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{"created":"2022-01-31T13:32:24.154326+00:00","id":"lit18373","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Schulze, E.","role":"author"},{"name":"N. Castoro","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 48: 387-395","fulltext":[{"file":"p0387.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Tyrosingehalt der Keimpflanzen von Lupinus albus.\nVon\nE. Schulze und N. Castoro.\n(Aus dem agrikultur-chemischen Laboratorium des Polytechnikums in Z\u00fcrich.) (Der Redaktion zugegangen am 29. Juni 1906.)\n\u00dcber den Tyrosingehalt 2t\u00e4giger Keimpflanzen von Lupinus albus hat R. Bertel1) Angaben gemacht, die mit unseren Beobachtungen nicht \u00fcbereinstimmen. Dies ist schon in einer fr\u00fcher von uns publizierten Abhandlung2) erw\u00e4hnt worden; wir haben uns aber nicht mit den damals ausgef\u00fchrten Versuchen begn\u00fcgt, sondern sp\u00e4ter noch einige andere Keimpflanzenkulturen untersucht. Ehe wir die dabei erhaltenen Resultate mitteilen, m\u00fcssen wir Bertels Angaben reproduzieren. Bertel fand bei der mikroskopischen Untersuchung 2 t\u00e4giger Keimpflanzen der genannten Lupinus-Art in den Wurzeln Sph\u00e4rite, die er nach ihrem Aussehen und Verhalten f\u00fcr Tyrosin erkl\u00e4rte; diese Sph\u00e4rite vermehrten sich, wenn die Pflanzen mit Hilfe von Chloroform narkotisiert wurden. Bertel suchte nun die in dieser Form auftretende Substanz aus den Pfl\u00e4nzchen zur Abscheidung zu bringen. Dies gelang unter Anwendung eines einfachen Verfahrens; die von den Pfl\u00e4nzchen abgetrennten Wurzeln wurden zerrieben und mit Wasser gekocht,3) der vom Ungel\u00f6sten durch Filtration getrennte Auszug sodann bis auf 1U seines Volumens eingeengt. Beim Erkalten schied sich ein aus Sph\u00e4riten bestehender wei\u00dfer Niederschlag aus, der von Bertel f\u00fcr identisch mit der bei der mikroskopischen Unter-\n') Ber. d. Deutsch. Botanischen Gesellschaft, 1902, Bd. XX, S. 454.\ns) Diese Zeitschrift, Bd. XXXVIII, S. 226\u2014227.\ns) Auf ca. 30 g frische Wurzeln wurden 200 ccm Wasser angewendet.","page":387},{"file":"p0388.txt","language":"de","ocr_de":"388\nE. Schulze und N. Castoro,\nsuchung der W\u00fcrzelchen beobachteten Substanz und f\u00fcr Tyrosin erkl\u00e4rt wird. Dieses Produkt war stickstoffhaltig und gab mit Millonschem Reagens eine rote L\u00f6sung; es war l\u00f6slich in kochendem Wasser und in Alkalien, l\u00f6ste sich aber nur schwierig in S\u00e4uren. Bertel bestimmte die Ausbeute an diesem Produkt, indem er ein abgewogenes Quantum der Wurzeln (ca. 30 g) in der beschriebenen Weise behandelte, den im Extrakt entstandenen Niederschlag sodann auf einem Asbestfilter sammelte und nach dem Trocknen wog. Er erhielt dabei folgende, auf das Frischgewicht der Wurzeln sich beziehende Zahlen:\nUnchloroformierte Wurzeln lieferten 0,108 \u00b0/o\nChloroformierte\t\u00bb\t\u00bb\t0,132 \u00b0/o\nChloroformierter Wurzelbrei lieferte 0,176 \u00b0/o\n\u00dcber den Trockensubstanzgehalt der von ihm untersuchten Wurzeln macht Bertel keine Angabe. Nach einer von uns ausgef\u00fchrten Bestimmung enthalten die Wurzeln 2t\u00e4giger Keimpflanzen von Lupinus albus nur 6,5 \u00b0/o Trockensubstanz. Nehmen wir an, da\u00df die von Bertel untersuchten Wurzeln den gleichen Trockensubstanzgehalt besa\u00dfen, so berechnet sich die von ihm erhaltene Ausbeute an dem beschriebenen Produkt f\u00fcr die un-chloroformierten Wurzeln auf 1,67 \u00b0/o der Trockensubstanz, f\u00fcr das chloroformierte Material auf 2,0\u20142,7 \u00b0/o.\nWir haben unter Befolgung der von Bertel gegebenen Vorschrift zun\u00e4chst mit den Wurzeln unchloroformierter 2t\u00e4giger Keimpflanzen Versuche angestellt. Die Ergebnisse der beiden ersten Versuche sind in der oben zitierten Abhandlung von uns schon mitgeteilt worden. Aus den nach Bertels Vorschrift hergestellten und bis auf 1U des Volumens eingeengten Extrakten schied sich beim Erkalten eine wei\u00dfe Substanz aus, deren Quantit\u00e4t und deren Verhalten den von Bertel gemachten Angaben im wesentlichen entsprachen. Diese Substanz bestand aber in der Hauptsache nicht aus Tyrosin. Sie lieferte zwar beim Erhitzen mit Millonschem Reagens eine rote L\u00f6sung, aber sie gab weder die Piriasche noch die M\u00f6rnersche Tyrosinreaktion; auch verhielt sie sich beim Erhitzen mit Kupferhydroxyd ganz anders wie Tyrosin. M\u00f6glich ist, da\u00df sie eine \u00e4u\u00dferst geringe Tyrosinmenge eingeschlossen hat, worauf","page":388},{"file":"p0389.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Tyrosingehalt der Keimpflanzen von Lupinus albus. 389\nwir in unserer Abhandlung in der zweiten Anmerkung auf S. 227 schon hingewiesen haben. *)\nWir haben sp\u00e4ter in der gleichen Weise noch mehrere Versuche angestellt; f\u00fcr dieselben dienten Keimpflanzen, die unter Verwendung anderer Samenmuster von Lupinus albus (aus einem anderen Jahrgange) gewonnen waren. Das Resultat war das gleiche; aus den in der beschriebenen Weise hergestellten Extrakten schied sich eine Substanz aus, welche vielleicht eine \u00e4u\u00dferst geringe Tyrosinmenge einschlo\u00df, aber doch in der Hauptsache nicht aus Tyrosin bestand. Das in diesen sp\u00e4teren Versuchen erhaltene Produkt gab sogar beim Erw\u00e4rmen mit Millonschem Reagens nur eine schwach rotgef\u00e4rbte L\u00f6sung; die von diesem Produkt abfiltrierte Fl\u00fcssigkeit f\u00e4rbte sich mit dem genannten Reagens gar nicht. Die Quantit\u00e4t, in der wir dieses Produkt erhielten, war eine wechselnde; sie war in einigen F\u00e4llen gr\u00f6\u00dfer, in anderen F\u00e4llen kleiner als die in den beiden ersten Versuchen erhaltene Substanzmenge.\nDa\u00df zweit\u00e4gige Keimpflanzen von Lupinus albus, in denen erst ein kleiner Teil der Reserveproteinstoffe gespalten ist, nur sehr wenig Tyrosin enthalten, geht schon aus den fr\u00fcher von uns gemachten Beobachtungen hervor;8) wir haben aber die bez\u00fcglichen Versuche sp\u00e4ter noch wiederholt und erg\u00e4nzt. Ehe\n\u2018) Es kommt zuweilen vor, da\u00df eine schwerl\u00f6sliche Substanz, die aus einer Fl\u00fcssigkeit sich ausscheidet, ein wenig Tyrosin mit niederrei\u00dft, falls letzteres sich, wenn auch nur in geringer Menge, in dieser Fl\u00fcssigkeit vorfindet. So geht z. B. Tyrosin in die in einer solchen Fl\u00fcssigkeit durch Mercurinitrat erzeugten Niederschl\u00e4ge partiell ein, obgleich es in reiner L\u00f6sung durch dieses Reagens nicht gef\u00e4llt wird. Noch ein anderes Beispiel k\u00f6nnen wir hier anf\u00fchren: Das von E. Schulze und J. Barbi\u00e9ri aus jungen Pfl\u00e4nzchen von Lupinus luteus dargestellte Glukosid, welches zuerst Lupinin, sp\u00e4ter Lupinid genannt worden ist, gab vor dem Umkrystallisieren beim Erhitzen mit Millonschem Reagens eine schwach rot .gef\u00e4rbte Fl\u00fcssigkeit, als ob es ein wenig Tyrosin enthielte (bei dem durch Umkrystallisieren gereinigten Glukosid trat dies nicht mehr ein). Es ist hier aber noch darauf aufmerksam zu machen, da\u00df das Eintreten der Reaktion mit Millonschem Reagens f\u00fcr sich allein keinen sicheren Beweis f\u00fcr das Vorhandensein von Tyrosin liefert ; denn bekanntlich geben auch noch andere hydroxylierte Benzolderivate die gleiche Reaktion.\n*) Diese Zeitschrift, Bd. XXXVIII, S. 225\u2014226.","page":389},{"file":"p0390.txt","language":"de","ocr_de":"390\nE. Schulze und N. Castoro,\nwir die dabei erhaltenen Resultate mitteilen, wollen wir einige Angaben \u00fcber den Weg machen, den man zur Abscheidung von Tyrosin aus den Keimpflanzen einschlagen kann. Man kann in zweierlei Weise verfahren. Wenn man die getrockneten, fein zerriebenen Keimpflanzen mit kochendem 90\u201492\u00b0/oigem Weingeist behandelt,*) so geht neben vielen anderen Bestandteilen der Pfl\u00e4nzchen auch das Tyrosin, vielleicht aber nicht vollst\u00e4ndig, in L\u00f6sung. Bei Verarbeitung d\u00e9s weingeistigen Extrakts in der fr\u00fcher wiederholt beschriebenen Weise erh\u00e4lt man eine Fl\u00fcssigkeit, aus welcher nach gen\u00fcgendem Einengen neben anderen Aminos\u00e4uren (Leucin, Phenylalanin etc.) das Tyrosin sich ausscheidet. Da letzteres bekanntlich in kaltem Wasser sehr schwer l\u00f6slich ist und sich auch in einem hei\u00dfen Gemisch von absolutem Alkohol mit etwas Ammoniakfl\u00fcssigkeit nur schwierig aufl\u00f6st, so l\u00e4\u00dft es sich von den anderen Aminos\u00e4uren ziemlich leicht, wenn auch nicht ohne Verlust trennen. Man kann aber auch behufs Abscheidung des Tyrosins ein mit hei\u00dfem Wasser dargestelltes Extrakt aus frischen oder aus getrockneten Keimpflanzen mit Mercurinitrat versetzen, nachdem zuvor die durch Bleiessig f\u00e4llbaren Stoffe entfernt sind; zerlegt man den mit Wasser gut ausgewaschenen Mercurinitratnieder-schlag durch Schwefelwasserstoff, neutralisiert die vom Schwefelquecksilber abfiltrierte Fl\u00fcssigkeit mit Ammoniak und dunstet sie sodann im Wasserbade bis auf ein geringes Volumen ein, so krystallisiert beim Erkalten Tyrosin aus. Zu bemerken ist, da\u00df man bei Anwendung dieser, in unserem Laboratorium sehr h\u00e4ufig benutzten Methode nur einen Teil des im Untersuchungsobjekt enthaltenen Tyrosins gewinnt, da eine vollst\u00e4ndige Ausf\u00e4llung des Tyrosins durch das Mercurinitrat nicht stattfmdet; zweckm\u00e4\u00dfig ist es, nach dem Zusatz des Mercurinitrats die\n*) Obwohl reines Tyrosin in Alkohol sehr wenig l\u00f6slich ist, so kann man diese Aminos\u00e4ure doch durch Kochen mit 90\u201492\u00b0/oigem Weingeist aus den fein zerriebenen Keimpflanzen ausziehen, wenn auch wohl nicht vollst\u00e4ndig. Das gleiche gilt f\u00fcr Leucin und \u00e4hnliche Aminos\u00e4uren, die in reinem Zustande ebenfalls in Weingeist sehr schwer l\u00f6slich sind. Auf die Leichtl\u00f6slichkeit von unreinem Leucin in hei\u00dfem Weingeist hat Hoppe-Seyler schon vor langer Zeit in seinem Handbuch der physiologisch- und pathologisch-chemischen Analyse aufmerksam gemacht.","page":390},{"file":"p0391.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Tyrosingehalt der Keimpflanzen von Lupinus albus. 391\nAcidit\u00e4t der Fl\u00fcssigkeit durch Natronlauge oder Natriumcarbonat abzustumpfen und den Niederschlag erst nach mehrt\u00e4gigem Stehen abzufiltrieren. Ob die bei Zerlegung dieses Niederschlags resultierende L\u00f6sung tyrosinhaltig ist oder nicht, l\u00e4\u00dft sich leicht feststellen, indem man eine Probe derselben mit Millonschem Reagens erhitzt. Zu beachten ist dabei, da\u00df diese L\u00f6sung wegen ihres Asparagingehalts mit dem genannten Reagens einen Niederschlag gibt; dies hindert jedoch den Nachweis des Tyrosins nicht. Man kann jenen Niederschlag abfiltrieren und sodann das Filtrat erhitzen ; letzteres f\u00e4rbt sich rot, falls Tyrosin vorhanden ist. Man kann aber auch die unfiltrierte Fl\u00fcssigkeit erhitzen und sodann den Niederschlag sich absetzen lassen; die \u00fcber dem Niederschlage stehende Fl\u00fcssigkeit l\u00e4\u00dft dann an ihrer F\u00e4rbung erkennen, ob Tyrosin vorhanden ist oder nicht.\nAus 2 t\u00e4gigen Keimpflanzen von Lupinus albus vermochten wir weder nach dem ersten noch nach dem zweiten Verfahren Tyrosin zu isolieren. Dieses Ergebnis entspricht der Tatsache, da\u00df in solchen Keimpflanzen erst ein sehr kleiner Teil der Reserveproteinstoffe zerfallen ist;1) es kann sich also in denselben erst eine sehr geringe Tyrosinmenge aus Proteinstoffen gebildet haben.2) Aus 4t\u00e4gigen Keimpflanzen der gleichen Lupinusart konnten wir dagegen unter Anwendung des zuerst beschriebenen Verfahrens, ein wenig Tyrosin isolieren. Noch leichter gelang dies bei 6\u20147t\u00e4gigen Pfl\u00e4nzchen.3) Das Tyrosin fand sich in den Kotyledonen solcher Pfl\u00e4nzchen vor; aus dem hypokotylen Glied und aus den Wurzeln haben wir diese Aminos\u00e4ure niemals darstellen k\u00f6nnen. Dieser Refund entspricht der Annahme, da\u00df das Tyrosin, w\u00e4hrend es den im Wachstum begriffenen Pflanzenteilen zustr\u00f6mt, dem Abbau unterliegt.\nDa\u00df die Wurzeln 2 t\u00e4giger Keimpflanzen von Lupinus albus sehr arm an Tyrosin sind, l\u00e4\u00dft sich in sehr einfacherWeise zeigen. Wenn man die frischen Wurzeln zerreibt, den Brei unter Zusatz von etwas Wasser und einiger Tropfen Essigs\u00e4ure bis fast zum\n*) Diese Zeitschrift, Bd. XXXVIII, S. 226.\n2) Diese Schlu\u00dffolgerung l\u00e4\u00dft sich ziehen, obwohl aus Eiwei\u00dfstoffen das Tyrosin durch Enzyme zuweilen fr\u00fcher abgespalten wird, als andere Komplexe.\ns) Wie fr\u00fcher von uns nachgewiesen.","page":391},{"file":"p0392.txt","language":"de","ocr_de":"392\nE. Schulze und N. Castoro,\nKochen erhitzt, die Masse sodann aufs Filter bringt und eine Probe des Filtrats mit Millonschem Reagens erhitzt, so sieht man, da\u00df diese Fl\u00fcssigkeit sich nur ganz schwach gelblich f\u00e4rbt;1) die Tyrosinreaktion tritt also nicht ein. Da\u00df man aber auf diesem Wege etwa vorhandenes Tyrosin erkennen kann, l\u00e4\u00dft sich leicht nachweisen, indem man dem Wurzelbrei eine kleine Quantit\u00e4t von Tyrosin zusetzt. Als wir dem Wurzelbrei die H\u00e4lfte der Tyrosinmenge zusetzten, die nach Bertels Angaben in den Wurzeln solcher Keimpflanzen enthalten sein soll und denselben sodann in der angegebenen Weise behandelten, erhielten wir eine stark rot gef\u00e4rbte Fl\u00fcssigkeit.\nUnsere Versuchsergebnisse stehen also im Widerspruch mit den Angaben, die von Bertel \u00fcber den Tyrosingehalt der Wurzeln zweit\u00e4giger Keimpflanzen von Lupinus albus gemacht worden sind. Wenn man nicht annehmen will, da\u00df die von Bertel untersuchten Pfl\u00e4nzchen eine andere chemische Zusammensetzung gehabt haben als die unsrigen \u2014 eine Annahme, die doch von vornherein f\u00fcr unwahrscheinlich erkl\u00e4rt werden mu\u00df \u2014, so m\u00fcssen wir zu der Schlu\u00dffolgerung kommen, da\u00df Bertel eine Substanz, die nicht Tyrosin war, aber vielleicht eine \u00e4u\u00dferst geringe Quantit\u00e4t dieser Aminos\u00e4ure einschlo\u00df, f\u00fcr Tyrosin gehalten hat. F\u00fcr die Richtigkeit dieser Schlu\u00dffolgerung scheint auch die Angabe Bertels, da\u00df diese Substanz sich nur schwierig in S\u00e4uren l\u00f6ste, zu sprechen. Denn bekanntlich l\u00f6st sich Tyrosin sehr leicht in verd\u00fcnnten Minerals\u00e4uren (Salpeter-, Schwefel- oder Salzs\u00e4ure). Das von Bertel erhaltene Produkt, welches sich nur schwierig in S\u00e4uren l\u00f6ste, kann also nicht Tyrosin gewesen sein \u2014 es m\u00fc\u00dfte denn sein, da\u00df Bertel irgend welche schwache organische S\u00e4uren f\u00fcr die bez\u00fcglichen Versuche verwendet h\u00e4tte.\n*) Einen durch das Millonsche Reagens hervorgebrachten Niederschlag kann man durch Filtration entfernen, ehe man die Fl\u00fcssigkeit erhitzt; man kann aber auch die unfiltrierte Fl\u00fcssigkeit erhitzen und sodann den Niederschlag sich absetzen lassen ; dann l\u00e4\u00dft sich erkennen, ob die Fl\u00fcssigkeit sich gef\u00e4rbt hat. Wir haben bei Anstellung der Reaktion stets beide Verfahren nebeneinander angewendet. Ein geringer Eiwei\u00dfgehalt der Extrakte bringt beim Anstellen dieser Proben keine wesentliche St\u00f6rung hervor.","page":392},{"file":"p0393.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Tyrosingehalt der Keimpflanzen von Lupinus albus. 393\nNach Bertels Angabe tritt eine rasche Steigerung des Tyrosingehaltes der Keimpflanzen oder der von letzteren abgetrennten Wurzeln ein, wenn man dieselben mit Hilfe von Chloroform narkotisiert. Zu dieser Angabe ist zu bemerken, da\u00df in den chloroformierten Pfl\u00e4nzchen eine Zunahme der Tyrosinmenge zu erwarten ist, weil die Wirksamkeit des in ihnen sich vorfindenden proteolytischen Enzyms durch das Chloroformieren nicht gehemmt wird; doch kann diese Zunahme nur eine langsame sein. Wenn der Tyrosingehalt, wie Bertel es angibt, infolge des Chloroformierens eine rasche Steigerung erf\u00e4hrt, so mu\u00df dies wohl auf eine andere Ursache, als auf die Spaltung der Eiwei\u00dfstoffe durch ein proteolytisches Enzym, zur\u00fcckgef\u00fchrt werden.1)\nIn den von uns ausgef\u00fchrten Versuchen konnten wir aber von einer pl\u00f6tzlichen Steigerung der Tyrosinmenge in chloroformierten Pfl\u00e4nzchen nichts bemerken. Wir stellten zun\u00e4chst folgenden Versuch an: ein gr\u00f6\u00dferes Quantum 2\u20142M\u00bbt\u00e4giger Keimpflanzen von Lupinus albus wurde in Chloroformwasser eingetragen und 24 Stunden lang damit in Ber\u00fchrung gelassen. Dann nahmen wir die Pfl\u00e4nzchen heraus und schnitten von ihnen die Wurzeln ab, jedoch in solcher Weise, da\u00df mit jeder Wurzel noch ein kleiner Teil des hypokotylen Gliedes verbunden blieb. Die Kotyledonen wurden bei 75\u00b0 getrocknet und sodann sehr fein zerrieben. Wir extrahierten 187 g des lufttrocknen Pulvers mit kochendem 90\u00b0/oigem Weingeist; das Extrakt verarbeiteten wir in der fr\u00fcher oft schon beschriebenen Weise auf Aminos\u00e4uren. Wir erhielten von letzteren nur ein sehr kleines Quantum. Als dieses Produkt mit einem Gemisch von Alkohol und Ammoniakfl\u00fcssigkeit kurze Zeit im Wasserbade m\u00e4\u00dfig erw\u00e4rmt wurde, blieb ein Teil desselben ungel\u00f6st ; dieser Rest gab mit Millonschem Reagens Tyrosinreaktion. Er wurde zur Entfernung von noch beigemengtem Leucin mit kaltem Wasser behandelt. Dabei blieb ein R\u00fcckstand, der das Verhalten des Tyrosins zeigte; seine Quantit\u00e4t betrug nur 1,5 mg oder ungef\u00e4hr 0,001 \u00b0/o des lufttrocknen Ausgangsmaterials. Gesetzt auch, da\u00df die Abscheidung des Tyrosins mit betr\u00e4chtlichem Ver-\n9 Wie es auch Czapek (Ergebnisse der Physiologie, Bd. II, 1, S. 665) annimmt.","page":393},{"file":"p0394.txt","language":"de","ocr_de":"394\nE. Schulze und N. Castoro,\nlust verbunden war, so l\u00e4\u00dft sich doch aus dem Yersuchsergebnis schlie\u00dfen, da\u00df die chloroformierten Kotyledonen nur eine \u00e4u\u00dferst geringe Tyrosinmenge enthielten.\nDie unteren Teile der Pfl\u00e4nzchen (Wurzel und Teil des hypokotylen Gliedes) wurden zerrieben, der Brei unter Zusatz von dem gleichen Gewicht an Wasser bis auf ca. 90\u00b0 erhitzt. Die vom Ungel\u00f6sten abfiltrierte Fl\u00fcssigkeit zeigte nach dem Erhitzen mit Millonschem Reagens keine deutliche R\u00f6tung und konnte also nur eine minimale Quantit\u00e4t von Tyrosin einschlie\u00dfen. Sie wurde nach Entfernung der durch Bleiessig f\u00e4llbaren Substanzen mit Mercurinitrat versetzt; der dabei entstandene Niederschlag wurde abfiltriert, ausgewaschen und sodann mit Schwefelwasserstoff zersetzt. Die vom Schwefelquecksilber abfiltrierte Fl\u00fcssigkeit lieferte, als sie mit Ammoniak neutralisiert und sodann im Wasserbade stark eingeengt worden war, auch bei l\u00e4ngerem Stehen keine Ausscheidung von Tyrosin. Beim Erhitzen mit Millonschem Reagens f\u00e4rbte sich diese Fl\u00fcssigkeit rot, woraus man wohl schlie\u00dfen darf, da\u00df sie eine \u00e4u\u00dferst geringe Tyrosinmenge einschlo\u00df. Wir stellten ferner noch folgende Versuche an: a) 12 g Wurzeln von 2\u20142lh t\u00e4gigen Keimpflanzen wurden zerrieben, der Brei unter Zusatz von 10 ccm Wasser und etwas Chloroform in ein kleines Becherglas gebracht, letzteres mit einem Uhrglase bedeckt. Nach 24 Stunden erhitzten wir das Becherglas mit seinem Inhalte im Wasserbade auf 90\u2014950 unter Zusatz einiger Tropfen von Essigs\u00e4ure, trennten die Fl\u00fcssigkeit vom Ungel\u00f6sten und erhitzten eine Probe derselben mit Millonschem Reagens. Die Fl\u00fcssigkeit f\u00e4rbte sich dabei nur gelblich; eine auf das Vorhandensein von Tyrosin hindeulende Rotf\u00e4rbung derselben war nicht zu bemerken, b) In einem zweiten Versuche, f\u00fcr welchen ebenfalls 12 g Wurzeln verwendet wurden, verfuhren wir in der gleichen Weise, nur mit dem Unterschiede, da\u00df wir den mit Chloroform versetzten Wurzelbrei 48 Stunden lang stehen lie\u00dfen. Das Resultat war das gleiche wie im ersten Versuch, c) 12 g Wurzeln wurden un-zerrieben mit etwas Chloroform in ein kleines Becherglas gebracht. Nach 30 st\u00fcndigem Stehen wurden sie zerrieben ; der Brei wurde so behandelt, wie bei Versuch a) angegeben worden ist.","page":394},{"file":"p0395.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Tyrosingehalt der Keimpflanzen von Lupinus albus. 395\nAuch in diesem Falle gab die vom Ungel\u00f6sten getrennte Fl\u00fcssigkeit mit Millonschem Reagens keine deutliche Tyrosinreaktion. Dagegen trat diese Reaktion deutlich ein, wenn dem Wurzelbrei ein wenig Tyrosin zugesetzt wurde; schon ein Zusatz von 0,005 g Tyrosin zu 12 g Wurzeln gen\u00fcgte, um diesen Effekt hervorzubringen.\nWir vermochten also nicht nachzuweisen, da\u00df infolge des Chloroformierens der Tyrosingehalt der Wurzeln zunahm. In den chloroformierten Kotyledonen schien die Quantit\u00e4t des Tyrosins zwar gr\u00f6\u00dfer zu sein ; doch war, wie aus den von uns gemachten Angaben zu ersehen ist, nur eine \u00e4u\u00dferst geringe Steigerung des Tyrosingehaltes nachzuweisen. Zu dem gleichen Resultat f\u00fchrten auch folgende Versuche : Ein Quantum von 12 g Kotyledonen 2\u20142\u00dc2 t\u00e4giger Keimpflanzen wurde zerrieben, der Brei unter Zusatz von 10 ccm Wasser und etwas Chloroform in einem bedeckten Becherglase 30 Stunden lang stehen gelassen ; dann erhitzten wir den Brei im Wasserbade unter Zusatz einiger Tropfen Essigs\u00e4ure, trennten die Fl\u00fcssigkeit vom Ungel\u00f6sten und erhitzten eine Probe derselben mit Millonschem Reagens. Die Fl\u00fcssigkeit nahm nur eine sehr schwache r\u00f6tliche F\u00e4rbung an; letztere war kaum st\u00e4rker als diejenige, die wir bei gleicher Behandlung nicht chloroformierter Kotyledonen erhielten. In einem zweiten Versuche wurden nicht zerriebene Kotyledonen mit Chloroform in einem Bechergl\u00e4schen stehen gelassen; nach 30 Stunden wurden sie zerrieben und nun in der schon beschriebenen Weise behandelt. Das Resultat war das gleiche wie in dem ersten Versuche.\nEine rasche Steigerung des Tyrosingehaltes der Keimpflanzen infolge des Chloroformierens haben wir also nicht nachzuweisen vermocht. Unsere Beobachtungen geben keinerlei Anhaltspunkte f\u00fcr die Annahme, da\u00df das in den Keimpflanzen auftretende Tyrosin eine andere Quelle hat, als den Eiwei\u00dfabbau. Wir haben Tyrosin nur aus den Cotyledonen, niemals aber aus dem hypo-kotylen Glied und der Wurzel der Keimpflanzen isolieren k\u00f6nnen. Das Verfahren, dessen sich Bertel bediente, um den Tyrosingehalt der chloroformierten und nicht chloroformierten Wurzeln zu bestimmen, m\u00fcssen wir auf Grund der von uns gemachten Beobachtungen f\u00fcr v\u00f6llig unbrauchbar erkl\u00e4ren.","page":395}],"identifier":"lit18373","issued":"1906","language":"de","pages":"387-395","startpages":"387","title":"\u00dcber den Tyrosingehalt der Keimpflanzen von Lupinus albus","type":"Journal Article","volume":"48"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:32:24.154331+00:00"}