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{"created":"2022-01-31T14:40:07.399402+00:00","id":"lit18035","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Schulze, E.","role":"author"},{"name":"E. Winterstein","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 43: 211-221","fulltext":[{"file":"p0211.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber das Vorkommen von Ricinin in jungen Ricinuspflanzen.\nVon\nE. Schulze und E. Winterstein.\n(Aus dem agrikultiir-ohemisi hrn Laboratorium .b-> l\u2019.dyteclmikuni* in Z\u00fcrich.'\n(Der Keduklinn zugegangen am 23. September\nIm Jahre 1897 machte der eine von uns (\u2018ine kurze, nur vorl\u00e4ufige Mitteilung1) \u00fcber eine leicht kristallisierende sliek-stoi\u00efreiclie Substanz, welche neben (i lu tarn in und Arg in in in den Keimpflanzen von Kieinus communis sieh findet: sie wurde in jener Mitteilung als Ricidin bezeichnet. Diese Substanz schien in der Zusammensetzung und im Verhalten mit keiner bis dahin beschriebenen Verbindung \u00fcbereinzustimmen. Aut (irund unseres heutigen V issens muh sie aber 1 iir identisch mit einem Bestandteil der Ricinussamen, dem Ricinin, erkl\u00e4rt werden. Das Ricinin, entdeckt von Tuson,2) ist sp\u00e4ter von Soave3) und ganz vor kurzem von Maqucnue und PhilippeD untersucht worden. Die zuletzt genannten Autoren geben ihm die Formel 0*11^0.,. Mil dieser Formel stimmen die in der zitierten Mitteilung von uns au (gef\u00fchrten Resultate unserer Elementaranalysen5) ebenso gut \u00fcberein, wie mit der\n') berichte (1er 1). f.hem. Gesellschaft. Bit. 30. S. 2107.\n*) Jahresbericht \u00fcber die Fortschritte der Chemie., 1801. S. 157.\n'\u25a0') Gheinisches Zentralblatt, 1805. Bd. I. S, 853 Die Originalabhandlung findet sieh in einer italienisetien Zeitschrift.\n*) Gorn|\u00bbf. rend., ltd. 1:18, 8. 5Uli, sowie Chem. Zentralblatt. 1001, Bd. I, S. 800.\n6; 9a in der vorl\u00e4ufigen Mitteilung die analytischen Belege nicht mitgeteilt worden sind, so lassen wir sie hier folgen:\n< G- und H-Bestimmungen:\n1.\t0.2711 g Substanz gaben 0,58l\u00ee) g C02 und 0.1200 g H/J\n2.\t0.1005 \u00bb\t\u00bb\t\u00bb\t0,3.832 \u00bb \u00bb\t\u00bb 0.0810 \u00bb \u00bb\nN-Best immun gen :\n1 0,2017 g Substanz gaben 32,2 ccm Gas bei 720 mm Druck und 22\u00ae\n= 0,0315 t g N\n2. 0,1015 g Substanz gaben 20,0 ccm Gas bei 720 mm Druck und 22\u00b0\n= 0,02780 g N.\nHoppe-Seylers Zeitschrift f. physiol. Chemie. XLIII.\t11","page":211},{"file":"p0212.txt","language":"de","ocr_de":"212\nE. Schulze und E. Winterstein,\ndamals von uns gegebenen Formel CJ2H13N303, wie aus der nachfolgenden Zusammenstellung sich ersehen l\u00e4\u00dft:\n\tGefunden\t\tBerechnet \u2019)\t\n\tI.\t2.\tf\u00fcr C8H8\\0,\tf\u00fcr G12Hi3N308\nc\t58,20\t58,44\t58,49\t58,27 \u00b0/o\n11\t\u2022 ), 10\t5.31\t4,92\t5,310 .\nN\t17,11\t17,25\t17,11\t17.04\u00b0,o\n0\t\u2014\t\u2014\t19.48\t19,38 \u00b0/\u00fc\nHeim Erliitzen mit Alkalien liefert das Ricinin nach den \u25a0Angaben der oben genannten Autoren neben Methylalkohol ein in Wasser sehr schwer l\u00f6sliches Spaltungsprodukt, die Ricinin s\u00e4ure., C7H6N202. Wir erhielten diese S\u00e4ure auch aus der aus den Ricinuspflanzen von uns isolierten StickstofT-\nverbindung: sie kristallisierte aus der L\u00f6sung in kochendem\n>\nWasser in gl\u00e4nzenden Kristallnadeln, die in kaltem Wasser sehr wenig l\u00f6slich waren. Die Stickstoffbestimmung lieferte folgendes Resultat:\n0,2710 g Substanz gaben 45,\u00f6 ccm (Jas bei 13\u00b0 G. und 720 mm Druck\n0,050903 g oder 18,78\u00b0/o N (die Theorie verlangt 18,70\u00b0/o N).\nDen Schmelzpunkt des aus den Ricinuspflanzen dargestellten K\u00f6rpers haben wir in der vorl\u00e4ufigen Mitteilung zu 193\u00b0 angegeben, was von der von Soave (loc. cit.) f\u00fcr den Schmelzpunkt des Ricinins gemachten Angabe (194\u00b0) nur unwesentlich ab weicht. Der Schmelzpunkt unseres Pr\u00e4parates konnte aber durch wiederholtes Umkristallisieren dieses Pr\u00e4parates aus Wasser und aus Chloroform auf den von Maquenne und Philippe (loc. cit.) angegebenen Retrag (201,5\u00b0 korr.) gesteigert werden. Da ferner unsere Substanz sowohl im Aussehen wie im Verhalten gegen L\u00f6sungsmittel (Wasser, Alkohol und Chloroform ) mit dem aus Ricinussamen in kleiner Menge von uns dargestellten Ricinin \u00fcbereinstimmte, so kann an ihrer Identit\u00e4t mit letzterem nicht gezweifelt werden. Demgem\u00e4\u00df lassen wir den fr\u00fcher von uns in Anwendung gebrachten Namen \u00abRicidin\u00bb fallen und ersetzen ihn durch \u00abRicinin\u00bb.\n\u2018) Obige Zahlen sind unter Zugrundelegung der durch internationale Vereinbarung angenommenen Atomgewichtszahlen berechnet und weichen daher ein wenig von den in unserer vorl\u00e4ufigen Mitteilung angegebenen Zahlen ab.","page":212},{"file":"p0213.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber das Vorkommen von Ricinin in jungen Ricinuspllanzen. 213\nIn der vorl\u00e4ufigen Mitteilung beschrieben wir eine Reaktion des Rieinins, die an die sogenannte Murexidreaktion der Harns\u00e4ure erinnert. Wenn man Ricinin kurze Zeit mit konzentrierter Salpeters\u00e4ure erhitzt und die mit Wasser verd\u00fcnnte L\u00f6sung sodann in einem Sch\u00e4lchen im Wasserbade eindunstet, so bleibt ein gelblich gef\u00e4rbter R\u00fcckstand ; bringt man auf denselben einen Tropfen verd\u00fcnnter Ammoniakfl\u00fcssigkeit, so f\u00e4rbt er sich im Umkreis des Tropfens nach kurzer Zeit rot mit einem Stich ins Violette; setzt man nach dem Eintrocknen der Fl\u00fcssigkeit Wasser zu, so bildet sich, w\u00e4hrend eine ungef\u00e4rbte Substanz ungel\u00f6st bleibt, eine rote L\u00f6sung, deren F\u00e4rbung gro\u00dfe Best\u00e4ndigkeit zeigt. Wenn wir das Ricinin nicht mit konzentrierter, sondern mit verd\u00fcnnter Salpeters\u00e4ure erhitzten, so trat diese Reaktion nicht, oder doch nur \u00e4u\u00dferst schwach ein; auch erhielten wir sie nicht, wenn wir das Ricinin l\u00e4ngere Zeit mit konzentrierter Salpeters\u00e4ure kochten. Die Reaktion trat also nur ein, wenn das Erhitzen mit Salpeters\u00e4ure im richtigen Zeitpunkt beendet wurde (durch anhaltendes Kochen mit konzentrierter Salpeters\u00e4ure wurde .offenbar die Substanz, deren Vorhandensein das Entstehen der Rotf\u00e4rbung verursachte, wieder zerst\u00f6rt).\nSp\u00e4ter fanden wir, da\u00df das Ricinin und die Ricinins\u00e4ure auch die Weide Ische Reaktion geben. Wenn man eine kleine Menge Ricinin oder Ricinins\u00e4ure auf einem Uhrglase mit einigen K\u00f6rnchen Kaliumchlorat und einigen Tropfen konzentrierter Salzs\u00e4ure zusammenbringt, dann im Wasserbade die S\u00e4ure abdunstet und den R\u00fcckstand mit wenig Ammoniakfl\u00fcssigkeit befeuchtet, so nimmt er am Rande eine rote F\u00e4rbung an, besonders dann, wenn man das Uhrsch\u00e4lchen noch einmal auf dem Wasserbade erw\u00e4rmt. Die Reaktion bleibt aus, wenn man zuviel Kaliumchlorat zugesetzt hat; auch trat in keinem Falle eine starke Rotl\u00e4rbung des in der beschriebenen Weise erhaltenen R\u00fcckstands ein. Im Hinblick auf letzteren Umstand mu\u00dften wir uns die Frage vorlegen, ob es etwa ein Nebenbestandteil unserer Pr\u00e4parate sei, der jene F\u00e4rbung hervorbrachte. Doch ist dies nicht anzunehmen. Denn auch ein wiederholt aus Wasser und aus Chloroform umkristahisiertes\n14*","page":213},{"file":"p0214.txt","language":"de","ocr_de":"214\nE. Schulze und E. Winterstein.\nRicininpr\u00e4parat gab jene Reaktion, ebenso ein Pr\u00e4parat, das wir aus Ricinussamen dargestellt hatten. Da\u00df die Reaktion zuweilen negativ ausfiel, kann im Hinblick auf das positive Resultat, das wir in einer gro\u00dfen Anzahl von Versuchen erhielten, nicht in Betracht kommen.\nAm Schlu\u00df unserer vorl\u00e4ufigen Mitteilung ist ge\u00e4u\u00dfert worden, da\u00df es in unserer Absicht liege, die Spaltungsprodukte des Ricinins zu untersuchen: wir hofften dabei, die Konstitution dieses K\u00f6rpers aufkl\u00e4ren zu k\u00f6nnen. Wie oben schon mitgeteilt worden ist, haben wir die bei der Spaltung des Ricinins entstehende Ricinins\u00fcure untersucht :1) eine weitere Bearbeitung jenes Themas haben wir aber nach dem Erscheinen der Abhandlung von Maquenne und Philippe \u00fcber das Ricinin aufgegeben. Nach den Versuchen dieser Forscher spaltet sich die Ricinins\u00fcure heim Erhitzen mit rauchender Salzs\u00e4ure im zugeschmolzenen Rohr auf 150\u00b0 in Kohlens\u00e4ure, Ammoniak und eine Base von der Formel C,;H7N()2, die vermutlich ein Methvldioxypyridin oder Methyloxypyridon C(\u00eeH4(CH3)02N ist; sie kristallisiert aus Wasser in farblosen Nadeln und gibt ein in Prismen kristallisierendes Chlorhydrat. In betreff der Kon-slitutionsformeln, die der Ricinins\u00fcure und dem Ricinin von Maquenne und Philippe gegeben werden, verweisen wir auf die zitierte. Abhandlung.\nDas Ricinin findet sich in den ungekeimten Ricinussamen in sehr kleiner Menge: der Gehalt der Samentrockensubstanz an diesem Bestandteil betr\u00e4gt, wie aus den weiter unten folgenden Angaben zu ersehen ist, nur ungef\u00e4hr 0,1 \u00b0/o. In weit gr\u00f6\u00dferer Quantit\u00e4t f\u00e4nden wir das Ricinin sowohl in etiolierten Ricinuskeimpflanzen als in jungen, am Licht erwachsenen Ricinuspfl\u00e4nzchen. Ehe wir \u00fcber die Ausbeute an Ricinin, die wir aus diesem Material erhielten, n\u00e4here Angaben\n\u2018j Die Ausf\u00fchrung der bez\u00fcglichen Versuche hatte sich stark verz\u00f6gert ; die Schuld daran lag zum Teil in dem Umslande, da\u00df die Beschaffung eines gr\u00f6\u00dferen Quantums von Ricinin, welches wir aus Ricinus-pflanzen darstellten, nur langsam vonstatten ging; denn es fehlte uns an Einrichtungen, um eine gro\u00dfe Anzahl von Ricinuspflanzen auf einmal zu ziehen.","page":214},{"file":"p0215.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber das Vorkommen von Ricinin in jungen Ricinus|j(lanzrn. 215\nmachen, wollen wir die zur Darstellung des genannten K\u00f6rpers benutzte Methode beschreiben. Wir extrahierten die fein zerriebenen, getrockneten Pfl\u00e4nzchen mit kochendem Weingeist. Der Auszug wurde der Destillation unterworfen, der dabei verbliebene R\u00fcckstand mit hei\u00dfem Wasser behandelt, die tr\u00fcbe Fl\u00fcssigkeit mit Bleiessig versetzt. Den durch dieses Reagens erzeugten Niederschlag entfernten wir durch Filtration, befreiten das Filtrat mit Hilfe von Schwefelwasserstoff vom Blei und dunsteten es sodann im Wasserbade zum d\u00fcnnen Sirup ein. Schon w\u00e4hrend des Frkaltens lieferte dieser Sirup eine aus Ricininkristallen bestehende Ausscheidung. Diese Kristalle wurden nach Verlauf von ca. 24 Stunden von der Mutterlauge getrennt, zwischen Flie\u00dfpapier abgepre\u00dft, getrocknet und gewogen. Die Mutterlauge lieferte nach dem Finengen noch eine kleine Quantit\u00e4t des gleichen Produktes.\nNach diesem Verfahren erhielten wir aus den lufttrockenen Cotyledonen etiolierter Ricinuskeimpllanzen H,:i\u00b0/0, aus den \u00fcbrigen Teilen der gleichen Pflanzen ca. 1 \u00b0/o Ricinin. .hinge, gr\u00fcne, im Freien gewachsene Ricinuspll\u00e4nzchen lieferten pro 100 Teile lufttrockener Substanz, je nach ihrem Entwicklungsgrade, 0,7\u20141,0 Teil Ricinin.\nDas im vorigen beschriebene einfache Verfahren, dessen wir uns in diesen Versuchen zur Isolierung des Ricinins bedienten, wurde von uns auch zur Darstellung von Leucin und anderen Aminos\u00e4uren aus Keimpflanzen benutzt. Der Anwendung dieses Verfahrens auf die etiolierten Ricinuspll\u00e4nzchen lag der Gedanke zugrunde, da\u00df es m\u00f6glich sein werde, auch aus diesem Material \u2014 ebenso wie aus anderen Keimpflanzen \u2014 Leucin und \u00e4hnliche Aminos\u00e4uren zu gewinnen. Statt solcher K\u00f6rper erhielten wir aber Ricinin. Man k\u00f6nnte nun denken, da\u00df dieses Produkt durch Leucin oder andere Aminos\u00e4uren verunreinigt gewesen sei. Dies lie\u00df sich jedoch nicht nach-weisen ; das in der beschriebenen Weise isolierte Ricinin l\u00f6ste sich leicht sowohl in siedendem Alkohol wie in siedendem Chloroform, w\u00e4hrend sich Leucin, Tyrosin und \u00e4hnliche Aminos\u00e4uren in diesen L\u00f6sungsmitteln nicht l\u00f6sen.\nDa nach den vorliegenden Angaben der Riciningehalt der","page":215},{"file":"p0216.txt","language":"de","ocr_de":"216\nE. Schulze und E. Winterstein,\nungekeimten Ricinussamen nur ein geringer ist, so schien die relativ bedeutende Ausbeute an Ricinin, die wir sowohl aus etiolierten wie aus gr\u00fcnen Ricinusptl\u00e4nzchen erhielten, f\u00fcr die Annahme zu sprechen, da\u00df w\u00e4hrend der Entwicklung der Pfl\u00e4nzchen eine Neubildung von Ricinin erfolgte. Zur sicheren Entscheidung dieser Frage war es aber n\u00f6tig, nicht nur nach dem gleichen Verfahren den Riciningehalt der Ricinussamen und der Ricinuspfl\u00e4nzchen, sondern auch das Gewicht der aus 100 Teilen Samentrockensubstanz entstandenen Pfl\u00e4nzchen zu bestimmen. Die Ergebnisse der zu diesem Zweck von uns ausgef\u00fchrten Versuche teilen wir im folgenden mit.\nDie Ricinussamen sind so reich an fettem \u00d6l, da\u00df es nicht wohl m\u00f6glich ist, ihren Trockensubstanzgehalt in der gew\u00f6hnlichen Weise, d h. durch Austrocknen eines abgewogenen Quantums der zerriebenen Samen genau zu bestimmen. Wir haben die Samen zun\u00e4chst in die Schalen und die Kerne zerlegt, Wobei festgestellt wurde, da\u00df das Gewicht der Schalen 22,4 \u00b0/o vom Gewicht der lufttrockenen Samen ausmachte. Die\nKerne wurden zersto\u00dfen, die dabei entstandene breiartige Masse \u2022\u2022 \u2022\u2022\nmit \u00c4ther behandelt, das in \u00c4ther Unl\u00f6sliche sodann auf ein\nit\nFilter gebracht und sorgf\u00e4ltig mit \u00c4ther ausgewaschen. Die dabei erhaltene \u00e4therische Fettl\u00f6sung brachten wir auf ein bestimmtes Volumen und bestimmten ihren Fettgehalt nach bekanntem Verfahren. Aus der Summe des in der \u00e4therischen L\u00f6sung Vorgefundenen Fettquantums und der im entfetteten Filterr\u00fcckstand enthaltenen Trockensubstanzmenge ergab sich der Trockensubstanzgehalt der entsch\u00e4l en Samen; er betrug 97,18\u00b0/o. 210 St\u00fcck der entsch\u00e4lten Samen wogen 90 g und enthielten 82,96 g Trockensubstanz, darin 47,8 g Fett. 100 St\u00fcck Samen enthielten demnach 39,5 g Trockensubstanz.\nDie Ricinuspflanzen, auf welche die weiter unten gemachten Angaben sich beziehen, wurden unter Benutzung des von uns untersuchten Samenmuslers teils in einem verdunkelten Zimmer, teils im Freien (im Garten unseres Institutes) gezogen. Die etiolierten Pfl\u00e4nzchen wurden nach mehrw\u00f6chentlicher Vegetationsdauer in einem Entwicklungsstadium untersucht, in welchem das in den ungekeimten Samen in reichlicher Menge","page":216},{"file":"p0217.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber das Vorkommen von Ricinin in jungen Ricinuspflanzen.\u2019 217\nenthaltene Endosperm aufgezehrt war. 184 St\u00fcck solcher Pfl\u00e4nzchen wogen in wasserfreiem Zustande 39,6 g; 100 St\u00fcck Pfl\u00e4nzchen enthielten demnach 21,53 g Trockensubstanz. Die im Freien gewachsenen Pfl\u00e4nzchen wurden geerntet, nachdem an ihnen neben den Cotyledonen ein Bl\u00e4ttchenpaar sich entwickelt hatte. 100 St\u00fcck solcher Pfl\u00e4nzchen wogen in wasserfreiem Zustande 34,46 g.\nWir gehen nun zur Mitteilung der Resultate \u00fcber, die wir bei Bestimmung des Riciningehalts der Samen und der Pfl\u00e4nzchen erhielten. Die Samen wurden zun\u00e4chst mit Hilfe von Petrol\u00e4ther, in welchem das Ricinin sich nicht l\u00f6st, vom gr\u00f6\u00dften Teil des Fetts befreit. In dem dabei verbliebenen zerreiblichen R\u00fcckstand, welcher noch 18,36\u00b0/o Fett und 5,40\u00b0/o Feuchtigkeit einschlo\u00df, bestimmten wir den Riciningehalt unter Verwendung des von Maquenne und Philippe (loc. eil.) zur Isolierung des Ricinins benutzten Verfahrens. Jener R\u00fcckstand wurde mit hei\u00dfem Wasser extrahiert, der Auszug eingedunstet, der Verdampfungsr\u00fcckstand mit kochendem Weingeist behandelt. Den Verdampfungsr\u00fcckstand des weingeistigen Auszugs extrahierten wir f\u00fcnfmal mit siedendem Chloroform. Die in dieser Weise erhaltene L\u00f6sung wurde der Destillation unterworfen, das dabei zur\u00fcckgebliebene Ricinin in hei\u00dfem Wasser gel\u00f6st, durch Eindunsten der filtrierten L\u00f6sung wieder gewonnen und sodann gewogen. Aus 200 g des gr\u00f6blich entfetteten Hamenpulvers erhielten wir auf diesem Wege 0,239 g = 0,120\u00b0/\u00ab Ricinin.\nBei Ausf\u00fchrung einer zweiten Bestimmung extrahierten wir das Samenpulver zweimal mit kochendem 95\u00b0/oigem Weingeist. Der Auszug wurde der Destillation unterworfen, der Destillationsr\u00fcckstand mit hei\u00dfem Wasser behandelt, die tr\u00fcbe Fl\u00fcssigkeit mit Bleiessig versetzt. Das Filtrat von dem durch dieses Reagens hervorgebrachten Niederschlage befreiten wir mittels Schwefelwasserstoff vom Blei und verdunsteten es sodann im Wasserbade. Den Verdampl\u00fcngsr\u00fcckstand extrahierten wir wiederholt mit siedendem Chloroform ; das beim Verdunsten der Chloroforml\u00f6sung zur\u00fcckgebliebene Ricinin wurde zur Reinigung noch einmal in Wasser gel\u00f6st. Aus 400 g des Ausgangs-","page":217},{"file":"p0218.txt","language":"de","ocr_de":"218\nK. Schulze und E. VVinterstein,\nmaterials erhielten wir nach diesem Verfahren 0,508 g = \u00fc,12()\u00b0/o Ricinin. Im Mittel lieferten also 100 Teile des partiell entfetteten Samenpulvers 0,128 Teile Ricinin. F\u00fcr die Trockensubstanz der ganzem Samen (mit i\u00f6,l2\u00b0/o Fett) berechnet sich unter Zugrundelegung dieser Zahl ein Gehalt von 0,09 \u00b0/o Ricinin. Mit diesem Resultat wollen wir die \u00fcber den Ricinin-gehalt der Rieinussamon von anderen Autoren gemachten Angaben vergleichen. Maquenne und Philippe erhielten aus Ricinus\u00f6lkuchen < Pre\u00dfr\u00fcckst\u00e4ude) eine Ausbeute von 0,2\u00b0/o Ricinin: die Samen, aus denen diese \u00d6lkuchen gewonnen waren, k\u00f6nnen also kaum mehr als 0,12\u00b0/o Ricinin enthalten haben. Soave fand in den Pre\u00dfr\u00fcckst\u00fcnden der cntscli\u00e4lten Samen nur 0,03\u2018Vo Ricinin, w\u00e4hrend dagegen die Samenschalen 0,L5\",o dieses K\u00f6rpers lieferten. Wie man sieht, liegt die von uns in den Ricinussamen gefundene Ricininmenge zwischen den Guanlil\u00e4ten, die von den im vorigen gemannten Autoren in jenen Samen gefunden worden sind.\nGegen das bei Bestimmung des Riciningehalts der Samen von (ins erhaltene Resultat l\u00e4\u00dft sich noch ein Einwand erheben. man kann die Frage stellen, ob vielleicht bei Behandlung der zerkleinerten Samen mit Petrol\u00e4ther au\u00dfer dem Fett auch ein Teil des Ricinins in L\u00f6sung gegangen ist. Wir haben daher 250 g des bei Destillation des Petrol\u00e4therextrakts zur\u00fcckgebliebenen Fettes mit 1 Liter Wasser von \u00e7a. SO\" C. wiederholt dwroligeschiittelt und sodann die nach l\u00e4ngerem Stehen mit Iblle eines Scheidetrichters vom Fett getrennte w\u00e4sserige L\u00f6sung im Wasserbade auf ein kleines Volumen eingeengt. Reim Erkalten lieferte diese Fl\u00fcssigkeit nur eine dem Anschein nach aus einer lettartigen Substanz bestehende Ausscheidung, deren Ouantit\u00e4l nur gering war. Zur Entfernung dieser fettartigen Substanz wurde die Fl\u00fcssigkeit mit \u00c4ther gesch\u00fcttelt, die von \u00ab1er \u00e4therischen Schicht getrennte w\u00e4sserige L\u00f6sung sodann bis auf ein Volumen von weniger als 10 ccm eingeengt. Eine Ausscheidung von Ricininkristallen lie\u00df sich aus dieser Fl\u00fcssigkeit nicht erhalten. Den beim Verdunsten dieser Fl\u00fcssigkeit verbleibenden R\u00fcckstand extrahierten wir viermal mit siedendem Ghlorol\u00f6rm; die so erhaltene L\u00f6sung gab beim","page":218},{"file":"p0219.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber das Vorkommen von Kicinin in jungen Rieinuspflanzen. 219\nVerdunston einen R\u00fcckstand, dessen Gewicht nur 0,015 g betrug. Wahrscheinlich bestand er aus Rieinin: die Quantit\u00e4t desselben war aber so gering, da\u00df sie unber\u00fccksichtigt bleiben konnte: sie betrug nur ca. 0,0025 o/0 der Bit inussamen.\n/ur Bestimmung des Riciningehalts der etiolierten und der gr\u00fcnen Pfl\u00e4nzchen bedienten wir uns des Verfahrens, welches bei der zweiten Bestimmung des Riciningehalts der ungekeirnten turnen in Anwendung kam, nur mit dem Tnter-schiede, da\u00df wir das Rieinin aus den mit Hilfe von Bleiessig gereinig\u00fc n Kxtrakleu soweit als m\u00f6glich auskristallisieren lie\u00dfen und nur die von dim hristailen getrennte Mutterlauge, nachdem sie noch etwas eingeengt worden war. mit siedendem Chloroform behandelten. Dit* bei der Destillation des Chloroformauszuges zur\u00fcckgebliebene geringe Hieininmenge wurde in Wasser gel\u00f6st, aus der filtrierten L\u00f6sung durch K indunst en wieder gewonnen und nun mit den vorher erhaltenen Rieinin-kristallen vereinigt: kdztere waren zuvor zur Reinigung in hei\u00dfem Chloroform gelbst und dadurch von einer in diesem L\u00f6sungsmittel unl\u00f6slichen Beimengung, deren Quantit\u00e4t aber nur \u00e4u\u00dferst gering war. getrennt worden.1)\nWir erhielten auf diesem Wege folgende Resultate:\na) .'>1.53 g 'der etiolierten Keimpflanzen wasserfrei in Rechnung gestellt) lieferten 1.252 g = 2-,43% Rieinin.\nbi U3.U g der giinen Pfl\u00e4nzchen .wasserfrei in Rechnung gestellt lieferten 1 :>U\\ g \u00ab 1.33% Rieinin.\nDiese Resultate weichen von denjenigen, die wir fr\u00fcher in etwas anderer Weise erhielten, nicht weit ab. Denn wir haben fr\u00fcher bei Untersuchung elidierter Keimpflanzen aus den. luft-trocknenCot\\le<Ionen\taus den \u00fcbrigen I eilen ca. l*\\ oRieinin\nerhalten, die jetzt von uns erhaltene Ausbeute liegt, wie inan sieht, zwischen diesen Zahlen. Crime Pfl\u00e4nzchen, die ungef\u00e4hr den gleichen Lntwicklungsgrad besa\u00dfen, wie die jetzt von uns untersuchten, lieferten ungef\u00e4hr l\u00b0/o Rieinin diese Zahl bezieht sieh auf die lufttrockne Pflanzensubstanz).\nW io gro\u00df die Zunahme der Ricininmenge w\u00e4hrend der\nl) Pie in Chloroform unl\u00f6sliche Beimengunjr war leictit l\u00f6slich in Wasser und bestand nicht aus Leucin oder Tyrosin.","page":219},{"file":"p0220.txt","language":"de","ocr_de":"220\nR. Schulze und E VVinterstein,\nEntwicklung der Pfl\u00e4nzchen gewesen ist, das l\u00e4\u00dft sich fest-steilen, indem man die in 100 St\u00fcck Samen und 100 St\u00fcck Pfl\u00e4nzchen enthaltenen fticininquantit\u00e4ten einander gegen\u00fcber stellt. In der weiter unten folgenden Tabelle ist dies geschehen. Vor Mitteilung der Zahlen ist jedoch noch auf einen kleinen Fehler aufmerksam zu machen, welcher einer dieser Zahlen anhaftet. Den Riciningehalt der Samen haben wir aus dem Resultat berechnet, das wir bei Untersuchung der unentseh\u00e4lten Samen erhielten. Da aber bei Entwicklung der Pfl\u00e4nzchen die Schalen abgeworfen werden, und da von den in den letzteren enthaltenen Substanzen wahrscheinlich nichts in die Pfl\u00e4nzchen \u00fcbergeht, so w\u00fcrde es richtiger gewesen sein, den Riciningehalt von 100 St\u00fcck Samen aus dem Resultat einer in entsch\u00e4lten Samen ausgef\u00fchrten Bestimmung zu berechnen. Da dies nicht geschehen ist und da nach den Angaben von Soave die Schalen reicher an Ricinin sind als die Kerne, so mu\u00df man annehmen, da\u00df die in den ungekeimten Samen enthaltene Rieininmengo von uns etwas zu hoch angesetzt worden ist. Der daraus entspringende Fehler ist aber gering und beeinflu\u00dft die aus den Zahlen der Tabelle von uns abgeleitete Schlu\u00dffolgerung so wenig, da\u00df er unber\u00fccksichtigt bleiben kann. Wir lassen nun die von uns berechneten Zahlen folgen:\n100 St\u00fcck entsch\u00e4lte Samen (mil Hi),5 }\u00ef Trockensubstanz) enthielten\n0,035 u Ricinin.\n100 St\u00fcck etiolierte Pfl\u00e4nzchen (mit 21,03 g Trockensubstanz) enthielten\n0,523 g Ricinin.\n100 St\u00fcck gr\u00fcne Pfl\u00e4nzchen (mit 34.43 g Trockensubstanz) enthielten\n0.458 g Ricinin.\nAus diesen Zahlen folgt, da\u00df in den etiolierten Pfl\u00e4nzchen die Rioininmenge fast auf das F\u00fcnfzehnfache, in den gr\u00fcnen Pfl\u00e4nzchen auf das Zw\u00f6lffache der in den ungekeimten Samen enthaltenen Quantit\u00e4t gestiegen ist. Da der Riciningehalt der ungekeimten Samen wahrscheinlich etwas zu hoch angesetzt ist (man vergleiche die oben gemachte Bemerkung), so ist die Zunahme der Rioininmenge in Wirklichkeit wohl noch etwas gr\u00f6\u00dfer gewesen.\nDie starke Abnahme der Trockensubstanzmenge in den unter Lichtabschlu\u00df sich entwickelnden Keimpflanzen erkl\u00e4rt","page":220},{"file":"p0221.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber das Vorkommen von Ricinin in jungen Ricininpflanzen. 221\nsich daraus, da\u00df in diesen Pflanzen w\u00e4hrend ihrer mehrere Wochen lang dauernden Vegetation stickstofffreie Stolle im Atmungsproze\u00df verbraucht wurden. Bei den gr\u00fcnen Pfl\u00e4nzchen war die Abnahme der rrockensubstanzmenge eine viel geringere, weil nach Entfaltung der Bl\u00e4tter im Assimilationsproze\u00df Kohlenhydrate gebildet werden konnten.\nIst durch die im vorigen mitgeteilten Versuchsergebnisse mit Sicherheit bewiesen worden, da\u00df w\u00e4hrend der Entwicklung der Ricinuspfl\u00e4nzchen das Ricinin eine starke Zunahme erf\u00e4hrt, so l\u00e4\u00dft sich andererseits \u00fcber die Art und Weise, in welcher diese Stickstoffverbindung in den Pfl\u00e4nzchen sich bildet, etwas Bestimmtes zurzeit nicht aussagen. Da aber nachgewiesen ist, da\u00df in solchen Pfl\u00e4nzchen eine starke Eiwei\u00dfzersetzung stattfindet, so kann es wohl nicht f\u00fcr unwahrscheinlich erkl\u00e4rt werden, da\u00df die Ricininbildung mit dem Eiwei\u00dfumsatz zusammenh\u00e4ngt.\nBei Untersuchung der in den Rieinuspflanzen enthaltenen Eiwei\u00dfzersetzungsprodukte hat sich insofern ein auffallendes Resultat ergeben, als es uns, wie weiter oben schon erw\u00e4hnt wurde, nicht gelungen ist, aus diesen Pflanzen Tyrosin oder Leucin oder \u00e4hnliche Aminos\u00e4uren zu isolieren, w\u00e4hrend wir solche Stoffe aus anderen stickstoffreichen Keimpflanzen unter Anwendung des gleichen Verfahrens stets darzustellen vermochten.\nOb die aus den Rieinussamen darstellbaren Eiwei\u00dfsubstanzen bei der Spaltung durch Salzs\u00e4ure Produkte liefern, die in irgend einer Beziehung von den bei der Spaltung anderer pflanzlicher Eiwei\u00dfk\u00f6rper entstehenden Produkten abweichen, soll durch Versuche, die der eine von uns in Angriff genommen hat, entschieden werden.","page":221}],"identifier":"lit18035","issued":"1904-05","language":"de","pages":"211-221","startpages":"211","title":"\u00dcber das Vorkommen von Ricinin in jungen Ricinuspflanzen","type":"Journal Article","volume":"43"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:40:07.399407+00:00"}