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{"created":"2022-01-31T13:41:44.824974+00:00","id":"lit18288","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Thierfelder, H.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 46: 518-522","fulltext":[{"file":"p0518.txt","language":"de","ocr_de":"Phrenosin und Cerebron.\nVon\nH. Thierfelder.\n(Der lledaktion zugogangcn am 19. Dezembor l'.'O.'i.)\nVor kurzem erschien eine Untersuchung von Posner und Gies1) \u00fcber das Protagon, in der auf S. 72 ff. die Ansicht ausgesprochen wird, da\u00df die Arbeiten von K. W\u00f6rner und mir \u00fcber das Cerebron eigent-lich nur Neuentdeckungen von Thudichum bereits vor Jahren ermittelter Resultate enthalten und da\u00df zur Zeit kein Grund vorliegt, das Cerebron nicht f\u00fcr identisch mit Thudichum s Phrenosin zu halten. Sie schlagen deshalb vor, den Namen Cerebron fallen zu lassen und die als Spaltungsprodukt dieser Substanzen erhaltene S\u00e4ure, welche von Thudichum als Nourostearins\u00fcure, von mir als Cerebrons\u00e4ure bezeichnet worden ist, Phrenosins\u00e4ure zu nennen.\nIch m\u00f6chte dazu folgendes bemerken:\n1. Im Jahre 1874 wendet Thudichum1) die Bezeichnung Phrenosin zum erstenmal auf eine aus dem Gehirn isolierte phosphorfreie Substanz an. Welche hei der Analyse als h\u00f6chsten Kohlenstoffgehalt H6,6\u00b0/o gab und f\u00fcr die er verschiedene Formeln C3iH09N08, C34H67N08, CS4H69NU8 berechnet. Sp\u00e4ter4) erkl\u00e4rt er diesen K\u00f6rper seihst f\u00fcr eine Mischung und verwirft die Formeln.\nIm Jahre IH.Sl teilt Thudichum5) neue Analysen des Phrenosins mit, welches \u00abbis auf weniger als l\u00b0/o Beimischung rein\u00bb ist. Die fol-\n') The Journ. of Biolog. Chemistry, Bd. I. S. 59.\n*\u00bb Diese Zeitsehr., Bd. XXX, S. 542; Bd. XLI1I, S. 21 ; Bd. XLIV, S.36\u00dc. \u25a0'\u2019) Researches on the Chemie. Constitution of the Brain. Appendix Nr. 5 to Reports of the Medical officer of the Privy Council and Local Government Board. New Series Nr. 111. Dieses Buch konnte ich weder auf der Kgl. noch auf der Universit\u00e4tsbibliothek in Berlin und G\u00f6ttingen\nerhalten\n(Journ.\nDie obigen Angaben entnehme ich einer Arbeit von E. Drechsel prakt. Giern-. N F.. Bd. XXV. S. 190. 1882), in der die Untersuchung von Thudichum besprochen wird.\nJourn. f. prakt. Chem. N. F., Bd. XXV, S. 521, 1882.\nAnn. of Chemical Medicine. Bd. II. S. 1, 1881.\n'n 4 I","page":518},{"file":"p0519.txt","language":"de","ocr_de":"Phrenosin und Cerebron.\n519\ngende Tabelle, welche die Resultate der Analysen und die Angaben\n\u00fcber die benutzten Methoden enth\u00e4lt, entspricht der Originaltabelle Thud ich um's.\n\ta ! b\tc\td\te\tf\tg \u2022\th\ti\tk\nc\t\\ \u00ab>7.71 1 67,89\t67.67\t68.56\t\t\u2022 '\t\t\t\t\u25a0 . .\t\nH\t11,62 | 11,42\t11.28\t\u2014\t\u2014\t\u2014...\t\t-\t\u25a0 \t\t.\nN.\t2,15 * 2,1:5 : j\t2,07\t\t2 29\t2.18\t2,34\t1,768\t1,690\t1.715\n0\t18,51\t18.56\t19,03\t-\t\u2022\t\u2014r-c-.\t.\t\t\t\n\u2014\t100.00 100,00,100,00 '\t\t\u2014\t\t--\t\t\u2014\t\t\u2014r'\nvacuo; C and N letrically: weighed\n(]() By combustion in\n! C02 atmosphere; volumi'lncally; H,01 \"*'** iras volumetrically\nestimated\nbed\nHy combustion with soda-lime; Pt salt weighed\nAls Mittelwert dieser Analysen berechnet Thudicliuni iS 4tii C. ti/dloT. 11 11,42\u00ab, N 1,9117. 0 18,(196. Zur Erkl\u00e4rung der ungen\u00fcgenden \u00dcbereinstimmung dieser analytischen Werte mit denjenigen, welche die aus den gefundenen Spaltungsprodukten berechnete Formel des Phrenosins verlangt (siche weiter unten), schreibt Thudicliuni1): .Die Analysen aller mH so hohem oder noch h\u00f6herem Kohlenstoff verset,enen llirnednkte sind mit einer den Kohlenstoff niedriger erseheinen lassenden Fehlerquelle behaftet, welche bisher hat weder ermittelt noch ausgeschlossen werden k\u00f6nnen, \u00bbi!)\nDie Einheitlichkeit des Phrenosins ist durch diese Analysen um so\nwemger bewiesen, als sie sich offenbar alle auf ein und dasselbe Pr\u00e4parat beziehen.\nAls Material f\u00fcr die Spaltung ben\u00fctzt Thudichum nur zum Teil dieses \u00abreine\u00bb Phrenosin, zum Teil unreines, noch anorganische Bestand-teile enthaltendes Substanzgemenge. Als Produkte der vollst\u00e4ndigen Hydrolyse findet er Cerebrose (Galactose C,llt>0\u201e Sphingosin C17IIs6N02 und Neurostearinsaure C18H3602 und berechnet daraus f\u00fcr das Phrenosin in der Annahme, da\u00df ein Molek\u00fcl bei der Spaltung je ein Molek\u00fcl dieser drei K\u00f6rper liefert, die Formel C4lH\u00ceBNO\u201e.\nC4tIl79XOB-f 2H,0 = G6Hl20,}-t-C17Ha5NOa + ClHH3HOa.\nMir diese Annahme liefern mit \u00abreinem\u00bb Phrenosin angestellte quantitative Spaltungsversuche nur eine schwache St\u00fctze, demi es werden gefunden (durch W\u00e4gung und Berechnung, welche auch nicht einwandsfrei\nV' Die chemische Konstitution des Gehirns. T\u00fcbingen 1901.","page":519},{"file":"p0520.txt","language":"de","ocr_de":"520\nH. Thierfelder,\nerscheint; etwa 18\u00b0/o Galactose, 29,6 \u00b0/o Sphingosin und 33,8% Neuro-Stearins\u00e4ure, w\u00e4hrend die Theorie 25,25 \u00b0/o Galactose. 40\u00b0'.* Sphingosin und 40\u00b0/o Neurostearins\u00e4ure verlangt.\nDie aus dieser Formel berechnete prozentische Zusammensetzung betr\u00e4gt :\n89,00 C\t11,08 II\t1,96 N.\nw\u00e4hrend die aus den Analysen sich ergebenden Mittelwerte sind:\n87.98 C\t11,43 II\t1,997 X\nAus dem Gesagten ergibt sieb, da\u00df es falsche Vorstellungen \u00fcber den Sachverhalt erwecken mu\u00df, wenn Posner und Gies in einer Tabelle, in der die prozentische Elementarzusammenselzung von Phrenosin, Pseudocerebrin, Gerebron und einiger. Cerebrine neben einander aufgef\u00fchrt wird, schreiben\nG H X 0\nThud ich.um''s Phrenosin (1874)\t69,00\t11.08\t1.98\t17,96\nGamgee s Pseudocerebrin (1880)\t68.89\t11,87\t1.83\t17,41\nW\u00f6rner und Thierfelder\u2018s Gerebron (1900)\t69,16\t11.54\t1.76\t17,54\nDa die f\u00fcr die \u00fcbrigen in diese Tabelle aufgenommenen Substanzen erhaltenen Werte durch Elementaranalyse gewonnen worden sind, so mu\u00dften auch f\u00fcr das Phrenosin nicht die einer berechneten Formel entsprechenden Daten, sondern die analytischen angegeben werden. Diese sind aber\nG\tII\tN\n87,96\t11.43\t1,997.\nstimmen also mit den f\u00fcr das Gerebron erhaltenen nicht \u00fcberein.\n2. Im Jahre 1900 beschrieben E. W\u00f6rner und ich einen mit indifferenten Methoden und unter Vermeidung h\u00f6herer Temperatur aus dem Gehirn isolierten Stoff, dessen Einheitlichkeit und chemische Individualit\u00e4t wir durch zahlreiche Analysen der aus verschiedenem Ausgangsmaterial gewonnenen Pr\u00e4parate, durch Schmelzpunktsbestimmungen, sowie dadurch feststellten, da\u00df die Substanz, in 85\u00b0/oigem Alkohol suspendiert, bei 40 bis oO\u00b0 aus dem knolligen in den kristallisierten Zustand \u00fcberging. Die mittlere prozentische Zusammensetzung betr\u00e4gt (unter Ber\u00fccksichtigung auch sp\u00e4ter ausgef\u00fchrter Analysen) G 69,19, H 11,35, X 1.76.\nEs war uns entgangen, da\u00df schon 20 Jahre vorher Gamgee1) dieselbe Substanz isoliert und Pseudocerebrin benannt hat. Siehe dar\u00fcber meine Ausf\u00fchrungen in dieser Zeitschrift Bd. XLIII, S. 21.\nWeiterhin wurde festgestellt, da\u00df bei der hydrolytischen Spaltung das Gerebron in drei K\u00f6rper zerf\u00e4llt: Galactose. Sphingosin und eine Oxy-fetts\u00e4ure von der Zusammensetzung C26H60Os. die Cerebrons\u00e4ure genannt wurde. Die Besultate quantitativer Spaltungsversuche und die analytisch\n\u2019) Textbook of the Physiol. Chemistry, London 1880.","page":520},{"file":"p0521.txt","language":"de","ocr_de":"Phrenosin und Cerebron.\n521\nr^lwTr'T li\u201c'iCn ,le\" Sch'U\u00df zu- da\u00df Cerebron Gleichung verlff\u00fc \u201c 'mm' ^ ^ Z\"fa\"\t^\"\"\u00aber\nC.A.NO, + 2 M>\u00b0 = C\u00abHwO\u201e -f G.jH^XO, -f C\u201eHmO,.\n. Wcn\" ,mu; 1'\"s;;er,und Gies d<* Meinung sind, da\u00df dieselben Tat-sach, n welche diese Gleichung ausdr\u00fcckl, schon vor mehr als 20 Jahren '0,1 Thudicfium durch die Gleichung\nC<,ll,\u00bbN\u00fc\u00bb -f- 2 Ht0 = C,H,j09 -f C1IH\u201eX01 + C\u201eHM(), gezeigt worden sind, so kann ich diese Ansicht nicht teilen.\nDie Analysen der Neurostcarins\u00e4ure und ihres \u00c4thylesters stimmen\nsehr gut fur die Formel C H O h.vw (' H (\\ in u \\\t.\t. ,\n, \u00fc , \u201e ,,\t^\u2018\u00abn3ou\u00ab Dezw- GrtHSBf)a (C\u201eHf>) und nicht zu\nden tormein CI5lIsoO, hezw. C\u201ell4,Os ((',11.) (Unterschied \u00fcber 0,5% Cl Die Analysen der Ccrebrons\u00e4ure, des cerebronsaurcn Natrons, des Natronsalzes der Acetylverbindung stimmen sehr gut zu den Formeln C II r hezw. C\u00c4NaO hezw. C\u201eH<ANa ,CHaC0) und \u201eich. zu der \u00c4* G\u201eH,sUj usw. Die Neurosteanns\u00e4ure schmilzt hei Hk\u00ab, die Cerebron. saure bei HD\u00bb. Die beiden S\u00e4uren zeigen also verschiedene Zusammen-Setzung und verschiedenen Schmelzpunkt.\nFs gibt nur zwei M\u00f6glichkeiten: Entweder hat Thudichum eine reine Saure in H\u00e4nden gehabt und analysiert, dann sind Phrenosin und Cerebron verschiedene K\u00f6rper. Oder er hat unreines Material untersucht dann sind seine Angaben \u00fcber die Zusammensetzung der S\u00e4ure und damit auch des Phrenosins unrichtig und das Phrenosin w\u00e4re vielleicht als unreines Cerebron zu bezeichnen, aber nicht das Cerebron als Phrenosin.\nEine Sichere Entscheidung ist nicht zu treffen. Ber\u00fccksichtigt man aber die zu Phrenosin und Cerebron f\u00fchrenden Herstellungsverfahren, die hir beide Substanzen angegebenen Eigenschaften und vor allem den f\u00fcr hudichum\u2019s Arbeiten charakteristischen Mangel an Exaktheit, so wird man sich mehr der letzteren Auffassung zuwenden.\nf\u00fcgen S'e a'S llie r\u2018Cht\u2018EC annehm<:nd\u2019 m\u00f6cll,e \u00bb\u00bbeh folgendes hinzu-\nThudichum hat das Verdienst, zuerst mit Nachdruck das Vorkommen phosphorfreier Atomkomplexe (Cerebroside) in, Gehirn behauptet zu haben. Die Remdarstellung eines solchen K\u00f6rpers ist ihm aber nicht gelungen und ebenso wenig hat er seine Zusammensetzung und seinen chemischen Aulhau richtig erkannt. Diese Feststellungen sind erst durch die Untersuchungen von Gaingce, E. W\u00f6rner und mir geliefert worden, i I t,7 AnE,aben von Thudichum m\u00fcssen so lange mit Mi\u00dftrauen\n\u00abtrachtet , werden, bls lbre Best\u00e4tigung von anderer Seile erfolgt. Diese\nnsiclit wird jeder bei der Besch\u00e4ftigung mit den Arbeiten dieses Autors gewinnen. Die Tatsache, da\u00df soviel\u00ab seiner Angaben keine Ber\u00fccksichtigung m der Literatur und keine Aufnahme in die Lehrb\u00fccher gefunden haben","page":521},{"file":"p0522.txt","language":"de","ocr_de":"522\th Thierfelder. Phrenosin und Cerebron.\nl\u00e4\u00dft sich nicht aus pers\u00f6nlicher Animosit\u00e4t, sondern nur aus einem sehr berechtigten Mangel an Vertrauen zu der Exaktheit seines Arbeitens erkl\u00e4ren. Ergeben weitere Untersuchungen die Richtigkeit seiner Befunde, so soll ihm gewi\u00df die Anerkennung nicht versagt werden. Das Cerebron aber zeigt eine andere Zusammensetzung und einen anderen chemischen Aufbau, als Thudichum f\u00fcr das Phrenosin angegeben hat, und wir k\u00f6nnen es daher nicht als gerechtfertigt anerkennen, die Entdeckung des Cerebrons Thudichum zuzuschreiben und den von uns zuerst rein dargestellten und genau untersuchten K\u00f6rper Phrenosin zu benennen.","page":522}],"identifier":"lit18288","issued":"1905","language":"de","pages":"518-522","startpages":"518","title":"Phrenosin und Cerebron","type":"Journal Article","volume":"46"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:41:44.824979+00:00"}