Open Access
{"created":"2022-01-31T13:08:37.295102+00:00","id":"lit17336","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Wichman, Arthur","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 27: 575-593","fulltext":[{"file":"p0575.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Krystallformen der Albumine.\nVon\nArthur Wichmann.\nMit vier Abbildungen.\n(Der Redaction zugegangen am 9. Juni 1899.)\nNachdem die mannigfachen Versuche, das Eieralbumin in krystallisirter Form zu erhalten, schliesslich von Erfolg begleitet gewesen waren, gelang es weiteren Untersuchungen, die zuerst angewandte Methode zu vervollkommnen und weiter auszubauen. Im Laufe der letzten Jahre ist jedoch das Ovalbumin mehr in den Hintergrund getreten, und das Interesse hat sich vorwiegend den Krystallbildungen des Serumalbumins zugewandt. Hinsichtlich der Deutung der verschiedenen Formen ist indessen noch keine Uebereinstimmung erzielt worden. Krystalle des Lactalbumins sind bisher \u00fcberhaupt nicht zur Darstellung gelangt.\nDurch meinen Collegen C. A. Pekelharing, dem ich ein reiches Material verschiedener Albuminkrystalle verdanke, bin ich zu einem erneuten Studium der ganzen Frage angeregt worden, und sollen dementsprechend die morphologischen und physikalischen Eigenschaften dieser Substanzen in den nachfolgenden Zeilen im Zusammenh\u00e4nge er\u00f6rtert werden.\nAlle \u00fcbrigen krystallisirten. Eiweissk\u00f6rper \u2014 pflanzliche wie thierische \u2014 sind ausser Betracht gelassen worden, da die Unterschiede sowohl in Bezug auf ihre Krystallforpaen, als auch hinsichtlich anderer Eigenschaften doch zu erhebliche\nHoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie. XXVII.\t39","page":575},{"file":"p0576.txt","language":"de","ocr_de":"sind, um ohne Weiteres in dieser Hinsicht verwandtschaftliche Beziehungen zu den Albuminen teststellen zu k\u00f6nnen.x)\nKrystallisirte Albumine sind bisher fast ausschliesslich durch Zusatz einer L\u00f6sung des neutralen Ammoniumsulfates erhalten worden, ohne dass dieses Salz dabei in nachweisbaren Mengen in dieselben eintritt. Vielmehr l\u00e4sst sich aus dem Ge-sammtverhalten nur der Schluss ziehen, dass das schwefel-saure Ammon bei dem Krystallisationsprocess lediglich die Rolle eines -agent min\u00e9ralisateur\u00bb spielt. E. Harnack hat allerdings geglaubt, wirkliche Verbindungen des Eieralbumins mit dem Ammoniumsulfat erhalten zu haben, die indessen wie selbst zugegeben wird \u2014 sehr ei weissarm sind (etwa 50 / o s.a) Sowohl F. Hofmeister1 2 3) als S. Gabriel4) haben die Richtigkeit dieser Angabe, zum Theil bereits aus theoretischen Gr\u00fcnden, in Zweifel gezogen.\nEs l\u00e4sst sich nun thats\u00e4chlich der Nachweis f\u00fchren, dass Harnack in einem Irrthume befangen war. Das Ammoniumsulfat zeigt n\u00e4mlich eine lebhafte Neigung, w\u00e4hrend des Krvstalli-sationsprocesses Partikelchen der Mutterlauge einzuschliessen. Bringt man daher einen Tropfen einer reinen, w\u00e4sserigen L\u00f6sung auf den Objecttr\u00e4ger, so gewahrt man nach dem Verdunsten in den ausgeschiedenen Kryst\u00e4llchen unter dem Mikroskop zahlreiche Fl\u00fcssigkeitseinschl\u00fcsse, die sehr h\u00e4ufig die Formen des Wirthes besitzen und meistens mit einer Libelle versehen sind. Auch Gaseinschl\u00fcsse stellen sich zuweilen ein. F\u00fcgt man der Salzl\u00f6sung Fuchsin oder einen anderen Farbstoff hinzu,\n1)\ta. F. W. Schimper, Ueber die Krvstallisation der eiweissartigen Substanzen. Zeitschr. f. Krystallogr., Bd. V, Leipzig 1881, S. 131\u2014168.\nNeuere Litteratur bei L. Maillard. La cristallisation des mati\u00e8res albuminoides et les. cristalloides prot\u00e9iques de la micrographie. Revue g\u00e9n\u00e9rale des sciences pures et appl., T. IX, Paris 1898, p. 608.\n2)\tStudien \u00fcber das sogenannte aschefreie Albumin. Ber. d. deutsch, ehern. Gesellsch., Bd. XXIII, 2. Berlin 1890, S. 3745.\n3)\tUeber die Zusammensetzung des krystallinischen Eieralbumins,\ndiese Zeitschr., Bd. XVI, 1892, S. 188.\n4)\tBemerkungen \u00fcber Hofmeister\u2019s krystallinisches Eieralbumin,\ndiese Zeitschr., Bd. XV, 1891, S. 462.","page":576},{"file":"p0577.txt","language":"de","ocr_de":"!\n\u2014 5/7 \u2014\ni so bleibt die Substanz der sich ausscheidenden Krystalle v\u00f6llig farblos, die eingeschlossenen Partikel der Mutterlauge erscheinen dagegen lebhaft gef\u00e4rbt.\nIn ganz \u00e4hnlicher Weise wiederholt sich die Erscheinung, wenn man eine kleine Probe des in einer Ammoniumsulfatl\u00f6sung suspendirten Breies von AlbuminkrySt\u00e4llchen \u2014 gleichg\u00fcltig ob von Serum oder Eieralbumin -Js auf den Objecttr\u00e4ger bringt. In Folge des Verdunstens scheiden sich zun\u00e4chst T\u00e4felchen und S\u00e4ulen des schwefelsauren Ammons aus, die krystallographisch wohl begrenzt erscheinen. Mit dem v\u00f6lligen Eintrocknen gelangt eine zweite Generation zur Ausscheidung, die aus kleinen, aneinander gereihten, h\u00e4ufig trichitisch gekr\u00fcmmten Nadeln besteht.\n\\ amorph gewordene Albumin stellt'gleichsam einen Grundteig dar. Das Pr\u00e4parat bietet somit das ty-F pische Bild der Intersertal-oder Ophitstructur, die in diesem Falle dadurch zu Stande kommt, dass der erstarrende und widerstandsf\u00e4higer werdende Albuminbrei das Aus-- scheiden wohl ausgebildeter Krystalle verhindert. Behufs Ueberwindung dieses Widerstandes ist denn auch das Ammoniumsulfat gezwungen, die Nadel- und Trichitenform zu w\u00e4hlen. (Fig. I.)1)\nBereits bei Anwendung schwacher Vergr\u00f6sserungen gewahrt man, dass die erste Generation zahlreiche Interpositionen enth\u00e4lt, und zwar neben Einschl\u00fcssen von Fl\u00fcssigkeit auch \u2018 solche von amorph gewordenem Albumin. Hieraus ergibt sich,\nDas zwischengeklemmte, nunmehr\ni) Aus reiner L\u00f6sung entstehen nur Formen, welche denen der ersten Generation entsprechen. Die zwischen denselben befindlichen R\u00e4ume bleiben leer.\n39","page":577},{"file":"p0578.txt","language":"de","ocr_de":"578\ndass die \u00ab sch\u00f6n krystallisirten Verbindungen des Albumins mit schwefelsaurem Ammon in gut ausgebildeten Tafeln und S\u00e4ulen \u00bb, die Harnack erhalten zu haben geglaubt hatte, nichts Anderes darstellen, als Krystalle des Ammoniumsulfats, denen Partikelchen des Albumins eingelagert sind.\nIn Anbetracht des Umstandes, dass bei der Untersuchung von Albuminen so h\u00e4ufig Krystallbildungen des Ammoniumsulfats zur Beobachtung gelangen und alsdann leicht zu Verwechslungen Anlass geben k\u00f6nnen, m\u00f6ge es gestattet sein, die Krystallformen dieses Salzes, so wie dieselben sich unter dem Mikroskop offenbaren, kurz zu beschreiben.\nDie auf dem Objecttr\u00e4ger sich ausscheidenden Individuen stellen in der Regel T\u00e4felchen von rectangul\u00e4rer Form dar. Dieselbe wird bedingt durch das Vorherrschen des Makro-pinakoid ocPoo (100), welches auch den s\u00e4ulenf\u00f6rmig ausgebildeten Krvst\u00e4llchen niemals fehlt. Neben den Prismenfl\u00e4chen erscheinen auch diejenigen des Makrodoma sehr h\u00e4ufig, w\u00e4hrend Pyramidenfl\u00e4chen seltener auftreten und dann zuweilen un-gleichm\u00e4ssig entwickelt sind, sodass die Individuen einen monoklinen Habitus zur Schau tragen. Typisch f\u00fcr die mikroskopischen Gestalten ist die von V. v. Lang gegebene Abbildung.1)\nIn Uebcrei nsti mm ring mit den Anforderungen* des rhombischen Systems an die optischen Eigenschaften zeigen die Kryst\u00e4llchen zwischen gekreuzten Nicols stets Ausl\u00f6schung, sobald eine Prismenkante mit dem Nicolhauptschnitte coincidirt oder senkrecht dazu steht. Der Charakter der Doppelbrechung ist ein positiver. Bei Anwendung eonvergenten polarisirten Lichtes gelangen Axenbilder nicht zur Beobachtung, da das Makropina-koid (x~P ec (100), mit dessen Fl\u00e4che die Krystalle dem Objectglase aufliegen, Ebene der optischen Axen ist i a = B ist die optische Normale).2) Da y\u2014 a = 0,0121, so ist erst bei einer\n1)\tUntersuchungen \u00fcber die physikalischen Verh\u00e4ltnisse krystalli-sirter K\u00f6rper. Sitzgsber. k. Acad. d. W. Wien. Math, naturvr. Cl. XXXI, 1858, S. 96, Tat. II, Fig. 8.\n2)\tA. Des Cloizeaux, Nouvelles recherches sur les propri\u00e9t\u00e9s optiques des cristaux naturels et artificiels. M\u00e9m. pr\u00e9s, par div. savants \u00e0 Flnst. de France. XIII. Paris 1867, p. 96.","page":578},{"file":"p0579.txt","language":"de","ocr_de":"Dicke von 0,0412 mm. das Roth erster Ordnung im polarisirten Lichte zu gewahren. Bei der Einbettung der Kryst\u00e4llchen in Canadabalsam erscheinen ihre R\u00e4nder als zarte Linien, da der\nmittlere Brechungsexponent a jj ~r r . - 3,5264x) nur wenig\nvon dem des Einschlussmittels ab weicht.\nIndem wir nunmehr zu einer Besprechung der Krystall-formen der Albumine \u00fcbergehen, sollen zun\u00e4chst diejenigen des Eieralbumins gesondert von denjenigen des Serumalbumins, und daran anschliessend die Gestalten des Lactalbumins, betrachtet werden. Am Schl\u00fcsse wird sich die Gelegenheit darbieten, die Eigenschaften der genannten Eiweissk\u00f6rper mit einander zu vergleichen.\n1. Eieralbumin.\nF. Hofmeister hat zuerst den Weg gewiesen, auf welchem das krystallisirte Albumin erhalten werden kann.1 2) Nachdem das aus dem geschlagenen H\u00fchnereiweiss, unter Zusatz von Ammonsulfat, sich ausscheidende Globulin abfiltrirt worden ist, setzt man das Filtrat dem Verdunsten aus, worauf das Albumin im amorphen Zustande zum Absatz gelangt, indem sich ausschliesslich Globuliten bilden. Durch wiederholtes Aufl\u00f6sen in halbges\u00e4ttigter L\u00f6sung des schwefelsauren Ammons gelang es endlich, w\u00e4hrend des Verdunstenlassens die gr\u00f6sste, wenn nicht gar die gesammte Menge des Albumins in Gestalt sphaerolithiseher Aggregate zarter N\u00fcdelchen zu erhalten. Auch isolirte N\u00fcdelchen und schiefwinklige d\u00fcnne Pl\u00e4ttchen wurden beobachtet. S. Gabriel konnte die vorstehenden Mittheilungen erg\u00e4nzen und zugleich darthun, dass man auf einem einfacheren Wege bereits im Stande ist, Krystallformen zu erzeugen.3)\n1)\tBestimmungen der Hauptbrechungsexponenten des Ammoniumsulfates hat man M. Erofjeff zu verdanken. (Sitzgsber. Akad. Wien. Math, naturw. Cl. LV. 2. Abthlg. 1867, S. 543.)\n2)\tlieber die Darstellung von krystallisirtem Eieralbumin und die Krystallisirbarkeit colloider Stoffe ; diese Zeitschrift Bd. XIV, 1890, 15. 166.\n3)\tBemerkungen \u00fcber Ho fm eis ter\u2019s krystallinisches Eieralbumin ; diese Zeitschrift, Bd. XV, 1890, S. 457.","page":579},{"file":"p0580.txt","language":"de","ocr_de":"580\nEinige Jahre .sp\u00e4ter ver\u00f6ffentlichten St. Bondzynski und L. Zoja die Resultate ihrer Untersuchungen \u00fcber diesen Gegenstand.1) Es gelang diesen Forschern relativ grosse Individuen mittelst fractionirter Krystallisation zu erhalten. Dieselben wurden von E. Artini folgendermassen beschrieben :\n\u00ab Es sind T\u00e4felchen, deren Fl\u00e4chen h\u00f6chstens 6 Seiten besitzen. Die Seiten c und c' fehlen manchmal. Die Messung der Supplementzirkel ergab :\nf\u00fcr a A e \u201411\u00b0\n\u00bb a A o = 67\u00b0\n\u00bb oAa' = 42\u00b0.\n\\ \u00efm polarisirten Lichte, \\ bei gekreuzten Nicols \u201e / untersucht, zeigen sie /\tkeine merkliche Doppel-\n------------------------------'\tbrechung. Es ist anzunehmen, dass es sich um Krystalle des monoklinischen oder triklinischen Systems handelt. \u00bb\nAngaben \u00fcber die Darstellung reinerer krystallisirter Produkte hat man Panormoff zu verdanken, doch unterblieb dabei eine Beschreibung der erzeugten Formen.2)\nEndlich haben sich noch F. Gowland Hopkins und S. N. Pinkus mit diesem K\u00f6rper besch\u00e4ftigt. Es gelang ihnen, durch Zusatz von verd\u00fcnnter Essigs\u00e4ure zu dem mit Ammoniumsulfatl\u00f6sung versetzten Eiweiss einen v\u00f6llig krystallinischen Niederschlag, aus Aggregaten von Nadeln bestehend, zu erhalten, ohne dass noch Spuren amorpher Substanz vorgefunden wurden.3) Wie sich aus dem Hinweise auf die in dem Werke\n1)\tUeber fractionirte Krystallisation des Eieralbumins ; diese Zeitschrift, Bd. XIX, 1894, S. 5.\n2)\tSur la composition de l\u2019albumine de l\u2019\u0153uf de poule. Bull. Soc. chim. de Paris (3) XVIII. 1897, p. 595. (Auszug aus Journ. de la Soc. physico-chimique russe XXVIII, p. 614. i\n3)\tObservations on the crystallisation of Animal Proteids. Journ. of Physiology XXIII, London 1898, p. 132.","page":580},{"file":"p0581.txt","language":"de","ocr_de":"581\nvon E. A. Sch\u00e4fer gegebene Abbildung ergibt,1) beschr\u00e4nkte sich die Darstellung auf sph\u00e4rolithische Aggregate, wie sie in \u00e4hnlicher Gestalt, wenn auch vielleicht von geringerer Gr\u00f6sse, bereits von Hofmeister beschrieben worden waren.\nIch gehe nunmehr dazu \u00fcber, zun\u00e4chst die an den Hofmeister\u2019sehen Sph\u00e4rolithen angestellten Beobachtungen mitzu-theilen. Die strahligen Aggregate erweisen sich unter dem Mikroskope aus stark lichtbrechenden, farblosen, oft zugespitzten N\u00fcdelchen zusammengesetzt. Ein schwacher Druck auf dem Deckglase gen\u00fcgt, um die ausserordentlich weiche Masse zur Zertheilung zu bringen. Die L\u00e4nge der N\u00fcdelchen konnte zu 0,01\u20140,021 mm. gemessen werden, w\u00e4hrend die Dicke h\u00f6chstens 0,0015 mm. betr\u00e4gt. Bis zu ihrer Zerst\u00f6rung durch Schimmelbildung, nach Ablauf eines halben Jahres, blieben die Formen durchaus unver\u00e4ndert. Die Doppelbrechung dieser N\u00fcdelchen ist eine so ausserordentlich schwache, dass dieselbe nur ausnahmsweise wahrgenommen werden kann. Das charakteristische Kreuz der Sph\u00e4rolithe, wie sich dasselbe zwischen -j- Nicols offenbaren muss, wurde denn auch niemals beobachtet.\nDa diese Gebilde sich zur Bestimmung der Krystall-gestalten als g\u00e4nzlich unzureichend erwiesen hatten, ging Herr Pekelharing dazu \u00fcber, sich der von Hopkins und Pinkus vorgeschlagenen Methode zu bedienen. Auf diesem Wege gelang es denn auch gr\u00f6ssere und wohlbegrenzte Individuen und zwar sowohl aus frischem H\u00fchnereiweiss, als aus dem Eiweiss des Handels zu gewinnen. Die aus der letzterw\u00e4hnten Substanz erhaltenen Kryst\u00e4llchen waren vorherrschend von spiessiger Gestalt (Fig. 2 a), anscheinend hemimorph, indem eine spitze Pyramide an der Unterseite von einer Basisfl\u00e4che begrenzt erscheint. Daneben bemerkt man auch rectangul\u00e4re Leisten von 0,01 \u2014 0,03 mm. L\u00e4nge und bis zu 0,006 mm. Breite. Die Individuen sind farblos und l\u00f6schen zwischen -j-Nicols parallel und senkrecht zur Basis aus. Die Interferenzfarben bewegen sich zwischen dem Eisengrau und Lavendel-\ni) Text-Book of Physiology I, Edinburgh & London. 1894, p. 44.","page":581},{"file":"p0582.txt","language":"de","ocr_de":"grau erster Ordnung. Der Charakter der Doppelbrechung ist ein positiver.\nWeit gr\u00f6ssere Krystalle konnten aus dem frischen Eiweiss gez\u00fcchtet werden. Die scharf begrenzten sechsseitigen S\u00e4ulen, neben denen noch zahlreiche zarte N\u00e4delchen auftraten, erreichten eine L\u00e4nge von 0,1\u20140,15 mm. und eine Dicke von 0,003\u20140,021 mm. Der hemimorphe Charakter gelangte bei ihnen nicht in deutlicher Weise zum Ausdruck, da an den beiderseitigen Enden in der Regel nur die Basis als Begrenzungsfl\u00e4che auftrat und Zusch\u00e4rfungen durch eine Pyramidenfl\u00e4che seltener zu gewahren sind. Die optischen Eigenschaften erwiesen sich als v\u00f6llig mit dem vorigen Pr\u00e4parate \u00fcbereinstimmende. y\u2014\u00ab konnte ann\u00e4hernd zu 0,0016 bestimmt werden. Durch Umkrystallisiren gelangten noch einige andere\n\nFig. 2.\nFormen zur Beobachtung, die ebenfalls einen prismatischen Habitus zur Schau trugen, indessen deutlich hernimorph waren, indem an dem einen Ende eine Pyramide auftrat, w\u00e4hrend an dem entgegengesetzten sich der Krystall in einzelne N\u00e4delchen gleichsam aufl\u00f6ste (Fig. 2b). Zugleich mit diesen Formen gelangten auch langgestreckte Nadeln und strahlige Aggregate derselben zur Entwicklung.\nDie im Vorstehenden mitgetheilten Beobachtungen stehen im Widerspruch mit den von Bondzynski und Zoja gemachten Angaben. Eine Schwerl\u00f6slichkeit der Albuminkrystalle in halbges\u00e4ttigter Ammoniumsulfatl\u00f6sung habe ich ebensowenig zu beobachten vermocht, wie die von Artini beschriebenen und abgebildeten Krystallformen. Gegen\u00fcber der Bemerkung, dass ein Pr\u00e4parat, welches nur \u00abEiweisskugeln\u00bb enthielt, inner-","page":582},{"file":"p0583.txt","language":"de","ocr_de":"halb dreier Tage als zum gr\u00f6ssten Theile aus Krystallen bestehend sich erwies, muss ich hervorheben, dass nach meinen Erfahrungen die im Laufe eines vollen Tages zur Ausscheidung gelangten Individuen sich durch grosse Best\u00e4ndigkeit hinsichtlich ihrer Form und Gr\u00f6sse auszeichnen. Ob sich in dem erw\u00e4hnten Falle nicht etwa Kry stalle des Schwefel sauren Ammons gebildet hatten, bin ich ausser Stande zu entscheiden.\nEine bekannte Eigenschaft der Albumine ist, dass dieselben begierig Farbstoffe an sich reissen. Durch Zusatz von S\u00e4urefuchsin, Eosin, Carmin, Methylenblau u. s. w. erh\u00e4lt man sch\u00f6ne F\u00e4rbungen und der Vorgang ist ein so lebhafter, dass der Farbstoff, falls nicht im \u00fceberschuss hinzugef\u00fcgt, von den Albuminkrystallen v\u00f6llig an sich gerissen wird. Die \u00fcberstehende Ammoniumsulfatl\u00f6sung wird dann wieder farblos. Eine derartige Erscheinung hat 0. Lehmann bereits bei Krystallen organischer Verbindungen allgemein verbreitet gefunden.1) Das Tinctionsmittel haftet sehr fest und ist nicht leicht wieder auszuziehen.\nUnter dem Mikroskop lassen die gef\u00e4rbten Kryst\u00e4llchen nicht allein nicht die geringste Aenderung ihrer Formen wahr-nehmen, sondern heben sich im Gegenfheil mit gr\u00f6sserer Sch\u00e4rfe als bisher von der umgebenden Fl\u00fcssigkeit ab. Der Farbstoff befindet sich in ihnen in diluter, g\u00e4nzlich gleichm\u00e4ssiger Ver-theilung, so dass dickere Individuen intensiver gef\u00e4rbt erscheinen, als d\u00fcnnere. W\u00e4hrend die letztgenannten \u00fcberhaupt keinen Pleochroismus erkennen lassen, ist derselbe auch an den gr\u00f6sseren Krystallen nur ein ganz ausserordentlich schwacher. Im Uebrigen wird aber durch die F\u00e4rbung keine Aenderung der optischen Eigenschaften bewirkt. Auf Grund des Gesammt-verhaltens gelangt man zu dem Schluss, dass die verschiedenen Farbstoffe keine chemische Verbindung mit dem Albumin ein-gehen, sondern dass man sich, in Uebereinstimmung mit der von 0. Lehmann ge\u00e4usserten Ansicht, den Vorgang so vorzustellen hat, dass der Farbstoff zwischen den Molekeln ab-\n1) Ueber k\u00fcnstliche F\u00e4rbung von Krystallen und amorphen K\u00f6rpern. Wiedemann\u2019s Annalen LI. 1894, S. 52.","page":583},{"file":"p0584.txt","language":"de","ocr_de":"gelagert wird.1) Selbst wenn die von E. Middeldorf den Albuminmolekeln zugeschriebene, geradezu ungeheure Gr\u00f6sse2) sich als eine \u00fcbertriebene herausstellen sollte, so unterliegt es doch kaum einem Zweifel, dass dieselbe eine recht betr\u00e4chtliche ist. Gegen\u00fcber der Thatsache, dass die aus reiner L\u00f6sung ausgeschiedenen Albuminkrystalle nach dem Eintrocknen sofort zerfallen, steht die andere, dass die Krystalle, sobald dieselben einen Farbstoff oder auch andere Substanzen in sich aufgenommen haben, nach dem Eintrocknen ihre Gestalt zu erhalten wissen, wenngleich ihre Substanz amorph geworden ist. Man geht wohl in der Annahme nicht fehl, dass die erw\u00e4hnten Stoffe durch ihre Einlagerung zwischen den Molekeln gleichsam ein festes Ger\u00fcst bilden, das die Form des zerfallenden Albumins zu erhalten im Stande ist. Es gibt kaum eine krystallisirte Substanz, die in so ausgedehntem Maasse, einem Schwamme gleich, fremde Substanzen in gel\u00f6stem Zustande in sich aufnimmt, wie das Albumin. Die Zahl ihrer Verbindungen w\u00fcrde sich bis ins Ungemessene steigern, wollte man bei einem derartigen Vorg\u00e4nge jederzeit die Bildung chemischer Verbindungen annehmen. Die erw\u00e4hnten Verh\u00e4ltnisse m\u00f6gen durch einige Beispiele erl\u00e4utert werden. Werden dem Krystallbrei einige Tropfen einer Goldchloridl\u00f6sung hinzugef\u00fcgt, so f\u00e4rben sich die Albumin-Individuen sofort intensiv gelb. Nach dem Eintrocknen bleiben sie anscheinend v\u00f6llig unver\u00e4ndert, doch ist ihre Substanz amorph geworden. Bei der Behandlung mit Silbernitrat bleiben die Krystalle ebenfalls erhalten. Der Nachweis, dass sie das genannte Salz in sich aufgenommen haben, kann dadurch leicht gef\u00fchrt werden, dass die Individuen unter dem Einfluss des Lichtes eine braune F\u00e4rbung annehmen. Noch charakteristischer war ein mit einer Fl\u00fcssigkeit von hohem spec. Gewichte (3,3), n\u00e4mlich dem Cadmiumborowolframat, angestellter Versuch. Wurde dieselbe dem Krystallbrei des\n1)\t1. c. S. 62.\n2)\tUeber den Schwefel der Serum-Albumin-Krystalle und deren Yerdauungsprodukte. Verhandl. phys. med. Gesellsch. N. F. XXXI. 1897. W\u00fcrzburg 1898, S. 428.","page":584},{"file":"p0585.txt","language":"de","ocr_de":"Albumins hinzugef\u00fcgt, so trieb derselbe zun\u00e4chst auf der Oberfl\u00e4che. M\u00e4ssiges Sch\u00fctteln oder Umr\u00fchren mittelst eines Glasstabes erwies sich als v\u00f6llig ausreichend, um eine gleichm\u00e4ssige Mischung zu erzielen. Nach kurzer Ruhezeit setzte sich jedoch die gesammte Krystallmasse an dem Boden des Gef\u00e4sses ab, ein unumst\u00f6sslicher Beweis daf\u00fcr, dass die Individuen das Cadmiumsalz aufgesogen hatten, und zwar in concentrirter Form, denn sonst h\u00e4tten dieselben noch immer nicht zu Boden zu sinken vermocht. Bei der Betrachtung unter dem Mikroskop erwiesen sich die farblosen Ivryst\u00e4llchen hinsichtlich ihrer Formen unver\u00e4ndert, im Uebrigen waren sie st\u00e4rker lichtbrechend geworden, da das aufgenommene Gadmiumboro-wolframat einen hohen Brechungsexponenten, n\u00e4mlich 1,7, besitzt. Ng.ch dem Verdunsten der L\u00f6sung blieben die Gestalten des Albumins vollst\u00e4ndig erhalten.\nAuch S\u00e4uren, die im Stande sind, aus Albuminl\u00f6sungen einen amorphen Niederschlag zu erzeugen, wissen den Albumin-krvstallen nichts anzuhaben. Behandelt man die letztgenannten z. B. mit Pikrins\u00e4ure oder mit Chroms\u00e4ure, so werden sie intensiv gelb gef\u00e4rbt, w\u00e4hrend die Krvstallformen, sowie die optischen Eigenschaften keine Aenderung erkennen lassen. Nach dem Eintrocknen bleiben die Gestalten auch noch erhalten, die jedoch durch Hinzuf\u00fcgen eines Tropfen Wassers sofort zerst\u00f6rt werden unter Abscheidung amorphen Albumins.\nNoch auff\u00e4lliger ist das Verhalten des \u00fcbermangansauren Kalis.1) Eine Reihe von Forschern hat die energische Wirkung desselben auf das in L\u00f6sung befindliche Albumin studirt. F\u00fcr unsere Zwecke gen\u00fcgt es, hervorzuheben, dass sofort, unter Bildung einer steifen Gallerte, ein schwarzbrauner,\nl) Ausf\u00fchrliche Litteraturangaben bei R. Maly, Untersuchungen \u00fcber die Oxydation des Eiweisses mittelst Kaliumpermanganat. Sitzungs-ber. Akad. Wien. XCI. Abth. 2, 1885, S. 157. 0. Loew, Ueber Eiweiss und die Oxydation desselben. Journal f. prakt. Chemie. N. F. XXXI, 1885, S. 153. St. Bondzynski und L. Zoja, Ueber die Oxydation der Eiweissstoffe mit Kaliumpermanganat. Diese Zeitschrift Bd. XIX, 1894,","page":585},{"file":"p0586.txt","language":"de","ocr_de":"586\nvolumin\u00f6ser Niederschlag entsteht. x Wird dagegen zu dem Krystallbrei Kaliumpermanganatl\u00f6sung hinzugef\u00fcgt, so nimmt derselbe zwar eine lichtkaffeebraune bis schwarzbraune F\u00e4rbung an, zu einer Gallertbildung kommt es jedoch nicht. Ebensowenig zeigt die klare, \u00fcberstehende Fl\u00fcssigkeit die Reactionen der Oxyprotsulfons\u00e4ure. Untersucht man unter dem Mikroskop, so erweisen sich die Krystallformen als g\u00e4nzlich unversehrt gebliebene. Die einzige wahrnehmbare Ver\u00e4nderung besteht in einer intensiv gelbbraunen bis dunkelbraunen F\u00e4rbung der Individuen. L\u00e4sst man auf dem Objectglase eintrocknen, so bleiben Gestalt und F\u00e4rbung zun\u00e4chst unver\u00e4ndert und wird nur die Substanz isotrop, dabei zugleich auch im Wasser unl\u00f6slich, so dass sie leicht isolirt und als Pr\u00e4parat dauernd erhalten werden kann. Nach Ablauf weniger Tage tritt bereits Bleichung ein. In allen F\u00e4llen, in denen man im Zweifel ist, ob Aluminkrystalle vorliegen, kann diese scharfe und charakteristische Reaction nur anempfohlen werden.x)\nAndere Mittel, die Krystallformen des Albumins festzuhalten, sind bereits fr\u00fcher durch Hofmeister und G\u00fcrber in Vorschlag gebracht worden.2)\nDer Erstere behandelte den Krystallbrei mit Alkohol, der Letztgenannte erw\u00e4rmte denselben in der Mutterlauge. In beiden F\u00e4llen h\u00f6rte die nunmehr wasserunl\u00f6slich gewordene Substanz auf krvstallinisch zu sein. Uebrigens l\u00e4sst sich dieselbe in ebenso vortrefflicher Weise tingiren, wie dieses mit dem krystallisirten Albumin der Fall ist.\nMit dem in der Mutterlauge aufbewahrten coagulirten Albumin geht im Laufe mehrerer Wochen eine Ver\u00e4nderung vor sich, indem dasselbe wiederum doppelbrechend wird. Die Individuen l\u00f6schen alsdann abermals gerade aus, sind nunmehr\n1)\tGenau dieselbe Reaction zeigt \u00fcbrigens auch das coagulirte Albumin.\n2)\tDen Erfahrungen des Herrn Pekelharing zu Folge, k\u00f6nnen unver\u00e4nderte Albuminkrystalle als mikroskopische Dauerpr\u00e4parate in einer Einbettungsfl\u00fcssigkeit, die zu 2/s aus Glycerin und zu 1/,3 aus con-centrirter Ammonsulfatl\u00f6sung besteht, erhalten werden.","page":586},{"file":"p0587.txt","language":"de","ocr_de":"587\naber optisch negativ geworden. Von einer restitutio in integrum kann umsoweniger die Rede sein, als das Albumin auch jetzt noch in Wasser unl\u00f6slich bleibt. Die Doppelbrechung ist eine ausserordentlich schwache, und an den kleineren Individuen \u00fcberhaupt nicht zu gewahren.\nSobald man das doppelbrechend gewordene Albumin aufs Neue mit der Mutterlauge erw\u00e4rmt, so wird es wiederum isotrop. Die Krystallformen bleiben dabei in deutlichster Sch\u00e4rfe erhalten, um nach Ablauf von 3 Wochen abermals doppelbrechend zu werden. Die Individuen l\u00f6schen gerade aus und sind optisch negativ.\n2. Serum alb umin.\n. Der Entdecker des aus dem Serum des Pferdeblutes zur Ausscheidung gelangenden krystallisirten Albumins ist A. G\u00fcrber. W\u00e4hrend derselbe bei Anwendung der Hofmeister\u2019schen Methode erst im Verlaufe von 3\u20144 Wochen Aggregate zarter N\u00fcdelchen zu erhalten vermochte, gelang es ihm mittelst einer anderen, zun\u00e4chst nicht beschriebenen Methode, wohlausgebildete Krystalle zu erhalten, und zwar glaubte G\u00fcrber drei (sp\u00e4ter vier) verschiedene krystallisirbare Albumine unterscheiden zu k\u00f6nnen. Die erste Modification, krystallisirt in hexagonalen Prismen bis zu fast 1 mm. L\u00e4nge, eine zweite stellt langgestreckte Nadeln mit zugespitzten Enden dar, w\u00e4hrend die dritte ebenfalls in Gestalt von Nadeln erscheint, deren Enden aber abgestumpft sind. Die letzterw\u00e4hnten Formen erwiesen sich als \u00ab wenig oder nicht doppelbrechend \u00bb.x)\nIn einer zweiten Mittheilung theilte derselbe Forscher einige erg\u00e4nzende Beobachtungen mit und liess sich, nach ausdr\u00fccklicher Anfrage, auch dazu herab einen Zipfel des Schleiers zu l\u00fcften, mit dem seine Methode bisher bedeckt worden war.* 2) Aber erst in der ausf\u00fchrlichen Abhandlung\n1)\tKrystallisation des Serumalbumins. Sitzungsber. der phvsik. med. Cresellsch. 1894, W\u00fcrzburg 1895, S. 143.\n2)\tSerumalbuminkrystalle. Sitzungsber. der physik. med. Gesellsch. 1895, W\u00fcrzburg 1896, S. 26.","page":587},{"file":"p0588.txt","language":"de","ocr_de":"von A. Michel wurde derselben eine genaue Beschreibung zu Theil. Das Verfahren beruht, wie bei dem am Eiereiweiss Anwendung findenden, auf der Abscheidung der Albuminkrystalle mittelst Ammoniumsulfatl\u00f6sung. Dieselbe gelangt jedoch in concentrirter Form und dann noch unter bestimmten Vor-siehtsmassregeln zur Verwendung.1)\nDie als Fraction I bezeichneten Krystalle, von denen G\u00fcrber in der zuletzt erw\u00e4hnten Arbeit auch eine photographische Abbildung gibt, erreichen eine L\u00e4nge von \u00fcber 1 mm. Dieselben erscheinen \u00ab auf der einen Seite abgerundet, auf der anderen Seite endigen sie in einer sechsseitigen Pyramide \u00bb. (Fig. 3 a.)\nWir haben es hier augenscheinlich mit einer Combination des Protoprismas mit der Protopyramide zu thun, w\u00e4hrend durch das Hinzutreten von nur einer Basisfl\u00e4che der hemi-morphe Charakter deutlich hervortritt. Auch Zwillingskrvstalle sind zu beobachten, bei denen die Basis zugleich Zwillingsebene und Zusammensetzun^sfl\u00e4che ist. Maillard hat gelegentlich seiner sorgf\u00e4ltigen Untersuchungen noch eine weitere Combination wahrgenommen (Fig. 3 c), an der neben dem Protoprisma zwei Pyramiden auftreten, w\u00e4hrend das eine Ende abermals durch die Basis eine Abstumpfung erf\u00e4hrt.2) Wie G\u00fcrber zuerst hervorgehoben hat, sind die Krystalle positiv doppelbrechend.\nDie Krystalle der Fraction II erscheinen weit seltener und dann auch nur in geringer Menge. Ihre Gestalt wird als eine total verschiedene bezeichnet, dagegen die Aehnlicnkeit\nFig. 3.\n1)\tZur Kenntniss der G\u00fcr be Eschen Albuminkrystalle. Mit einem Nachtrage von A. G\u00fcrber. Verhandl. der physik. med. Gesellsch., N. F.. Bd. XXIX, 1895, W\u00fcrzburg 1896, S. 117\u2014144.\n2)\tLa cristallisation des mati\u00e8res albuminoides. Revue g\u00e9n\u00e9rale des sciences pures et appl., T. IX, Paris 1898, S. 610.","page":588},{"file":"p0589.txt","language":"de","ocr_de":"589\nmit den Hof meist er\" sch en Eieralbuminkrystallen hervorgehoben. Nach der Abbildung zu urtheilen, besitzen die Individuen Leistenform, die aus der Combination des Prismas mit der Basis resultirt.\nDie bei der Fraction III erhaltenen Gebilde stellten lange s\u00e4ulenf\u00f6rmige N\u00fcdelchen in hemimorpher Ausbildung dar. An dem einen Ende des Prismas erscheint stets eine Pyramide, w\u00e4hrend das entgegengesetzte durch eine Basisfl\u00e4che begrenzt wird.\nAls Fraction IV werden endlich Nadeln beschrieben, die jedoch an den beiderseitigen Enden gerade abgestumpft sind.\nAuch Maillard hat die verschiedenen Formen, zum Theil nebeneinander auftretend, beobachtet. Die besonders charakteristischen. entsprechen der G\u00fcrber\u2019schen Fraction I (Fig. 3e) und II (Fig. 3b).\nAuf Grund der Untersuchung des mir von Herrn Pekel-haring zur Verf\u00fcgung gestellten Materials hege ich nicht den geringsten Zweifel mehr, dass die Gestalten der verschiedenen Modifikationen dieses proteusartigen K\u00f6rpers von einer und derselben Grundform sich ableiten lassen. Die Unterschiede beruhen lediglich auf der abweichenden Gr\u00f6sse und dem Auftreten verschiedener Combinationen.\nSehen wir von den so h\u00e4ufig sich einstellenden zarten Nadeln ab, die zu einer genauen Bestimmung nicht verwendbar sind, so stellt die einfachste Combination das Protoprisma mit der Basis dar. Hiervon lag mir ein Pr\u00e4parat von grosser Bein-heit vor, bestehend aus Krvst\u00e4llchen von 0,2 mm. L\u00e4nge und bis zu 0,006 mm. Breite, die stark lichtbrechend waren. Die Individuen l\u00f6schen gerade aus und sind optisch positiv.\nEine zweite Modification entspricht genau den von Maillard abgebildeten (Fig. 3b), sowie den von G\u00fcrber als Produkte der Fraction III beschriebenen Krvst\u00e4llchen. Sie unterscheiden sich von den vorhergehenden dadurch, dass die Prismen an dem einen Ende durch eine Pyramide, an dem entgegengesetzten durch die Basis begrenzt werden. Zuweilen tritt die Pyramide an beiden Enden auf. Die l\u00e4ngsten Individuen maassen 0,12 mm., die breitesten 0,012 mm.","page":589},{"file":"p0590.txt","language":"de","ocr_de":"\u2014 590\nDie \u00fcbrigen, von G\u00fcrber (Fig. 3aj und Maillard (Fig. 3e) beschriebenen Formen entstehen lediglich durch das Hinzutreten einiger weiterer Fl\u00e4chen. Dieselben sind mir durch Autopsie nicht bekannt geworden.\nG\u00fcrber hat zuerst nachgewiesen, dass die Krystalle sich in vortrefflicher Weise tingiren lassen, ferner, dass dieselben durch Erw\u00e4rmen in der Mutterlauge unter vollst\u00e4ndiger Erhaltung der Form in Wasser unl\u00f6slich und zugleich isotrop werden. Ebenso verdankt man ihm die erste Mittheilung, dass diese amorphe Masse nach dreiw\u00f6chentlichem Liegen in der Mutterlauge wieder doppelbrechend, aber negativ wird.\nDie an den Serumalbuminkrystallen gemachten Wahrnehmungen sind indessen noch nicht ausreichend, dieselben ohne Weiteres einer bestimmten Krystallklasse zuzuweisen, wenngleich der Habitus daf\u00fcr spricht, dass sie der dihexagonal-pyramidalen angeh\u00f6ren. Ausschlaggebend w\u00e4re in dieser Beziehung erst die Untersuchung von Querschnitten im conver-genten Licht. Die Herstellung derartiger Objecte muss in Anbetracht der Kleinheit, der Weichheit und Schl\u00fcpfrigkeit der Individuen als unthunlich gelten, so dass nach einem anderen Auskunftsmittel Umschau gehalten werden musste.\nDa die Albuminl\u00f6sungen optiseh-activ und- zwar links-drehend sind, so lag der Gedanke sehr nahe, dass auch die Krystalle Circularpolarisation aufweisen w\u00fcrden. H. Landolt hat nun dargethan, dass auch Fragmente circularpolarisirender Krystalle, sobald sie in eine Fl\u00fcssigkeit von gleichem Brechungsexponenten gebracht werden, das gleiche Verhalten zeigen, wie die Krystalle selbst.1 ) Sowohl die concentrirte L\u00f6sung des Ammoniumsulfats, als das mit dieser gemischte Glycerin! besitzen einen weit niedrigeren Brechungsexponenten, als die Albumin-krystalle. Fl\u00fcssigkeiten, welche die Bedingungen zu erf\u00fcllen im Stande w\u00e4ren, sind bis jetzt nicht bekannt und damit\n1) Ueber das Verhalten circularpolarisirender Krystalle im gepulverten Zustande. Sitzungsbericht Akad. Berlin 1896, S. 185 : auch Bericht d. deutsch, chem. Gesellsch. XXIX. 2. Berlin 1896, S. 2404.","page":590},{"file":"p0591.txt","language":"de","ocr_de":"591\nergibt sich die Unm\u00f6glichkeit, auf diese Frage zur Zeit eine befriedigende Antwort zu geben.\nNichtsdestoweniger erscheint die Annahme nicht allzu gewagt, dass, ebenso wie die L\u00f6sungen, auch die Albumin-krystalle circularpolarisirend sind und dementsprechend w\u00fcrden dieselben der hexagonal-pyramidalen Klasse (Tetartomorphie) zuzuz\u00e4hlen sein.\n3. Lactalbumin.\nEingehendere Untersuchungen, die zu einer Darstellung reiner, auch f\u00fcr unsere Zwecke brauchbarer Substanz f\u00fchrten, hat erst J. Sebelien angestellt.1) Dieses, in Wasser vollkommen l\u00f6sliche, Lactalbumin zeigte genau dieselben Reac-tionen,. wie das Eier- und das Serumalbumin, indem dasselbe von Natriumsulfat bei einer Temperatur von 30\u00b0, von Ammoniumsulfat bei gew\u00f6hnlicher Temperatur ausgef\u00e4llt werden konnte. W\u00e4hrend aber fr\u00fchere Forscher das Lactalbumin mit dem Serumalbumin identificirt hatten, fand Sebelien, dass die L\u00f6sung des ersteren ein erheblich geringeres specifisches Drehungsverm\u00f6gen besitzt, als diejenige des letzterw\u00e4hnten.\nZur Erzeugung von Lactalbuminkrystallen habe ich mich zun\u00e4chst an die von Sebelien gegebene Vorschrift gehalten und darauf die L\u00f6sung nach der von A. G\u00fcrber f\u00fcr das Serumalbumin vorgeschriebenen Methode behandelt. Bei den wenigen Versuchen wurden deutliche, wenn auch nur kleine Krystalle erhalten. Vorherrschend stellten sich Prismen in Combination mit der Basis ein, doch fehlten nicht Gestalten, die durch das Auftreten der Pyramide an nur einem Ende einen Lemimorphen Charakter zur Schau trugen.\nUm nicht in Wiederholungen zu verfallen, m\u00f6ge nur bemerkt werden, dass die optischen Eigenschaften, das Verhalten dieser Krystalle gegen\u00fcber Farbstoffen, das Verhalten nach dem Erw\u00e4rmen u. s. w. sich in jeder Hinsicht mit den-\n1) Beitrag zur Kenntniss der Eiweissk\u00f6rper der Kuhmilch; diese Zeitschrift IX. 1885, S. 453.\nHoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie, XXVII.\n40","page":591},{"file":"p0592.txt","language":"de","ocr_de":"592\njenigen des Eier- und des Serumalbumins \u00fcbereinstimmend erwiesen.\n4. Zusammenfassung der Resultate.\nNachdem die Stellung des Serumalbumins im Krystall-system in ann\u00e4hernder Weise festgestellt werden konnte, erhebt sich sofort die Frage: Welcher Krystallklasse geh\u00f6ren die Individuen des Eier-, sowie diejenigen des Lactalbumins an? Die Antwort darauf kann nach dem Yorangegangenen nicht l\u00e4nger zweifelhaft sein. Der Habitus der Krystalle ist der gleiche und der einzige Unterschied besteht darin, dass es bisher weder gelungen ist, aus den L\u00f6sungen des Eier- und des Lactalbumins gr\u00f6ssere Krystalle noch gewisse Combinationen der Formen zu erhalten. Die optischen Eigenschaften stimmen bei allen diesen Albuminen in jeder Beziehung v\u00f6llig \u00fcberein, und in nicht geringerem Maasse ist dies hinsichtlich der chemischen Reactionen der Fall. S\u00e4mmtliche bei dem Eieralbumin angef\u00fchrten Erscheinungen wurden auch bei den Krystallen des Serum- und des Lactalbumins gepr\u00fcft und jedesmal genau das gleiche Resultat erhalten. Im Gegens\u00e4tze zu Michel und Giirber m\u00fcssen die von diesen auseinander gehaltenen, verschiedenen Frac-tionen angeh\u00f6renden Serumalbumine als durchaus einheitliche K\u00f6rper aufgefasst werden, deren Gestalten von denselben Grundformen abzuleiten sind.\nGiesst man eine L\u00f6sung des Serumalbumins mit einer solchen des Ovalbumins zusammen und bewirkt die Kristallisation durch Hinzuf\u00fcgen von Ammoniumsulfatl\u00f6sung, so scheiden sich zwar kleine, aber v\u00f6llig gleichartig gestaltete Krystalle aus. Genau derselbe Fall tritt ein, wenn mit einer Mischung der L\u00f6sungen aller drei Albumine operirt wird. Daraus ergibt sich, dass die verschiedenen krystallisirbaren Albumine, wenn auch nicht geradezu identisch, so .doch jedenfalls unter einander isomorph sind.\nDie krystallinische, in Wasser l\u00f6sliche Modification der Albumine, die auch im amorphen Zustande bekannt ist, m\u00f6ge als \u00ab-Albumin bezeichnet werden. Seine chemische Zusammensetzung hat bisher nicht ermittelt werden k\u00f6nnen, da dasselbe","page":592},{"file":"p0593.txt","language":"de","ocr_de":"593\nnicht zu isoliren ist, indem mit dem Eintrocknen sofortiger Zerfall der Krystalle eintritt.1)\nDurch Erw\u00e4rmen in der Mutterlauge oder durch Behandlung mit Alkohol wird das \u00ab-Albumin in eine zweite Modification, das \u00df-Album in, \u00fcbergef\u00fchrt, welches amorph und in Wasser unl\u00f6slich ist. Im weiteren Gegens\u00e4tze zum \u00ab-Albumin, das monotrop ist, erscheint dasselbe als enantiotrop, indem es innerhalb weniger Wochen negative Doppelbrechung erlangt, um durch abermaliges Erw\u00e4rmen wiederum isotrop zu werden.\nUtrecht, 5. Juni 1899.\n1) Die von G\u00fcrber und in weiterer Folge von Michel, sowie von Middeldorf analvsirten Substanzen waren \u2014 worauf Wisiicenus (Sitzgsber. phys. med. Gesellsch. 1895, W\u00fcrzburg 1896, S. 27) bereits hingewihsen hat \u2014 keine Krystalle gewesen, sondern Pseudomorphosen derselb\u00e9n.","page":593}],"identifier":"lit17336","issued":"1899","language":"de","pages":"575-593","startpages":"575","title":"Ueber die Krystallformen der Albumine","type":"Journal Article","volume":"27"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:08:37.295107+00:00"}