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{"created":"2022-01-31T15:17:02.581389+00:00","id":"lit18378","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Steudel, H.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 48: 425-429","fulltext":[{"file":"p0425.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Oxydation der Nucleins\u00e4ure.\nI. Mitteilung.\nVon\nH. Steudel.\n(Aus dem physiologischen Institut in Heidelberg.) (Der Redaktion zugegangen am 9. Juli 1906.)\nUm einen Einblick in den Aufbau der Nucleins\u00e4uren zu gewinnen, hat man sich bisher, wenn man von einem Versuche Kutschers1) absieht, ausschlie\u00dflich darauf beschr\u00e4nkt, die Einwirkung siedender Minerals\u00e4uren auf diese Substanzen n\u00e4her zu verfolgen. So fruchtbar nun aber auch diese Untersuchungsmethode gewesen ist, so hat sie uns doch immer nur ein einseitiges Bild von der Struktur der Nucleins\u00e4uren gegeben, das in vielen Beziehungen noch sehr der Erg\u00e4nzung bedarf. Man mu\u00dfte also danach streben, durch andere Abbaumethoden andere Spaltungsprodukte in die Hand zu bekommen, um so zu einer besseren Anschauung von der Atomgruppierung zu gelangen. Da mir nun bei meinen bisherigen2) vergleichenden Spaltungsversuchen ein eigent\u00fcmliches Verhalten des Kohlehydratkomplexes, der bei der Schwefels\u00e4urespaltung L\u00e4vulins\u00e4ure und Ameisens\u00e4ure liefert, aufgefallen war \u2014\u2022 man erh\u00e4lt z. B. keine Spur von L\u00e4vulins\u00e4ure bei Nucleasewirkung \u2014, so suchte ich zun\u00e4chst nach Methoden, die geeignet waren, mir andere Abbauprodukte des Kohlehydratkomplexes zu liefern, aus denen man R\u00fcckschl\u00fcsse auf seine besondere Konstitution machen konnte. Besonders erfolgversprechend erschien mir daf\u00fcr das Studium der Zersetzungsprodukte zu sein, die bei Salpeters\u00e4urewirkung entstehen. Der Verlauf der Oxydation der Kohlehydrate durch Salpeters\u00e4ure ist ja gen\u00fcgend bekannt und wenn der Proze\u00df\n*) Diese Zeitschrift, Bd. XLIV, S. 309.\n!) Diese Zeitschrift, Bd. XLII, S. 165; Bd. XLIII, S. 402; Bd. XLVI,\nS. 332.","page":425},{"file":"p0426.txt","language":"de","ocr_de":"426\nH. Steudel\nauch nicht immer leicht zu leiten ist, so sind doch die Oxydationsprodukte charakteristisch genug, da\u00df sie eine Klassifizierung der zugrunde liegenden Kohlehydratgruppe erlauben.\nDie Untersuchungen sind durchaus noch nicht abgeschlossen und haben speziell in bezug auf die Kohlehydratgruppe noch zu keinem positiven Ergebnis gef\u00fchrt, es haben sich aber dabei so eigenartige Resultate ergeben, da\u00df ihre Mitteilung vor dem endg\u00fcltigen Abschlu\u00df wohl gerechtfertigt erscheinen kann.\nZuerst wurde nat\u00fcrlich auf das Entstehen von Zucker s\u00e4ure und Schleims\u00e4ure gefahndet, aber oft wiederholte Versuche, jedesmal an 10 g freier Nucleins\u00e4ure1) ausgef\u00fchrt, sind bisher ohne Erfolg geblieben.\nAls dann die Untersuchungen in gr\u00f6\u00dferem Ma\u00dfstabe aufgenommen wurden, zeigte sich folgendes;\n\u00dcbergie\u00dft man lufttrockenes nucleinsaures Kupfer (100 g) mit Salpeters\u00e4ure vom spezifischen Gewicht 1,4 (100 ccm), ohne zu k\u00fchlen, so findet sehr bald eine starke Erw\u00e4rmung statt und unter st\u00fcrmischer Entwickelung braunroter D\u00e4mpfe und unter heftigem Sch\u00e4umen tritt Zersetzung ein. Man erh\u00e4lt, wie sich bei weiterer Untersuchung herausstellte, dieselben Resultate, nur verl\u00e4uft die Reaktion viel milder und langsamer, wenn man die Salpeters\u00e4ure vorher auf das doppelte Volumen verd\u00fcnnt; bringt man also 100 g nucleinsaures Kupfer mit 200 ccm einer Salpeters\u00e4ure vom spezifischen Gewichte 1,2 zusammen, so f\u00e4llt zun\u00e4chst die freie Nucleins\u00e4ure als z\u00e4he Masse zu Boden und es beginnt allm\u00e4hlich eine langsame und stetige Gasentwicklung der niederen Oxyde des Stickstoffs, wobei die Nucleins\u00e4ure nach und nach in L\u00f6sung geht. Nach 24 Stunden ist sie fast vollst\u00e4ndig verschwunden und an ihrer Stelle findet sich ein reichlicher kry-stallinischer Bodensatz, \u00fcber dem eine etwas viskose gr\u00fcnliche Fl\u00fcssigkeit steht. Trennt man nach einem weiteren Tage Stehens den Bodensatz von der Fl\u00fcssigkeit, so erh\u00e4lt man ein grauwei\u00dfes Krystallpulver, das mit verd\u00fcnnter Salpeters\u00e4ure gewaschen, mit Alkohol und \u00c4ther getrocknet werden kann. Es besteht fast ganz aus den Nitraten des Guanins und Adenins,\n*) Die Nucleins\u00e4ure f\u00fcr diese und die folgenden Versuche wurde von mir aus Heringsmilch dargestellt.","page":426},{"file":"p0427.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Oxydation der Nucleins\u00e4ure. I.\t427\ndie man also auf diese h\u00f6chst einfache Weise aus der Zersetzungsfl\u00fcssigkeit entfernen kann.\nL\u00f6st man die Krystalle vorsichtig in hei\u00dfem Wasser und \u00fcbers\u00e4ttigt mit Ammoniak, so erh\u00e4lt man einen dichten, wei\u00dfen, amorphen Niederschlag, der nach 12 st\u00e4ndigem Stehen abfiltriert, in Natronlauge gel\u00f6st und mit Essigs\u00e4ure gef\u00e4llt wurde.\n0,1018 g, bei 100\u00b0 getrocknet, s\u00e4ttigten, nach Kjeldahl verbrannt, 33,5 ccm n/i o-Oxals\u00e4ure = 46,20\u00b0/\u00bb N.\nBerechnet f\u00fcr Guanin: 46,45\u00b0/o N.\nDas Filtrat vom Guanin wurde zur Trockne verdampft, um das \u00fcbersch\u00fcssige Ammoniak zu vertreiben, dann mit Wasser aufgenommen und mit pikrinsaurem Natron gef\u00e4llt. Der Niederschlag zeigte sofort einen Schmelzpunkt von 280\u00b0, war also reines Adeninpikrat. Im Filtrat vom Adeninpikrat konnte mit ammoniakalischer Silberl\u00f6sung nur noch ein spurenhafter Niederschlag erhalten werden, so da\u00df also Hypoxanthin und Xanthin, die ja ebenfalls schwer l\u00f6sliche Nitrate bilden, sich in diesem ersten Niederschlage nicht befanden und wahrscheinlich auch in diesem ersten Stadium der Salpeters\u00e4urewirkung noch nicht entstanden waren.\nDie Krystallisation der Alloxurbasen gelingt au\u00dferordentlich leicht, selbst noch mit den kleinsten Spuren nucleinsaurer Salze, so da\u00df man sie wohl als charakteristische Reaktion gebrauchen k\u00f6nnte. L\u00e4\u00dft man z. B. unter dem Mikroskop einen Tropfen starker Salpeters\u00e4ure zu einem K\u00f6rnchen nucleinsauren Natrons oder zu freier Nucleins\u00e4ure auf dem Objekttr\u00e4ger flie\u00dfen, so beginnt nach wenigen Augenblicken eine reichliche Abscheidung von Krystallen, von deren Doppelbrechung man sich leicht im polarisierten Licht \u00fcberzeugen kann. Konzentrierte Salzs\u00e4ure wirkt in gleicher Weise.x)\nDie von den Nitraten der Alloxurbasen abgetrennte Fl\u00fcssigkeit l\u00e4\u00dft bei l\u00e4hgerer Digestion bei 45\u201450\u00b0 einen weiteren gr\u00fcnlich-wei\u00dfen Niederschlag fallen, der in Wasser fast unl\u00f6slich ist und nach seinem Kupfergehalt sich als oxalsaures Kupfer erweist.\n*) Diese Versuche \u00fcber die Wirkung der Salzs\u00e4ure werde ich weiter verfolgen, sobald es meine Zeit erlaubt.","page":427},{"file":"p0428.txt","language":"de","ocr_de":"428\nH. Steudel,\n0,1256 g liefern 0,0589 g CuO =? 37,47 \u00b0/o Cu.\nBerechnet f\u00fcr CuC,04 -f- Hs0 : 37,50 \u00b0/q Cu.\nBei der weiteren Verarbeitung der Reaktionsfl\u00fcssigkeit habe ich neben einer Krystallfraktion, die Xanthin und Hypoxanthin enthielt, eine solche erhalten, die aus einem Gemenge von Thymin und Uracil bestand. Die einmal aus Alkohol umkry-stallisierte Substanz gab folgenden Stickstoffwert:\n0,1470 g s\u00e4ttigten, nach Kjeldahl verbrannt, 24,2 ccm n/, \u201e-Oxals\u00e4ure\n= 23,11 \u00b0/o N.\nBerechnet f\u00fcr Thymin: 22,3Q/o; f\u00fcr Uracil: 25,0\u00b0/o N.\nUnter dem Mikroskop zeigten sich au\u00dfer den charakteristischen Thyminkrystallen mit einem Winkel von 60\u00b0l) deutlich die zu kreisrunden Scheiben konzentrisch zusammengesetzten Nadeln des Uracils.\nDie K\u00f6rper also, die sich bisher aus der Oxydationsfl\u00fcssigkeit haben abscheiden lassen, sind bis auf die wenig bedeutungsvolle Oxals\u00e4ure von der Hydrolyse her wohlbekannt, auffallend ist nur, da\u00df Thymin und Uracil w\u00e4hrend der Oxydation schon bei relativ niedrigen Temperaturen entstehen \u2014 die Reaktionsfl\u00fcssigkeilen wurden niemals bis zum Sieden erhitzt. Ein abschlie\u00dfendes Urteil \u00fcber den Verlauf der Reaktion wird sich aber erst abgeben lassen, wenn die Versuche weiter durchgearbeitet sein werden.\nZusatz: Gelegentlich einer anderen Untersuchung2) hatte ich nebenbei kurz mitgeteilt, da\u00df das Thymin mit Diazobenzol-sulfos\u00e4ure in natronalkalischer, nicht aber in sodaalkalischer L\u00f6sung eine rote Farbenreaktion gibt, da\u00df also die Schl\u00fcsse, die Burian aus dem Verhalten der Purinbasen gegen Diazo-benzolsulfos\u00e4ure \u00fcber die Bindung der Phosphors\u00e4ure im Molek\u00fcl der Nucleins\u00e4ure3) zieht, nicht zwingend seien. Burian hat darauf, anstatt meine Angaben nachzupr\u00fcfen, eine Reihe theoretischer Betrachtungen4) angestellt, um seine Hypothese zu retten. Diese Vermutungen zuwiderlegen, halte ich f\u00fcr fruchtlos, dagegen\n') Diese Zeitschrift, Bd, XXIX, S. 295.\n2)\tDiese Zeitschrift, Bd. XLII, S. 170.\n3)\tBer. d. Deutsch, chem. Ges., Bd. XXXVII, I., S. 708.\n4)\tDiese Zeitschrift, Bd. XLII, S. 297.","page":428},{"file":"p0429.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Oxydation der Nucleins\u00e4nre. I.\n429\nhabe ich jetzt das Verhalten der Purinbasen gegen Diazobenzol-sulfos\u00e4ure in sodaalkalischer L\u00f6sung \u2014 Natronlauge, die nicht ich, sondern Burian1) vorgeschrieben hat, ist, wie aus dem Verhalten des Thymins hervorgeht, nicht zu gebrauchen \u2014 n\u00e4her untersucht und ich kann best\u00e4tigen, da\u00df das Guanin sich noch in Spuren mit dem Reagens rot f\u00e4rbt. Nun hat aber Burian angegeben, da\u00df die gleiche F\u00e4rbung beim Adenin eintritt, und er hat sogar den bei der Einwirkung der Diazobenzolsulfos\u00e4ure auf Adenin gebildeten K\u00f6rper, das \u00ab6-Amino-7-Diazobenzolsulfo-s\u00e4urepurin\u00bb, als eine bei 180\u00b0 sich br\u00e4unende, bei 270\u00b0 noch nicht schmelzende Substanz dargestellt.2) Diese Angabe kann ich nicht f\u00fcr richtig halten. Zwar zeigen gew\u00f6hnliche Adenin-pr\u00e4parate manchmal positiven Ausfall der Reaktion, dann geben sie aber auch noch die Murexidprobe als Zeichen, da\u00df sie noch nicht ganz rein sind; hat man aber das Adenin z. B. durch wiederholte Krystallisation des Sulfates gereinigt, so verschwindet mit dem positiven Ausfall der Murexidprobe auch die Diazo-reaktion. Das Verhalten der Phosphors\u00e4ure in der Nuclein-s\u00e4ure macht eher den Eindruck einer gepaarten Phosphors\u00e4ure, die vielleicht analog der Glycerinphosphors\u00e4ure eine Kohlehydratphosphors\u00e4ure mit einer Kette von 6 anstatt 3 Kohlenstoffatomen ist.\n>) Ber. d. Deutsch, chem. Ges., Bd. XXXVII, I., S. 708.\nJ) Ber. d. Deutsch, chem. Ges., Bd. XXXVII, I., S. 706.","page":429}],"identifier":"lit18378","issued":"1906","language":"de","pages":"425-429","startpages":"425","title":"\u00dcber die Oxydation der Nucleins\u00e4ure. I. 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