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{"created":"2022-01-31T13:31:59.532082+00:00","id":"lit18429","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Schittenhelm, Alfred","role":"author"},{"name":"Julius Schmid","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 50: 30-35","fulltext":[{"file":"p0030.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Fermente des Nucleinstoffwechsels.\nVon\nAlfred Schittenhelm und Julius Schmid.\n(Aus der II. medizinischen Klinik der Charit\u00e9 und der inneren Abteilung des\nKrankenhauses Charlottenburg-Westenjl.)\n(Der Redaktion zugegangen am 27. Oktober 1906.)\nDer Nucleinstoffwechsel bildet im Lichte der vergleichenden physiologisch-chemischen Forschung interessante Verschiedenheiten. Es scheint so, als ob bei verschiedenen Tierarten der komplizierte Proze\u00df der Harns\u00e4urebildung nicht in denselben Organen und mit derselben Intensit\u00e4t vor sich geht. \u00dcber die Harns\u00e4urezerst\u00f6rung sind die Untersuchungen noch nicht weit genug gef\u00fchrt, um ein Urteil zu erlauben. Es steht zun\u00e4chst nur so viel fest, da\u00df in einem Organ, z. B. der Rindermilz, unter gewissen Versuchsbedingungen eine reichliche Bildung von Harns\u00e4ure erreicht werden kann, w\u00e4hrend davon in demselben Organ einer anderen Tierart, z. B. dem Schwein, nicht die Rede ist.1) Jones2) hat nun zum Teil in Gemeinschaft mit Austrian eine \u00e4hnliche Beobachtung bei der Umwandlung der Aminopurine in Oxypurine gemacht. Er hat z. B. gefunden, da\u00df zwar, wie schon feststand, in der Rinderleber Guanin und Adenin in die entsprechenden Oxypurine gleichm\u00e4\u00dfig umgewandelt werden, da\u00df aber in der Schweineleber nur Adenin in Hypoxanthin umgewandelt wird, nicht aber Guanin in Xanthin, und in der Kaninchenleber umgekehrt nur Guanin in Xanthin, nicht aber Adenin in Hypoxanthin. Mit anderen Worten w\u00e4re\n!) Schittenhelm, Der Nucleinstoffwechsel und seine Fermente bei Mensch und Tier, Diese Zeitschrift, 1905, Bd. XLYI, S. 351.\n2) Jones, \u00dcber das Vorkommen der Guanase in der Rindermilz und ihr Fehlen in der Milz des Schweines, Diese Zeitschrift, 1905, Bd. XLV, S. 84; Jones und Austrian, \u00dcber die Verteilung der Fermente des Nucleinstoffwechsels, Diese Zeitschrift, 1906, Bd. XLVIII, S. 110.","page":30},{"file":"p0031.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Fermente des Nucleinstoffwechsels.\n31\nsonach in der Rinderleber eine \u00abGuanase\u00bb und \u00abAdenase\u00bb, in der Kaninchenleber nur eine \u00abGuanase\u00bb vorhanden.\nHydrolysieren wir die ganzen Organe und bestimmen die Art ihrer Purink\u00f6rper, so hat sich, soweit derartige Untersuchungen bis jetzt vorliegen, stets gefunden, da\u00df s\u00e4mtliche Organe, wenigstens die dr\u00fcsigen, in ihren Nueleinen vornehmlich Guanin und Adenin enthalten. Dies gilt vor allem auch f\u00fcr die Leber. Da wir annehmen m\u00fcssen, da\u00df bei den lebhaften Stoffwechselvorg\u00e4ngen dieses Organes best\u00e4ndig Zellkerne, ebenso wie das \u00fcbrige Zellprotoplasma, infolge der Abn\u00fctzung zugrunde gehen und wieder neu entstehen, so m\u00fcssen also ebenda auch andauernd Guanin und Adenin in freier Form, infolge weiteren Abbaus der zugrunde gegangenen Zellkern-nucleine, vorhanden sein, nat\u00fcrlich in kleinen Mengen. Eventuell passiert auch vom Darm her und aus den \u00fcbrigen Speisest\u00e4tten des Pfortaderkreislaufes freies Guanin und Adenin die Leber.\nNehmen wir nun mit Jones an, entweder das Guanin oder das Adenin w\u00fcrde in der Leber eines bestimmten Tieres nicht weiter ver\u00e4ndert, so m\u00fc\u00dfte der betreffende K\u00f6rper permanent in den Blutkreislauf geraten und mit dem Urin ausgeschwemmt werden. Die Untersuchungen tierischer Urine haben aber bis heute die Tatsache nicht ergeben, da\u00df bei gewissen Arten die eine oder andere Purinbase in erheblicherer Menge ausgeschieden wird. Vielmehr hat sich z. B. beim normalen Schwein, bei welchem ja nach Jones die \u00abGuanase\u00bb sowohl in der Leber als in der Milz fehlt und demnach das Guanin im Urin entschieden in reichlicherer Menge gefunden werden m\u00fc\u00dfte, ergeben, da\u00df nur ganz wenig Guanin vorhanden ist, so viel ungef\u00e4hr als Adenin, und ganz wesentlich weniger als Oxypurine.\nEs st\u00f6\u00dft also das Untersuchungsresultat von Jones, wonach das Fehlen eines der Fermente beim betreffenden Tiere eine spezielle Arteigenschaft ist, auf Schwierigkeiten, wenn man es mit den \u00fcbrigen Tatsachen zusammenh\u00e4lt. Das absolute Fehlen einer \u00abGuanase\u00bb oder \u00abAdenase\u00bb gerade in dem Zentralorgan, der Leber, ist physiologisch nicht ohne weiteres","page":31},{"file":"p0032.txt","language":"de","ocr_de":"32\nAlfred Schittenhelm und Julius Schmid,\nanzunehmen. Es mu\u00df also der Versuch unternommen werden, ob nicht doch ein Versuchsweg gefunden werden kann, auf dem ein g\u00e4nzlicher Abbau gelingt. Wir m\u00f6chten \u00fcbrigens hier auch zu bedenken geben, da\u00df das negative Resultat keineswegs zu solch weittragenden Schl\u00fcssen berechtigt. Wir wissen z. B., da\u00df es mit Organpre\u00dfs\u00e4ften nicht gelingt, aus Monoaminos\u00e4uren Harnstoff zu gewinnen.l) Und doch d\u00fcrfen wir keineswegs annehmen, da\u00df also in diesen Organen die entsprechenden Kr\u00e4fte fehlen.\nAus solchen \u00dcberlegungen kamen wir zu einer Wiederholung der Jones sehen Versuche, und hofften um so mehr auf Erfolg, als ja bereits bei der Milz des Schweines der Nachweis der \u00abGuanase\u00bb im Gegensatz zu Jones gelungen war.2)\nWir begannen unsere Versuche mit der Kaninchenleber. Von ihr ist bereits durch Jones und Austrian3) gefunden, da\u00df sie Guanin in Xanthin umzuwandeln vermag. Wir konnten nun feststellen, da\u00df sie auch die F\u00e4higkeit besitzt, Adenin in Hypoxanthin umzusetzen. Sie produziert aber fernerhin offenbar aus den Oxypurinen Harns\u00e4ure und vermag diese wiederum in weitem Ma\u00dfe zu zerst\u00f6ren, so da\u00df sie also im Kaninchenorganismus genau dieselbe Rolle spielt, wie die Rinderleber im Organismus des Rindes, wenigstens was den Nucleinstoffwechsel anbelangt.\nMit den \u00fcbrigen Kaninchenorganen hatten wir nur zwei positive Resultate zu verzeichnen. Einmal gelang die Umwandlung von Guanin in Xanthin mittels Lungenextraktes \u2014 und dann vermochten wir in der Kaninchenniere harns\u00e4urezerst\u00f6rende F\u00e4higkeiten nachzuweisen.\nBei den Kaninchenleberversuchen batten wir, was das Adenin anbelangt, zwei negative zu verzeichnen und erst der dritte war positiv und zwar so deutlich, da\u00df ein Zweifel nicht bestehen kann. Woran der Fehler liegt, ob am Extrakt oder\np Abderhalden und Schittenhelm, Die Wirkung der proteolytischen Fermente keimender Samen des Weizens und der Lupinen auf Polypeptide. Diese Zeitschrift, 1906, Bd. XLIX, S. 26.\n2) Schittenhelm, 1. c.\ns) Jones und Austrian, 1. c.","page":32},{"file":"p0033.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Fermente des Nucleinstoffwechsels.\n33\nan der mangelhaften Aktivierung des Fermentes usw., k\u00f6nnen wir nicht sagen.\nWir haben auch die anderen Organe, zun\u00e4chst einmal Schweineleber, in Angriff genommen. Auch hier werden wir allerhand verschiedene Versuchsanordnungen anwenden, vor allem werden wir das Guanin in gebundener Form als Nuclein-s\u00e4ure zugeben, um zum Ziele zu gelangen.\nEine weitere Versuchsreihe besch\u00e4ftigte sich mit Katzenorganen. Wir haben jedoch nur einen positiven Versuch zu verzeichnen, n\u00e4mlich den, da\u00df die Katzenleber Guanin in Xanthin umzuwandeln vermag. Die \u00fcbrigen Versuche mit Darm, Lunge usw. waren negativ verlaufen, weshalb wir auf eine Wiedergabe verzichten.\nZum Schl\u00fcsse teilen wir noch mit, da\u00df wir dabei sind, auch menschliche Organe auf ihre F\u00e4higkeiten Purinbasen und Harns\u00e4ure gegen\u00fcber zu pr\u00fcfen.\nExperimenteller Teil.\nA. Kaninchen organe.\nVersuch I. 85 g Kaninchenleber, mit Kieselgur fein zerrieben, werden mit ca. 100 ccm Wasser und 0,3 g in ganz wenig Normalnatronlauge gel\u00f6sten Adenin unter Zusatz von Chloroform und Toluol angesetzt. Durch das Gemisch wird 7 Tage hindurch Luft durchgeleitet und das verdunstende Wasser, das Chloroform und Toluol immer wieder ersetzt.\nNach Abbruch des Versuchs wurde mit Natronlauge schwach alkalisch gemacht, aufgekocht, mit Essigs\u00e4ure schwach anges\u00e4uert, vom Niederschlag abfiltriert. Der Niederschlag wurde nochmals in gleicher Weise behandelt und schlie\u00dflich ausgekocht. Aus den, vereinigten Filtraten wurden die Basen als Kupferoxydulverbindungen isoliert, diese gut gewaschen, in Wasser suspendiert, mit Schwefelwasserstoff zerlegt und vom Schwefelkupfer abfiltriert. Das Filtrat wurde leicht salzsauer gemacht, auf 8\u201410 ccm eingeengt und stehen gelassen.\nDas dabei Ausgefallene wurde abfiltriert. Menge des getrockneten Produktes 47 mg. Es gab schwache Murexid-, starke Xanthin- und Wei del sehe Probe. Der gr\u00f6\u00dfte Teil l\u00f6ste sich\nHoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie. L.\n3","page":33},{"file":"p0034.txt","language":"de","ocr_de":"34\nAlfred Schittenhelm und Julius Schmid\nin verd\u00fcnntem Ammoniak. Diese L\u00f6sung wurde wieder eingedampft, der R\u00fcckstand in wenig Normalnatronlauge gel\u00f6st und in wenig 50\u00b0/oiger Salpeters\u00e4ure filtriert. Beim Erkalten und Stehenlassen fiel Xanthinnitrat als schweres Krystallpulver in typischer Krystallform, zu Aggregaten vereinigte kleine Pl\u00e4ttchen, aus.\nDas salzsaure Filtrat vom Xanthin wurde zur Trockene eingedampft. Der R\u00fcckstand gab weder Murexidprobe noch Xanthinproben. Er wurde in 20 ccm Wasser leicht erw\u00e4rmt, wobei alles in L\u00f6sung ging, und nach dem Erkalten mit Natriumpikrat versetzt. Dabei gab es nur eine ganz minimale Tr\u00fcbung. Es war also kein Adenin mehr vorhanden.\nZur Entfernung der Pikrins\u00e4ure wurde die L\u00f6sung mit HN03 versetzt und mit Benzol mehrere Male ausgesch\u00fcttelt. Aus der entf\u00e4rbten und neutral gemachten L\u00f6sung wurden die Basen als Kupferoxyldulverbindungen isoliert. Diese mit viel hei\u00dfem Wasser gewaschen und mit Schwefelwasserstoff zersetzt. Das Filtrat wurde zur Trockene eingedampft. Gewicht des R\u00fcckstandes 0,185 g. Derselbe wurde nach Vorschrift in hei\u00dfer 10\u00b0/oiger Salpeters\u00e4ure gel\u00f6st. Beim Erkalten fiel das Hypoxanthinnitrat in seiner typischen Krystallform, als gro\u00dfe Tonnen- und Wetzsteinformen, aus. Dasselbe wurde lufttrocken analysiert.\n0,129 g Substanz gaben 0,131 g C02 und 0,0424 g H20\nBerechnet f\u00fcr C5H4N40 \u2022 HN03 -j- H20 :\tGefunden :\n27,76 \u00b0/o C 3,64 \u00b0/o H\n27,76% G 3,22 % H\nEs waren demnach bei diesem Versuch an Stelle der zugegebenen 0,3 g Adenin gefunden worden 0,185 g Hypoxanthin und 0,047 g Xanthin, welchen vielleicht ganz geringe Mengen Harns\u00e4ure beigemengt waren.\nVersuch II. 1 Kaninchenlunge, gut zerrieben, mit 50 ccm Wasser und 0,05 g Guanin in ganz wenig Normalnatronlauge gel\u00f6st, bleiben unter Zusatz von Chloroform und Toluol mehrere Tage im Brutschrank.\nWie \u00fcblich verarbeitet.\nErhalten wurde Xanthin, das durch seine L\u00f6slichkeit in","page":34},{"file":"p0035.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Fermente des Nucleinstoffwechsels.\n35\nAmmoniak und durch den positiven Ausfall der Xanthinproben identifiziert wurde.\nVersuch III. 2 Kaninchennieren fein zerrieben mit 20 ccm Wasser und 0,05 g Harns\u00e4ure in wenig Normalnatronlauge gel\u00f6st werden mehrere Tage im Brutschrank unter Zusatz von Chloroform gelassen.\nWie gew\u00f6hnlich verarbeitet.\nEs wurden nur geringe Spuren Harns\u00e4ure wiedergefunden.\nVersuch IV. 100 ccm Leberextrakt (1 Teil Leber, 2 Teile Wasser wie fr\u00fcher beschrieben) werden mit 0,2 g Harns\u00e4ure, die in wenig Normalnatronlauge gel\u00f6st wurden, unter Zusatz von Toluol und Chloroform mehrere Tage im Brutschrank gelassen. Dann wie gew\u00f6hnlich verarbeitet.\nWiedergefunden nur minimale Spuren von Harns\u00e4ure.\nVersuch V. 1 Kaninchenleber, fein zerkleinert und zerrieben, wird mit 100 ccm Wasser und 0,3 g in wenig Normalnatronlauge gel\u00f6ster Harns\u00e4ure unter Zusatz von Chloroform und Toluol bei 380 angesetzt ; dabei wird drei Tage lang Luft durchgeleitet, dann der Versuch abgebrochen und wie gew\u00f6hnlich verarbeitet.\nEs konnte keine Harns\u00e4ure wiedergefunden werden.\nB. Katze.\nVersuch VI. 1 Katzenleber (60 g), fein zerrieben und mit 100 ccm Wasser versetzt, wird mit 0,4 g in wenig Normalnatronlauge gel\u00f6sten Guanins unter Zusatz von Chloroform und Toluol 6 Tage lang unter Luftdurchleitung bei 38\u00b0 gehalten.\nVerarbeitet wie Versuch I.\nGefunden Spuren von Harns\u00e4ure. Typische Krystall-form, positive Murexidprobe.\nSodann konnte etwas \u00fcber 0,1 g Xanthin isoliert werden.\n0,0736 g Substanz gaben 23,2 ccm N; T. = 15\u00b0; B. \u2014 758 mm.\nBerechnet f\u00fcr C5H4N402 :\tGefunden :\n36,84 \u00b0/o N\t36,81 \u00b0/o N.\nDer Rest konnte nicht mit Sicherheit identifiziert werden.\n3*","page":35}],"identifier":"lit18429","issued":"1906-07","language":"de","pages":"30-35","startpages":"30","title":"\u00dcber die Fermente des Nucleinstoffwechsels","type":"Journal Article","volume":"50"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:31:59.532088+00:00"}