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Über die Einführung von Stickstoff in die Santoninmolekel und das physiologische Verhalten einiger Santoninstoffe

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{"created":"2022-01-31T13:43:10.332340+00:00","id":"lit18038","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Wedekind, Edgar","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 43: 240-248","fulltext":[{"file":"p0240.txt","language":"de","ocr_de":"Ober die Einf\u00fchrung von Stickstoff in die Santoninmolekel und das physiologische Verhalten einiger Santoninstoffe.\nVon\nEdgar Wedekind,\n(Aus dem chemisrhon Laboratorium der Universit\u00e4t T\u00fcbingen.) (Der Deduktion zugegangen am 18. Oktober 1904.)\nDer Bitterstoff Santonin *) C15H1803 zeigt in seinem physiologischen Effekt eine gewisse \u00c4hnlichkeit mit den giftigen Pllanzenalkalo\u00efden, unterscheidet sich aber von diesen in chemischer Beziehung dadurch, da\u00df er keinen Stickstoff enth\u00e4lt. Die Einf\u00fchrung von Stickstoff in Form einer salzbildenden Gruppe hat nicht nur chemisch, sondern auch pharmakologisch Interesse durch den eventuellen Umschlag der physiologischen Eigenschaften. Nun sind stickstoffhaltige Santoninabk\u00f6mmlinge bisher wenig bekannt und untersucht. Zu diesen geh\u00f6rt \u2014 von nichtbasisehen K\u00f6rpern \u2014 das Phenylhydrazon und das Oxim. Letzteres hat an Stelle des Santonins Anwendung als Arzneimittel gefunden, da es weniger giftig \u2014 und daher unbedenklicher \u2014 sein soll. Das Oxim ist auch das Ausgangsmaterial f\u00fcr die Darstellung eines basischen Stoffes dieser Reihe gewesen : durch vorsichtige Reduktion entsteht aus demselben San ton in am in,l 2) entsprechend dem Schema:\no\n/\nCO\n\\\nch3\nI\nCH, C\n/\\/\\\nHC C CR,\nCH,\nCH, C\nCH\n\u20221\nCIL\nHC C\n\\/ **/\nCH, C\n1\nCH,\nSantoninoxim\nC = NOH\n/\nCO\n\\\n/\\/\\\n0 \u2014 HC C CH,\nCH-HC\nI \\/%/ CH, CH, C\nI\nLH,\nSantoninamin\n:H - NH,\nl) N\u00e4heres \u00fcber Konstitution, Derivate usw. siehe E. Wedekind, \u00abDie Suntoningruppe\u00bb, Sammlung chem. u. chem.-techn. Vortr\u00e4ge; Bd. VIII, Nr. 9, Stuttgart 1903.\n*) Vergl. Gazzetta chimica 22 [2J, 24, 35.","page":240},{"file":"p0241.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Einf\u00fchrung von Stickstoff in die Santoninmolekel etc. 241\nDiese Base ist chemisch durch ihre au\u00dferordentliche Unbest\u00e4ndigkeit charakterisiert: sie verliert n\u00e4mlich sehr leicht eine Molekel Ammoniak \u2014 unter Entnahme eines Wasserstoff-atomes aus der benachbarten Methylengruppe \u2014 und geht in Hyposantonin G15H1802 \u00fcber. Physiologisch ist das Santoninamin ausgezeichnet durch seine starke Toxicit\u00e4t, welche an diejenige der giftigen Alkaloide erinnert.\nEine Gelegenheit, zu best\u00e4ndigen Santoninbasen zu gelangen, bot sich nun, als ich in Gemeinschaft mit Oskar Schmidt fand,1) da\u00df die Enolform des Santonins, das sog. Desmotroposantonin, durch Kuppelung mit Diazoniumchloriden in guter Ausbeute best\u00e4ndige und wohl charakterisierte Benzol-azoderivate liefert. Dieselben sollten bei der Reduktion unter Abspaltung von Anilin ein Aminodesmotroposantonin geben, entsprechend der Gleichung:\nCH,\nCH,\nCH, C\n/\\ /% O \u2014HC C\n/\nCO\nC \u2014 N \u2014NC6H5\nCH\u2014HC C C\n1 \\/\\/\nC1I3 CH, C\n+ 2H,\t=\n-OH\nCH, C\n/\\/%\n0 \u2014 HC C C \u2014NH\n/ I CO\n\\\nCH-lIC C C-\n\u25a0f c.h6oh,\nOH .\n\\/\\/ 2\nCIt3 CH, C\nCH,\nCH,\nTats\u00e4chlich entsteht nach Versuchen2) von 0. Schmidt beim Behandeln von Benzolazodesmotroposantonin mit Zinn-chlor\u00fcr und Salzs\u00e4ure ein farbloses und ziemlich best\u00e4ndiges Salz; dasselbe entspricht indessen nicht der erwarteten Formel, denn der Laktonring ist gleichzeitig mitreduziert worden: es liegt eine Aminos\u00e4ure \u2014 eine aminosantonige S\u00e4ure \u2014 der folgenden Konstitution vor:\n\u2018) Vergl. Berichte d. deutsch, ehern. Ges., Bd. 3G, S. 138\u00ab ff. [1903J und Zeitschrift f. Farben- u. Textilchemie II, Nr. 12.\n*) Fine ausf\u00fchrliche Mitteilung \u00fcber dieselben, sowie \u00fcber die chemischen und optischen Eigenschaften der erhaltenen neuen K\u00f6rper soll an anderem Orte ver\u00f6ffentlicht werden.","page":241},{"file":"p0242.txt","language":"de","ocr_de":"242\nEdgar Wedekind,\nCH3\nI\nch, g\n/\\/%\nCH,\tC\tG-NH,\nI\tII\tI\nHOOG \u2014GH \u2014CH\tG\tG\t- OH\nI\t\\/\\/\nGH, GH, G\nI\nGH3\nK\u00f6rper von den gleichen Eigenschaften \u2014 abgesehen vom Drehungsverm\u00f6gen \u2014 erh\u00e4lt man durch Reduktion der benzol-azosantonigen bezw. \u2014 desmotroposantonigen S\u00e4ure.\nDiese Oxyaminos\u00e4uren sind stereoisomer und entsprechen s\u00e4mtlich der empirischen Formel C15H2103N, man erh\u00e4lt dieselben in Form der salzsauren Salze, welche gut kristallisieren und wasserl\u00f6slich sind (Ausbeute ca. 90\u00b0.'o der Theorie). Diese Hydrochloride eignen sich gut f\u00fcr physiologische Versuche wegen ihrer Best\u00e4ndigkeit und L\u00f6slichkeit ; gepr\u00fcft wurde ausschlie\u00dflich die leicht zug\u00e4ngliche, salzsaure d-aminodesmotro-posantonige S\u00e4ure (aus Anilinazodesmotroposantonin). Dieses Salz bildet farblose an der Luit etwas r\u00f6tlich werdende Bl\u00e4ttchen, die durch Umkristallisieren aus salzs\u00e4urehaltigem Wasser gereinigt werden und rechtsdrehend sind; der Chlorgehalt entspricht der Theorie:\n0,382 g Substanz gaben 0.188 g AgCl.\nBerechnet fiir C15H1203NG1\tGefunden\n11.83 \u00b0/o Gl\t12,16 \u00b0/o CI\nDie w\u00e4sserige L\u00f6sung reagiert infolge einer ziemlich starken hydrolytischen Spaltung sauer.\nDie freie Aminos\u00e4ure erh\u00e4lt man am einfachsten durch Eingie\u00dfen einer L\u00f6sung des salzsauren Salzes in Natriumacetatl\u00f6sung, wodurch sie in farblosen Flocken gef\u00e4llt wird. Durch Umkristallisieren aus Alkohol erh\u00e4lt man feine Nadeln vom Schmelzpunkt 200\u00b0. Die freie S\u00e4ure ist in Wasser sehr schwer l\u00f6slich, in Alkohol dagegen leicht l\u00f6slich, ebenso in Alkalikarbonatl\u00f6sung.\nUnser eigentliches Ziel \u2014 Darstellung eines Aminoderi-vates des Santonins bezw. Desmotroposantonins (Formel s. o.) \u2014 hatten wir nicht erreicht; bei der Empfindlichkeit des","page":242},{"file":"p0243.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Einf\u00fchrung von Stickstoff in die Santoninmolekel etc. 243\nLaktonringes gegen reduzierende Agentien wird die Darstellung (\u2018ines solchen K\u00f6rpers \u00fcberhaupt Schwierigkeiten haben (ein Vorversuch, das Nitrodesmotroposantonin als Ausgangsmaterial zu verwenden, hatte ebenfalls ein negatives Resultat).\nObwohl also die von uns dargestellten Aminok\u00f6rper Derivate der santonigen S\u00e4uren sind, hielten wir dennoch physiologische Versuche mit diesen Aminos\u00e4uren f\u00fcr n\u00fctzlich, zumal \u00fcber die Wirkungsweise der santonigen S\u00e4ure selbst\u2019 schon einiges bekannt ist.1) Letztere ist ein ziemlich starkes Gift, das vorwiegend narkotisch wirkt; wie weit diese S\u00e4ure im \u00fcbrigen dem Santonin pharmakologisch verwandt ist, ist allerdings aus den diesbez\u00fcglichen Literaturangaben nicht zu ersehen.\nHerr Professor R. Robert in Rostock hatte zun\u00e4chst auf unser Ansuchen die Freundlichkeit, das salzsaure Salz der d-aminodesmotroposantonigen S\u00e4ure auf seine eventuelle Toxi-cit\u00e4t hin zu untersuchen. \u00abEs wurde 1. auf Blut, 2 an Fr\u00f6schen, 3. an Meerschweinchen, 4. an einer Katze, 5. am Hunde gepr\u00fcft und erwies sich als vollkommen ungiftig. Die Applikation geschah teils unter die Haut (beim Frosch, bei,den Meerschweinchen und bei der Katze), teils per os in den Magen fder Hund erhielt auf diesem Wege ein ganzes Gramm auf einmal). Auf Blut wirkt das salzsaure Salz, da es erheblich sauer reagiert (infolge hydrolytischer Dissoziation, s. o ) wie das Amidophenol *) meth\u00e4moglobinbildend ; diese \u00c4hnlichkeit ist aber nur eine scheinbare, denn nach geh\u00f6riger Neutralisation f\u00e4llt diese Wirkung fort. In welcher Weise die Substanz auch einem Hunde verabfolgt ist, in den n\u00e4chsten Stunden erscheint im Harn eine an sich farblose Substanz, welche auf Zusatz von Eisenchlorid3) einen schwarzen Niederschlag bildet, w\u00e4hrend der normale Hundeharn mit der gleichen Menge von Eisenchlorid einen gelblichen wei\u00dfen Niederschlag (Eisenphosphat)\n\u2019) Vergl. Lo sperimentale 1887, S. 35 und Arch, per le sc. med. H, 255 [1887J.\n*) Tats\u00e4chlich ist der K\u00f6rper ein kompliziertes S\u00e4urederivat des' Orthoaimnophenols (vergl. vorstehende Konstitutionsformel).\nJ) Das reine urspr\u00fcngliche Salz gibt mit Eisenchlorid nicht einen schwarzen, sondern einen gelblichwei\u00dfen Niederschlag.\nHoppe-Seyler\u2019e Zeitschrift f. physiol. Chemie. XL1II.\n16","page":243},{"file":"p0244.txt","language":"de","ocr_de":"244\nEdgar Wedekind,\nliefert. Diese unerwartete1) Ungiftigkeit der salzsauren amino-santomgen S\u00e4ure w\u00fcrde, falls dieselbe wie Santonin wurmwidrig wirkt, zur Folge haben, da\u00df sie das Santonin aus dem Arzneischatze verdr\u00e4ngt.\u00bb Ehe in die hierdurch angeregte Pr\u00fcfung eingetreten wurde, schien es angezeigt, zun\u00e4chst einige vergleichende Beobachtungen \u00fcber die eventuelle Toxicit\u00e4t des Santonins und seiner Isomeren (Desmotroposantonin, Santon-s\u00e4ure usw.) unter gleichen Bedingungen zu sammeln. Eine solche Untersuchung war auch f\u00fcr rein chemische Fragen von Interesse, insbesondere lur die Beurteilung der Konstitution des Desmotroposantonins und der Santons\u00e4ure, zumal die bisher hier\u00fcber bekannt gewordenen Daten unvollst\u00e4ndig und zum Teil widersprechend sind.2) Das eigentliche Santonin z. B. gilt als ziemlich giftig, wenigstens f\u00fcr den Menschen.3) Abgesehen vom Gell\u00bb- und Violetlsehen kommen Flimmern, Schwindel, Hallu-cinationen, Kopfschmerz und Erbrechen vor; gr\u00f6\u00dfere Dosen bewirken vom Gehirn und zuweilen auch vom B\u00fcckenmark ausgehende Kr\u00e4mpfe.1) Ob das Santonin f\u00fcr Tiere ebenfalls giftig ist \u2014 die Kenntnis dieser Tatsache ist f\u00fcr vergleichende Tierversuche notwendig \u2014, l\u00e4\u00dft sich aus den bisherigen Beobachtungen \u00fcber diesen Gegenstand nicht mit Sicherheit entnehmen. (Harnack u. a. haben z. B. Santonin subkutan in Portionen von 0,6\u20141,0 g injiciert und damit nur in unsicherer \\V( \u2018ise Vergiftung erzielt.) \u00dcber die physiologischen Eigenschaften des Desmotroposantonins, des Ausgangsmaterials f\u00fcr oben beschriebene Aminok\u00f6rper, ist bisher nichts bekannt, doch ist a priori zu erwarten, da\u00df es noch giftiger ist, als das Santonin, da es ein substituiertes Phenol ist. Die Konstitution der Santons\u00e4ure, welche der gew\u00f6hnlichen Santonins\u00e4ure isomer ist und aus letzterer durch Kochen mit Barythydrat dargesteilt wird, ist nicht mit voller Sicherheit bekannt; der Unterschied\n*) Du* Substanz h\u00e4tte die Giftigkeit der santonigen S\u00e4ure haben k\u00f6nnen, vereinigt mit der sch\u00e4dlichen Wirkung eines Amins auf das Blut.\n*) Vergl. L\u00f6 Monaco, Atti d. B. Accadem. dei Lincei, Rendic. [5] 5, I. m u. 410.\n;)) Die Maximaldose f\u00fcr therapeutische Zwecke betr\u00e4gt 0,1 g.\n*) Diesen Symptonen entspricht das Sektionsergebnis: Hyper\u00e4mie des Gehirns und seiner H\u00e4ute.","page":244},{"file":"p0245.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Einf\u00fchrung von Stickstoff in die Santoninmolekel etc. 245\nin dem Bau der beiden Stoffe (Verschiebung einer Doppelbindung) ist jedoch so gering, da\u00df man von der Santons\u00e4ure eine \u00e4hnliche Giltigkeit erwarten sollte, wie sie das Santonin bezw. die Santonins\u00e4ure besitzt. Die Konstitutionsformeln der drei Santoninstoffe sind die folgenden:\nCH,\nCH, c\n/\\ /\\\n0 - CH <: CH,\n0\nCHS\n1\nCH, C\n/\\/% CH C CH\n/\t\t\t/\t\t! 1\nCO\t\t\tCO\t\t\n\\\t\t\t\\\t\t!\nCH-CH C CO\tCII-CH C C\t\t\t\t\t\nCH,\nI\nCH, C\n/\\H/\\\nI \\/V/ Cll3 CH, C\nCH,\n\\/\\/ CH, C\nOll \u2022 C C\nH 1\nHOOC-CH-C C I \\/H\\\nCH.\nCH, C I\nCH,\nI \u2018 CO\n/\nCH,\nSantonin\nCHa\nDosmolroposanlonin\nCif.\nSantons\u00e4ure (nach-Francesconi)\nHerr Privatdozent Dr. W. Straub in Leipzig hatte die Liebensw\u00fcidigkeit, die von mir gew\u00fcnschte vergleichende pharmakologische Untersuchung des Santonins, des Desmotropo-sant\u00f6nins, der Santons\u00e4ure und der salzsauren d-aminodesmo-troposantonigen S\u00e4ure auszul\u00fchren und die Ergebnisse derselben mir zur Verf\u00fcgung zu stellen.\nZun\u00e4chst zeigte sich, da\u00df die vier Santoninstoffe auf verschiedene Seetiere g\u00e4nzlich wirkungslos sind; besonders auffallend war dieser negative Befund f\u00fcr die marinen W\u00fcrmer. Die l r\u00e4parate k\u00f6nnen in therapeutisch aussichtreichen Mengen gegeben werden, denn gef\u00fctterte und hungernde Kaninchen er-trugen 0,2 g ohne irgend welche Erscheinungen. Um\u00ab Material zu sparen, wurde nicht weiter mit steigenden Dosen gearbeitet, sondern es wurden von 0,05\u20140,2 g wachsende Mengen direkt in den Kieislaut injiziert, und zwar durch Einbringung der betreffenden L\u00f6sungen in eine gro\u00dfe Vene; das injicierte Volumen betrug 10\u201420 ccm. Das Etesultat war wieder so gut wie negativ, denn die genannten Mengen Santonin, Desmotroposan-tonin und Santons\u00e4ure riefen keine eklatanten Vergillungs-erscheinungen wie Kr\u00e4mpfe, Fieber, Tod im Coma usw, hervor; iiir die Frage der Toleranz des Organismus f\u00fcr die genannten\n1\u00ab*","page":245},{"file":"p0246.txt","language":"de","ocr_de":"246\nEdgar Wedekind,\nSubstanzen bedeutet das, da\u00df selbst solche Mengen h\u00e4tten verf\u00fcttert werden k\u00f6nnen, d e den \u00dcbergang von 0,2 g in das Blut herbeigef\u00fchrt h\u00e4tten, und das w\u00e4re vie.leicht erst bei der lOfachen Menge geschehen. Die drei Santoninstoffe verhalten sich demnach unter den gew\u00e4hlten \"Bedingungen ziemlich gleich: eine gesteigerte Toxicitiit ist bei den Isomeren des Santonins nicht zu konstatieren; ebenso ist es mit der Aminoverbindung, abgesehen von einem Falle, in welchem ein Kaninchen 6 Stunden nach der Injektion von 0,2 g unter schwachen Kr\u00e4mpfen starb. Die Symptome waren nicht ausgesprochen genug, als da\u00df man sie eindeutig auf die Santonin- oder Aminogruppe in der Molekel h\u00e4tte zur\u00fcckf\u00fchren k\u00f6nnen ; auch konnte dasselbe Resultat in der Folge nicht mehr erzielt werden.\nDie Weiterf\u00fchrung der Versuche in dieser Richtung er-\nschien aussichtslos, da die Reaktion bei den Tieren qualitativ und quantitativ unscharf ist, und da ferner die intraven\u00f6se Injektion gr\u00f6\u00dferer absoluter Mengen der Substanzen d e Anwendung entsprechender Fl\u00fcssigkeits- und Alkaliquanten erfordert h\u00e4tte, was zu st\u00f6renden, das Resultat verschleiernden Neben\u00e4u\u00dferungen. f\u00fchren konnte. Fs wurden deshalb vergleichende Versuche mit Spulw\u00fcrmern angestelll, die schon fr\u00fcher mit R\u00fccksicht auf die Ungiftigkeit der aminosautonigen S\u00e4ure in Aussicht genommen waren und auch zu einem positiven Resultat f\u00fchrten.\nVersuchsobjekte waren Askariden des Schweins, die mit den Darmparasiten des Menschen identisch sind; dieselben wurden in einem Thermostaten auf K\u00f6rpertemperatur (37\u00b0) gehalten, und zwar in einer L\u00f6sung1) von 0,2\u00b0/o kohlensaurem Natrium und 10;o Kochsalz, in welcher die Parasiten wochenlang am Leben blieben. F\u00fcr jeden Versuch wurden je zwei Tiere verwandt, und zwar in flachen Schalen, die 100 ccm obiger Fl\u00fcssigkeit und 0,1 g der zu pr\u00fcfenden Substanz enthielten. Letztere war vorher in einem Porzellanm\u00f6rser innig mit der Fl\u00fcssigkeit verrieben worden; auf diese Weise wurden \u2014 abgesehen von der leicht l\u00f6slichen Aminos\u00e4ure \u2014 nicht genau 0,1 g Substanz in L\u00f6sung gebracht, sondern ein etwas kleinerer, schwankender Anteil. Hieran wurde nichts ge\u00e4ndert, weil diese Verh\u00e4ltnisse die\n1) Bungcsche L\u00f6sung; verjjl. Diese Zeitschrift, Bel. VIII [1883/1884].","page":246},{"file":"p0247.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber dre Einf\u00fchrung von Stickstoff in die Santoninmolekel etc. 247\nBedingungen im Organismus gut kopieren, wo die gleiche Alkales-zenz einen \u00dcberschu\u00df von Santonin zu bew\u00e4ltigen hat.\nDas Ergebnis dieser vergleichenden Versuche war, da\u00df nur in dem Gef\u00e4\u00df, welches Santonin enthielt, die Askariden abstarben, und zwar nach 4\u20140 Stunden; in allen anderen Gef\u00e4\u00dfen (Desmotroposantonin, Santons\u00e4ure und aminosantonige S\u00e4ure) blieben die Parasiten noch weiter am Leben, bis nach drei Tagen die Versuche abgebrochen wurden.\nDie L\u00f6sung, welche die Aminoverbindung enthielt, hatte sich braun gef\u00e4rbt, was auf eine geringf\u00fcgige Oxydation an der Luft in alkalischer L\u00f6sung zur\u00fcckzuf\u00fchren ist.\nAus diesen Versuchen ergibt sich, da\u00df nur das Santonin \u2014 im Einklang mit seiner bekannten Wirkung als Arzneimittel - das spezifische Tier zu t\u00f6ten vermag, und da\u00df nach dieser Richtung also alle Ver\u00e4nderungen im Bau der Molekel, scheinbar sogar so geringf\u00fcgige, wie die Versetzung eines Wasserstoffatoms, bezw. die Wanderung einer Doppelbindung die toxische Wirkung aufgehoben haben. Besonders auffallend ist dieser Befund f\u00fcr das Desmotroposantoni n\\ weil er dem Phenolcharakter dieses K\u00f6rpers (s. S. 244) keine Rechnung tr\u00e4gt, man k\u00f6nnte daher geneigt sein, die spezifische Giftigkeit des Santonins auf die Atomgruppierung \u2014 CH2\u2014C0 \u2014 zur\u00fcckzuf\u00fchren: Ketons\u00e4uren wie die L\u00e4vulins\u00e4ure\nCH, \u2014 CO \u2014 Cll2 - CH2 \u2014 COOH, der man die Santonins\u00e4ure an die Seite setzen k\u00f6nnte, sollen stark toxisch\u00ab) wirken. Hiermit steht nur in Widerspruch, da\u00df die isomere Santons\u00e4ure (s. S. 245) gegen Askariden unwirksam ist; da diese S\u00e4ure aber auch als Diketos\u00e4ure, entsprechend der Formel:\tCU\nCH, C\n/W\nCO c\nHOOC-\nCH-CH C I \\/H\\ CHS CH,\n\\\nCIL\nCO\n/\n0\nI\nCH,\n\u2018) Vergl. S. Frankel, Arzneimitlelsynthese, Berlin, 1901, S. 71","page":247},{"file":"p0248.txt","language":"de","ocr_de":"248 E. Wedekind, Das physiologische Verhalten einiger SantoninstofTe.\nreagiert,, so k\u00f6nnte man sie gewissen Diketonen (Benzoylacet-aldebyd, Benzoy Ibrenztraubens\u00e4ureester, Oxalessigester usw.) zuordnen, welche hypnotisch wirken und kaum giftig sein d\u00fcrften: \u00fcbrigens soll die Santons\u00e4ure bis zu einem gewissen Grade antipyretische Wirkungen besitzen.1) Was endlich die Harmlosigkeit der salzsauren aminosantonigen S\u00e4ure betrifft, so steht dieselbe mit den weiter oben beschriebenen Versuchen an Katzen, Hunden, marinen W\u00fcrmern usw. iu Kinklang; ein wurm-treibcuder Effekt ist damit nat\u00fcrlich nicht ausgeschlossen, da schon gewisse \u00e4u\u00dferliche Eigenschaften, die mit der t\u00f6dlichen Wirkung prinzipiell nichts gemein haben m\u00fcssen, wie Geschmack unddergl., die Parasiten zum Verlassen2) des Darms veranlassen k\u00f6nnten.\nAus den in dieser Arbeit erw\u00e4hnten pharmakologischen Versuchen mit dem Santonin selbst geht hervor, da\u00df dieser Bitterstoff, abgesehen von den Askariden, f\u00fcr Tiere \u2014 soweit das Beobachtungsmaterial reicht \u2014 keine nennenswerte Toxicit\u00e4t besitzt, w\u00e4hrend Santonin f\u00fcr den Menschen schon in Gaben von mehr als Mu\u00bb g gef\u00e4hrlich ist. Diese Tatsache ist nicht ohne Analogie: so ist z. B. das Morphin ein spezifisches Menschengift und die Toxicit\u00e4t des Cantharidins f\u00fcr 1 kg Mensch, Huhn und Igel verh\u00e4lt sich wie 20000:000 : 7. ,r)\nNachdem sich das Reduktionsprodukt des Benzolazodes-motroposantonins, die aminosantonige S\u00e4ure, als ein Derivat der santonigen S\u00e4ure erwiesen hat, ist auch eine eingehende pharmakologische Pr\u00fcfung dieses Santoninderivates in Aussicht ge-\nnommen.\nDen Herren Prof. Dr. B. Kobert in Rostock und Dr. W. Straub in Leipzig, die mir in liebensw\u00fcrdigster Weise die in dieser Mitteilung enthaltenen physiologischen Beobachtungen zur Verf\u00fcgung gestellt haben, m\u00f6chte ich auch au dieser Stelle meinen aufrichtigen Dank f\u00fcr ihre Bem\u00fchungen aussprechen.\nT\u00fcbingen, im Oktober 1904.\n\u2018) Diese Eigenschaft kann mit dem unbekannten Teil der Konst itution dieser S\u00e4ure Zusammenh\u00e4ngen.\n*) Auch nach Santoningenu\u00df gehen die Askariden zum Teil lebend ah. 3) Vergl. Archiv f. experim. Pathol, u. Pharmak., Bd. XLV, S. 108.","page":248}],"identifier":"lit18038","issued":"1904-05","language":"de","pages":"240-248","startpages":"240","title":"\u00dcber die Einf\u00fchrung von Stickstoff in die Santoninmolekel und das physiologische Verhalten einiger Santoninstoffe","type":"Journal Article","volume":"43"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:43:10.332346+00:00"}

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