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{"created":"2022-01-31T13:40:57.760676+00:00","id":"lit18437","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Gulewitsch, Wl.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 50: 204-208","fulltext":[{"file":"p0204.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis der Extraktivstoffe der Muskeln.\nVI. Mitteilung.\nUber die Identit\u00e4t des Ignotins mit dem Carnosin.\nVon\nWl. Gulewitsch,\n(Aus dem medizinisch-chemischen Laboratorium der Universit\u00e4t Moskau.) (Der Redaktion zugegangen am 15. November 1906.)\nIm Jahre 1900 haben Amiradzibi und ich1) im Liebig-sehen Fleischextrakt eine neue organische Base, Carnosin, von der Zusammensetzung C9H14N403 aufgefunden und einige ihrer Verbindungen beschrieben. Im Laufe seiner interessanten, im Jahre 1905 ver\u00f6ffentlichten Untersuchungen hat nun Kutscher2) aus dem Liebigschen Fleischextrakt eine Base, Ignotin genannt, isoliert, welche dieselbe Zusammensetzung wie das Carnosin hat und eine auffallende \u00c4hnlichkeit mit diesem bis auf das Verhalten gegen ammoniakalische Silberl\u00f6sung zeigt. Da aber die Vermutung nicht ausgeschlossen war, da\u00df die F\u00e4llbarkeit von Carnosin und von Ignotin mit einer ammoniakalischen Aufl\u00f6sung des Silbernitrats bei nicht genau denselben Bedingungen probiert worden war, so schien mir die Frage nach dem Vorhandensein von Ignotin als eines von Carnosin verschiedenen K\u00f6rpers noch nicht gel\u00f6st und eine genauere Vergleichung dieser zwei Basen w\u00fcnschenswert zu sein. Diese Vergleichung wurde f\u00fcr mich durch die Freundlichkeit des Herrn Prof. F. Kutscher erm\u00f6glicht, welcher mir etwa 1 g freies reines Ignotin zugesandt hat, wof\u00fcr ich ihm auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank ausspreche. Das zum Vergleichen n\u00f6tige Carnosin habe ich aus reinem Carnosin nitrat dargestellt, indem ich das Nitrat in Carnosinsilber \u00fcbergef\u00fchrt habe, welch letzteres nach dem Zersetzen mit Schwefelwasserstoff die freie Base lieferte ; die konzentrierte L\u00f6sung derselben wurde mit Alkohol\nfl Ber. d. Deutsch, chem. Ges., Bd. XXXIII, S. 1902. \u2014 Diese Zeitschrift, Bd. XXX, S. 565.\n2) Zeitschrift f. Unters, der Nahrungs- und Genu\u00dfmittel, Bd. X,\nS. 528.","page":204},{"file":"p0205.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis der Extraktivstoffe der Muskeln. VI.\n205\nausgef\u00e4llt, wobei ein schneewei\u00dfes krystallinisches Pulver von Carnosin erhalten wurde.\nDas Ignotin bildete ein fast farbloses, kaum gelblich gef\u00e4rbtes Pulver, welches bei 242\u2014244\u00b0 unter starker Zersetzung und Aufsch\u00e4umen zu einer halbfl\u00fcssigen, braunen Masse schmolz. Das Carnosin zeigte dieselbe Erscheinung bei 241 \u2014 245\u00b0. Nach Kutschers Angaben zersetzt sich das Ignotin beim schnellen Erhitzen unter Aufsch\u00e4umen bei 248 \u00b0. Nach meinen Beobachtungen besitzt das Carnosin resp. das Ignotin keinen konstanten Zersetzungspunkt, welcher, wie zu erwarten war, mit der Schnelligkeit des Erhitzens steigt; fr\u00fcher haben Amiradzibi und ich1) den Zersetzungspunkt des Carnosins sogar bei 239\u00b0 beobachtet. Sowohl das Ignotin, wie auch das Carnosin sind in Wasser leicht und in hei\u00dfem verd\u00fcnnten Alkohol merklich l\u00f6slich. Die w\u00e4sserige Aufl\u00f6sung zeigt eine starke alkalische Reaktion. Die 2,5\u00b0/oigen w\u00e4sserigen L\u00f6sungen der beiden Basen werden durch Platinchlorwasserstoffs\u00e4ure nicht gef\u00e4llt, mit Pikrins\u00e4ure bilden dieselben bei der T\u00fcpfelreaktion nur eine schwache Tr\u00fcbung, durch Goldchlorwasserstoffs\u00e4ure und durch Kaliumwismutjodid werden sie dagegen gef\u00e4llt. Nach Kutscher liefert das Ignotin mit Goldchlorid und Kaliumwismutjodid keine schwerl\u00f6slichen Verbindungen; die Konzentration der Ignotinl\u00f6sung ist vom Verfasser nicht angegeben; auch in meinen Versuchen lieferte ein k\u00e4ufliches Pr\u00e4parat von Kaliumwismutjodid keine F\u00e4llung mit Carnosin und Ignotin, wohl aber die nach Kraut2) bereitete L\u00f6sung von Kaliumwismutjodid.\nAus dem Ignotin habe ich das Nitrat dargestellt, dessen konzentrierte, hei\u00dfe w\u00e4sserige L\u00f6sung nach dem Versetzen mit absolutem Alkohol bis zu einer konstanten Tr\u00fcbung h\u00fcbsche\nsternf\u00f6rmige Drusen von kleinen Nadeln ausschied. Die Kry-\n\u00bb\nstalle von Ignotinnitrat sahen vollst\u00e4ndig wie die von Carnosinnitrat aus ; unter dem Mikroskop zeigten die beiden Pr\u00e4parate dieselben nadelf\u00f6rmigen Krystalle mit der parallelen Ausl\u00f6schungsrichtung, der L\u00e4nge nach positiv, seltener negativ. Das Ignotin-\nDiese Zeit schritt, Bd. XXX, S. 567.\n2) E. Schmidts Lehrbuch der pharmac. Chemie, Bd. II, 1901, S. 136a","page":205},{"file":"p0206.txt","language":"de","ocr_de":"206\nWl. Gulewitsch,\nnitrat schmolz unter Zersetzung in einem auf etwa 190\u00b0 vorgew\u00e4rmten Bade und beim langsamen Steigen der Temperatur bei 212,5\u2014213,5\u00b0; genau denselben Zersetzungspunkt zeigte das Carnosinnitrat ;x) der Zersetzungspunkt einer Mischprobe lag bei 212,5\u00b0. Das zerriebene Ignotinnitrat wurde im Vakuum und dann bei 115\u00b0 getrocknet und polarisiert.\n0,4250 g Substanz waren in Wasser gel\u00f6st. Die L\u00f6sung, deren Gesamtgewicht 13,4111 g war, hatte d21,\u00b0 = 1,0103, a22 = -j- 0,750\u00b0.\n'\t4\tD\na21 = + 0,905 * 2)\n546\t5\ty\nAus diesen Werten wird unter der Reduktion der W\u00e4gungen auf den luftleeren Raum berechnet: p = 3,166 \u00b0/o ; c = 3,199 \u00b0/o ;\n[af* = -j- 23,4\u00b0; [a]\u201c1 * = -j- 28,3\u00b0. F\u00fcr das Carnosinnitrat\nD\t546\nhabe ich gefunden:\nDie L\u00f6sung von 0,3575 g Substanz in Wasser wog 10,9414 g und zeigte: d15\u20195 = 1,0120, od5\u20195 = + 0,780\u00b0. a15 = + 0,955\u00b0.\nDaraus wird unter der Reduktion der W\u00e4gungen auf den luftleeren Raum berechnet: p = 3,267\u00b0/o ; c = 3,306\u00b0/o;\nrot]15\u20195 = + 23,6\u00b0; fal15 = + 28.9\u00b0.\nL D\t1\t\u2019 L o46\t1\nAuch in dem Verhalten von Ignotin, Garnosin und ihren Nitraten gegen ammoniakalische Silberl\u00f6sung ist kein Unterschied zu bemerken : die beiden Basen resp. Nitrate werden in einer 2\u20143\u00b0/oigen w\u00e4sserigen L\u00f6sung durch dieses, genau nach Kutschers Vorschrift (1. c., S. 531) dargestellte Reagens nicht gef\u00e4llt und sogar der auf irgend eine andere Weise erzeugte Niederschlag von Carnosin- resp. Ignotinsilber l\u00f6st sich in einem \u00dcberschu\u00df von ammoniakalischer Silberl\u00f6sung leicht auf: versetzt man z. B. die Ignotin- resp. Carnosinnitratl\u00f6sung mit Silbernitrat und f\u00fcgt zu der Mischung Barytwasser hinzu, so entsteht ein reichlicher Niederschlag, welcher sofort nach\n9 F\u00fcr ein anderes Pr\u00e4parat von Garnosinnitrat wurde von Ami-radzibi und mir (a. a. 0.) der Zersetzungspunkt bei 211\u2014212\u00b0 liegend angegeben.\n2) Dieser Wert wurde bei der Beleuchtung des Polarisationsapparates\nmit Hilfe der Siedentopf sehen Quecksilberbogenlampe gefunden, welche\nbei der Benutzung von speziellem Lichtfilter ein intensives, gr\u00fcnes, mono-\nchromatisches Licht von X = 546^,u liefert.\n","page":206},{"file":"p0207.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis der Extraktivstoffe der Muskeln. VI.\n207\ndem Zusatz einer gen\u00fcgenden Menge von ammoniakalischer Silberl\u00f6sung verschwindet. Mischt man aber die L\u00f6sung von Carnosin, Ignotin und ihren Nitraten mit einer hinreichenden Menge von Silbernitrat und f\u00fcgt dann die ammoniakalische Silberl\u00f6sung oder Ammoniak, so bekommt man einen reichlichen Niederschlag, welcher sich ebenfalls nach dem Zusatz eines \u00dcberschusses von ammoniakalischer Silberl\u00f6sung oder Ammoniak aufl\u00f6st ; die Bildung des Niederschlags bleibt aus, wenn die Menge des zugesetzten Silbernitrats ungen\u00fcgend war. Somit ist der scheinbare Unterschied in dem Verhalten von Carnosin und Ignotin gegen ammoniakalische Silberl\u00f6sung wohl so zu erkl\u00e4ren, da\u00df Kutscher in seinen Versuchen die Ignotinl\u00f6sung mit einem \u00dcberschu\u00df von Silbernitrat versetzte und dadurch nach dem Zusatz von Ammoniak oder ammoniakalischer Silberl\u00f6sung einen Niederschlag von der Silberbase erzeugen konnte, w\u00e4hrend A mir a dz i bi und ich das Ammoniak zu einer L\u00f6sung hinzuf\u00fcgten, welche gerade keinen \u00dcberschu\u00df von Silbernitrat enthielt.!)\nDie von mir ausgef\u00fchrte vergleichende Untersuchung zeigt somit, da\u00df Ignotin und Carnosin zweifellos identisch sind und da\u00df der Name von Ignotin fallen mu\u00df. Zum Schlu\u00df m\u00f6chte ich mich noch bei dem von Kutscher und St eu del2) vorgeschlagenen Verfahren der Verarbeitung des Fleischextraktes\nx) Genau dasselbe Verhalten gegen Silbernitrat und Ammoniak wie Carnosin zeigen Kreatinin, dessen F\u00e4llbarkeit durch Silbernitrat und Barytwasser resp. Ammoniak schon von Kutscher (a. a. 0.) beobachtet war, und Kreatin, welch letzteres eine mehr gelatin\u00f6se F\u00e4llung der Silberverbindung liefert ; der durch Silbernitrat und Barythydrat erzeugte Niederschlag von Kreatininsilber l\u00f6st sich in einem \u00dcberschu\u00df von Barythydrat leicht auf. Das Methylguanidinnitrat (aus Kreatin dargestellt) gibt in einer 3\u00b0/oigen L\u00f6sung mit Silbernitrat und Barythydrat einen sehr volumin\u00f6sen gallertigen Niederschlag ; versetzt man aber die Methylguanidinnitratl\u00f6sung mit Silbernitrat und ammoniakalischer Silberl\u00f6sung, so bekommt man nur eine Tr\u00fcbung, welche sich erst beim Stehen zu einem unbedeutenden Niederschlag sammelt. Kutscher (a. a. 0.) hat ebenfalls beobachtet, da\u00df das in der L\u00f6sung nach dem Ausfallen von Kreatinin-und Ignotinsilber gebliebene Methylguanidin mit der ammoniakalischen Silberl\u00f6sung zusammengebracht nur eine schwache Tr\u00fcbung erkennen l\u00e4\u00dft.\n2) Zeitschrift f. Unters, d. N\u00e4hr.- u. Genu\u00dfm., Bd. X, S. 528.","page":207},{"file":"p0208.txt","language":"de","ocr_de":"208 W1. Gulewitsch, Zur Kenntnis der Extraktivstoffe der Muskeln. VI.\netwas verweilen. Die Verfasser benutzten die Ausf\u00fcllung des Extraktes mit Tannin, um einige die Untersuchung sehr erschwerenden Bestandteile desselben zu beseitigen. Da bekanntlich Tannin eine gro\u00dfe Zahl von stickstoffhaltigen Verbindungen niederznf\u00e4llen imstande ist, so schien es mir nicht \u00fcberfl\u00fcssig zu sein, das Verhalten von einigen Bestandteilen des Fleischextraktes in dieser Hinsicht zu pr\u00fcfen. Dabei erwies es sich, da\u00df weder Carnosinnitrat noch Methylguanidinnitrat durch 20\u00b0/oige Tanninl\u00f6sung direkt gef\u00e4llt werden, nach (Jem vorsichtigen Zusatz von einer ganz geringen Menge Kalilauge oder Dinatrium-phosphat entsteht aber ein m\u00e4chtiger Niederschlag. Freies Car-nosin, freies Methylguanidin und Kreatinin liefern mit Tannin reichliche, im \u00dcberschu\u00df des Reaktivs l\u00f6sliche Niederschl\u00e4ge, w\u00e4hrend das Kreatin durch Tannin nicht gefallt wird. Da die Basen im Fleischextrakt wahrscheinlich als milchsaure und phosphorsaure Salze enthalten sind, so habe ich das Verhalten von entsprechenden Salzen des Carnosins und Methylguanidins gegen Tannin gepr\u00fcft, wobei die ganz neutralen L\u00f6sungen dieser Salze (au\u00dfer dem milchsauren Methylguanidin) mit Tannin reichliche Niederschl\u00e4ge gaben. Obwohl kein zwingender Beweis zu f\u00fchren ist, da\u00df bei der Ausf\u00e4llung des Fleischextraktes mit Tannin auch Carnosin usw. teilweise mitgef\u00e4llt werden, so soll doch diese M\u00f6glichkeit nicht au\u00dfer acht gelassen werden, solange es nicht an den Tag gelegt ist, da\u00df sich ein Teil der zu isolierenden Substanzen in dem mit Tannin erzeugten Niederschlage nicht befindet. Durch das teilweise Niederschlagen von Carnosin und Methylguanidin mit Tannin kann vielleicht der Umstand erkl\u00e4rt werden, da\u00df Kutscher bei seinen Untersuchungen h\u00f6chstens 3 g Ignotin und 1,5 g Methylguanidinnitrat (0,8 g Methylguanidin entsprechend) in 450 g Fleischextrakt gefunden hat, w\u00e4hrend nach den mir von Dr. Krim berg mitgeteilten Resultaten seiner in hiesigem Laboratorium ausgef\u00fchrten Arbeit der Carnosingehalt des Liebigschen Fleischextraktes 17 g in 500 g Extrakt betr\u00e4gt und ich *) aus derselben Menge Extrakt 1,9 g Methylguanidin isolieren konnte.\n9 Diese Zeitschrift, Bd. XLVII, S. 475.","page":208}],"identifier":"lit18437","issued":"1906-07","language":"de","pages":"204-208","startpages":"204","title":"Zur Kenntnis der Extraktivstoffe der Muskeln. VI. Mitteilung: \u00dcber die Identit\u00e4t des Ignotins mit dem Carnosin","type":"Journal Article","volume":"50"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:40:57.760682+00:00"}