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{"created":"2022-01-31T13:47:11.108142+00:00","id":"lit18523","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Euler, Hans","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 52: 146-158","fulltext":[{"file":"p0146.txt","language":"de","ocr_de":"Gleichgewicht und Endzustand bei Enzymreaktionen.\nVon\n\u2018 H. Euler.\n(Aus dem chemischen Laboratorium der Hochschule Stockholm.) (Der Redaktion zugegangen am 16. Mai 1907.)\nDie vielfachen Bearbeitungen der Enzymreaktionen in den letzten Jahren haben zu dem jetzt wohl allgemein anerkannten Ergebnis gef\u00fchrt, da\u00df die Enzyme als Katalysatoren zu betrachten sind, also als Stoffe, welche schon in geringer Konzentration imstande sind, freiwillig verlaufende Reaktionen zu beschleunigen. In welcher Weise diese Beschleunigung stattfindet, also die Theorie der Enzym Wirkung ist wie die Theorie der Katalyse im allgemeinen noch nicht ausgearbeitet.\nWas letztere betrifft, so glaube ich neue St\u00fctzpunkte f\u00fcr eine fr\u00fcher gegebene Darstellung der katalytischen Reaktionen gefunden zu haben. Die Verbindung zwischen Ester bezw. Rohrzucker und Minerals\u00e4ure, welche die reagierenden (aktiven) Molek\u00fcle bezw. Ionen bei der Hydrolyse dieser K\u00f6rper ausmacht, haben sich bei der katalytischen Aufspaltung des Glycinanhydrids nachweisen bezw. messen lassen. Anderseits haben Versuche ergeben, da\u00df racemischer Weins\u00e4ureester durch optisch aktive S\u00e4uren asymmetrisch gespalten wird, ein Resultat, das kaum anders gedeutet werden kann als durch die Annahme, da\u00df sich die Verbindungen des optisch aktiven Katalysators mit den beiden Antipoden durch ihre Konzentration und Reaktionsf\u00e4higkeit unterscheiden.\nBez\u00fcglich der Enzymwirkungen sind zahlreiche Forscher durch verschiedenartige \u00dcberlegungen zu dem Resultat gekommen, da\u00df die enzymatischen Spaltungen durch Verbindungen\nA) Aus K. Svenska Yet. Akad. Arkiv f. Kemi, Bd. II, 1907.","page":146},{"file":"p0147.txt","language":"de","ocr_de":"Gleichgewicht und Endzustand bei Enzymreaktionen.\n147\nzwischen Enzym und Substrat vermittelt werden. Es sei hier nur an die Arbeiten von Gautier, Hanriot,1) Brown,2) Glendinning,3) Bodenstein.,4) Kastle und Loevenhart,5) Henri,6) Metwedew,7) Armstrong8) und Hedin9) erinnert. Bei den bisher studierten katalytischen Reaktionen ist die Konzentration der Verbindung Substrat-Katalysator so gering, da\u00df die Konzentration des \u00abSubstrates\u00bb dadurch nicht erheblich ge\u00e4ndert wird, weder im Verlauf der Reaktion noch nach deren Ablauf, im Gleichgewicht. In der Tat geh\u00f6rt es zur Charakteristik eines Katalysators nach heutiger Definition, da\u00df er die Gleichgewichtskonzentration der Reaktionskomponenten nicht \u00e4ndert.\nEnzymatische monomolekulare Spaltmengen unterscheiden sich von den durch anorganische Katalysatoren bewirkten dadurch, da\u00df ihre Geschwindigkeit nicht nur von der absoluten Konzentration des Katalysators (Enzym), sondern auch vom Konzentrationsverh\u00e4ltnis Enzym : Substrat abh\u00e4ngig ist. Ist die Substanz im \u00dcberschu\u00df, so ist die Reaktionsgeschwindigkeit ungef\u00e4hr proportional der Enzymkonzentration ; ist das Enzym im \u00dcberschu\u00df vorhanden, so wird die Geschwindigkeit angen\u00e4hert proportional der Substanzkonzentration, in jedem Fall scheint die Reaktionsgeschwindigkeit der Konzentration des \u00abZwischenproduktes\u00bb proportional zu sein.\nAnderseits hat das quantitative Studium der Enzymreaktionen ergeben, da\u00df auch die Reaktionsprodukte durch Enzympr\u00e4parate gebunden werden. (Henri, Bodenstein u. a.)\nEs fr\u00e4gt sich nun, wie die Verh\u00e4ltnisse bei den Gleichgewichten enzymatischer Reaktionen liegen. Die Beteiligung\nq Compt. rend., Bd. CXXXII, S. 146, 212 (1901).\n2)\tJourn. Chem. Soc., Bd. LXXXI, S. 383 (1902).\n3)\tJourn. Chem. Soc., Bd. LXXXI, S. 415 (1902).\n4)\tSiehe Henri,, Th\u00e8ses, Paris 1903.\n6)\tAmer. Chem. Journ., Bd. XXIX, S. 585 (1903).\n8) Compt. rend., Bd. CXXXV, S. 916 (1902) und Zeitschrift f\u00fcr phys. Chem., Bd. XXXIX, S. 194 (1902).\n7)\tPfl\u00fcgers Arch., Bd. CIII, S. 425 (1904).\n8)\tProc. Roy. Soc., Bd. LXXIII, S. 516 (1904).\n9)\tJourn. of Physiol., Bd. XXXH, S. 468 (1905).\n10*","page":147},{"file":"p0148.txt","language":"de","ocr_de":"148\nH. Euler,\nder Verbindung Enzym-Substrat am Gleichgewicht ist meines Wissens bis jetzt nicht ber\u00fccksichtigt worden. Mehrfach hat man die Endzust\u00e4nde als Analoga der falschen GleichgewichteQ dargestellt, welche durch eine allm\u00e4hliche Zerst\u00f6rung der Fermente bedingt werden.\nAllgemeine Gleichgewichtsbedingungen.\nMit der Annahme von reaktionsvermittelnden Molek\u00fclen Enzym-Substrat und Enzym-Reaktionsprodukt ist ausgesprochen, da\u00df die Wechselwirkung zwischen diesen Molek\u00fclarten sehr viel rascher erfolgt als diejenige zwischen den freien Substratmolek\u00fclen und ihren Spaltprodukten. Es sind also in erster Linie die Konzentrationen der Molek\u00fclarten Enzym-Substrat und Enzym-Reaktionsprodukt, welche den Endzustand bedingen.\nI. Wir machen zun\u00e4chst die vereinfachende Annahme, da\u00df sich in der Zeiteinheit ebenso viele Molek\u00fcle Enzym-Substrat wie Molek\u00fcle Enzym-Reaktionsprodukte an der Reaktion beteiligen. Dann ist die Geschwindigkeit kx der Substratzer-setzung proportional der Konzentration der Molek\u00fcle Enzym-\nSubstrat, oder wenn\n\u00a3 __ [Enzym-Substrat]\n1\t[Enzym] [Substrat]\nso ist\n= Kt [Enzym] [Substrat].\nIn gleicher Weise wird die Geschwindigkeitskonstante der Substratbildung ausgedr\u00fcckt durch\nk2 = K2 [Enzym] [Reaktionsprodukt]l 2\nwenn, wie gew\u00f6hnlich, aus 1 Molek\u00fcl Substrat 2 Molek\u00fcle Reaktionsprodukt entstehen. Nach van\u2019tHoff ist dann die Gleichgewichtskonstante gegeben durch den Quotienten\nkt __ Kt [Substrat]\nk2\tKg [Reaktionsprodukt]2\nl) Falsche Gleichgewichte ist die nicht ganz gl\u00fcckliche Bezeichnung f\u00fcr scheinbar konstante Zust\u00e4nde eines chemischen Systems, welche\ndurch Reaktionsverz\u00f6gerungen irgend welcher Art bedingt werden, z. B. dadurch, da\u00df der Katalysator der Reaktion w\u00e4hrend derselben oder durch sie verschwindet.","page":148},{"file":"p0149.txt","language":"de","ocr_de":"Gleichgewicht und Endzustand hei Enzymreaktionen.\n149\nDer numerische Wert des \u00abenzymatischen\u00bb Endzustandes f\u00e4llt nun, wie unmittelbar ersichtlich, mit dem Wert des \u00abnat\u00fcrlichen\u00bb, stabilen Gleichgewichtes, wie es etwa durch einen anorganischen Katalysator erreicht wird, nur dann zusammen, wenn Kx = K2, also nur f\u00fcr den Fall, da\u00df die Bindungen Enzym-Substrat und Enzym-Reaktionsprodukte gerade gleich stark sind. F\u00fcr eine solche Annahme liegt aber bis jetzt kein Anla\u00df vor, im Gegenteil sind z. B. die von Henri mit Invertin erhaltenen Resultate so gedeutet worden, da\u00df dieses Enzym von Rohrzucker, Glukose und Fruktose verschieden stark gebunden wird.\nLassen wir die obige vereinfachende Annahme fallen, da\u00df von den beiden \u00abaktiven\u00bb Molek\u00fclarten in der Zeiteinheit gleich viele reagieren, sondern m\u00f6gen in gleichen Zeiten von den Enzym-Substratmolek\u00fclen n\u00b0/o und von den Enzym-Reaktionsproduktmolek\u00fclen m\u00b0/o reagieren, so wird\n^ __ kt ___ Kj n [Substrat]\nk2 K2m [Reaktionsprodukt]2\nund R wird identisch mit den stabilen Gleichgewichtskonstanten, wenn K*n \u2014 K.,m.\nMan wird also hiernach im allgemeinen erwarten d\u00fcrfen, da\u00df Enzvme zu einem anderen Endzustand f\u00fchren als anor-ganische Katalysatoren.\nDas bis 1892 vorliegende Yersuchsmaterial hat Tam-mann1) in einer umfassenden und grundlegenden Arbeit mit eigenen Versuchen zusammengesteilt. Die \u00e4lteren von Tam-mann zitierten Arbeiten sind in quantitativer Hinsicht unvollkommen und sollen deswegen hier nicht wiedergegeben werden. Wesentlich und zweifellos richtig ist aber das Ergebnis, welches Tarn mann seinem eigenen Versuchsmaterial entnimmt, da\u00df der Endzustand der Fermentreaktionen nicht mit dem stabilen Gleichgewichtszustand der Reaktion zusammenf\u00e4llt.\nIn neuester Zeit haben Bodenstein und Dietz2) das unter dem Einflu\u00df von Pankreaslipase sich einstellende Gleichgewicht des Amylbutyrats eingehender untersucht. Sie ermitteln die beiden Konstanten der Gleichung\nP Diese Zeitschrift, Bd. XVI, S. 281 (1892).\n2) Zeitschrift f. Elektroch., Bd. XII, S. 605 (1906).","page":149},{"file":"p0150.txt","language":"de","ocr_de":"150\nH. Euler,\n-Tjj- == kA [S\u00e4ure]. [Alkohol] \u2014 k2 [Ester] [Wasser]\n\u2022 ft\nwelche sich, da Wasser und Alkohol im Uberschu\u00df vorhanden sind, vereinfacht zu\ndx\ndt\n= k\u00b1 [S\u00e4ure] \u2014 k2 [Ester*]\nSie bestimmen kx und k2 und finden stets\nkA _ [Ester] _ k2 [S\u00e4ure]\nDer Endzustand der enzymatischen Reaktion zeigte indessen starke und regelm\u00e4\u00dfige Abweichungen vom nat\u00fcrlichen, stabilen Gleichgewicht des Systems Amylbutyrat, Wasser, Butters\u00e4ure und Amvlalkohol. W\u00e4hrend f\u00fcr dieses die Gleich-gewichtskonstante 1,96 betr\u00e4gt, ergaben die Fermentversuche :\n0,05 norm. : K = 0,45 0,10 \u00bb : \u00bb = 0,74 0,20 * : \u00bb = 1,12\nDer Endzustand wird von beiden Seiten erreicht und damit ist der Beweis erbracht, da\u00df es sich nicht um Reaktionsverz\u00f6gerungen handelt.\nDie Verfasser geben f\u00fcr ihr Resultat keine Erkl\u00e4rung, haben es auch nicht mit den Ergebnissen von Tammann in Beziehung gesetzt.\nNachdem also gezeigt ist, da\u00df im allgemeinen Reaktionen bei Anwesenheit von Fermenten ein anderes Gleichgewicht erreichen als ohne diese, ist zu fragen, ob nach den obigen, Seite 148 eingef\u00fchrten Voraussetzungen die Gleiehgewichtskonstante von der Konzentration des Fermentes und der Reaktionskomponenten unabh\u00e4ngig ist.\nBez\u00fcglich der Verbindungen Enzym-Substrat und Enzym-Reaktionsprodukte sind im wesentlichen zweierlei Annahmen gemacht worden.\na) Das Enzym verteilt sich zwischen Substrat und Reaktionsprodukt. (Bodenstein, Henri.) Diese Verteilung w\u00e4re also etwa zu denken wie diejenige einer schwachen S\u00e4ure zwischen zwei schwachen Basen. Der Grad der Hydrolyse und somit die Konzentration der nicht hydrolysierten Verbindungen","page":150},{"file":"p0151.txt","language":"de","ocr_de":"Gleichgewicht und Endzustand bei Enzymreaktionen. i-Ol\nvariiert, sofern die beiden Konstanten der Hydrolyse nicht gleich gro\u00df sind, ungleich mit der Verd\u00fcnnung. Es ist also im allgemeinen eine Abh\u00e4ngigkeit des enzymatischen Gleichgewichts sowohl von der Konzentration des Fermentes als der Konzentration der Reaktionskomponenten zu erwarten.\nb) Das Enzym addiert zugleich Substrat und Reaktionsprodukte zu dissoziierbaren Komplexen (Arrhenius). Bei dieser Annahme ist a priori die M\u00f6glichkeit der gegenseitigen Dissoziationsbeeinflussung durch Substrat und Reaktionsprodukte noch gr\u00f6\u00dfer als im vorhergenannten. Unter den einfachsten Annahmen liegen die Verh\u00e4ltnisse analog wie bei a.\nExperimentell hat Tammann (1. c.) die Abh\u00e4ngigkeit des Endzustandes von der Menge des Fermentes und der Reaktionskomponenten eingehend untersucht und festgestellt. Bei der Einwirkung von Emulsin auf Arbutin und Coniferin ergab sich, da\u00df die im Endzustand gespaltene Substanzmenge mit wachsender Fermentmenge w\u00e4chst und schlie\u00dflich ein Maximum erreicht. Dies deutet darauf hin, da\u00df mit steigender Fermentmenge die Menge der aktiven Molek\u00fcle Enzym-Reaktionsprodukte st\u00e4rker zunimmt als die der Molek\u00fcle Enzym-Substrat. Bei gleichbleibender Fermentmenge wurde in verd\u00fcnntem Amygdalin und Arbutin relativ mehr gespalten als in konzentrierten L\u00f6sungen ; f\u00fcr die Spaltung des Coniferins durch Emulsin gilt wahrscheinlich dieselbe Beziehung.\nSchlie\u00dflich ist zu untersuchen, in welchen Grenzen nach der gegebenen Theorie der Endzustand einer Enzymreaktion ge\u00e4ndert werden kann und unter welchen Umst\u00e4nden ein Enzym reversibel bezw. synthetisch wirkt. .\nDie n\u00e4chste Folgerung aus dem vorher Gesagten ist die, da\u00df die Konzentrationen eines Systems, welches sich im wirklichen stabilen Gleichgewicht befindet, durch Zusatz eines Enzyms ge\u00e4ndert werden kann, eine Konsequenz, welche wohl besonders gepr\u00fcft zu 'werden verdient.\nNach Annahme von Bodenstein und Henri \u00fcber die Verteilung des Enzyms zwischen Substrat und Reaktionsprodukten ist die Konstanz des Endzustandes bei gegebener Konzentration des Fermentes und Substrates zu erwarten.","page":151},{"file":"p0152.txt","language":"de","ocr_de":"152\nH. Euler,\nWerden Substrat und Reaktionsprodukte jedoch an verschiedene Gruppen desselben Fermentmolek\u00fcls gebunden, so ist die M\u00f6glichkeit gegeben, da\u00df eine der beiden Gruppen durch irgend welche Einfl\u00fcsse inaktiviert werden kann. Wir kommen dann teils zu ausschlie\u00dflich spaltend, teils zu ausschlie\u00dflich synthetisierend wirkenden Fermentmolek\u00fclen, und in diesem Fall ist der Endzustand eines Systems in beliebigen Grenzen variabel und beruht auf der relativen Konzentration der beiden Arten des Fermentes. Die Annahme liegt dann nahe, da\u00df die Enzyme in den Organen und also auch die Enzympr\u00e4parate, welche wir zum Studium enzymatischer Reaktionen anwenden, ein Gleichgewicht bezw. ein Gemisch von spaltenden und synthetischen Enzymmolek\u00fclen darstellen, welche sich durch ihre Wirkungen also neutralisieren, von Enzym und Antienzym.\nAls St\u00fctze f\u00fcr diese Hypothese lassen sich in erster Linie diejenigen Tatsachen anf\u00fchren, welche die Antifermente des normalen Blutserums betreffen.\nDurch die Untersuchungen von Hahn1) und die fast gleichzeitigen von Pugliese und Coggi2) ist zuerst festgestellt worden, da\u00df normales Serum die tryptische Verdauung hemmt. Weitere Arbeiten hier\u00fcber liegen von Achalme, Camus und Gley, Charrin und Levadati, Simnitzki und Glaessner vor. Diese antitryptische Wirkung ist an das Serumalbumin gebunden. (Landsteiner,3) Catheart,4) Hedin.5))\nD\u00e9l\u00e9zenne6) hat behauptet, da\u00df die hemmende Wirkung des normalen Serums einer Neutralisation der entsprechenden Kinasen zuzuschreiben ist. Er beschreibt folgende Versuche:\nNach vorl\u00e4ufiger Bestimmung derjenigen Menge Serum, welche gerade die verdauende Wirkung einer Mischung von Pankreassaft und Darmsaft auf heb en kann, werden 3 R\u00f6hren mit gleichen Mengen der zu verdauenden Substanz, der Pankreassaftmischung und der zur Neutrali-\n\u2018) Berl. klin. Wochenschrift, Bd. XXXIV, S. 499 (1897).\n2) Bollet. Scienze Med., Bd. VIII (1897).\n8) Zentralbl. f. Bakteriol., Bd. XXVII, S. 357 (1900).\n4)\tJourn. of Physiol., Bd. XXXI, S. 497 (1904).\n5)\tJourn. of Physiol., Bd. XXXII, S. 390 (1905).\n\u00ab) G. r. Soc. Biol., Bd. LV, S. 132 (1903).","page":152},{"file":"p0153.txt","language":"de","ocr_de":"Gleichgewicht und Endzustand bei Enzymreaktionen.\n153\nsation hinreichenden Menge Serum gef\u00fcllt. Nach einigen Stunden \u00fcberzeugt man sich, da\u00df in keiner der R\u00f6hren Verdauung eingetreten ist und f\u00fcgt dann zur R\u00f6hre A einen \u00dcberschu\u00df von Pankreassaft, zu B einen \u00dcherschu\u00df von Darmsaft, G dient als Kontrollversuch. Nun ergab sich, da\u00df Verdauung hierauf nur in B eintrat. D\u00e9l\u00e9zenne zieht daraus den Schlu\u00df, da\u00df bei der Verdauung durch die Pankreas-Darmsaft-Mischung nur der Darmsaft (die Kinase) neutralisiert war. Ascoli undBezzola1) kamen zu teilweise \u00e4hnlichen Ergebnissen.\nGegen diese Auffassung sind Einw\u00e4nde erhoben worden. Nach D\u00e9l\u00e9zenne w\u00e4re das Antitrypsin eine Antikinase und Bayliss. und Starling2) meinen, man k\u00f6nnte dann noch die Existenz eines Anti-trypsinogens erwarten, welches diese Forscher jedoch nach subkutaner Injektion im Blutserum nicht nachweisen konnten.\nD\u00e9l\u00e9zenne hat jedenfalls wahrscheinlich gemacht, da\u00df die hemmende Wirkung des normalen Serums nicht einer direkten Einwirkung auf die proteolytischen Fermente zuzuschreiben ist.\nNormales Blutserum enth\u00e4lt, wie Hedin3) gezeigt hat, nicht nur Antitrypsin, sondern gleichzeitig ein proteolytisches Enzym, die Serumprotease. Dieselbe l\u00e4\u00dft sich durch Salzf\u00e4llung vom Antitrypsin trennen, da die Protease der Globulinfraktion, das Antitrypsin der Albuminfraktion folgt. Diese M\u00f6glichkeit, Ferment und Antiferment, welche ihre Wirkung gegenseitig auf-heben\" durch Salzf\u00e4llung zu trennen, d\u00fcrfte mit der Annahme, da\u00df Ferment und Antiferment sich hier binden, nicht vereinbar sein, sondern spricht f\u00fcr die Annahme, da\u00df die Reaktionsprodukte der beiden Fermente sich im Gleichgewicht halten.\nDa\u00df \u00fcbrigens die Antitrypsinmenge im Serum durch Injektion von Trypsinl\u00f6sungen erheblich gesteigert werden kann, haben Achalme4) und Weinland5) gezeigt. Wenn also das normale Serum antitrypsin und das durch Injektion erzeugte vielleicht auch nicht vollst\u00e4ndig identisch sind, so deutet nichts auf eine wesentliche Verschiedenheit.\nDer Zustand; in welchem sich die spaltbaren Eiwei\u00dfk\u00f6rper\nP Zentralbl. f. BakterioL, Bd. XXXIII, S. 783 (1903).\n2) Journ. of Physiol., Bd. XXXII, S. 129 (1905).\ns) Diese Zeitschrift, Bd. XXXII.\n4)\tAnn. de l\u2019Inst. Pasteur, Bd. XV, S. 737 (1901).\n5)\tZeitschrift f. Biol., Bd. XLIV, S. 46 (1902). .\t,\t' /\t/ .\n","page":153},{"file":"p0154.txt","language":"de","ocr_de":"154\nH. Euler,\nim Organismus befinden, ist gegeben durch die relativen Konzentrationen von Trypsin und Antitrypsin, also allgemein Ferment und Antiferment.\nDie Trennung von mit Antiferment \u00abneutralisierten\u00bb Fermenten ist auch mehrfach dadurch gelungen, da\u00df der eine dieser beiden K\u00f6rper durch Erhitzen der L\u00f6sungen zerst\u00f6rt wurde, w\u00e4hrend der andere intakt blieb. Versuche, Invertin und Antiinvertin bezw. Maltase und Antimaltase durch Diffusion zwischen einer 'Schicht von Rohrzucker und Invertinzucker bezw. einer Schicht von Maltose und Glukose zu verteilen, haben bis jetzt noch kein eindeutiges Resultat geliefert.\nIn mehreren F\u00e4llen ist lange dar\u00fcber diskutiert worden, ob zwei entgegengesetzte Wirkungen eines Enzympr\u00e4parates als die Wirkung eines Enzyms auf ein reversibles System oder als die Wirkung zweier Enzyme anzusehen sind. So ist z. R. fraglich, wie die sog. Plasteinbildung zustande kommt.\nDurch Danilewski ist festgestellt worden, da\u00df Labferment in konzentrierten L\u00f6sungen von Wittepepton eigent\u00fcmliche Eiwei\u00dfniederschl\u00e4ge hervorruft. Dieses Ph\u00e4nomen, die \u00abPlasteinbildung\u00bb, welche auch unter der Einwirkung von Pepsinpr\u00e4paraten eintritt, wurde im Laboratorium Danilewskis weiter untersucht und hat besonders russische Forscher besch\u00e4ftigt. Kurajeff1) fand die analoge koagulierende Eigenschaft des Papayotins. Lawrow und Salaskin2) konnten feststellen, da\u00df die in konzentrierten Wittepeptonl\u00f6sungen unter Einwirkung von Magensaft eintretende Bildung von Niederschl\u00e4gen bei allen Arten von Albumosen stattfindet. Nach Lawrows3) neuesten Untersuchungen k\u00f6nnen au\u00dfer den Albumosen auch Substanzen vom Typus der Aminos\u00e4uren und zwar am besten in schwach saurer L\u00f6sung koaguliert werden. Die Koagulosen zeigen qualitativ Eiwei\u00dfreaktionen, unterscheiden sich aber von diesen durch einen Mindergehalt an Stickstoff. Die Plasteinbildung steigt mit der Konzentration der\n*) Hofmeisters Beitr., Bd. I, S. 121 (1901), Bd. II, S. 411 (1902)\nund Bd. IV, S. 476 (1904).\n2)\tDiese Zeitschrift, Bd. XXXVI, S. 277 (1902).\n3)\tDiese Zeitschrift, Bd. LI, S. 1 (1907).","page":154},{"file":"p0155.txt","language":"de","ocr_de":"Gleichgewicht und Endzustand bei Enzymreaktionen.\n155\nreagierenden L\u00f6sungen und tritt besonders unter Bedingungen ein, welche die hydrolytische Spaltung der Eiwei\u00dfk\u00f6rper hindern.\nNach allem scheint festzustehen, da\u00df es sich bei der Danilewskischen Reaktion wirklich um eine synthetisierende Wirkung des Pepsins resp. Labfermentes handelt, wenn auch eine eigentliche Reversibilit\u00e4t der Pepsinwirkung, d. h. eine R\u00fcckbildung des Ausgangsmateriales nicht nachgewiesen ist.\nDa\u00df etwa Pepsin nicht genau dieselben Eiwei\u00dfk\u00f6rper aufbaut, welche es spaltet, ist ja bei der Zahl und Mannigfaltigkeit der Spaltprodukte, welche entstehen, nicht auffallend ; dieselben k\u00f6nnen sich ja zu einem stabileren Molek\u00fcl anordnen. *) Jedenfalls ist das Ergebnis, da\u00df unter den Verh\u00e4ltnissen, welche f\u00fcr eine Zur\u00fcckbildung von Eiwei\u00df g\u00fcnstig sind, ein \u00e4hnliches, aber nicht dasselbe Produkt gebildet wird wie dasjenige, welches der Spaltung unterliegt, analog dem, welches bei den reversiblen Reaktionen in der Kohlenhydrat- und Glukosidgruppe festgestellt ist. Ich erinnere an folgende F\u00e4lle:\nNachdem Tammann (1. c.) bereits reversible Enzymreaktionen aufgesucht und van\u2019t Hoff auf die Bedeutung dieses Problems wieder aufmerksam gemacht hatte, gelang es bekanntlich 1898 Croft Hill,2) eine synthetische Wirkung der Hefemaltase nachzuweisen. Croft Hill beobachtete, da\u00df Hefe-maltase durch monatelange Einwirkung auf eine 40\u00b0/oige Glukosel\u00f6sung bei 30\u00b0 deren Reduktions- und Drehungsverm\u00f6gen im Sinne einer Maltosebildung \u00e4ndert. Bald darauf wies in-\n*) Unter den Reversionen, welche, wie die Plasteinbildung, chemisch noch nicht aufgekl\u00e4rt sind, ist die von Crem er beobachtete R\u00fcckbildung von Glykogen aus Trauben- und Fruchtzucker im Buchner sehen Hefe-pre\u00dfsaft zu erw\u00e4hnen (Ber, d. Deutsch, ehern. Ges., Bd. XXXH, S. 2062). Ferner geh\u00f6rt hierher die von Maquenne (Bull. Soc. Chim. de Paris, Bd. XXXV, Juillet 1906) und von Wolff und Fernbach (Compt. rend., Bd. CXXXVII, S. 718 ; Bd. CXXXVIII, S. 819) studierte enzymatische R\u00fcckbildung von Amylose aus ihren Spaltprodukten. Vielleicht handelt es sich bei der gelegentlich von Overton beobachteten R\u00fcckbildung von St\u00e4rke in plasmolysierten Pflanzenzellen um eine \u00e4hnliche Enzymwirkung (Vierteljahrsschrift d. naturf. Ges. in Z\u00fcrich, Bd. XLIV, S. 132 (1899).\n2) Journ. Chem. Soc., Bd. LXXIII, S. 634 (1898) und Ber. der Deutsch, ehern. Ges., Bd. XXXIV, S. 1380 (1901).","page":155},{"file":"p0156.txt","language":"de","ocr_de":"156\nH. Euler,\ndessen Emmerling1) nach, da\u00df der von Croft Hill beobachtete Effekt nicht auf der Bildung von Maltose, sondern von Isomaltose und von dextrinartigen Produkten beruhte. Isomaltose wird selbst durch Maltose nicht wieder gespalten. Einen \u00e4hnlichen Fall beobachteten E. Fischer, und E. F. Armstrong.2) Kefirlaktase synthetisiert aus Galaktose und Glukose nicht Galaktose, sondern Isogalaktose, welch letztere durch Kefirlaktase nicht zerlegt wird. Schlie\u00dflich hat Armstrong3) durch interessante Beobachtungen noch Emmerlings oben erw\u00e4hnten Befund erg\u00e4nzt : Emulsin verh\u00e4lt sich Maltose gegen\u00fcber umgekehrt wie Maltase ; es spaltet Isomaltose, aber synthetisiert Glukose zu Maltose. Diese Resultate haben Armstrong zu der Verallgemeinerung veranla\u00dft, da\u00df \u00abEnzyme gerade diejenigen Molek\u00fcle aufbauen, welche sie nicht zu spalten verm\u00f6gen \u00bb.\nZun\u00e4chst ist das experimentelle Material, auf das Armstrong diesen Satz gr\u00fcndet, durch das Studium der betreffenden Gleichgewichte zu erg\u00e4nzen und zwar mit und ohne Zusatz von Fermenten. Eine diesbez\u00fcgliche Untersuchung ist mit Maltose und Glukose im Gang. Indessen kann jetzt schon darauf hingewiesen werden, da\u00df nach den obigen Ausf\u00fchrungen, welche die Annahme rein spaltender und rein synthetischer Enzymmolek\u00fcle wahrscheinlich machen,4) die Tatsache wohl verst\u00e4ndlich ist, da\u00df die Maltasepr\u00e4parate aus einem Maltose spaltenden und einem Isomaltose aufbauenden Enzym bestehen und entsprechend die Emulsinpr\u00e4parate aus einem Isomaltose spaltenden und Maltose aufbauenden Enzym. Dagegen scheinen mir die erw\u00e4hnten, von Emmerling, E. Fischer und Armstrong gefundenen Tatsachen einstweilen im Widerspruch mit der Auffassung, da\u00df jedes einzelne Enzym die Gleichgewichtseinstellung der entsprechenden reversibeln Reaktion beschleunigt.\n\u00ab) Ber. d. Deutsch, chem. Ges., Bd. XXXIY, S. 600 und 2206.\n*) Ber. d. Deutsch, chem. Ges., Bd. XXXY, S. 3144 (1902).\n3)\tProc. Roy. Soc. Ser. B., Bd. LXXVI, S. 592 (1905).\n4)\tDamit soll die M\u00f6glichkeit nicht in Abrede gestellt werden, da\u00df in speziellen F\u00e4llen Ferment und Antiferment sich ineinander umlagern k\u00f6nnen.","page":156},{"file":"p0157.txt","language":"de","ocr_de":"Gleichgewicht und Endzustand bei Enzymreaktionen. \u00a9\n157\nWir haben also im Gegenteil hier F\u00e4lle, in welchen Enzyme nicht mit den zugeh\u00f6rigen Antik\u00f6rpern gepaart Vorkommen, bezw. Antienzyme ohne die entsprechenden Enzyme.\nEine unmittelbare Konsequenz ist also die, da\u00df L\u00f6sungen, welche nur oder \u00fcberwiegend Antiferment enthalten, synthetisch wirksam sein m\u00fcssen. Dies scheint nun wirklich der Fall zu sein. Beitzke und Neuberg1) haben n\u00e4mlich die wichtige Beobachtung gemacht, da\u00df durch subkutane Injektion von Emulsin (bei Kaninchen) Antiemulsin gebildet wird, welches imstande ist, Glukose zu Maltose oder einem maltose\u00e4hnlichen Disaccharid zu synthetisieren.\nKann durch weitere Versuche bewiesen werden, da\u00df unsere Enzympr\u00e4parate sich im allgemeinen aus einem spaltenden und einem synthetisierenden Bestandteil zusammensetzen, so ist vielleicht auch die jetzt herrschende Auffassung2) der Antifermentbildung im Organismus zu modifizieren und der Vorgang w\u00fcrde sich am einfachsten so darstellen lassen :\nDurch die Injektion eines Fermentes wird das normale Verh\u00e4ltnis des entsprechenden Substrates mit seinen Spaltprodukten gest\u00f6rt. Die vom injizierten Ferment neugebildeten Spaltprodukte veranlassen die Sekretion von Antiferment, bis die \u00fcbersch\u00fcssigen Spaltprodukte gebunden sind. Das nat\u00fcrliche Verh\u00e4ltnis (Gleichgewicht) zwischen Substrat und Spaltprodukten stellt sich allm\u00e4hlich wieder her (also mit einer Geschwindigkeit, welche klein ist im Vergleich zur Sekretion des Antifermentes), und das freie Antiferment befindet sich hiernach im Serum im \u00dcberschu\u00df.\nGerade letztere Tatsache ist nach der bisherigen Auffassung, da\u00df das injizierte Ferment ^die Sekretion des Antiferments hervorruft und es direkt bindet, nicht verst\u00e4ndlich.\nZwei aus dem Gesagten zu ziehende Konsequenzen sind der experimentellen Pr\u00fcfung direkt zug\u00e4nglich:\n1. Es ist zu erwarten, da\u00df Spaltprodukte, welche durch ein Enzym gebildet werden, selbst in den Organismus injiziert, \u00e4hnlich wirken wie das betreffende Enzym, das hei\u00dft, da\u00df sie\nq Virchows Archiv, Bd. CLXXXIII, S. 169 (1906).\n2) Ygl. hierzu auch Neuberg und Beitzke, 1. c.","page":157},{"file":"p0158.txt","language":"de","ocr_de":"158 H. Euler, Gleichgewicht und Endzustand bei Enzymreaktionen.\ndie Sekretion desjenigen Antifermentes hervorrufen, welches aus ihnen das urspr\u00fcngliche oder ein isomeres1) Substrat auf baut.\n2. Es ist zu erwarten, da\u00df die Antifermentwirkung eines Serums, welches einige Zeit nach der Injektion des Fermentes gewonnen ist, in vitro noch zunimmt.\nAuf alle Antik\u00f6rper l\u00e4\u00dft sich diese Annahme schon deshalb nicht \u00fcbertragen, weil Antitoxine und Toxine nach dem gegenw\u00e4rtigen Stand der Kenntnisse nicht durchweg als Katalysatoren bezeichnet werden k\u00f6nnen.2) Ob aber nicht bei gr\u00f6\u00dferen Gruppen von Toxinen und Antitoxinen das Gleichgewicht durch Vermittlung von Substrat und Reaktionsprodukten geregelt wird, m\u00fc\u00dfte erst durch Versuche festgestellt werden.\nb Merkw\u00fcrdige Resultate bez\u00fcglich der spezifischen Wirkung von Antilipase berichtet E. Bertarelli (Zentralbl. f. Bakter., Bd. XL, I, S. 231).\n2) Yergl. hierzu L. v. Liebermann (Deutsch, med. Wochenschr., Bd. XXXII, Nr. 7, 1906).","page":158}],"identifier":"lit18523","issued":"1907","language":"de","pages":"146-158","startpages":"146","title":"Gleichgewicht und Endzustand bei Enzymreaktionen","type":"Journal Article","volume":"52"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:47:11.108147+00:00"}