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{"created":"2022-01-31T14:57:17.985893+00:00","id":"lit18036","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Herzog, R. O.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 43: 222-227","fulltext":[{"file":"p0222.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Geschwindigkeit enzymatischer Reaktionen.\n(Zweite Mitteilung.)\nVon\nII. O. Herzog.\n(Aus dom zoologischen Institut zu Kiel.)\n(Der Deduktion zugegangen am 25. September 1904.)\n1.\tVor kurzem habe ich unter gleichem Titel1) die Mitteilunggemacht, da\u00df \u00abdie Annahme eines heterogenen, kapillaren Systems gestatte, die Abh\u00e4ngigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit von der Substratkonzentration (bei enzymatischen Vorg\u00e4ngen) auf innere Reibung zur\u00fcckzuf\u00fchren\u00bb.\nDa die Hypothese der direkten Pr\u00fcfung unzug\u00e4nglich ist, wurde tier Gedanke, welcher zur mathematischen Formulierung gef\u00fchrt li\u00e2t, m\u00f6glichst knapp mitgeteilt; zu knapp, wie scheint ; denn so erkl\u00e4rt sich wohl ein Teil der kritischen Bemerkungen von seiten Herrn V. Henris,2) welche zeigen, da\u00df dem Verfasser der Grundgedanke nicht klar geworden ist.3) Fs besteht daher die Aul g\u00e4be, jenen Gedanken soweit auszuf\u00fchren, bis sich ergibt, da\u00df die Hinw\u00e4nde Herrn Henris ihn nicht ber\u00fchren. Gleichzeitig soll die Gelegenheit zu einigen weiteren Bemerkungen ergriffen werden.\n2.\tFm die Beziehung, welche zwischen Substratkonzentration (bei gro\u00dfen Unterschieden) und Reaktionsgeschwindigkeit besteht, kennen zu lernen, wurde davon ausgegangen, da\u00df ,die Knzyml\u00f6sung ein heterogenes Medium vorstelle, indem die Kol-\n') Dies\u00ab? Zeitschrift, Rcl. XL1, S. 41\u00df (15)04).\n*) lt. r. de soc. biol., Hd. 57, S. 173 (1904).\n\u2022\"') Vielleicht h\u00e4tte sich das ge\u00e4ndert, wenn H. Henri eine ausf\u00fchrlichere Mitteilung h\u00e4tte abwarten wollen, die demn\u00e4chst erscheinen d\u00fcrfte.","page":222},{"file":"p0223.txt","language":"de","ocr_de":"liber die Geschwindigkeit enzymatischer Reaktionen. II. 223\nloidl\u00f6sung als feine Suspension gedacht wird.1) Findet nun der Umsatz an der Oberfl\u00e4che der suspendierten Fermentteilchen statt, und zwar sehr schnell, dann wird seine Geschwindigkeit davon abh\u00fcngen, wie rasch die nicht umgesetzten Molek\u00fcle an die Enzymoberfl\u00e4che gelangen. Da man sich nun \u00fcberaus viele ' Fermentteilchen und zwar von nicht zu geringer Gr\u00f6\u00dfe2) in der L\u00f6sung denken mu\u00df, kann man sielt eine Art Kapillarnetz, von den Zwischenr\u00e4umen der suspendierten Teilchen gebildet, vorstellen, in welchem \u00abmolekulare Kr\u00e4fte\u00bb den L\u00f6sungsstrom zirkulieren lassen werden. Je gr\u00f6\u00dfer die Zirkulationsgesehwin-digkeit, desto gr\u00f6\u00dfer die Zahl der noch nicht umgesetzten Molek\u00fcle, welche an die Ferment Oberfl\u00e4che kommen und daselbst umgewandelt werden. Je viskoser aber die Fl\u00fcssigkeit ist, desto langsamer wird der Strom zirkulieren.\nUm diesen Gedanken in eine rechnerisch zu verwertende Form zu bringen, wurde angenommen, da\u00df die Reaktionsgeschwindigkeit (genauer: Diffusionsgeschwindigkeit3) in einem solchen Fall als Exponentialfunktion der Viskosit\u00e4t auftreten kann. Um die innere Reibung als Funktion der Konzentration darzustellen, wurde nicht die bekannte Formel von Arrhenius, sondern die allgemeinere von Rudorf1) benutzt; einmal, weil die \u00e4ltere Formel auf die neuere zur\u00fcckgef\u00fchrt werden kann, welche sich auch innerhalb viel weiterer Grenzen als brauchbar erweist, und weil sie zweitens rechnerisch bequemer zu behandeln war; allerdings wurde die Formel etwas weiter gefa\u00dft, als Rudorf angab, indem auch die dritten Rotenzen der Substratkonzentration in Rechnung gezogen sind, was mir aber nicht unzul\u00e4ssig scheint. Die so erhaltene Formel pa\u00dft sich den gefundenen Werten in allen untersuchten F\u00e4llen gut an.\n3. Herr Henri macht nun zuerst den Einwand, da\u00df die Annahme, die Viskosit\u00e4t spiele eine hervorragende Rolle; bei\n*) Litteratur 1. c.\n8) Vgl. E. Raehimann, M\u00fcnch, med. Wochenschrift, Kd. 50, S. 2089 (1903).\n') 1. c.\n4) Zeitschrift f. physik. Rhein., Rd. 43, S. 257 (1903) und Zeitschrift f. Elektroch,, Bd. 10, S. 473 (1904).","page":223},{"file":"p0224.txt","language":"de","ocr_de":"224\nR. 0. Herzog,\nden Reaktionen im heterogenen System, nicht nur f\u00fcr die Enzymreaktionen, sondern auch l\u00fcr die Versuche von Bredig mit kolloidalem Platin und Wasserstoffsuperoxyd, f\u00fcr die von Boden stein untersuchten Gasreaktionen und f\u00fcr die Aufl\u00f6sung fester Stoffe, wie sie Brunner studiert hat, gelten m\u00fc\u00dfte. Man erkennt sofort, da\u00df diese Vorg\u00e4nge keineswegs auf Grund der entwickelten Hypothese vergleichbar sind, da es sich ja hei Gasreaktionen und bei der Aufl\u00f6sung im wesentlichen um Oberfl\u00e4chenerscheinungen handelt, nicht aber um Prozesse, wie sie sich in einem oben als \u00abKapillarnetz\u00bb geschilderten System abspielen k\u00f6nnten. Die Versuche von Bredig sind theoretisch nat\u00fcrlich direkt vergleichbar: aber es kommt in Betracht, da\u00df mit sehr schwachen L\u00f6sungen von Wasserstoffsuperoxyd gear-beitet wurde. Gerade l\u00fcr diesen Fall aber hat Senter1) zeigen k\u00f6nnen, da\u00df das Peroxyd zerst\u00f6rende Enzvm des Blutes sich in gewissen Grenzen ganz ebenso verh\u00e4lt wie Bredigs Fl\u00fcssigkeit : ferner geht zum Teil auch aus der eben erschienenen Arbeit von Barendrecht2) hervor, da\u00df bei sehr schwacher Substratkonzentration die Geschwindigkeitskonstanten der Ferment roaklinnen immer weniger differieren. Ein Schlu\u00df von der Wirkungsweise der Bredigsehen Fl\u00fcssigkeit auf die der Enzym-l\u00f6sung w\u00e4re erst entscheidend, wenn Konzentrationen mit deut-\nlichen Viskosil\u00fctsunterschieden verglichen w\u00fcrden.\n'Zweitens meint Herr Henri, da\u00df die Beziehung zwischen der Diffusionsgeschwindigkeit und der Konzentration, welche sich aus der Hypothese erg\u00e4be, nicht mit den Erfahrungen anderer Forscher korrespondiere. Der Vorwurf braucht nicht widerlegt zu werden, er folgt aus demselben Mi\u00dfverst\u00e4ndnis wie der erste.\nAnders liegt es dagegen mit dem dritten Einwand. Herr Henri findet die Gr\u00f6\u00dfenordnung der Viskosit\u00e4lskonstanten, die ich berechnet habe, sehr verschieden von denjenigen, welche experimentell f\u00fcr dieselben L\u00f6sungen festgestellt wurden. In der Tat besteht aber auch kein Zusammenhang zwischen diesen Werten.\n') Zeitschrift f. pliysik. Chem., \u00dfd. 44, S. 257 (1903). *) Zeitschrift f. pliysik. Chem., Hd. 49, S. 456 (1904).","page":224},{"file":"p0225.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Geschwindigkeit enzymatischer Reaktionen. II. 225\nSeien x\\ die Viskosit\u00e4t, a die Konzentration, A, B, C, D Konstante, so verwenden wir die Formel\nn \u2014 A + Ba + Ca2 + Da3: f\u00fcr gew\u00f6hnlich setzt man nun die Viskosit\u00e4t des L\u00f6sungsmittels z. B. des Wassers = 1, also\nA = 1.\nWir haben die DifTusionskonstante\nk = nm\nangenommen, wobei m eine Konstante bedeutete.\nDa f\u00fcr\na \u2014 0 auch\nn = o\nsein mu\u00dfte, war also\nA = 0\nzu setzen. \u2019)\nViertens findet Herr Henri, da\u00df das gegebene Formelmaterial nicht hinreicht, um den Umsatz zu einer bestimmten Zeit zu berechnen, ln der Tat bedarf es mitunter der Versuche, um die Konstante e zu ermitteln: aber ich habe auch selbst ausdr\u00fccklich bemerkt, da\u00df Voraussagungen so allgemeiner Art wie in den Schulf\u00e4llen der chemischen Dynamik f\u00fcr die Fermentreaktionen sich nicht machen lassen.\nF\u00fcnftens und letztens ist Herr Henri der Ansicht, da\u00df Versuche, die er und M. Nicloux mit einer Kmulsiort von \u00d6l, Fetts\u00e4ure und Wasser angestellt haben, den Grundgedanken widerlegen. Das scheint mir nicht der Fall zu sein; denn einmal liegt der Beweisf\u00fchrung wiederum das Mi\u00dfverst\u00e4ndnis des ersten und zweiten Einwandes zugrunde, und zweitens kann man wohl eine Emulsion nicht ohne weiteres als mikroheterogenes System einer kolloidalen L\u00f6sung vergleichen. \u2014 Somit scheint es nicht n\u00f6tig, auf die Kritik Herrn Henris hin an dem Inhalt der 1. Mitteilung etwas zu ver\u00e4ndern. . \u2018\n4. Im folgenden m\u00f6gen einige Versuche angef\u00fchrt sein, die mir vorl\u00e4ufig die aufgestellte Hypothese zu st\u00fctzen scheinen.\nEs wurde die Viskosit\u00e4t einer 50\u00b0/oigen Rohrzucker-\n') B, C, D h\u00e4ngen ferner nat\u00fcrlich von der Ma\u00dfeinheit ab, in der dit* Konzentration a berechnet ist.","page":225},{"file":"p0226.txt","language":"de","ocr_de":"220\nU 0 Herzog.\nl\u00f6sung bestimmt und dann versucht, eine L\u00f6sung von Wasser, Glyzerin und etwa ;VY.> Kohrzucker von m\u00f6glichst gleicher Viskosit\u00e4t herzustellen.\nDarauf wurden beide L\u00f6sungen mit gleichen Invertinmengen versetzt (worauf freilich die Viskosit\u00e4t etwas weiter differierte) und daun gleichm\u00e4\u00dfig behandelt. Nach 5 Stunden waren in der f>o\u00b0/oigen Zuckerl\u00f6sung l\u00d6\u00b0/o umgesetzt; in der \u00e4quiviskosen L\u00f6sung, die nur 5\u00b0/o Zucker enthielt, waren ll\u00b0/o Invertzucker gebildet worden, w\u00e4hrend ein Parallelversuch mit \u00f6\u00b0/oiger w\u00e4sseriger Kohrzuckerlosung einen Umsatz von 90\u00b0/o\naufwies.\nIn einem andern Fall waren eine 10- und eine 5\u00b0/oige Zuckerl\u00f6sung wieder durch Glyzerinzusatz \u00e4quiviskos gemacht worden. Nach einer halben Stunde waren 31 und 29\u00b0/o Zucker invertiert. Zu \u00e4hnlichem Resultat f\u00fchrte das Experiment bisher immer : die Fehler bleiben innerhalb der berechneten Grenzen. Es scheint also, als w\u00e4ren in der Tat in \u00e4quiviskosen L\u00f6sungen die Geschwindigkeiten ann\u00e4hernd gleich.1) Doch mu\u00df hinzugesetzt werden, da\u00df bisher blo\u00df mit Invertin-\nrohrzucker und Glyzerin Versuche angestellt wurden. Im allgemeinen k\u00f6nnten auch wohl spezifische Einfl\u00fcsse in Betracht kommen.2)\nWeiter m\u00f6ge hier noch erw\u00e4hnt sein, da\u00df die Versuche, die Herr Dr. Braeuning3) vor kurzem mitgeteilt hat, durchaus im Sinne der Hypothese zu deuten w\u00e4ren ; doch soll nicht verkannt sein, da\u00df man auch leicht andere Erkl\u00e4rungen f\u00fcr die\nvon ihm beobachteten Erscheinungen gelten lassen kann.\n5. Trotz der mitgeteillen Beobachtungen erkenne ich wohl Schwierigkeiten, die gegen die mitgeteilte Hypothese geltend gemacht werden k\u00f6nnten. Insbesondere auch scheint die spezifische Wirkung mancher Stoffe auf die Reaktionsgeschwindigkeit\n\u2022j Der Zusatz von kolloidal gel\u00f6sten Stoffen (statt Glyzerin) w\u00fcrde nat\u00fcrlich die L\u00f6sung nicht \u00e4quiviskos in unserem Sinne machen.\n*) Ks w\u00e4re vielleicht nicht uninteressant, die Geschwindigkeit einer enzymatischen Hydrolyse in einem Fall zu verfolgen, wo die Wasserkonzentration so gering ist. da\u00df es nicht mehr als L\u00f6sungsmittel gelten kann. 3) Diese Zeitschrift, Bd. XLI1, S. 70 (1904).","page":226},{"file":"p0226s0001blank.txt","language":"de","ocr_de":"Is. ,\n\n\n","page":0},{"file":"p0227.txt","language":"de","ocr_de":"\u00fcber die Geschwindigkeit enzymatischer Reaktionen. II. 227\nschwer erkl\u00e4rbar (Autokatalyse). Dabei ist freilich zu bedenken, da\u00df \u00fcber die spezifische Katalysatorenwirkung im allgemeinen bisher keinerlei Regeln vorliegen. *) Im \u00fcbrigen wurde bereits an anderer Stelle Selbstkritik ge\u00fcbt und gerne zugestanden, da\u00df die gegebenen Formeln als Interpolationsformeln angesehen werden m\u00f6gen, wenn sich ernstliche theoretische Bedenken einstellen oder wenn sich ergeben sollte, da\u00df weitere Folgerungen aus ihnen nicht hervorgehen.\nDas Ziel dieser Untersuchungen, welche zun\u00e4chst abgebrochen werden, war in erster Linie, eine Orientierung zu gewinnen, wieweit die vorhandenen Mittel ein quantitatives Studium der chemischen Grundprobleme der Biologie gestatten.\nl) Mit spezifischer Wirkung l\u00e4\u00dft sich auch deuten, da\u00df etwa bei der Rohrzuckerinversion die Geschwindigkeit zunimmt, obwohl die Viskosit\u00e4t w\u00e4chst. \u2014 Vgl. \u00fcber das Problem der Katalyse \u00fcbrigens Knoeve-nagel, Rer. d. d. chem. Ges., Bd. 36, S. 2843 (1903).\nHoppe-Scylcr\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie. XLIII.\n15","page":227}],"identifier":"lit18036","issued":"1904-05","language":"de","pages":"222-227","startpages":"222","title":"\u00dcber die Geschwindigkeit enzymatischer Reaktionen. II. Mitteilung","type":"Journal Article","volume":"43"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:57:17.985898+00:00"}