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{"created":"2022-01-31T13:12:09.253034+00:00","id":"lit17862","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Kostytschew, S.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 39: 545-560","fulltext":[{"file":"p0545.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Thymonucleins\u00e4ure.\nYon\nS. Kostytschew.\n(Aus dem physiologischen Institut in Heidelberg.) (Der Redaktion zugegangen am 5. August 1903.)\nNachdem Mi es eher aas dem Lachssperma eine phosphorreiche, eiwei\u00dffreie Substanz von sauren Eigenschaften dargestellt. und analysiert1) und Altmann die Anschauung begr\u00fcndet hatte, da\u00df die Nucleine als Verbindungen solcher phosphorreichen S\u00e4uren \u2014 \u00abNucleins\u00e4uren\u00bb \u2014 mit Eiwei\u00df aufzufassen sind,2) brachten die Untersuchungen von A. Kos sei einen Aufschlu\u00df \u00fcber die chemische Natur dieser K\u00f6rper. Schon fr\u00fcher hatte Kos sei einen Befund gemacht, welcher den bis dahin v\u00f6llig unbekannten Ursprung des Hypoxanthins, Guanins und der verwandten Basen aufkl\u00e4rte und diese K\u00f6rper als hydrolytische Spaltungsprodukte der Nucleine charakterisierte.3) Weiterhin wies er nach, da\u00df sie aus den Nucleins\u00e4uren hervorgehen und da\u00df auch die von Mies eher analysierte Nucleins\u00e4ure des Lachsspermas bei ihrer Spaltung diese Basen liefert.4) Dieser Befund war um so unerwarteter, als man bis dahin die Herkunft des Hypoxanthins, Xanthins und Guanins in anderer Bichtung, n\u00e4mlich im Eiwei\u00df, vermutet hatte. Zu den weiteren Arbeiten Kossels diente haupts\u00e4chlich die Nucleins\u00e4ure der Thymusdr\u00fcse. A. Kossel und A. Neumann5) erhielten bei der Zersetzung derselben au\u00dfer den bereits bekannten Nuclein-\n*) Vortr. d. naturforsch. Gesellsch. in Basel, Bd. VI, S. 138, 1874.\n2) Arch. f. Anatomie und Physiologie. Abt. 1889, S. 525.\n8) Diese Zeitschr., Bd. Ill, S. 284; Bd. IV, S. 290; Bd. VII, S. 8; Bd. VIII, S. 404; Bd. X, S. 248.\n4)\tArchiv f. Anat. u. Physiol., Physiol. Abt.\n5)\tBer. d. dtsch. chem. Ges., Bd. 27, S. 2215.","page":545},{"file":"p0546.txt","language":"de","ocr_de":"546\nS. Kostytschew\nbasen eine Base, welche sie Cytosin nannten und deren Zusammensetzung und Konstitution (als Aminoxypyrimidin) durch die nachfolgenden Arbeiten von A. Kossel und H. Steudel1) aufgekl\u00e4rt worden ist. Neben diesen Substanzen entsteht die Thymins\u00e4ure, welche sich von der Nucleins\u00e4ure durch das Fehlen der Nucleinbasen unterscheidet.2) Diese wird durch st\u00e4rkere Einwirkungen unter Bildung der Bruchst\u00fccke eines Kohlehydratrestes (L\u00e4vulins\u00e4ure und Ameisens\u00e4ure) von Thymin (Methyldioxypyrimidin), Phosphors\u00e4ure und anderen noch unbekannten Produkten zerlegt. Aus den Arbeiten von A. Kossel und seinen Sch\u00fclern hat sich daher eine durchgreifende Eigent\u00fcmlichkeit ergeben, welche die Nucleins\u00e4uren gegen\u00fcber den Eiwei\u00dfk\u00f6rpern charakterisiert : die Kohlenstoffatome dieser phosphorhaltigen Verbindung sind der Hauptsache nach mit den Stickstoffatomen zu heterozyklischen Gruppen vereinigt, die zum Teil als Purinderivate einen Doppelring enthalten, zum Teil als einfache Pyrimidinringe auftreten. Die ersteren sind lockerer an die phosphorhaltige Gruppe gebunden als die letzteren. Neben diesen zyklischen Verbindungen befindet sich mindestens in vielen Nucleins\u00e4uren eine Atomgruppe, welche zur Bildung von L\u00e4vulins\u00e4ure neben Ameisens\u00e4ure Veranlassung gibt.\nWeitere Untersuchungen f\u00fchrten au\u00dferdem zur Kenntnis von \u00dcbergangsgliedern zwischen den in den Geweben pr\u00e4for-mierten S\u00e4uren und ihren eben genannten Zersetzungsprodukten. A. Kossel teilte zuerst die von ihm und Neumann gemachte Beobachtung mit,3) da\u00df aus dem als Thymus-\u00abNucfeins\u00e4ure\u00bb bezeichneten Pr\u00e4parat eine Nucleins\u00e4ure isoliert werden kann, welche als Natronsalz in warmem Wasser l\u00f6slich ist und beim Erkalten der L\u00f6sung gelatiniert, eine Eigenschaft, die andern Nucleins\u00e4uren nicht zukommt. A. Neumann arbeitete sodann ein Verfahren aus,4) um diese gelatinierende S\u00e4ure, welche er \u00aba-Nucleins\u00e4ure\u00bb nannte, von andern Nucleins\u00e4uren zu trennen.\n1) Diese Zeitschr., Bd. XXXVIII, S. 49.\na) Diese Zeitschr., Bd. XXII, S. 74.\n3)\tArch. f. Anat. u. Physiol., Physiol. Abt. 1894, S. 195.\n4)\tEbenda, 1898, S. 394 u. 1899 Supplbd. S. 552.","page":546},{"file":"p0547.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Thymonucleins\u00e4ure.\n547\nEr machte die Angabe, da\u00df in dem nach seinem Verfahren gewonnenen Gemisch au\u00dfer der genannten gelatinierenden Substanz noch zwei S\u00e4uren vorhanden sind, die er als \u00abb-Nucleins\u00e4ure\u00bb und \u00ab Nueleothymins\u00e4ure \u00bb bezeichnet.\nNach Neumann haben wir also folgende Reihe der betreffenden Substanzen :\n1.\ta-Nucleins\u00e4ure. Sie wird bei einer kurzdauernden Extraktion der Thymusdr\u00fcsen mit Alkalien bei 100\u00b0 als Alkalisalz dargestellt.\n2.\tb-Nucleins\u00e4ure. Dieselbe wird bei zweist\u00fcndigem Kochen der Thymusdr\u00fcsen mit Alkalien als Alkalisalz gewonnen.\nDie beiden genannten S\u00e4uren sind wei\u00dfe, mehlige Pulver, in kaltem Wasser unl\u00f6slich, leicht l\u00f6slich in Alkalien unter Bildung von Salzen, welche, durch Alkohol ausgef\u00e4llt, durch Minerals\u00e4uren zerlegt werden. Beide S\u00e4uren bilden unl\u00f6sliche Salze mit schweren Metallen und ebenfalls unl\u00f6sliche basische Salze mit alkalischen Erden ; dagegen sind die neutralen Salze der letzteren leicht l\u00f6slich. Beide enthalten Nucleinbasen in reichlicher Menge. Der Unterschied zwischen beiden S\u00e4uren besteht nur darin, da\u00df das Natronsalz von a in einer mindestens 5\u00b0/oigen L\u00f6sung gelatiniert, was bei b nicht der Fall ist. Die Gelatinierung anderer Salze von a wurde nicht untersucht. Nach Neumanns Vermutung sind die beiden S\u00e4uren a und b isomer.\n3.\tNueleothymins\u00e4ure. Sie wird durch die Hydrolyse der \u00df-S\u00e4ure bei 60\u00b0 dargestellt, ist in kaltem Wasser l\u00f6slich und enth\u00e4lt weniger Nucleinbasen. Da\u00df sie als chemisch individuelle Verbindung zu betrachten ist, bedarf nach meiner Meinung noch weiterer Beweise.\n4.\tThymins\u00e4ure stellt das endg\u00fcltige Produkt der Hydrolyse von Nucleins\u00e4uren dar. Sie wurde schon fr\u00fcher von Kos sei und Neumann1) eingehend untersucht, welche ihre Zusammensetzung durch die Formel CjgH^NgPgO^ ausgedr\u00fcckt haben. Die Thymins\u00e4ure ist in kaltem Wasser leicht\nb Kos sei und Neumann, Diese Zeitschr., Bd. XXII, S. 743.","page":547},{"file":"p0548.txt","language":"de","ocr_de":"548\nS. Kostytschew\nl\u00f6slich und aus ihren L\u00f6sungen durch Minerals\u00e4uren nicht f\u00e4llbar ; sie enth\u00e4lt keine Nucleinbasen.\nF\u00fcr die Darstellung der a- und b-Nucleins\u00e4uren aus Kalbsthymus hat Neumann1) eine Methode beschrieben, welche gute Ausbeuten gibt und im wesentlichen darauf beruht, da\u00df man die zerkleinerten Thymusdr\u00fcsen mit verd\u00fcnnter Natronlauge auf dem Wasserbade mit R\u00fcckflu\u00dfk\u00fchler eine zeitlang kocht (f\u00fcr die Darstellung der a-S\u00e4ure soll das Kochen % Stunde, f\u00fcr die Darstellung der b-S\u00e4ure 2 Stunden dauern), die erhaltene L\u00f6sung durch Neutralisieren mit Essigs\u00e4ure von den Eiwei\u00dfsubstanzen befreit, abfiltriert und aus dem eingedampften Filtrat das Natronsalz der betreffenden Nucleins\u00e4ure mit Alkohol ausf\u00e4llt. Durch wiederholtes Aufl\u00f6sen in Wasser und Wiederf\u00e4llen mit Alkohol wird das Salz vollst\u00e4ndig gereinigt. Schlie\u00dflich wird aus dem gereinigten Natronsalz die freie S\u00e4ure durch Behandlung mit salzs\u00e4urehaltigem Alkohol isoliert.\nDiese Methode gestattet eine leichte und sichere Reinigung der beiden Nucleins\u00e4uren von den biuretreagierenden Stoffen; eine scharfe Trennung der beiden Nucleins\u00e4uren untereinander wird aber dadurch nicht erm\u00f6glicht; die erhaltenen Produkte sind vielmehr Gemische von beiden S\u00e4uren, nur mit dem Unterschied, da\u00df bei dem 1/2st\u00fcndigen Kochen mit Natronlauge ein gr\u00f6\u00dftenteils aus der a-S\u00e4ure, bei dem 2st\u00e4ndigen Kochen ein gr\u00f6\u00dftenteils aus der b-S\u00e4ure bestehendes Gemenge entsteht. Deswegen wurden die beiden S\u00e4uren bis jetzt noch nicht analysiert und ihre Eigenschaften nicht eingehender untersucht.\nAuf Anregung von Professor A. Kos sei habe ich den Versuch gemacht, die beiden Nucleins\u00e4uren einer weiteren Untersuchung zu unterwerfen, deren Ergebnisse in der vorliegenden Abhandlung zusammengefa\u00dft worden sind. Die erhaltenen Resultate sind zum gr\u00f6\u00dften Teil auf die wertvollen Ratschl\u00e4ge und die best\u00e4ndige Unterst\u00fctzung von Herrn Professor A. Kos sei zu beziehen; es ist mir darum eine h\u00f6chst ange-\n*) Neumann, Archiv f\u00fcr Anatomie und Physiologie, Physiolog. Abteil. 1899. Supplement S. 552.","page":548},{"file":"p0549.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Thymonucleins\u00e4ure.\n549\nnehme Pflicht, vor allem Herrn Professor A. Kos sei meinen tiefgef\u00fchltesten Dank auszusprechen. Herrn Assistenten Dr. H. Steudel m\u00f6chte ich ebenfalls meinen verbindlichsten Dank abstatten.\nI. Darstellungsmethode.\nDie erste bei einer chemischen Untersuchung der genannten Nucleins\u00e4uren zu l\u00f6sende Frage ist die Auffindung einer Methode, um die zu untersuchenden Substanzen rein darzustellen. Zu dem Zweck mu\u00df die Neumann sehe Darstellungsmethode in der Weise vervollst\u00e4ndigt werden, da\u00df eine v\u00f6llig scharfe Trennung der beiden Nucleins\u00e4uren a und b m\u00f6glich wird.\nUm das zu erreichen, habe ich zun\u00e4chst verschiedene Methoden des Aussalzens erprobt, die sich aber alle als ungen\u00fcgend erwiesen, denn es ergab sich, da\u00df die F\u00e4llungsgrenzen der beiden nach Neumann dargestellten Substanzen (in Form von l\u00f6slichen Salzen) bei Anwendung der \u00fcblichen Aussalzungsmittel einander zu nahe liegen. Ebenso erfolglos war der Versuch, ein Salz von beiden S\u00e4uren darzustellen, dessen L\u00f6slichkeit in Wasser f\u00fcr die beiden S\u00e4uren verschieden w\u00e4re.\nDagegen hat sich folgendes Verfahren, welches auf der Gelatinierungsf\u00e4higkeit der Salze der a-S\u00e4ure beruht, als wirksam ergeben. Ich habe die Beobachtung gemacht, da\u00df die Gelatinierung der a-nucleinsauren Salze durch Zusatz von Salzen der Minerals\u00e4uren in sehr betr\u00e4chtlicher Weise bef\u00f6rdert wird ; denn die nicht sehr konzentrierten L\u00f6sungen von a-sauren Salzen, welche an sich noch keine Neigung zum Gelatinieren aufweisen, werden durch Zusatz minimaler Mengen von Salzen verschiedener Minerals\u00e4uren pl\u00f6tzlich in eine vollkommene Gallerte verwandelt. Merkw\u00fcrdig ist dabei das Verhalten von neutralem Baryumsalz der a-S\u00e4ure gegen\u00fcber dem Zusatz von gewissen Salzen, unter denen die Wirkung des Baryumacetates die auffallendste ist. Wenn man eine ganz kleine Menge von Baryumacetat zu einer ziemlich konzentrierten L\u00f6sung von a-nucleinsaurem Baryt zugibt, erstarrt die ganze L\u00f6sung zu","page":549},{"file":"p0550.txt","language":"de","ocr_de":"550\nS. Kostytschew\n\u2022einer durchsichtigen Gelatine ; gr\u00f6\u00dfere Mengen von Baryum-acetat erzeugen eine gelatin\u00f6se F\u00e4llung, welche sich schwer zu Boden setzt. Das neutrale Baryumsalz der b-S\u00e4ure gibt bei derselben Behandlung eine nur unbedeutende F\u00e4llung, welche zweifellos auf die Verunreinigung durch a-S\u00e4ure zu beziehen ist.\nAuf Grund dieses Verhaltens habe ich eine Methode ausgearbeitet, durch welche ich zun\u00e4chst die gelatinierende und dann auch die nichtgelatinierende Substanz aus den beiden Neumannschen S\u00e4uren rein darzustellen vermochte.\nBevor ich die endg\u00fcltig ausgearbeitete Methode beschreibe, mu\u00df ich erw\u00e4hnen, da\u00df die Darstellung einigerma\u00dfen erheblicher Mengen von ganz reiner gelatinierender Substanz aus der Neumannschen b-S\u00e4ure ziemlich umst\u00e4ndlich ist, da in diesem Falle die Verarbeitung von sehr gro\u00dfen Mengen des Materials n\u00f6tig ist. Dasselbe gilt nat\u00fcrlich auch f\u00fcr die Darstellung der nicht gelatinierenden Substanz aus der Neumannschen a-S\u00e4ure.\nF\u00fcr die Darstellung der gelatinierenden Substanz (die ich der K\u00fcrze wegen vorl\u00e4ufig als a-S\u00e4ure bezeichne, um den Namen a-S\u00e4ure f\u00fcr die rohe Neumannsche Substanz zu bewahren) wird also am besten die a-S\u00e4ure ben\u00fctzt. 25 g der a-S\u00e4ure, welche gut gereinigt ist und vor allem keine Biuret-und keine Chlorreaktion1) aufweist, werden in 300\u2014400 ccm Wasser gebracht und auf dem Wasserbade unter Umr\u00fchren und Zusatz von klarer Baryumhvdratl\u00f6sung so lange gelinde erw\u00e4rmt, bis sich alles aufgel\u00f6st hat; die Menge von Barytwasser mu\u00df man so berechnen, da\u00df nach erfolgter Aufl\u00f6sung \u2022die Reaktion der L\u00f6sung neutral ist. Sollte dies nicht vollst\u00e4ndig der Fall sein, so neutralisiert man genau mit Essigs\u00e4ure. Nun versetzt man die hei\u00dfe L\u00f6sung mit einem nicht zu reichlichen \u00dcberschu\u00df von festem Baryumacetat, wobei sofort eine\n*) Letzteres kommt vor, wenn bei der Darstellung der freien S\u00e4ure \u2022aus dem Natriumsalz die durch HCl erzeugte F\u00e4llung nicht vollst\u00e4ndig ausgewaschen wird. Ich erw\u00e4hne es nur darum, weil gew\u00f6hnlich die neutrale Reaktion des Filtrats als Zeugnis eines vollendeten Auswaschens gilt. Tats\u00e4chlich werden aber meistenteils die letzten Spuren von Kochsalz erst viel sp\u00e4ter entfernt, wenn die Reaktion des Filtrats schon l\u00e4ngst keine saure mehr ist.","page":550},{"file":"p0551.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Thymonucleins\u00e4ure.\n551\nstarke Tr\u00fcbung entsteht, erhitzt noch etwa eine halbe Stunde auf dem Wasserbade unter Umr\u00fchren und l\u00e4\u00dft dann zw\u00f6lf Stunden bei gew\u00f6hnlicher Temperatur stehen. Es scheidet sich dabei eine gelatin\u00f6se F\u00e4llung ab, teils am Boden des Gef\u00e4\u00dfes, teils an der Oberfl\u00e4che der Fl\u00fcssigkeit. Die klare Fl\u00fcssigkeit wird abgegossen (eventuell durch ein Gaze- oder Tuchfilter), der Niederschlag mit kaltem Wasser ausgewaschen und dann nochmals mit Wasser auf dem Wasserbade unter Umr\u00fchren erw\u00e4rmt; dabei entsteht eine milchartige Fl\u00fcssigkeit, welche nochmals in der beschriebenen Weise mit Baryumacetat behandelt wird. Die ganze Operation wird zweckm\u00e4\u00dfig noch zum drittenmal wiederholt; die letzte F\u00e4llung, welche schon aus reiner Substanz besteht, wird nun von Baryumacetat befreit, indem* sie wieder auf dem Wasserbade durch Umr\u00fchren mit Wasser zu einer milchigen Fl\u00fcssigkeit gel\u00f6st und diese nach dem Erkalten bis auf etwa 40\u00b0 mit Methylalkohol gef\u00e4llt wird. Der Niederschlag wird abfiltriert, ein paarmal mit Methylalkohol ausgewaschen, dann behufs leichterer Reinigung nochmals in warmem Wasser gel\u00f6st, wieder mit Methylalkohol gef\u00e4llt, der Niederschlag abfiltriert und mit Methylalkohol so lange ausgewaschen, bis eine stark eingedampfte und wieder mit wenig Wasser aufgenommene Probe vom Filtrat keine Tr\u00fcbung mit Schwefels\u00e4ure gibt. Zuletzt wird der Niederschlag mit \u00c4ther ausgewaschen und bei gew\u00f6hnlicher Temperatur im Exsiccator aufbewahrt.\nDie vereinigten Filtrate von den Baryumacetatf\u00e4llungen k\u00f6nnen, da die Ausf\u00e4llung keine vollst\u00e4ndige ist, noch eine nicht ganz unerhebliche Menge der a-S\u00e4ure liefern. Zu dem Zweck werden die vereinigten Filtrate mit Alkohol ausgef\u00e4llt, der erhaltene Niederschlag in Wasser aufgel\u00f6st und in der obigen Weise mit Baryumacetat behandelt.\nZur Darstellung der nicht gelatinierenden S\u00e4ure \u00df werden 25 g der b-S\u00e4ure in neutrales Baryumsalz verwandelt und in der beschriebenen Weise mit Baryumacetat gef\u00e4llt. Nach zw\u00f6lf-st\u00fcndigem Stehen wird die klare Fl\u00fcssigkeit durch ein Papier-filter abfiltriert, das Filtrat mit Alkohol ausgef\u00e4llt, der Niederschlag in 200\u2014300 ccm Wasser gel\u00f6st und nun das ganze","page":551},{"file":"p0552.txt","language":"de","ocr_de":"552\nS. Kostytschew\nBaryumacetatverfahren so lange wiederholt, bis eine starke konzentrierte L\u00f6sung von \u00df-nucleinsaurem Baryt bei dem Erhitzen mit \u00dcberschu\u00df von Baryumacetat und darauf folgendem zw\u00f6lf-st\u00fcndigen Stehen gar keine F\u00e4llung gibt. Ist das erreicht, so wird behufs totaler Reinigung zu der klaren Fl\u00fcssigkeit so viel Methylalkohol zugegeben, da\u00df nur eine kleine F\u00e4llung entsteht. Dieselbe wird filtriert, das Filtrat mit einem \u00dcberschu\u00df von Methylalkohol ausgef\u00e4llt und der Niederschlag, wie bei der a-S\u00e4ure angegeben, von Baryumacetat befreit.\nII. Eigenschaften und Zusammensetzung der dargestellten Substanzen.\nDie erhaltenen Baryumsalze von beiden S\u00e4uren sind wei\u00dfe, amorphe, sehr stark hygroskopische Pulver; sie ziehen das Wasser sogar beim Aufbewahren im Exsiccator \u00fcber Schwefels\u00e4ure an, wodurch die Analysen, besonders die Wasserstoffbestimmungen, nicht wenig erschwert werden. Die freien S\u00e4uren (durch Behandlung mit salzs\u00e4urehaltigem Alkohol aus den Baryumsalzen dargestellt) sind in kaltem Wasser unl\u00f6slich. Sie unterscheiden sich haupts\u00e4chlich dadurch, da\u00df a ein rein wei\u00dfes, \u00df dagegen ein r\u00f6tliches Pulver ist; durch \u00dcbergie\u00dfen mit Wasser werden die Pulver in schleimige Massen verwandelt, wobei \u00df eine sch\u00f6n rote F\u00e4rbung annimmt. Bei dauerndem Erhitzen mit viel Wasser wird diese rote Masse zun\u00e4chst schleimig und bildet dann eine rote L\u00f6sung ; beim Neutralisieren der sauren L\u00f6sung verschwindet die rote F\u00e4rbung sofort.'\nBeide S\u00e4uren bilden l\u00f6sliche Salze mit Alkalien und l\u00f6sliche neutrale Salze mit alkalischen Erden; die basischen Salze derselben, ebenso wie alle Salze der schweren Metalle, sind in Wasser unl\u00f6slich. Der auffallendste Unterschied in den Reaktionen der beiden S\u00e4uren besteht in dem Verhalten ihrer l\u00f6slichen Salze zu den Chloriden und Acetaten alkalischer Erden, welche ebenso wie Baryumacetat gelatin\u00f6se F\u00e4llungen der a-nucleinsauren Salze hervorrufen. Man k\u00f6nnte also die Trennung der beiden S\u00e4uren durch verschiedene Reagentien bewirken ; doch erwies sich die Anwendung von Baryumacetat als das bequemste Verfahren.","page":552},{"file":"p0553.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Thymonucleins\u00e4ure.\n553\nDie Gelatinierung der nucleinsauren Salze erfolgt in stark konzentrierten L\u00f6sungen allm\u00e4hlich auch ohne Zusatz von krystalloiden Salzen; verd\u00fcnnte L\u00f6sungen, welche an sich noch keine Neigung zur Erstarrung zeigen, werden durch Zusatz von krystalloiden l\u00f6slichen Salzen sofort in eine Gallerte verwandelt. Ich habe die Wirkung folgender Salze untersucht und zwar mit folgendem Ergebnis :\nI. a-nucleinsaures Natron.\nDie L\u00f6sung erstarrt zu einer Gallerte auf Zusatz von : Na2C03, NaCl, Na2S04, Na2HP04, NaC2H302, (NH4)2S04, MgS04, KN03.\nGelatin\u00f6se F\u00e4llung erfolgt auf Zusatz von:\n' CaCl2,SrCl2,BaCl2, Ba(C2H302)2. (Zusatz von Spuren dieser Salze bewirkt gelatin\u00f6se Erstarrung der ganzen Fl\u00fcssigkeit.)\nII. a-nucleinsaures Baryum.\nDie L\u00f6sung erstarrt zu einer Gallerte1) auf Zusatz von : Na2C03, Na2S04, Na2HP04, KN03, (NH4)2S04, MgS04.\nGelatin\u00f6se F\u00e4llung erfolgt auf Zusatz von:\nNaCl, NaC2H302, NH4C1, CaCl2, SrCl2, BaCl2, Ba(C2H302)2. (Zusatz von Spuren dieser Salze bewirkt gelatin\u00f6se Erstarrung der ganzen Fl\u00fcssigkeit.)\nAus dieser Zusammenstellung ist ersichtlich, da\u00df in allen F\u00e4llen, wo ein Chlorhydrat oder Acetat von alkalischen Erden zugesetzt wurde oder sich durch Umwandlung bilden konnte, eine gelatin\u00f6se F\u00e4llung entsteht; in den \u00fcbrigen F\u00e4llen erstarrt die Fl\u00fcssigkeit zu einer Gallerte.\nEine ganz andere Wirkung wird durch Zusatz von freien S\u00e4uren oder Alkalien hervorgerufen, indem dieselben nicht nur keine Erstarrung bewirken, sondern auch die schon gebildete Gallerte wieder verfl\u00fcssigen. Die Wirkung von freien Minerals\u00e4uren l\u00e4\u00dft sich aber nicht bequem beobachten, weil die dabei entstehende F\u00e4llung das Besultat verdunkelt; die Wirkung der\n*) Bei Zusatz der Sulfate bildet sich gleichzeitig eine F\u00e4llung von BaS04.\nHoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie. XXXIX.\n38","page":553},{"file":"p0554.txt","language":"de","ocr_de":"554\nS. Kostytschew\nEssigs\u00e4ure l\u00e4\u00dft sich besser verfolgen ; zur Erl\u00e4uterung desselben m\u00f6ge folgender Versuch angef\u00fchrt werden: Eine konzentrierte L\u00f6sung von frisch dargestelltem a-nucleinsaurem Natron wurde nach Zusatz eines Tropfens von Kaliumnitratl\u00f6sung in zwei gleiche Mengen geteilt, welche nach dem Erkalten gelatinierten. Eine Portion wurde nun mit 1 ccm 50\u00b0/oiger Essigs\u00e4ure, die andere mit 3 ccm Wasser versetzt. W\u00e4hrend das Wasser keine \u00c4nderung der Gelatine hervorrief, wurde die mit Essigs\u00e4ure versetzte Portion schnell und vollst\u00e4ndig verfl\u00fcssigt; sobald aber die erhaltene L\u00f6sung mit Natronlauge neutralisiert wurde, stellte sich die Gelatine wieder her.\nEbenso gen\u00fcgt zum Aufheben der Gelatinierung ein kurzdauerndes Kochen auf freier Flamme; bei k\u00fcrzerem Erhitzen bildet sich die anfangs gel\u00f6ste Gallerte nach einigem Stehen (auch in geschlossenen Gef\u00e4\u00dfen) wieder zur\u00fcck.\nMeine weiteren Untersuchungen sollen dazu dienen, auf Grund der prozentischen Zusammensetzung das Verh\u00e4ltnis beider S\u00e4uren zu einander festzustellen.\nW\u00e4hrend die Untersuchungen \u00fcber die Spaltungsprodukte der Nucleins\u00e4uren, wie sie von Kos sei und seinen Sch\u00fclern ausgef\u00fchrt sind, sehr wichtige Ergebnisse \u00fcber die Beziehungen der Nucleins\u00e4ure zu andern chemischen Produkten des tierischen Organismus geliefert haben und eine gro\u00dfe Zahl neuer Arbeiten \u00fcber bedeutungsvolle physiologische Vorg\u00e4nge, z. B. \u00fcber die Entstehung der Harns\u00e4ure aus Nucleinstoffen angeregt haben, konnten die Forschungen \u00fcber die prozentische Zusammensetzung der Nucleins\u00e4ure bisher keine sicheren Resultate und keine neuen Gesichtspunkte f\u00fcr die chemische oder physiologische Charakterisierung dieser Stoffe darbieten. Die Schwierigkeit dieser Untersuchungen beruht darauf, da\u00df es sich bei der Nucleins\u00e4ure um Atomkomplexe handelt, welche einerseits andere in den Geweben vorhandene Atome oder Gruppen an sich ketten und andererseits lockere, leicht zerst\u00f6rbare Bindungen in ihrem eigenen Gef\u00fcge enthalten.\nZuerst publizierte Mi es eher *) Analysen der Nucleins\u00e4ure\nl) Verhandlungen der Basler naturforsch. Gesellschaft, Bd. 6.","page":554},{"file":"p0555.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Tymomicleins\u00e4ure.\n555\ndes Lachsspermas. Die betreffende Substanz wurde mit Hilfe einer komplizierten Methode dargestellt, bez\u00fcglich deren auf das Original verwiesen werden mu\u00df ; besondere R\u00fccksicht wurde darauf genommen, da\u00df w\u00e4hrend der Darstellung die Temperatur so niedrig als m\u00f6glich war. Die sehr zahlreichen vom Verfasser ausgef\u00fchrten Analysen lie\u00dfen ihn f\u00fcr die Nucleins\u00e4ure aus Lachssperma die Formel G29H49N9P3022 berechnen, w\u00e4hrend sp\u00e4tere von Schmiedeberg publizierte Analysen Mi es eher scher Pr\u00e4parate die Formel C40H54N14P4O27 wahrscheinlicher machten.1) Die weiteren Untersuchungen von Schmiedeberg2) f\u00fchrten aber dann zu einer dritten Formel C40H56N14P4O26, die bez\u00fcglich des Sauerstoffgehalts etwas von den bisherigen abweicht. Als Erkl\u00e4rung hierf\u00fcr nahm Schmiedeberg an, da\u00df die von Mies eher dargestellten Pr\u00e4parate natriumhaltig gewesen sind. Die gleiche Formel glaubt Her-lant3) auch der von ihm aus Thymus dargestellten Nucleins\u00e4ure zu erteilen zu m\u00fcssen. Die Berechnung bietet freilich noch manche Unsicherheit, denn die von Schmiedeberg und von Herlant angewandte Darstellungsmethode der Nucleins\u00e4ure ist keine unbedingt zuverl\u00e4ssige; die von den Verfassern analysierten Pr\u00e4parate waren immer, trotz sorgf\u00e4ltiger Behandlung, Gemische von mindestens zwei Kupferverbindungen, vielfach auch durch Nucleinbasen, oder durch biuretreagierende Stoffe verunreinigt (1. c.) Die von Schmiedeberg und von Herlant mitgeteilten Analysen k\u00f6nnen also noch keine Sicherheit betreffs der Zusammensetzung der Nucleins\u00e4ure bieten.\nF\u00fcr die Analyse der von mir nach der oben beschriebenen Methode dargestellten Substanzen habe ich folgendes Verfahren angewandt. Die beiden Nucleins\u00e4uren werden als Baryumsalze analysiert; in diesem Falle ist die M\u00f6glichkeit eines Gemisches des neutralen und basischen Salzes, wegen der schweren L\u00f6slichkeit von letzterem, weniger zu bef\u00fcrchten. Die f\u00fcr die Analysen bestimmten Pr\u00e4parate wurden im Vacuum\nb Miescher, Physiologisch-chemische Untersuchungen \u00fcber die Lachsmilch. Archiv f. experimentelle Pathol, u. Pharmakol., Bd. 37, S. 50.\n2)\tArchiv f. experimentell. Path. u. Pharmakol., Bd. 43, S. 57.\n3)\tEbenda, Bd. 44, S. 148.","page":555},{"file":"p0556.txt","language":"de","ocr_de":"556\nS. Kostytschew\n\u00fcber Schwefels\u00e4ure bei 100\u00b0 getrocknet; dabei tritt keine bemerkbare Ver\u00e4nderung der Pr\u00e4parate ein und die Schwefels\u00e4ure im Apparat bleibt vollst\u00e4ndig klar. Bei Anwendung von anderen Trockenmethoden ist ein konstantes Gewicht nicht sehr leicht zu erreichen. F\u00fcr die Baryum- und Phosphorbestimmungen wurden die Substanzen mit Soda und Salpeter verascht; die weitere Behandlung geschah nach den \u00fcblichen gewichtsanalytischen Methoden. Die Stickstoffbestimmungen wurden volumetrisch ausgef\u00fchrt; f\u00fcr die Kohlenstoff- und Wasserstoffbestimmungen wurden die Substanzen im Schiffchen mit feinem Kupferoxyd gemischt. Die Analysen ergaben folgende Resultate :\n1.\ta-S\u00e4ure.\n1.\t0,1706 g Substanz ergaben 0,1965 g C02 und 0,0702 g H20 d. i. C = 31,41 o/o, H = 4,56 \u00b0/o.\n2.\t0,1800 g Substanz gaben 0,2068 g C02 und 0,0738 g H20 d. i. C H 31,33 \u00b0/o, H = 4,58 \u00b0/o.\n3.\t0,2706 g Substanz gaben 30,4 ccm N bei 20\u00b0 und 754 mm d. i. N **= 12,79 \u00b0/o.\n4.\t0,2390 g Substanz gaben 26,6 ccm N bei 18\u00b0 und 757 mm d. i. N \u00ab 12,86 \u00b0/o.\n5.\t0,4834 g Substanz gaben 0,1428 g BaS04 und 0,1341 g Mg2P207 d. i Ba = 17,40 \u00b0/o, P = 7,72%.\n6.\t0,4496 g Substanz gaben 0,1340 g BaS04 und 0,1217 g Mg2P207 d. i. Ba = 17,55%, P = 7,54 %.\nAus diesen Zahlen l\u00e4\u00dft sich folgende Formel berechnen:\nGefunden im Mittel :\nBerechnet:\nBa = 17,47 \u00b0./o C = 31,37o/o H =\u00e4 4,57 o/o N = 12,83 0/0 P \u2014\t7,63 \u00b0/o\nBa 17,46 0/0 G = 31,26 \u00b0/o H =\t4,48 \u00b0/o\nN = 12,49 \u00b0/o P =\t7,87 0/'o\nHiernach l\u00e4\u00dft sich folgende Formel als Ausdruck der Analysen f\u00fcr die freie S\u00e4ure aufstellen:\n2. \u00df-S\u00e4ure.\n1. 0,1150 g Substanz gaben 0,1221 g C02 und 0,0428 g H20 d. i. C *= 28,96%, H == 4,16%.","page":556},{"file":"p0557.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Thymonucleins\u00e4ure.\n557\n2.\t0,1221 g Substanz gaben 0,1305 g C02 und 0,0436 g H20 d. i. C = 29,15 >, H = 4,00 \u00b0/o.\n3.\t0,2636 g Substanz gaben 23,2 ccm N bei 19\u00b0 und 758 mm d. i. N '== 10,15 o/o.\n4.\t0,2444 g Substanz gaben 21,4 ccm N bei 18\u00b0 und 760 mm d. i. N \u00e4fc 10,17 \u00fc/o.\n5.\t0,5065 g Substanz gaben 0,1910 g BaS04 und 0,1548 g Mg2P207 d. i. Ba = 22,19 \u00b0/o, P = 8,51 \u00b0/o.\n6.\t0,4609 g Substanz gaben 0,1734 g BaS04 und 0,1398 g Mg2P207 d. i. Ba = 22,14\u00b0/o, P = 8,45 \u00b0/o.\nAus diesen Zahlen l\u00e4\u00dft sich folgende Formel berechnen:\nBa6C90H141(\n^61^2 7^3 0\nBerechnet :\nGefunden im Mittel:\nBa\nG\nH\nN\np\n/ 0\n= 22,210/ = 29,08 \u00b0/o = 3,83 o/o \u2014 10,210/0 = 8,35 \u00b0/o\nBa\nG\nH\nN\nP\n22.16\t\u00b0/o\n29,05 \u00b0/o 4,08 \u00b0/o\n10.16\t0/0 8,48 0/0\nHiernach kann man folgende Formel f\u00fcr die freie S\u00e4ure aufstellen :\nB9oH153061N27P10\nWenn diese Analysen auch nicht ausreichen, um die Formeln sicher festzustellen, so ergibt sich doch aus ihnen folgendes:\nDie beiden Nucleins\u00e4uren sind nicht isomer; und zwar ist die a-S\u00e4ure stickstoffreicher und phosphor\u00e4rmer als die S\u00e4ure \u00df; es liegt deswegen die Annahme nahe, da\u00df bei der Umwandlung der a-S\u00e4ure in die \u00df-S\u00e4ure eine Abspaltung der Nucleinbasen stattgefunden hat. Um hier\u00fcber eine Gewi\u00dfheit zu erlangen, nahm ich eine quantitative Spaltung der beiden Substanzen vor.\nQuantitative Bestimmungen der Nucleinbasen in Nucleinen und den Nucleins\u00e4uren sind seit den ersten Beobachtungen Kossels \u00fcber die Abspaltung der Nucleinbasen mehrfach versucht worden. Z. B. erhitzte Schmiedeberg1) das Kupfersalz der Nucleins\u00e4ure mit Salzs\u00e4ure, dampfte die L\u00f6sung wiederholt zur Trockne ein und nahm mit Salzs\u00e4ure auf, um die braunen, humusartigen Zersetzungsprodukte zu entfernen. Die filtrierte\n9 Schmiedeberg, 1. c.","page":557},{"file":"p0558.txt","language":"de","ocr_de":"558\nS. Kostytschew\nL\u00f6sung wurde dann mit ammoniakalischer Silberl\u00f6sung gef\u00e4llt und in \u00fcblicher Weise verarbeitet. Herlant1) digerierte die Nuclein-s\u00e4ure 24 Stunden mit 18\u00ae|\u00aeiger Salzs\u00e4ure bei 40\u00b0 und schied dann ebenfalls die Basen aus der L\u00f6sung ab.\nEinige Versuche mit diesen Methoden f\u00fchrten mich jedoch zu unbefriedigenden Resultaten. Bei Anwendung des ersteren Verfahrens sind die braunen Produkte l\u00e4stig und bei dem zweiten fehlt das Kriterium f\u00fcr die vollst\u00e4ndige Abspaltung der Nucleinbasen.\nViel bequemer und sicherer f\u00fchrt eine Methode zum Ziel, welche mir von Professor Kossel empfohlen wurde, n\u00e4mlich die Spaltung durch Schwefels\u00e4ure unter Zusatz von Quecksilbersulfat, wobei sich die abgespaltenen Nucleinbasen zum gr\u00f6\u00dften Teil ausscheiden. Sie wurde folgenderma\u00dfen ausgef\u00fchrt:\n3 g des Barytsalzes der betreffenden Nucleins\u00e4ure werden in einem Rundkolben mit 50 ccm 10\u00b0/oiger Schwefels\u00e4ure und 5 g Quecksilbersulfat beschickt und auf dem Wasserbade mit R\u00fcckflu\u00dfk\u00fchler 2 Stunden unter zeitweiligem Umsch\u00fctteln erhitzt, wonach die Fl\u00fcssigkeit mit dem gebildeten Niederschlage in ein ger\u00e4umiges Becherglas oder eine Porzelianschale gegossen und mit der vierfachen Menge von Wasser verd\u00fcnnt wird. Wenn sich dabei die Fl\u00fcssigkeit stark tr\u00fcbt, wird sie auf dem Wasserbade so lange erhitzt, bis sich eine schwere F\u00e4llung zu Boden gesetzt hat. Nach einigem Stehen wird der Niederschlag abgesaugt, mit Wasser gr\u00fcndlich ausgewaschen, dann in Wasser verteilt und mit Schwefelwasserstoff zerlegt. Man filtriert von Schwefelquecksilber und Baryumsulfat ab, w\u00e4scht den Niederschlag mehrmals mit hei\u00dfem Wasser aus, befreit die vereinigten Filtrate und Waschwasser durch Eindunsten vom Schwefelwasserstoff, versetzt nun die hei\u00dfe L\u00f6sung mit \u00dcberschu\u00df von Ammoniak und f\u00e4llt mit ammoniakalischer Silberl\u00f6sung aus.\nDa mir leider die Gelegenheit zu einer eingehenden Untersuchung infolge \u00e4u\u00dferer Umst\u00e4nde versagt war, mu\u00dfte ich mich damit begn\u00fcgen, die erhaltenen Silberniederschl\u00e4ge nach dem v\u00f6lligen Auswaschen und darauffolgenden Trocknen bis zum\n*) Herlant, 1. c.","page":558},{"file":"p0559.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Thymonucleins\u00e4ure.\n559\nkonstanten Gewicht zu w\u00e4gen ; da\u00df aber die Methode auch eine genauere Untersuchung, eventuell eine quantitative Bestimmung von Adenin und Guanin erm\u00f6glicht, darf wohl kaum einem Zweifel unterliegen. Denn bei Beachtung obiger Regeln ist die Ausscheidung von Nucleinbasen, wie auch durch Vorversuche bewiesen wurde, ganz vollst\u00e4ndig; das Filtrat vom Quecksilberniederschlage gibt nach dem Einengen und nach wiederholtem Zusatz von Quecksilbersulfat keine F\u00e4llung mehr; auch gibt das Filtrat, nachdem es durch Schwefelwasserstoff vom Quecksilber befreit ist, keine in \u00fcbersch\u00fcssigem Ammoniak unl\u00f6sliche Silberf\u00e4llung. Wenn man dagegen die vom Quecksilberniederschlage abfiltrierte Fl\u00fcssigkeit mit mehr Quecksilber versetzt und mehrere Tage ruhig stehen l\u00e4\u00dft, scheidet sich allm\u00e4hlich ein Niederschlag aus, welcher aber aus anderen, durch ammoniakalische Silberl\u00f6sung nicht f\u00e4llbaren Zersetzungsprodukten (Cytosin?) besteht. Es ist also vielleicht auch die Bestimmung von Cytosin durch das beschriebene Zerspaltungsverfahren m\u00f6glich. Die Untersuchungen mit Hilfe dieser Methode werden im hiesigen Institut fortgesetzt.\nAuf die von mir untersuchten Substanzen angewandt, ergab die obige Methode folgende Resultate:\nF\u00fcr die Untersuchung dienten die nicht getrockneten Baryumsalze \u2022 derselben Pr\u00e4parate, welche f\u00fcr die Elementaranalysen benutzt worden sind.\na-Nucleins\u00e4ure 3,000 g mit 17,34\u00b0/o Wassergehalt, entsprechend 2,481 g trockener Substanz.\n\u00df-Nucleins\u00e4ure 3,000 g mit 16,19\u00b0/o Wassergehalt, entsprechend 2,514 g trockener Substanz.\nVon diesen Mengen mu\u00df zweckm\u00e4\u00dfig auch der Baryum-gehalt abgezogen werden. Dann sind die abgewogenen Mengen der Nucleins\u00e4ure folgende:\na 2,047 g \u00df 1,957 \u00bb\nDie aus diesen Mengen von Substanzen dargestellten Silberniederschl\u00e4ge der Nucleinbasen wogen nach dem Trocknen :\na 0,723 g \u00df 0,221 \u00bb","page":559},{"file":"p0560.txt","language":"de","ocr_de":"560\nS. Kostytsehew, \u00dcber Thymonucleins\u00e4nre.\nAuf 1 g der verbrauchten Substanzen berechnet, gestalten sich die Resultate folgenderma\u00dfen:\na-Nucleins\u00e4ure: auf 1 g Substanz 0,353 g Si Iberniederschlag\n\u00df-Nucleins\u00e4ure: auf 1 g Substanz 0,113 g Si Iber nieder schlag.\nEs werden also bei der Umwandlung der a-S\u00e4ure in die \u00df-S\u00e4ure zwei Drittel der Nucleinbasen abgespalten.\nZum Schlu\u00df m\u00f6chte ich noch die Frage ber\u00fchren, ob man die unter verschiedenen Umst\u00e4nden vorkommende Abnahme der Gelatinierungsf\u00e4higkeit der L\u00f6sungen von Salzen der a-S\u00e4ure mit der Umwandlung derselben in die \u00df-S\u00e4ure ohne weiteres identifizieren kann. Nach meiner Meinung w\u00fcrde das kaum zul\u00e4ssig sein, denn einerseits hat sich herausgestellt, da\u00df diese Umwandlung mit einem nicht unbetr\u00e4chtlichen Abbau verkn\u00fcpft ist, andererseits kann die Gelatinierung von Salzen der a-S\u00e4ure durch ziemlich geringe Einwirkungen beeinflu\u00dft sein. Besonders wichtig scheint mir in dieser Hinsicht der Umstand, da\u00df die zeitweilig verfl\u00fcssigte Gelatine in gewissen F\u00e4llen, unter Beseitigung des die Gelatinierung st\u00f6renden Agens wieder hergestellt wird.","page":560}],"identifier":"lit17862","issued":"1903","language":"de","pages":"545-560","startpages":"545","title":"\u00dcber Thymonucleins\u00e4ure","type":"Journal Article","volume":"39"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:12:09.253040+00:00"}