Open Access
{"created":"2022-01-31T13:10:44.304616+00:00","id":"lit17844","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Patten, A. J.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 39: 350-355","fulltext":[{"file":"p0350.txt","language":"de","ocr_de":"Einige Bemerkungen \u00fcber das Cystin.\nVon\nA. J. Patten.\n(Aus dem physiologischen Institut in Heidelberg.) (Der Redaktion zugegangen am 2. August 1903.)\nI. \u00dcber die Umwandlung von Cystin in Cystein.\nNach den Untersuchungen Baumanns, welche die Konstitution des Cystins bis auf einen nebens\u00e4chlichen Punkt feststellen, bezeichnen die Arbeiten von K. A. H. M\u00f6rner1) den wichtigsten Fortschritt auf diesem Gebiete. Bekanntlich hatten gelegentliche Funde schon fr\u00fcher zu der Vermutung gef\u00fchrt, da\u00df der Schwefel der Eiwei\u00dfk\u00f6rper im wesentlichen in einer Atomgruppe enthalten ist, welche dem Cystin entspricht, doch waren die Bem\u00fchungen zur sicheren Gewinnung von Cystin aus Eiwei\u00df vergebliche gewesen. Erst K. A. H. M\u00f6rner ebnete durch L\u00f6sung dieser wichtigen Frage den Weg f\u00fcr weitere Untersuchungen. Nachdem M\u00f6rner gezeigt hatte, in welcher Weise gr\u00f6\u00dfere Mengen von Cystin aus Eiwei\u00df gewonnen werden k\u00f6nnen, gelang diese Darstellung auch anderen Forschern. Bei den weiteren Arbeiten erhob sich nun eine Diskussion \u00fcber die Frage, ob das Cystin oder das Cystein das prim\u00e4re Spaltungsprodukt sei. Im ersteren Falle mu\u00dfte man ja mindestens zwei Atome Schwefel im Eiwei\u00dfmolek\u00fcl annehmen.\nEmbden2) glaubt nun erwiesen zu haben, da\u00df die schwefel\u00e4rmeren Eiwei\u00dfk\u00f6rper auch bei kurzdauernder Spaltung nur Cystein liefern. Er begr\u00fcndete diese Ansicht durch Versuche an Eieralbumin, Serumalbumin und Edestin, indem er\nDiese Zeitschr., Bd. XXVIII, S. 595; Bd. XXXIV, S. 207.\n2) Diese Zeitschr., Bd. XXXII, S. 94.","page":350},{"file":"p0351.txt","language":"de","ocr_de":"Einige Bemerkungen \u00fcber das Cystin.\n351\ndie durch Hydrolyse dieser Eiwei\u00dfk\u00f6rper erhaltene Fl\u00fcssigkeit mit Quecksilberchlorid bei schwach alkalischer Reaktion f\u00e4llte und den Niederschlag mit Schwefelwasserstoff zerlegte. Diese Fl\u00fcssigkeit gab die f\u00fcr Cystein charakteristischen Farbenreaktionen, welche dann sp\u00e4ter verschwanden, als Luft durch die mit Ammoniak versetzte Fl\u00fcssigkeit hindurchgeleitet wurde \u2014 offenbar infolge der Umwandlung des Oysteins in Cystin. In der Tat konnte dann auch durch Eindampfen dieser L\u00f6sung Cystin in Krystallen erhalten werden.\nM\u00f6rner machte gegen diesen Befund schwerwiegende Bedenken geltend. Er wies darauf hin, da\u00df von vorneherein Cystin dagewesen sein k\u00f6nne, da\u00df nach seinen eigenen Erfahrungen die Farbenreaktionen des Cysteins \u00abnach dem Zersetzen v.on Quecksilberniederschl\u00e4gen mit Schwefelwasserstoff auch da mit gro\u00dfer St\u00e4rke (wie f\u00fcr Cystein) auftreten\u00bb, wo sie vor dem F\u00e4llen mit Quecksilber und dem Behandeln mit Schwefelwasserstoff nicht vorhanden waren. \u00dcber die Ursache dieser letzteren Erscheinung gibt M\u00f6rner keine Aufkl\u00e4rung. Er kommt zu dem Schlu\u00df, da\u00df auch bei diesen schwefelarmen Eiwei\u00dfk\u00f6rpern nicht Cystein, sondern Cystin das prim\u00e4re Produkt sei.\nIch habe einige Versuche angestellt, welche diese Schlu\u00dffolgerung von M\u00f6rner v\u00f6llig best\u00e4tigen und zugleich das Zustandekommen dieser Reaktionen erkl\u00e4ren.\nIch l\u00f6ste v\u00f6llig reines Cystin, welches keine Cysteinreaktionen gab, in w\u00e4sseriger Salzs\u00e4ure und f\u00e4llte die L\u00f6sung genau nach dem von Embden benutzten Verfahren mit Quecksilberchlorid. Der in Wasser suspendierte Niederschlag wurde mit Schwefelwasserstoff zerlegt und die vom Quecksilbersulfid abfiltrierte L\u00f6sung nach dem Verjagen \u00fcbersch\u00fcssigen Schwefelwasserstoffs auf Cystein gepr\u00fcft. Sie gab die Farbenreaktionen, die diesem Produkt eigent\u00fcmlich sind. Die L\u00f6sung wurde nun auf dem Wasserbade zur Trockne eingedampft, in Alkohol gel\u00f6st und mit Ammoniak neutralisiert. Es fiel ein wei\u00dfer Niederschlag aus, welcher abfiltriert, mit Alkohol ausgewaschen und im Vacuum \u00fcber Schwefels\u00e4ure getrocknet wurde. Die polarimetrische Untersuchung ergab nur sehr schwache","page":351},{"file":"p0352.txt","language":"de","ocr_de":"352\nA. J. Patten\nLinksdrehung und best\u00e4tigte die aus den Reaktionen gezogene Schlu\u00dffolgerung, da\u00df es sich um Cystein handle.\n\u00c4hnliche Resultate erhielt ich auch bei der F\u00e4llung des Cystins durch Silbernitrat bei Gegenwart von etwas Baryt und nach der Zersetzung dieses Niederschlages mit Schwefelwasserstoff, und es zeigte sich sogar, da\u00df in Wasser aufgeschwemmtes Cystin langsam und teilweise durch Schwefelwasserstoff in Cystein verwandelt wird. Man wird also hieraus den Schlu\u00df ziehen m\u00fcssen, da\u00df das Cystin bei dieser Darstellungsweise zum Teil in Cystein \u00fcbergeht.\nII. Darstellung des Cystins aus Eiwei\u00df.\nHopkins und Cole1) haben vor einiger Zeit zur Darstellung des Tryptophans ein Reagens eingef\u00fchrt, welches sich auch zur Gewinnung anderer Bestandteile und Zersetzungsprodukte tierischer Gewebe eignet, n\u00e4mlich das Quecksilbersulfat in schwefelsaurer L\u00f6sung. Mit Hilfe desselben F\u00e4llungsmittels wird, wie A. Kossel und ich2) nachgewiesen haben, auch das Histidin gef\u00e4llt. Ferner haben A. Kossel und H. Steudel3) festgestellt, da\u00df in gleicher Weise die Nuclein-basen und das Cytosin niedergeschlagen werden und da\u00df das Quecksilbersulfat zur Gewinnung dieser letzteren Base mit besonderem Vorteil benutzt wird. Hopkins und Cole4) haben die Angabe gemacht, da\u00df auch das Cystin zu den durch dies Reagens f\u00e4llbaren Stoffen geh\u00f6rt. Da ich f\u00fcr einige in Aussicht genommene Untersuchungen einer gr\u00f6\u00dferen Menge Cystin bedurfte, habe ich versuchsweise dies F\u00e4llungsmittel benutzt und eine gute Ausbeute an Cystin erhalten.\nDas Ausgangsmaterial war 250 g fein zerschnittenes Pferdehaar, welches mit 3 1 25\u00b0/oiger Schwefels\u00e4ure 5\u20146 Tage ununterbrochen im Wasserbade erhitzt wurde. Im Hals des Kolbens fand sich stets eine geringe Menge krystallisierten Schwefels vor. Die Reaktionsfl\u00fcssigkeit wurde mit soviel Barytwasser ver-\n0 Journal of Physiology, Yol. 26, p. 418; Vol. 29, p. 451.\n2) Diese Zeitschr., Bd. XXXVIII, S. 39.\n?) Diese Zeitschr., Bd. XXXVIII, S. 49.\n4) 1. c.","page":352},{"file":"p0353.txt","language":"de","ocr_de":"Einige Bemerkungen \u00fcber das Cystin.\n353\nsetzt, da\u00df der Gehalt an Schwefels\u00e4ure in der auf 5 1 verd\u00fcnnten L\u00f6sung 5\u00b0/o betrug. Nach Entfernung des Baryumsulfats wurde die Fl\u00fcssigkeit mit einer L\u00f6sung von Quecksilbersulfat *) unter kr\u00e4ftigem Umr\u00fchren ausgef\u00e4llt, der Niederschlag nach einigen Stunden abfiltriert und mit 50/oiger L\u00f6sung von Schwefels\u00e4ure tyrosinfrei gewaschen. Statt dieser letzteren langwierigen Operation kann man das Quecksilber auch vor v\u00f6lligem Auswaschen entfernen und die F\u00e4llung in der vom Quecksilbersulfid ab-filtrierten Fl\u00fcssigkeit wiederholen. Bei dieser zweiten F\u00e4llung ist eine viel geringere Menge des F\u00e4llungsmittels notwendig, auch kann dieser zweite Quecksilberniederschlag schon nach halbst\u00fcndigem Stehen abfiltriert und durch Waschen mit 5\u00b0/oiger Schwefels\u00e4ure leicht rein erhalten werden. Nach Zerlegung des Quecksilberniederschlags mit Schwefelwasserstoff und Vertreibung des Schwefelwasserstoffs wird die Schwefels\u00e4ure aus der Fl\u00fcssigkeit durch vorsichtigen Zusatz von Barytwasser genau entfernt und die vom Baryumsulfat abfiltrierte Fl\u00fcssigkeit auf dem Wasserbade bis zur Ausscheidung der Cystinkrystalle eingedampft. Nach der Filtration setzt man das Eindampfen fort und gewinnt neue Mengen Cystin, welche n\u00f6tigenfalls durch L\u00f6sung in Ammoniak, Entf\u00e4rbung mit Tierkohle und Wiederausf\u00e4llung mit Essigs\u00e4ure gereinigt werden k\u00f6nnen. Auf diese Weise erhielt ich aus Pferdehaar 4\u20145 \u00b0/o Cystin.\nDies Verfahren eignet sich auch zur Verarbeitung von solchen Eiwei\u00dfk\u00f6rpern, welche schwefel\u00e4rmer sind als die Keratinsubstanzen; z. B. gewann ich aus 50 g Edestin durch 14 st\u00e4ndiges Kochen auf dem Sandbade mit einer Mischung von 150 g konz. Schwefels\u00e4ure und 300 ccm Wasser ungef\u00e4hr 0,5 g reines Cystin in den charakteristischen sechsseitigen Tafeln.\nNach den obigen Er\u00f6rterungen, ob Cystin oder Cystein das prim\u00e4re Spaltungsprodukt sei, k\u00f6nnte man die Frage aufwerfen, ob nicht durch dies Verfahren etwa zun\u00e4chst entstehendes Cystein in Cystin umgewandelt werde. Ich konnte leicht nachweisen, da\u00df dies nicht der Fall ist. Ich l\u00f6ste eine\n*) Bereitung siehe diese Zeitschrift, Bd. XXXVIII, S. 39 ff.","page":353},{"file":"p0354.txt","language":"de","ocr_de":"354\nA. J. Patten\nkleine Quantit\u00e4t frisch bereitetes Gystein in 5\u00b0/oiger Schwefels\u00e4ure auf und f\u00e4llte die L\u00f6sung mit Quecksilbersulfat. Der wei\u00dfe Niederschlag wurde abfdtriert, ausgewaschen und mit Schwefelwasserstoff zerlegt. Die L\u00f6sung gab alle Cysteinreaktionen, auch konnte ich das Cystein in krystallisiertem Zustande daraus wiedergewinnen und an seinen charakteristischen Eigenschaften erkennen.\nIII. Cystinphenylhydantoin.\nZur Charakterisierung des Cystins kann unter Umst\u00e4nden die schwer l\u00f6sliche und gut krystallisierende Verbindung benutzt werden, welche durch Einwirkung von Phenylisocyanat auf Cystin entsteht.\nC.ystinphenylhydanto ins\u00e4ure. Man sch\u00fcttelt 1 g Cystin, welches in 12 ccm Wasser unter Zusatz von 9 ccm Normalkalilauge gel\u00f6st ist, anhaltend unter K\u00fchlung mit 1 g Phenylisocyanat, bis der stechende Geruch verschwunden ist. Die Fl\u00fcssigkeit wird jetzt filtriert und mit Salzs\u00e4ure neutralisiert. Es scheidet sich ein gelatin\u00f6ser Niederschlag ab, der nach einigen von Herrn cand. med. Erwin Rohde im hiesigen Institut ausgef\u00fchrten Untersuchungen durch vorsichtigen Zusatz von Wasser zu der hei\u00dfen, konzentrierten alkoholischen L\u00f6sung krystallisiert erhalten wird. Die von Plerrn Rohde ausgef\u00fchrte Stickstoffbestimmung ergab einen Gehalt von 11,37\u00b0/# N. Diese Verbindung ist offenbar entsprechend der folgenden Formel aufzufassen, wenn auch der Stickstoffwert bei dieser, ebenso wie bei den folgenden Analysen etwas zu niedrig ist. (Berechnet ll,74\u00b0/o N.)\nCHa\u2014S2\u2014CH2\nGO\u2014NH\u2014CH\tGH\u2014NH\u2014CO\nNHC6H5 COOH\tCOOH nhc6h5\nCystinphenylhydantoin. Wenn man diese S\u00e4ure mit Salzs\u00e4ure von ungef\u00e4hr 10 \u00b0/o 3 Minuten kocht, so wandelt sie sich um und es scheiden sich beim Abk\u00fchlen Krystallnadeln aus. Aus 1 g Cystin erhielt ich 1,76 g des Hydantoins entsprechend einer Ausbeute von 95,7 \u00b0/o der berechneten. Die","page":354},{"file":"p0355.txt","language":"de","ocr_de":"Einige Bemerkungen \u00fcber das Cystin.\n355\nVerbindung kann aus Alkohol umkrystallisiert werden. Ihr Schmelzpunkt liegt bei 117\u00b0 unkorr.\nDie Analysen f\u00fchrten zu folgenden Ergebnissen.\n1.\t0,1210 g Substanz gaben 0,1288 g BaS04.\n2.\t0,1163 g Substanz gaben 0,2338 g C02 und 0,0496 g H20.\n3. 0,1535 g\tSubstanz gaben\t16,6 ccm N2 bei 20\u00b0 und\n758 mm Bar.\tGefunden\tBerechnet\nC\t54,82\t54,26\nH\t4,74\t4,07\nN\t12,34\t12,70\nS\t14,62\t14,50\nDie \u00dcbereinstimmung ist nur beim Schwefel eine scharfe und es ist mir nicht m\u00f6glich, die Abweichungen meiner Analysenzahlen zu erkl\u00e4ren, um so weniger, da Herr Rohde, welcher ein von ihm dargestelltes Pr\u00e4parat derselben Substanz analysierte, die gleichen Werte f\u00fcr Stickstoff und Schwefel fand: 12,23 und 12,30 \u00b0/o N 14,46 \u00b0/o S.\nTrotzdem kann es nicht zweifelhaft sein, da\u00df es sich um ein Hydantoin von folgender Zusammensetzung handelt:\nCIE\u2014S2\u2014CH2\nCO-NH-CH\tCH-NH-CO\nN \u2022 C6H5\u2014CO\tCO\u2014C6H5 \u2022 N\nDieser K\u00f6rper ist ein Phenylderivat eines zuerst von Baumann durch Einwirkung von Cyans\u00e4ure auf Cystin dargestellten1) und vonBrenzinger2) in Baumanns Laboratorium n\u00e4her untersuchten Hydantoins von folgender Konstitution:\nCH,\u2014S8\u2014CH,\nCO-NH-CH CH-NH-CO NH-----CO CO----------NH\nHerrn Professor Dr. A. Kossel, in dessen Laboratorium ich diese Arbeit ausgef\u00fchrt habe, spreche ich meinen aufrichtigen Dank aus.\n1)\tBaumann, Diese Zeitschr., Bd. VIII, S. 196.\n2)\tBrenzinger, Diese Zeitschr., Bd. XVI, S. 576.","page":355}],"identifier":"lit17844","issued":"1903","language":"de","pages":"350-355","startpages":"350","title":"Einige Bemerkungen \u00fcber das Cystin","type":"Journal Article","volume":"39"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:10:44.304621+00:00"}