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{"created":"2022-01-31T15:05:06.099807+00:00","id":"lit18327","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Abderhalden, Emil","role":"author"},{"name":"Alfred Schittenhelm","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 47: 452-457","fulltext":[{"file":"p0452.txt","language":"de","ocr_de":"Der Ab- und Aufbau der Nucleins\u00e4uren im tierischen Organismus.\nVon\t\u2022\nEmil Abderhalden und Alfred Schittenhelm.\n(Ans dem I. Chornischen Institut der Universit\u00e4t Berlin.) il)< r Redaktion zugegangen am 15. M\u00e4rz 1906.)\nAls einziger Endzweck der Verdauung gilt l\u00e4ngst nicht mehr die Umwandlung der nicht resorptionsf\u00fchigen Nahrungs-stnll'e in Produkte, welche die Darmschleimhaut passieren k\u00f6nnen. Viel wichtiger ist der Umstand, da\u00df die Verdauungsfermente die dem K\u00f6rper ganz fremdartigen Bestandteile der Nahrung ahhauen und in die einfachen Hausteine zerlegen. Dadurch wird dem tierischen Organismus die M\u00f6glichkeit geboten, seinen eigenen K\u00f6rperbestand in seiner Zusammensetzung konstant zu erhalten. Er kann aus den ihm gebotenen Spaltprodukten, ganz gleichg\u00fcltig, welcher Herkunft sie sein m\u00f6gen, stets dieselben Gewebsbestaodteile aufbauen. Es gilt dies in ganz besonderem Ma\u00dfe f\u00fcr das Eiwei\u00df, wie der eine von uns bereits fr\u00fcher aus-\nf\u00fchrlich betont hat.l) Die verschiedenartigsten Proteine, stammen sie aus der Tier- oder Pflanzenwelt, zerfallen schlie\u00dflich im\nDarmkanal in die einfachsten Bausteine, in Aminos\u00e4uren und\nzum Teil auch in kompliziertere, offenbar polypeptidartige Bestandteile. H\u00f6chst wahrscheinlich vollzieht sich bereits in der Darmwand die Synthese zu k\u00f6rpereigenem Eiwei\u00df, d. h. in erster Linie zu den Serumeiwei\u00dfk\u00f6rpern.*] Die K\u00f6rperzellen werden\nV\u00bb Emil Abderhalden, Die Bedeutung der Verdauung der Eiwei\u00df-kbrper f\u00fcr deren Assimilation. Zentralblatt f. Stoffwechsel- u. Verdauungs-krankheiten, Jg. V, Nr. *_H, S. \u00ab17. 1901.\n) Emil Abderhalden und F ranz Samuely, Beitrag zur Fragt' nach der Assimilation des Nahrungseiwei\u00df im tierischen Organismus. Diese Zeitschrift. Bd. XEVi. S. 193, 1905.","page":452},{"file":"p0453.txt","language":"de","ocr_de":"Der Ab- und Aufbau der Nurleins\u00e4uren im tierischen Organismus. 453\ndurch diese Einrichtung im weitesten Ma\u00dfe von der Art der Nahrungsstoffe und ihrer Zusammensetzung unabh\u00e4ngig. Es wird ihnen stets eine einheitliche Nahrung durch das Blut zugef\u00fchrt. Die Verdauung und die Funktionen des Darmes erhalten durch diese Anschauungen eine ganz besondere Bedeutung. Wir wissen, da\u00df auch das Pflanzenreservekohlehydrat, die St\u00e4rke, ehe es in Glykogen \u00fcbergehen kann, in Trauhonzuckermolek\u00fcle \u00fcbergehen mu\u00df. Ferner ist es h\u00f6chst wahrscheinlich, da\u00df auch Lecithin und Fett in ihre Bausteine zerfallen, ehe sie assimiliert werden.\nEine Ausnahmestellung nimmt nun scheinbar die Nudein-siiure ein. Wir wissen, da\u00df die Nucleoproteide bereits im Magen in den einen Eiwei\u00dfkomponenten und in Nuclein zerfallen, und es ist sehr wahrscheinlich, da\u00df der Eiwei\u00dfpaarling des letzteren gleichfalls unter der Einwirkung der proteolytischen Fermente des Darmkanals in seine Bausteine aufgel\u00f6st wird. F\u00fcr die Nucleins\u00e4ure dagegen ist ein derartiges Verhalten bis jetzt nicht bekannt. A priori sollte man erwarten, da\u00df auch sie, ehe sie dem h\u00f6rperbestande einverleibt wird, in ihre Komponenten ; Purin-, Pyrimidin- und Kohlehydratkomplex' zerf\u00e4llt. Bis jetzt ist jedoch ein einwandfreier Beweis, da\u00df Pepsinsalzs\u00e4ure oder Trypsin einen derartigen Abbau bewirken, nicht erbracht. Wir d\u00fcrfen auch nicht erwarten, da\u00df die spezifischen proteolytischen Fermente imstande sind, das Nucleins\u00e4uremolek\u00fcl anzugreifen; dagegen ist es wohl m\u00f6glich, da\u00df im Magen- oder Darm- oder Pankreassaft ein auf dieses eingestelltes Ferment vorhanden ist.\nNun hat in neuester Zeit Sachs1) in Verfolgung fr\u00fcherer Versuche von Araki2) und Nakayama3 * 5\u00bb nachgewiesen, da\u00df die Pankreasdr\u00fcse ein Ferment besitzt, eine Nuclease, die Nucleins\u00e4ure zu spalten vermag. Sie ist als ein intracellul\u00e4res torment aufzufassen und spielt offenbar im intracellul\u00e4ren Stoff-\nl\u00bb Fritz .Sachs, \u00dcber die Nuclease, Diese Zeitschrift. Bd XLVI\n337, 1905.\n*) 1. Araki, 1 her enzymatische Zersetzung der Nucleins\u00e4ure\nDiese Zeitschrift, Bd. XXXVIII, S. 81, 1903.\n5\u00bb M. Nakayama, IJber das Erepsin. Diese Zeitschrift, Bd XU S 348, 1904.","page":453},{"file":"p0454.txt","language":"de","ocr_de":"454\nEmil Abderhalden und Alfred Schittenhelm,\nWechsel eine Rolle, was daraus hervorgeht, da\u00df es sich auch in anderen Organen findet, wie Kalbsthymus, Hundepankreas und Kalbsniere. Dasselbe d\u00fcrfte wohl als identisch aufgefa\u00dft werden mit den von dem einen von uns schon fr\u00fcher in Milz. Leber und anderen Organen des Rindes aufgefundenen, a-thymo-nucleinsaures Natrium und die Nucleoproteide des eigenen Organes spaltenden Fermente. *) Sachs zeigte nun weiter, da\u00df die Nuclease des Pankreasextraktes gegen Trypsin sehr empfindlich ist, und vermutet daher, da\u00df sie im Pankreassekrete nicht nachzuweisen w\u00e4re.\nFs w\u00e4re nun trotzdem denkbar, da\u00df das in inaktiver Form sezernierte Sekret der Pankreasdr\u00fcse ein derartiges Ferment enthalten w\u00fcrde. W ir lie\u00dfen daher einesteils inaktiven Pankreassaft vom Hunde und andernteils durch Zugabe von Enterokinase aktivierten Saft auf thymonucleinsaures Natrium einwirken und beobachteten, da\u00df sehr bald in beiden F\u00e4llen eine Verfl\u00fcssigung des nucleinsauren Natriums eintrat. Wir vermochten jedoch in keinem Falle freie Purinbasen nachzuweisen. Mit diesem Prozesse geht unzweifelhaft eine Ver\u00e4nderung der Nucleins\u00e4ure einher, denn das zur\u00fcckgewonnene Produkt hatte ein ganz anderes Aussehen als das Ausgangsmaterial und auch andere Eigenschaften. Es war weniger volumin\u00f6s, l\u00f6ste sich auffallend rasch\nin Wasser, besser und schneller als a-thymonucleinsaures Natrium und gelatinisierte nicht.\nAnders verh\u00e4lt sich die Sache bei der Einwirkung von Hundemagensaft auf a-thymonucleinsaures Natrium. Es trat zwai in einem Versuche auch eine leichte Verfl\u00fcssigung ein; das a-thymonucleinsaure Natrium konnte jedoch nach Schlu\u00df der Versuche nahezu quantitativ in offenbar unver\u00e4ndertem, normal gclatinisierende.nl Zustande wiedergewonnen werden. Es hatte also offenbar keine umfangreichere Einwirkung des Magensaftes auf die Thymonucleins\u00e4ure stattgefunden.\nDer Schlu\u00df, da\u00df das a-thymonucleinsaure Natrium durch\n*) ^ 1 frott Schittenhelm, \u00dcber die Harns\u00e4urebildung in Gewehs-ausz\u00fcgen, Diese Zeitschrift, Bd. XL1I, S. 251, 1904; \u00dcber die Harns\u00e4iire-bildung und die llarns\u00e4urezersetzung in den Ausz\u00fcgen der Rinderorgan.-. Diese Zeitschrift, Bd. XLV, S. 121, 1905.","page":454},{"file":"p0455.txt","language":"de","ocr_de":"Der Ab- und Aufbau der Nucleins\u00e4uren im tierischen Organismus. 456\ndas Sekret der Pankreasdr\u00fcse des Hundes eine Ver\u00e4nderung erf\u00e4hrt, obwohl als deren Ausdruck nicht eine Abspaltung von Purinbasen nachzuweisen ist, erfuhr seine Best\u00e4tigung durch Versuche, die wir unter Anwendung der Dialyse ansteilten. Zun\u00e4chst zeigte sich, da\u00df in einer L\u00f6sung von ct-thymonuclein-saurem Natrium so gut wie keine dialysable .Substanzen vorhanden sind. Anders verh\u00e4lt sich die Sache, sobald der Dialyseversuch mit der Einwirkung von Pankreassaft vergesellschaftet wurde. Es zeigte sich, da\u00df nach 4 Tagen etwa der vierte Teil der angewandten Substanz ins Dialysat \u00fcbergegangen war. Es war also ohne Zweifel eine Ver\u00e4nderung vor sich gegangen. Welcher Art dieselbe ist, ob es sich dabei um einen Proze\u00df handelt, wie bei der Umwandlung von Eiwei\u00df in Albumosen und Peptone, oder aber um eine Spaltung der Nucleins\u00e4ure etwa in einen purinbasenhaltigen und purinbasenfreien Teil, k\u00f6nnen wir bis jetzt noch nicht entscheiden. Wir werden aber unsere Versuche fortsetzen.\nGanz verschieden von der Wirkung der Verdauungss\u00e4fte ist diejenige der Extrakte des Pankreas und des Darmes. Wir verwandten zu deren Herstellung Organe des Rindes. . Es zeigte sich, da\u00df bei ihrer Einwirkung auf u-thymonueleinsaures Natrium rasch Verfl\u00fcssigung und Abspaltung freier Purinbasen auftritt. hs besteht also ein prinzipieller Unterschied zwischen der Arbeit der Verdauungss\u00e4fte und derjenigen der intracellul\u00e4ren Fermente. Die v\u00f6llige Aufspaltung der Nucleins\u00e4ure geschieht demnach erst jenseits der Darmwand. Wenn wir in Analogie mit der Transformation von Nahrungseiwei\u00df in K\u00f6rpereiwei\u00df annehmen, da\u00df auch die Nucleins\u00e4uren der Nahrung, bevor sie als Bausteine unserer Gewebe dienen, abgebaut und von neuem aufgebaut werden, so w\u00fcrde sich zwischen den Proteinen und Nucleins\u00e4uren nur insofern ein Unterschied ergeben, als letztere im Darme offenbar nur einer leichten Aufspaltung unterliegen, und erst in der Darm wand selbst in ihre Bausteine zerfallen. Die Verlegung der Umwandlung der k\u00f6rperfremden Nucleins\u00e4uren in k\u00f6rpereigene in die Darmwand erscheint uns deshalb zweckm\u00e4\u00dfig, weil speziell im Darmkanal abgespaltene Purinbasen ihrer .Schwerl\u00f6slichkeit wegen der Resorption entgehen k\u00f6nnten.\nUoppe-Seyler'8 Zcitsrhrift f. physiol. Chemie. XLVII.\tHO","page":455},{"file":"p0456.txt","language":"de","ocr_de":"4\u00d46\nEmil Abderhalden und Alfred Schittenhelm,\nIm folgenden bringen wir eine kurze Darstellung unserer Hauptversuche:\nWir bemerken sofort, da\u00df wir den Nachweis der freien Purinbasen in jedem einzelnen Versuche durch Teilung desselben in zwei Portionen auf zweierlei Weise versuchten. Aus der einen Portion f\u00e4llten wir die \u00fcbrig gebliebene Nucleins\u00e4ure mit Alkohol unter Zugabe von Natriumacetat, aus der andern als Kupiersalz durch Zugabe von gel\u00f6stem Kupforsull\u00e4t: der Nachweis der Purinbasen geschah dann in der ersten Portion nach W egdamplen des Alkohols mittels ammoniakalischer Silberl\u00f6sung und Kupfersulfat-Bisullit, in der zweiten nur nach der Kupfer-sulfat-Bisuliitmetlmde. Hei den Kntruktversuchen nahmen wir zun\u00e4chst eine Eiwei\u00dff\u00e4llung durch vorsichtiges Erw\u00e4rmen mit Essigs\u00e4ure oder durch Ausf\u00fcllung mit Alkohol in der K\u00e4lte vor.\nVersuch I. 10 g a-thymonucleinsaures Natrium in 250 ccm Wasser gel\u00f6st -f 10 ccm Pawlow'schem Hundemagensalt Toluol. Oie L\u00f6sung, welche von dickfl\u00fcssiger Konsistenz ist und gleichm\u00e4\u00dfig getr\u00fcbt erscheint, bleibt 19 Tage im Brutschrank. Sie wird dabei etwas d\u00fcnnfl\u00fcssiger, ohne die Karbe zu wechseln oder sonst irgendwelche Ver\u00e4nderungen zu zeigen Das wiedergewonnene Produkt (8,5 g) zeigt die Eigenschaften des u-lhymonueleinsaurcn Natriums und gelatinisiert prompt. Ereie Purinhasen sind nicht nachzuweisen.\nVersuch II. 10 g a-thymonucleinsaures Natrium in 250 ccm Wasser gel\u00f6st + 5 ccm inaktiven Pawlow scben Pankreas-saftes -f Toluol verbleiben ebenfalls 19 Tage im Brutschrank. Dabei wird die L\u00f6sung vollkommen d\u00fcnnfl\u00fcssig und kl\u00e4rt sich unter Abscheidung einiger kleiner Klocken g\u00e4nzlich. Reaktion am Schlosse sauer. Nach Abscheidung der Nucleins\u00e4ure lassen sich keine freien Purinbasen nachweisen. Die wiedergewonnene Nucleins\u00e4ure ist sehr leicht wasserl\u00f6slich und gelatinisiert nicht.\nVersuch III. 10 g a-thymonucleinsaures Natrium in 250ccm Wasser gel\u00f6st + 5 ccm aktiviertem Pawlow'schem Pankreassekret -f Toluol verbleiben wiederum 19 Tage im Brutschrank. Dabei wird die L\u00f6sung g\u00e4nzlich d\u00fcnnfl\u00fcssig und kl\u00e4rt sich vollkommen unter Abscheidung einiger Klocken. Die Reaktion ist am Schl\u00fcsse des Versuchs sauer. Freie Purinbasen lassen sich","page":456},{"file":"p0457.txt","language":"de","ocr_de":"Der Ab* und Aufbau der Nucleins\u00e4uren im tierischen Organismus. 457\nnicht nachweisen. Die wiedergewonnene Nucleins\u00e4ure gelatiniert nicht und ist sehr leicht wasserl\u00f6slich.\nVersuch IV. 5 g a-thymonucleinsaures Natrium in 12.7 ccm Wasser gel\u00f6st + 100 ccm eines w\u00e4sserigen Extraktes von Rinderpankreas (2 Teile Pankreas, 1 Teil Wasser) + Toluol. Nach 3 t\u00e4gigem Stehen im Brutschrank lassen sich nach den verschiedensten Methoden stets reichlich freie Purinbasen nacli-weisen. Eine kleine Extraprobe (5\u00ab/\u201eige L\u00f6sung von a-thyrno-nucleinsaurem Natrium) wird \u00fcber Nacht verfl\u00fcssigt.\nVersuch V. 5 g a-thymonucleinsaures Natrium in 125 ccm \\\\ asser gel\u00f6st -f-100 ccm eines w\u00e4sserigen Extraktes von Rinderdarm (2 Teile Darm, 1 Teil Wasser) -f Toluol. Genau derselbe Erfolg wie in Versuch IV. Auch dit\u00bb Extraprobe wird \u00fcber Nacht verfl\u00fcssigt.\nVersuch VI. 4 g a-thymonucleinsaures Natrium in 100 ccm \\\\ asset gelost drei Tage im Brutraum der Dialyse ausgesetzt. Danach wird das Dialvsat eingedampft; erhalten 0,05 g R\u00fcckstand. Das im Dialysenschlauch Zur\u00fcckgebliebene betr\u00e4gt eingedampft als Trockenr\u00fcckstand 3,7 g.\nVersuch VII. 4 g a-thymonucleinsaures Natrium in 100 ccm Wasser gel\u00f6st + 5 ccm Pankreassaft -f Toluol zun\u00e4chst zwei Tage im Brutraum, dann ebenda drei Tage der Dialyse ausgesetzt. Das eingedampfte Dialvsat hinterl\u00e4\u00dft 0,9 g Trockenr\u00fcckstand, das im Dialysenschlauch zur\u00fcckgebliebene 2,0 g.\nDie scheinbaren Substanzverluste im Versuch VI und VII sind auf den verschiedenen Wassergehalt von Ausgangssubstanz und Trockenr\u00fcckstand zur\u00fcckzuf\u00fchren.","page":457}],"identifier":"lit18327","issued":"1906","language":"de","pages":"452-457","startpages":"452","title":"Der Ab- und Aufbau der Nucleins\u00e4uren im tierischen Organismus","type":"Journal Article","volume":"47"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:05:06.099812+00:00"}