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{"created":"2022-01-31T13:48:29.420744+00:00","id":"lit18471","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Bauer, Richard","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 51: 158-166","fulltext":[{"file":"p0158.txt","language":"de","ocr_de":"Eine expeditive Methode zum Nachweis von Galaktose\nund Milchzucker im Harn.\nVon\nDr. Richard Bauer.\n(Aus dem mediz.-chemischen Institut der Universit\u00e4t Wien.)\n(Der Redaktion zugegangen am 5. Februar 1907.)\nDurch meine Versuche \u00fcber \u00abaliment\u00e4re Galaktosurie und Laktosurie beim gesunden und kranken Menschen\u00bbl) bin ich vor die Aufgabe gestellt worden, Milchzucker und Galaktose im Harn nachzuweisen. Bei der Durchsicht der Literatur fand ich keine f\u00fcr meine Zwecke brauchbare Methode. Die Autoren haben sich meistens mit dem Nachweis der Wahrscheinlichkeit begn\u00fcgt; dort, wo Milchzucker und Galaktose exakt nachgewiesen wurden, mu\u00dften \u00fcberaus umst\u00e4ndliche Verfahren verwendet werden.\nSo hat Hofmeister2) bei seinen Versuchen \u00fcber aliment\u00e4re Galaktosurie beim Tiere die Galaktose nur durch die G\u00e4rungsprobe nachzuweisen versucht, desgleichen tat Voit,3) der beim Diabetiker aus der v\u00f6lligen Verg\u00e4rung des Harnzuckers auf die Abwesenheit von Galaktose schlo\u00df. Bei den V ersuch en \u00fcber Laktosurie der W \u00f6chnerinnen hat Hofmeister4) den Zucker durch Bleif\u00e4llung isoliert, den erhaltenen Sirup gereinigt und zur Krystallisation gebracht. Diese Krystalle wurden dann als reiner Milchzucker charakterisiert. Diese Methode ist zwar exakt, aber sie ist umst\u00e4ndlich und gibt keine gute Ausbeute. Hofmeister4) konnte nur 50\u00b0/o des Milchzuckers in reinem Zustande erhalten.\n*) R. Bauer, Wiener mediz. Wochenschrift, 1906, Nr. 1.\n*) Hofmeister, Archiv f. experim. Pathol, u. Therapie, 1885.\n3)\tVoit, Zeitschrift f. Biologie, Bd. XXIX.\n4)\tHofmeister, Diese Zeitschrift, Bd. I.","page":158},{"file":"p0159.txt","language":"de","ocr_de":"Eine expeditive Methode zum Nachweis von Galaktose usw. im Harn. 159\nDa ich bei meinen Versuchen gen\u00f6tigt war, lange Zeit hindurch t\u00e4glich viele Harnportionen einzeln auf Galaktose zu untersuchen, so habe ich mir eine Methode ausgearbeitet, die gestattet, die Galaktose im Harne exakt nachzuweisen, ohne da\u00df es n\u00f6tig ist, den Zucker vorher aus dem Harn zu isolieren. Ich habe diese Methode vielfach klinisch verwendet und \u00fcber die klinische Seite meiner Versuche in der Wiener medizinischen Wochenschrift1) berichtet. Ich habe damals versprochen, an geeignetem Orte meine Methode ausf\u00fchrlich zu beschreiben und den Beweis f\u00fcr deren Brauchbarkeit zu erbringen, was hiermit geschehen soll. Bald darauf hat L. Langstein2) Untersuchungen publiziert, bei denen er die Galaktose folgenderma\u00dfen nachgewiesen hat: Der Harn wurde mit salpetersaurem Quecksilberoxyd ausgef\u00e4llt, aus dem Filtrat die Galaktose als Bleiverbindung isoliert, die Bleiverbindung mit Schwefelwasserstoff zersetzt und der erhaltene Galaktosesirup zu Schleims\u00e4ure oxydiert. Meine Methode ist einfacher; das Prinzip derselben ist, da\u00df Milchzucker und galaktosehaltiger Harn direkt mit Salpeters\u00e4ure oxydiert und die aus dem Zucker entstandene Schleims\u00e4ure abgeschieden wird.\nDie Methode wird folgenderma\u00dfen ausgef\u00fchrt:\n100 ccm Harn werden mit 20 ccm reiner konzentrierter Salpeters\u00e4ure (spez. Gewicht 1,4) versetzt und in einem breiten, wenig tiefen Becherglase im siedenden Wasserbade eingedampft. Der Harn wird beim Zusatz der Salpeters\u00e4ure gew\u00f6hnlich dunkel, wird aber beim Erw\u00e4rmen bald wieder heller und bleibt so hell, bis er auf 40\u201450 ccm eingedampft ist. In diesem Stadium beginnt die Fl\u00fcssigkeit sich mehr braun zu f\u00e4rben, ger\u00e4t in gelindes Sch\u00e4umen, und es entweichen, insbesondere beim Sch\u00fctteln, braune D\u00e4mpfe, zum Zeichen daf\u00fcr, da\u00df jetzt die Oxydation stattfmdet. Diese Entwicklung von braunen D\u00e4mpfen dauert gew\u00f6hnlich solange an, bis der Harn auf ein Volumen von 20 ccm eingedampft ist; dann wird die Fl\u00fcssigkeit wieder\n1)\tR. Bauer, Versuche \u00fcber die Assimilation von Galaktose und Milchzucker beim Gesunden und Kranken, Wiener med. Wochenschrift, 1906, Nr. I.\n2)\tLangstein u. Steinitz, Hofmeisters Beitr\u00e4ge, 1906, Bd. VH.","page":159},{"file":"p0160.txt","language":"de","ocr_de":"160\nRichard Bauer,\nheller, h\u00f6rt auf zu sch\u00e4umen, und man sieht, da\u00df sich in der gelben, fr\u00fcher klaren Fl\u00fcssigkeit ein feiner wei\u00dfer Niederschlag bildet, der rasch an Masse zunimmt. Man nimmt nun das Becherglas aus dem Wasserbade, \u00fcberleert den Inhalt in ein kleineres Gl\u00e4schen, w\u00e4scht zweimal mit etwas destilliertem Wasser nach. Der Niederschlag nimmt in der K\u00e4lte rasch zu, weshalb man am besten die eingedampfte Fl\u00fcssigkeit \u00fcber Nacht an k\u00fchlem Orte stehen l\u00e4\u00dft. Nun wird mit Wasser verd\u00fcnnt und der Niederschlag auf ein Filter gebracht. Nach\nwiederholtem Waschen mit destilliertem Wasser, eventuell Al-\n\u2022 \u00ab\nkohol und \u00c4ther, wird der Niederschlag getrocknet und gewogen.\nDer trockene Niederschlag zerf\u00e4llt zu einem feinen wei\u00dfen Pulver, das sich in kaltem Wasser beinahe gar nicht, in hei\u00dfem Wasser nur schwer l\u00f6st, ln Alkohol, \u00c4ther, Chloroform, Benzol ist die Substanz unl\u00f6slich. Leicht l\u00f6st sich dagegen das Pulver in verd\u00fcnnten L\u00f6sungen von Natron- und Kalilauge, sowie in L\u00f6sungen von kohlensaurem Ammonium, in letzterem unter heftigem Aufsch\u00e4umen (lebhafter Kohlendioxydentwicklung). Auf S\u00e4urezusatz f\u00e4llt aus diesen L\u00f6sungen die Substanz als feiner Niederschlag langsam wieder aus. Das Pulver schmilzt in rohem Zustand bei 213\u2014215\u00b0 unter Aufsch\u00e4umen und Verkohlung. Manchmal liegt der Schmelzpunkt der rohen Substanz noch etwas tiefer. Krystallisiert man die Substanz aus hei\u00dfem Wasser um, so erh\u00e4lt man ein glitzerndes, aus mikroskopisch kleinen Prismen bestehendes Pulver, das einen h\u00f6heren Schmelzpunkt als die rohe Substanz besitzt. Dieser Schmelzpunkt ist jedoch nicht konstant, er wechselt zwischen 217 und 225\u00b0. Von zwei analysenreinen Pr\u00e4paraten schmolz eines bei 222\u00b0, eines bei 225\u00b0 bei gleichm\u00e4\u00dfig raschem Erhitzen. In zwei Versuchen wurde die Schleims\u00e4ure, wie oben geschildert, aus hei\u00dfem Wasser umkrystallisiert, im Vakuum \u00fcber Schwefels\u00e4ure getrocknet und zur Elementaranalyse verwendet.\nDieselbe ergab folgende Werte:\nI. 0,2106 g Substanz gaben 0,2629 g Kohlendioxyd und 0,0912 g Wasser II. 0,1993 \u00bb\t\u00bb\t\u00bb\t0,2508 \u00bb\t\u00bb\t> 0,0858 \u00bb\t\u00bb","page":160},{"file":"p0161.txt","language":"de","ocr_de":"Eine expeditive Methode zum Nachweis von Galaktose usw. im Harn. 161\nBei der Titration mit Lauge wurde gefunden:\n0,2129 g Substanz verbrauchten 19,2 ccm NaHO (1 ccm NaHO = 1,0267 ccm Vio-Normal-NaHO).\nBerechnet\nGefunden\n\u00c4quivalentgewicht . .\n34,27\u00b0/'\n4,8 \u00b0/o 105\nI. 34,06 \u00b0/o; II. 34,32 \u00b0/o I. 4,85 \u00b0/o; II. 4,82 \u00b0/o 108\nDie chemische Untersuchung lehrt also, da\u00df der aus galaktosehaltigen Harnen durch Oxydation mit Salpeters\u00e4ure erhaltene Niederschlag Schleims\u00e4ure ist.\nDagegen lehrten zahlreiche Kontrollversuche, da\u00df man mit Harnen, die weder Galaktose noch Milchzucker enthalten, niemals einen derartigen Niederschlag erh\u00e4lt. Zahlreiche solche Harne von verschiedenem spezifischen Gewicht habe ich nach der beschriebenen Methode behandelt; in den meisten F\u00e4llen fiel \u00fcberhaupt kein Niederschlag aus, in wenigen F\u00e4llen bildeten sich Krystalle von s alp et er saur en Salzen, die auf Zusatz von Wasser prompt in L\u00f6sung gingen.\nDie oben geschilderte Methode wurde an mehr als hundert Harnportionen ausgef\u00fchrt, die zum geringeren Teile k\u00fcnstlich mit Galaktose versetzt worden waren, zum gr\u00f6\u00dferen Teile von Patienten stammten, bei denen aliment\u00e4re Galaktosurie erzielt worden war. In den meisten F\u00e4llen wurde im Sinne obiger Ausf\u00fchrungen schon in der W\u00e4rme ein Schleims\u00e4ureniederschlag erhalten, nur in wenigen F\u00e4llen, wo kleine Mengen von Galaktose vorhanden waren, fiel die Schleims\u00e4ure erst nach einiger Zeit, in ganz vereinzelten F\u00e4llen erst nach mehreren Stunden in der K\u00e4lte aus.\nDie Ausbeute an Schleims\u00e4ure, die man bei dem beschriebenen Verfahren erh\u00e4lt, ist von mehreren Umst\u00e4nden abh\u00e4ngig, die aus der folgenden Tabelle ersichtlich sind.\nWie aus der Tabelle zu entnehmen ist, spielt vor allem die Menge der zugesetzten Salpeters\u00e4ure eine Rolle. Man mu\u00df den Zusatz der Salpeters\u00e4ure bemessen nach der Menge\nHoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie. LI.\t11","page":161},{"file":"p0162.txt","language":"de","ocr_de":"162\nRichard Bauer,\nTabelle I.\nZum Versuch ver- wendete Harn- menge ccm\tNach de: nissen dei und Poh Galal in \u00b0/o\tn Ergeb-Titration irisation dose in g\tAusb ai Schien in o/o\teute n ns\u00e4ure in g\tZuge- setzte Sal- peter- s\u00e4ure in ccm\tEinge- dampft \u2018 auf ccm\tSpezif. Gewicht des Harnes\n52\t2,7\t1,4\t60\t0,85\t15\t10\t\u2014\n100\t1\t1\t60\t0,6\t\u2014\t\u2014\t\u2014\n100\t0,5\t0,5\t50\t0,25\t\t\t\t\t\u2014\n100\t1,3\t1,3\t65\t0,85\t10\t\u2014\t\u2014\n100\t1,3\t1,3\t60\t0,8\t20\t\u2014\t\u2014\n150\t0,5\t0,75\t27\t0,2\t\u2014\t\u2014\t\u2014\n100\t2\t2\t30\t0,6\t20\t\u2014\t\t*\n76\t0,33\t0,25\t40\t0,1\t6\t5\t\u2014\n88\t1,3\t1,15\t70\t0,8\t12\t10\t\u2014\n180\t0,37\t0,7\t35\t0,25\t20\t15\t\u2014\n85\t0,85\t0,75\t70\t0,5\t15\t10\t1004\n100\t1,5\t1,5\t66\t1\t25\t15\t\u2014\n100\t2\t2\t70\t1,4\t25\t20\t1020\n50\t2\t1\t70\t0,7\t12,5\t10\t1020\n100\t2,7\t2,7\t80\t2,15\t30\t20\t1024\n100\t1,15\t1,15\t70\t0,8\t20\t15\t1009\n50\t2,2\t1,1\t60\t0,65\t12\t8\t1010\n60\t1,1\t0,66\t75\t0,5\t15\t5\t\u2014\n100\t1,8\t1,8\t66\t1,2\t20\t20\t1013\n100\t1,8\t1,8\t50\t0,9\t20\t8\u201410\t1013\n50\t5,52\t2,76\t60\t1,66\t25\t20\t\u2014\n80\t3,7\t3\t77\t2,3\t\t\t\t\u2014-\ti\nder im Ham enthaltenen oxydierbaren Substanzen, f\u00fcr welche ja das spezifische Gewicht einen gen\u00fcgenden Anhaltspunkt liefert. Bei der aliment\u00e4ren Galaktosurie ist die Menge der im Harn gel\u00f6sten Bestandteile gew\u00f6hnlich sehr gering, diese blassen Harne zeigen ein sehr niedriges spezifisches Gewicht (1003\u20141010, selten h\u00f6her als 1020). Bedenkt man, da\u00df hier","page":162},{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"Eine expeditive Methode zum Nachweis von Galaktose usw. im Harn, 163\nein gro\u00dfer Teil der gel\u00f6sten Bestandteile Galaktose ist, so ergibt sich, da\u00df nur sehr wenig andere oxydable Substanzen im Harn enthalten sein k\u00f6nnen.\nTabelle II.\nVersuche mit Harnen, die Galaktose -f- Dextrose enthalten.\nZum Versuch verwendete Harnmenge ccm\tRechtsdrehung in Prozenten Traubenzucker\tSchleim- s\u00e4ure in g\tDer Schleims\u00e4ure entsprechen an Galaktose in g mindestens\tZu- gesetzte Salpeter- s\u00e4ure ccm\tEin- gedampt auf ccm\nj 100\t8,9\t2\t2,5\t35\t\u2014\n100\t8,3\t0,7\t0,88\t40\t25\n100\t4,8\t0,5\t0,62\t35\t\u2014\n100\t6,6\t1,5\t1,9\t40\t\u2014\nIn diesen, praktisch haupts\u00e4chlich in Betracht kommenden F\u00e4llen kommt man wohl immer zum Ziele, wenn man zur Oxydation dieser Harnbestandteile 10 ccm und f\u00fcr jedes Prozent Zucker 4 ccm Salpeters\u00e4ure verwendet, so da\u00df man gew\u00f6hnlich zu 100 ccm Harn 20 ccm Salpeters\u00e4ure hinzuzusetzen hat. Ist das spezifische Gewicht h\u00f6her als 1020, was gew\u00f6hnlich durch h\u00f6heren Zuckergehalt bedingt ist, so mu\u00df man mehr Salpeters\u00e4ure, etwa 25\u201435 ccm, zusetzen. Erfahrungsgem\u00e4\u00df schadet ein m\u00e4\u00dfiger \u00dcberschu\u00df an Salpeters\u00e4ure nicht; wird hingegen zu wenig Salpeters\u00e4ure hinzugesetzt, so wird selbstverst\u00e4ndlich die Oxydation nicht zu dem gew\u00fcnschten Ende gef\u00fchrt.\nEs ist ferner zu \u00fcberlegen, wie weit man den Harn ein-dampfen soll. Wie oben ausgef\u00fchrt wurde, dampft man den Harn gew\u00f6hnlich auf ein Volumen ein, das dem Volumen der zugesetzten Salpeters\u00e4ure entspricht, also bei Zusatz von 20 ccm Salpeters\u00e4ure auf 20 ccm. Ma\u00dfgebend hierbei ist jedoch, da\u00df die Oxydation, bezw. die Entwicklung von braunen D\u00e4mpfen, bereits stattgefunden hat. W\u00e4re dies nicht der Fall gewesen, so mu\u00df man weiter eindampfen, wie dies auch aus der Tabelle ersichtlich ist.\nUnter Einhaltung dieser Bedingungen gelingt es ausnahmslos,\n11*","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"164\nRichard Bauer,\ndort Schleims\u00e4ure zu erhalten, wo der Ham mindestens l\u00b0/o Galaktose enth\u00e4lt. Enth\u00e4lt der Harn weniger Galaktose, so kommt man mit folgendem Kunstgriff zum Ziele: Man dampft nebeneinander mehrere Harnportionen unter Salpeters\u00e4urezusatz in der oben beschriebenen Weise auf je 20 ccm ein, vereinigt die eingedampften Fl\u00fcssigkeiten und dampft sie\u2018weiter ein, bis die braunen D\u00e4mpfe sich entwickeln. So gelingt es noch, 0,5 \u00b0/o, ja 0,25 \u00b0/o Galaktose als Schleims\u00e4ure nachzuweisen.\nDie Ausbeute an Schleims\u00e4ure ist gut, aber nicht konstant. Haben ja schon die Versuche von Tollens1) gezeigt, da\u00df reine Galaktose bei der Oxydation mit Salpeters\u00e4ure nie die theoretisch berechnete Menge an Schleims\u00e4ure liefert, sondern selten mehr als 70\u00b0/o, h\u00f6chstens 80\u00b0/o der angewandten Galaktosemenge. Allerdings erh\u00e4lt man aus dem Harn oft Mengen von Schleims\u00e4ure, welche 70\u201480\u00b0/o von der im Ham enthaltenen Galaktosemenge betragen (siehe Tabelle), aber oft auch nur 50\u201460\u00b0/o.\nImmerhin kann die W\u00e4gung der abgeschiedenen Schleims\u00e4ure einige wertvolle Aufschl\u00fcsse geben. Gesetzt den Fall, 100 ccm Harn liefern bei der Oxydation mit Salpeters\u00e4ure 0,8 g Schleims\u00e4ure und die mit dem Harn vorgenommene titrimetrische und polarimetrische Untersuchung ergibt Werte, welche einem Gehalt von l\u00b0/o Galaktose entsprechen, so kann daraus geschlossen werden, da\u00df in diesem Harn neben dem einen Prozent Galaktose kein anderer Zucker vorhanden war.\nF\u00fcr mich kamen vielfach Harne in Betracht, in welchen Galaktose neben Dextrose nachgewiesen werden sollte.2) Mein Verfahren hat sich auch in diesen F\u00e4llen anstandslos bew\u00e4hrt, was um so wertvoller ist, als hier alle anderen Methoden im Stiche lassen. Der Vergleich der bei der titrimetrischen und polarimetrischen Untersuchung gefundenen Werte lehrt h\u00f6chstens, da\u00df neben Dextrose noch ein anderer Zucker im Harn enthalten ist, gibt jedoch keinen Aufschlu\u00df \u00fcber die Mengen der einzelnen Zuckerarten.\n*) Handbuch der Kohlehydrate, I. B., S. 100, 318, Breslau 1898.\n2) R. Bauer, Weitere Untersuchungen \u00fcber aliment\u00e4re Galaktosurie, Wiener med. Wochenschrift 1906, Nr. 52.","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"Eine expeditive Methode zum Nachweis von Galaktose usw. im Ham. 165\nDas Gewicht der abgeschiedenen Schleims\u00e4ure hingegen l\u00e4\u00dft wenigstens einen approximativen Schlu\u00df auf die Menge der Galaktose zu, so da\u00df wenigstens ein Minimalwert f\u00fcr diese angegeben werden kann.\nDie Methode kann naturgem\u00e4\u00df, wie ich mich \u00fcberdies durch Versuche \u00fcberzeugen konnte, auch zum Nachweis von Milchzucker im Harn verwendet werden. Selbstverst\u00e4ndlich kann sie allein nicht entscheiden, ob in dem Harn Galaktose oder Milchzucker enthalten war; doch kann auch hier, so wie in den fr\u00fcher skizzierten F\u00e4llen, die Menge der abgeschiedenen Schleims\u00e4ure verglichen mit den Resultaten der Untersuchung im Polarisationsapparat und durch Titration wertvolle Aufschl\u00fcsse geben \u00fcber die Natur und die Menge des vorhandenen Zuckers, w\u00e4hrend die beiden letztgenannten Untersuchungsmethoden allein auch hier im Stiche lassen, wie bei dem fr\u00fcher besprochenen Gemenge von Dextrose und Galaktose. Derartige \u2022 \u2022\n\u00dcberlegungen haben mir oft bei meinen klinischen Arbeiten gute Dienste geleistet.\nPraktisch kommt bei W\u00f6chnerinnen die Frage in Betracht, ob ein mit dem Harn ausgeschiedener Zucker Dextrose oder nur Milchzucker ist. Ich beabsichtige weiter zu untersuchen, ob nicht auch hier meine Methode von Vorteil ist.\nIn obigen Ausf\u00fchrungen war von G\u00e4rversuchen nicht die Rede. Die Durchsicht der Literatur zeigte mir, da\u00df in bezug auf das G\u00e4rungsverm\u00f6gen der Galaktose sehr verschiedene Ansichten herrschen, weshalb ich danach strebte, mich von dieser Methode unabh\u00e4ngig zu machen. Dennoch habe ich der Vollst\u00e4ndigkeit wegen in allen F\u00e4llen, wo ich die Galaktose als Schleims\u00e4ure nachgewiesen habe, auch den G\u00e4rversuch angestellt. Die durch Kochen sterilisierten Harne wurden nach dem Ausk\u00fchlen mit frischer Pre\u00dfhefe versetzt, in sterile G\u00e4rungsr\u00f6hrchen gef\u00fcllt und in den Brutschrank gestellt.\nDie Resultate waren folgende:\nGalaktosehaltige Harne zeigen nach sechs Stunden keine oder nur geringe G\u00e4rung, w\u00e4hrend eine Kontrollprobe mit","page":165},{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"166 Richard Bauer, \u00dcber Galaktose und Milchzucker.\nDextrose in derselben Zeit v\u00f6llig verg\u00e4rt. Dehnt man den G\u00e4rversuch auf l\u00e4ngere Zeit aus, so beginnt auch der galaktosehaltige Harn langsam, aber deutlich zu g\u00e4ren, ln Harnen, die neben Galaktose auch Dextrose enthalten, schreitet die G\u00e4rung rascher vorw\u00e4rts, es verg\u00e4rt nicht nur die Dextrose, sondern auch die Galaktose kommt relativ rascher zur Verg\u00e4rung. In rein w\u00e4sserigen L\u00f6sungen g\u00e4rt Galaktose weniger gut, es ist daher notwendig, bei Kontrollversuchen entweder der w\u00e4sserigen Galaktosel\u00f6sung einen Hefextrakt zuzusetzen oder die Galaktose in Harn aufzul\u00f6sen.","page":166}],"identifier":"lit18471","issued":"1907","language":"de","pages":"158-166","startpages":"158","title":"Eine expeditive Methode zum Nachweis von Galaktose und Milchzucker im Harn","type":"Journal Article","volume":"51"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:48:29.420749+00:00"}