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{"created":"2022-01-31T16:06:31.011967+00:00","id":"lit18350","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Sadikoff, W. S.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 48: 130-139","fulltext":[{"file":"p0130.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen Ober tierische Leimstoffe.\nV.\tMitteilung.\nt\nDas Verfahren zur Darstellung der Leimstoffe.\nVon\nW.\tS. Sadikoff.\n(Aus dem physiologischen Laboratorium der Universit\u00e4t in St. Petersburg. 1904.) (Der Redaktion zugegangen am 29. April 190fi.)\nDie Leimstoffe werden durch die hydrolytische Umwandlung des leimgebenden Stoffes, des Kollagens, erhalten. Das Kollagen ist sehr verbreitet im tierischen Organismus, es bildet eine St\u00fctze f\u00fcr alle Gewebe, aber besonders reichlich ist es in St\u00fctzgeweben selbst, wie Knochen, Bindegewebe, Knorpel, Sehnen und Haut, enthalten. \u00dcber seine physikalischen und chemischen Eigenschaften ist nur weniges bekannt. Es ist nicht einmal festgestellt, ob mehrere Kollagene existieren, oder ob die s\u00e4mtlichen Kollagene in verschiedenen Geweben einheitlicher Natur sind; dieser Umstand ist durch die chemische Passivit\u00e4t und Unl\u00f6slichkeit des Kollagens bedingt. Wenn man aber das Aussehen und die mehr oder weniger leichte Umwandlungsf\u00e4higkeit in Glutin in Betracht zieht, so ist die Existenz von verschiedenen Typen des Kollagens oder sozusagen verschiedenen Graden der Kondensation desselben sehr plausibel. Man k\u00f6nnte vielleicht unterscheiden :\nI. Das hyaline Kollagen der Knochen und Knorpel \u2014 eine durchscheinende, elastische, wie geschmolzene Masse, welche keine Koh\u00e4sion und keine Plastizit\u00e4t besitzt. Was die Gluti-nierungsgeschwindigkeit betrifft, so sind Knochenkollagen und Knorpelkollagen auch in ihrem Verhalten verschieden: das erste n\u00e4mlich leistet dem hydrolytischen Einflu\u00df des Wassers einen weit gr\u00f6\u00dferen Widerstand.","page":130},{"file":"p0131.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber tierische Lernstoffe. V.\t131\nII. Das faserige Kollagen der Sehnen and Haut \u2014 eine wei\u00dfe, undurchsichtige, plastische (besonders nach der Vorbehandlung mit Alkalien) Masse mit sehr gro\u00dfer Koh\u00e4sion ;Q sie besitzt einen sehr gro\u00dfen Widerstand dem kochenden Wasser gegen\u00fcber.\nDas Fischkollagen geh\u00f6rt mehr zum hyalinen Typus und ist durch seine sehr leichte Glutinierbarkeit ausgezeichnet (schon bei 40\u00b0). Solche leimgebenden Stoffe, die schon bei der Wasserbadw\u00e4rme sich in Glutin zu verwandeln verm\u00f6gen, besitzen den geringsten Grad der Kondensation und werden am besten zum Unterschiede von echten, schwer glutinierbaren Kollagenen als Glutogene bezeichnet.\nWird das Kollagen in trockenem Zustande der Hitzewirkung (130\u00b0) l\u00e4ngere Zeit ausgesetzt, so verliert es die F\u00e4higkeit der Glutinbildung ; nach dem Zerkochen, welches nur sehr schwer vor sich geht, gibt es keine Gallerte mehr und verliert sogar sein Klebeverm\u00f6gen, was wohl durch die Umsetzung bedingt ist, oder besser durch die Zerst\u00f6rung \u00abdes leimgebenden Komplexes\u00bb in dem Molek\u00fcl.\nDas Kollagen, besonders das faserige, quillt stark in verd\u00fcnnter S\u00e4urel\u00f6sung und schrumpft wieder in st\u00e4rkerer zusammen. Dieselbe Quellung rufen die schwachen Alkalil\u00f6sungen hervor. \u00c4tzalkalien (KHO, NaHO) zersetzen das Kollagen schon bei 4\u20145\u00b0/oiger Konzentration in der K\u00e4lte unter Entwickelung von Ammoniak. Leitet man in stark gequollenes alkalisches Kollagen C02 oder S02, so schrumpft es zu einem geringen Volumen zusammen. Kohlens\u00e4uren Alkalien (Na2C03, NaHCOs) gegen\u00fcber ist das Kollagen sehr widerstandsf\u00e4hig : 10\u00b0/oige L\u00f6sungen bei 40\u00b0 rufen keine Zersetzung, sogar keine Quellung desselben hervor. Nach der Alkalibehandlung wird das faserige Kollagen plastisch, das hyaline bleibt physikalisch unver\u00e4ndert.\nl) Behandelt man die fein zerhackten Sehnen z. B. mit schwacher Alkalil\u00f6sung, w\u00e4scht mit kaltem Wasser und schl\u00e4gt mit einem Glasstabe unter Wirbelbewegungen die Masse, welche in einer gro\u00dfen Menge Wasser verteilt ist, so kann man sie fast g\u00e4nzlich in einem St\u00fcck um den Glasstab zusammenwinden (\u00e4hnlich wie es mit dem Fibrin der Fall ist).","page":131},{"file":"p0132.txt","language":"de","ocr_de":"132\nW. S. Sadikoff,\nErw\u00e4rmen in schwach alkalischen oder sauren L\u00f6sungen zerst\u00f6rt den leimgebenden Komplex der Kollagene vollst\u00e4ndig.\nKonzentrierten Salzl\u00f6sungen gegen\u00fcber verh\u00e4lt sich das Kollagen auch bei 40\u00b0 indifferent, nur einige rufen geringe Quellung hervor. Von Pepsin wird das Kollagen angegriffen und verwandelt sich in Gelatose. Was das Trypsin anbetrifft, so zeigt es den Kollagenen verschiedenen Ursprungs gegen\u00fcber verschiedenes Verhalten.1)\nDie leimgebende Substanz im Organismus ist von verschiedenartigen Stoffen innig durchdrungen, wie z. B. von Mineralsalzen, Fett, Eiwei\u00dfk\u00f6rpern, Mucinen usw. Darum mu\u00df jedes Verfahren der Darstellung von Glutin in zwei Teile zerfallen: 1. Reinigung des Kollagens von Beimengungen und 2. Verwandlung des gereinigten Kollagens in Glutin. Die Reinigung kann allerdings auch nach der Glutinierung erfolgen. Die wesentlichsten Beimengungen sind Fett und Mineralsalze.\nDie Fettextraktion geschieht entweder durch die Behandlung von grob zerkleinerten trockenen Knochen, mit Benzin, \u00c4ther, Schwefelkohlenstoff, Tetrachlorkohlenstoff usw., oder das Fett wird mit Alkali verseift. Das vom Fett befreite Material wird, falls es viel Mineralsalze enth\u00e4lt (Knochen), mit Hilfe von S\u00e4uren \u00abdemineralisiert\u00bb, dabei k\u00f6nnen Salzs\u00e4ure, auch schweflige2) oder Phosphors\u00e4ure,3) und andere angewandt werden. Nach der Demineralisation wird das Kollagen durch Waschen mit kaltem Wasser von Salzen und S\u00e4ure befreit und die neutral reagierende leimgebende Masse der Einwirkung von kochendem Wasser ausgesetzt, um das Glutin zu erhalten. Zwecks Beschleunigung des Glutinierungsprozesses hat man die Druckhitze benutzt, um aber m\u00f6glichst die Zersetzung des Leimes einzuschr\u00e4nken, Kessel besonderer Konstruktion und Zentrifugen eing^f\u00fchrt.4) Zur Beschleunigung der Glutinierung wurden mannigfaltige Mittel vorgeschlagen ; einerseits verschiedene verd\u00fcnnte\n') Ewald und K\u00fchne, Z. f. Biologie, Bd. XXVI.\na) Engl. Patent Nr. i8042, 1902, H. Hilbert; D. R. P. 22i, 144398, 1903, R. Arens; D. R. P. 22i, 79156, 1895, M. Schroeder.\n3) Engl. Patent Nr. 9611, 1900, Th. Lomas.\n*) D. R. P. 22i, 145621, 1903, W. Cormack und J. Lowson.","page":132},{"file":"p0133.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber tierische Leimstoffe. V.\n133\noder auch starke S\u00e4uren,1) besonders schweflige S\u00e4ure, eventuell Sulfite und Minerals\u00e4uren,2) anderseits das Erw\u00e4rmen unter Druck in Gegenwart von Alkalien (konz. NH3).3)\nDas Fett kann auch gleichzeitig mit der Glutinierung, oder gleichzeitig mit der Demineralisation4) der leimgebenden Substanzen gewonnen werden.\nBei allen angef\u00fchrten Verfahren geht die Umwandlung des Kollagens entweder nur ziemlich langsam vor sich, oder sie erfordert die Zuhilfenahme von Druck, S\u00e4uren und Alkalien. Wenn schon beim einfachen Kochen mit Wasser in neutraler L\u00f6sung das eben entstandene Glutin einer weiteren Ver\u00e4nderung, einer Verseifung5) unterliegt \u2014 und das geschieht viel fr\u00fcher, als die gesamte Kollagenmasse glutiniert wird \u2014, so nimmt dieser Verseifungsproze\u00df bei Gegenwart von S\u00e4uren und Alkalien, m\u00f6gen sie auch nur sehr schwach sein, einen weitgehenden Umfang an. Das auf solche Weise erhaltene Produkt ist zum gr\u00f6\u00dften Teil ver\u00e4ndert, es b\u00fc\u00dft seine normalen Eigenschaften ein, welche sich im Verhalten dem kalten Wasser gegen\u00fcber, in der Kondensationsf\u00e4higkeit, im Verhalten gegen Salzl\u00f6sungen und S\u00e4ure, in F\u00e4llbarkeit aus saurer alkoholischer L\u00f6sung bei der Neutralisation und endlich in der Gelatinierungsund Klebef\u00e4higkeit \u00e4u\u00dfern.\nBei anhaltender Vorbehandlung des Rohmaterials mit S\u00e4uren zwecks Demineralisation geht das vollst\u00e4ndige Entfernen der S\u00e4ure nur so schwierig vor sich, da\u00df auch nach sorgf\u00e4ltigem Auswaschen noch die geringen S\u00e4urereste in der kolloidalen Substanz bleiben, welche gen\u00fcgen, um die Verseifungsgeschwindigkeit des Glutins mit Wasser zu erh\u00f6hen. Die Neutralisation der S\u00e4ure mit Alkalien ist nicht zu empfehlen wegen der kolloidalen Natur der leimgebenden Stoffe, und ferner aus dem Grunde, weil die Alkalireste noch schwieriger zu beseitigen sind und sch\u00e4dlichere Wirkungen bei der Glutinierung aus\u00fcben. Wollte\n\u2019) Borgmann, Die Rotlederfabrikation, Bd. I, S. 41.\n2)\tFranz. Patent, 1965.\n3)\tD. R. P. 22i, 100065, 1898, R. Niethak und A. Wiegand.\n4)\tSchlegel, Die Leimfabrikation, S. 114.\n6) Diese Zeitschrift, Bd. XLVI, S. 387, 1905.\nHoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie. XLVIII.\n10","page":133},{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"134\nW. S. Sadikoff,\nman aber \u00fcberhaupt ohne S\u00e4ure Vorgehen und nicht demine-ralisierte Knochen in Leim verwandeln (nach d\u2019Are et), so braucht man dazu so lange Zeit und so anhaltende Einwirkung des Dampfes, da\u00df das Glutin auch einer weitgehenden Verseifung unterliegt. Au\u00dferdem erfordert eine vollst\u00e4ndige Extraktion der Salze und Fette, eine Reinigung des leimgebenden Materials, eine hartn\u00e4ckige und dauernde Behandlung; dabei wird aber der gr\u00f6\u00dfte Teil verschiedener anderer Beimengungen, wie Eiwei\u00dfk\u00f6rper, Mucine, Nucleoproteide, reduzierende Substanzen usw., nicht entfernt und geht zusammen mit dem Glutin in L\u00f6sung bei der Glutinierung des Kollagens. Das beste Verfahren, um auch diese Beimengungen zu beseitigen, besteht in der Behandlung des Kollagens mit \u00c4tzalkalien, 1\u20142\u00b0/o NaHO oder KHO1) (nicht aber mit Ca(OH)3 oder Soda, welche keine vollst\u00e4ndige Extraktion bewirken), oder auch in der tryptischen Verdauung.2) Aber diesem Verfahren steht das \u00e4u\u00dferst schwierige Auswaschen der Alkali un\u00fcberwindlich im Wege.\nZur Reinigung des Glutins von verschiedenen Beimengungen, welche bei der Glutinierung in die L\u00f6sung \u00fcbergegangen sind, ist eine Reihe von Verfahren vorhanden. Faust3) bewirkte die Reinigung der Gelatine mit Hilfe von schwach mit Essigs\u00e4ure anges\u00e4uertem Wasser, mit Kochsalzl\u00f6sung und schwachem Ammoniak. M\u00f6rner4) wandte schwache \u00c4tzalkalil\u00f6sungen (0,1\u20140,5\u00b0/o) an und stellte die Tatsache fest, da\u00df dabei alle eiwei\u00dfartigen Beimengungen entfernt wurden. Aber eine \u00e4u\u00dferst starke Quellung, die Verseifbarkeit des Glutins mit Alkali und schlie\u00dflich die Schwierigkeit des Auswaschens machen das Verfahren wenig geeignet. Ebensowenig f\u00fchren auch andere Verfahren der Reinigung des Glutins, wie Dialyse in s\u00e4urehaltigem Wasser, fraktionierte F\u00e4llung mit Salzen (Pick), mehrfaches Ausfallen mit Alkohol (Hoffmeister), Koagulation der Beimengungen (gel\u00f6sten und suspendierten) mit Alaun oder\n*) M\u00f6rner, Skand. Arch. f. Physiologie, Bd. I, S. 232, 1889.\nW. S. Sadikoff, Diese Zeitschrift, Bd. XXXIX, S. 398, 1903.\n\u2019) van Name, Joum. of exper. Medic., Bd. II, Nr. 1.\n8) Inaugural-Diss., \u00dcber das Glutolin . . ., 1893.\n4) Diese Zeitschrift, Bd. XXVIII, S. 472, 1899.","page":134},{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber tierische Leimstoffe. V.\n135\nEiwei\u00df,x) zum Ziele. Alle angef\u00fchrten Methoden haben den Nachteil, da\u00df sie nur einen Teil der mannigfaltigen Beimengungen des Glutins beseitigen, nehmen aber viel Zeit in Anspruch, sind umst\u00e4ndlich oder rufen selbst den sch\u00e4dlichen Einflu\u00df auf den Leimstoff hervor, indem Verluste und neue Verunreinigungen entstehen. Am zweckm\u00e4\u00dfigsten w\u00e4re darum die Reinigung vor Glutinierung des Kollagens, das hei\u00dft die Reinigung des Kolla-gens selbst, da dasselbe weit widerstandsf\u00e4higer als der Leimstoff ist und energischer behandelt werden kann. Sollte es aber n\u00f6tig sein, das Glutin als solches zu reinigen, so kann man daf\u00fcr das Verhalten Salzl\u00f6sungen undS\u00e4ure gegen\u00fcber benutzen.* *)\nDie Untersuchung der \u00fcblichen Verfahren zur Darstellung von Glutin hatte ihre Unzuverl\u00e4ssigkeit in bezug auf die Schnelligkeit und Bequemlichkeit der Ausf\u00fchrung und haupts\u00e4chlich in bezug auf die Reinheit und Einheitlichkeit des Endproduktes gezeigt. Es hat sich herausgestellt, da\u00df der Schwerpunkt in dem Vorg\u00e4nge der Glutinierung liegt. Es war notwendig, ein Verfahren zu finden, welches eine schnelle Umwandlung des Kollagens gestattet und gleichzeitig auch die M\u00f6glichkeit der Zersetzung, sogar einer teilweisen Zersetzung durch Verseifung ausschlie\u00dft. Ein derartiges Verfahren sollte auch die Entfernung des zur Vorbehandlung notwendigen Alkali gestatten. Dieses vielseitige Problem wurde in folgender Weise gel\u00f6st.\nDa schon sehr geringe Mengen von S\u00e4ure eine gewaltige Beschleunigung der Glutinierung hervorrufen und demnach die S\u00e4ure als ein Katalysator betrachtet werden kann, da ferner die S\u00e4ure dabei auch als ein Neutralisationsmittel fungiert und au\u00dferdem eine Verbindung mit dem Glutin eingeht, habe ich die Glutinierungsversuche mit minimalen S\u00e4uremengen angestellt, so da\u00df jeder S\u00e4ure\u00fcberschu\u00df sofort mit dem Glutin gebunden werden sollte. Aber auch bei diesen geringen (0,1 bis 0,05\u00b0/o) Konzentrationen riefen Minerals\u00e4uren tiefere Zersetzungen hervor, organische S\u00e4uren (wie z. B. Essigs\u00e4ure) wirkten nur\n\u2018) Schlegel, Die Leimfabrikation 1879.\nDawidowsky, Die Leim- und Gelatine-Fabrikation, 1893.\n*) Diese Zeitschrift, Bd. XLVI, S. 393.\n10*","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"136\nW. S. Sadikoff,\nwenig beschleunigend auf die Glutinbildung. Durch die Kombination von beiden Momenten und durch die Anwendung von Monochloressigs\u00e4ure ist es gelungen, die Schwierigkeit zu \u00fcberwinden. Monochloressigs\u00e4ure bewirkt an und f\u00fcr sich auch bei Wasserbadtemperatur und 10\u00b0/oiger Konzentration keine Zersetzung des Glutins. Eine besondere Wirkung der Monochloressigs\u00e4ure, welche als ein spezifisches Reagens f\u00fcr die Glutinierung des Kollagens in saurer L\u00f6sung betrachtet werden kann, besteht darin, da\u00df diese S\u00e4ure bekanntlich unter dem Einflu\u00df des Wassers, besonders in der W\u00e4rme, und der Gegenwart von Alkali sich sehr langsam in Salzs\u00e4ure und Oxyessigs\u00e4ure (Glykols\u00e4ure) nach folgender Gleichung zersetzt:\nCHg \u2022 CI \u2022 COOH + H20 = HCl + CH.2(OH) \u2022 COOH.\nSalzs\u00e4ure, welche in spurenhaften Mengen entsteht, ruft in statu nascendi die Umwandlung der leimgebenden Substanz hervor, wirkt also wie ein Katalysator gewaltig beschleunigend auf den sonst tr\u00e4gen Verlauf der Glutinierung durch Wasser. Gleichzeitig verbindet sich sofort nach dem Entstehen jede Spur Salzs\u00e4ure mit dem im \u00dcbersch\u00fcsse vorhandenen Glutin, wird von ihm sozusagen absorbiert, indem sie in die Verbindung [Leimstoff -f- HCl] \u00fcbergeht, welche in 70\u201480\u00b0/oigem Alkohol l\u00f6slich ist und bei der Neutralisation herausf\u00e4llt. Der Vorgang einer \u00e4u\u00dferst langsamen Abspaltung von Salzs\u00e4ure, ihre katalysierende Beeinflussung des Kollagens und die Absorption der sozusagen abgestumpften S\u00e4ure durch den \u00fcbersch\u00fcssigen entstandenen Leimstoff, ferner eine gr\u00f6\u00dfere Widerstandsf\u00e4higkeit der Verbindung [Leimstoff -f- HCl] gegen\u00fcber den verseifenden Einfl\u00fcssen, als das Glutin selbst sie besitzt \u2014 das sind die Bedingungen, welche die M\u00f6glichkeit einer Verseifung, eventuell Zersetzung des Glutins w\u00e4hrend der Glutinierung in saurer L\u00f6sung vollst\u00e4ndig aussehlie\u00dfen.\nDer auf solche Weise erhaltene Leimstoff zeigt alle normalen Eigenschaften und nur ein \u00fcbertrieben langes Erhitzen des Glutins mit Monochloressigs\u00e4ure ruft Verseifung hervor. Die Glutinierung des faserigen Kollagens (Achillessehne) mit Wasser erfordert mehrere Stunden (6\u20148); im Laufe der ersten Stunden des Kochens ist das Kollagen nicht einmal stark ge-","page":136},{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber tierische Leimstoffe. V.\t137\nquollen. Bei der Anwendung von 0,5\u00b0/oiger Monochloressigs\u00e4ure erfolgt die vollst\u00e4ndige Glutinierung des Kollagens in 10\u201415 Minuten.\nDas allgemeine Verfahren der Darstellung von Leimstoffen aus den leimgebenden Substanzen, z. B. Knochen, gestaltet sich folgenderma\u00dfen :\nNicht entfettete Knochen werden zerkleinert, eventuell in eine breiartige Masse zerquetscht ; sie werden mit Salzs\u00e4ure (1 : 3) so lange behandelt, als noch Salze extrahiert werden k\u00f6nnen ; dazu ist es n\u00f6tig, die S\u00e4ure mehrmals t\u00e4glich (zwei- bis dreimal) zu wechseln und von Zeit zu Zeit umzur\u00fchren. Die auf der Oberfl\u00e4che sich abscheidende Fettschicht wird abgehoben. Die hyaline Masse, welche von den meisten Salzen und Fetten befreit ist (was durch 7\u20148 t\u00e4giges Behandeln erreicht wird), wird einige Male mit kaltem Wasser nachgewaschen und in eine 1\u20143\u00b0/oige L\u00f6sung von \u00c4tznatron* 2) \u00fcbergef\u00fchrt. Hierbei l\u00f6sen sich alle Albuminstoffe, Mucin, Nucleo-proteide usw., und es fallen die \u00dcberreste des phosphorsauren Calciums als eine feine Suspension aus; au\u00dferdem geht eine Verseifung der geringen noch anhaftenden Fettreste vor sich. Nach dreimaligem Wechsel der alkalischen L\u00f6sung und kurzem Nachwaschen mit kaltem Wasser werden alle gel\u00f6sten Eiwei\u00dfstoffe und Seifen 3) beseitigt. Die alkalisch reagierende hyaline\n*) Man kann auch schweflige S\u00e4ure bei den Arbeitsbedingungen, wie sie M. Schroeder angibt, anwenden. Feuchte Knochen werden in den geschlossenen Apparaten unter Druck mit gasf\u00f6rmiger schwefliger S\u00e4ure oder mit dem entsprechenden S\u00e4uregasgemisch behandelt, um die Umwandlung von dreibasischem Calciumphosphat in das Gemenge von zweibasischem in Citronens\u00e4ure l\u00f6slichen und Calciumsulfit durchzuf\u00fchren. Der Vorteil besteht darin, da\u00df die S\u00e4ure wiedergewonnen werden kann. D. R. P. 22 i, 79156, 1895.\n2)\tAndere Alkalien, wie Ca(OH)2, Na2COs, NaHCOs, NH, d\u00fcrfen auch in gr\u00f6\u00dferen Konzentrationen nicht als Ersatz f\u00fcr KOH und NaHO benutzt werden, da in diesem Falle keine vollst\u00e4ndige Extraktion von Beimengungen erreicht wird. Wenn man z. B. Sehnen wochenlang mit 10\u00b0/oiger Na2C03 bei 40\u00b0 bis zum v\u00f6lligen Ersch\u00f6pfen behandelt, so k\u00f6nnen doch bei nachtr\u00e4glicher Einwirkung von 0,1 \u00b0/o KHO noch Eiwei\u00dfstoffe extrahiert werden.\n3)\tAus dieser alkalischen L\u00f6sung kann man Eiwei\u00dfstoffe und Seifen durch Ans\u00e4uren niederschlagen.","page":137},{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138\nW. S. Sadikoff\nMasse wird in eine siedende 1 \u00b0/oige L\u00f6sung von Monochloressigs\u00e4ure gebracht; es findet eine schnelle Umwandlung der leimgebenden Substanz in den Leimstoff statt. Die hei\u00dfe konzentrierte L\u00f6sung wird durchgeschlagen, eventuell filtriert, mit Magnesiums\u00fclfat aus saurer L\u00f6sung ausgesalzen und mit kaltem Wasser und Alkohol von S\u00e4ure und Salzen befreit.\nEine weitere Reinigung des Glutins ist kapm n\u00f6tig, wenn eine Alkalivorbehandlung vorgenommen ist. Zur Reinigung der Leimstoffe, welche nach den \u00fcblichen Verfahren gewonnen wurden und gr\u00f6\u00dfere Beimengungen von Verseifungs- und Zer-setzungsprod\u00fckten des Glutins, Verunreinigungen durch Eiwei\u00df und andere K\u00f6rper enthalten, k\u00f6nnen neue Eigenschaften und Reaktionen der Leimstoffe benutzt werden, welche gestatten, die Leimstoffe unter eigenartigen Bedingungen abzuscheiden. Die Reagenzien, welche als F\u00e4llungsmittel der Eiwei\u00dfk\u00f6rper bezw. der Leimk\u00f6rper betrachtet wurden, hatten sich bei entsprechenden Bedingungen als L\u00f6sungsmittel der Leimk\u00f6rper herausgestellt ; aus diesen L\u00f6sungsmitteln k\u00f6nnen die Leimk\u00f6rper wieder niedergeschlagen werden, und zwar unter solchen Umst\u00e4nden, wie es andere Proteinstoffe usw. nicht tun.\nZur Darstellung des reinen normalen Glutins verf\u00e4hrt man in folgender Weise : Glutin wird mit kaltem Wasser, darauf mit kalter 20\u00b0/\u00abiger L\u00f6sung von MgSO^) gewaschen, wodurch es teilweise von wasserl\u00f6slichen Salzen, Verseifungs- und Zersetzungsprodukten, sowie allen Beimengungen, welche in Salzl\u00f6sung l\u00f6slich sind, befreit wird. Man l\u00f6st dann das Glutin in 20\u00b0/oiger Magnesiumsulfatl\u00f6sung unter Erw\u00e4rmen auf dem Wasserbade und filtriert die hei\u00dfe L\u00f6sung unter Anwendung eines Hei\u00dfwassertrichters. Nach dem Erkalten wird das Filtrat tr\u00fcbe und scheidet einen flockigen Niederschlag aus. Man gibt jetzt, ohne vorher zu filtrieren, zu der abgek\u00fchlten L\u00f6sung 0,50/oige S\u00e4ure (HCl oder H2S04), welche in 20\u00b0/oiger MgS04-L\u00f6sung bereitet ist, zu; es entsteht eine volumin\u00f6se F\u00e4llung, welche sich gut absetzt, gut abfiltrieren und nachwaschen l\u00e4\u00dft.8)\n\u2018) Wasserfrei berechnet.\n*) Die mit S\u00e4ure nicht gef\u00e4llten geringen Glutinreste k\u00f6nnen durch weiteren Zusatz von MgS04 ausgesalzen werden.","page":138},{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber tierische Leimstoffe. V.\t139\nDie mit kaltem Wasser gewaschene schleimige Masse wird in hei\u00dfem Wasser gel\u00f6st, abgek\u00fchlt und mit schwacher Salzs\u00e4ure versetzt, jedoch in der Weise, da\u00df die Konzentration der Salzs\u00e4ure in der gesamten L\u00f6sung nicht l\u00b0/o \u00fcbersteigt; man gibt dann 3\u20144 Volumen starken Alkohols hinzu, so da\u00df der Leimstoff in 70\u201480\u00b0/oigem sauren Alkohol gel\u00f6st wird. Um die Konzentration des Glutins zu erh\u00f6hen und dabei nicht zu viel HCl einzuf\u00fchren, kann man bis zu einigen Prozenten Essigs\u00e4ure hinzuf\u00fcgen. Sollte die saure alkoholische Leimstoffl\u00f6sung tr\u00fcbe sein, so filtriert man die L\u00f6sung durch Tierkohle. Man schl\u00e4gt das gesamte Glutin dann durch Neutralisation mit Ammoniak nieder, l\u00e4\u00dft einige Zeit stehen, gie\u00dft den Alkohol ab und w\u00e4scht mit Wasser oder mit Alkohol nach.1)\nDie chemischen Vorg\u00e4nge, welche bei diesem Reinigungsverfahren stattfinden, k\u00f6nnen auf die Weise erkl\u00e4rt werden, da\u00df man Verbindungen zwischen Leimstoff (L) und Salz \u2014 (L -j- MgSOJ \u2014 und zwischen Leimstoff und S\u00e4ure \u2014 (L -f- HCl) \u2014 annimmt. Erstere \u2014 (L -f- MgSOJ \u2014 ist in neutraler Salzl\u00f6sung in der W\u00e4rme l\u00f6slich und f\u00e4llt teilweise beim Abk\u00fchlen aus ; sie wird durch S\u00e4ure in eine in saurer Salzl\u00f6sung unl\u00f6sliche (L~f-HG1)-Verbindung verwandelt;2) diese letztere ist in 70\u201480\u00b0/oigem Alkohol l\u00f6slich und zersetzt sich bei der Neutralisation, wobei der im neutralen 70\u201480\u00b0/oigen Alkohol unl\u00f6sliche Leimstoff niedergeschlagen wird.\ni) Dieses Verfahren ist bei einigen Kautelen auch quantitativ zur Wertbestimmung der Leimstoffe anwendbar,\n!) Ein S\u00e4ure\u00fcberschu\u00df, die Natur der Salzl\u00f6sung und die Verseifungserscheinungen \u00fcben einen betr\u00e4chtlichen Einflu\u00df auf die Unl\u00f6slichkeit dieser <L -f- HCl)-Verbindung in der betreffenden sauren Salzl\u00f6sung aus. Diese Zeitschrift, Bd. XLVI, S. 388, 1905.","page":139}],"identifier":"lit18350","issued":"1906","language":"de","pages":"130-139","startpages":"130","title":"Untersuchungen \u00fcber tierische Leimstoffe. V. Mitteilung: Das Verfahren zur Darstellung der Leimstoffe","type":"Journal Article","volume":"48"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:06:31.011972+00:00"}