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{"created":"2022-01-31T14:14:54.434254+00:00","id":"lit18225","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"B\u00f6dtker, Eyvind","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 45: 393-404","fulltext":[{"file":"p0393.txt","language":"de","ocr_de":"Beitrag zur Kenntnis der Cystinurie.\nVon\nEyvind B\u00fcdtker.\n'Der Uedaktion zugegangen am 27. Juni i\u2018J05 \u00bb\nI.\nVor mehreren Jahren machte ich eine vorl\u00e4ufige Mitteilung', \u00fcber einen Fall von Cystinurie, dessen chemische Verfolgung mir von Herrn Professor Dr. med. Torup \u00fcbertragen worden war. Meine Untersuchungen wurden Stellenwechsels halber unterbrochen, waren aber schon zu einem gewissen Abschl\u00fcsse gef\u00fchrt, und da deren Ergebnisse vielleicht einiges an Interesse darbieten, werde ich jetzt, obgleich sp\u00e4t, dar\u00fcber berichten.\nDas Cystin, das .Blasenoxyd. von Wollaston, ist im Laule des vergangenen Jahrhunderts schon mehrfach der Gegenstand fur Untersuchungen gewesen. Die \u00e4ltere Geschichte dieses eigent\u00fcmlichen K\u00f6rpers ist schon in dieser Zeitschrift\u00bb) so eingehend behandelt, dall ich darauf n\u00e4her einzugehen nicht notig habe. Nur m\u00f6chte ich einen Irrtum s) bez\u00fcglich der Feststellung seiner Zusammensetzung berichtigen. Der Verdienst diese richtig erkannt und bestimmt zu haben, geb\u00fchrt n\u00e4mlich unabgek\u00fcrzt meinem Landsmanne Thaulow,*) der iin Jahre 1HHH auf Veranlassung von Liebig und in dessen Laboratorium zu Gie\u00dfen das Cystin analysierte und gleich seine richtige empirische Formel, C8HuN2S204, aufstellte.\nl) Norsk Magazin f\u00fcr Laegevidenskaben, 1892.\n*) Brenzinger, M XVI, S. 552.\n3)\tloc. cit.\n4)\tLiebigs Annalen, Bd. XXVII, S. 197.","page":393},{"file":"p0394.txt","language":"de","ocr_de":"\nEyvintl Biidtker,\n4\t.7\nDie st\u00f6rende Wirkung des Cystins im Organismus beruht bekanntlich auf seiner Schwerl\u00f6slichkeit. Es bildet leicht Konkremente. die namentlich zu Beschwerden in den Harnausfuhrorganen Veranlassung geben und schlie\u00dflich das v\u00f6llige Zugrundgehen der Nieren bewirken k\u00f6nnen.\nDa\u00df das Cystin im Organismus ' durch Eiwei\u00dfabbau entsteht, war schon von vornherein durch seinen Stickstoff- und Schwefelgehalt gegeben. Aber wie war sein Entstehen aufzufassen V War es als das Produkt pathologischer Vorg\u00e4nge gebildet. oder war es einem physiologischen Prozesse entsprungen? Die erste Auffassung war jedenfalls anfangs die allgemeine, und (\u00e2ne sehr plausible Begr\u00fcndung hierf\u00fcr wurde von Baumann und v. Pdranszky1) gegeben. Die genannten Forscher fanden n\u00e4mlich im Harn und in den Faeces eines Cystinpatienten F\u00e4ulnisalkaloide, Cadaverin und Putrescin, und da dieser Befund kurz nachher von Stadlhagen und Brieger2) bei einem anderen Falle von Cvstinurie best\u00e4tigt wurde, war eine nahe Beziehung in der Genesis des Cystins und der Ptomaine sehr wahrscheinlich. Das Cystin, oder richtiger eine unoxydierte Muttorsubstanz desselben, k\u00f6nnte neben den Ptomainen durch die T\u00e4tigkeit der Mikroben des Darms gebildet sein. Auf Grund eines oxydativen Vorganges k\u00f6nnte nun das Cystin gebildet werden und in den Harn gelangen, gerade so wie Indol und Skatol als Indoxvl und Skatoxvl in den Harn \u00fcbergehen. Kurz nachher fand aber K\u00fclz,3) da\u00df das Cystin ohne Mitwirkung von Bakterien bei der Pankreasverdauung der Eiwei\u00dfk\u00f6rper entstellt, und die neueren Untersuchungen1) haben dargetan, da\u00df cs ein normales, obwohl intermedi\u00e4res, Stoffwechselprodukt der Eiwei\u00dfk\u00f6rper ist. Vor wenigen Jahren ist es ja auch K. A. H. M\u00f6rner5) gelungen, durch hydrolytische Spaltung zun\u00e4chst von Keratinsubstanzen, sp\u00e4ter auch von wahren Eiwei\u00df-k\u00dfrpern, Cystin direkt und in erheblicher Menge zu erhalten.\n') Diese Zeitschrift. Bd. XIII. S. 503.\n*i Berliner klin. Wochenschr.. 1889.\n3) Zeitschrift f\u00fcr Biologie, Bd. XXVII. S. 415.\n*) L. Spiegel. Virchows Archiv. Bd. CLXVI. S. 364.\nDiese Zeitschrift, Bd. XXVIII, S. 595 u. Bd. XXXIV, S. 307.\nt","page":394},{"file":"p0395.txt","language":"de","ocr_de":"Reilrag zur Kenntnis der Cystinurie.\n303\nAbgesehen von der gro\u00dfen theoretischen Bedeutung dieser Arbeiten d\u00fcrften sie auch f\u00fcr die weitere Erforschung und f\u00fcr die klinische Bearbeitung der Cystinuriefrage von gr\u00f6\u00dftem Interesse werden. Nicht weniger bedeutungsvoll d\u00fcrften die Arbeiten \u00fcber die Konstitution des Cystins von E. Friedmann1) und C. Neuberg2) werden, sowie die Synthese des Cystins von E. Erlentneyer jr.3) Nach den genannten Autoren ist die Baumannsche Konstitutions.formel des Cystins nicht zutreffend. Das Cystin ist nicht wie von Baumann angenommen eine a, a, sondern eine a, \u00df substituierte Propions\u00e4ure,\nCH,SCHfNH..;COOH\nI-\nCH.SCHINHJCOOII\neine fatsache, die die bisherigen mi\u00dflungenen, synthetischen Versuche erkl\u00e4ren, Versuche, an denen ich mich auch beteiligt habe.\nDer Fall von Cystinurie, der mir zur Untersuchung vorlag, betraf eine 2\u00df Jahre alte, zart gebaute Frau. Die Krankheit wurde etwa einen Monat nach einer \u00fcbrigens normal verlaufenen Geburt entdeckt, indem ein der Patientin abgegangener, erbsengro\u00dfer Stein von Professor Dr. Torup als reines Cystin erkannt wurde. Von der klinischen Seite des Falles werde ich als Nichtmediziner im folgenden ganz absehen. Nur erw\u00e4hne ich, da\u00df an der Patientin nach einigen Jahren eine Nierenexstirpation ausgef\u00fchrt werden mu\u00dfte. Sie lebte nachher einige Jahre, bis auch die andere Niere so angegriffen war, da\u00df der Tod etwa 10 Jahre nach der Entdeckung der Krankheit erfolgte.\nDer zur Untersuchung erhaltene Stein wog 0,021) g. Unter dem Mikroskop zeigte er sich als bestehend aus den f\u00fcr Cystin charakteristischen sechsseitigen Tafeln. 2 I Harn, die gleich nachher gesammelt wurden, zeigten eine wesentlich von Cystin herr\u00fchrende kristallinische Tr\u00fcbung. Aus der ganzen Portion Harn wurden durch Essigs\u00e4ure 0,1)00 g fast reines Cystin gef\u00e4llt.\nDer Harn wurde jetzt nach der Vorschrift von Bau mann\n*) Ohem. Zentralbl. 1902, Bd. II. S. 360.\n*) \u00dfer- \u00e4- Deutsch, chem. Ges.. M XXXV. S. 310.\nf,i Ebenda, Bd. XXXVI, S. 2720.","page":395},{"file":"p0396.txt","language":"de","ocr_de":"3%\nEyvind B\u00f6dtker,\nund v. Udranszky1) auf Ptomaine verarbeitet. Beim Sch\u00fctteln mit Benzoylehlorid und Natronlauge entstand ein Niederschlag, der durch fraktionierte Kristallisation aus Alkohol wechselnder Konzentration zwei kristallinische K\u00f6rper lieferte.\nDer eine K\u00f6rper zeigte den Schmelzpunkt 130\u00b0. Eine Stickstoffbestimmung ergab: N-8,97\u00b0/o. Berechnet f\u00fcrC19H22N202: N-9,03\u00b0/o. Der K\u00f6rper war somit Benzovlpentamethylendiamin (Benzoylcadaverin).\nDer andere K\u00f6rper zeigte den Schmelzpunkt 170\u00b0. Eine Stickstoffbestiinmung ergab: N-9,39\u00b0/0. Berechnet f\u00fcr C18H20N,O2: N-9,'M)*k. Der K\u00f6rper war also Benzoyltetramethylendiamin (Benzoylputrescin).\nEs waren also dieselben Ptomaine vorhanden, die von Baumann und v. Udranszky gefunden waren: Cadaverin und Putrescin. Ihre Ouantit\u00e4t war aber recht gering. Au\u00dferdem erhielt ich auch kleine Mengen anderer kristallinischer Substanzen, die stickstoffhaltig waren, deren Mengen aber f\u00fcr weitere Reinigung und Identifizierung zu klein waren. Die Schmelzpunkte derselben lagen zwischen 180\u2014190\u00b0 und 192 bis 19(5\u00b0. Ein bei 203\u2014204\u00b0 schmelzender K\u00f6rper enthielt 2,88 \u00b0/o Stickstoff. Das Filtrat von dem Benzoy ln iederschlag wurde mit Schwefels\u00e4ure anges\u00e4uert, wobei eine reichliche F\u00e4llung von Benzoes\u00e4ure entstand. Sodann wurde es mit \u00c4ther ausgesch\u00fcttelt, der \u00c4ther verjagt und der R\u00fcckstand mit 12\u00b0/oiger Natronlauge versetzt. Aus dieser L\u00f6sung schieden sich nach einigem Stehen seidengl\u00e4nzende Kristalle von Benzoylcystinnatrium ab, die abfiltriert wurden und sich in Wasser leic ht l\u00f6slich erwiesen. Auf Zusatz von Schwefels\u00e4ure zu dieser L\u00f6sung wurde das Benzoylcystin als Gallerte gef\u00e4llt.\nIm Laufe von etwa zwei Monaten verschwanden allm\u00e4hlich die* Ptomaine, w\u00e4hrend das Cystin immer noch da war. Nachher war es auch nicht mehr m\u00f6glich, das Benzoylcystinnatrium zu erhalten.\nBeim Behandeln einer Reihe normaler Harne mit Benzovl-\n\u2022\nchloric! und Natronlauge erhielt ich weder Benzoylptomaine noch Benzoylcystinnatrium. Der R\u00fcckstand des \u00e4therischen Auszuges gab aber in s\u00e4mtlichen F\u00e4llen beim Erhitzen mit Bleiessig und\nV Diese Zeitschrift, Bd. XIII, S. 5f>8.","page":396},{"file":"p0397.txt","language":"de","ocr_de":"Beitrag zur Kenntnis der Cystinurie.\n397\nNatronlauge eine Schw\u00e4rzung von Schwefelblei, ein Umstand, der daraul deutet, da\u00df jeder normale Harn Spuren von Cystin enth\u00e4lt, oder wenigstens von einem K\u00f6rper, der sowohl' un-\u00fcxvdierten Schwefel wie eine Amidogruppe enthalten mu\u00df, weil doch hier die F\u00e4higkeit mit Benzoylchlorid zu reagieren an eine Amidogruppe gebunden ist.\nv. Udranszky und Baumann fanden auch dieselben Ptomaine in den Faeces des Cystinpatienten. Ich verarbeitete 5 verschiedene Portionen Faeces genau nach den Angaben genannter Forscher, konnte aber keine Benzoylptomaine'isolieren.\nDie verschiedenen Autoren, die \u00fcber Cystinurie gearbeitet haben, haben ein besonderes Cewicht darauf gelegt, ein Verfahren zur quantitativen Bestimmung des Cvstins zu\u2019 ersinnen\nDies war aber, wenigstens zu der Zeit, wo ich meine Unter-suchuu^en ausf\u00fchrte, nicht gelungen.1)\nWas zun\u00e4chst die F\u00e4llung des Cystins betrifft, so l\u00e4\u00dft sich Voraussagen, da\u00df es sich als S\u00e4ure am besten durch eine der st\u00e4rksten S\u00e4uren, z. B. Salzs\u00e4ure auslallen lassen mu\u00df. Fs besitzt aber wegen seiner beiden Amidogruppen auch schwach basische Eigenschaften, weshalb es mit starken S\u00e4uren Salze zu bilden f\u00e4hig sein wird. Daraus ergibt sich, da\u00df die F\u00e4llung mit einer der schw\u00e4cheren S\u00e4uren, z. B. Fssigs\u00e4ure, bewerkstelligt werden mu\u00df. Dies ist ja auch schon l\u00e4ngst empirisch herausgelunden. Wie zu erwarten, ist aber die F\u00e4llung lange nicht vollst\u00e4ndig. So konnte ich, wie oben angef\u00fchrt, aus einem mit Essigs\u00e4ure ausgef\u00e4llten Harn noch Benzoylcystinnatrium gewinnen, und bei der weiter unten mitgeteilten Versuchsreihe erhielt ich nie eine F\u00e4llung von Cystin mit Essigs\u00e4ure, trotzdem letzteres vorhanden war.\nWas nunmehr die Benzoylierungsmethode von Baumann und v. Udranszky betrifft, so liefert sie, wie es aus dem oben\ns,i\u201e \u201e.').JetZl T! 1a\"erdm\u00abs \u201c\u00ab\u00ab\u00ab Methoden angegeben. Von diesen lieint die von Abderhalden (Diese Zeitschrift, ltd. XXXVIII S 'nKi\nangewandte F\u00e4llung durch \u00df-Naphtalinsulfochlorid nach der allgemeinen (H.\t,\"nd? f.a Tg VOn Aminos\u00e4ur<>n von K. Fischer und Hergell\nl\u00fc sein.\t'\tBJ XXXV- S- 17) ,\u2019<;S,\u2019n,Jm \u2122**\u00bb\u00abi|","page":397},{"file":"p0398.txt","language":"de","ocr_de":"398.\tEyvind B\u00fcdtker.\ngesagten hervnrgeht, zwar h\u00f6here Werte f\u00fcr das Cystin: das Benzoylcystinnatrium ist aber in Wasser viel zu l\u00f6slich, um als Ma\u00df f\u00fcr die Cystinmenge dienen zu k\u00f6nnen. So erhielt ich bei der weiter unten beschriebenen Versuchsreihe nie Kristalle von henzoylcystinnatrium, wenn nicht der Harn vor der Benzoylierung stark eingeengt wurde.\nUnter diesen Umst\u00e4nden fand ich es am meisten angezeigt, denselben Weg wie Hruno MesterU einzuschlagen, einen Weg, der, wie ich aus der sp\u00e4teren Literatur sehe, oft benutzt worden ist. Derselbe bestimmte den im Harne des Cystinpatienten von Baumann vorhandenen oxydierten Schwefel, sowie den Cesamtschwefel. Die Differenz dieser beiden Zahlen gab ihm den unoxydierten, \u00abneutralen- Schwefel. Derselbe konnte zwar nicht ohne weiteres auf Cvstin umgerechnet werden,\nv\t7\nweil, wie schon oben bemerkt, auch normaler Harn unoxydierten Schwefel (Cystin) enth\u00e4lt.\nXr.\t' . (iesamtschwofel ir r-\tUnoxydierter Schwefel . (T\tProzente des unoxydierten (ie-sanitschwefel.s\tIm Mittel\n\u25a0 ' 1\t- 0.0000\t\u00ab 0.0125 '\t13.2\t\n. 2\t0.0700\t0.0175\t25.( 1\t\n3\t0,1000\t0,0320\t30,0\t. 23.7 11 i\n4\t0.0825\t0.0204\t24.7\t\nT>\t0,07(54\t0.0188\t24.6\t\nti\t0,0(577\t0,01(57\t\u2022> 4 7 f\t\nDie Menge des unoxydierten Schwefels im normalen Harn wird von den verschiedenen Autoren von 15\u2014 2()\u00b0/o des Besamt Schwefels angegeben. Mes ter2) fand bei gemischter Kost bei 9 verschiedenen Individuen Schwankungen von 12,1\u201430,6 im Mittel 18,1 \u00b0/o. Vorstehend teile ich einige Zahlen mit \u00fcber die Schwefelausscheidung bei einem gesunden, 23 .lalire alten Manne, die ich bestimmt habe. Die Zahlen unter 2 und 5 beziehen sich auf den Morgenharn, die \u00fcbrigen auf den Harn\nV) Diese Zeitschrift, Bd. XIV, S. 100.\n\u2022Lliic. cit. 8. 13\u00ab.","page":398},{"file":"p0399.txt","language":"de","ocr_de":"Reitrag zur Kenntnis der Cystinurie.\n\u2018m\nvon 24 Stunden, und zwar auf ICH) ccm Harn. Die Bestimmungen wurden genau nach Mesfers\u00bb) Angabe ausgef\u00fchrt.\nWie ersichtlich, kann das Verh\u00e4ltnis zwischen oxydiertem und unoxydiertem Schwefel selbst bei demselben Individuum erheblich schwanken. Eine Berechnung durch Subtraktion des in normalen Harnen im Mittel vorhandenen unoxydierten Schwefels von dem im Cystinharn gefundenen und durch Um-m hnung der Differenz aut Cystin erscheint demnach ziemlich willk\u00fcrlich. Indessen ist dies aber auch nicht n\u00f6tig, um ein hinreichendes Bild von den Verh\u00e4ltnissen zu bekommen. Wie aus den Zahlen Mesters und aus der nachstehenden Tabelle hervorgeht, handelt es sich n\u00e4mlich hier um so grolle Dill'erenzen in der Ausscheidung von unoxydiertem Schwefel bei Gesunden und Cystinkranken, da\u00df ein Zweifel \u00fcber die Grenzlinie \u00fcberhaupt nicht auftauchen kann.\nDer nachstehenden Tabelle schicke ich folgende Berner-kungeii voraus: Die Versuchsreihe ist etwa 4 Monate, nachdem sich keine Ptomaine mehr nachweisen Hellen, angefangen. Cystin konnte erst nach Einengen gr\u00f6\u00dferer Mengen Harns und darauffolgender Benzoylierung nachgewiesen werden. Der Harn reagierte immer alkalisch und bot sonst das Bild eines Cyslilisharnes, indem stets ein Sediment von Leucoeyten vorhanden war. Bisweilen roch der Harn stark nach Schwefelwasserstoff. Das spezifische Gewicht schwankte zwischen 1,008 und 1,013. Die haupts\u00e4chliche Nahrung war Milch, Kalbfleisch, Eier und Brot. Am i. bis 9. Mai war Ur\u00e4mie vorhanden, so da\u00df am 5. und fi. Mai gar kein Harn entleert wurde. Die Analysen 28 und 29 sind w\u00e4hrend einer Schwefelbadekur in Sundefjord ausgef\u00fchrt worden.\nDie Tabelle zeigt zun\u00e4chst in eklatanter Weise die. abnorm hohen relativen Werte des unoxydierten Schwefels. Die niedrigste Zahl finden wir beim Versuche 17 mit 31,6\"/\u00bb, die h\u00f6chste beim Versuche 13 mit 67 % des Gesamtschwefels. Im Mittel s\u00e4mtlicher Versuche betr\u00e4gt der nichtoxydierte Schwefel 49,30/0\ndes Gesamtschwefels, ein etwa dreimal h\u00f6herer Wert wie' hei normalen Individuen.\nl) loc. cit. S. 119.","page":399},{"file":"p0400.txt","language":"de","ocr_de":"4M)\tEyvind B\u00f6dtker,\n{ \u25a0 .1 ' \u2018 v \u2022\u2022 . 1 Nr. \u25a0 \u25a0 - ' i 1 ;\ti \u2022 \u25a0 .\tj ; Harn- Datum, | : menge \u25a0\ti [\t\u25a0 J ,\t| ccm\t\t| (iesamt- schwefel t in 21 Stunden . g\tUnoxy- 1 dierter j Schwefel in Stunden g\t1 Prozente | des nicht-! oxydier- ! ten vom Gesamt-schwefel\tAnmerkung\n\u00bb\tI 4. IV.\t1310\t0,3070\t0,1452\t47,2\t\n2 1\t5. IV.\t730\t0,3008\t0,2399\t00,4\t\n3\t0. IV \u2019\t1330\t0.7580\t0.3789\t50.0 \u2018\t\n4 1\t7. IV. I\t575\t0,5325\t0.2053\t:38,0\t\nr,l\t8. IV.\t000\t0.4350\t0.1002\t38,2\t\nfji\t\u00bb. IV.\t780\t0,5807\t0,2303\t40,1\t, \u2022 \u2022\nm I /\t10. IV.\t1200\t0,9090\t0.3504\t30,7\t1,2 g Resorcin\n8\t11. IV.\t1530\t0,84(H)\t0.4110\t49,0\t1.4 \u00bb\t\u00bb\n9\t12. IV.\t930\t0,0138\t0,2725\t4-4,4\t1,4 \u00bb\n10\t13. IV.\t1130\t0,0407\t0.3345\t52,2\t1,4 \u00bb\t\u00bb\n11\t20. IV.\t000\t0,0372\t0,2907\t45.0\t\n12\t8. V.\t1000\t0,8310\t0,5312\t04.0\t\nl\u00e4 \u25a0\t4. V.\t280\t0,1448\t0,0909\t07,0\tEiwei\u00df vorhanden\n14\t7. V.\t50\t0,0329\t0,0211\t04.1\t'\u00bb \u00bb\n15\t8. V.\t00\t0,0548\t0,0203\t48,0\t,\nio\t9. V.\t2320\t1.0025\t0.3907\t37,3\tSpur von Eiwei\u00df. Allantom\n17\t10. V.\t1470\t0.7073\t0,2001\t34,0\t\n18\t11. V.\t2100\t1.0195\t0.4303\t42,8\t\n10\t12. V.\t800\t0,2792\t0,1184\t42,4\t\n20\t13. V.\t1080\t0,0970\t0,3999\t57,4\t\n21\t14. V.\t1770\t0,5570\t0,3110\t55.9\t\n22\t15. V.\t1420\t0,5510\t0,2925\t53,1\t\n23\t10. V.\t1520\t0.5838\t0,3132\t58,8\t\n24\t17. V.\t1000\t0,7204\t0,3984\t54,8\t\n25\t18. V.\t1130\t0,5010\t0,2740\t48,9\t\n20\t10. V.\t1350\t0.0305\t0,2870\t! 45,0\t2 kleine Steine abgegangen\n27\t20. V.\t| 10-14)\t0.5252\t0.2527\t\u25a048.1\t\n28\t25. VII.\t1320\t0.5101\t, 0,2442\t! 47.3\t\n20\t2. VIII.\tj 1020 1\ti 0,4804 i ! .\t0.2754 ! 1 i\tmm* ; o/,o\tl","page":400},{"file":"p0401.txt","language":"de","ocr_de":"Beilrag zur Kenntnis der Cvstinurie.\n401\nMesler1) fand im Durchschnill seiner Versuche 45,7\u2022/\u00ab. Diese hohen Werte werden, wie Mesler eingehend gepr\u00fcft hat. durch irgend welche Di\u00e4t nicht beeinflu\u00dft. Dieselbe Krfahrung\nhabe ich auch gemacht, weshalb ich die Speiseliste der Patientin als \u00fcberfl\u00fcssig weglasse.\nBei den Versuchen 7, 8, 9 und 10 wurde etwas Resorcin verabreicht. Dasselbe wurde gut vertragen und geschah, um zu pr\u00fcfen, ob die Cvstinurie, im Sinne der H au-mamischen Theorie als ein F\u00e4ulnisproze\u00df betrachtet, hierbei abnehmen w\u00fcrde. Auch war eine Reaktion zwischen dem Cystin und dem Resorcin unter dem Einflu\u00df des Stoffwechsels, wobei leichtl\u00f6sliche Produkte entstehen k\u00f6nnten, denkbar. Wie ersichtlich, ist aber keinerlei Wirkung zu sp\u00fcren, ebensowenig wie Mes ter bei Eingabe von Salol irgend welche Wirkung entdecken konnte.\nBeim Versuche l\u00f6, nach der Ur\u00e4mie, wurde im Sedimente Allantoin mikroskopisch nachgewiesen. Das Auftreten dieses K\u00f6rpers d\u00fcrfte aber mehr der Ur\u00e4mie wie der Cvstinurie zuzuschreiben sein. Es w\u00e4re sonst schwer verst\u00e4ndlich, weshalb es nur dieses einzige Mal nachgewiesen werden konnte.\nEine Wirkung des Schwefelwassers auf die Schwefelausscheidung ist aus den Versuchen 28 und 29 nicht zu sehen. Mes ter fand zwar nach Verabreichung von Schwefel in Substanz die relative Menge des unoxydierten Schwefels stark herabgesetzt. Die Dosen waren aber dabei kolossal hoch, HO g lac sulphuris pro Tag.\nDie Badekur hatte aber auf das Allgemeinbefinden der 1 atientin einen sehr g\u00fcnstigen Einflu\u00df, umsomehr weil gleichzeitig die Di\u00e4t in jeder Hinsicht verbessert und selbst der Genu\u00df alkoholischer Getr\u00e4nke gestattet wurde*\nDer Stickstoffwechsel der Patientin war ziemlich gest\u00f6rt, soweit ich nach einer einzelnen Analyse beurteilen kann. So betrug der als Harnstoff vorhandene Stickstoff nur 77\u00b0/0 des Gesamtstickstoffes.\nWie schon eingangs hervorgehoben, mu\u00df die Baumannsche Iheorie der Bildung des Cystins durch F\u00e4ulnisprozesse aufgegeben werden. Diese Ansicht habe ich schon in meiner vor-\n\\> loc. cit. S. 134.","page":401},{"file":"p0402.txt","language":"de","ocr_de":"402\nEyvind B\u00fcdtker,\nl\u00e4ufigen Mitteilung von 1892 ausgesprochen, erstens weil ich im Darminhalt keine Ptomaine nachweisen konnte, zweitens weil die Ptomaine im Harn nach einiger Zeit verschwanden. Au\u00dferdem, wenn die Annahme von Baumann undv. Udranszky richtig w\u00e4re, dann m\u00fc\u00dfte es durch Desinfektion des Darms, respektive durch Darmsp\u00fclungen gelingen, das Cystin zum Verschwinden zu bringen. Dies ist aber nicht gelungen, wie sich aus den Versuchen der genannten Forscher1) und ebenso aus den meinigon ergibt.\nDas Cystin ist vielmehr ein normales, aber zum gr\u00f6\u00dften Teil intermedi\u00e4res Produkt des Eiwei\u00dfabbaus im Organismus.-) Bei normalen Individuen wird es unter Bildung von Schwefels\u00e4ureverbindungen und von einfacheren Stickstoffk\u00f6rpern oxydiert. Nur ein kleiner Teil, entsprechend etwa 20\u00b0/o des \u00fce-samtschwefels, gelangt unver\u00e4ndert in den Harn.\nHiergegen ist aber einzuwenden, da\u00df es bis jetzt' nicht gelungen ist, das Cystin aus normalem Harne zu gewinnen. Nach den oben erw\u00e4hnten Untersuchungen von K. A. H. M\u00f6rner wissen wir aber, da\u00df es mehrere Arten von Cystin gibt, was sich \u00fcbrigens aus, seinen beiden assymetrischen Kohlenstolf-atome Voraussagen lie\u00df. So erhielt M\u00f6rner bei seinen Eiwei\u00dfspaltungen einige andere Formen des Cystins, die sich durch verschiedenes Drehungsverm\u00f6gen und das \u00e4u\u00dfere Ansehen der Kristallformen von dem gew\u00f6hnlichen, in sechsseitigen Tafeln kristallisierenden Cystin unterscheiden. Er hebt besonders eine nadelf\u00f6rmige, leichtl\u00f6sliche Modifikation hervor. Es k\u00f6nnte nun im normalen Harne dieses Cystin vorhanden sein. Diese Frage harrt aber noch ihrer endg\u00fcltigen Beantwortung.\nWas nun die Diamine als Begleiter des Cystins bet rillt, da ist es ja sehr gut m\u00f6glich, da\u00df auch diese K\u00f6rper intermedi\u00e4re Eiwei\u00dfspaltungsprodukte sind, die im normalen Organismus weiter oxydiert werden. Die F\u00e4higkeit dieser weiteren Oxydation fehlt eben dem Cystinpatienten.\nDas Cystin per os verabreicht, \u00fcbt auf den Organismus keinen sch\u00e4dlichen Einflu\u00df aus, was aus zahlreichen F\u00fctterungs-\n*\u25a0) Diese Zeitschrift. Bd. XV. S. 90,\n* cf. L. Spiegel, loc. cit.","page":402},{"file":"p0403.txt","language":"de","ocr_de":"B*'it rag zur Kenntnis der Cystinurie.\n403\nversuchen in der letzten Zeit hervorgeht. Es ist eben die Schwerl\u00f6slichkeit des K\u00f6rpers, die das Krankheitsbild, der Cystinurie bedingt. Unter diesen Umstiinden m\u00fc\u00dfte eine rationelle Behandlung der Krankheit darauf hinzielen, der Bildung des Cystins vorzubeugen. Dasselbe k\u00f6nnte durch eine Steigerung des Oxydationsverm\u00f6gens des Kranken bewirkt werden oder durch Verabreichung von Substanzen, die mit dem Cystin innerhall) des Organismus unter Bildung leicht l\u00f6slicher K\u00f6rper teagieren. ln dieser Richtung sind Versuche von v. Bergmann1) angestellt worden. Derselbe konnte bei Hunden durch' F\u00fctterung mit Cystin und cholsaurein Natrium die Bildung von den leichtl\u00f6slichen K\u00f6rpern Taurin und Taurocholsaure ^konstatieren. Leider konnten aber Simon und Campbell*) bei Verabreichung von Cholals\u00e4ure (Chols\u00e4ure?) an einem Cystinkranken keinerlei Wirkung erzielen. Es ist aber zu erwarten, dal\u00bb weitere Versuche in dieser Richtung g\u00fcnstige Resultate aufweisen werden.\nBekanntlich hat man schon mehrfach Cystinurie bei mehreren Mitgliedern derselben Familie nach weisen k\u00f6nnen 3) Eine derartige Familiendisposition war aber hier nach dem Aus>agen des Aiztes, der die Familie in drei Generationen gekannt und behandelt hatte, nicht vorhanden.\nII.\nIm .fahre 1893 hatte ich Gelegenheit, noch einen Fall von Cystinurie zu untersuchen. In der Abteilung f\u00fcr Kinderkrankheiten des Reichshospitals zu Christiania war einem elfj\u00e4hrigen Knaben ein erbsengro\u00dfer Stein abgegangen, der als Cystin erkannt wurde. Von dem damaligen Assistenz\u00e4rzte der Abteilung, Herrn Dr. med. Lyder Nicolaysen, wurde, mir eine\nTagesmenge Harns von dem betreffenden Patienten zur Untersuchung \u00fcbergeben.\n*)\tZentral bl. 1903, Bd. II. 8. 1079.\ncf. auch Wohlgemuth. Diese Zeitschrift, Bd. XL. S Hl\n*) Chem. Zentral!)!. 1904, Bd. II. 8. 4f>H.\n3) Toel. Liebigs Annalen, Bd. LXXVl. S. 247.\nAbderhalden, Diese Zeitschrift, Bd. XXXVIII. 8. 5\u00f67.","page":403},{"file":"p0404.txt","language":"de","ocr_de":"*0* Eyvind B\u00f6dtker, Beitrag zur Kenntnis der Cystinurie.\nDer Harn wurde in gew\u00f6hnlicher Weise benzovliert. Aus dom entstandenen Niederschlage konnte ich keine Benzoyl-ptomaine isolieren. Das Filtrat wurde mit Schwefels\u00e4ure gef\u00e4llt, die ausgeschiedene Benzoes\u00e4ure abfdtriert und das Filtrat hiervon mit \u00c4ther ausgesch\u00fcttelt. Nach Verjagen des \u00c4thers wurde der R\u00fcckstand mit etwas 12\u00b0/oiger Natronlauge versetzt und aus dieser L\u00f6sung schieden sich nach einigem Stehen seidengl\u00e4nzende Kristalle aus, die abfiltriert wurden. Beim Waschen mit Wasser auf dem Filter l\u00f6sten sich diese charakteristischen Kristalle von Benzoylcystinnatrium, w\u00e4hrend auf dem Filter eine kleine Menge in Wasser unl\u00f6slicher Kristallbl\u00e4tter von ganz anderem Aussehen blieben. Dieselben, aus Alkohol umkristallisiert, zeigten den Schmelzpunkt ungef\u00e4hr 174\u00b0. Es lag also hier Benzoylputrescin vor. Dasselbe wurde hier an anderer Stelle isoliert wie in dem oben beschriebenen Falle. Baumann und v. Ldranszky, deren Fall offenbar durch weit gr\u00f6\u00dfere Mengen von Ptomainen ausgezeichnet war, gewannen die Benzoyl-ptomaine sowohl aus dem direkt bei der Benzoylierung entstandenen Niederschlage wie aus dem \u00e4therischen Auszuge neben dem Benzoylcystinnatrium.\nDer weitere Verlauf diesen Falles wurde meinerseits nicht verfolgt.\nChristiania, Juni 1905.","page":404}],"identifier":"lit18225","issued":"1905","language":"de","pages":"393-404","startpages":"393","title":"Beitrag zur Kenntnis der Cystinurie","type":"Journal Article","volume":"45"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:14:54.434260+00:00"}