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{"created":"2022-01-31T13:53:21.844490+00:00","id":"lit18041","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Ackermann, D.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 43: 299-304","fulltext":[{"file":"p0299.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Chemie der Vogelblutkerne.\nVon\nD. Ackermann.\n(Aus dem physiologischen Institut zu Heidelberg.)\t;\n(Der Redaktion zugegangen am 21. Oktober 1904.)\n*\nDie Untersuchungen von Hoppe-Seyler \u00fcber die quantitative Zusammensetzung der roten Blutk\u00f6rperchen1) gaben wohl zuerst in \u00fcberzeugender Weise dem Gedanken Ausdruck, da\u00df ein aus tierischen Zellen zusammengesetztes Gewebe, wenn es morphologisch eine in sich gleichartige Beschaffenheit besitzt, auch in chemischer Hinsicht eine feststehende Zusammensetzung haben mu\u00df, wie ein Mineral. Diese Untersuchungen bezogen sich zun\u00e4chst wesentlich auf kernlose Erythrocyten. Seitdem nun unsere Vorstellungen \u00fcber die chemischen Bestandteile des Zellkerns mehr entwickelt sind, ist der Versuch naheliegend, auch diese in die quantitativen Untersuchungen der Blutzellen hineinzuziehen und auf diesem Wege unsere Kenntnisse \u00fcber die gesetzm\u00e4\u00dfigen Beziehungen, welche zwischen den elementaren Bestandteilen der Zelle obwalten, zu erweitern.\nBekanntlich stellte Plosz*) zuerst fest, da\u00df der in Wasser unl\u00f6sliche R\u00fcckstand der Erythrocyten des Vogelbluts die chemischen Reaktionen des * Nucleins\u00bb darbietet. Dies wurde sodann durch A. Kossel 3) best\u00e4tigt, welcher zeigte, da\u00df diese Kernmasse, nachdem sie durch Salzs\u00e4ure von allen l\u00f6slichen Stoffen befreit ist, in Natronlauge gel\u00f6st werden kann und aus dieser L\u00f6sung nicht nur durch S\u00e4uren, sondern auch durch Barytwasser und Kalkwasser gef\u00e4llt wird. Die Phosphorbestim-\n') Mediz.-chem. Untersuchungen. T\u00fcbingen. Heft 3. S. 38\u00ab.\n*) Ebenda, Heft 4, S. 461.\n^Untersuchungen \u00fcber die Nucleine und ihre Spaltungsprodukte. Habilitationsschrift. Strabburg 1881.","page":299},{"file":"p0300.txt","language":"de","ocr_de":"\nD. Ackermann.\nmungen in dieser Substanz gaben aber, da die Reinigungs-inetboden noch unvollkommene waren, schwankende Werte. Diu in Wasser unl\u00f6sliche Kornsubstan/. gab die Reaktionen\nder Ei wei\u00dfst\u00ab *!Te und enthielt 0.1\u00b0 V. S. Raid darauf beschrieb\n\u2022\nA. Kussel^ diesen Eiwei\u00dfk\u00f6rper n\u00e4her, indem er (entstellte,\nda\u00df der durch Salzs\u00e4ure aus dieser Kernmasse extrahierte\nK\u00f6rper basische Eigenschaften besitzt und zu den Eiwei\u00dfk\u00f6rpern\nzu z\u00e4hlen ist. Diese Substanz, von Kussel als Mliston\u00bb\nbezeichnet, war der erste Repr\u00e4sentant einer K\u00fcrperklasse,\nweiche sp\u00e4ter in weiter Verbreitung in den Zellkernen aul-\n<\u00bbe(unden wurde. Hiernach m\u00fc\u00dften in dieser Kernmasse zwei \u00a9\nBestandteile vorhanden sein, ein saures, in Salzs\u00e4ure unl\u00f6sliches Prinzip, das Nuclein , und ein alkalisches, in Salzs\u00e4ure l\u00f6sliches, nas Iliston, und zwar beide allem Anschein nach durch eine \u00e4hnliche Rindung vereinigt, wie das \u00ab.Nuclein-* Mieschers (die Nucleins\u00e4ure sp\u00e4terer Autoren in den Spermatozoon des Lac lises mit einer Rase, dem Protamin, verbunden ist.\nN\u00e4here Angaben \u00fcber die Rindungsverh\u00e4ltnisse existieren nicht, auch bl'ieb die Frage nach der Beteiligung einer dritten Substanz an dein Aufbau der Kernsubstanz zun\u00e4chst noch ungel\u00f6st. Erst -0 Jahre sp\u00e4ter erschien eine kurze Mitteilung von J. Rang.-) welcher das Verhalten dieses Kernr\u00fcckstandes zu einigen L\u00f6siings- und k \u00e4lhmgsmiltcln untersuchte und zu dem Schlu\u00df kam, da\u00df die Kernmasse nur aus 1 liston und Nucleins\u00e4ure besteht.\n1 Nachdem Herr Dr. 11. Plenge im hiesigen physiologischen Institut ein bequemes Verfahren zur Gewinnung der Kernmasse au> dem Vogelblut ausgearbeitet halle, habe ich die krage nach der Zusammensetzung des Kernr\u00fcckstands einer quantitativen Untersuchung- unterzogen. Mir standen einige von Herrn Dr. Plonge aus H\u00fchnerblul dargestellte Pr\u00e4parate zur Verf\u00fcgung. Das Verfahren ist folgendes:\nDa- unter ' jPmr\u00fchrcn fibrin frei gewonnene Hint wird\ne\t/.oifsMinft, IM VIII. S. o12.\nc \u00dcMtr\u00fcge Muni. Physiologie und Pathologie, heraus^, v. Hot -ineist.' r. IM. *), S .M\u00eet.","page":300},{"file":"p0301.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Chemie der Vogelblutkerne\n30!\nm\u00f6glichst Irisch mit 0,9\u00b0/oiger NaCI-L\u00f6sung verd\u00fcnnt und in einer \\ I lassenden Zentrifuge zentrifugiert. Die\u00bb abgesetzten Blutk\u00f6rperchen werden noch einmal mit 0,0\"/,Oger NaCI-L\u00f6sung auf-geschwemmt und zentrifugiert.\nDie gewaschenen Blutk\u00f6rperchen werden je nach der M(,ngc in 1 oder 2 Scheidetrichtern von je 2 I Inhalt e\u00eenge-niid in j(*dem mit 17)00 ccm Wasser von iO\u00b0 C unter I mseh\u00fclleln gel\u00f6st. Nach einiger Zeit wird zu je l\u00f6OO ccm Wasser .>00 ccm NaCI-L\u00f6sung von 3j>'/o hinzugef\u00fcgt und dann zentrifugiert. Die abgesetzten Kernmassen werden von neuem in einem Scheidetrichter in l\u00f6OOccm Wasser von H>\u00b0 unter\nI\tmseh\u00fclleln suspendierl und nach llinzuf\u00fcgen von 7>(K) ccm NaCI-L\u00f6sung von 3,\u00f6\u00b0/o wiederum zentrifugiert.\nDies Vorgehen wird so oft wiederholt, bis die Masse ein farblos glasiges Aussehen ohne rote Streifen hat und an die Kochsalzl\u00f6sung keinen Blutfarbstoff mehr abgibt. Dann wird die l\\<munisse .wiederum in Wasser zum Aufquellen gebracht nu l nul dem doppelten Volumen Alkohol zur Schrumpfung ge-braolil. zentrifugiert, in Ob\" \u00bbigen Alkohol gebracht.- abgesaugt, imch canna! mit OID/oigcm Alkohol verrieben und ab*esau\u00abd 'Lu.n in absolutem Alkohol und darauf in \u00c4ther getrocknet und abgesaugt.\nDi<\u2018 ganzen Manipulationen diirlen bis zum Kinbringen in A kohol nicht nadir als 3 Tage in Anspruch nehmen. Ks empfiehlt sieh, die Kernmassen nachts \u00fcber nicht mit Wasser a hdn, sondern nach Zuf\u00fcgung der NaCI-L\u00f6sung an einem k\u00fchlen Dlalze aufznhewahren.\u00bb\nZur Lnlfernung des Lecithins, Cholesterins und \u00e4hnlicher l'\"uu!>iunngen kochte ich die Substanz zun\u00e4chst mit Alkohol\n\" 'iige dies Kxtraktionsmittel noch bemerkenswerte Mengen anfnahm. Ich bestimmte zun\u00e4chst den StickstotV und den I-Miosplior in der \u00fcber Schwefels\u00e4ure bei \u00f6O\u201470\" im Vacuum\nII\ts zurCewichtskonstanzgctroekneten Kernmasse. Die l\u2019hosphor-I\u201d 'Liumiiugen wurden nach der Methode von A. Neumann\n\u2022 \u2018Li \u00ab lut, nachdem die Substanz nach der Angabe desselben A dois auf feuchtem Wege Verascht war. Zur Feststellung \u2018 ^t < kslolfgeliabs dient(\u2018 die Kjcl-da bische Methode. \u2022","page":301},{"file":"p0302.txt","language":"de","ocr_de":"302\nD. Ackermann,\nBei der Analyse der gesamten Kernmasse erhielt ich folgende Werte:\n1.0.\t2605 g erfordern 18,5 ccm n/* Natronlauge, woraus sich ergeben 3,93\u00b0/o P.\n11.0.\t2624\u00bb\t\u00bb\t18,6 \u00bb\tn, ( ,\t,\t\u00bb\t\u00bb\t3,92 \u00b0/o \u00bb\n1.0.\t1780\u00bb\t\u00bb\t21.8 \u00bb\tn/io Oxals\u00e4ure.\t\u00bb\t\u00bb\t\u00bb\t17,20\u00b0/oN.\n11.0.\t2460\u00bb\t\u00bb\t30,15\u00bb\t\u00bb io \u00bb\t\u00bb\t\u00bb\t\u00bb\t17,20\u00b0/o *\nDie bisher analysierten Nucleins\u00e4uren verschiedenen Ur-\n\u00bb \u00bb\nsprungs haben mit wenigen Ausnahmen einen Phosphorgehalt von 0\u201410\u00b0/o und einen Stickstoffgehalt von 15\u201416\u00b0/o ergeben. Man wird also mit einiger Wahrscheinlichkeit auch f\u00fcr die in den Ervthroevten des Vogelbluts vorhandene Nucleins\u00e4ure eine \u00e4hnliche Zusammensetzung annehmen d\u00fcrfen. Legt man die von Kostytschew im hiesigen Institut f\u00fcr die Thymonuclein-siiure ermittelten Werte von 9,25\u00b0/o P der Berechnung zugrunde, so ergibt sich aus dem Phosphorgehalt der Kernmasse, da\u00df 100 g der trockenen Kernsubstanz 42,16 g Nucleins\u00e4ure enthalten. Da die Nucleins\u00e4ure Kostytschew s 15,55\u00b0/o N enthielt, so w\u00fcrden 42.16 g Nucleins\u00e4ure 6,55 g Stickstoff enthalten. Von den 17,2\u00b0/o N, welche in der trockenen Kernsubstanz enthalten sind, w\u00fcrden somit 6,55\u00b0/o auf die Nucleins\u00e4ure entfallen. Nimmt man an, da\u00df die \u00fcbrigen 10,65\u00b0/o Stickstoff im Histon enthalten sind, so ergibt sich, da der Stickstoffgehalt des (lisions 18,3\u00b0,o betr\u00e4gt, ein Histongehalt der Kerne von 57,82ft/o. Die so berechneten Werte f\u00fcr Nucleins\u00e4ure und Histon erg\u00e4nzen sich ungef\u00e4hr zu 100:\n42,10\u00b0/o Nucleins\u00e4ure 57,82n/o Histon\n99,92 o/o\nDurch dieses Zahlenverh\u00e4ltnis gewinnt die obige Annahme an Wahrscheinlichkeit, jedoch bedarf diese Auffassung der Best\u00e4tigung durch weitere Versuche, die nach Beschaffung von gen\u00fcgendem Material angestellt werden sollen.\nW\u00e4re zwischen der Nucleins\u00e4ure und dem Histon eine \u00absalzartige\u00bb Bindung vorhanden, so k\u00f6nnte man erwarten, da\u00df die Kernsubstanz durch Extraktion mit Salzs\u00e4ure glatt in unl\u00f6sliche Nucleins\u00e4ure und l\u00f6sliches Histonchlorhydrat zu zer-","page":302},{"file":"p0303.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Chemie der Vogelblutkerne.\n303\nlegen sei. Ich habe derartige Versuche unternommen, doch hat sich hierbei kein Nucleins\u00e4urer\u00fcckstand mit dem oben angenommenen typischen Phosphorgehalt dar stellen lassen.\nDie Versuche wurden in der Weise ausgef\u00fchrt, da\u00df die mit Alkohol und \u00c4ther ersch\u00f6pfte Kernsubstanz mit Salzs\u00e4ure von 1 \u00b0/o extrahiert wurde, bis das Filtrat, mit \u00fcbersch\u00fcssigem Kochsalz gesch\u00fcttelt, keinen Niederschlag mehr erkennen lie\u00df. Hierbei geht keine nach Veraschung mit Soda und Salpeter nachweisbare Phosphors\u00e4ure in das Filtrat \u00fcber. Das Gewicht des R\u00fcckstandes betrug 46,1 \u00b0/o der urspr\u00fcnglichen Kerns\u00fcbstanz, w\u00e4hrend es nach obiger Annahme 42,16\u00b0/o betragen sollte. Der Phosphorgehalt des R\u00fcckstandes war geringer, als dem Durchschnitt der Nucleins\u00e4ureanalysen entsprach.\nPr\u00e4parat 1.\n0,1076 g erfordern 15,5 ccm \u201c/\u00ab Natronlauge, woraus sich ergeben 7.90 \u00ae/o P. 0,1005 \u00bb\t\u00bb\t10,0 \u00bb n/io Oxals\u00e4ure, \u00bb\t\u00bb\t\u00bb\t13.97 \u00ae/#N.\nr\nPr\u00e4parat If.\n0,1132 g erfordern 15,7 ccm n/* Natronlauge,\tworaus sich ergeben 7,70\u00b0/o\tP,\n0,1027 \u00bb\t*\t14,1\t\u00bb\tn/*\t\u00bb\t\u00bb\t\u00bb\t\u00bb\t7,79 \u00b0/o\t*\n0,1007 \u00bb\t\u00bb\t10,0\t\u00bb\tn/io\tOxals\u00e4ure,\t\u00bb\t\u00bb\t\u00bb\t15,24 >'N.\n0,1013 *\t\u00bb\t10,6\t\u00bb\tn|io\t\u00bb\t\u00bb\t\u00bb\t\u00bb\t14,75\u00b0/o\t\u00bb\nZur Erkl\u00e4rung dieser Zahlen wird man wohl anzunehmen haben, da\u00df eine geringe Menge eiwei\u00dfartiger Substanz (Histon?) mit der Nucleins\u00e4ure zur\u00fcckgeblieben ist. Da die Kernmasse fein zerteilt war, ist ein mechanischer Einschlu\u00df nicht anzunehmen, es ist viel wahrscheinlicher, da\u00df ein kleiner Teil des Histons (oder eines anderen Eiwei\u00dfk\u00f6rpers) in st\u00e4rkerer, nicht durch l'Voige Salzs\u00e4ure unter den gegebenen Bedingungen zersetzbarer Verbindung zur\u00fcckgeblieben ist. Eine \u00e4hnliche Erscheinung ist in den Spermak\u00f6pfen des Lachses zu beobachten. Auch hier ist eine Vereinigung der Nucleins\u00e4ure mit einem basischen Eiwei\u00dfk\u00f6rper, dem Salmin, vorhanden, welche nach Miescher-Schmiedeberg durch Salzs\u00e4ure nicht vollkommen gel\u00f6st wird. Die Spermak\u00f6pfe enthalten nach Miescher-Schmiedeberg 60,50\u00b0/o Nucleins\u00e4ure und 35,56\u00b0/o Protamin,1)\n*) Archiv f. experimentelle Pathologie und Pharmakologie, Hd. 37.","page":303},{"file":"p0304.txt","language":"de","ocr_de":"804\nD. Ackermann, Zur Chemie der Vogelblutkerne.\ndavon ist nur l9,78\u00b0/o Protamin durch Salzs\u00e4ure direkt extrahierbar. In den Kernen der Erythrocyten ist der in Salzs\u00e4ure l\u00f6sliche Anteil des basischen Eiwei\u00dfk\u00f6rpers ein viel gr\u00f6\u00dferer, soda\u00df nur ein sehr geringer Hcuchteil desselben bei der Nuclein-s\u00e4ure zur\u00fcckbleibt.\nHerrn Professor Kossel, der das Thema stellte und mich bei der Ausarbeitung sehr unterst\u00fctzte, spreche ich meinen ergebensten Dank aus.","page":304}],"identifier":"lit18041","issued":"1904-05","language":"de","pages":"299-304","startpages":"299","title":"Zur Chemie der Vogelblutkerne","type":"Journal Article","volume":"43"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:53:21.844495+00:00"}