Open Access
{"created":"2022-01-31T13:51:19.623698+00:00","id":"lit17880","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Brauer, Ludolph","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 40: 182-214","fulltext":[{"file":"p0182.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Leber.\nVon\nDr. Ludolph Brauer,\na.o. Professor der inneren Medizin.\n(Aus dem physiologischen Institut zu Heidelberg.) (Der Redaktion zugegangen am 24. Oktober 1903.)\nBei dem Studium der Leberkrankheiten zeigt sich allerorts -\u2014 am Krankenbett, imTierexperiment wie in der Literatur\u2014, wie schlecht es mit unseren Kenntnissen von der normalen und pathologischen Funktion dieses wichtigen Organes bestellt ist, wie wenig wir selbst dasjenige, was die Physiologie \u00fcber die T\u00e4tigkeit der Leber zu erkennen lehrte, tats\u00e4chlich bei unseren \u00dcberlegungen am Krankenbette verwenden k\u00f6nnen.\nEin Blick auf die fein ausgebildete Diagnostik der Nierenkrankheiten l\u00e4\u00dft diesen Mangel besonders deutlich hervortreten. Das anotomische und funktionelle Verhalten der Nieren ist aus Harnuntersuchungen vielfach recht genau zu beurteilen; selbst leichteste, rasch vor\u00fcbergehende Reizzust\u00e4nde der den Harn produzierenden Organe sind zu erkennen, und erm\u00f6glichen es, einerseits sch\u00e4dlichen Einfl\u00fcssen rechtzeitig zu begegnen, andererseits krankmachende Faktoren in ihrer Bedeutung f\u00fcr die Nieren und indirekt damit f\u00fcr den Gesamtorganismus zu w\u00fcrdigen. Stoffwechselerscheinungen, Leber- und Pankreasleiden verraten sich nicht selten durch Ver\u00e4nderungen des Nierenexkretes ; die Form endlich, in welcher dem K\u00f6rper zugef\u00fchrte Stoffe von den Nieren wieder ausgeschieden werden, gestattet die all\u00e9r-mannigfaltigsten R\u00fcckschl\u00fcsse, auf die Art der Stoffwechselvorg\u00e4nge, wie auf die Funktion einzelner Organe.\nIn allen diesen Punkten zeigt die Pathologie der Leber weite L\u00fccken.\nDie Diagnostik der Leberkrankheiten st\u00fctzt sich, von den","page":182},{"file":"p0183.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Leber.\n183\nErscheinungen des Icterus abgesehen, gr\u00f6\u00dftenteils auf die zu palpierenden grobanatomischen Ver\u00e4nderungen des Organes, sowie auf die hiervon abh\u00e4ngigen zirkulatorischen Folgen. Die Erkennung und das Verst\u00e4ndnis funktioneller St\u00f6rungen der Leber ist am Krankenbette nicht \u00fcber die ersten tastenden Versuche hinausgekommen.\nDie Ursache dieser R\u00fcckst\u00e4ndigkeit liegt zu einem guten Teil darin, da\u00df es nur selten m\u00f6glich ist, das Produkt der \u00e4u\u00dferen Leberfunktion, die Galle, regelm\u00e4\u00dfig zu untersuchen. Eine zielbewu\u00dfte Durcharbeitung der Pathologie der Gallensekretion d\u00fcrfte daher wohl sicherlich das Verst\u00e4ndnis f\u00fcr \u00c4tiologie und Pathologie der Leberkrankheiten in manchen Punkten f\u00f6rdern.\nDie nachfolgenden Untersuchungen, welche im wesentlichen im Wintersemester 1899/1900 im physiologischen Institut zu Heidelberg ausgef\u00fchrt wurden, suchten obiger Fragestellung gerecht zu werden. Damals leitete Herr Professor Cohnheim w\u00e4hrend K\u00fchnes Krankheit die Arbeiten im Laboratorium: ich hatte mich seiner weitgehenden Unterst\u00fctzung zu erfreuen, es sei ihm daher auch an dieser Stelle f\u00fcr die vielfache Anregung und Kontrolle bei den chemischen Proben gedankt.\nEine vorl\u00e4ufige Mitteilung1) einiger Resultate gab ich auf der Naturforscherversammlung zu Aachen. Die ausf\u00fchrliche Publikation hielt ich zur\u00fcck, weil mir eine Weiterf\u00fchrung der Untersuchungen w\u00fcnschenswert erschien. Dieses geschah nun inzwischen durch Herrn Dr. Pilz eck er, dessen Resultate demn\u00e4chst mitgeteilt werden sollen. Auch eine Arbeit von Haupt,2) welche unter dem Einfl\u00fcsse von Kobert entstand, kn\u00fcpft an einige Punkte obiger Mitteilung an: es wird sp\u00e4ter hierauf Rezug genommen werden.\nMeine Untersuchungen erstrecken sich zun\u00e4chst auf menschliche Gallen.\nBekanntlich enth\u00e4lt die normale Galle als Eiwei\u00dfk\u00f6rper\nv) Brauer, \u00dcber pathologische Ver\u00e4nderungen der Galle. M. Med. Woch. 1901, Nr. 25.\n2) Haupt, Beitr\u00e4ge zur Kenntnis der Schwefelkohlenstoffvergiftung. Arch, internat, de Pharm, et de Th\u00e9rapie. Vol. XI, p. 155, 1903.\nHoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie. XL.\t13","page":183},{"file":"p0184.txt","language":"de","ocr_de":"184\nLudolph Brauer,\nMucin oder Nucleoalbumin, aber kein koagulierbares Eiwei\u00df. In Leichengallen dagegen ist mehrfach koagulierbares Eiwei\u00df als pathologische Beimischung nachgewiesen worden, vor allem von Lehmann3) und von Pouchet.1 2) Frische Leichengalle ist \u2014 intakte Leber vorausgesetzt*- eiwei\u00dffrei ; Spuren gerinnbaren Eiwei\u00dfes finden sich h\u00f6chstens als kadaver\u00f6se Erscheinung und bei Katarrhen der Gallenwege. Gr\u00f6\u00dfere Eiwei\u00dfmengen konnte ich bei Stauungsleber, \u25a0 einmal bei Typhus und parenchymat\u00f6ser Nephritis nachweisen. Lehmann, welcher 100Leichengallen untersuchte, fand koagulierbares Eiwei\u00df bei Stauungsleber, Fettleber und parenchymat\u00f6ser Hepatitis ; dasselbe fehlte bei Amyloid und Carcinom. Hinsichtlich der Einzelheiten sei auf die Originalarbeit verwiesen. Pouchet fand in der Galle von 6 Choleraleichen nennenswerte Mengen koagulierbaren Eiwei\u00dfes. Der Name \u00abAlbuminocholie\u00bb stammt von Bouisson.3) Den ersten Nachweis des gelegentlichen Vorkommens von koagulierbarem Eiwei\u00df in der Galle scheint Th\u00e9nard4) erbracht zu haben. Th. Frerichs5) und Gorup-Besanez6) untersuchten die quantitative Zusammensetzung der menschlichen Leichengalle unter normalen und pathologischen Verh\u00e4ltnissen. L\u00e9tienne7) und Tissier8) gaben in ihren Thesen eine ausf\u00fchrlichere Zusammenstellung der bekannten pathologischen Ver\u00e4nderungen der Galle. Thomas9) berichtet \u00fcber die Abh\u00e4ngig-\n1)\tLehmann, Om den saakaldte Albuminocholie ugeskript for Laeger IV, Nr. 17/18. Referat in Zentralbl. f. d. med. Wiss., Bd. V, 1867, S, 712.\n2)\tPouchet, a) Compt. rendus, Vol. 99, p. 847, 1884. b) Compt. rendus, Vol. 100, p. 220, 1885.\n3)\tBouisson, De la Bile, de ses vari\u00e9t\u00e9s physiologiques et ses alt\u00e9rations morbides. Montpellier 1844. cf. auch: Fauconneau-Dufresne, La Bile et les Maladies. M\u00e9m. de l\u2019Acad. de M\u00e9d. 1847.\n4)\tCharcot, Le\u00e7on sur les Maladies du foie et des reins 1877, p. 83.\n5)\tFrerichs, Untersuchungen \u00fcber Galle etc. Hannover 1845.\n6)\tGorup-Besanez, Untersuch, \u00fcber Galle, 1845 (Hannover, Annal.).\n7)\tL\u00e9tienne, De la Bile \u00e0 l\u2019\u00e9tat pathologique (\u00c9tude physique, nicrographique et bact\u00e9riologique). Th\u00e8se de Paris 1891.\n8)\tTissier, Pathologie de la s\u00e9cr\u00e9tion biliaire. Th\u00e8se de Paris 1889.\n9)\tThomas, Dissert\u00e2t. Stra\u00dfburg 1890.","page":184},{"file":"p0185.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Leber.\n185\nkeil der Absonderung und Zusammensetzung der Galle von der Nahrung.\nSo interessant vielleicht auch die Fortsetzung derartiger Analysen werden mag, f\u00fcr die Beantwortung der uns hier besch\u00e4ftigenden Frage kommt der Untersuchung von Leichengallen nur geringe Bedeutung zu. Es ist nur in beschr\u00e4nktestem Ma\u00dfe m\u00f6glich, aus derartigen terminalen Befunden auf Funktionsst\u00f6rungen der Leber R\u00fcckschl\u00fcsse zu machen. Hierzu bedarf es der M\u00f6glichkeit, das Verhalten der Galle intra vitam \u00fcber einige Zeit zu verfolgen, und hierzu bietet die moderne Gallen stein chirurgie nicht selten Gelegenheit.\nMenschliche Fistelgalle ist daher in den letzten Jahren auch vielfach untersucht worden. Zumeist besch\u00e4ftigte man sich naturgem\u00e4\u00df mit den cholecystitischen Prozessen, deren bakterieller \u00c4tiologie, sowie Beziehung zur Gallensteinbildung (Naunyn, Riedel und viele andere). Eine relativ kleine Anzahl Autoren wandte sich Fragen zu, die unserem Thema n\u00e4her liegen (Paton und Balfour, A Terrier,2) Kleefeld,3) Pisenti4) u. a.).\nIch selbst werde \u00fcber einige eigene Resultate, welche sich aus der Untersuchung menschlicher Fistelgalle ergaben, weiter unten bei Besprechung der Methylenblauversuche berichten. Von einer detaillierteren Durcharbeitung des mir\n\u00d6 Paton and Balfour, On the Composition, Flow and Physiological Action of the Bile in Man. Reports from the Laboratory of the Royal College of Physicians. Edinburgh, Vol. Ill, p. 191\u2014240, 1891.\n2) Terrier, Bulletins de l\u2019Acad\u00e9mie de M\u00e9decine 1890, p. 599.\n\u00ae) Kleefeld, \u00dcber die hei Punktion, Operation und Sektion der Gallenblase konstatierten pathologischen Ver\u00e4nderungen derselben und die daraus resultierenden diagnostischen Momente. Diss. Stra\u00dfburg 1894.\n4) Pisenti, \u00dcber die Ver\u00e4nderungen der Gallenabsonderung w\u00e4hrend des Fiebers. Arch. f. exper. Patholog. u. Therap., Bd. 21, S. 218\u2014248.\nAu\u00dfer in diesen soweit genannten Arbeiten findet sich noch weitere Literatur bei Minkowski, Die St\u00f6rungen der Leberfunktion. Lubarsch und Oster tag, Bd. II, 1895, S. 679, sowie bei Gilbert et Carnot, Les Fonctions h\u00e9patiques. Naud. Paris 1902. Yeo and Herr oun, A note on the composition of human bile obtained from a fistula. Journ. of Physiol. Vol. 5, 1884.\n13*","page":185},{"file":"p0186.txt","language":"de","ocr_de":"186\nLudolph Brauer\nseitens der chirurgischen Kollegen in freundlichster Weise zur Verf\u00fcgung gestellten Materiales aber nahm ich zun\u00e4chst aus. mehrfachen \u00dcberlegungen Abstand. Man setzt, wie gesagt, Gallenfisteln beim Menschen wesentlich zur Bek\u00e4mpfung cholecystitischer Prozesse und deren Folgen. W\u00fcrde nun ein gl\u00fccklicher Zufall es mit sich bringen, da\u00df bei einem Operierten neben der zur Operation veranlassenden Lokalaffektion eine die Leberfunklion, alterierende diffuse Lebererkrankung best\u00e4nde, so w\u00e4re damit bei dem Mangel entsprechender Vorarbeiten doch nur wenig gewonnen. Es w\u00fcrde kaum m\u00f6glich sein, die eventuellen sekretorischen Anomalien der Galle von jenen zu unterscheiden, welche von dem Katarrh der ableitenden Gallenwege, den cholecystitischen Beimengungen, bedingt sind.\nIch wandte mich daher dem Tierexperimente zu, und zwar arbeitete ich an Hunden, denen in \u00fcblicher Weise Gallenblasenfisteln angelegt wurden. Stets wurde, ehe die Versuche begannen, die komplette Verheilung der Wundfl\u00e4chen abgewartet. Zur Gewinnung der Galle kam der Hund auf ein Gestell: er konnte hier bei eintretender Erm\u00fcdung auf breiter Bandage aufliegen. Die Ableitung der Galle geschah durch sorgf\u00e4ltig reingehaltene abgerundeteKautschukr\u00f6hren in kleine Gummibeh\u00e4lter.\nSobald sich irgendwelche L\u00e4sionen an den abf\u00fchrenden Gallenwegen bemerkbar machten, erhielten die Hunde einige Tage Schonung. Dicht aneinander wurden die Versuche wenn m\u00f6glich niemals gelegt. An den versuchfreien Tagen war die Fistel ohne jeden Verband, die Tiere hielten dieselben durch Lecken tadellos sauber, und es bestand zudem der Vorteil, den Gallenverlust f\u00fcr die Tiere m\u00f6glichst einzuschr\u00e4nken, da die Tiere best\u00e4ndig die herausflie\u00dfende Galle aufnahmen. Die Tiere erhielten reichlich frisches, m\u00f6glichst fettarmes Fleisch, Milch, Brot und Kartoffeln.\nVon quantitativen Untersuchungen nahm ich deswegen zun\u00e4chst Abstand, weil Gallenfisteln selbst auf die einfachsten quantitativenVerh\u00e4ltnisse derGallensekretion nur sehr geringe R\u00fcckschl\u00fcsse gestatten. Menschen oder Tiere mit Gallenfisteln entbehren guten Teils jener Reize, welche","page":186},{"file":"p0187.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Leber.\n187\nuns nach Tierexperimenten als die normale Gallenproduktion anregend bekannt sind. Die Kost des bettl\u00e4gerigen operierten Menschen ist eine einfache und im Hinblick auf den Gallen-\nmangel im Darm eine fettarme. Es fehlt gen\u00fcgende k\u00f6rperliche Bewegung. Vor allem aber kommt bei Mensch wie Tier der intermedi\u00e4re Kreislauf der Gallens\u00e4uren in Fortfall. Bei Untersuchungen, welche auf die Menge der in 24 Stunden abgeschiedenen Galle oder auf die Art ihrer Zusammensetzung gerichtet sind, ist diese Tatsache eingehend zu ber\u00fcck-gen.\nNormalerweise tritt die Galle in den Darm und wird hier eise wieder resorbiert, speziell das Wasser und, wie sicher erwiesen ist, ein guter Teil der Gallens\u00e4uren. Dieser Kreislauf der Gallens\u00e4uren kommt bei Gallenfisteln vollst\u00e4ndig in Wegfall: damit wird der Leber die Zufuhr eines K\u00f6rpers genommen, dessen cholagoge Wirkung nach den trefflichen Untersuchungen Stadelmanns x) u. a. \u00fcber allem Zweifel erhaben ist. Wir sehen daher nicht nur die bekannte Tatsache eintret en, da\u00df in der Fistelgalle die Gallens\u00e4urewerte betr\u00e4chtlich heruntergehen, sondern wir m\u00fcssen auch annehmen, da\u00df die Gesamtmenge der abgeschiedenen Galle wesentlich beeinflu\u00dft ist, ja da\u00df die Leberfunktion im ganzen unter dem Mangel des ihr normalerweise zustr\u00f6menden Beizmittels sich ver\u00e4ndert. Es darf somit nicht wundernehmen, da\u00df die normale Gallenmenge und deren quantitative Zusammensetzung in der Literatur so verschieden angegeben wird, und zwar h\u00e4ufig auffallend niedrig (siehe die Zusammenstellungen von Heidenhain,* 2) Stadelmann,3) sowie Paton und Balfour). Fortlaufende quantitative Untersuchungen der normalen Gallenproduktion sollten daher in Zukunft nur dann eine Beachtung beanspruchen, wenn entweder zuvor studiert wurde, in welcher Weise sich der Ausfall des Gallens\u00e4urenkreislaufes bemerkbar macht. (Aufstellung\nv) Stadelmann , \u00dcber den Kreislauf der Galle. D. med. Woch. 1897. Derselbe, Der Icterus und seine verschiedenen Formen. Enke 1891, S. 95 ff.\n2)\tHeidenhain, Physiologie der Absonderungen, S. 250 ff.\n3)\tStadelmann, Icterus S. 58ff.\n/ 1","page":187},{"file":"p0188.txt","language":"de","ocr_de":"188\nLudolph Brauer,\neiner typischen Abfallkurve der Gallenmenge und der Gallens\u00e4uren) oder wenn durch Zufuhr von Gallens\u00e4uren per os gewisserma\u00dfen wieder ein Gallens\u00e4urengleichgewicht hergestellt wurde. Endlich m\u00f6chte ich, wie ich dieses schon anderen Ortes (M. M. W. 1901, Nr. 25) tat, nochmals nachdr\u00fccklich darauf hin weisen, da\u00df es durchaus nicht unwahrscheinlich ist, da\u00df die allgemeinen Ern\u00e4hrungsst\u00f6rungen, denen ein Gallenfisteltier selbst bei rationeller Di\u00e4t mit der Zeit unterliegt, zum Teil auf den Verlust an Gallens\u00e4uren zur\u00fcckzuf\u00fchren sind. Jedenfalls sind wir bisher keineswegs dar\u00fcber unterrichtet, inwieweit dieser Ausfall die chemischen Vorg\u00e4nge in der Leber, speziell die sogenannte innere Sekretion des Organes beeinflu\u00dft.\nErst aus einer Ber\u00fccksichtigung dieser Faktoren d\u00fcrfte sich die Basis f\u00fcr nutzbringendes quantitatives Arbeiten an Gallenfisteln ergeben.\nZun\u00e4chst seien die Resultate von Untersuchungen referiert, welche den \u00dcbergang von Methylenblau1) in die Galle verfolgten. Diese Versuchsreihe dankte ihren Ursprung der Idee, bakterienfeindliche Stoffe in die Galle \u00fcberzuf\u00fchren und auf diese Weise den infekti\u00f6sen Katarrhen der Gallenwege, speziell den sogenannten steinbildenden Katarrhen entgegen zu arbeiten. Einige Versuchsprotokolle seien hier wiedergegeben :\n9 Methylenblau u. \u00e4hnl. Anilinfarbstoffe hab\u00e8n wegen ihrer antiparasit\u00e4ren Eigenschaften vielfach Anwendung in der Medizin gefunden. In den letzteren Jahren wurde dasselbe auf Anraten von Ehrlich (1891) h\u00e4ufiger zur Behandlung der Malaria empfohlen. Die Berichte hier\u00fcber finden sich gr\u00f6\u00dftenteils im Archiv f\u00fcr Schiffs- und Tropenhygiene referiert.\n\u00dcber die Ausscheidungsverh\u00e4ltnisse des Methylenblau durch die Nieren orientieren am besten die Arbeiten von M\u00fcller (D. Arch. f. klin. Med., Bd. 63, S. 130) und von Elsner (ebenda, Bd. 69, S. 47).\nAusf\u00fchrlichere Darstellungen \u00fcber die Chemie des Methylenblau finden sich bei G. Schultz, Chemie des Steinkohlenteers, 2. Aufl., Bd. II, S. 726ff. und Friedl\u00e4nder, Fortschritte der Teerfarbenfabrikation. Bd. I, S. 243 ff., 247, 257.","page":188},{"file":"p0189.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Leber.\n189\nVersuche an Hunden.\n1.\tAm 27. XII. 99: Ein Gallenfistelhund erh\u00e4lt morgens in den n\u00fcchternen Magen 0,4 g Methylenblau in Kapseln, Nach ca. 40 Minuten findet sich im Sammelbeutel 10,4 ccm tiefgr\u00fcnblaue Galle, w\u00e4hrend die zuvor aufgesammelte normale Fistelgalle sch\u00f6n goldgelb war. In den n\u00e4chsten Gallenmengen zeigte sich die F\u00e4rbung noch intensiver; ein Vergleich mit dem Urin zeigte letzteren bedeutend heller in der Farbe, die Galle mu\u00dfte bis 30 fach verd\u00fcnnt werden, ehe sie die gleiche Farbenintensit\u00e4t gab; die Galle war in ca. 3 mm dicker Schicht undurchsichtig, selbst nach 1000f\u00e2cher Verd\u00fcnnung noch bla\u00df hellgr\u00fcn. Nach zweit\u00e4gigem Stehen der Galle keine Absonderung verschieden gef\u00e4rbter Schichten.\nAm 28. XII. erschien die vormittags 10\u20141 Uhr aufgefangene Galle noch ganz deutlich gr\u00fcn. Nach 24st\u00fcndigem Stehen sondert sich diese Galle im Zylinderglase in zwei Schichten; die obere H\u00e4lfte tief blaugr\u00fcn, die untere von normaler goldgelber Farbe. Der entsprechende Urin enth\u00e4lt nur noch wenig Farbstoff. Auch die bis abends 6 Uhr gesammelte Galle l\u00e4\u00dft noch geringe Mengen Methylenblau erkennen; der Urin der gleichen Zeit ist gleichfalls nur gering gef\u00e4rbt. Kochen des Harnes mit Essigs\u00e4ure gibt eine geringe Vermehrung der schwach gr\u00fcnlichen Farbe.\nAm 29. XII. sind Urin und Galle wieder fast ganz normal, sie enthalten nur noch minimale Farbstoffmengen.\n2.\tAm 15. I. 1900 bekommt ein Hund morgens 0,7 g Methylenblau in den n\u00fcchternen Magen. Die aus der Kan\u00fcle ab tropfende Galle nimmt nach 35 Minuten eine zarte blaugr\u00fcne F\u00e4rbung an, nach weiteren 20 Minuten ist dieselbe sehr intensiv blau gef\u00e4rbt. Eine weitere Zunahme der Farbe l\u00e4\u00dft sich an den einzelnen Tropfen zun\u00e4chst nicht erkennen, wohl aber war die Gallenmenge, die in den Nachmittagsstunden gesammelt wurde, viel dunkler als jene, die bis 12 Uhr mittags abtropfte. Der abends 6 Uhr aufgefangene Urin ist tief blaugr\u00fcn, sehr reich an Farbstoff.\nAm 16.1. wird der Hund nach Entleerung der Harnblase von 8\u201410 Uhr vormittags aufgestellt. Urin und Galle dieser Stunden zeigen sich noch gr\u00fcnlich gef\u00e4rbt, aber viel schw\u00e4cher, als wie Tags zuvor. Das Tier ist sehr wohl.\nUm 101/4 Uhr wird das Tier, welches eine Zeitlang freigelassen war. wieder aufgestellt und jetzt reichlich mit Fleisch gef\u00fcttert. Galle und Urin der n\u00e4chsten 2 Stunden sind noch m\u00e4\u00dfig farbstoffhaltig. An der Galle l\u00e4\u00dft sich der Gehalt an blauem Farbstoff gut nachweisen bei Ausf\u00e4llung des Mucins durch irgend eine Reagens (z. B. Essigs\u00e4ure, Alkohol, Bleiacetat etc.). Die Flocken erscheinen dann in blaugr\u00fcner F\u00e4rbung, die Testierende Fl\u00fcssigkeit ist deutlich blaugr\u00fcn, wird st\u00e4rker blau durch Kochen mit Essigs\u00e4ure.","page":189},{"file":"p0190.txt","language":"de","ocr_de":"190\nLudolph Brauer,\n17. I. Die Morgengalle hatte noch einen schwach blauen Ton, der Urin gleichfalls, letzterer gibt aber die Chloroformprobe nicht mehr deutlich positiv, erst nach Kochen und Zusatz von Essigs\u00e4ure nimmt der Chloroformauszug schwach blaugr\u00fcne F\u00e4rbung an.\nDer Stuhlgang, den das Tier des Morgens entleerte, war zum Teil noch methylenblauhaltig, zum Teil aber farbfrei.\n3.\t1. II. 00.\t0,5 g Methylenblau nach vorheriger Fleischf\u00fctterung.\nNach 314 Stunden sind sowohl in der Galle wie im Urin nur geringe Farbstoffmengen. In der Nachmittagsgalle (55 ccm) war ein bedeutend gr\u00f6\u00dferer Prozentgehalt an Methylenblau, als wie im Harne (305 ccm) nachzuweisen. Gleiche Mengen beider Fl\u00fcssigkeiten wurden mit etwas Karbols\u00e4ure und etwas molybd\u00e4nsaurem Ammon, alsdann zu gleichen Teilen mit Chloroform versetzt. *) Der Urin gab bedeutend helleres, rein blaues Chloroformextrakt, behielt auch selbst etwa die Farbe des Chloroformes. Die Galle dagegen gab ganz undurchsichtigen Chloroformauszug, blieb selbst tief schwarzgr\u00fcn.\nVerd\u00fcnnt man den Chloroformauszug der Galle mit reinem Chloroform um das Sechsfache (Relation der Gallenmenge zum Urin), so bleibt die Farbe noch immer bedeutend dunkler als wie der dem Urin zugeh\u00f6rende Chloroformextrakt.\n4.\tVon einer reichlich Methylenblau haltenden Fistelgalle werden je 50 ccm mit dem Magenschlauch einem methylenblaufreien Fistelhunde, sowie einem nicht operierten Hunde eingegeben. Im ersteren Falle wird Methylenblau in Galle und Urin, im letzteren Falle im Harn nachgewiesen. Der Harn des Fistelhundes ist nach V/z Tagen, jener des anderen Hundes nach 272 Tagen methylenblaufrei.\n5.\tIn 2 Versuchen erhielten nicht operierte Hunde je eine Dosis von 0,5 g Methylenblau in Kapseln. Bei dem einen Hunde dauerte die Ausscheidung von Methylenblau mit dem Harne 372, bei dem anderen 472 Tage. Die Gallenfistelhunde waren bei gleicher Dosis nach 21lz\u20143 Tagen methylenblaufrei.\nVersuche an Menschen.\nMehrfach erhielten Kranke, denen wegen Cholelithiasis Gallenfisteln angelegt waren, Methylenblau2) in Dosen von 0,05\u20140,2 g 1\u20143 mal t\u00e4glich. Jedesmal konnte in wechselnder Menge Methylenblau in der Galle erwiesen werden.\n7 cf. M\u00fcller, a. a. 0.\n2) Bei Darreichung des Methylenblaus ist darauf zu achten, da\u00df\ndie Kranken ein reines (zinkfreies) Pr\u00e4parat erhalten. Der h\u00e4ufig sehr l\u00e4stigen Strangurie kann durch gleichzeitige Darreichung von Muskatnu\u00dfpulver etwas entgegengewirkt werden. Die Intensit\u00e4t der Strangurie ist in den einzelnen F\u00e4llen ohne ersichtlichen Grund eine sehr verschiedene.","page":190},{"file":"p0191.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Leber.\n191\nHier 2 Beispiele.\n1. Patient L. 6. II. 00. Diagn.: Nephritis parenchym., Cholangitis. Leber vergr\u00f6\u00dfert.\n7 Uhr vorm. 0.1 g Methylenblau in Kapseln. Nach einer Stunde Fr\u00fchst\u00fcck. Die Galle ist in den Vormittagsstunden deutlich methylen-\nblauhaltig.\n8. II. 7 Uhr vorm. 0.5 g Methylenblau. 7\u201410 Uhr Urin tiefblau ; Galle bla\u00df gr\u00fcn. F\u00e4llung mit dem gleichen Volumen 25\u00b0/oiger neutraler Bleiacetatl\u00f6sung. Zentrifugensediment gr\u00fcngelb. Dar\u00fcber bla\u00dfblau-gr\u00fcne L\u00f6sung. Kocht man diese L\u00f6sung mit Essigs\u00e4urezusatz, so bekommt man ein reines sch\u00f6nes Blau. Diese L\u00f6sung hat jetzt eine Farbenintensit\u00e4t wie eine Vergleichsl\u00f6sung von 1:60000 Methylenblau. Es w\u00fcrde somit die Galle \u2014 unter Anrechnung der Verd\u00fcnnung \u2014 1 : 30000 Methylenblau enthalten haben und zwar guten Teils als Leukopr\u00e4parat (cf. die Angaben f\u00fcr den Urin bei M\u00fcller a. a. 0.).\nDer Urin zeigte Farbenintensit\u00e4t 1 :10000 (gleichfalls nach dem Kochen mit Essigs\u00e4ure).\nAn den n\u00e4chsten 2 Tagen (9. und 10. II.) konnten in Galle wie Urin noch sinkende Mengen Methylenblau erwiesen werden.\n2. Patient W. Diagn: Cholecystitis mit Steinbildung.\nAnfangs April 01. Die Fistelgalle mehrfach auf koagulier bares Eiwei\u00df untersucht. Stets deutliche Tr\u00fcbung.\n6.\u20149. IV. Ordinat. 0,1 g Methylenblau 2 mal t\u00e4glich. Beichlich Muskatnu\u00dfzusatz. Patient klagt \u00fcber Magenbeschwerden, bekommt aber keine Strangurie. Die Galle wird t\u00e4glich untersucht, zeigt stets deutliche Bl\u00e4uung. diese durch Kochen mit Essigs\u00e4ure bei vorheriger Bleiacetatf\u00e4llung stark vermehrt.\nVorn 8. IV. an in der Galle koagulierbares Eiwei\u00df nicht\nmehr nachzuweisen. (Kochproben bleiben v\u00f6llig klar.)\nLetzte Methylenblaukapsel (0,1 g) am 9. IV. mittags. Am 10. IV. ist die Galle methylenblau\u00e4rmer. Kein Eiwei\u00df. Am 11. IV. Galle geringe Methylenblaumenge. Kein Eiwei\u00df. Urin hell blaugr\u00fcn. 12. IV. Letzte Spur Methylenblau im Mittagsharne zu finden.\nIn der Galle kein Eiwei\u00df. Kein Methylenblau.\nDer Nachweis des Methylenblau in der Galle ist leicht auf folgende Weise zu erbringen: Wird normale Galle mit neutralem Bleiacetat gef\u00e4llt und zentrifugiert, so resultiert eine klare, kaum farbhaltige Fl\u00fcssigkeit. Hatte man der Galle aber Methylenblau zugesetzt (selbst nur 1 : 100,000), so erscheint die \u00fcber dem Sedimente stehende Fl\u00fcssigkeit deutlich gef\u00e4rbt (blau bis bla\u00dfblau-gr\u00fcn). Die gleiche Erscheinung ergab methylenblauhaltige Fistelgalle.","page":191},{"file":"p0192.txt","language":"de","ocr_de":"192\nLudolph Brauer,\nKochen der klar zentrifugierten Fl\u00fcssigkeit mit verd\u00fcnnter Essigs\u00e4ure gibt bei methylenblaufreier Galle keinen deutlichen Farbenumschlag, wohl aber bei methylenblauhaltiger Fistelgalle. In der letzteren sind auf diese Weise somit Leukok\u00f6rper des Methylenblau nachzuweisen. Durch mehrfache Kontrolle wurde festgestellt, da\u00df die unter eben genannten Umst\u00e4nden entstehende Blauf\u00e4rbung nicht auf einer Umwandlung von Gallenfarbstoffen beruht.\nDie soeben ausgef\u00fchrte Beobachtung (Patient W.), da\u00df unter Anwendung des Methylenblau cholecystitische Erscheinungen zur\u00fcckgehen, fand eine Parallele in einigen Untersuchungsergebnissen des Herrn Dr. Hamburger. Derselbe sah bei drei Hunden in den ersten Tagen nach Anlegung von Gallenfisteln cholecystitische Prozesse und dementsprechend einige Male nicht unbetr\u00e4chtliche Mengen koagulierbaren Eiwei\u00dfes in der Galle auftreten. Sobald den Hunden einigemal Methylenblau eingegeben war, verschwand das Eiwei\u00df in 4\u2014 5 Tagen vollst\u00e4ndig.\nAus den hiermit kurz wiedergegebenen Resultaten erhellt zun\u00e4chst, da\u00df das Methylenblau bald nach der Darreichung in relativ gro\u00dfen Mengen mit der Galle abgeschieden wird; dasselbe ist prozentual und gelegentlich auch in der Gesamtmenge in den ersten Stunden nach der Darreichung in der Galle reichlicher als im Urin vorhanden.\nEs ist ferner konstatiert worden, da\u00df Gallenfistelhunde den Farbstoff rascher im Harne verlieren als normale Hunde, \u2018) und da\u00df weiterhin eine methylenblauhaltige Fistelgalle bei Hunden nach Darreichung per os zur Methylenblauabscheidung im Harne und in der Galle f\u00fchrt.\nEs ist hiermit die sicherlich nicht unwichtige Tatsache erwiesen, da\u00df wir in dem Methylenblau einen K\u00f6rper haben, welcher, \u00e4hnlich wie die Gallens\u00e4uren, einen intermedi\u00e4ren Kreislauf im Pfortaderbereiche ausl\u00fchrt.\n*) Das Gleiche gilt, wenn man meine Befunde mit den Angaben von M\u00fcller und Elsner vergleicht, f\u00fcr den Menschen mit und ohne Gallenfistel.","page":192},{"file":"p0193.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Leber.\n193\nDiese Tatsache ist f\u00fcr die Frage der \u00c4tiologie der diffusen Erkrankungen der Leber von Interesse; sie st\u00fctzt die schon mehrfach ausgesprochene Ansicht, da\u00df Lebercirrhose, z. B. bei chronischer Dyspepsie, dadurch entstehen k\u00f6nne, da\u00df im Darme sich bildende giftige Stoffe (Toxine) einen intermedi\u00e4ren Kreislauf durchmachten und damit die Leber nachhaltiger als andere dr\u00fcsige Organe sch\u00e4digten, wie z. B. die Nieren, welche die Stoffe zwar zur Ausscheidung br\u00e4chten, aber jedenfalls nur einmal unter der Passage derselben zu leiden h\u00e4tten.\nAus den Untersuchungen des Harnes nach Methylenblaudarreichung ist bekannt, da\u00df das Methylenblau zum Teil in ver\u00e4nderter Form zur Ausscheidung gelangt, da\u00df sich vor allen Dingen Reduktionsprodukte, die Leukok\u00f6rper, im Harne neben weniger ver\u00e4ndertem Farbstoffe finden.\nDie vorstehenden Beobachtungen, sowie einige weiter unten bei Besprechung der bakteriologischen Versuche zu nennende Tatsachen zeigten, da\u00df auch in der Galle derartige Leukok\u00f6rper vorhanden sind. F\u00fcr die Lehre von der \u00abFoie antiseptique\u00bb d\u00fcrften diese Befunde von Bedeutung sein, insofern als die Leukok\u00f6rper, welche in recht gro\u00dfer Menge in der Galle erscheinen, eine ungiftige Modifikation des Methylenblau darstellen, Es w\u00e4re zu untersuchen, ob auch direkt in die Pfortader injiziertes Methylenblau in der Leber diesem entgiftenden Umwandlungsprozesse unterliegt und welchen Anteil an diesem Vorg\u00e4nge dem Pfortaderblute zukommt,\nEs galt nun, wollte man zu Resultaten \u00fcber den therapeutischen Wert der Methylenblaudarreichung als Galledesinfici-ciens kommen, die Frage mit bakteriologischen Methoden zu verfolgen. Herr Dr. Hamburger, jetzt Assistent an der Kinderklinik (Prof. Escherieh) in Wien, unterzog sich seiner Zeit in dankenswerter Weise dieser Aufgabe.\nEs ergab sich aus diesen Versuchen, da\u00df Methylenblau zwar tats\u00e4chlich stark entwicklungshemmende Eigenschaften besitzt, da\u00df diese aber den Leukok\u00f6rpern wohl fehlen. In der Galle werden diese Leukok\u00f6rper in gro\u00dfen Mengen ausgeschieden. \u00dcberf\u00fchrt man dieselben durch Kochen der Methylenblaugalle mit wenig Essigs\u00e4ure in Methylenblau, so kommen dieser Galle","page":193},{"file":"p0194.txt","language":"de","ocr_de":"194\nLudolph Brauer,\nstarke baktericide Eigenschaften zu, die der unbehandelten Methylenblaugalle fehlen oder nur in geringen Grenzen eigen sind. Somit war \u2014 wenigstens bei der zun\u00e4chst gew\u00e4hlten Versuchsanordnung \u2014 eine therapeutische Wirkung des Methylenblau in der Galle nur in sehr beschr\u00e4nktem Grade nachweisbar.\nWir versuchten dann dadurch gr\u00f6\u00dfere Mengen von Methylenblau in die Galle zu \u00fcberf\u00fchren, da\u00df wir das Methylenblau mit Gallens\u00e4uren verkuppelten und so, anstatt des salzsauren, ein taurocholsaures, glykocholsaures oder choleinsaures Methylenblau gaben. Dieses f\u00fchrte bislang nicht zu entscheidenden Resultaten. Im Hinblick aber darauf, da\u00df wir mehrfach unter Methylenblaudarreichung cystitische Prozesse in der Galle zur\u00fcckgehen sahen, sollen die Versuche jedenfalls wieder aufgenommen werden.\nBei den engen Beziehungen der Leber zur Verarbeitung des Zuckers im Organismus war es von Interesse, zu untersuchen, ob und unter welchen Bedingungen Zucker in die Galle \u00fcberging.\nZuvor aber galt es, die Frage zu beantworten, ob die Galle schon normalerweise Zucker enthalte. Die in der Literatur nieder gelegten Befunde bieten hier Widerspr\u00fcche.\nW\u00e4hrend die gro\u00dfe Mehrzahl der Autoren (Mosler,1) Charcot, Krehlu. a.) die normale Galle f\u00fcr zuckerfrei erkl\u00e4ren, findet man vereinzelte Angaben, da\u00df dem nicht so sei. So erkl\u00e4rt Harley2) Traubenzucker als normalen Bestandteil der Galle von Hunden, Ochsen und Menschen. Sehr ausf\u00fchrlich behandelt Naunyn3) die Frage. Naunyn erkl\u00e4rt die Angabe der ihm zug\u00e4nglichen Autoren, da\u00df die Galle in der Norm keinen Zucker enth\u00e4lt, f\u00fcr irrig. Es sei im Gegenteil ein Leichtes, nachzuweisen, da\u00df auch die von nicht diabetischen Tieren (Zuckerstich) aus der Choledochusfistel gewonnene Galle wenigstens meistens Zucker enth\u00e4lt, da\u00df Zucker somit ein nor-\n1)\tMosler, Untersuchungen \u00fcber den \u00dcbergang von Stoffen aus \u25a0dem Blut in die Galle, Habilitationsschrift. Gie\u00dfen 1857. Kellers Verlag.\n2)\tHarley, Leberkrankheiten. (Deutsche Ausgabe) 1883, S. 25.\n3)\tNaunyn, Beitr\u00e4ge zum Diabetes mellitus. Arch. f. exper. Path, und Therapie, Bd. Ill, S. 157 ff.","page":194},{"file":"p0195.txt","language":"de","ocr_de":"195\nUntersuchungen \u00fcber die Leber.\nmaler Gallenbestandteil sei. Auch die Blasengalle frisch get\u00f6teter Kaninchen fand Naunyn h\u00e4ufig zuckerhaltig, mehrfach aber auch zuckerfrei. Der Zuckergehalt schien bei den Tieren, denen eine Choledochusfistel angelegt war, allm\u00e4hlich zuzunehmen. Quantitativ bestimmbar war der Zucker nie. (Versuche an Kaninchen. Zuckernachweis mit der Trommersehen Probe bei vorheriger Enteiwei\u00dfung.)\nDemgegen\u00fcber stehen die Versuche von Mos 1er, der wie ich an Hunden experimentierte, mit folgenden Resultaten : Die Galle wurde mit einer L\u00f6sung von basischem essigsauren Blei versetzt, bis keine F\u00e4llung mehr eintrat ; alsdann filtriert, das klare Filtrat in einem Porzellansch\u00e4lchen mit Fehlingscher L\u00f6sung gekocht. Diese Fl\u00fcssigkeit wurde wiederum filtriert, um etwaige Spuren reduzierten Kupferoxydes auf dem Filter erkennen zu k\u00f6nnen. Bei diesem Vorgehen wurde die Hundegalle stets zuckerfrei gefunden. Andererseits konnte Mos 1er sich durch Zusatz von Traubenzucker zur Galle vielfach \u00fcberzeugen, da\u00df selbst ganz geringe Mengen von Traubenzucker auf dem beschriebenen Wege nachweisbar sind.\nIch selbst konnte dieses Resultat in nachstehenden und anderen Versuchen best\u00e4tigen:\n1.\tFrische menschliche Fistelgalle, frei von koagulierbarein Eiwei\u00df.\nSchleim mit Essigs\u00e4ure gef\u00e4llt, filtriert ; das klare Filtrat mit Soda neutralisiert. Dieses Filtrat gibt mit Fehling und mit Ny land er keine Reduktion.\n4 Proben der gleichen Galle erhalten einen Traubenzuckerzusatz, von 0,5, 0,25 \u00b0/o, 0,125 \u00b0/o und 0,0625 \u00b0/o.\nDie Proben, nach obiger Weise vorbehandelt, geben alle positive Fehling sehe Reaktion: auf Ny lander reagiert nur die Probe mit 0,06 \u00b0/o Traubenzuckerzusatz nicht.\n2.\tFrische Hundegalle. (Urin zuckerfrei.)\na)\tF\u00e4llung und Neutralisation wie oben; zu gleichen Teilen mit frischer Fehlingscher L\u00f6sung versetzt. \u2014 Keine Reduktion.\nb)\tF\u00e4llung mit Eleiacetat, Filtrat mit SH2 behandelt, filtriert. \u2014 Keine Reduktion mit Fehling scher L\u00f6sung.\nc)\tF\u00e4llung der Galle mit dem 5 fachen Volumen Alkohol absolut. Filtriert. Das Filtrat auf dem Wasserbade eingedampft, der R\u00fcckstand in H20 gel\u00f6st. \u2014 Keine Reduktion mit Fehlin g scher L\u00f6sung.","page":195},{"file":"p0196.txt","language":"de","ocr_de":"196\nLudolph Brauer\nDer Schleimniederschlag wird 4 Min. bei schwach saurer Reaktion mit H20 gekocht. \u2014 Filtrat gibt keine Reduktion.\n3.\tFrische Menschengalle.\na)\tF\u00e4llung mit dem gleichen Volumen konz. neutr. Bleiacetatl\u00f6sung. Das Filtrat zur Bleif\u00e4llung mit neutr. phosphors. Natron in Substanz vernetzt. \u2014 Das Filtrat gibt keine Reduktion.\nb)\t10 ccm Galle ohne Vorbehandlung mit 20 ccm frischer Fehling-scher L\u00f6sung versetzt, gibt schwache Reduktion.\nc)\t50 ccm Galle wie oben mit Alkohol etc. behandelt. \u2014 Filtrat keine Reduktion.\n4.\tDie gleiche Galle wird mit l\u00b0/o Traubenzucker versetzt.\na)\t20 ccm mit Alkohol gef\u00e4llt. Filtrat eingedampft, Rest in 20 ccm H20 gel\u00f6st. Da diese L\u00f6sung nicht im Polarisationsapparat zu untersuchen ist, wird dieselbe schwach sauer gemacht und mit dem gleichen Volumen neutr. Bleiacetatl\u00f6sung gekl\u00e4rt.\nDieses Filtrat ergibt jetzt 0,4 \u00b0/u Traubenzucker (Halbschattenapparat). Es wird also der Traubenzucker im Hinblick auf die bestehenden Fehler--quellen mit geringem Verlust nachgewiesen (0,8 \u00b0/o statt 1 \u00bb.\nb)\t50 ccm obiger Galle mit neutr. Bleiacetat gef\u00e4llt. Filtrat. Der Bleiniederschlag bis zum Schwinden der Reduktionsproben mit Wasser nachgewaschen. F\u00e4llung des Bleis mit neutr. phosphors. Natron in Substanz. Filtriert. Niederschlag gut nachgewaschen. Bei Polarisation und Umrechnung findet sich statt l\u00b0/o Traubenzucker 0,9 \u00b0/o.\nIch mu\u00df nach diesen und weiteren h\u00e4ufigen Proben somit \u2022die normale Menschen- und Hundegalle praktisch f\u00fcr .zuckerfrei erkl\u00e4ren. Zuckermengen, die unter der Empfindlichkeitsschwelle der F ehlingschen oder Ny land er sehen Probe liegen, m\u00f6gen allerdings in der Galle ebenso wie im Urin vorhanden sein. F\u00fcr die nachfolgenden Untersuchungen bleiben dieselben aber belanglos. Da\u00df native Galle, speziell wenn dieselbe gefault ist, die Reduktionsproben gibt, ist bei dem Schleimgehalt derselben nicht zu verwundern.\nDie Untersuchungen \u00fcber pathologische Glykocholie lehnten sich an die wesentlichsten Formen der experimentellen \u2022Glykosurie an. Sie ergaben die nachstehenden Resultate:\n1. Aliment\u00e4re Glykosurie.\na) Bertha H. 13. XI. 99. wegen Cholelithiasis operiert. Kanalisation \u25a0des Duct, cysticus. Abflu\u00df reichlicher Mengen d\u00fcnner Galle (in 3 Stunden meist etwa 200 ccm). Spez. Gew. 1013. Wenig fadenziehend. Sediment:","page":196},{"file":"p0197.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Leber.\n197\nOxals. Kalk, gelbe massige Kugeln, blaue, doppelt konturierte Kugeln. Detritus. Epithelien.\nAm 25. XI. 12 U. Traubenzucker 100 g 1 \u00bb Mittagessen.\nKeine Glykosurie. Die Galle von 12 U. mittags bis 8 U. abends in etwa 2 st\u00e4ndigen Portionen untersucht. (Mucinf\u00e4llung mit Essigs\u00e4ure.) Die Reduktionsproben bleiben negativ, b) Hund (1. XII. operiert).\n7. XII. 10 U. vorm. 130 g Traubenzucker per Sonde in den n\u00fcchternen\nMagen.\n10\u201411\u2018/4 U. Urin I und Galle I (3 ccm)\nID/d\u201412\u2018/2\t\u00bb\t\u00bb\tII\t\u00bb\t\u00bb\t11\t(21/-2\t\u00bb\t)\n121/2\u2014l:i/i\t\u00bb\t\u00bb\tHI\t\u00bb\t\u00bb\tUI\t(3\t\u00bb\t)\n1;! 4\u20145\t\u00bb\t\u00bb\t\u00bb\t\u00bb\tIV\t(4\t\u00bb\t)\nUrin I. Ny land er sehe Probe \u2014 unsicher.\nFeh ling sehe Probe \u2014 langsam positiv.\nTrommersehe Probe \u2014 schwache Reduktion, aber keine\nF\u00e4llung.\nEinzelne Glykosazonkrystalie.\nUrin II. 4% Traubenzucker.\nUrin III. Reduktionsproben schwach positiv. Sp\u00e4rlich Glykosazon. Alle 4 Gallenproben geben (Essigs\u00e4ure-Schleimf\u00e4llung) Ny-1 ander-. Fehling- und Phenylhydrazinprobe negativ.\n2. Phloridzin-Diabetes.\nHund. 13. XII. 0 U. vorm. 10 g Phloridzin per os, frei von Traubenzucker. Leichte Cystitis. 9\u201411 U. Galle I. 12 ccm. Hellgoldgelb, darin ein Klumpen dunklerer Galle.\nUrin I, hell, 37 ccm, 7,09 \u00b0/o Traubenzucker. Das Tier zeigt gro\u00dfen Durst. 11\u20141 U. Galle II, 12 ccm, noch heller als wie zuvor.\nUrin II. 37,5 ccm, 3,54 \u00b0/o Traubenzucker. 123/4 U. Erbrechen von Fleisch und etwas Phloridzin. 1\u20143^2 U. Galle III, 30 ccm, hellgoldgelb. Spez. Gew. 1,0135. Urin III, 7,0 \u00b0/o Traubenzucker. 31/2\u20144V2 U. Das Tier ist sehr matt, wird daher aus der Bandage genommen. 4^2\t7 lj* U.\nGalle IV, 28,5 ccm. Spec. Gew. 1017. Urin IV, 95 ccm. Spec. Gew. 1037. 6,19 \u00b0/o Traubenzucker. Am 14. XII. kommt das Tier fr\u00fch 91/2 U. in die Bandage.\n9 V2\u2014121/2 U. Galle V, 20 ccm.\nUrin V, 3,55 \u00b0/o Traubenzucker.\nIn keiner Gallenprobe l\u00e4\u00dft sich Traubenzucker nach-weisen, und zwar weder nach der Essigs\u00e4uref\u00e4llung noch nach Alkohol -f\u00e4llung. Die Gallen sind auch frei von koagulierbarem Eiwei\u00df.\n3. Pankreas-Diabetes.\na) Scheckige H\u00fcndin, Art Jagdhund. 25. I. Pankreasexstirpation. Gallenblase wird er\u00f6ffnet und Drainrohr eingelegt.","page":197},{"file":"p0198.txt","language":"de","ocr_de":"198\nLudolph Brauer\n26.\tI. Kein Fieber, etwas matt. Erbrechen. Galle 2xf% ccm. Bei F\u00e4llung mit Bleiacetat und Entbleien durch Natriumphosphat: Keine Reduktion.\nDer Urin von den Morgenstunden reduziert deutlich; spez. Gew. 1028,5.\nDer Abendurin gibt nur ganz schwache Reduktionsproben, er ist sehr hochgestellt. Spez. Gew. 1034.\n27.\tI. morgens 9 U. Urin auff\u00e4llig hell, spez. Gew. 1011. \u2014 Keine Reduktionsproben. Von 9 U. abends (26.1.) bis 9 U. fr\u00fch 14 ccm Galle, tief dunkel, keine Blutbeimengung. Bei Behandlung mit Bleiacetat etc. ganz schwache Reduktion.\nAbends 5 U. Urin, keine Reduktion.\nGalle 7 ccm, sehr dunkel. Auch diese Galle gibt schwache Reduktion.\nIm ganzen genommen sind aber diese Reduktionsproben in den Gallen nur ganz schwach und nicht sicher genug auf Traubenzucker hinweisend.\n29. I. Tod an Peritonitis.\nb)\tKleiner langhaariger Teckel.\n5.\tII. 00, 10 U. vorm. Pankreasexstirpation, keine Gallenfistel.\n6.\tII. 9. U. vorm. Harn reduziert deutlich.\n7.\tII.\u20149. II. Harn stets deutlich zuckerhaltig.\nAm 9. II. 2 U. nachm, wird das Tier get\u00f6tet. In der Leiche 15 ccm Urin mit 5,6 \u00b0/o Traubenzucker. Ferner 7,5 ccm Galle. Diese Galle wird mit dem 5 fachen Volumen absoluten Alkohols gef\u00e4llt, filtriert. Das Filtrat wird auf dem Wasserbade eingedampft, der R\u00fcckstand in Wasser gel\u00f6st. Diese L\u00f6sung gibt stark Reduktionsproben. Durch Polarisation und Umrechnung wird f\u00fcr die native Galle 1,2 \u00b0/o Traubenzucker gefunden.\nc)\tWei\u00dfer, sehr fetter Spitz. 16. II. 00 Pankreasexstirpation, doch ist es fraglich, ob es gelang, das Organ wirklich ganz zu entfernen. Keine Gallenfistel. Sehr bald Anzeichen von Peritonitis. Daher wurde das Tier nach 26 Stunden get\u00f6tet.\nDer Harn hatte 3,6 \u00b0/o Traubenzucker. Es fanden sich 7 ccm Galle. Diese mit Bleiacetat und Natriumphosphat behandelt. Durch die verschiedenen Prozeduren kommt das schlie\u00dfliche Filtrat auf 50 ccm. Von dem Filtrat geben 20 ccm sehr deutliche Reduktion mit Fehlingscher L\u00f6sung.\nDie polarimetrische Bestimmung gibt f\u00fcr die urspr\u00fcngliche Galle 0,8 \u00b0/o Traubenzucker.\nd)\tKontrolle.\nEin Hund, dem zu anderen Versuchen eine Duodenalfistel angelegt war, starb an starker Peritonitis, die speziell auch neben dem Pankreas sich ausgebreitet hatte. Es finden sich bei der Sektion 10 ccm Galle. Diese zeigt keinen Zuckergehalt (Behandlung mit Bleiacetat etc.).\nAus den vorstehenden Versuchen erhellt als Resultat","page":198},{"file":"p0199.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Leber.\n199\nder \u00dcbertritt von Zucker in die Galle w\u00e4hrend der ersten Tage des Pankreasdiabetes. Es fehlen mir Versuche \u00fcber den Zuckerstich, doch kann ich hier auf die zitierte Arbeit Naunyns verweisen. Naunyn fand nach gelungenem Zuckerstich stets Glykocholie, wenn auch nie so reichlich, da\u00df eine quantitative Bestimmung m\u00f6glich war.\nBedauerlicherweise gelang es mir nie (mehrere v\u00f6llig mi\u00dfgl\u00fcckte Operationen habe ich hier \u00fcbergangen), Tiere mit Pankreasdiabetes und gleichzeitiger Gallenfistel l\u00e4ngere Zeit am Leben zu erhalten. Daher entscheiden die Versuche nicht dar\u00fcber, ob die Glykocholie nur w\u00e4hrend der ersten Periode, d. h. w\u00e4hrend der Einschmelzung der Leberglykogenvorr\u00e4te, besteht, oder ob sie auch sp\u00e4ter, wenn die Leber ihr Glykogen schon zum gr\u00f6\u00dften Teil verloren hat, noch andauert.\nEine Erkl\u00e4rung der Befunde d\u00fcrfte schwer zu geben sein. Eine Hyperglyk\u00e4mie k\u00f6nnte die positiven Resultate bei Pankreasdiabetes und bei dem Zuckerstich verst\u00e4ndlich machen ; der negative Ausfall der Versuche mit aliment\u00e4rer Glykosurie w\u00fcrde dem aber widersprechen. Es w\u00e4re weiterhin m\u00f6glich, da\u00df Blutdruckver\u00e4nderungen in der Leber oder die relativ rasche Umwandlung der Glykogenvorr\u00e4te Zucker in die Galle \u00fcbertreten lie\u00dfen. Besonders die letztere Annahme d\u00fcrfte viel f\u00fcr sich haben und w\u00e4re der Vorgang alsdann als eine Art Parapedesis im Sinne Minkowskis aufzufassen.\nDie VersucheMoslers, welcher nach intraven\u00f6ser Injektion von 65, 70 und 80 g Traubenzucker bei Hunden geringe Zuckermengen in der Galle fand, sind wohl zu sehr von den nat\u00fcrlichen Verh\u00e4ltnissen abweichend, um von erkl\u00e4render Bedeutung zu sein. Da\u00df Mosler selbst bei intraven\u00f6ser Injektion von 40 g Traubenzucker die Galle zuckerfrei fand, k\u00f6nnte h\u00f6chstens daf\u00fcr sprechen, da\u00df die Hyperglyk\u00e4mie nicht die Ursache des Zucker\u00fcbertrittes in die Galle ist. Es will mir daher auch die Deutung, da\u00df der Zucker deswegen in die Galle \u00fcberginge, weil er ein leicht diffusibler K\u00f6rper sei, nicht recht wahrscheinlich erscheinen. Die Angabe, Traubenzucker ginge dann in die Galle \u00fcber, wenn im Blute 3\u00b0/oo oder mehr desselben enthalten sei, w\u00e4hrend zur Glykosurie ein Zuckergehalt des\n14\nHoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie. XL.","page":199},{"file":"p0200.txt","language":"de","ocr_de":"200\nLudolph Brauer\nBlutes von 4\u00b0/oo bestehen m\u00fcsse (Cl. Bernard, Ch. Robin1), d\u00fcrfte wohl nicht zu Recht bestehen.\nDie Angabe Hosiers, da\u00df Rohrzucker nach intraven\u00f6ser Applikation rascher als wie Traubenzucker in die Galle \u00dcbertritt, habe ich nicht kontrolliert. Levene2) fand bei Hunden, denen er Phloridzin per os, subkutan oder durch Einspritzung in die V. port, beibrachte, in der Galle etwas Zucker.\nAm 20. Februar begann an dem besten der operierten Hunde (einer H\u00fcndin von tadellosem Ern\u00e4hrungszust\u00e4nde, welche am\n1.\tXII. operiert wurde, deren Fistel3) sehr gut ausgebildet war und eine klare goldgelbe, in keiner Weise cystitisch ver\u00e4nderte Galle sezernierte) eine Versuchsreihe, die sich mit der Frage des \u00dcbertrittes von Alkohol in die Galle besch\u00e4ftigen sollte und die nun unerwartete Resultate zeitigte. Bevor ich an diese Arbeit ging, wurden Vorversuche unternommen, die sich mit dem Alkoholnachweis in der Galle befa\u00dften, sowie mit genauer chemischer Durcharbeitung des Gallen-schleims und der M\u00f6glichkeit, in der Galle koagulierbares Eiwei\u00df nachzuweisen, ohne St\u00f6rungen durch Schleimf\u00e4llungen oder Niederschl\u00e4gen von Gallens\u00e4uren ausgesetzt zu sein.\nNormale Menschen- und Hundegalle erwies sich als alkoholfrei.\nUntersuchungsmethode: 30\u201450 ccm Galle wurden mit etwa der gleichen Menge destillierten Wassers versetzt, darauf mit neutralem Bleiacetat gef\u00e4llt, filtriert, der Filterr\u00fcckstand gut nachgewaschen, das Filtrat schw\u00e4ch mit Essigs\u00e4ure versetzt und dann ein- oder zweimal destilliert.\nDas Destillat wurde durch den Geruch, sowie durch die nachstehenden Proben4) auf die Anwesenheit von Alkohol kontrolliert.\n1.\tJodoformprobe.\n2.\tProbe mit Kaliumkarbonat.\n3.\tProbe mit Benzoylchlorid.\n*) Zitiert nach Charcot a. a. 0., S. 82,\n2)\tLevene, The influence of phloridzin on the bile and lymph. Journ. of experim. med. (New-York) 1897. Bd. II, S. 107\u2014115.\n3)\tEine gut angelegte Gallenfistel ist \u2014 wenn nicht drainiert \u2014 geschlossen. Es wird hierdurch der Infektion der Gallenwege vorgebeugt.\n4)\tcf. Hoppe-Seyler, Lehrb. V. Auf!., S. 100. Sp\u00e4th, Untersuchung des Harnes, S. 67.","page":200},{"file":"p0201.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Leber.\n201\nBei Anwendung dieses Untersuchungsverfahrens gelang es unschwer, geringe der Galle zugesetzte Mengen von \u00c4thylalkohol nachzuweisen.\nIch habe dann das Mucin der menschlichen und der Hu nde g alle untersucht, indem ich es mit Essigs\u00e4ure oder mit Alkohol f\u00e4llte, es in verd\u00fcnnter Sodal\u00f6sung l\u00f6ste und dieses Verfahren ein- bis zweimal wiederholte. Ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen beiden F\u00e4llungsmethoden bestand nicht. Die so gereinigte Mucinl\u00f6sung ist f\u00e4denziehend, schleimig, gelblich gef\u00e4rbt, Essigs\u00e4ure f\u00e4llt und l\u00f6st im \u00dcberschu\u00df wieder auf. Hundemucin gab nach der Spaltung mit verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure eine Reduktion, ebenso fiel die Molischsche Reaktion grob positiv aus. Bei der Verdauung mit Pepsinsalzs\u00e4ure entstand kein Niederschlag, d. h. also der Schleimstoff der Hundegalle ist echtes Mucin und kein Nucleoalbumin.\nDas Mensehenmucin wird durch Salpeters\u00e4ure und die \u00fcblichen Eiwei\u00df f\u00e4llungsmittel gef\u00e4llt. Es gibt die Xanthoproteinreaktion, die Reaktion von Millon schwach, von Moli sch sehr stark. Auffallend war, da\u00df Hunde- und Mensehenmucin eine nur ganz undeutliche Biuretreaktion gaben, vermutlich infolge der Beimengung der Gallenfarbstoffe.\nDie F\u00e4llungsgrenzen f\u00fcr Ammonsulfat liegen f\u00fcr Menschen-und Hundemucin ziemlich \u00fcbereinstimmend zwischen 3,2 und 5,4 ; f\u00fcr Menschengalle einmal sehr scharf zwischen 3,2 und 4,6. Die Verdauung von Mensehenmucin mit Pepsinsalzs\u00e4ure wurde nach Pick1) untersucht. Nach 5st\u00e4ndiger Verdauung mit sehr wirksamem Pepsin waren weder prim\u00e4re Aibumosen noch Pepton nachzuweisen, dagegen sehr reichlich Deuteroalbumose B und in Spuren Deuteroalbumose A, auch hier war ein Pseudo-nucleinniederschlag nicht zu sehen.\nIm \u00fcbrigen sei hinsichtlich des menschlichen Gallenmucins auf Hamm ar st en2) und Paijkull3) verwiesen.\n1)\tE. P. Pick, Diese Zeitschr., Bd, XXVIII, S. 219, 1899.\n2)\tHammarsten, Zur Kenntnis der Lebergalle des Menschen. Mitt. d. K. Akad. der Wiss. Upsala 1893.\ns) Linkoll Paijkull, \u00dcber die Schleimsubstanz der Galle. Diese Zeitschr., 1888, Bd XII, S. 195.\n14*","page":201},{"file":"p0202.txt","language":"de","ocr_de":"202\nLudolph Brauer\nEs kam nun weiter darauf an, etwa vorhandenes koagulierbares Eiwei\u00df neben dem Mucin nachzuweisen. Die Schwierigkeit war, da\u00df nicht einfach das Mucin durch S\u00e4ure ausgef\u00e4llt und im Filtrat das Eiwei\u00df durch Kochen bestimmt werden konnte, denn die Essigs\u00e4ure macht Taurochols\u00e4ure frei und diese Taurochols\u00e4ure f\u00e4llt das koagulierbare Eiwei\u00df.\nIch habe folgende Versuche angestellt:\nProtokolle.\n1.\tNormale, klare, nicht gefaulte Galle bleibt bei neutraler oder ganz schwach essigsaurer \u2014 eine Mucinf\u00e4llung noch nicht bedingender \u2014 Reaktion beim Kochen klar.\n2.\tZusatz geringer Mengen Blutserum l\u00e4\u00dft unter den vorstehenden Bedingungen eine Tr\u00fcbung oder einen flockigen Niederschlag auftreten. F\u00e4llt bei der selbst sehr vorsichtigen Ans\u00e4uerung dennoch etwas Mucin aus, so ist von demselben abzufiltrieren. Auch jetzt l\u00e4\u00dft sich im klaren Filtrat durch Aufkochen eventuell vorhandenes koagulierbares Eiwei\u00df deutlich und sicher nachweisen.\n3.\tSetzt man \u2014 zur Mucinf\u00e4llung nach dem Vorg\u00e4nge von Johansson1) \u2014 reichlicher starke Essigs\u00e4ure zur Galle, so wird zwar das Mucin fast v\u00f6llig gef\u00e4llt, aber auch das koagulierbare Eiwei\u00df zum gro\u00dfen Teil mit niedergerissen. Im Filtrate ist das koagulierbare Eiwei\u00df dann zwar noch h\u00e4ufig, aber nicht immer nachzuweisen. Es widerspricht dieses den Angaben von Johansson, welcher in anderen Eiwei\u00dfl\u00f6sungen durch eine etwa 3\u00b0/oige Essigs\u00e4urel\u00f6sung Albumin und Globulin unbeeinflu\u00dft in L\u00f6sung bleiben sah, dagegen das Mucin zum gr\u00f6\u00dften Teil f\u00e4llte. Dieses Resultat sowie auch Beobachtungen w\u00e4hrend der Alkoholversuche (spez. Versuch VIII) veranla\u00dften nachstehende Pr\u00fcfungen.\n4.\tEine L\u00f6sung gallensaurer Salze gibt mit Essigs\u00e4ure keine Tr\u00fcbung, ebensowenig mit einer Kochsalzl\u00f6sung. Setzt man aber beides, hinzu, so tritt ein Niederschlag auf; dieser l\u00f6st sich zun\u00e4chst wieder und bleibt erst bei einem \u00dcberschu\u00df von Kochsalz bestehen. Bei alkalischer Reaktion bleibt das Kochsalz ohne Einflu\u00df auf die Cholatl\u00f6sung.\n5.\tDiese Cholatl\u00f6sung gibt mit einer aufs 20fache verd\u00fcnnten Blutseruml\u00f6sung versetzt an sich keine Reaktion. Ebenso gibt das 20faeh verd\u00fcnnte Serum mit verd\u00fcnnter Essigs\u00e4ure versetzt keinen Niederschlag. Sobald man aber der letzteren Mischung die schwach alkalische Cholatl\u00f6sung zusetzt, erh\u00e4lt man einen dichten Niederschlag. Dieses hei\u00dft also : Blutserum gibt bei schwach saurer Reaktion mit einer L\u00f6sung von Cho-laten einen Niederschlag.\n*) Johansson, \u00dcber das Verhalten des Serumalbumins zu S\u00e4uren und Neutralsalzen. Diese Zeitschr., Bd. IX, S. 310 ff.","page":202},{"file":"p0203.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Leber.\n203\n6.\tAufs SOfache verd\u00fcnntes Serum mit Cholatl\u00f6sung versetzt und schwach anges\u00e4uert bis zur deutlichen Opaleszenz \u2014 von der nicht ab-tiltriert werden kann \u2014 gibt beim Kochen einen deutlichen Niederschlag. Cholatl\u00f6sung mit Essigs\u00e4ure gekocht gibt nichts. Erst beim st\u00e4rkeren Zusatz von NaCl tritt F\u00e4llung ein.\n7.\tAufs 20fache verd\u00fcnntes Serum mit viel Cholatl\u00f6sung versetzt gibt hei stark essigsaurer Reaktion eine deutliche Tr\u00fcbung, die nach vieler M\u00fche leidlich klar abzufiltrieren ist. Das Filtrat gibt beim Kochen einen schwachen Niederschlag \u2014 jedenfalls aber viel weniger, als der urspr\u00fcnglich vorhandenen Eiwei\u00dfmenge entspricht.\nWurde dieses Filtrat durch schwache L\u00f6sung von kohlensaurem Natron weniger sauer gemacht, so ist die beim Sieden auftretende Tr\u00fcbung eine noch viel geringere.\nDieses letztere zeigt, da\u00df die Gallens\u00e4uren (Taurochols\u00e4ure des Hundes), wenn dieselben durch viel Essigs\u00e4ure frei gemacht werden, koagulier bar es Eiwei\u00df zum Teil f\u00e4llen, da\u00df daher eine zu starke S\u00e4uerung zu wenig Eiwei\u00df zeigt. Auch durch Zur\u00fccktitrieren ist dann die Reaktion auf koagulierbares Eiwei\u00df nicht mehr zu bessern; sie wird sogar eher undeutlicher.\nHieraus ergibt sich folgende Methodik:\nMan s\u00e4uert die Galle mit sehr stark verd\u00fcnnter Essigs\u00e4ure soweit an, da\u00df es noch keine Mucinf\u00e4llung gibt. Dieses l\u00e4\u00dft sich mit Maysschem1) Lakmuspapier leicht ausf\u00fchren. Dann f\u00fcgt man einige Tropfen Kochsalzl\u00f6sung hinzu, wodurch die Mucinf\u00e4llung nicht beeinflu\u00dft, die Eiwei\u00dfkoagulation dagegen erleichtert wird. Wenn man nun kocht, so bleibt normale Galle von Mensch oder Hund v\u00f6llig klar, die geringste Spur von koagulierbarem Eiwei\u00df aber verr\u00e4t sich durch einen Niederschlag oder mindestens eine deutliche Tr\u00fcbung.\nNur mit dieser Methodik ist es mir m\u00f6glich gewesen, Eiwei\u00df neben dem Mucin einwandfrei in der Galle nachzuweisen.\nDie Versuche mit Darreichung von Alkohol f\u00fchrten zu folgenden Resultaten:\nI. Versuch. 20. II. 00.\nUm 12 U. 5 M. 25 ccm absoluter Alkohol in 125 ccm Wasser per Sonde eingegeben.\nr) K. Mays, Notiz \u00fcber eine bequeme Rereitungsweise des neutralen Lakmuspapieres. Verh. d. naturhist. med. Vereines zu Heidelberg. N. F. Bd. III, Heft 4. Verlag v. Winter, Heidelberg.","page":203},{"file":"p0204.txt","language":"de","ocr_de":"204\nLudolph Brauer,\nGalle I (12 U. 10 M.\u20141 U. 10 M.): 10,5 ccm.\nUm 1 U. weitere 20 ccm Alkohol (absol.) in Wasser gel\u00f6st eingegeben.\nUm 12 U. 40 M. reichlich Fleischnahrung. Galle II (1 U. \u00ab30 M. bis 3 U.): 15,0 ccm.\nGalle I. F\u00e4llung mit dem gleichen Volumen neutralem Bleiacetat, dem Filtrat wird zur F\u00e4llung des Bleies Kaliumkarbonat zugesetzt und dann zweimal destilliert. Von diesem zweiten Destillat gibt die erste Partie keinen Alkoholgeruch. Jodoformprobe: ganz geringer Niederschlag-Chroms\u00e4ureprobe : die L\u00f6sung wird braun, nicht gr\u00fcn. In der zweiten Partie alle Proben auf Alkohol negativ.\nGalle II. Ebenso behandelt. Das zweite Destillat riecht deutlich nach Alkohol, gibt sehr ausgepr\u00e4gte Ghroms\u00e4ureprobe sowie positive Jodoformprobe und zwar mit einem, den Boden des Glases f\u00fcllenden Niederschlag.\nAm 21. II. 00: Gewicht des Hundes 9,400 kg.\nII. Versuch. 22. II. 00.\n10 U. 45 M. 30 ccm \u00c4thylalkohol.\n5\t\u00bb Amylalkohol,\nad 200\t\u00bb Wasser.\nGalle I. 10 U. 45 M.\u201412 U. 45 M. : 18 ccm.\nSehr intensiver Geruch nach Amylalkohol.\nGalle II. 12 U. 45 M.\u20145. U. : 28 ccm. Gleichfalls sehr stark riechend. Galle III. 5\u20146 U. 8 ccm. Diese riecht schwach nach Amylalkol. Das Tier war die ganze Zeit schwer trunken, h\u00e4ngt hin und her pendelnd passiv in der Bandage ; um 12 U. war der Kornealreflex sehr verlangsamt.\nProben auf koagulierbares Eiwei\u00df.\nGalle I und II sehr schwach anges\u00e4uert, mit stark 'verd\u00fcnnter Essigs\u00e4ure (Mays Lakmuspapier) v\u00f6llig klar filtriert. Beim Kochen eine flockige Koagulation, welche den Boden des Reagensglases bedeckt.\nGalle III gibt bei gleicher Probe nur schwache Opaleszenz.\nProbe auf Traubenzucker in Galle II.\nBehandlung von 10 ccm mit Bleiacetat und Natriumphosphat. \u2014 Gibt nur sehr schwache Reduktionsproben.\nProbe auf \u00c4thylalkohol.\n10 ccm wie oben behandelt, zweimal destilliert, geben\u2019schwache Jodoformprobe (Jodoformgeruch, aber keine deutliche F\u00e4llung), negative Ghroms\u00e4ureproben (nur Br\u00e4unung). Proben auf Amylalkohol schienen in Anbetracht des deutlichen Amylalkoholgeruches sowie der geringen verf\u00fcgbaren Mengen der Galle nicht n\u00f6tig.\nSediment: Sehr reichlich lange Zylinderepithelien, in Schleim eingelagert, teils gelb, teils farblos.","page":204},{"file":"p0205.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Leber.\n205\nIII. Versuch. 24. II. 00.\n10. U. 25 M. 5 ccm Amylalkohol.\nj\n10\t\u00bb \u00c4thylalkohol\nin 100\t\u00bb Wasser.\nGalle\tI. 10 U.\t25\tM.-12\tU. 30 M. :\t18\tccm.\nGalle II. 12 U.\t30\tM.\u2014 5\tU. 30 M. :\t53\tccm.\nBeide Gallen riechen deutlich, wenn auch nicht so stark, wie jene vom 22. IL, nach Amylalkohol, auch geben beide bei der Probe auf koagulier bar es Eiwei\u00df deutliche Tr\u00fcbung mit geringer flockiger F\u00e4llung (das Filtrat der Gallen war vor dem Kochen nach vorsichtigem Ans\u00e4uern und Verd\u00fcnnung mit NaCl-L\u00f6sung v\u00f6llig klar). In der Galle II war die Kochprobe etwas weniger stark positiv als wie in Galle I.\nIV. Versuch. 26. II. 00.\n11\tU.\t25 ccm \u00c4thylalkohol in 100 ccm\tWasser.\n12\tU.\t25\t\u00bb\t\u00bb\t\u00bb 100\t\u00bb\nGalle I. 11- 12 U.: 15 ccm.\n\u00e4\u00e4 mit 0,6\u00b0/oiger NaCl L\u00f6sung versetzt. Teilweise F\u00e4llung des Mucins mit Essigs\u00e4ure. Klares Filtrat. Die Kochprobe gibt deutliche Tr\u00fcbung, aber keine F\u00e4llung.\nBei einer Probe ohne NaCl-Zusatz gleichfalls positive Kochprobe, aber auch hier keine F\u00e4llung.\nGalle II. 12 U.\u20145 x/2 U. : 40 ccm.\nNur ganz schwache Tr\u00fcbung beim Kochen des klaren Filtrates auf Eiwei\u00df. Auch an manchen alkoholfreien Tagen erh\u00e4lt man dieses Resultat.\nBei beiden Proben (Galle I und II) war ziemlich viel Essigs\u00e4ure zugesetzt, das Filtrat war stark sauer. Es ist daher wohl m\u00f6glich, da\u00df ein Teil des koagulierbaren Eiwei\u00dfes mit niedergeschlagen wurde. (Vgl. hierzu die vorstehenden Angaben \u00fcber den Eiwei\u00df-Nachweis in der Galle.) Immerhin aber zeigt dieser Versuch im Vergleich zu den anderen Versuchen die Eiwei\u00dfkochproben auff\u00e4llig schwach.\nSediment. Die Galle I wird 15 fach mit Wasser verd\u00fcnnt, dann zentrifugiert.\nGelbrote, amorphe, zum Teil aus feinen, radi\u00e4r gestellten Nadeln bestehende Klumpen (an schlecht ausgebildete Glykosazonkrystalle erinnernd). Mehrfach zusammenh\u00e4ngende Membranen aus Zylinderzellen ; diese sehen von der Fl\u00e4che wie Wabengewebe aus. Ferner zwei ganz klare deutliche Zylinder aus dem charakteristischen hohen Zylinderepitliel der kleineren Galleng\u00e4nge bestehend, auch im Kaliber den letzteren entsprechend.\nAm 28. II. alkoholfreier Tag. Die Galle gibt nur ganz schwache Tr\u00fcbung bei den Kochproben.","page":205},{"file":"p0206.txt","language":"de","ocr_de":"206\nLudolph Brauer,\nV.\tVersuch. 1. III. 00.\n10 U. 30 M. 3 ccm Amylalkohol.\n30\t\u00bb \u00c4thylalkohol\nin 150\t\u00bb Wasser n\u00fcchtern eingegehen, dann bald Futter.\nGalle I. 10 U. 30 M.\u201412 U.: 12,5 ccm.\nKaum riechend, mit dem gleichen Volumen Wasser versetzt, dann sehr schwach anges\u00e4uert. Klar filtriert. Schwache Tr\u00fcbung beim Kochen.\nGalle II. 12 U.\u20143 U.: 30 ccm.\nDeutlich nach Amylalkohol riechend. Im Destillat \u00c4thylalkohol nachzuweisen. Sehr deutliche Eiwei\u00dfkochproben (gleiches Volumen Wasser, sehr vorsichtig verd\u00fcnnte Essigs\u00e4ure). Keine reduzierende Substanz bei Bleiacetat-Natriumphosphat-Behandlung.\nDer Urin dieser Zeit gibt keinen Amylgeruch, keine Reduktionsproben, geringe Mengen Albumin (Cystitis), keine Nierenzylinder. In Destillat \u00c4thylalkohol nicht nachzuweisen.\nVI.\tVersuch. 5. III. 00.\n10. U. 5 ccm Amylalkohol,\n30\t\u00bb \u00c4thylalkohol.\nBesonders starke Trunkenheit.\nGalle I. 10\u20143 U.: 28 ccm.\nStarker Amylgeruch.\nSchwach positive Proben auf \u00c4thylalkohol (2. Destillat).\nSehr deutliche Albuminproben.\nSediment. Farbstoffkrystalle, Bakterien, Schleimf\u00e4den, Detritus, eigenartige Kugeln, ferner ein gr\u00f6\u00dferer Zylinderepithelfetzen, der einer dichotomischen Stelle eines Gallenganges von etwa mittlerem Kaliber entspricht. Endlich H\u00e4ufchen von Zellen, die an Leberzellen erinnern (mittelgro\u00df, polygonal, blasiger zentraler Kern, k\u00f6rnige grobe Einlagerungen), doch k\u00f6nnten es auch Pflasterepithelzellen der feineren Gallenwege sein.\nVII.\tVersuch. 6. III. 00.\n10\tU.\t4\tccm\tAmylalkohol,\n25\t\u00bb\t\u00c4thylalkohol,\n100\t\u00bb\tWasser.\n18 ccm Galle der n\u00e4chsten Stunden geben starken Amylalkoholgeruch, starken Albumingehalt. Die Galle vor dem Versuch gab eine Spur von Albumin.\nVIII.\tVersuch. 7. III. 00.\n10\tU.\t4\tccm\tAmylalkohol,\n30\t\u00bb\t\u00c4thylalkohol, in Wasser. Gleichzeitig reichlich Fleisch.","page":206},{"file":"p0207.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Leber.\n207\n12 U. weitere 2 ccm Amylalkohol sowie geringere Menge \u00c4thylalkohol zu besserer L\u00f6sung des ersteren in Wasser.\nBesonders schwere Trunkenheit.\n10\u201441/s U. 34 ccm Galle.\nDie Galle vor dem Versuche zeigte keine Spur von koagulierbarem Eiwei\u00df.\na)\tEine Portion der Versuchsgalle wird mittelstark sauer gemacht, klar filtriert, gibt ziemlich grobe Koagulation, und zwar auch noch in einem Teil, der erst anderen Tags gekocht wurde.\nVon dieser so behandelten Galle (d. h. der anges\u00e4uerten und filtrierten Galle) wird der Rest durch Sodazusatz wieder schw\u00e4cher sauer gemacht und hiermit eine Bestimmung der Koagulationstemperatur versucht. Bis 670 keine Tr\u00fcbung, zwischen 75 und 800 leichte Tr\u00fcbung, aber keine F\u00e4llung.-\nb)\tEine weitere Portion der Versuchsgalle wird ohne Ans\u00e4uerung mit etwas Kochsalzl\u00f6sung gekocht. Deutliche F\u00e4llung, die auf etwas Essigs\u00e4ure sich st\u00e4rker zusammenballt, aber hierdurch anscheinend keine neue Tr\u00fcbung.\nIm ganzen genommen zeigt die Amylalkoholgalle stets Koagulationsproben. wenn man schwach und vorsichtig ans\u00e4uert; ebenso, wenn die Galle vorher mit gleicher Menge Wasser verd\u00fcnnt wurde. Ebenso auch bei etwas st\u00e4rkerer Ans\u00e4uerung, wenn man nur klar filtrieren kann, was nicht immer gelingt.\nDie Koagulation tritt aber nicht mehr ein, wenn man erst st\u00e4rker mit Essigs\u00e4ure \u00fcbers\u00e4ttigt und dann mit Soda bis zu schwach saurer Reaktion zur\u00fccktitriert.\nIX. Versuch. 9. III. 00.\nVor dem Versuche wird die Galle genau untersucht. Es findet sich keine Spur von koagulierbarem Eiwei\u00df, auch nicht bei Verd\u00fcnnung mit dem halben Volumen Wasser und verschiedenen Graden m\u00e4\u00dfiger Ans\u00e4uerung. (Seit dem letzten Versuch sind 48 Stunden verlaufen.)\n11 U. 8 ccm Amylalkohol in 100 ccm Wasser bei Zusatz von etwas \u00c4thylalkohol. Dazu Fleischfutter.\n11\u2014 4 U. 30 M. nur 18 ccm Galle, Geruch nach Amylalkohol. Der Geruch ist etwas weniger ausgepr\u00e4gt als sonst. Das Tier ist sehr kachektisch geworden, kommt in einen Zustand schwerster Trunkenheit, soda\u00df man eine Zeitlang glaubt, es werde der Tod eintreten. Kaum noch Reflexe.\nDie Galle gab, ganz schwach anges\u00e4uert, soda\u00df noch kein Mucin-niederschlag entstand, grobe Koagulationsproben. Die Mischung blieb beim Kochen sauer.\nMikroskopisch wird wieder ein Befund erhoben, der vorher schon zweimal konstatiert war, wenn das Tier schwer vergiftet wurde, sich","page":207},{"file":"p0208.txt","language":"de","ocr_de":"208\nLudolph Brauer\n*\naber sonst nicht nachweisen lie\u00df. Es fanden sich n\u00e4mlich eigenartige Gebilde, die am besten als \u00abfeine, oft spiralige Zylindroide\u00bb zu bezeichnen sind. Dieselben waren ganz homogen, doppelt konturierL 2\u20144 mal so lang als wie eines der Zylinderepithelien. Auf Zusatz von etwas Jodjodkaliuml\u00f6sung zu dem Sedimente waren diese \u00abZylindroide\u00bb besonders deutlich.\nDa die H\u00fcndin durch die vielfachen Versuche stark heruntergekommen war und kaum noch gehen konnte, wurde dieselbe durch Injektion von Chloroform in das Herz get\u00f6tet. (11. 3. 00).\nSektionsbefund.\nStark abgemagert. Ziemlich betr\u00e4chtlicher Magendarmkatarrh. Die Gallenfistel erwies sich als eine komplete, nirgends hatte sich, wie dies einzeln von anderen Autoren beobachtet wurde, eine Kommunikation zwischen Gallenwegen und Darm hergestellt. Die Leber war makroskopisch nur unwesentlich ver\u00e4ndert; sie war vielleicht etwas geschwellt, die Acini traten etwas deutlicher hervor als normal, vermehrte Hyper\u00e4mie, die Konsistenz auch wohl im ganzen etwas vermehrt. Kein Milztumor. Hyper\u00e4mie der Nieren, speziell in der Rinde.\nLeber mikroskopisch.\nVermehrter Blutgehalt der Kapillaren, die Leberb\u00e4lkchen erscheinen zum Teil etwas verbreitert, die Zellen leicht diffus getr\u00fcbt, die Kerne weniger deutlich als normal. Mit besonderer Sorgfalt wurden die ab-leitenden Gallenwege untersucht. Makroskopisch fand sich in der Gallenblase eine leichte katarrhalische Reizung der Schleimhaut, keine Eiter- oder Membranauflagerung. Dieser Katarrh erstreckte sich wenig in den Ductus hepaticus und in die gr\u00f6bsten Galleng\u00e4nge. Er war hier nur noch angedeutet und in den mittleren Galleng\u00e4ngen, die genau hierauf inspiziert wurden, fand sich \u00fcberall eine ganz normale Schleimhaut. Mikroskopisch erschienen die interlobul\u00e4ren Galleng\u00e4nge zum Teil gut erhalten. In einigen aber fand sich folgende Ver\u00e4nderung: Es erschien das Epithel zum Teil geschwellt, das Lumen des Ganges verengend. Vielfach werden die Zellgrenzen verwischt, die Kerne der Epithelien aber meist erhalten. Hier und da fanden sich Kernanh\u00e4ufungen um diese Galleng\u00e4nge, und zwar war dies h\u00e4ufig in ganz feinen interlobul\u00e4ren Galleng\u00e4ngen zu sehen. Hier und da fand man das Zylinderepithel von der Grundmembran g\u00e4nzlich losgel\u00f6st. Dasselbe bildete dann einen selbst\u00e4ndigen den Gang verlegenden Propf, der im Lumen sa\u00df. Hier erschienen dann die Kerne geschrumpft, stark ver\u00e4ndert und l\u00e4nglich. Ganz vereinzelt fand man in etwas gr\u00f6\u00dferen gut erhaltenen Galleng\u00e4ngen freiliegend abgesto\u00dfene, zusammenh\u00e4ngende Zylinderepithelien. An einer Stelle lie\u00df sich an einem solchen mittleren Gallengang, deren L\u00e4ngsschnitt getroffen war, ein v\u00f6llig abgel\u00f6ster einem feineren Gallengang entsprechender Epithelzylinder nachweisen.","page":208},{"file":"p0209.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Leber.\n209\nDie vorstehenden Versuche beweisen zun\u00e4chst, da\u00df \u00c4thyl-und besonders Amylalkohol leicht in die Galle \u00fcbergehen. Es liegen \u2014 soweit mir bekannt \u2014 \u00fcber diese Frage ausf\u00fchrlichere Untersuchungen nicht vor; ich fand in der Literatur nur eine kurze Bemerkung, nach welcher Weintraud1) die Galle eines im Alkoholrausch verstorbenen Menschen alkoholfrei fand. Der Versuch V zeigt, da\u00df der Alkohol\u00fcbertritt leichtei in die Galle als wie in den Harn vonstatten geht. Es steht dieses im Verein mit den weiteren Befunden in gutem Einklang zu der klinischen Beobachtung, da\u00df Trinker h\u00e4ufiger leber-als nierenkrank sind. Die anatomische Einlagerung der Leber in den Pfortaderkreislaut mu\u00df es von vornherein wahrscheinlich erscheinen lassen, da\u00df per os eingef\u00fchrte giftige Stoffe das Parenchym derselben fr\u00fcher als wie jenes anderer Dr\u00fcsen sch\u00e4digen werden. Das Pfortaderblut f\u00fchrt der Leber viele differente Substanzen direkt zu und zwar wohl auch in einer Konzentration, wie dieselbe schwerlich im \u00fcbrigen K\u00f6rperblute sich finden d\u00fcrfte.\nSo resultiert denn aus unserer Versuchsanordnung nicht nur die Tatsache der leichten Passage des Alkohols in die Galle, sondern auch die weit wichtigere latsache der Irritation des Leberparenchyms durch diese Passage. Stets erscheint nach den \u2014 allerdings relativ gro\u00dfen und bei leerem Magen gegebenen \u2014- Alkoholdosen koagulier bar es Eiwei\u00df in der Galle, und zwar reichlicher nach Amyl-als wie nach \u00c4thylalkohol. Nur Versuch IV schien hier eine Ausnahme zu machen; die oben aufgef\u00fchrten Voruntersuchungen zeigten aber, da\u00df dieser Schlu\u00df nicht zul\u00e4ssig ist,, da in Versuch IV zur Mucinf\u00e4llung gr\u00f6\u00dfere Mengen Essigs\u00e4ure verwendet waren und hierbei m\u00f6glicherweise ein Teil des koagulierbaren Eiwei\u00dfes durch die freiwerdende Gallens\u00e4ure mit niedergerissen wurde.\nAuch die Eiwei\u00dfbeimengungen erscheinen leichter in der Galle, als wie im Urin (Versuch V). Zucker tritt unter dem Einflu\u00df der Alkoholintoxikation nicht in der Galle auf. (Versuch V und VI.)\ni) cf. XI. Kongr. f. innere Medizin, S. 105.","page":209},{"file":"p0210.txt","language":"de","ocr_de":"210\nLudolph Brauer\nDiese Befunde haben zweifellos Bedeutung f\u00fcr das Verst\u00e4ndnis der Pathogenese vieler Leberkrankheiten.\nEs ist bekannt, wie lebhaft der Streit gef\u00fchrt wurde um die Frage der Entstehung der Lebercirrhose durch Alkoholabusus ; sowie da\u00df es nicht m\u00f6glich war, in wirklich \u00fcberzeugender Weise im Tierexperiment die Alkoholeirrhose zu imitieren. Die Lebercirrhose, welche als Typus der S\u00e4uferkrankheit aufgefa\u00dft wird, versagt hartn\u00e4ckig die experimentelle Erzeugung (Rosenfeld, 1 a. a. 0., S. 91). Eigentlich gelang es erst den Untersuchungen Aufrechts, eine Entscheidung der Frage herbeizuf\u00fchren und zwar dadurch, da\u00df er nicht mit chronischer Alkohol-, sondern mit Phosphorvergiftung arbeitete. Es d\u00fcrfte zweckm\u00e4\u00dfiger einer klinischen Studie \u00fcberlassen bleiben, die betr\u00e4chtliche einschl\u00e4gige Literatur zu referieren. Die Monographie Rosenfelds sowie der Artikel \u00abLebercirrhose\u00bb von Aufrecht (Eulenbergs Realencyklop\u00e4die) erm\u00f6glichen leicht eine Orientierung.\nUnsere Versuche haben den seitherigen h\u00e4ufig schwer zu deutenden histologischen Befunden den biologischen Nachweis der durch den Alkohol bewirkten funktionellen Sch\u00e4digung der Leber an die Seite gestellt und damit den Ring der Beweisf\u00fchrung geschlossen. So gut als wie die Albuminurie eine Sch\u00e4digung des Nierenparenchyms anzeigt, so gut verr\u00e4t sich die Sch\u00e4digung des Leberparenchyms durch eine Albuminocholie.\nDie prompte Reaktion der Leber auf den Reiz erkl\u00e4rt ebensowohl die gelegentlich zu beobachtenden Formen akuter Hepatitis nach Alkohol, wie die chronische S\u00e4uferleber. Ein guter Teil der akuten Leberleiden, welche man bei den in den Tropen lebenden Europ\u00e4ern auftreten sieht, sind auf die dort herrschenden Trinksitten, speziell auf den Genu\u00df scharf gew\u00fcrzter, vor Tisch genommener Schn\u00e4pse zur\u00fcckzuf\u00fchren. Man lese nur die kurze, aber treffliche Schilderung, welche Patrik Manson in seinem Manual of tropical diseases dem\n*) Rosenfeld, Der Einflu\u00df des Alkohols auf den Organismus. Bergmann-Wiesbaden 1901.","page":210},{"file":"p0211.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Leber.\n211\nKapitel der Leberleiden vorausschickt. Auch in unserem Klima bieten sich \u00e4hnliche F\u00e4lle, wenn auch meist nicht in so reiner Form. Nicht selten sehen wir Lebererkrankungen, die kaum anders zu deuten sind, denn als akute Hepatitis; besonders nach einzelnen st\u00e4rkeren Exzessen sieht man bei Trinkern derartige Krankheitsbilder auftreten. Diese Kranken bieten neben der akuten Leberschwellung eine eigenartige St\u00f6rung des Allgemeinbefindens, die an beginnendes Delirium tremens denken l\u00e4\u00dft. Und doch fehlen zu letzterer Diagnose wieder gen\u00fcgend ausgepr\u00e4gte psychische Erscheinungen. Man wird nicht fehl gehen, wenn man in diesen Zust\u00e4nden den Ausdruck einer akuten Insuffizienz der klinisch so gut wie ganz unkontrollierbaren T\u00e4tigkeit der Leber sieht. Hierf\u00fcr spricht unter anderem das h\u00e4ufige V orhandensein einer ganz unverh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfig starken Urobilinurie bei nur minimalem undeutlichen Icterus. Alkohol-abstinenz l\u00e4\u00dft die Erscheinungen gleichzeitig mit der akuten schmerzhaften und bei guter Herzkraft entstandenen Leberschwellung rasch r\u00fcckg\u00e4ngig werden. Leber und Allgemeinbefinden kommen dann auf ihren fr\u00fcheren Stand zur\u00fcck, der nur in engeren Grenzen beeinflu\u00dft bleibt, durch das geschilderte akute Intermezzo.\nAus der H\u00e4ufung vielf\u00e4ltiger regelm\u00e4\u00dfiger Alkoholirritationen der Leber resultiert das ganz anders geartete Bild der chronischen Leb er cirrhose. Die akute St\u00f6rung des Parenchyms der Leber klingt \u2014 wie unsere Versuche zeigen \u2014 zun\u00e4chst wieder ab; ihre st\u00e4ndige Wiederkehr aber f\u00fchrt zur Bindegewebsvermehrung und deren Folgen. Doch auch hier beschlie\u00dft h\u00e4ufig nach kr\u00e4ftigem Exze\u00df die Hepatargie die Szene.\nEine wesentliche St\u00fctze und Erweiterung findet die Anschauung von den Beziehungen der Leber zum Alkohol durch die oben beschriebenen mikroskopischen Befunde in der Galle und Leber. Unter dem Einflu\u00df der Intoxikation traten in der Galle vereinzelte Epithelzylinder der feinen interlobul\u00e4ren Galleng\u00e4nge, sowie eine Art hyaliner Zylinder auf. Trotz sorgf\u00e4ltigen Suchens wurden bei dem Tiere derartige Gebilde au\u00dferhalb der Alkoholversuche nicht gefunden. Der Nachweis gelingt nur schwer. Die z\u00e4he dickfl\u00fcssige Galle er-","page":211},{"file":"p0212.txt","language":"de","ocr_de":"212\nLudolph Brauer\nm\u00f6glicht ein Sedimentieren der leichten organischen Gebilde nicht. Es wurde daher die Galle sehr stark mit physiologischer Kochsalzl\u00f6sung oder destilliertem Wasser verd\u00fcnnt und alsdann l\u00e4ngere Zeit zentrifugiert. Auch d\u00fcrfte es sich wohl empfehlen, \u2022die verd\u00fcnnte Galle durch ein glattes Filter zu senden und den Filterr\u00fcckstand zu mikroskopieren, ein Verfahren, welches vielfach bei Untersuchung des Urins auf seine Sedimente angewandt wird. Die mikroskopische Untersuchung der Leber zeigte, wie an entsprechender Stelle beschrieben ist, eine gr\u00f6\u00dfere Zahl derartiger Zylinder in den kleinen interlobul\u00e4ren Galleng\u00e4ngen. Die gr\u00f6beren und mittleren Galleng\u00e4nge waren von jeder Entz\u00fcndung frei. Es fehlten in der Leber Anzeichen beginnender Abszesse, sowie irgendwelcher aszendierender Entz\u00fcndungen. Es ist daher auszuschlie\u00dfen, da\u00df diese Zylinderbildungen die Folge einer aszendierenden Cholangitis catarrhalis waren. Wir m\u00fcssen dieselben zur\u00fcckf\u00fchren auf die Vorg\u00e4nge bei der Intoxikation. Wohl nur zwei Dinge kommen zur Erkl\u00e4rung dieser Gebilde in Frage, entweder eine Reizung der interlobul\u00e4ren Galleng\u00e4nge durch das Vorbeiflie\u00dfen der alkoholhaltigen Galle und eventuelle Reabsorption des Giftes oder eine direkte Sch\u00e4digung der Galleng\u00e4nge durch sekretorische Vorg\u00e4nge in denselben. Letztere Anschauung ist, soweit ich sehe, bislang keines Ortes ausgesprochen worden. Seit den grundlegenden Untersuchungen Heidenhains1) wird den Zylinderepithelien der interlobul\u00e4ren Galleng\u00e4nge nur eine resorbierende oder schleimproduzierende T\u00e4tigkeit zugesprochen. Auch die Untersuchungen von B\u00fcrker,2) welcher neuerdings in einer gr\u00f6\u00dferen experimentellen Arbeit sich mit der Frage der Resorption in der\n1)\tFriedl\u00e4nder u. Barisch, Zur Kenntnis der Gallenabsonderung. \u2022(Mitgeteilt von R. Heidenhain.) Reicherts und Du Bois-Reymonds Archiv 1860, S. 646.\nHeidenhain, Weitere Baobachtungen betr. die Gallensekretion. Studien des physiolog. Institutes zu Breslau. Heft 4, S. 232. 1868.\n2)\tB\u00fcrker, Studien \u00fcber die Leber. 1901. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 83. Ebenda findet sich weitere Literatur, und zwar \u00fcber die Resorp-lionsvorg\u00e4nge in den Galleng\u00e4ngen.","page":212},{"file":"p0213.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Leber.\n213\nLeber befa\u00dfte, weist den Galleng\u00e4ngen eine andere T\u00e4tigkeit nicht zu.\nZylinderartige Gebilde sind durch Rokitansky in der Blasengalle von Cholera- und Typhusleichen nachgewiesen worden. In den mittleren und feineren Galleng\u00e4ngen hat man diese Gebilde sehr h\u00e4ufig gefunden, und zwar haupts\u00e4chlich bei der sogenannten hypertrophischen Lebercirrhose, sowie bei F\u00e4llen, die der gro\u00dfen Gruppe des toxischen und infekti\u00f6sen Icterus angeh\u00f6ren. Die Hanot sehe Cirrhose sollte auf einen Katarrh der Galleng\u00e4nge zur\u00fcckzuf\u00fchren sein, die genannten Formen des Icterus glaubte man insofern dem Stauungsicterus zurechnen zu k\u00f6nnen, als man eine Verlegung der interlobul\u00e4ren Galleng\u00e4nge durch Leberzellen, Gallengangsepithelien und Detritusmassen annahm. Als Beispiel seien hier die Arbeiten von Ebstein1) und Afanassiew2) genannt. Zwar d\u00fcrfte es im Hinblick darauf, da\u00df man in einigen F\u00e4llen bei nachweislich offenstehenden Galleng\u00e4ngen Icterus fand, sowie da\u00df h\u00e4ufig aufw\u00e4rts dieser den Gallenflu\u00df angeblich behindernden Massen keineswegs Gallenstauung vorhanden war, diskutabel sein, ob diese Erkl\u00e4rungsversuche f\u00fcr alle F\u00e4lle aufrecht zu erhalten sind \u2014 deswegen aber bleibt doch die auffallende Tatsache bestehen, da\u00df sich diese Zvlinderbildungen bei vielen Intoxikationen vorfinden. Unter neueren Arbeiten sei besonders diejenige von Haupt3) genannt. Haupt findet bei Schwefelkohlenstoffvergiftung, sowohl in der Meerschweinchen- wie in der Kaninchenleber, ganz regelm\u00e4\u00dfig Zylinder, wie ich sie beschrieb, gibt auch interessante Abbildungen von denselben. So hei\u00dft es z. B. auf S. 181 :\n< Der Zylinder besteht aus einer strukturlosen Grundsubstanz, in der sich verschiedene Arten von Kernen und mehrere\n\u00dc Ebstein, Katarrh d. makroskop. sichtbaren feinen Galleng\u00e4nge als Ursache d. Icterus bei der akut. Phosphorvergift., Ein kasuistischer Beier, zur Lehre vom katarrh. Icterus, Arch. f. Heilkunde, Bd. VIII, 1867. Ferner ebenda, Bd. IX.\n2)\tAfanassiew, Zur Pathologie des akuten und chronischen Alkoholismus. Zieglers Beitr\u00e4ge, Bd. VIII.\n3)\tHaupt, Beitr. z. Kenntn. d. Schwefelkohlenstoffverg. (Institut Robert). Arch, internat, de Pharmacodynamie et de Th\u00e9rapie, Vol. XI, p. 155. 1903.","page":213},{"file":"p0214.txt","language":"de","ocr_de":"214 Ludolph Brauer, Untersuchungen \u00fcber die Leber.\nwachsartige Schollen befinden. Die Kerne geh\u00f6ren teils Gallen-gangsepithelien an, teils sind es Leberzellkerne und Rundzellen. Von einigen kann man den Ursprung nicht feststellen.\u00bb\nDiese h\u00e4ufigen Befunde scheinen mir daf\u00fcr zu sprechen, da\u00df die interlobul\u00e4ren Galleng\u00e4nge in engerer Beziehung zu jenen Intoxikationen stehen; mir erscheint es nicht m\u00f6glich, in dem Vorbeistr\u00f6men der giftbeladenen Galle die Ursache der Gallengangserkrankung zu sehen. Hier m\u00fcssen sich vielmehr Vorg\u00e4nge abspielen, die sich aus dem, was bislang \u00fcber die Funktion der Galleng\u00e4nge bekannt ist, nicht erkl\u00e4ren lassen. Wir werden vor die Frage gestellt, ob die feineren mit Zylinderepithel bekleideten interlobul\u00e4ren Galleng\u00e4nge bei offenen Gallenwegen wirklich nur der Gallenableitung und der Schleimproduktion dienen oder ob dieselben nicht auch sekretorischen aktiven Funktionen obliegen. Ich erinnere in diesem Zusammenh\u00e4nge auch an die umstrittene, v\u00f6llig ungekl\u00e4rte Bedeutung der Gallengangsneubildung bei den verschiedensten Leberleiden, an die bei Lebercirrhosen gelegentlich konstatierte Schwellung der Gallengangsepithelien, an die normalen Netzbildungen und blinden Endigungen einzelner Gallengangsbezirke und vor allem an die Ausstattung der weit verzweigten Gallenwege mit dem wohlgebildeten, regelm\u00e4\u00dfigen Zylinderepithel.","page":214}],"identifier":"lit17880","issued":"1903-04","language":"de","pages":"182-214","startpages":"182","title":"Untersuchungen \u00fcber die Leber","type":"Journal Article","volume":"40"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:51:19.623704+00:00"}