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{"created":"2022-01-31T15:30:36.694545+00:00","id":"lit18458","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Hedin, S. G.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 50: 497-507","fulltext":[{"file":"p0497.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Aufnahme von Trypsin durch verschiedene Substanzen.\nVon\nS. Gr. Hedin.\n(Der Redaktion zugegangen am 11. Januar 1907.)\nIn der letzten Zeit habe ich in verschiedenen Abhandlungen \u00fcber Untersuchungen berichtet, die sich alle auf eine Art von Verbindung zwischen Trypsin und anderen Substanzen beziehen. Die untersuchten Substanzen waren: der tryptische Antik\u00f6rper im Serum, Knochenkohle und Casein. Da die Untersuchungen jetzt so weit fortgeschritten sind, da\u00df sich die Resultate einigerma\u00dfen \u00fcberblicken lassen, und da die in den drei F\u00e4llen erhaltenen Resultate vieles Gemeinsames darbieten, so habe ich eine kurze Zusammenstellung der Ergebnisse und der Schlu\u00dffolgerungen sowie die Darlegung einiger Remerkungen, die sich erst nach einer vergleichenden Darstellung machen lassen, f\u00fcr angemessen gehalten.\nF\u00fcr alle Versuche wurde Trypsin gebraucht, das aus der Pankreasdr\u00fcse des Rindes durch Selbstverdauung, Filtrieren, Verdauung des Filtrates, bis praktisch alles Eiwei\u00df zerst\u00f6rt war, und Dialvsieren erhalten worden war. Besonders sei schon hier hervorgehoben, da\u00df die ann\u00e4hernde Abwesenheit von Eiwei\u00df in gewissen F\u00e4llen eine notwendige Bedingung ist f\u00fcr die von min erzielten Resultate, was \u00fcbrigens an geeigneter Stelle des n\u00e4heren erkl\u00e4rt werden wird. Die Menge des in aktiver Form anwesenden Trypsins wurde durch Verdauung von Casein bestimmt. Die stattgehabteVerdauungwurdedurehF\u00e4llung mit Gerbs\u00e4ure in \u00dcberschu\u00df und Bestimmung des Stickstoffs im Filtrate ermittelt. Besonders darauf gerichtete Versuche haben gezeigt, da\u00df, wenn ein \u00dcberschu\u00df von Casein vorhanden ist, die erhaltene Stickstoffmenge der gebrauchten Trypsinmenge\nHoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie. L.\t34","page":497},{"file":"p0498.txt","language":"de","ocr_de":"498\nS. G. Hedin,\neinfach proportional ist, was eine quantitative Sch\u00e4tzung des anwesenden aktiven Trypsins erm\u00f6glicht.1)\nTrypsin und Antitrypsin.2)\nAls Antitrypsin wurde einfach das mit Ammonsulfat dargestellte Serumalbumin benutzt. Die von dem Antik\u00f6rper neutralisierte Enzymmenge ist von der Reihenfolge abh\u00e4ngig, in welcher Antik\u00f6rper, Trypsin und Casein gemischt werden. Die geringste antitryptische Wirkung wird erhalten,* wenn das Trypsin und das Casein gemischt werden, bevor der Antik\u00f6rper zugegeben wird, also wenn die Reihenfolge des Mischens Casein\u2014 Trypsin\u2014Antik\u00f6rper ist. Wenn die Substanzen in der Reihenfolge Trypsin\u2014Antik\u00f6rper\u2014Casein gemischt werden, wird das neutralisierende Verm\u00f6gen des Antik\u00f6rpers gr\u00f6\u00dfer, und zwar wird umsomehr Trypsin neutralisiert, je l\u00e4nger die Mischung Trypsin\u2014 Antik\u00f6rper auf be wahrt wird, bevor das Casein zugesetzt wird. Fr\u00fcher oder sp\u00e4ter wird jedoch ein Zustand erreicht, in welchem kein Trypsin mehr neutralisiert wird. Einer gewissen Menge Antitrypsin entspricht deshalb f\u00fcr gegebene Redingungen ein gewisses Maximum der Wirkung. Diese maximale Wirkung wird mit geringen Mengen von Antik\u00f6rper fr\u00fcher erreicht (in gewissen F\u00e4llen in 5 Minuten), als mit gr\u00f6\u00dferen Mengen. Die erforderliche Zeit scheint auch f\u00fcr verschiedene Trypsinpr\u00e4parate etwas verschieden zu sein. \u00c4hnliche Reobachtungen sind f\u00fcr-gewisse Toxine und Antitoxine von Fraser3) und von Martin und Cherry4) gemacht worden. Au\u00dferdem ist die Temperatur, in welcher die Mischung Trypsin\u2014Antik\u00f6rper aufbewahrt wird, von entscheidendem Einflu\u00df auf die Menge des neutralisierten Trypsins, indem die maximale Wirkung des Antik\u00f6rpers um so gr\u00f6\u00dfer auff\u00e4llt, je h\u00f6her die Temperatur ist.\nDer Einflu\u00df der Reihenfolge des Mischens sowie der\n9 Journ. of Physiol., Bd. XXXII, S. 468, 1905.\n2)\tHedin, On the antitryptic action of serum-albumin, Journ. of Physiol., Bd. XXXII, S. 390, 1905, und Trypsin and Antitrypsin, Bio-Chem. Journ., Bd. I, S. 474, 1906.\n3)\tNature 1896, S. 569.\n4)\tProc. roy. soc. 1898, S. 420.","page":498},{"file":"p0499.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Aufnahme von Trypsin durch verschiedene Substanzen. 499\nder Zeit und Temperatur deuten darauf hin, da\u00df eine Art von Verbindung zwischen dem Trypsin und dem Antik\u00f6rper zustande kommt, welche Verbindung eine gewisse Zeit f\u00fcr ihre Bildung braucht und von welcher bei einer hohen Temperatur mehr gebildet wird als bei einer niedrigen. Da\u00df das Neutralisieren des Trypsins nicht auf einer etwaigen Zerst\u00f6rung von Trypsin beruht, scheint dadurch bewiesen zu werden, da\u00df in allen F\u00e4llen bald ein Zustand erreicht wird, in welchem kein Trypsin mehr neutralisiert wird. Wenn das Enzym schlechthin abget\u00f6tet w\u00e4re, dann w\u00fcrde der Proze\u00df nicht aufh\u00f6ren, bis alles Trypsin zerst\u00f6rt worden w\u00e4re.\nDie Menge des anwesenden Wassers ist ohne wesentlichen Einflu\u00df auf die Menge des schlie\u00dflich neutralisierten Trypsins. Hiermit soll nicht gesagt werden, da\u00df nicht die Geschwindigkeit des Neutralisierens durch die Konzentration beeinflu\u00dft werden k\u00f6nne.\nDurch quantitative Bestimmungen des neutralisierten Trypsins wurde festgestellt, da\u00df der Antik\u00f6rper durch einen \u00dcberschu\u00df von Trypsin ges\u00e4ttigt werden kann. Sogar mehr als drei Viertel der anwesenden Trypsinmenge kann neutralisiert werden, ohne da\u00df eine nachweisbare Menge von Antik\u00f6rper frei bleibt. Wenn gr\u00f6\u00dfere Mengen Antik\u00f6rper zugegeben werden, findet sich am Ende der Reaktion sowohl aktives Trypsin wie aktiver Antik\u00f6rper in der L\u00f6sung, und es hat sich als unm\u00f6glich erwiesen, alles Trypsin durch einen \u00dcberschu\u00df von Antik\u00f6rper zu neutralisieren. Dies k\u00f6nnte vielleicht durch das Vorhandensein von verschiedenen Trypsinen mit verschiedenen Affinit\u00e4ten zum Antik\u00f6rper erkl\u00e4rt werden. Da\u00df das gebrauchte Trypsin verschiedene Enzyme enthalten haben mag, soll nicht geleugnet werden; wenn aber dies zur Erkl\u00e4rung der fraglichen Beobachtung herangezogen werden k\u00f6nnte, dann m\u00fc\u00dfte die frei bleibende Menge von Trypsin bei \u00dcberschu\u00df von Antik\u00f6rper der zugesetzten Trypsinmenge proportional sein. Dies ist aber entschieden nicht der Fall: von einer gro\u00dfen Trypsinmenge bleibt bei \u00dcberschu\u00df von Antik\u00f6rper verh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfig weniger frei als von einer geringeren. *)\n*) Bio-Chem. Journ., Bd. I, S. 479.\n34*","page":499},{"file":"p0500.txt","language":"de","ocr_de":"500\nS. G. Hedin,\nDa das freie Trypsin durch Digestion von zugef\u00fcgtem Casein bestimmt wurde, so neige ich zu der Ansicht, da\u00df alles Trypsin sehr wohl am Antik\u00f6rper gebunden gewesen sein mag, bevor das Casein zugegeben wurde, da\u00df aber das Casein etwas von dem am Antik\u00f6rper gebundenen Trypsin an sich gerissen habe, worauf eine entsprechende Verdauung von dem Casein habe folgen m\u00fcssen. Von einem derartigen Verlauf wird ausf\u00fchrlicher die Rede sein, wenn die Einwirkung von Kohle auf Trypsin abgehandelt werden wird.\nDie von dem Antik\u00f6rper neutralisierte Trypsinmenge ist nur in der Weise eine konstante, da\u00df, wenn a Teile Trypsin mit b Teilen Antik\u00f6rper in oben angegebener Weise behandelt, die tryptische Wirkung c geben, so werden n \u2022 a Teile Trypsin, mit n \u2022 b Teilen Antik\u00f6rper behandelt, die Wirkung n \u2022 c geben. Dies ist in der Tat nur eine Folge der oben erw\u00e4hnten Beobachtung, da\u00df die Menge des anwesenden Wassers ohne wesentlichen Einflu\u00df auf die Menge des neutralisierten Trypsins ist. In dem Falle, da\u00df die Wirkung c = o w\u00e4re, was nach dem Gesagten von mir nie beobachtet wurde, w\u00fcrde diese Regel mit dem von Ehrlich f\u00fcr Toxine und Antitoxine aufgestellten Gesetz der konstanten Proportionen zusammenfallen.1)\nWenn aber verschiedene Mengen Antik\u00f6rper auf die gleiche Menge Trypsin einwirken, wird durch eine geringe Menge Antik\u00f6rper verh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfig mehr Trypsin neutralisiert als durch eine gr\u00f6\u00dfere. Diese Regel ist auch f\u00fcr den Fall g\u00fcltig, da\u00df der Antik\u00f6rper durch Trypsin v\u00f6llig ges\u00e4ttigt wird. Eine gewisse Menge Antik\u00f6rper verbindet sich demnach, je nach der Menge des anwesenden Trypsins, mit verschiedenen Mengen von demselben. Bekanntlich sind \u00e4hnliche Beobachtungen auch f\u00fcr verschiedene Toxine und Antitoxine gemacht worden.\nDer Antik\u00f6rper wird durch 0,2\u00b0/oige Essigs\u00e4ure w\u00e4hrend 8 Stunden bei 370 zerst\u00f6rt. Da das Trypsin unter solcher Behandlung nur sehr wenig leidet, wurde versucht, aus Mischungen von Trypsin und Antik\u00f6rper, die bei 37\u00b0 aufbewahrt worden\nh Michaelis, Die Bindun^sgesetze von Toxin und Antitoxin, Berlin 1905.","page":500},{"file":"p0501.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Aufnahme von Trypsin durch verschiedene Substanzen. 501\nwaren, bis der Antik\u00f6rper seine maximale Wirkung erreicht hatte, durch Zugabe von Essigs\u00e4ure das Trypsin in aktiver Form wieder zu gewinnen. Dies ist mir aber in keinem Falle gelungen.\nTrypsin und Knochenkohle.1)\nWenn dem Trypsin Knochenkohle zugegeben wird, entwickelt die Kohle eine sehr starke, antitryptische Wirksamkeit, und wie Digestionsversuche mit Casein in Gegenwart der f\u00fcr das Neutralisieren angewandten Kohle zeigen, besteht eine weitgehende Analogie zwischen der Art und Weise, in w-elcher diese Wirkung zustande gebracht wird, einerseits durch die Kohle und andererseits durch den tryptischen Antik\u00f6rper. Der Einflu\u00df der Reihenfolge des Mischens, der Zeit, der Temperatur und der Konzentration war in beiden F\u00e4llen der gleiche. Au\u00dferdem konnte die Kohle wie der Antik\u00f6rper mit Trypsin ges\u00e4ttigt w-erden. In keinem der F\u00e4lle konnte das Trypsin v\u00f6llig neutralisiert werden. Ein quantitativ verschiedenes Verhalten zeigte jedenfalls die Reaktionszeit, indem das Ende des Neutralisierens mit Kohle nicht immer in 24 Stunden erreicht wurde, w\u00e4hrend der Antik\u00f6rper in vielen F\u00e4llen weniger als 1 /2 Stunde daf\u00fcr brauchte. Infolge der langen Zeit, die f\u00fcr das Neutralisieren durch Kohle gebraucht wurde, m\u00f6chte ich es besonders f\u00fcr hohe Temperaturen nicht als ausgeschlossen ansehen, da\u00df etwras Trypsin, unabh\u00e4ngig von der Einwirkung der Kohle, zugrunde gehen k\u00f6nnte. Deshalb k\u00f6nnte es auch fraglich erscheinen, ob die kr\u00e4ftigere, antitryptische Wirkung, welche beim Aufbewahren der Kohle-Trvpsin-Mischung bei einer hohen Temperatur erhalten wurde, nicht dadurch zustande kommt, da\u00df eine ausgiebigere Zerst\u00f6rung von Enzym stattfindet bei einer hohen Temperatur, als bei einer niedrigen. Da\u00df bei einer hohen Temperatur tats\u00e4chlich mehr Trypsin neutralisiert wird, als bei einer niedrigen, geht jedoch aus zwei Versuchen hervor, in welchen die Reaktionsgeschwindigkeit und die Reaktionszeit f\u00fcr\nl) Hedin, An antitryptie effect of charcoal and a comparison between the action of charcoal and that of the tryptic antibody in the serum. Bio-Chem. Journ., Bd. I, S. 484, 1906.","page":501},{"file":"p0502.txt","language":"de","ocr_de":"502\nS. G. Hedin,\nverschiedene Temperaturen verglichen wurden.1) Durch den einen Versuch wurde bewiesen, da\u00df zwei gleiche Trypsinproben, welche ohne Kohle 3 Stunden aufbewahrt worden waren, die eine bei 17\u00b0 und die andere bei 37\u00b0, dieselbe aktive Trypsinmenge enthielten. W\u00e4hrend 3 Stunden war deshalb nicht mehr Trypsin zerst\u00f6rt worden bei 37\u00b0 als bei 17\u00b0. In anderen Proben, welche mit Kohle behandelt wurden, wurde w\u00e4hrend derselben Zeit bedeutend mehr Trypsin neutralisiert bei 37\u00b0 als bei 17\u00b0. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist also gr\u00f6\u00dfer bei 37\u00b0 als bei 17\u00b0. Durch den anderen Versuch wurde bewiesen, da\u00df das Ende des Neutralisierens fr\u00fcher erreicht wird bei 20\u00b0 als bei 37\u00b0, oder mindestens, da\u00df keine l\u00e4ngere Zeit in Anspruch genommen wird bei einer niedrigen Temperatur, als bei einer hohen. Wenn aber die Reaktionsgeschwindigkeit gr\u00f6\u00dfer ist bei hoher Temperatur und die Reaktion eben so lange oder l\u00e4nger dauert, wie bei einer niedrigen Temperatur, so mu\u00df die neutralisierte Trypsinmenge gr\u00f6\u00dfer sein bei hoher Temperatur.\nNach dem Rehandeln von Trypsin mit Kohle kann durch Abfiltrieren der Kohle und Pr\u00fcfen des Filtrats mit Casein bewiesen werden, da\u00df eine gen\u00fcgende Menge Kohle leicht jede Spur von Trypsin aus der L\u00f6sung anfnimmt. Wenn dagegen die Verdauung von Casein in Gegenwart von der Kohle aus-s gef\u00fchrt wird, wird immer mehr oder weniger von der tryptischen Wirkung erhalten. Dies kann nur so gedeutet werden, da\u00df Casein imstande ist, etwas von dem schon durch die Kohle aufgenommenen Trypsin an sich zu nehmen. Die Menge der durch eine gewisse Caseinmenge aus der Kohle ausgezogenen Trypsinmenge ist um so geringer, je mehr Kohle gebraucht wurde, ist aber auch, wie schon angegeben wurde, davon abh\u00e4ngig, wie lange und bei welcher Temperatur die Kohle-Trypsin-Mischung aufbewahrt wurde, bevor das Casein zugegeben wurde.)\nNach dem Zugeben des Caseins kann der Proze\u00df des Ausziehens zu jeder Zeit durch Filtrieren abgebrochen werden. Es hat sich gezeigt, da\u00df die von dem Casein ausgezogene Trypsinmenge von der Zeit der Einwirkung des Caseins, von der\n\u00d6 Bio-Chem. Journ., Bd. I, S. 492.","page":502},{"file":"p0503.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Aufnahme von Trypsin durch verschiedene Substanzen. 503\nTemperatur und von der Caseinmenge abh\u00e4ngig ist. *) Das Ende der Reaktion, wenn Trypsin nicht mehr ausgezogen wird, wird bei 20\u00b0 in weniger als lk Stunde erreicht, w\u00e4hrend bei h\u00f6herer Temperatur eine etwas l\u00e4ngere Zeit in Anspruch genommen wird. Daf\u00fcr wird aber bei h\u00f6herer Temperatur entschieden mehr Trypsin ausgezogen, als bei niedriger. Die ausgezogene Trypsinmenge w\u00e4chst mit der Caseinmenge, aber langsamer, wie diese; deshalb ist dieselbe f\u00fcr gro\u00dfe Caseinmengen konstant, unabh\u00e4ngig von Schwankungen in der gebrauchten Menge von Casein. Schlie\u00dflich ist die anwesende Menge von Wasser ohne Einflu\u00df auf die ausgezogene Menge des Trypsins.\nNach dem Gesagten ist das Neutralisieren des Trypsins durch Kohle durch zwei auf einander folgende Prozesse bedingt: Aufnehmen des Trypsins durch die Kohle und Fixieren desselben. Das schlechthin aufgenommene Trypsin kann der Kohle durch Casein entrissen werden, w\u00e4hrend dies nach dem Fixieren nicht mehr geschehen kann. Die Grenze zwischen den beiden Zust\u00e4nden ist jedoch keine scharfe. Wie wir gesehen haben, h\u00e4ngt es von der St\u00e4rke der Einwirkung des Caseins ab, wie viel Trypsin ausgezogen wird. In meinen Versuchen konnte nur 1 \u201415\u00b0/o der ganzen aufgenommenen Trypsinmenge wiedergewonnen werden; der gr\u00f6\u00dfte Teil war fixiert. Hieraus ist leicht zu ersehen, wie wichtig es ist f\u00fcr das m\u00f6glichst vollst\u00e4ndige Neutralisieren des Trypsins, da\u00df dasselbe, wenn m\u00f6glich, frei von Eiwei\u00dfstoffen ist.\nMan k\u00f6nnte sich wohl vorstellen, da\u00df das \u00abFixieren\u00bb des Trypsins durch sekund\u00e4re, destruktive Prozesse bedingt sei, welche dadurch erleichtert werden k\u00f6nnten, da\u00df die Konzentration des Trypsins auf der Kohle eine sehr starke sein mu\u00df.\nSolche Prozesse lassen sich schwerlich ausschlie\u00dfen ; nur spricht gegen eine Abt\u00f6tung des Trypsins der Umstand, da\u00df ein unzweifelhaftes Ende des Neutralisierens erreicht wird. L\u00e4\u00dft sich doch die Kohle derart mit Trypsin s\u00e4ttigen, da\u00df sie\n*) Hedin, On extraction by Casein of Trypsin adsorbed by charcoal. Bio-Chem. Journ., Bd. II.","page":503},{"file":"p0504.txt","language":"de","ocr_de":"504\nS. G. Hedin,\nauf neu zugesetztes Trypsin keinen Einflu\u00df aus\u00fcbt. Auch l\u00e4\u00dft sieh der Umstand, da\u00df keine scharfe Grenze zwischen einfach aufgenommenem und fixiertem Trypsin existiert, nur schlecht mit einer Zerst\u00f6rung von Trypsin in Einklang bringen.\nUber Adsorption.\nEs d\u00fcrfte wohl keinem Zweifel unterliegen, da\u00df die Aufnahme von Trypsin durch Kohle in naher Beziehung zu den Adsorptionsph\u00e4nomenen stehen mu\u00df, nur handelt es sich hier um Adsorption von einem kolloidalen Stoff, * f\u00fcr welchen die f\u00fcr krystalloide Stoffe gefundenen Gesetzm\u00e4\u00dfigkeiten vielleicht nicht mehr in vollem Umfange gelten. Die Adsorption von gel\u00f6sten Krystalloiden durch Kohle ist neulich eingehend von Freundlich studiert worden.1) Er fand, da\u00df es sich um gut definierbare Gleichgewichte handelt, die von beiden Seiten sehr rasch erreicht werden. Die adsorbierten Stoffe werden also leicht wieder von der Kohle abgegeben, d. h. es handelt sich um reversible Reaktionen. Dies ist f\u00fcr das Trypsin nicht der Fall, da das Trypsin zum gr\u00f6\u00dften Teil an der Kohle fixiert wird. Die Regel, da\u00df die Konzentration der adsorbierten Menge, geteilt durch die Konzentration der in L\u00f6sung bleibenden\nzunehmender Totalmenge des urspr\u00fcnglich ge-\nl\u00f6sten Stoffes abnimmt, hat sich f\u00fcr die meisten Adsorptionserscheinungen best\u00e4tigt. Dieselbe gilt auch f\u00fcr das Trypsin, wenn man anstatt von der Konzentration des Trypsins von der Menge desselben spricht. Geringe Mengen von Trypsin\nwerden n\u00e4mlich vollst\u00e4ndig adsorbiert\ndurch gr\u00f6\u00dfere Mengen wird die Kohle allm\u00e4hlich derart ges\u00e4ttigt, da\u00df nichts mehr aufgenommen wird. Die Konzentration des Trypsins scheint nur einen sehr geringen Einflu\u00df auf die adsorbierte Menge auszu\u00fcben.\nIn bezug auf Krystalloide werden Ver\u00e4nderungen der Oberfl\u00e4chenspannung an der Grenze des adsorbierenden K\u00f6rpers\nh \u00dcber die Adsorption in L\u00f6sungen, Leipzig 1906.","page":504},{"file":"p0505.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Aufnahme von Trypsin durch verschiedene Substanzen. 505\nals Ursache der Adsorption angegeben. Danach mu\u00df die Reihenfolge, in der verschiedene Stoffe absorbiert werden, von der Natur des festen, adsorbierenden Stoffes unabh\u00e4ngig sein, was auch nach Freundlich der Fall ist.\nBei der Adsorption von Enzymen scheint allerdings die Sache anders zu liegen, da in dem Falle eine ausgesprochene Spezifizit\u00e4t Vorkommen kann. So wird von zw7ei von mir gefundenen proteolytischen Enzymen in der Milz, wenn dieselben in derselben Fl\u00fcssigkeit Vorkommen, das eine durch Kieselgur adsorbiert, das andere nicht oder nur in beschr\u00e4nktem Grade, w\u00e4hrend Kohle beide in dem gleichen Verh\u00e4ltnis aufnimmt.1)\nWie schon hervorgehoben wurde, besteht eine weitgehende \u00c4hnlichkeit zwischen den neutralisierenden Wirkungen, welche Kohle und der Antik\u00f6rper im Serum auf das Trypsin aus\u00fcben. Deshalb scheint es auch sehr wahrscheinlich, da\u00df die Wirkung des Antik\u00f6rpers sowie die der Kohle durch Adsorption zustande kommt. Der Unterschied, da\u00df Kohle mit Wasser eine Suspension und der Antik\u00f6rper eine L\u00f6sung bildet, ist nur ein scheinbarer, da die L\u00f6sungen von Kolloiden in Wasser keine echten L\u00f6sungen sind, sondern Fl\u00fcssigkeiten, welche sich den typischen Suspensionen mehr oder weniger n\u00e4hern. Wie ich schon hervorgehoben habe, l\u00e4\u00dft sich der Umstand, da\u00df es mir nicht gelungen ist, alles Trypsin durch einen \u00dcberschu\u00df von Antik\u00f6rper zu neutralisieren, leicht durch die Annahme erkl\u00e4ren, da\u00df der Antik\u00f6rper (w7ie die Kohle) zun\u00e4chst alles Trypsin adsorbiert und da\u00df das darauf zugesetzte Casein einen geringen Teil davon an sich nimmt, worauf eine entsprechende Verdauung folgen mu\u00df.\nAuf die M\u00f6glichkeit, da\u00df das Neutralisieren von Toxinen durch ihre Antik\u00f6rper ein Adsorptionsproze\u00df sei, ist schon von verschiedenen Seiten die Aufmerksamkeit hingelenkt worden (Biltz,2) Nernst,3) Craw,4) Freundlich).5)\nh A case of specific adsorption. Bio-Chem. Journ., Bd. II.\nZeitschr. physik. Chem., Bd. XLVIII, S. 615, 1904.\n3)\tZeitschr. f. Elektroch., Bd. X, S. 377, 1904.\n4)\tZeitschr. physik. Chem., Bd. LII, S. 569, 1905.","page":505},{"file":"p0506.txt","language":"de","ocr_de":"506\nS. G. Hedin,\ny\n/\n\" Die Tatsache, da\u00df Casein imstande ist, durch Kohle adsorbiertes Trypsin auszuziehen, bildet ohne Zweifel eine gute St\u00fctze f\u00fcr die Ansicht, da\u00df die Enzyme von denjenigen K\u00f6rpern aufgenommen werden, auf die sie einwirken k\u00f6nnen, und es scheint nicht unwahrscheinlich zu sein, da\u00df auch dies ein Adsorptionsproze\u00df ist. ln der Tat war der Einflu\u00df der Zeit und der Temperatur sowie der der Konzentration derselbe wie der f\u00fcr die Kohle und den Antik\u00f6rper gefundene. Da\u00df kleine Trypsinmengen durch Casein vollst\u00e4ndig aufgenommen werden, wird durch die Tatsache bewiesen, da\u00df durch Kohle adsorbiertes Trypsin in meinen Versuchen nur durch Ausziehen mit Casein von der Kohle getrennt werden konnte. Nur das vom Casein ausgezogene Trypsin ging beim folgenden Filtrieren ins Filtrat, und folglich war alles im Filtrat vorhandene Trypsin am Casein gebunden. (Wenn man Casein auf freies Trypsin einwirken l\u00e4\u00dft, wird dieses wahrscheinlich sogleich aufgenommen.) Da\u00df das Casein (und Serumalbumin) durch einen \u00dcberschu\u00df von freiem Trypsin mit diesem vollkommen ges\u00e4ttigt werden kann, habe ich in einer fr\u00fcheren Arbeit nachgewiesen. D Die \u00dcbereinstimmung ist demnach eine sehr gro\u00dfe zwischen dem Aufnehmen von Trypsin durch Kohle und durch Casein.\nWenn also Trypsin einerseits durch Kohle und den Antik\u00f6rper, andererseits durch Casein adsorbiert werden kann, wie kommt es dann, da\u00df die Wirkung der Adsorption in beiden F\u00e4llen schlie\u00dflich so verschieden ausf\u00e4llt : In jenem F alle wird das Trypsin in seiner Arbeit gehemmt, in diesem scheint die Adsorption des Enzyms eine Bedingung f\u00fcr seine Arbeit zu sein? Die Verschiedenheit k\u00f6nnte wohl dadurch bedingt werden, da\u00df das Trypsin am Antik\u00f6rper und an der Kohle fixiert wird und fixiert werden kann, da die zwei Substanzen nicht durch Trypsin digeriert werden k\u00f6nnen, w\u00e4hrend das Casein nicht imstande ist, das Trypsin zu fixieren, da es durch das Trypsin zerst\u00f6rt wird. v\nSchlie\u00dflich m\u00f6chte ich auf die wichtige Rolle hinweisen, welche Adsorptionsreaktionen im Organismus zwischen kolloidalen Stoffen aus\u00fcben k\u00f6nnen. F\u00fcr die meisten Adsorptions-\n4) Hedin, Observations on the action of trypsin, Journ. of Physiol., Bd. XXXII, S. 468, 1905.","page":506},{"file":"p0507.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Aufnahme von Trypsin durch verschiedene Substanzen. 507\nerscheinungen scheint die Regel g\u00fcltig zu sein, da\u00df der adsorbierende Stoff verh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfig um so mehr aufnimmt, je weniger von dem zu adsorbierenden Stoffe vorhanden ist. Wurden doch in meinen Versuchen durch Kohle und durch Casein kleine Mengen von Trypsin vollst\u00e4ndig aufgenommen. F\u00fcr den Fall, da\u00df der adsorbierte Stoff auf den adsorbierenden irgend eine Wirkung aus\u00fcbt, werden also geringe Mengen eine verh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfig kr\u00e4ftigere Wirkung aus\u00fcben als gro\u00dfe. In dem Falle, da\u00df mehrere adsorbierende Stoffe vorhanden sind, werden diejenigen am meisten adsorbieren, welche imstande sind, den adsorbierten Stoff dauernd au\u00dfer Wirkung zu setzen. Ein geringer zeitlicher Unterschied in der Einwirkung der verschiedenen adsorbierenden Stoffe kann deshalb von entscheidendem Einflu\u00df auf die Verteilung der zu adsorbierenden Substanz sein.","page":507}],"identifier":"lit18458","issued":"1906-07","language":"de","pages":"497-507","startpages":"497","title":"\u00dcber die Aufnahme von Trypsin durch verschiedene Substanzen","type":"Journal Article","volume":"50"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:30:36.694551+00:00"}