zu finden ist, ist mir sehr fraglich, praktisch kaum zu hoffen. Andererseits verliert die Frage \u00bbIst Carbamins\u00e4ure in einer physiologischen Fl\u00fcssigkeit vorhanden oder nicht?\u00ab nach der oben citirten den gr\u00f6ssten Theil ihres Interesses. Mir scheint, dass das Vorkommen von Ammoniumcarbaminat durch die allgemeinen Gesetze der Gleichgewichtszust\u00e4nde erl\u00e4utert werden muss, und eine specielle physiologische Herkunft dieses Salzes ist mir sehr fraglich. Jedenfalls darf man nicht aus den bisher vorliegenden Versuchen auf eine solche Herkunft schliessen. Ob sie \u00fcberhaupt vorhanden ist, lasse ich dahingestellt, dies m\u00fcssen sp\u00e4tere Untersuchungen entscheiden.\nEs ist jetzt bewiesen, dass eine w\u00e4sserige L\u00f6sung von neutralem Ammoniumcarbonat Carbaminat enth\u00e4lt, dass durch Zusatz von Ammoniak und wahrscheinlich auch durch Temperaturerniedrigung die Menge des Carbaminats auf Kosten des Carbonats vergr\u00f6ssert wird, dass das entgegengesetzte geschieht durch Temperaturerh\u00f6hung und Kohlens\u00e4urezufuhr. \u00bbDass freie Kohlens\u00e4ure und freies Ammoniak in alkalischer w\u00e4sseriger L\u00f6sung sich immer zu carbaminsaurem Ammon binden\u00ab, wie Drechsel behauptet, ist durchaus nicht bewiesen, denn eine w\u00e4sserige L\u00f6sung von reinem Amrnoni\u00fcmbiearbonat reagirt schon alkalisch.\nWas in der L\u00f6sung entstehen wird, h\u00e4ngt von den Mengenverh\u00e4ltnissen und von der Temperatur ab. Leiten wir Kohlens\u00e4ure in starkes Ammoniak, so werden wir Anfangs reines, oder besser fast reines Ammoniumcarbaminat bekommen, in Gegensatz dazu wird doppeltkohlensaures Ammon entstehen durch Einleiten von Ammoniakgas in eine concentrirte L\u00f6sung von Kohlens\u00e4ure in Wasser; zwischen diesen beiden Grenzen wird man Gemische von neutralem Salz mit carbaminsaurem oder mit saurem bekommen. \u2022\u2014\nhalten, gel\u00f6st werden kann, denn es sollte, wenn neutrale Carbonate vorhanden sind, durch Doppelzersetzung gef\u00e4llt werden:\nCa (C02 NH2)2 + M2C08 = 2MC02NH,-fCaCOs.","page":520}],"identifier":"lit17176","issued":"1897","language":"de","pages":"505-520","startpages":"505","title":"Ueber den Nachweis der Carbamins\u00e4ure","type":"Journal Article","volume":"23"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:03:46.616371+00:00"}