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{"created":"2022-01-31T14:31:48.698682+00:00","id":"lit18232","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Abderhalden, Emil","role":"author"},{"name":"Alfred Schittenhelm","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 45: 468-472","fulltext":[{"file":"p0468.txt","language":"de","ocr_de":"Ausscheidung von Tyrosin und Leucin in einem Falle von\nCystinurie.\nVon\nEmil Abderhalden und Alfred Scliittenhelm.\n(Aus dem I. Chemischen Institut der Universit\u00e4t Berlin und der Medizinischen Klinik\nin G\u00f6ttingen.)\n(Der Redaktion zugegangen am 19. Juli 1905.)\nDor Cystinurie liegt h\u00f6chst wahrscheinlich eine St\u00f6rung des bis jetzt so wenig erforschten und gekannten intermedi\u00e4ren Eiwei\u00dfstoffwechsels zugrunde. Auffallend ist, da\u00df sich diese einzig allein auf das Cystin erstreckt, w\u00e4hrend, soviel bis jetzt bekannt ist, die \u00fcbrigen Bausteine des Eiwei\u00dfmolek\u00fcls auch vom Cystinuriker in normaler Weise verwandt resp. abgebaut werden; denn bisher sind unseres Wissens bei der Cystinurie au\u00dfer den unkonstant auftretenden Diaminen, deren Bildungsst\u00e4tte noch zweifelhaft ist, keine anderen Aminos\u00e4uren beobachtet worden. Es kann dies wohl daran liegen, da\u00df bisher eine eingehende Untersuchung auf solche im Cystinharn nicht erfolgt ist. Wir kommen zu dieser Vermutung, weil es uns gegl\u00fcckt ist, im Harne eines an Cystinurie leidenden Patienten mit Leichtigkeit Tyrosin und Leucin sicher nachzuweisen, und wir nach dem Verhalten der isolierten Produkte wohl schlie\u00dfen d\u00fcrfen, da\u00df noch andere Aminos\u00e4uren in kleinen Mengen zugegen waren. Da\u00df Tyrosin neben Cystin im Harne vorkommt, beweist ferner der Befund dieser beiden Aminos\u00e4uren in einem Cystinstein.1) Mit der Auffindung weiterer Eiwei\u00dfspaltprodukte im Urin des Cystinurikers kl\u00e4rt sich die ganze Auffassung der Cystinurie. Wir haben keine vereinzelte, auf einen einzigen Komplex beschr\u00e4nkte Anomalie des Eiwei\u00dfstoffwechsels vor uns,\n\u2022\u25a0) Emil Fischer und Suzuki. Zur Kenntnis des Cystins. Diese Zeitschrift, Bd. XLV, S. 405, 1905.\ni","page":468},{"file":"p0469.txt","language":"de","ocr_de":"Ausscheidung von Tyrosin und Leuc|n in einem Falle von Cystinurie. 4t>9\nsondern vielmehr eine mehr allgemeine St\u00f6rung des Kiwei\u00df-abbaus. Es bleibt abzuwarten, ob auch bei anderen F\u00e4llen von Cystinurie au\u00dfer Cystin andere Aminos\u00e4uren auftreten. Wir hollen weitete F\u00e4lle von Cystinurie naeh dieser Richtung hin untersuchen zu k\u00f6nnen.\nDer untersuchte Harn stammt von einem 34 Jahre alten Manne aus gesunder Familie. Kr selbst erkrankte mit dem l\u00f6. Jahre an Blasensteinen, die operativ entfernt wurden (drei Steine von Kirschengr\u00f6\u00dfe). Einige Jahre sp\u00e4ter wurde ein leichter Blasenkatarrh konstatiert, welcher jetzt noch vorhanden ist. Ab und zu gehen kleine Steinehen mit dem Urin ab.\nDer Urin ist hellgelb, ziemlich klar. Beim Stehen scheidet sich ein Sediment ab, das aus den typischen sechseckigen Tafeln des Cystins besteht, daneben linden sich vereinzelte Blasen-epithelien, Harns\u00e4urekristalle und oxalsaurer Kalk. Die Reaktion des Urins ist sauer, er enth\u00e4lt keinen Zucker, dagegen hin und wieder Spuren von Eiwei\u00df. Die Tagesmengen schwanken zwischen 2tKM) und 2500 ccm. Das spezifische Gewicht betr\u00e4gt 1012\t1015. Dieser Befund ist stets ziemlich konstant, nur\nschwanken die Cystinmengen. So wurden z. B. in einer Tagesportion von 2100 ccm bei einem Gesamt-N von 1\u00f6,() g 0,31 g Cystin und 0,5 g Harns\u00e4ure isoliert. Das Filtrat des im Vacuum zur Abscheidung des Cystins mit Eisessig stark eingeengten Harns gab starke Reaktion mit Milions Reagens. Diese\\nb \u00fcbrigens auch der Harn direkt, ln einer anderen Tagesmenge von 2500 ccm und einem Gesamt-N von 12,0 g wurden 0,4 g Cystin erhalten. Auch dieser Urin gab sehr starke Rotlarbung mit Mil Ions Reagens. Auch das Sediment des Urins gab die Reaktion, wenn auch in schw\u00e4cherem Ma\u00dfe.\nZur Isolierung des Tyrosins wurden mehrere Tagesportionen des Harns unter vermindertem Druck bei 40\u00b0 solange eingeengt bis eine Probe nach einigem Stehen unter K\u00fchlung einen betr\u00e4chtlichen Niederschlag gab, der mit Milions Reagens nur wenig reagierte und haupts\u00e4chlich aus Cystin bestand. Nachdem aas Ausgeschiedene abgesaugt war, wurde das Filtrat w citer eingeengt, bis wiederum beim Stehen in der K\u00e4lte Kristallisation erfolgte. Diese gab starke Rotf\u00e4rbung mit Milions\nHpppe-Seyier s Zeitschrift f. physiol. Chemie. XLV.\t*31","page":469},{"file":"p0470.txt","language":"de","ocr_de":"470\nKm il Abderhalden und Alfred Sc hitten h elm.\nReagens und bestand zum gr\u00fc\u00dften Teil aus Tyrosin. Beide Kristallisationen wurden zur Reinigung in wenig HP/oigem Ammoniak hei\u00df gel\u00f6st und dann stark gek\u00fchlt. Es schieden sich hierbei aus der zweiten Portion Kristalle ab, die abgesaugt wurden. Zum Filtrat resp. bei der ersten Portion zur am-moniakalisehen L\u00f6sung wurde nun vorsichtig soviel Eisessig tropfenweise zugef\u00fcgt, da\u00df die Reaktion eben noch alkalisch blieb. *) Es entstand besonders in der zweiten Portion sehr bald eine kristallinische F\u00e4llung, die sofort abgesaugt wurde. Dieser Niederschlag erwies sich als schon recht reines Tyrosin, das nach zweimaligem Umkristallisieren aus hei\u00dfem Wasser\ndie richtigen Analysenzahlen gab:\n0,1809 g Substanz gaben 0.9908 g G0a und 0.101t g 11,0 Berechnet f\u00fcr C9H,tN03:\tGefunden:\n59,00 \u00b0/o C und 0.07% 11.\t59,82> C und 0.21% H.\nDie schwach alkalischen, von Tyrosin befreiten Filtrate wurden vereinigt und nun mit Eisessig stark \u00fcbers\u00e4ttigt. Die L\u00f6sung blieb l\u00e4ngere Zeit v\u00f6llig klar und tr\u00fcbte sich dann rasch unter Abscheidung eines sandigen Niederschlages. Er gab noch eine ganz schwache, eben wahrnehmbare Rotf\u00e4rbung mit Mi lions Reagens. Zur Reinigung wurde das Cystin noch zweimal in t()'%>igem Ammoniak gel\u00f6st und gef\u00e4llt.\nO.lTl\u00f6 g Substanz gaben 0,1809 g C02 und 0.0750 g II/J Berechnet f\u00fcr C\u00abHi,NaSj04:\tGefunden:\nG 90.00\u00b0/.) und 11 5.00\u00b0/o.\t29,72% C und 1.80\u00b0 \u2022> H.\nDer in der Hauptsache von Cystin und Tyrosin befreite Urin, der allerdings noch recht deutliche Millon.sehe Reaktion zeigte, aber auch beim sehr starken Einengen keine Tyrosinkristalle mehr gab, wurde nun mit normaler Natronlauge schwach alkalisch gemacht und mit der \u00e4therischen L\u00f6sung von 5 g \u00df-Naphtalinsulfochlorid gesch\u00fcttelt. Jede halbe Stunde wurde die Reaktion gepr\u00fcft und stets schwach alkalisch gehalten.2)\n\u2018) Vergl. K. Friedmann. Beitr\u00e4ge zur Kenntnis der physiologischen Beziehungen der schwefelhaltigen Eiweibabk\u00f6mmlinge. Hofmeisters Beitr\u00e4ge. Bd. Ill, S. 15, 1902.\n*) Stark alkalische Reaktion ist zu vermeiden, es kann das in gr\u00f6beren Mengen entstehende \u00df-Naphtalinsulfoamid leicht zu unangenehmen T\u00e4uschungen Anlab gehen.","page":470},{"file":"p0471.txt","language":"de","ocr_de":"Ausscheidung von Tyrosin und Leucin in einem Falle von Cyslinurie. 171\nDer \u00c4ther wurde nacli 4st\u00e4ndigem Sch\u00fctteln abgetrennt, die alkalische L\u00f6sung filtriert und nun mit f\u00fcnffach normaler Salzs\u00e4ure anges\u00e4uert. Ls fiel ein zun\u00e4chst \u00f6liger, auf Kis jedoch bald erstarrender Niederschlag. Kr wurde wieder in normaler Natronlauge gel\u00f6st und nochmals gef\u00e4llt. Das erhaltene Produkt machte nicht den Kindruck einer einheitlichen. Substanz. Ks wurde im Vaeuumexsikkator \u00fcber Schwefels\u00e4ure getrocknet, dann fein zerrieben und mit \u00c4ther ausgelaugt. Der gr\u00f6\u00dfte Teil der Substanz ging in L\u00f6sung. Beim Abdunsten des \u00c4thers hinterblieb ein \u00f6liger R\u00fcckstand, der allm\u00e4hlich erstarrte. Aus 20\u00b0/oigem Alkohol wiederholt umkristallisiert, wurden schlie\u00dflich d\u00fcnne, langgestreckte prismatische. Kristalle erhalten, die bei ()2\u00dc (korr.) anfingen zu sintern und bei 70\u00b0 (korr.) v\u00f6llig schmolzen. Zur Analyse wurde die Substanz bei 8f>\u00b0 getrocknet.\n0,1910 g Substanz gaben 0.4146 g CO, und 0,0977 g .H O Gefunden:\tBerechnet f\u00fcr CwHt904NS:\n59,2\u00b0/u C und 5,6\u00b0/\u00ab H.\t59.81\u00b0 \u00ab C und 5.92\u00b0;\u00ab II.\nKs lag somit Leucin1) vor.\nBei \\\\ iederholung des Versuches wurde dasselbe Resultat erhalten.\n0.1881 g Substanz gaben 0,1119 g CO, und 0,0959 g Hs(j Gefunden: 00.00\u00b0\u00ab C und 5,09\u00b0 \u00ab H.\nDer in \u00c4ther unl\u00f6sliche Teil konnte trotz aller Sorgfalt nicht in einheitlich kristallisierende Fraktionen getrennt werden.\nOb neben dem Tyrosin noch Substanzen vorhanden waren, welche mit dem Millonschen Reagens reagierten, k\u00f6nnen wir nicht entscheiden. Jedenfalls blieb auch im Filtrat dqr Tyrosinausscheidung, aus dem kein Tyrosin mehr isoliert werden konnte, die Mil Ion sehe Probe positiv, nachdem der verd\u00fcnnte Harn mit Salzs\u00e4ure stark anges\u00fcuert, gekocht und mit \u00c4ther ausgesch\u00fcttelt worden war.\nTyrosin scheint nach den Beobachtungen des einen von uns2) nicht so selten im Urin aufzutreten. Wir hatten Oele<mn-\n*) Ernil Fischer und Peter Bergeil, Ober die \u00df-Naphtalin-sulfoderivate der Aminos\u00e4uren,- Berichte der Deutschen Chem Gesellschaft, .lg. XXXV, S. 9789, 1902.\n) Km11 Abderhalden. Abbau und Aufbau der Eiweifsk\u00f6rper im tierischen Organismus. Diese Zeitschrift, Bd. XLIV, S. 50. 1905.","page":471},{"file":"p0472.txt","language":"de","ocr_de":"Ernil Abderhalden ii. Alfred Schittenhelm. Cvslinurie.\nheit, drei weitere Urinproben zu untersuchen, die alle drei ausgesprochene Milionsehe Reaktion gaben. Die eine Portion\nstammte von einer an schwerem Icterus leidenden \u00e4lteren Frau, bei der offenbar totaler Verschlu\u00df des Ductus choledochus vorlag. Der zweite Urin, der ebenfalls sehr intensive Milionsehe Probe gab, r\u00fchrte von einem Patienten her, der eine schwere Narkose durchgemacht hatte (verbraucht ca. HO g Chloroform und *2U> g \u00c4ther). Endlich wurde noch der Harn eines jugendlichen Diabetikers untersucht. W\u00e4hrend in den beiden ersten hailen Tyrosin isoliert werden konnte, gelang dies in letzterem halle nicht. Nach dem Ausfall der \u00df-Naphtalinsulforeaktion in diesen F\u00e4llen k\u00f6nnte man zur Vermutung kommen, da\u00df das Tyrosin allein oder doch haupts\u00e4chlich zur Ausscheidung gelangt sei, w\u00e4hrend die \u00fcbrigen Aminos\u00e4uren normalerweise verbrannt worden w\u00e4ren. Dieser Befund wirft vielleicht auch einiges Licht auf das Wesen der Alkaptonurie, bei der ja auch im wesentlichen das Tyrosin (neben Phenylalanin) beteiligt zu sein scheint. Weitere Untersuchungen und weitere Beobachtungen auf diesem Gebiete werden gewi\u00df berufen sein, uns\neinen Einblick in den Stoffwechsel des Eiwei\u00dfes jenseits des Darmes zu geben.","page":472}],"identifier":"lit18232","issued":"1905","language":"de","pages":"468-472","startpages":"468","title":"Ausscheidung von Tyrosin und Leucin in einem Falle von Cystinurie","type":"Journal Article","volume":"45"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:31:48.698687+00:00"}