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{"created":"2022-01-31T13:21:17.898147+00:00","id":"lit17946","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Maillard, Louis C.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 41: 437-454","fulltext":[{"file":"p0437.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Entstehung der Indoxylfarbstoffe und die Bestimmung\ndes Harnindoxyls.\n(Eine Entgegnung gegen Hrn. A. Ellinger und Hrn. J. Bouma).\nVon\nLouis C. Maillard,\nChef des travaux du Laboratoire de Chimie biologique de la Facult\u00e9 de M\u00e9decine de Paris.\n(Eingegangen am 9. April 1904.)\nIn einer j\u00fcngst publizierten Arbeit hat .Herr A. Ellinger1) bez\u00fcglich der Entstehungsart der Indoxylfarben aus den In-doxylchromogenen des Harns, sowie der Methode der Indoxyl-bestimmung eine Reihe von Widerspr\u00fcchen zwischen seinen eigenen Resultaten,2) denen von J. Bouma3) und denmeinigen4) hervorgehoben, soda\u00df ich mich veranla\u00dft sehe, die einzelnen strittigen Punkte einer Pr\u00fcfung zu unterziehen, in derselben Weise, wie dies Herr Ellinger in seiner letzten Abhandlung* getan hat.\nIch werde also die folgenden Fragen durchgehen:\n9 9\n1.\tUber das Vorkommen von Isatin im Harn, der mit Obermayers Reagens versetzt ist.\n2.\t\u00dcber die Gr\u00f6\u00dfe des Verlustes durch \u00dcberoxydation in\nverd\u00fcnnten L\u00f6sungen von indoxylschwefelsaurem Kalium * bei\nder Rehandlung mit Obermayers Reagens.\n\u2022 \u2022\n3.\tUber die Notwendigkeit, die Chloroforml\u00f6sung der erhaltenen Farben mit alkalischer Waschung zu reinigen.\n*) A. Ellinger, Einige strittige Punkte bei der quantitativen In\u00fcikanbeStimmung im Harn, Diese Zeitschrift, Bd. XLI, S. 20.\n2)\tA. EllingeV, Zur Methodik der Indikanbestimmung im Harn, Diese Zeitschrift, Bd. XXXVIII, S. 178.\n3)\tJ. Bouma, Nachtrag zur Methodik der Indikanbestimmung im Harn, Diese Zeitschrift, Bd. XXXIX, S. 356.\n4)\tL. G. Maillard, L\u2019Indoxyle urinaire et les couleurs qui en d\u00e9rivent, 1 vol. in 8\u00b0, 120 p., Paris, Schleicher fr\u00e8res, 1903.","page":437},{"file":"p0438.txt","language":"de","ocr_de":"438\nLouis C. Maillard,\nDie weitere Frage ist die wichtigste in der ganzen Diskussion, denn sie betrifft meines Erachtens denjenigen Punkt, um den sich die ganze Indoxylfrage dreht, sowohl vom Standpunkte des reinen Chemikers, wie auch des Praktikers. Denn es handelt sich um die Beurteilung der Vereinfachung, die meine Untersuchungen auf dem Gebiete der physiologischen und pathologischen Harnfarbstoffe gebracht haben, und ferner der diagnostischen Aufschl\u00fcsse, die man bei der Pr\u00fcfung eines normalen oder pathologischen Urines \u00fcber seine Zusammensetzung wird gewinnen k\u00f6nnen.\nDie Frage ist folgende: Ist der blaue Farbstoff, der in das Chloroform \u00fcbergeht, wenn man es mit anges\u00e4uertem Urin sch\u00fcttelt, Indigotin oder nicht? Meiner Ansicht nach ist derselbe dem Indigotin sehr nahe verwandt, aber doch davon zu unterscheiden und zwar gr\u00fcndet sich dies auf zwei Eigenschaften: Erstens, nebens\u00e4chlicheres, seine gr\u00f6\u00dfere L\u00f6slichkeit in Chloroform, dann das wichtigste, n\u00e4mlich die F\u00e4higkeit, sich in Indirubin verwandeln zu k\u00f6nnen. Ich werde also weiter nacheinander die folgenden Punkte pr\u00fcfen:\n4.\tChlorforml\u00f6slichkeit der aus dem Urin ausgesch\u00fcttelten blauen Substanz.\n5.\t\u00dcberf\u00fchrung derselben in Indirubin.\nSchlie\u00dflich werde ich noch einige Worte dar\u00fcber zu sagen haben, wie die \u00dcberf\u00fchrung des blauen Farbstoffes in den roten entdeckt wurde, und habe mich mit meinen Bemerkungen sowohl an Herrn J. Bouma, wie an Herrn A. Ellinger zu wenden, also:\n6.\tUrsprung der Entdeckung, da\u00df der durch Chloroformaussch\u00fctteln gewonnene blaue Farbstoff in Indirubin \u00fcbergef\u00fchrt werden kann.\nI. Das Vorkommen von Isatin in Urin, der mit Obermayers\nReagens behandelt wurde.\nDiese Frage scheint mir keiner eingehenden Diskussion mehr zu bed\u00fcrfen, seitdem Ellinger1) und ich2) gleichzeitig\nb Diese Zeitschrift, Bd. XXXVIII, S. 186.\n2) L. C. Maillard, L\u00e4ndoxyle urinaire et les couleurs qui en d\u00e9rivent, p. 69, Paris 1903.","page":438},{"file":"p0439.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Entstehung der IndoxylfarbStoffe u. die Bestimmung etc. 439\ndas Isatin in Urin fanden, der mit Obermayers Reagens behandelt war, und seitdem Bouma1) wenigstens f\u00fcr gewisse F\u00e4lle diesen Befund best\u00e4tigt hat.\n\u2022 \u2022\nII. Die Gr\u00f6\u00dfe des Verlustes durch Uberoxydation in verd\u00fcnnten\nL\u00f6sungen von indoxylschwefelsaurem Kalium.\nNachdem ich durch meine fr\u00fcheren Untersuchungen festgestellt hatte, da\u00df ein Teil des Harnindoxyls durch das Obermayer sehe Reagens in Isatin verwandelt wird und dann durch die darauffolgenden Manipulationen der quantitativen Bestimmung entzogen wird, stellte ich mir die Frage, ein wie gro\u00dfer Bruchteil des Indoxyls auf diese Weise zu Isatin \u00fcberoxydiert werden kann, besonders in dem Falle, wenn die Fl\u00fcssigkeit keine oxydabeln Substanzen enthielt, die imstande sind, das Indoxyl zu sch\u00fctzen. An einer andern Stelle2) habe ich mitgeteilt, da\u00df eine Aufl\u00f6sung von 0,01\u20140,02 g indoxylschwefelsaurem Kali im Liter Wasser, wenn man sie mit dem gleichen Volumen des Ob er may er sehen Reagens versetzt und dann mit Chloroform sch\u00fcttelt, keine Spur einer Verf\u00e4rbung mehr hervorrief.\nDahingegen hat E11 in ge r3) unter sonst gleichen Bedingungen noch mit einer Verd\u00fcnnung von 2 oder sogar 1 mg indoxylschwefelsaurem Kalium eine deutliche Blauf\u00e4rbung des Chloroforms erzielen k\u00f6nnen. Ein solcher Widerspruch zwischen unsern beiden Resultaten scheint mir sehr in die Augen zu fallen. Ellinger sucht dies damit zu erkl\u00e4ren, da\u00df er behauptet, mein Pr\u00e4parat sei nicht rein gewesen. M\u00f6glicherweise ist ja nun in dem strittigen Punkte die Meinung El lingers die richtige, aber gewi\u00df aus einem ganz andern Grunde, als wegen der von Ellinger angenommenen Unreinheit meines Pr\u00e4parates. Nat\u00fcrlich konnte ich bei der geringen Menge von Indoxylsulfat, \u00fcber die ich \u00fcberhaupt nur verf\u00fcgte, nicht noch einen ausreichenden Teil f\u00fcr eine genaue Kontrolluntersuchung opfern, wie ich qs gerne getan h\u00e4tte, aber ich habe trotzdem gute Gr\u00fcnde,4) mein Pr\u00e4parat als rein zu betrachten, und die\nfl Diese Zeitschrift, Bd. XXXIX, S. 366.\n2)\tL\u2019Indoxyle urinaire etc., p. 31.\n3)\tDiese Zeitschrift, Bd. XLI, S. 26.\n4)\tL\u2019Indoxyle urinaire etc., p. 30.","page":439},{"file":"p0440.txt","language":"de","ocr_de":"440\nLouis C. Maillard,\nSpuren fremder Substanzen, die es hat enthalten k\u00f6nnen, werden, wie ich glaube, nicht hingereicht haben, um die Obermayer sehe Reaktion zu st\u00f6ren.\nDie wahre Ursache f\u00fcr die erw\u00e4hnte Verschiedenheit ist in dem Obermayersehen Reagens selbst zu suchen. Nach Ver\u00f6ffentlichung dieser Versuche n\u00e4mlich machte ich die Beobachtung, da\u00df die Flaschen mit dem Reagens, das durch Aufl\u00f6sung von 2,5 g kristallisiertem FeCl3 in 1 Liter konzentrierter Salzs\u00e4ure gewonnen war, wenn man sie einige Tage dem Lichte aussetzte, einen intensiven Geruch nach Chlor oder Oxyden des Chlors verbreiteten. Ohne f\u00fcr jetzt dieser Erscheinung n\u00e4her nachforschen zu wollen, mu\u00df ich es doch als m\u00f6glich hinstellen, da\u00df das in L\u00f6sung befindliche Eisen, vielleicht als Katalysator wirkend, die Oxydation der Salzs\u00e4ure beschleunigt habe. Wie dem auch sei, jedenfalls hatten diese Fl\u00fcssigkeiten eine ganz au\u00dfergew\u00f6hnlich gro\u00dfe Oxydationskraft. M\u00f6glicherweise habe ich nun bei meinen Versuchen mit verd\u00fcnnten L\u00f6sungen von Indoxylsulfat ohne mein Wissen ein auf diese Weise ver\u00e4ndertes Reagens verwendet, was die Hyperoxydation des Indoxyls zu Isatin erkl\u00e4ren w\u00fcrde.\nAuf diese Fehlerquelle mu\u00df jedenfalls hingewiesen werden und man wird von nun an bei allen derartigen Untersuchungen sich vor einer Ver\u00e4nderung des Ob er may er sch en Reagens zu h\u00fcten haben.\nWenn man aber die Widerstandsf\u00e4higkeit des Indoxyl-sulfates gegen\u00fcber einer Salzs\u00e4urel\u00f6sung, die au\u00dfer FeCl3 nichts anderes Oxydierendes enth\u00e4lt, in Betracht zieht, so ist doch wohl anzunehmen, da\u00df die Resultate Ellingers der Wahrheit mehr entsprechen als die meinigen, was ich um so lieber zugebe, als ich w\u00fcnsche, da\u00df in anderen Punkten meine Meinung aufrecht erhalten werde.\n\u2022\u2022\nIII. \u00fcber die Notwendigkeit, die Chloroforml\u00f6sung der erhaltenen Farben mit alkalischer Waschung zu reinigen.\nHier folgt zuerst eine der analytischen Vorschriften, auf deren Befolgung ich aufs neue dringend hinweisen m\u00f6chte. Nachdem der Urin mit basischem Bleiacetat gereinigt, das Fil-","page":440},{"file":"p0441.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Entstehung der Indoxylfarbstoffe u. die Bestimmung etc. 441\ntrat mit Salzs\u00e4ure (mit oder ohne Zusatz von FeCl3) behandelt und mit Chloroform ersch\u00f6pft ist, nachdem man ferner die Chloroforml\u00f6sung dekantiert und filtriert hat, ist diese doch noch nicht rein, selbst wenn sie v\u00f6llig klar erscheint. Mehrmaliges Sch\u00fctteln mit destilliertem Wasser bringt zwar einige\n\u2022 *\nbr\u00e4unliche Produkte und den Uberschu\u00df von Salzs\u00e4ure zum Verschwinden, aber trotzdem bleibt die Chloroforml\u00f6sung noch sehr unrein.\nBei anderer Gelegenheit*) habe ich den Nachweis erbracht, da\u00df die Chloroforml\u00f6sung, nachdem man sie mit reinem Wasser gesch\u00fcttelt, dekantiert und filtriert hat, mindestens noch die folgenden Substanzen enth\u00e4lt : Indigotin (oder Hemiindigotin), Indirubin, Spuren von Isatin,2) Phenol, aromatische S\u00e4uren und Oxys\u00e4uren, und eine oder mehrere gelbe Substanzen; kurz es ist darin, abgesehen von den Indigofarbstoffen neutralen Charakters, eine Menge organischer Produkte saurer Natur vorhanden.\nWelche sind nun die Substanzen des Chloroformauszuges, die in die schwefelsaure L\u00f6sung \u00fcbergehen m\u00fcssen, um der Titration mit KMn04 unterworfen zu werden? Offenbar nur die Derivate des Indoxyls und zwar vor allem das Indigotin und das Indirubin. Die Phenole und die aromatischen S\u00e4uren und Oxys\u00e4uren haben ja offenbar nichts mit der quantitativen Bestimmung des Indoxyls zu tun. Das Isatin aber ist, wenn die Oxydation nur hinreichend vorsichtig vorgenommen war, noch gar nicht aufgetreten; sollten jedoch trotzdem Spuren davon vorhanden sein, so hat es keinen Wert, sie zu beseitigen, denn bei der Titration mit KMn04 sind sie nicht im Wege.\nEs bleiben nun noch die \u00fcbrigen gelben Substanzen, die trotz der Behandlung mit destilliertem Wasser in dem Chloroform zur\u00fcckgehalten werden; die Natur dieses K\u00f6rpers ist uns unbekannt. Bouma3) hat zwar behauptet, sie seien Derivate des Indoxyls und identisch mit dem \u00abIndigogelb\u00bb von Crinsoz; aber abgesehen davon, da\u00df man noch gar nicht wei\u00df, was\nx) L\u2019Indoxyle etc., p. 28\u201430.\n2)\tWenn man FeCl3 gebraucht hat.\n3)\tDiese Zeitschrift, Bd. XXXIX, S. 368.","page":441},{"file":"p0442.txt","language":"de","ocr_de":"442\nLouis G. Maillard,\ndieses aus dem pflanzlichen Indigo gewonnene \u00abIndigogelb\u00bb eigentlich ist und ob es \u00fcberhaupt von dem Indoxyl herstammt, hat es auch gar keinen Wert, es mit den gelben Produkten ' aus dem Urin, um die es sich hier handelt, in Verbindung zu bringen. Die einzigen Merkmale, welche Bo um a f\u00fcr diese Identit\u00e4t anf\u00fchren konnte, sind folgende: Der aus dem Urin gewonnene gelbe Farbstoff ist schwer l\u00f6slich in kaltem, leicht in warmem Wasser, ferner mit gelber Farbe in Alkalien, mit braungelber in konzentrierter Schwefels\u00e4ure l\u00f6slich. Das ist aber sehr wenig, und man wird gewi\u00df ohne M\u00fche eine Menge gelber Stoffe finden k\u00f6nnen, die dieselben Eigenschaften aufweisen, soda\u00df es sehr gewagt erscheint, auf Grund dieser Voraussetzungen zu behaupten, da\u00df die gelbe Substanz des Chloroformextrakts sich vom Indoxyl ableite.\nIn einer Reihe von F\u00e4llen habe ich untersucht,x) ob die in Rede stehenden gelben Stoffe Stickstoffe enthalten, habe aber keinen darin gefunden. Ich will damit nicht behaupten, da\u00df die Chloroforml\u00f6sung niemals Stickstoff (au\u00dfer in Indigoblau und Indirubin) enthalten k\u00f6nnte, nur da\u00df der Stickstoff kein regelm\u00e4\u00dfiger Bestandteil der gelben Substanz ist und diese auch nicht der Indoxylgruppe angeh\u00f6ren kann.\nOhne mich des n\u00e4heren \u00fcber ihre Natur aussprechen zu wollen, m\u00f6chte ich es doch f\u00fcr wahrscheinlicher halten, da\u00df sie ein phenol- oder chinonartiges Oxydationsprodukt sei, oder da\u00df sie vielleicht zu den Huminstoffen geh\u00f6re.\nAlles in allem: solange das angebliche \u00abIndigogelb\u00bb nicht als solches erwiesen ist, wird man es vor der Bestimmung ausscheiden m\u00fcssen und die Methode Boumas,* 2) die sich damit begn\u00fcgt, den Chloroformr\u00fcckstand auf dem Wasserbade zwecks Entfernung fl\u00fcchtiger Verunreinigungen zu erw\u00e4rmen, von einer Reinigung mit warmem Wasser aber absieht, aus Furcht, den gelben Farbstoff zu entfernen, scheint mir nicht zul\u00e4ssig.\nAus dem eben Gesagten ergibt sich also, da\u00df alle Bestandteile der Chloroforml\u00f6sung, mit Ausnahme des Indigotins (oder Hemiindigotins) und des Indirubins, als Verunreinigung zu\n*) L\u2019Indoxyle etc., p. 28.\n2) Diese Zeitschrift, Bd. XXXIX, S. 369.","page":442},{"file":"p0443.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Entstehung der Indoxylfarbstoffe u. die Bestimmung etc. 443\nbetrachten sind und vor der Titration beseitigt werden m\u00fcssen. Die Gesamtheit der Verunreinigungen, in Schwefels\u00e4urel\u00f6sung gebracht, vermag, wie ich mich \u00fcberzeugt habe, ein wenig Kaliumpermanganat zu reduzieren.1) Wenn auch, wie es die Ansicht Ellingers2) ist, diese Fehlerquelle in mehreren F\u00e4llen minimal und deshalb nicht sehr beachtenswert erscheine, so kann man dar\u00fcber doch nie im voraus Sicheres wissen, denn die Menge und Art der chloroforml\u00f6slichen sauren Verunreinigungen wechselt m\u00f6glicherweise sehr mit der Art des jedesmal untersuchten Urines, besonders in pathologischen F\u00e4llen.\nAu\u00dferdem habe ich schon darauf aufmerksam gemacht,3) da\u00df die Anwesenheit von br\u00e4unlichen Stoffen in einer Fl\u00fcssigkeit, in der man bei gelber Grundfarbe das Verschwinden der letzten Spur Rosa beobachten will, die schon an sich schwierige Bestimmung des Endes der Reaktion unm\u00f6glich macht. Hierin wird mir EHinger gewi\u00df nicht widersprechen k\u00f6nnen, denn er f\u00fchrt, allerdings ohne mich zu zitieren, selbst meine Argumente an.4) -\u2014 Somit halte ich also daran fest, da\u00df es unerl\u00e4\u00dflich ist, die Indoxylfarben von allen Verunreinigungen zu befreien.\nIst nun die Reinigungsmethode, deren sich El linger5) bedient, ausreichend? Sie besteht darin, da\u00df man die rohe Chloroforml\u00f6sung, so wie man sie aus dem Urin gewonnen hat, destilliert und dann den Trockenr\u00fcckstand mit warmem Wasser w\u00e4scht. Ohne Zweifel beseitigt man auf diese Weise eine betr\u00e4chtliche Menge von Verunreinigungen, aber die trockene Indigokruste h\u00e4lt noch einen Teil davon energisch fest,6) und in dieser Meinung kann es mich auch best\u00e4rken, wenn Ellinger7) selbst niemals deutliche Millonsche Reaktion in seinem Waschwasser hat nachweisen k\u00f6nnen, vorausgesetzt, die Extraktion\n\u00dc L\u2019Indoxyle etc., p. 81.\n2)\tDiese Zeitschrift, Bd. XLI, S. 27.\n3)\tL\u2019Indoxyle ete., p. 82.\n4)\tDiese Zeitschrift, Bd. XLI, S. 28.\n5)\tEllinger, Zur Methodik der Indikanbestimmung im Harn, Diese Zeitschrift, Bd. XXXVIII, S. 178.\n6)\tL\u2019Indoxyle etc., p. 82.\n7)\tDiese Zeitschrift, Bd. XXXVIII, S. 189.\nHoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie. XLI.\n29","page":443},{"file":"p0444.txt","language":"de","ocr_de":"444\nLouis G. Maillard,\nmit Chloroform war nicht zulange fortgesetzt worden, w\u00e4hrend ich doch immer Phenole in der Chloroforml\u00f6sung habe nach-weisen k\u00f6nnen. Au\u00dferdem riskiert man stets, beim Waschen 1 des Trockenr\u00fcckstandes mit warmem Wasser einige Teilchen abzurei\u00dfen und sich auf diese Weise mancherlei Schwierigkeiten zu bereiten.\nDemgegen\u00fcber ist das Verfahren, welches ich anwende, gleichzeitig zuverl\u00e4ssig scharf und bequem, indem man dabei nicht Gefahr l\u00e4uft, Teilchen mitgerissener Substanz wieder sammeln zu m\u00fcssen.\nEs besteht einfach darin,1) da\u00df man die (schon vorher mit reinem Wasser ausgesch\u00fcttelte) Chloroforml\u00f6sung mit einer Natronl\u00f6sung von 1 auf 1000 w\u00e4scht. Dann gehen sofort alle fremden Substanzen in die alkalische Fl\u00fcssigkeit \u00fcber. Alle, die dies Verfahren auf meine Empfehlung angewandt haben, sind sehr damit zufrieden gewesen und haben ausdr\u00fccklich hervorgehoben, mit welcher Sch\u00e4rfe die einfache Mischung der L\u00f6sungen sofort die gelben Verunreinigungen zu beseitigen vermag. Zweifellos wird Herr Ellin ge r selbst die Methode pr\u00fcfen und gewi\u00df wird die Vorliebe f\u00fcr seine eigene Methode in den Hintergrund treten gegen\u00fcber dem ihm eigenen Bestreben, mit m\u00f6glichst korrekten Mitteln zu arbeiten.\nDie mit dem alkalischen Wasser gewaschene Chloroforml\u00f6sung wird dann zur Beseitigung von Spuren Alkali mit reinem Wasser behandelt. Wenn man sie nun eindampft, so bleibt ein R\u00fcckstand, den man nur in \u00fcblicher Weise mit Schwefels\u00e4ure aufzunehmen hat, um die gew\u00fcnschten Sulfoverbindungen des Indigotins und Indirubins in v\u00f6lliger Reinheit zu erhalten.\nIV. Chloroforml\u00f6slichkeit der aus dem Urin ausgesch\u00fcttelten blauen\nSubstanz.\nMeine Meinung ist es auch jetzt noch, da\u00df die blaue Substanz, die durch Sch\u00fctteln in das Chloroform \u00fcbergeht, vom Indigotin verschieden ist. An anderer Stelle2) habe ich bereits\n0 C. R. Soc. de Biologie, vol. LV, p. 696; C. R. Acad\u00e9mie des Sciences, vol. CXXXVI, p. 1472 ; L\u2019Indoxyle etc., p. 4, 28, 50, 72, 81, 82.\n2) C. R. Acad. d. Sciences, vol. CXXXIV, p. 470; L\u2019Indoxyle etc.,\np. 18\u201420.","page":444},{"file":"p0445.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Entstehung der lndoxylfarbstoffe u. die Bestimmung etc. 445\ndarauf aufmerksam gemacht, da\u00df, wenn man das passende Verh\u00e4ltnis zwischen dem Urin und dem L\u00f6sungsmittel aus w\u00e4hlt, man oft L\u00f6sungen bekommt, die sich ganz anders als eine ges\u00e4ttigte L\u00f6sung von Indigotin in Chloroform verhalten und sich doch nicht im Zustande der \u00fcbers\u00e4ttigten L\u00f6sung befinden, denn sie bilden nach langem Stehen keinen Niederschlag, vielmehr zeigen sie eine Umwandlung, von der weiterhin noch die Rede sein soll.\nE Hing er1) weist auf Versuche hin, aus denen hervorgehen soll, da\u00df der augenf\u00e4llige Unterschied in der L\u00f6slichkeit allein auf die Anwesenheit von Salzs\u00e4ure im Chloroform hindeute, denn gew\u00f6hnliches Indigotin l\u00f6se sich viel ausgiebiger in salzs\u00e4urehaltigem Chloroform, als in neutralem. Das ist sehr gut m\u00f6glich, und ich m\u00f6chte noch hinzuf\u00fcgen, da\u00df die Rolle der S\u00e4ure sich in diesem Falle nicht auf die alleinige Erh\u00f6hung der L\u00f6slichkeit zu beschr\u00e4nken scheint, denn gewisse Reobach-tungen legen den Gedanken nahe, da\u00df die Wirkung einer auch nicht sehr konzentrierten Salzs\u00e4urel\u00f6sung zu Erscheinungen viel komplizierterer Art f\u00fchren k\u00f6nne, \u00fcber die ich mich hier gegenw\u00e4rtig aber nicht zu \u00e4u\u00dfern habe.\nAber selbst zugestanden, man k\u00f6nne sich nicht auf den Unterschied in der L\u00f6slichkeit der beiden Substanzen st\u00fctzen, so hat das durchaus eine minimale Redeutung f\u00fcr die Frage nach dem Hemiindigotin. Ich glaubte auf die empirisch gefundene Tatsache der gr\u00f6\u00dferen L\u00f6slichkeit hinweisen zu m\u00fcssen, habe ihr aber stets nur einen nebens\u00e4chlichen Wert beigemessen. Die Chemiker haben ja von jeher so viele Abnormit\u00e4ten gefunden in der Art, wie sich die K\u00f6rper gegen\u00fcber von L\u00f6sungsmitteln verhalten, soda\u00df man sich mit solchen Unterschieden wohl nicht begn\u00fcgen darf, wenn man die Identit\u00e4t oder Verschiedenheit zweier K\u00f6rper feststellen will. Ganz anders verh\u00e4lt es sich nun aber mit der folgenden Erscheinung.\nV. \u00dcberf\u00fchrung der aus dem Urin mit Chloroform extrahierten\n'blauen Substanz in Indirubin.\nIm Jahre 1902 habe ich2) behauptet, da\u00df die im Chloroform angeh\u00e4ufte blaue Substanz sich unter gewissen Umst\u00e4nden\n*) Diese Zeitschrift, Bd. XLI, S. 31.\n2) C. R. Acad. d. Sciences, vol. CXXXIY, p. 470.\n29*","page":445},{"file":"p0446.txt","language":"de","ocr_de":"446\nLouis G. Maillard,\nin Indirubin umwandelt. Da eine Reihe Pr\u00e4parate von Indigotin verschiedenster Herkunft (auch aus dem Urin trocken dargestellte wurden verwendet), wenn man sie nur ganz kurze Zeit mit einer sehr verd\u00fcnnten Alkalil\u00f6sung in Ber\u00fchrung lie\u00df, niemals ein \u00e4hnliches Verhalten zeigte,*) so zog ich daraus den Schlu\u00df, da\u00df die unter dem Namen Indigoblau oder Indigotin gew\u00f6hnlich bekannte Substanz sich von der blauen in anges\u00e4uertem Chloroform vorhandenen unterscheiden m\u00fcsse, und bezeichnete die letztere vorl\u00e4ufig mit dem Namen Hemiirtdigotin.\nEl ling er* 2) meint ich habe mich get\u00e4uscht und die beiden Substanzen seien identisch; wenn er das aber beweisen will, so mu\u00df er entweder feststellen, da\u00df mein Hemiindigotin sich nicht in Indirubin um wandeln l\u00e4\u00dft, oder da\u00df das gew\u00f6hnliche Indigotin dieser Umwandlung gleichfalls unterzogen werden kann.\nNun aber wandelt sich die blaue Substanz in der sauren Chloroforml\u00f6sung zu Indirubin um, in der K\u00e4lte langsam, in der W\u00e4rme jedoch schneller. Bouma3) hat als der erste deutlich auf diese Erscheinung aufmerksam gemacht, ihr Vorhandensein aber aus R\u00fccksicht auf die damals herrschenden Theorien widerrufen und das anfangs Beobachtete in Abrede\nstellen zu m\u00fcssen geglaubt.4) Als ich nun meinerseits5) im\n\u2022 \u2022\nJahre 1902 die \u00dcberf\u00fchrung der blauen, im sauren Chloroform gel\u00f6sten Substanz in Indirubin konstatiert hatte und auf diese Weise die Tatsachen gegen\u00fcber den Theorien wieder zu Ehren brachte, kam Herr Bouma sogleich auf seine Meinung zur\u00fcck und nahm, ohne meine Ver\u00f6ffentlichungen auch nur zu erw\u00e4hnen, das Urheberrecht f\u00fcr diese Entdeckung f\u00fcr sich in Anspruch.6) Dabei haben Porcher und Hervieux7)\n9 L\u2019Indoxyle etc., p. 22.\n2)\tDiese Zeitschrift, Bd. XLI, S. 32.\n3)\tDiese Zeitschrift, Bd. XXVII, S. 354.\n4)\tDiese Zeitschrift, Bd. XXX, S. 122.\n5)\tC. R. Acad. d. Sciences, vol. CXXX1V, p. 470; Bull, de la Soci\u00e9t\u00e9 chim., Paris, vol. XXIX, p. 536; C. R. Soc. Biologie, vol. LV, p. 777.\n6)\tDiese Zeitschrift, Bd. XXXIX, S. 364.\n7)\tCh. Porcher und Ch. Hervieux, \u00dcber Harnindikan, Diese Zeitschrift, Bd. XXXIX, S. 147.","page":446},{"file":"p0447.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Entstehung der Indoxylfarbstoffe u. die Bestimmung etc. 447\ndie Genauigkeit meiner Angaben best\u00e4tigt und sogar E Hing er1)\nhegt keinen Zweifel an der erw\u00e4hnten Umwandlung, vielmehr gibt\n\u2022 \u2022\ner in seiner letzten Abhandlung zu, da\u00df der \u00dcbergang von Blau in Rot eine Beobachtung ist, \u00abwelche wohl noch niemandem bei Ausf\u00fchrung einer Indikanbestimmung nach der alten Wangschen Methode entgangen ist\u00bb.2) Da also auch El linger dies zugibt, so ist man sich darin ja nun einig, da\u00df die von mir als Hemi-indigotin bezeichnete Substanz sich in Indirubin umwandeln kann.\nVerh\u00e4lt sich nun das Indigotin ebenso? Wang,3) welcher sowohl gereinigtes pflanzliches Indigotin, als auch aus Urin in festem Zustande gewonnenes stundenlang mit Chloroform unter Anwendung des R\u00fcckflu\u00dfk\u00fchlers kochen lie\u00df, hat keinen Wechsel in der Probe beobachten k\u00f6nnen. Bouma4) kam zu demselben Resultat und dieser Mi\u00dferfolg veranla\u00dfte ihn, den Gedanken an die Umwandlung des blauen Farbstoffes in den roten, die er fr\u00fcher bei der Untersuchung am Urin beobachtet hatte, aufzugeben. Mich hat nun gerade diese Unm\u00f6glichkeit, das Indigotin in Indirubin \u00fcberzuf\u00fchren, auf den Gedanken gebracht, da\u00df in dem Chloroformextrakt des Urins noch eine besondere Substanz sein m\u00fcsse, und die negativen Resultate,5) die ich erhielt, erstrecken sich auf Indigotin der verschiedensten Herkunft; so sieht sich denn auch Ellinger,6) der \u00abdar\u00fcber keine eigene Erfahrung\u00bb hat, gezwungen zuzugeben, da\u00df alle diese Untersuchungen anscheinend die Unm\u00f6glichkeit erweisen, reines Indigotin in Indirubin \u00fcberzuf\u00fchren.\nAber, meint er, wenn das Indigotin schon von einer gewissen Menge Indirubin begleitet ist, dann bewirkt m\u00f6glicherweise das letztere den Beginn der Reaktion und die Umwandlung kann sich alsdann weiter fortsetzen. Ellinger glaubt dies durch folgenden Versuch erwiesen7) zu haben: Synthetisch gewonnenes Indigotin B. A. S. F., das ein wTenig Indirubin ent-\np Diese Zeitschrift, Bd. XXXVIII, S. 187.\n2)\tDiese Zeitschrift, Bd. XLI, S. 22.\n3)\tDiese Zeitschrift, Bd. XXVII, S. 576.\n4)\tDiese Zeitschrift, Bd. XXX, S. 122.\n5)\tL\u2019Indoxyle etc., p. 22.\n6)\tDiese Zeitschrift, Bd. XLI, S. 32.\n7)\tDiese Zeitschrift, Bd. XLI, S. 31.","page":447},{"file":"p0448.txt","language":"de","ocr_de":"448\nLouis C. Maillard,\nh\u00e4lt, wird mit Chloroform, das vorher mit Salzs\u00e4ure behandelt war, gesch\u00fcttelt. Man erh\u00e4lt eine deutlich violette L\u00f6sung, die durch Destillation auf dem Wasserbad in Rotviolett \u00fcbergeht. Dieser Wechsel der Farbe w\u00e4hrend des Destillierens w\u00e4re nun allerdings ein gewichtiger Einwand, wenn er wirklich den Beweis f\u00fcr die Bildung einer neuen Menge Indirubin enthielte. Doch dem ist nicht so ; eine l\u00e4ngere Erfahrung berechtigt mich zu der Behauptung, da\u00df die blo\u00df angesehene Farbenn\u00fcance sehr betr\u00fcglich ist und man keineswegs auf diese Weise \u00fcber den Gehalt an Indirubin zu urteilen imstande ist. Schon lange wei\u00df man, da\u00df L\u00f6sungen von Indigotin nicht rein blau sind, sondern einen Stich ins Purpurfarbene aufweisen, was beim Indirubin nicht vorkommt, aber durchaus dem leuchtendroten Teile des Spektrums entspricht. Nachdem ich mir nun mit ziemlicher\nM\u00fche eine Reihe Pr\u00e4parate v\u00f6llig reinen Indigotins hergestellt\n\u2022 \u2022\nhatte (d. h. nach mehrmaligem Durchsch\u00fctteln mit \u00c4ther1) war keine Spur von Indirubin mehr in der Sch\u00fcttelfl\u00fcssigkeit), konnte ich beobachten, da\u00df die Chloroforml\u00f6sungen der verschiedenen Pr\u00e4parate, in Glasflaschen gef\u00fcllt, einen purpurroten Widerschein gaben und da\u00df es nur von der Form des Gef\u00e4\u00dfes abhing, wenn der Farbenton etwas mehr oder weniger violett war; in gleicher Weise kommen die Art der Beleuchtung und die Konzentration der L\u00f6sung in Betracht. Wenn man dann also eine L\u00f6sung von gr\u00f6\u00dftm\u00f6glicher Konzentration mit reinem Indigotin herstellt, so wird die Farbe deutlich violett, verd\u00fcnnt man dann mit Chloroform, oder pr\u00fcft man einfach nur eine d\u00fcnnere Schicht, so n\u00e4hert sich der Ton dem Blau. Konzentriert man aber eine verd\u00fcnnte, also blaue L\u00f6sung, so wird sie ganz unmerklich violett, und dennoch l\u00e4\u00dft der daraus erhaltene Trockenr\u00fcckstand im \u00c4therextrakt keine Spar von Indirubin zur\u00fcck.\nVielleicht liegt der Beobachtung El lingers dieses Ph\u00e4nomen zugrunde. Die L\u00f6sung mu\u00dfte ja, wenn er sie auf dem Wasserbade erhitzte, schlie\u00dflich etwas mehr ins Rote hin\u00fcberspielen, aus dem einfachen Grunde, weil sie kon-\n*) L\u2019Indoxyle etc., p. 52.","page":448},{"file":"p0449.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Entstehung der Indoxylfarbstoffe u. die Bestimmung etc. 449\nzentrierter wurde. Da\u00df aber auch nur eine Spur von In-dirubin neugebildet sei, ist in keiner Weise erwiesen und somit verliert der Versuch von EHinger seine Bedeutung.1)\nUm eine Umwandlung des Indigotins in Indirubin sicher zu konstatieren, m\u00fc\u00dfte man von einer Chloroforml\u00f6sung ausgehen, die beide Stoffe in genau bekanntem Verh\u00e4ltnis enthielte, sie mit anges\u00e4uertem Chloroform erhitzen und von neuem pr\u00fcfen, wieviel von jedem Farbstoff jetzt vorhanden ist. Nun kenne ich aber gegenw\u00e4rtig nur ein Mittel, dies m\u00f6glich zu machen: Man mu\u00df das Indirubin ausscheiden, indem man den R\u00fcckstand der abdestillierten Chloroforml\u00f6sung mit kaltem \u00c4ther ausw\u00e4scht. Ich habe das sehr oft ausgef\u00fchrt, dabei aber die Erfahrung gemacht, da\u00df immer noch Indirubin in den kleinen Partikelchen von Indigotin zur\u00fcckgehalten wird und man deshalb stets f\u00fcr eine Erneuerung der Oberfl\u00e4che zu sorgen hat. Zu diesem Zwecke brach ich den Kolben mit dem R\u00fcckstand entzwei und nahm diesen zusammen mit den Scherben mit siedendem Chloroform in einem ununterbrochen t\u00e4tigen Apparate auf, was bisweilen Wochen in Anspruch nahm. H\u00e4tte hierbei das in der Mischung vorhandene Indirubin die Umwandlung des Indigotins bef\u00f6rdern k\u00f6nnen, so w\u00e4re hierzu wirklich hinl\u00e4nglich Zeit gewesen,2) und ich h\u00e4tte schlie\u00dflich nur noch Indirubin finden m\u00fcssen. Nun aber verschwand die letzte Spur von Indirubin schon nach einer sehr geringen Zahl von \u00c4therextraktionen (3, 4 oder 5), soda\u00df es sich nur um eine festbegrenzte Menge zu entfernender Substanz, nicht aber um ein sich immer wieder vermehrendes Quantum handeln konnte. Ohne dem Resultate des Versuches, den ich hier eben kurz skizziert habe, vorgreifen zu wollen, kann ich mich\n*) Man k\u00f6nnte sich fragen, ob dieser tr\u00fcgliche Anschein nicht auch das schon erw\u00e4hnte Ph\u00e4nomen der Umwandlung von Hemiindigotin in Indirubin erkl\u00e4ren k\u00f6nnte. Ich wei\u00df dar\u00fcber nichts f\u00fcr die Beobachtung Bo um as; aber, whs mich betrifft, habe ich diese Umwandlung nicht blo\u00df auf einen Farbenwechsel, wohl aber auf die Reindarstellung des Indirubins begr\u00fcndet.\n2) Obgleich ich es vermieden habe, dem Chloroform noch selbst Salzs\u00e4ure zuzusetzen, so fand ich doch, da\u00df sehr bald eine saure Reaktion auftrat, wor\u00fcber man sich nicht wundern kann.","page":449},{"file":"p0450.txt","language":"de","ocr_de":"450\nLouis G. Maillard,\ndoch der Ansicht nicht verschlie\u00dfen, da\u00df er wenig Aussichten bietet.\nGegenw\u00e4rtig ist also kein Grund vorhanden, die Identit\u00e4t der beiden Substanzen aufrecht zu erhalten und an der Eigenartigkeit des (wie ich zugebe, sehr unv\u00f6llig bekannten) K\u00f6rpers, den ich als Hemiindigotin bezeichnet habe, zu zweifeln. Was nun die \u00abSpekulationen\u00bb angeht, in die ich mich nach Ellingers1) Meinung \u00fcber die in Rede stehende Frage eingelassen habe, so erwidere ich, da\u00df sie in meinen Augen nichts weiter wie jede andere chemische Theorie, n\u00e4mlich etwas sehr Schematisches und Provisorisches sind. Sollte Herr Ellinger den Wert der Strukturformeln \u00fcberhaupt in Zweifel ziehen, dann w\u00e4re freilich eine Diskussion ohne Aussicht, andernfalls mu\u00df er zugeben, da\u00df man verschiedene K\u00f6rper auch mit verschiedenen Strukturen versehen mu\u00df.\nDa die Verwandtschaft der beiden blauen Substanzen augenscheinlich war, so lag der Gedanke nahe, sie k\u00f6nnten polymer sein, und man wird verstehen, da\u00df die kryoskopischen Bestimmungen von Vaubel,2) die etwa um dieselbe Zeit ver\u00f6ffentlicht wurden und dem Indigotin wie Indirubin die Formel C32H20N4O4 zuerteilten, mich nicht veranlassen konnten, meine Meinung zu \u00e4ndern.\nEs ist hier nicht der Ort, alle die Er\u00f6rterungen noch einmal anzuf\u00fchren, die in meiner Arbeit \u00fcber \u00abL\u2019indoxyle urinaire et les couleurs qui en d\u00e9rivent\u00ab3) zu finden sind. Nur kurz m\u00f6chte ich daran erinnern, da\u00df nach meiner Ansicht zwei Molek\u00fcle In doxyl nach Abspaltung des S\u00e4urerestes sich direkt zu einem Molek\u00fcl Hemiindigotin oxydieren:\nc6h4/\nCO\nNH\n/\nC< >C6H4 xNH/\neiner blauen Substanz, die sich in alkalischem Mittel beinahe augenblicklich polymerisiert zu Indigotin:\n\u00d6 Diese Zeitschrift, Bd. XLI, S. 32.\n2)\tChemiker-Zeitung, Bd. XXV, S. 725.\n3)\tL. C. Maillard, L\u2019indoxyle urinaire et les couleurs qui en d\u00e9rivent, 1 vol. in 8\u00b0, 120 p., Paris, Schleicher fr\u00e8res, 1903.","page":450},{"file":"p0451.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Entstehung der Indoxylfarbstoffe u. die Bestimmung etc. 451\n/CO\nc6H /\t>\n/G0\\ C6H4/ >c\nXNH/\n/CO\\\nC< >c6H4\nC/C\u00b0\\C H\nnh/ '\nKommt dagegen dem L\u00f6sungsmittel eine saure Reaktion zu, so polymerisiert sich das Hemiindigotin zu Indirubin:\n/CO\nru/ \\p\nXNH/ /NH.\nCeH4<C0>C\n/GO\nC< >G6H4\nNnhhk\n/NR C< >c6H4 XCCK\nWas auch immer die Zukunft dieser meiner Ideen sein wird, so mu\u00df ich doch darauf hinweisen, da\u00df diese Theorien mir es erlaubten, die Anwesenheit von Indirubin neben Indigotin verst\u00e4ndlich zu machen, ferner die \u00dcberf\u00fchrung des Indigoblau in Indigorot zu erkl\u00e4ren. Des weiteren konnte ich auf diese Weise vorhersehen, wann man bei der Analyse rote, violette oder blaue Chloroformextrakte gewinnt, und schlie\u00dflich habe ich die Legende vom Skatoxyl aus der Welt geschafft, soda\u00df sich also jetzt die Er\u00f6rterungen \u00fcber eine Reihe von Harnfarbstoffen, die fr\u00fcher Hunderte von Publikationen in Anspruch nahmen, in klarer Weise auf einer einzigen Seite zusammenfassen lassen.\nM\u00f6gen diese meine \u00abSpekulationen\u00bb nur diesen einen Erfolg gehabt haben, m\u00f6gen sie sich dann sp\u00e4ter vielleicht \u00fcberleben, um anderen Platz zu machen (wogegen ich nichts einwenden werde; ohne damit keineswegs sagen zu wollen, da\u00df ich jetzt schon Veranlassung habe, sie zur\u00fcckzunehmen), so bin ich doch der festen Meinung, da\u00df sie f\u00fcr die Wissenschaft mehr Wert haben, als jenes andere Verfahren, welches zugunsten alter Formeln neugefundene Tatsachen unber\u00fccksichtigt l\u00e4\u00dft.\nVI. \u00dcber den Ursprung der Entdeckung von der Umwandlung des chloroforml\u00f6slichen blauen Farbstoffes in Indirubin.\nM\u00f6glicherweise ist dieser Vorgang schon vor langer Zeit einmal beobachtet und man mag vielleicht bei den \u00e4lteren Autoren einige diesbez\u00fcgliche Andeutungen vorfinden; ich habe","page":451},{"file":"p0452.txt","language":"de","ocr_de":"452\nLouis C. Maillard,\nmich indessen wegen Mangels an Zeit nicht danach umsehen k\u00f6nnen. Der erste, der in ausf\u00fchrlicher Weise \u00fcber die \u00dcberf\u00fchrung von Indigoblau in Indigorot spricht, ist (1891) H. Rosin1) gewesen. Er unterzog das Indigotin einer Sublimation und fand in dem Sublimat ein wenig Indirubin, aber wie ich an anderer Stelle schon bemerkt habe,2) hat er nicht \u00fcberzeugend dargetan, da\u00df das urspr\u00fcngliche Indigotin frei von Indirubin war, soda\u00df die Frage noch weiterer Pr\u00fcfungen bedurfte.\nFerner hat Bouma3) im Jahre 1899* angegeben, da\u00df bei der Destillation einer Chloroforml\u00f6sung, mit der man Urin behandelt hatte, die blaue Farbe oft in Blauviolett \u00fcberging.4) Als bald darauf Wang5) dem entgegenhielt, da\u00df das pflanzliche Indigotin sowie das eingedampfte Urinpr\u00e4parat einer solchen Farben\u00e4nderung nicht unterliegen, untersuchte Bouma6) von neuem Indigoblau, aber in festem Zustande, und konnte nun von einer Rotf\u00e4rbung nichts mehr wahrnehmen. Demzufolge erkl\u00e4rte er unumwunden, er habe sich vorher get\u00e4uscht,7) und kam erst nach meiner Ver\u00f6ffentlichung auf jene seine fr\u00fchere Ansicht zur\u00fcck.\nDie Tatsache, da\u00df Bouma sp\u00e4ter seine erste Beobachtung widerrufen hat, und vollends, da\u00df er dies aus Gr\u00fcnden getan hat, die bis zur Evidenz erwiesen, da\u00df er ihre Tragweite nicht ermessen konnte (denn er hat es ja vorgezogen, die Tatsachen zur\u00fcckzuweisen, anstatt auf die vorurteilsvolle und g\u00e4nzlich aus\n1)\tArch, f\u00fcr pathol. Anatomie, Bd. CXXIII, S. 560.\n2)\tL\u2019Indoxyle etc., p. 46.\n3)\tDiese Zeitschrift, Bd. XXVII, S. 354.\n4)\t\u00abDa ich \u00f6fters bemerkt hatte, da\u00df w\u00e4hrend des Abdestillierens\ndes Chloroforms bei Siedehitze desselben die blaue Farbe pl\u00f6tzlich einen Stich ins Violette zeigte, ja sogar ins Blauviolette umschlug, kam ich zu der schon erw\u00e4hnten Hypothese der Depolymerisation. \u2014\u00bb\n6)\tDiese Zeitschrift, Bd. XXVIII, S. 576.\n\u00ae) Diese Zeitschrift, Bd. XXX, S. 122.\n7)\t\u00abIn meiner vorigen Mitteilung habe ich angegeben, da\u00df schon Erhitzen der Chloroforml\u00f6sung Indigoblau teilweise in Indigorot umwandeln werde. Ich mu\u00df Wang zugeben, da\u00df ich mich in dieser Angabe geirrt habe. Beim Nachpr\u00fcfen mit reinem aus der Bayer sehen Fabrik erhaltenem Indigoblau habe ich diese Angabe nicht best\u00e4tigt gefunden. \u00bb","page":452},{"file":"p0453.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Entstehung der Indoxylfarbstoffe u. die Bestimmung etc. 453\nder Luft gegriffene Theorie von der Identit\u00e4t der beiden blauen Farbstoffe zu verzichten), benimmt ihn des Urheberrechtes an dieser Entdeckung, ganz besonders des alleinigen.\nAns demselben Grunde* 2 3 4) habe ich auch dagegen Einspruch erhoben, da\u00df Herr Ellinger2) diese Entdeckung Bouma zuschreibt. Zwar meinte ich anfangs, Herr Ellinger ignoriere meine Publikationen, aber, wie er zugesteht, hat er sie nur deshalb nicht zitiert, weil sie sich mit seiner eigenen Anschauung nicht deckten;3) da m\u00f6chte ich ihn doch ohne anderweitige Kommentierung darauf hinweisen, da\u00df er sich mir gegen\u00fcber derselben Ungerechtigkeit schuldig macht, deren Opfer er selbst seitens eines andern Autors zu sein sich beklagt.4)\nAber noch viel erstaunter war ich, als Bouma in einer\n\u00bb \u2022\nvom August 1903 datierten Abhandlung5) behauptete, die \u00dcberf\u00fchrung des blauen Farbstoffes in den roten sei von ihm selbst nachgewiesen und von Ellinger best\u00e4tigt, wobei er meine Untersuchungen g\u00e4nzlich mit Stillschweigen \u00fcberging. Angenommen nun auch, meine zusammenfassende Arbeit \u00fcber \u00abL\u2019indoxyle urinaire\u00bb6) sei damals noch nicht in die H\u00e4nde des Herrn Bouma gekommen und er habe von meinen Vortr\u00e4gen am 24. April und 12. Juni 1903 in der Soci\u00e9t\u00e9 chimique de Paris, am 6. und 20. Juni 1903 in der Soci\u00e9t\u00e9 de Biologie noch nicht Kenntnis nehmen k\u00f6nnen, so konnte dem betreffenden Autor doch meine Mitteilung vom 24. Februar 1902 in Acad\u00e9mie des Sciences nicht entgehen. Wie allgemein bekannt\n\u00d6 L\u2019Indoxyle etc.^p. 34.\n2)\t\u00abDa\u00df . . \u2022 auch Indigoblau in Indigorot unter den Bedingungen der Indikanbestimmung \u00fcbergehen kann, wie Bouma annimmt, soll nicht bestritten werden.\u00bb Diese Zeitschrift, Bd. XXXVIII, S.187.\n3)\t\u00ab... ich habe sie nur aus dem Grunde nicht zitiert ... weil ich von der Unrichtigkeit der theoretischen Anschauungen Maillards... \u00fcberzeugt war.\u00bb Diese Zeitschrift, Bd. XLI, S. 29.\n4)\tDiese Zeitschrift, Bd. XLI, S. 27.\n5)\t\u00ab . . . jedoch geschieht die Bildung des Indigorots . . . durch Umbildung von Blau in Rot, wie fr\u00fcher von mir betont, und wie es auch von Ellinger best\u00e4tigt worden ist.\u00bb Diese Zeitsehr., Bd. XXXIX, S. 364.\n6)\tTh\u00e8se soutenue devant la Facult\u00e9 de M\u00e9decine de Nancy, le 17 juillet 1903.","page":453},{"file":"p0454.txt","language":"de","ocr_de":"454 Louis C. Maillard, \u00dcber die Entstehung der Indoxy Farbstoffe etc.\ndiese geworden ist, geht daraus hervor, da\u00df erst nach ihrer\n\u2022 \u00ab\nVer\u00f6ffentlichung die M\u00f6glichkeit der \u00dcberf\u00fchrung des Indigoblau in Indigorot von den Autoren allgemein zugegeben wurde.\nAuch meine erste Mitteilung vom Jahre 1901 *) ist in den Augen des Herrn Bouma* 2) nur eine \u00abBest\u00e4tigung\u00bb der von ihm erwiesenen Indigonatur des roten Farbstoffes. Offenbar stimmten meine Untersuchungen mit denen Boumas so gut \u00fcberein, da\u00df man jene von allen fr\u00fcheren Autoren anerkannte Tatsache, die nur zeitweilig in Vergessenheit geraten war, wieder auffrischen konnte. Ich habe hingegen in meiner Mitteilung noch etwas anderes gebracht, n\u00e4mlich da\u00df man bei schneller Oxydation den blauen Farbstoff, bei langsamer hingegen den roten erh\u00e4lt, und indem ich dieser Tatsache weiter nachforschte, ergab sich mir das allgemeine Gesetz der Polymerisation des Hemiindigotins als roter oder blauer K\u00f6rper, je nach der Reaktion des angewandten L\u00f6sungsmittels.\nSowohl \u00fcber jene Tatsache, wie \u00fcber den daraus von mir gezogenen allgemeinen Schlu\u00df wird in der letzten Abhandlung Boumas gar nichts erw\u00e4hnt. Dieser Autor bleibt eben dabei, f\u00fcr sich eine Entdeckung in Anspruch zu nehmen, die er fr\u00fcher aus Mangel an Verst\u00e4ndnis abgelehnt hat, und so sehe ich mich nun gezwungen, gegen ein solches Verfahren Einspruch zu erheben; dies, hoffe ich, wird gen\u00fcgen, soda\u00df ich mich nicht gen\u00f6tigt zu sehen brauche, nochmals und zwar in eindringlicherer Weise aufzutreten.\nIch denke doch, das Arbeitsfeld der biologischen Chemie ist so umfassend, da\u00df jeder mit Ehren sich darauf bet\u00e4tigen kann, ohne die Arbeit anderer mit Stillschweigen \u00fcbergehen zu m\u00fcssen.\n*) C. R. Acad. d. Sciences, vol. CXXXII, p. 990, 22 avril 1901.\n2) Diese Zeitschrift, Bd. XXXIX, S. 356.","page":454}],"identifier":"lit17946","issued":"1904","language":"de","pages":"437-454","startpages":"437","title":"\u00dcber die Entstehung der Indoxylfarbstoffe und die Bestimmung des Harnindoxyls. (Eine Entgegnung gegen Hrn. A. Ellinger und Hrn. 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