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{"created":"2022-01-31T13:13:53.611584+00:00","id":"lit17823","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Porcher, Ch","role":"author"},{"name":"Ch. Hervieux","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 39: 147-154","fulltext":[{"file":"p0147.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Harnindican.\nYon\nCh. Porcher und Ch. Hervieux.\n(Laboratorium der Chemie der \u00c9cole v\u00e9t\u00e9rinaire zu Lyon.) (Der Redaktion zugegangen am 24. Juni 1903.)\nDie Frage \u00fcber das Indican des Harnes ist schon Gegenstand vieler Arbeiten gewesen, in denen man zahlreichen Widerspr\u00fcchen begegnet, besonders betreffs der Beziehungen, die zwischen dem Indigoblau und Indigorot bestehen.\nMan hatte schon beobachtet, da\u00df sich niemals allein Indigoblau bei der Oxydation des Indoxyls, das durch Zersetzung des Indicans des Harnes freigemacht war, bildete und da\u00df man au\u00dfer dieser blauen auch rote und ferner braune Substanzen erhielt.\nWang1) nahm an, da\u00df diese letzteren Verunreinigungen seien, von denen man das Indigoblau durch Waschen mit Alkohol und \u00c4ther befreien m\u00fc\u00dfte. Bouma2) dagegen behauptete, da\u00df diese sogenannten Verunreinigungen nicht vom Indigoblau getrennt werden d\u00fcrften, denn sie geh\u00f6rten mit ihm zusammen in dieselbe Gruppe. Unter diesen Umst\u00e4nden ist es verst\u00e4ndlich, da\u00df eine kolorimetrische Bestimmung des Indigoblau exakte Besultate nicht ergeben konnte, wenn man die rote und braune Substanz, die Wang als Verunreinigungen zur\u00fcckwies, mit darunter verstehen mu\u00dfte.\nEs handelte sich also darum, die Diskussion \u00fcber die Frage nach der Einheitlichkeit des Ursprunges der blauen und roten Substanz im Harne zur Entscheidung zu bringen. Diese Einheitlichkeit war von Bouma in einer ersten Arbeit an-\n*) Diese Zeitschrift, Bd. XXVII, S. 137. 1899.\n2) Diese Zeitschrift, Bd. XXVII, S. 348. 1899.\nHoppe-Seylers Zeitschrift f. physiol. Chemie. XXXIX.\n11","page":147},{"file":"p0148.txt","language":"de","ocr_de":"148\nCh. Porcher und Ch. Hervieux\ngenommen, aber von ihm selber in einer zweiten geleugnet.!) Die Untersuchungen \u00fcber diese Frage wurden stetig fortgesetzt, und zwar haupts\u00e4chlich auf Grund folgender zwei Beobachtungen. Erstens : Alle Methoden der Extraktion des Indigoblau im Harne f\u00fchrten zur Bildung von Indigorot. Zweitens : Aus derselben Menge Fl\u00fcssigkeit entstehen verschiedene Mengen Blau und folglich auch Rot, je nach der angewandten Methode. Hiernach ist es wahrscheinlich, da\u00df das eine sich in das andere umwandelte.\nBez\u00fcglich des letzten Punktes ist ein wirklich entscheidender Beweis nur durch die sehr interessanten Arbeiten Maillards erbracht worden, der zeigte, da\u00df man das Blau allm\u00e4hlich durch das Rot ersetzen k\u00f6nne, je nach der Versuchsanordnung.* 2)\nIn der vorliegenden Arbeit werden wir \u00fcber die Beobachtungen berichten, die wir an Pferde- und Hundeharnen machten, Beobachtungen, die das best\u00e4tigen, was Maillard schon fr\u00fcher als bestimmend f\u00fcr die Umwandelung des Indigoblau in Indigorot angab.\nZun\u00e4chst wollen wir den Einflu\u00df der verschiedenen Reinigungsmethoden auf das Indican des Harnes einer Pr\u00fcfung unterziehen.\nWir arbeiteten vorz\u00fcglich mit Pferdeharn, teils weil wir ihn uns leicht in gro\u00dfen Mengen verschaffen konnten, teils weil dieser Harn sehr reich an Indican ist; aber wir dehnten unsere Untersuchungen auch auf Hunde- und Menschenharn (Studenten des Institutes) aus.\nI. Reinigung mit basischem Bleiacetat.\nW\u00e4hrend dieses Salz in Form von Bleiessig, also bei Untersuchungen \u00fcber die Zuckerarten des Harnes nicht verwandt werden darf, liegen bei der uns besch\u00e4ftigenden Frage die Verh\u00e4ltnisse anders. Die Reinigung selbst mit einer 20\u00b0/oigen Bleiessigl\u00f6sung (das ist zuweilen bei sehr konzentrierten Pferde-harnen n\u00f6tig) rei\u00dft das indoxyl-schwefelsaure Kalium nicht in h\u00f6herem Ma\u00dfe mit nieder als das Phenylsulfat. Hiervon konnten wir uns direkt \u00fcberzeugen, indem wir den Indigo in dem durch\n1)\tDiese Zeitschrift, Bd. XXX, S. 117. 1901.\n2)\tComptes rendus des s\u00e9ances de l\u2019Acad\u00e9mie des sciences, t. 132,\np. 990.","page":148},{"file":"p0149.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Harnindican.\n149\ndie Reinigung erzeugten Niederschlage suchten. Dieser letztere mu\u00dfte zu dem Zwecke vorher gewaschen werden, dann wurde er in destilliertem Wasser zu einer Emulsion aufgeschwemmt und durch Schwefelwasserstoff zersetzt. Die Fl\u00fcssigkeit wurde filtriert, auf dem Sandbade eingeengt, aber es war nicht m\u00f6glich, darin Indigo zu finden.\nDa das basische Bleiacetat die zusammengesetzten Glykuron-s\u00e4uren, die dem Harne seine linksdrehenden Eigenschaften verleihen,3 ) niederschl\u00e4gt, so k\u00f6nnen wir hieraus zugleich den Schlu\u00df ziehen, da\u00df die indigobildende Substanz, wenigstens beim Pferde, nicht als Indoxylglykurons\u00e4ure im Harne vorhanden ist.\nDa das basische Bleiacetat das Indican also nicht mit sich rei\u00dft,1 2) so hat man in diesem Reagens ein energisches Reinigungsmittel ; es besitzt dem neutralen Bleiacetat gegen\u00fcber den Vorteil, den Harn sehr kr\u00e4ftig zu entf\u00e4rben, und das gibt die M\u00f6glichkeit, die Farbe der \u00fcber dem Chloroform schwimmenden Fl\u00fcssigkeit unschwer zu beurteilen, wenn man das entstandene Indigoblau extrahiert. Wenn man \u00fcbrigens den Harn, der mit Salzs\u00e4ure und einem Oxydationsmittel versetzt ist, mit Chloroform sch\u00fcttelt, um das entstandene Indigoblau allm\u00e4hlich aufzunehmen, so sammelt sich das Chloroform sehr schnell am Boden, ohne jene tr\u00fcbe Beschaffenheit anzunehmen, die in der Regel ohne diese Reinigung eintritt.\nII. Reinigung durch Phosphorwolframs\u00e4ure.\nWenn man den Harn durch Phosphorwolframs\u00e4ure reinigt, so hat die gro\u00dfe Menge Salzs\u00e4ure, die bei diesem Verfahren angewandt wird, unter anderem den Erfolg, das Indoxyl nach und nach frei zu machen; indem dieses sich dann all-m\u00e4hlig unter dem Einfl\u00fcsse des Sauerstoffes der Luft oxydiert, bildet es Indigoblau. Die Folge davon ist, da\u00df der Niederschlag,\n1) Ch. Porcher, \u00c9tudes sur l\u2019urine du cheval. Journ. d. m\u00e9d. v\u00e9t. 31. Aug. 1902.\n-) \u00abMan kann sich leicht von der Richtigkeit dieser Tatsache \u00fcberzeugen ; trotzdem findet man merkw\u00fcrdigerweise die Angabe, da\u00df das Indican durch Bleiacetat niedergeschlagen werde.\u00bb Bertault, Journal\nde Pharmacie et Chimie (VI). 15, p. 278. Dieser Autor hat sicherlich falsch beobachtet.\n11*","page":149},{"file":"p0150.txt","language":"de","ocr_de":"150\nCh. Porcher und Ch. Hervieux,\nder anfangs eine gelblich-graue Farbe hatte, allm\u00e4hlich eine schmutzig violette Farbe annimmt, w\u00e4hrend die obenauf schwimmende Fl\u00fcssigkeit selber von br\u00e4unlich-blauer Farbe ist. Die nach 12\u201414 Stunden ausgef\u00fchrte Filtration ergibt ein zwar klares, aber wie beschrieben br\u00e4unlich-blaues Filtrat. Sch\u00fcttelt man mit Chloroform aus, so nimmt es eine ganz schwach blaue Farbe an; folglich war das Indigotin fast vollst\u00e4ndig mit dem Niederschlage fortgerissen. Behandelt man die Fl\u00fcssigkeit einige Minuten mit Tierkohle, so verliert sie ihre br\u00e4unlich-blaue Farbe und liefert ein von Indigo freies Filtrat.\nIII. Reinigung mit Quecksilbernitrat.\n(Verfahren von Patein und Duf\u2019au.)\nDie Fl\u00fcssigkeit, die man von nach diesem Verfahren gereinigtem Harn bekommt, enth\u00e4lt keine Spuren von Indigo mehr.\nIV. Reinigung mit Quecksilberchlorid.\nSetzt man zu dem Urin Quecksilberchlorid (19/so seines Volumens einer ges\u00e4ttigten L\u00f6sung zu U20 einer gleichfalls ges\u00e4ttigten Natriumacetatl\u00f6sung), so liefert er einen reichlichen Niederschlag, in dem der gr\u00f6\u00dfte Teil des Indicans mit fortgerissen ist. Das 5 Minuten lang zum Sieden erhitzte, mit Ammoniak, zum Beseitigen des Quecksilber\u00fcberschusses, versetzte Filtrat liefert dann nur noch Spuren von Indigo ; zuweilen ist es ganz unm\u00f6glich, ihn \u00fcberhaupt nachzuweisen.\nNach den soeben angestellten Betrachtungen \u00fcber den Einflu\u00df der gew\u00f6hnlich bei der Harnuntersuchung auf Indican angewandten Reinigungsmittel kommen wir zu dem Schl\u00fcsse, da\u00df das basische Bleiacetat f\u00fcr diesen Zweck das einzig Brauchbare ist.\nUm Indigoblau nachzuweisen, ist bekanntlich folgendes n\u00f6tig : 1. eine S\u00e4ure, um das Indican zu spalten, 2. ein auf das freigemachte Indoxyl einwirkendes Oxydationsmittel.\nDie angewandte S\u00e4ure war stets Salzs\u00e4ure ; nur einigemale wurde Schwefels\u00e4ure benutzt, die aber den Nachteil hat, da\u00df sie viel st\u00e4rker als die Salzs\u00e4ure wirkt und da\u00df sie in ein-und demselben Harn mehr Indigorot liefert, als die Salzs\u00e4ure. Der Urin mu\u00df mit dem gleichen Volumen Salzs\u00e4ure versetzt werden. Bei geringerer Menge dieser S\u00e4ure wird die Spaltung","page":150},{"file":"p0151.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Harnindican.\n151\ndes Indicans verz\u00f6gert, was, wie wir weiter unten sehen werden, nicht g\u00fcnstig ist, da es zur Bildung eines zu gro\u00dfen Bruchteiles von Indigorot f\u00fchrt.\nWenn man die Spaltung des Indicans auf dem Sandbade vollzieht, so sollte man von vornherein erwarten, da\u00df man geringerer Mengen S\u00e4ure ben\u00f6tige. Das ist auch der Fall, aber man erh\u00e4lt dann bei diesem Verfahren stets nur Indigorot. Wir haben h\u00e4ufig das Verfahren angewandt, das Bouma1) zur quantitativen Bestimmung das Indigo empfohlen hat: n\u00e4mlich das Erhitzen des zuvor gereinigten Harnes mit basischem Bleiacetat w\u00e4hrend einiger Minuten auf dem Sandbade unter Zusatz einer L\u00f6sung salzsauren Isatins ; jedesmal hatte das Chloroform eine rote Farbe angenommen, denn unter diesen Bedingungen bildet sich nur Indirubin. Gleichwohl hatten dieselben Harne, mit denen wir nach der unten angegebenen Methode verfuhren, in Chloroform eine sehr sch\u00f6ne blaue L\u00f6sung gegeben. \u2014 Es sei nochmals darauf aufmerksam gemacht, da\u00df Bouma recht hatte, da\u00df Indigoblau nicht vom -Rot und -Braun zu trennen, da derselbe Harn, je nach der Behandlungsweise, verschiedene Farben in Chloroform gibt.\nDas von uns angewandte Oxydationsmittel war das k\u00e4ufliche Wasserstoffsuperoxyd von 10\u201412 vol. Es ist zwar sicher, da\u00df die meisten der bisher untersuchten Oxydationsmittel einander gleichwertig sind und da\u00df sie dieselben Resultate geben, wenn man nur auf sie eingearbeitet ist, aber das W asserstoff-superoxyd hat den Vorteil, ein nicht zu energisches und sehr handliches Mittel zu sein. Wir bedienen uns seiner schon seit langer Zeit im Laboratorium. Gew\u00f6hnlich nehmen wir 1 Tropfen Wasserstoffsuperoxyd auf einen Cubikcentimeter gereinigten, zur Untersuchung kommenden Harnes. Wir vermeiden die unterchlorigsauren Verbindungen, denn w\u00e4hrend ein geringer \u00dcberschu\u00df von Wasserstoffsupei oxyd belanglos ist, so ist das bei den unterchlorigsauren Verbindungen nicht der Fall, da ihre oxydierende Wirkung zu stark ist, namentlich, wenn diese Verbindungen frisch bereitet sind.\ni) Diese Zeitschrift, Bd. XXXII, S. 82. 1901.","page":151},{"file":"p0152.txt","language":"de","ocr_de":"152\nCh. Porcher und Ch. Hervieux,\nWir konnten also dasselbe beobachten wie Maillard, da\u00df n\u00e4mlich \u201edas freigemachte Indoxyl keineswegs immer dasselbe Endprodukt liefert und da\u00df das Ende der Reaktion schwankt, je nach den Bedingungen, unter denen sich die Oxydation, die das Indoxyl in die Indigofarben umwandelt, vollzieht\u201c.1)\nIm Folgenden geben wir das Verfahren an, dessen wir uns bedienten, um diese Tatsache zu demonstrieren. Ein an Indican besonders reicher, normaler Pferdeharn wurde zur Reinigung mit 1 /1 o seines Volumens Bleiessig versetzt und der \u00dcberschu\u00df des Bleies teils mit Schwefelwasserstoff, teils mit Natriumsulfat entfernt.2)\nIn eine Anzahl Reagensgl\u00e4ser gie\u00dft man je 5 ccm gereinigten Harnes und 5 ccm Salzs\u00e4ure; man l\u00e4\u00dft nun die S\u00e4ure verschieden lange auf den Harn einwirken und zwar in dem ersten Glase (a) 1 Minute; in dem zweiten (b) 2 Minuten; in dem dritten (c) 5 Minuten; in dem vierten (d) 15 Minuten; im f\u00fcnften (e) 30 Minuten; im sechsten (f) 60 Minuten. Nach Ablauf dieser Zeiten f\u00fcgt man zu jedem R\u00f6hrchen 5 Tropfen Wasserstoffsuperoxyd, sch\u00fcttelt kr\u00e4ftig 5 Minuten lang und gie\u00dft dann 5 ccm Chloroform nach, um in ihm den gebildeten Indigo zu sammeln.\nWir bekamen folgende Resultate:\na und b (Einwirkungsdauer von Harn und S\u00e4ure 1 resp. 2 Minuten). Der Erfolg ist in beiden F\u00e4llen der gleiche; das Chloroform nimmt eine sch\u00f6ne blaue Farbe an, die Rotf\u00e4rbung der daraufschwimmenden Fl\u00fcssigkeit ist nur schw\u00e4ch.\nc (5 Minuten). Die Farbe des Chloroforms n\u00e4hert sich schon etwas dem Violett, sie ist blau-violett; die \u00fcber ihm befindliche Fl\u00fcssigkeit ist r\u00f6ter als bei a und b.\nd (15 Minuten). Das Chloroform hat eine sch\u00f6n violette Farbe, e und f (30 und 60 Minuten). In diesen beiden R\u00f6hren ist die Farbe des Chloroforms rot-violett, w\u00e4hrend die auf ihm schwimmende Fl\u00fcssigkeit sehr sch\u00f6n rot ist.\n:1) Bulletin de la Soc. chimique (3) 29, p. 237.\n2) Es ist gleichg\u00fcltig, ob man das \u00fcbersch\u00fcssige Blei durch Schwefelwasserstoff oder durch ein Carbonat oder durch Alkalisulfat entfernt.","page":152},{"file":"p0153.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Harnindican.\n153\nAus dieser ersten Versuchsreihe zogen wir den Schlu\u00df, da\u00df eine Einwirkungsdauer der Salzs\u00e4ure von h\u00f6chstens 2 Minuten gen\u00fcge, da\u00df dann das Wasserstoffsuperoxyd hinzugef\u00fcgt werden m\u00fcsse und da\u00df 5 Minuten sp\u00e4ter die Aufnahme in Chloroform zu erfolgen habe.\nSp\u00e4terhin aber haben wir diese Methode ge\u00e4ndert, da die Erfahrung uns lehrte, da\u00df die Reaktionen, die die Bildung von Indigoblau bezwecken: Spaltung des Indicans und weitere Oxydation des Indoxyls, sehr heftig verlaufen. Wir verfahren jetzt in folgender Weise:\nIn einem Scheidetrichter mischen wir zu gleicher Zeit gereinigten Harn, Salzs\u00e4ure, Wasserstoffsuperoxyd, Chloroform in den oben angegebenen Verh\u00e4ltnissen (1 ccm Harn, 1 ccm Salzs\u00e4ure, 1 ccm Chloroform, 1 Tropfen Wasserstoffsuperoxyd von 10\u201412\u00b0/o). Dann wird das Ganze kr\u00e4ftig gesch\u00fcttelt. Unter diesen Umst\u00e4nden geht der Indigo in demselben Ma\u00dfe, wie er sich gebildet hat, in das Chloroform \u00fcber und entgeht so dem Einflu\u00df der Salzs\u00e4ure und des Wasserstoffsuperoxyds. Das Chloroform nimmt dementsprechend eine sch\u00f6ne blaue Farbe an, und die \u00fcber ihm geschichtete Harnfl\u00fcssigkeit ist entf\u00e4rbt oder besitzt h\u00f6chstens noch eine ganz geringe Rotf\u00e4rbung, wenn man sie in dicker Schicht betrachtet.\nWir nehmen an, da\u00df, wenn man auf diese Weise vorgeht, das gesamte Harnindoxyl in Indigoblau, Indigotin umgewandelt wird, und da\u00df sich nur zu vernachl\u00e4ssigende Spuren von Indigorot und -braun bilden konnten, da wir ja die haupts\u00e4chlichste Bedingung, unter der sich Indigorot bildet -**\u25a0 d. h. die l\u00e4ngere Einwirkungsdauer der S\u00e4ure auf das Indigoblau des Harnes \u2014 umgangen haben. Um dessen Best\u00e4ndigkeit ganz zu sichern, braucht man ihn nur schnell von der Gegenwart der geringen, in dem Chloroform gel\u00f6sten Menge Salzs\u00e4ure zu befreien. \u2014 Wir konnten in der Tat dasselbe konstatieren, woraufhin schon Maillard die Aufmerksamkeit gelenkt hat, da\u00df man n\u00e4mlich \u00abbei einem \u00dcberschu\u00df von Chloroform bei Gegenwart der geringen Menge S\u00e4ure, die es aus dem anges\u00e4uerten Harne aufnahm, innerhalb von 2 oder 3 Tagen, zuweilen sogar innerhalb einiger Stunden den \u00dcbergang von","page":153},{"file":"p0154.txt","language":"de","ocr_de":"154 Ch. Porcher und Ch. Hervieux, \u00dcber Harnindican.\nViolett in Purpurrot und Dunkelrot beobachten kann.1) Wir waschen daher, sobald alles Indigoblau aufgel\u00f6st ist, die L\u00f6sung in Chloroform mehrmals mit destilliertem Wasser und schlie\u00dflich nach dem Vorschl\u00e4ge Maillards mit einer ganz schwachen Sodal\u00f6sung ; das Chloroform bewahrt dann unver\u00e4nderlich seine Anfangsf\u00e4rbung. *)\nNach diesen Ergebnissen k\u00f6nnen wir uns der Schlu\u00dffolgerung Maillards anschlie\u00dfen, da\u00df \u201edie schnelle Oxydation des Indoxyls Indigoblau, die langsame -rot liefert. Wir f\u00fcgen nur noch hinzu, da\u00df der einheitliche Ursprung des Indigoblau und -rot aus dem Indoxyl sowohl durch die oben angef\u00fchrten Tatsachen, auch als durch die Experimente Maillards nachgewiesen ist. Bei der Pr\u00fcfung des Harns auf Indican mu\u00df man darauf bedacht sein, nur Indigoblau zu bekommen ; hierzu werden die von uns angegebenen Vorschriften gen\u00fcgen.\nGem\u00e4\u00df den von uns gemachten Beobachtungen d\u00fcrfen wir mit Neubauer und Vogel, Maillard die Existenz von rotem Pigment im Harne, das auf Skatol zu beziehen w\u00e4re, bezweifeln.\nDer einzige Beweis, den man f\u00fcr die Existenz solcher Pigmente anf\u00fchren k\u00f6nnte, st\u00fctzt sich auf ihre Farbe; aber diese sind nach unseren Untersuchungen ebensogut auf die Bildung von Indigorot zu beziehen.\nIm Anschlu\u00df an unsere auf die Technik bez\u00fcgliche Ausf\u00fchrung sei uns noch eine Bemerkung physiologischen- Inhalts gestattet : Bei allen normalen Harnen vom Pferde, Hunde, Kaninchen, Meerschweinchen und auch vom Menschen, die wir in den Bereich unserer Untersuchungen zogen, fiel die Pr\u00fcfung auf Indigo positiv aus. Nach unserer Ansicht ist das Indican ein ganz normaler Bestandteil des Harns und folglich verliert die Wichtigkeit, die man bisher der Indicanurine in diagnostischer Hinsicht beima\u00df, betr\u00e4chtlich an Bedeutung.\n*) Bulletin de la Soci\u00e9t\u00e9 chimique (3) XXIX, p. 136.\n2) Wir glauben jedoch, da\u00df das Oxydationsmittel, welches das Chloroform aus dem anges\u00e4uerten Harne aufnahm, beitr\u00e4gt, das Indigoblau in Indigorot umzuwandeln.","page":154}],"identifier":"lit17823","issued":"1903","language":"de","pages":"147-154","startpages":"147","title":"\u00dcber Harnindican","type":"Journal Article","volume":"39"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:13:53.611589+00:00"}