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{"created":"2022-01-31T13:45:40.853989+00:00","id":"lit18524","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Breinl, Ferdinand","role":"author"},{"name":"Oskar Baudisch","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 52: 159-169","fulltext":[{"file":"p0159.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Kenntnis des oxydativen Abbaues der Keratine\nmit Wasserstoffsuperoxyd.\nVon\nFerdinand Breinl und Oskar Baudisch.\nAus dem chem.-techn. Institut der k. k. h\u00f6heren Staatsgewerbeschule in Reichenberg.\n(Der Redaktion zugegangen am 18. Mai 1907.)\nAlbumine und Albuminoide sind schon vielfach der Oxydation unterworfen worden. Guckelberger und Keller1) studierten die fl\u00fcchtigen Zersetzungsprodukte, welche bei der Einwirkung von Manganhyperoxyd bezw. auch Chroms\u00e4ure in Gegenwart von Schwefels\u00e4ure entstehen, und fanden hierbei Kohlens\u00e4ure, fl\u00fcchtige Fetts\u00e4uren, Benzoes\u00e4ure, Aldehyde und Nitrile. Die sp\u00e4teren Forscher, wie Oskar Loew,2 *) Lossen,8) Zickgraf,4) J. Seemann,5) v.F\u00fcrth,6) Kutscher u. Schenk,7) befassen sich haupts\u00e4chlich mit dem Studium der nicht fl\u00fcchtigen Oxydationsprodukte der Eiwei\u00dfstoffe. Sie verwendeten als Oxydationsmittel in der Regel Kaliumpermanganat in saurer und alkalischer L\u00f6sung und erhielten dabei Oxyprotein, Oxyprot-sulfos\u00e4ure, Benzoes\u00e4ure, Benzaldehyd, Ameisens\u00e4ure, Essigs\u00e4ure, (Propions\u00e4ure?), Butters\u00e4ure (Valerians\u00e4ure?), Oxals\u00e4ure, Bernsteins\u00e4ure und Oxaluramid.\nF. N. Schulz8) oxydierte Eialbumin mit 3\u00bb/oigem H202 und erhielt dabei Oxyprotein.\ni) A., Bd. LXIV, S. 46, 86, und Bd. LXXII, S. 31.\n*) Journ. f. prakt. Chem., Bd. XXXI, S. 129.\n\u00bb) A., Bd. CCI, S. 369.\n4)\tDiese Zeitschrift, Bd. XLI, S. 259.\n5)\tC., 1905, S. 1657; Diese Zeitschrift, Bd. XLIV, S. 229, .1905.\n6)\tBeitr. z. ehern. Physiol, u. Pathol., Bd. VI, S. 296\u2014328.\n\u2019) B. B., Bd. XXXVII, S. 2928.\nB. B., Bd. XXXVIII, S. 455.\n8) Diese Zeitschrift, Bd. XXIX, S. 86.","page":159},{"file":"p0160.txt","language":"de","ocr_de":"160\nFerdinand Breinl und Oskar Baudisch,\nF. Blumenthal und C. Neuberg1) behandelten Gelatine bei Bruttemperatur mit 3\u00b0/oigem H202 in Gegenwart von Ferro-sulfat als Sauerstoff\u00fcbertr\u00e4ger und erhielten von fl\u00fcchtigen Oxydationsprodukten Aceton und einen noch nicht untersuchten Aldehyd.\nC. Harries2) oxydierte Casein in schwach alkalischer L\u00f6sung mit Ozon und wies nach, da\u00df dabei salpetrige S\u00e4ure, Salpeters\u00e4ure und ein phosphorhaltiges Oxydationsprodukt entsteht, welches mit Phenylhydrazin kondensiert.\nGelegentlich einiger Versuche \u00fcber die Bleicherei tierischer Fasern fanden wir, da\u00df das 30\u00b0/oige Wasserstoffsuperoxyd (Merck) auf tierische Haare sehr energisch reagiert. Schafwolle wird von diesem Reagens schon bei 40\u201450\u00b0 C. merklich ver\u00e4ndert, was sich schon an der deutlich sauren Reaktion der vorher absolut neutralen Fl\u00fcssigkeit erkennen l\u00e4\u00dft. Bei l\u00e4ngerem Erhitzen mit solchem H202 nimmt die zun\u00e4chst stark gebleichte Wolle eine braune Farbe an, schlie\u00dflich tritt vollkommene L\u00f6sung ein. Dabei entwickelt sich ein stechender, zu Tr\u00e4nen reizender Geruch, der anscheinend von einem Aldehyd herr\u00fchrt. Menschliche Haare werden in gleicher Weise durch das 30\u00b0/oige H202 ver\u00e4ndert, nur geht die Reaktion etwas langsamer vonstatten.\nDiese Reaktion erschien uns des n\u00e4heren Studiums wert, weshalb wir nach mehreren weiteren Vorversuchen eine gr\u00f6\u00dfere Partie Menschenhaare mit dem genannten Oxydationsmittel erhitzten und dabei bedacht waren, auch alle fl\u00fcchtigen Oxydationsprodukte festzuhalten.\nWir verwendeten zu diesem Versuche 100 g Menschenhaare, welche partienweise im Soxhletsehen Apparat durch je 6 Stunden ausge\u00e4thert wurden, um sie vollst\u00e4ndig zu entfetten, und endlich zur weiteren Reinigung, wiederholt mit destilliertem Wasser gewaschen und dann an der Luft getrocknet wurden. Die Oxydation wurde in einem Rundkolben\n*) Hofmeisters Beitr., Bd. II, S. 238.\nDeutsche mediz. Wochenschrift, 1901, S. 6.\n2) B. B., Bd. XXXVIII, S. 2990.","page":160},{"file":"p0161.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis des oxydativen Abbaues der Keratine usw. i-61\ndurchgef\u00fchrt, auf welchem ein kr\u00e4ftig wirkender R\u00fcckflu\u00dfk\u00fchler aufgesetzt wurde. Die aus diesem entweichenden Gase wurden zun\u00e4chst durch eine mit ca. 10 ccm destilliertem Wasser gef\u00fcllte Sicherheitsflasche, dann durch drei mit Eis gek\u00fchlte Waschflaschen geleitet, die der Reihe nach mit destilliertem Wasser, mit verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure und mit Rarytwasser gef\u00fcllt waren.\nZusammen wurden 100 g gereinigte Haare in Partien zu je 20 g mit zusammen 400 g 30\u00b0/oigem H202, welches ebenfalls in Partien zu je 80 g zugesetzt wurde. Ein Zusatz neuer Mengen der beiden Agenzien geschah immer nach 1\u20141V2 Stunden, wenn die Gasentwicklung nachzulassen begann. Die Haare wurden zuerst gebleicht und erst bei 40\u2014o0\u00b0 C. begann die Gasentwicklung, die sich dann allm\u00e4hlich steigerte, bis die Fl\u00fcssigkeit zum Sieden kam. Das Rarytwasser tr\u00fcbte sich sehr rasch und bald entstand darin eine gro\u00dfe Menge eines wei\u00dfen Niederschlages.\nNach mehrst\u00fcndigem Kochen hatte sich der gr\u00f6\u00dfte Teil der Haare zu einer gelben, gallertartigen Fl\u00fcssigkeit gel\u00f6st, die nun mit WAsser verd\u00fcnnt werden mu\u00dfte, um ein Anbrennen zu vermeiden.\nVon dieser Fl\u00fcssigkeit wurden Partien von etwa 20 g mit 100 g Wasser versetzt und weiters solange gekocht, bis\nkeine Gasentwicklung mehr stattfand.\nDie r\u00fcckst\u00e4ndigen L\u00f6sungen wurden vereinigt. Sie enthielten noch eine betr\u00e4chtliche Menge einer flockigen Festsubstanz, an welcher unter dem Mikroskop keinerlei Struktur mehr zu erkennen war. Sie wurde von der L\u00f6sung durch Filtration getrennt, gewaschen, bei 100\u00b0 getrocknet und gewogen.\nDas Gewicht dieses R\u00fcckstandes, der ein hornartiges Aussehen hatte, auf alkalische Rleil\u00f6sung nicht mehr reagierte, wohl aber noch deutlich Hepareaktion gab, betrug 18 g. Das klare, hellgelbe Filtrat F wurde aufbewahrt.\nDie weitere Untersuchung erstreckt sich zun\u00e4chst auf die in den Waschflaschen aufgefangenen fl\u00fcchtigen Produkte und dann auf die in dem Filtrat F gel\u00f6sten Oxydationsprodukte.\nHoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie. LII.\tH","page":161},{"file":"p0162.txt","language":"de","ocr_de":"162\nFerdinand Breinl und Oskar Baudisch,\nI. Untersuchung der bei gew\u00f6hnlicher Temperatur fl\u00fcchtigen\nOxydationsprodukte.\nDie Inhalte der mit Wasser gef\u00fcllten Sicherheits- und der ersten Waschflasche waren vollst\u00e4ndig klar und farblos, reagierten neutral und besa\u00dfen einen starken, stechenden Aldehydgeruch. Blaus\u00e4ure konnte nicht nachgewiesen werden. Die L\u00f6sung reduzierte Fehlingsche und ammoniakalische Silberl\u00f6sung, gab mit Phenylhydrazin eine gelbe Ausscheidung und zeigte auch sonst allgemeine Reaktionen auf Aldehyde.\nAuffallenderweise konnte Aceton, das von Neuberg und Blumenthal (1. c.) aus Leim durch Einwirkung von H202 in Gegenwart von Eisensulfat in reichlicher Menge erhalten wurde, nicht nachgewiesen werden. Auch war kein Benzaldehyd vorhanden. Ferner versagte die typische Reaktion auf Formaldehyd mit alkalischer Resorcinl\u00f6sung (nach Leb bin).\nDagegen gab die Fl\u00fcssigkeit alle Farbenreaktionen auf Acetaldehyd, welcher ohne Zweifel in gr\u00f6\u00dfter Menge zugegen war, wie sich durch Abscheidung des p-Nitrophenylhydrazons deutlich erkennen lie\u00df.\nDie aldehydhaltige Fl\u00fcssigkeit gab mit alkoholischer L\u00f6sung von p-Nitrophenylhydrazin eine betr\u00e4chtliche Menge eines gelben Niederschlages, der ein Gemenge verschiedener Hydrazone mit unver\u00e4ndertem p-Nitrophenylhydrazin darstellte. Er wurde abgesaugt, getrocknet, hatte ein konstantes Gewicht von 6,2 g und zeigte einen Schmelzpunkt von 110\u00b0 (unscharf). Behufs Entfernung des unver\u00e4nderten p-Nitrophenylhydrazins wurde er zun\u00e4chst mit kaltem Benzol behandelt. Dabei stieg der Schmelzpunkt auf 115\u00b0. Hierauf wurde der gelbe K\u00f6rper zweimal mit Pyridin unter Zusatz von Tierkohle gekocht und aus dieser L\u00f6sung mit Petrol\u00e4ther gef\u00e4llt. \u2014 Nach dreimaligem Um-krystallisieren aus hei\u00dfem Ligroin wurden sch\u00f6ne goldgelbe Nadeln erhalten (1,3 g), die scharf bei 128\u00b0 schmolzen und neben dem Typ als Acetaldehyd-p-Nitrophenylhydrazon erkannt wurden.*)\n*) B. B., Bd. XXXII, S. 1813.","page":162},{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis des oxydativen Abbaues der Keratine usw.\n163\nDie verschiedenen Mutterlaugen enthielten wahrscheinlich noch andere Aldehyd-p-Nitrophenvlhydrazone, doch konnte eine Trennung derselben, wegen der geringen Menge des zur Verf\u00fcgung gestandenen Materials, nicht ausgef\u00fchrt werden.\nDie vorgeschlagene Salzs\u00e4ure enthielt au\u00dfer wenig Aldehyd keine weiteren fl\u00fcchtigen Oxydationsprodukte des Keratins.\nIn dem vorgeschlagenen Barytwasser hatte sich, wie schon erw\u00e4hnt, BaC03 in gro\u00dfen Mengen ausgeschieden.\nVon den fl\u00fcchtigen Oxydationsprodukten waren also mit Bestimmtheit Kohlens\u00e4ure und Acetaldehyd nachzuweisen.\nII. Untersuchung des Filtrates F.\nDiese schwach gelblich gef\u00e4rbte, stark sauer reagierende Fl\u00fcssigkeit wurde zun\u00e4chst so lange mit Wasserdampf destilliert, bis das Destillat nicht mehr sauer reagierte, sodann wurde der\nDestillationsr\u00fcckstand ersch\u00f6pfend ausge\u00e4thert und nun sowohl\n\u2022 \u2022\ndas Destillat, wie der Atherauszug und die ausge\u00e4therte, noch immer sauer reagierende L\u00f6sung weiter untersucht.\nA. Das Destillat.\nDie ersten Anteile desselben zeigten noch starken Aldehydgeruch. der aber keineswegs an Benzaldehyd erinnerte. Es reagierte, wie schon erw\u00e4hnt, sauer und war ganz schwach\ngelblichwei\u00df getr\u00fcbt. Beim Umsch\u00fctteln mit \u00c4ther verschwand\n\u2022 \u2022\ndiese Tr\u00fcbung. Der Atherauszug hinterlie\u00df nach dem Verdunsten sehr wenig gelblichen Sirup, aus dem sich einige gelbliche Krystalle ausschieden. Diese wurden durch Absaugen vom Sirup getrennt und mit wenig \u00c4ther gewaschen. Sie l\u00f6sen sich leicht und vollst\u00e4ndig in Schwefelkohlenstoff. Aus dieser L\u00f6sung schie\u00dfen beim Verdunsten gelbe, rhombische Krystalle an, die bei 120\u00b0 schmolzen und auf dem Platinblech mit blauer Flamme unter Entwicklung von Schwefeldioxyd verbrennen. Sie waren also reiner Schwefel.1)\n1) Es sei hier darauf hingewiesen, da\u00df K. A. H. M\u00f6rner, Diese Zeitschrift, Bd. XXXIV, S. 207, bei seinen Untersuchungen \u00fcber die Kenntnis der Bindung des Schwefels in Proteinstoffen gefunden, da\u00df beim anhaltenden Kochen tierischer Fasern mit Salzs\u00e4ure Schwefel als solcher sich ausscheidet.\n11*","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"164\nFerdinand Breinl und Oskar Baudisch,\nDas ausge\u00e4therte Destillat wurde mit Natronlauge genau neutralisiert und dann stark eingeengt. Aus dieser L\u00f6sung krystallisierten pr\u00e4chtige, lange, farblose Nadeln, die sich als essigsaures Natron erwiesen. Ihre w\u00e4sserige L\u00f6sung gab mit Silbernitrat einen aus wei\u00dfen, gl\u00e4nzenden Rrystallnadeln bestehenden Niederschlag, wurde durch Eisenchlorid dunkelrot gef\u00e4rbt und schied beim darauf folgenden Erw\u00e4rmen einen braunen gelatin\u00f6sen Niederschlag aus. Beim Erw\u00e4rmen der Krystalle mit \u00c4thylalkohol und Schwefels\u00e4ure entstand \u00c4thylessigester. In dem Destillat konnten somit mit Sicherheit Schwefel und Essigs\u00e4ure nachgewiesen werden.\n\u2022 \u2022\nB. Der Atherauszug des ausged\u00e4mpften Filtrates F.\n\u2022 \u00ab\nDer erste Atherauszug hinterlie\u00df nach dem Verdunsten ebenfalls eine geringe Menge eines gelblichen Sirups, aus dem sich gelbliche Kryst\u00e4llchen und zwar rhombisch-oktaedrische wie nadelf\u00f6rmige ausschieden. Dieselben wurden nach dem Absaugen des Sirups mit viel Aceton auf dem Wasserbad erw\u00e4rmt, wobei die Krystallnadeln sich vollst\u00e4ndig l\u00f6sten. Die r\u00fcckst\u00e4ndigen, gelben rhombischen Oktaeder schmolzen bei 120\u00b0 und zeigten auch sonst alle Eigenschaften des Schwefels.\nDie feinen Krystallnadeln, die sich aus der Acetonl\u00f6sung beim Erkalten ausschieden, zeigten einen Schmelzpunkt von 178\u2014180\u00b0. Nach zweimaligem Umkrystallisieren aus Wasser wurden schneewei\u00dfe, gl\u00e4nzende Krystalle erhalten, welche scharf bei 180\u00b0 schmolzen und sich bei st\u00e4rkerem Erhitzen unter Bildung von sehr zum Husten reizenden D\u00e4mpfen verfl\u00fcchtigten. Die w\u00e4sserige L\u00f6sung reagierte sauer und zeigte alle Reaktionen der Bernsteins\u00e4ure.\nDie weiteren \u00c4therausz\u00fcge hinterlie\u00dfen beim Verdunsten nur mehr reine Krystalle dieser S\u00e4ure.\nC. Das ausged\u00e4mpfte und ausge\u00e4therte Filtrat Fa.\nDiese noch immer stark saure L\u00f6sung < zeigte nur ganz schwache Biuretreaktion, reduzierte F ehlingsche L\u00f6sung nicht, reagierte auch nicht auf Phenylhydrazin. Nachdem wir uns \u00fcberzeugt hatten, da\u00df die ausged\u00e4mpfte und ausge\u00e4therte Oxy-","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis des oxydativen Abbaues der Keratine usw. 165\ndationsfl\u00fcssigkeit keine Spur von H202 mehr enthielt, pr\u00fcften wir dieselbe auf Salpeters\u00e4ure. Die Anwesenheit derselben konnte zwar mit Diphenylamin, Brucin und Ferrosulfat deutlich nachgewiesen werden, doch waren zweifellos nur sehr geringe Mengen davon vorhanden. Dagegen lie\u00df sich Schwefels\u00e4ure in reichlichen Mengen nachweisen. Die mit Salzs\u00e4ure versetzte, auch beim anhaltenden Kochen klar bleibende L\u00f6sung gab mit Baryumchlorid einen reichlichen Niederschlag, der sich als BaS04 erwies. Der Trockenr\u00fcckstand des Filtrates von diesem Niederschlag zeigte freilich noch deutliche Hepareaktion, ein Beweis, da\u00df der in der L\u00f6sung vorhandene Schwefel nicht vollst\u00e4ndig zu Schwefels\u00e4ure oxydiert war.\nNach dem ersten Aus\u00e4thern des Filtrates F (s. S. 163) schied sich aus demselben \u00fcber Nacht eine kleine Menge eines krystallisierten Niederschlages aus, der aus pr\u00e4chtigen Quadratoktaedern bestand und sich bei n\u00e4herer Untersuchung als oxal-saurer Kalk (CaC204-(- 6H20) erwies. Wir pr\u00fcften daher auch die ^vollst\u00e4ndig ausge\u00e4therte L\u00f6sung nochmals auf Oxals\u00e4ure, indem wir einen Teil derselben mit Ammoniak neutralisierten und in der Kochhitze mit Chlorcalcium versetzten. Dabei entstand ein bedeutender Niederschlag, der so lange gewaschen wurde, bis das Filtrat keine Schwefels\u00e4urereaktion mehr zeigte. Derselbe wurde zur weiteren Reinigung in Salzs\u00e4ure gel\u00f6st und aus hei\u00dfer L\u00f6sung mit Ammoniak gef\u00e4llt, neuerdings filtriert und gewaschen. Es wurde hierauf behufs Entw\u00e4sserung bei 205\u2014210\u00b0 getrocknet und eine gewogene Menge darauf gegl\u00fcht, wobei keine Br\u00e4unung wahrgenommen wurde.\n0,3102 g hinterlie\u00dfen 0,1810 g Gl\u00fchr\u00fcckstand (CaO).\nEs ist also kein Zweifel, da\u00df das Filtrat F auch betr\u00e4chtliche Mengen von Oxals\u00e4ure enthielt.\nEin weiterer Teil des Filtrates Fa wurde mit Natronlauge erw\u00e4rmt, dabei entwickelte sich, ebenso wie beim Erw\u00e4rmen mit Magnesia, reichlich Ammoniak.\nDer Rest des Filtrates Fa wurde endlich auf Aminos\u00e4uren untersucht. Zu ihrer Abscheidung wurde die von C. Neuberg und Manasse1) angegebene Methode benutzt.\n0 B. B., Bd. XXXVIII, S. 2359.","page":165},{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"166\nFerdinand Breinl und Oskar Baudisch,\nDie schwach alkalisierte L\u00f6sung wurde mit a-Naphtyliso-cyanat gesch\u00fcttelt, der entstandene Niederschlag filtriert und das Filtrat anges\u00e4uert. Hierbei trat allerdings eine Ausscheidung von Naphtylhydantoins\u00e4uren ein ; dieselbe war aber so gering,\nda\u00df eine weitere Untersuchung nicht lohnend schien.\n\u00ab\nZusamm enfassung.\nDurch die Einwirkung von 30\u00b0/oigem Wasserstoffsuperoxyd auf menschliche Haare in der Kochhitze konnten somit unter den von uns eingehaltenen Bedingungen von Reaktionsprodukten mit Sicherheit nachgewiesen werden: Schwefel, Schwefels\u00e4ure, Kohlens\u00e4ure, Essigs\u00e4ure, Acetaldehyd, Oxals\u00e4ure, Bernsteins\u00e4ure, Salpeters\u00e4ure, Ammoniak, Aminos\u00e4uren.\nDie Frage, ob der oxydierenden Wirkung des H202 auf das Keratin zun\u00e4chst eine hydrolytische Aufspaltung desselben vorausgeht, ist wohl nicht leicht zu entscheiden. Der Umstand, da\u00df fl\u00fcchtige Oxydationsprodukte schon bei 40\u201450\u00b0 auftraten, also bei einer Temperatur, bei welcher die Bildung wasserl\u00f6slicher hydrolytischer Spaltungsprodukte wahrscheinlich noch nicht stattfindet, l\u00e4\u00dft wohl die Annahme zu, da\u00df die Oxydation sich anfangs direkt auf einzelne Gruppen des unver\u00e4nderten Keratins erstreckt. Dagegen ist es zweifellos, da\u00df bei fortgesetztem Kochen der w\u00e4sserigen L\u00f6sung auch Hydrolyse stattfand und das H202 auch auf die hierdurch gebildeten Zersetzungsprodukte des Keratins einwirkte.\nAuffallend ist, da\u00df bei dieser Oxydation des Keratins von einfach zusammengesetzten organischen Verbindungen nur solche der aliphatischen Reihe gefunden wurden, w\u00e4hrend Benzaldehyd und Benzoes\u00e4ure, die bei der Einwirkung von Permanganat stets aufgefunden wurden, hier nicht nachzuweisen waren. Diese Tatsache beweist, da\u00df die aromatischen Komplexe im Keratin in einer Form gebunden sind, in der sie der Spaltung durch H202 zu den einfachsten aromatischen Aldehyden und S\u00e4uren widerstehen. Diese Anschauung wurde auch durch die Verschiedenheit des Verhaltens des Tyrosins einerseits und der aliphatischen Aminos\u00e4uren anderseits zu 30\u00b0/oigem H202 best\u00e4tigt, wie noch des weiteren ausgef\u00fchrt werden wird.","page":166},{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis des oxydativen Abbaues der Keratine usw. 167\nBei einem Versuch, durch den festgestellt werden sollte, wie viel Kohlenstoff und Schwefel durch den oxydierenden Einflu\u00df des Wasserstoffsuperoxyds auf Menschenhaare im Maximum in C02 und S03 verwandelt wird, wurde die Beobachtung gemacht, da\u00df selbst bei tagelanger Einwirkung von \u00fcbersch\u00fcssigem H202 die Kohlens\u00e4ureentwicklung nicht zu Ende gef\u00fchrt werden konnte, wie wohl die Haare schon in verh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfig kurzer Zeit auf einen kleinen Rest dauernd unl\u00f6slich gebliebener Festsubstanz in wasserl\u00f6sliche und fl\u00fcchtige Oxydationsprodukte verwandelt waren. Aus dieser Erscheinung war zu schlie\u00dfen, da\u00df wenigstens ein Teil der in L\u00f6sung vorhandenen organischen S\u00e4uren durch das H202 fortgesetzt langsam zu C02 oxydiert wird.\nIn der Tat lie\u00df sich nachweisen, da\u00df sowohl Essigs\u00e4ure wie Oxal- und Bernsteins\u00e4ure beim Kochen mit 30\u00b0/oigem H202 Kohlens\u00e4ure lieferten, und zwar wurde die Oxals\u00e4ure am raschesten, die Bernsteins\u00e4ure am tr\u00e4gsten oxydiert.\nDie auffallend geringe Menge von Aminos\u00e4uren, welche bei der Behandlung der Haare mit H202 erhalten wurde, machte es weiters sehr wahrscheinlich, da\u00df auch diese S\u00e4uren durch H202 eine oxydierende Spaltung erfahren. So lie\u00df sich denn auch nachweisen, da\u00df Glykokoll, Alanin, Leucin, Asparagin-s\u00e4ure und Cystin durch kochendes 30\u00b0/oiges Wasserstoffsuperoxyd unter Bildung von Ammoniak in Kohlens\u00e4ure, Aldehyde und teilweise auch organische S\u00e4uren gespalten werden. Tyrosin hingegen blieb auch bei anhaltendem Kochen mit H202 unver\u00e4ndert.\nNotizen \u00fcber die Oxydation einiger Aminos\u00e4uren durch 30\u00b0/oiges Wasserstoffsuperoxyd.\nH. D. Dakin1) hat in j\u00fcngster Zeit das Verhalten einiger Aminos\u00e4uren zu H202 studiert. Er verfuhr dabei in der Weise, da\u00df er diese S\u00e4uren zun\u00e4chst mit Na2C03 genau neutralisierte, diese L\u00f6sung mit H202 und einigen Milligrammen Eisensulfat als Katalysator versetzte und l\u00e4ngere Zeit bei gew\u00f6hnlicher Temperatur sich selbst \u00fcberlie\u00df. Es trat bald unter Erw\u00e4rmen\n*) Journ. of Biolog. chem., Bd. I, S. 171 ; C., 1906, Bd. I, S. 822.","page":167},{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"168\tFerdinand Breinl und Oskar Baudisch,\nReaktion ein und es bildeten sich hierbei au\u00dfer Kohlens\u00e4ure und NH3 aus dem Glykokoll: Ameisens\u00e4ure, Glyoxyls\u00e4ure und wenig Formaldehyd; aus dem Alanin: Essigs\u00e4ure und Acetaldehyd und aus dem Leucin: Isovalerians\u00e4ure und Isovaler-aldehyd.\nAus dem in der vorstehenden Abhandlung angef\u00fchrten Grunde untersuchten wir das Verhalten einiger Amidos\u00e4uren, welche bei der hydrolytischen Spaltung von Eiwei\u00dfk\u00f6rpern gefunden wurden, zu 30\u00b0/'oigem H202, ohne vorher zu neutralisieren und ohne Mitwirkung von Eisensulfat oder eines anderen Katalysators; hierbei wurde gefunden, da\u00df Glykokoll, Alanin, Leucin und Asparagins\u00e4ure sowie Cystin mit H202 insbesondere in der Kochhitze sehr kr\u00e4ftig reagieren.\nGlykokoll liefert dabei von fl\u00fcchtigen Oxydationsprodukten Kohlens\u00e4ure und Formaldehyd, das mit der Leb bin sehen Reaktion sehr deutlich nachzuweisen war. Die r\u00fcckst\u00e4ndige L\u00f6sung reagierte stark sauer und entwickelte beim Erw\u00e4rmen mit MgO reichlich Ammoniak.\nAlanin. Beim Erw\u00e4rmen desselben mit 30 \u00b0/o igem Wasserstoffsuperoxyd tritt sehr bald heftige Reaktion unter starkem Aufbrausen ein. Es entstanden dabei Kohlens\u00e4ure, Ammoniak und Acetaldehyd.\nAuch Leucin reagierte rasch unter Entwicklung von Kohlens\u00e4ure, Ammoniak und einem Aldehyd (wahrscheinlich i-Butvr-aldehyd), auf dessen Identifiziernng mangels der n\u00f6tigen Typen verzichtet werden mu\u00dfte. (Wir machen hier darauf aufmerksam, da\u00df Dakin Isovaleraldehyd enthielt, Liebig allerdings mit Kaliumpermanganat Butyraldehyd. Es w\u00e4re wohl zweckm\u00e4\u00dfig, jede Bezeichnung zu vermeiden.)\nAsparagins\u00e4ure liefert beim Kochen mit H202 au\u00dfer Kohlens\u00e4ure und Ammoniak Acetaldehyd. Dieser wurde in Wasser geleitet. Die w\u00e4sserige L\u00f6sung mit alkoholischem p-Nitrophenyl-hydrazin gef\u00e4llt; das so entstandene, durch mehrfaches Um-krystallisieren gereinigte Hydrazon schmolz scharf bei 128\u00b0.l)\nTyrosin wird, wie bereits angef\u00fchrt wurde, durch kochen-\nB. B., Bd. XXXII, S. 1813.","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis des oxydativen Abbaues der Keratine usw. 169\ndes 30\u00b0/oiges H202 nicht ver\u00e4ndert. Erst auf Zusatz von etwas Eisensulfat trat reichliche CO 2-Ent wicklung ein.\nCystin, das bei der Hydrolyse des Keratins in ziemlich reichlicher Menge gebildet wird, liefert beim Kochen mit H202 Kohlens\u00e4ure und einen Aldehyd (wahrscheinlich Acetaldehyd), die saure L\u00f6sung enth\u00e4lt viel Ammoniak und Schwefels\u00e4ure.\nAls wir 0,074 g Cystin so lange mit H202 kochten, bis die Kohlens\u00e4ureentwicklung aufh\u00f6rte, und die mit Salzs\u00e4ure anges\u00e4uerte klare L\u00f6sung hei\u00df mit BaCl2 f\u00e4llten, erhielten wir 0,1411 g BaS04= 25,90 \u00b0/o S. Reines Cystin enth\u00e4lt = 26,60\u00b0/o S.\nDaraus ist zu entnehmen, da\u00df durch H202 der Gesamtschwefel des Cystins zu S03 oxydiert werden kann. Ebenso kann man auch den Schwefel des Keratins durch Oxydation desselben zu S03 mit 30\u00b0/oigem Wasserstoffsuperoxyd quantitativ bestimmen.\nEs wurden 1 g lufttrockene Menschenhaare mit 200 ccm 30\u00b0/oigem H202 18 Stunden gekocht und zwar wurde das H202 in Portionen von 10 zu 10 g hinzugef\u00fcgt und nach jeder Eintragung so lange gekocht, bis keine Gasentwicklung mehr stattfand.\nTrotz der relativ gro\u00dfen Menge des H202 und der langen Kochdauer war immer noch reichliche Kohlens\u00e4ureentwicklung nachweisbar.\nDie Haare waren fast vollst\u00e4ndig in L\u00f6sung gegangen, die klare, wasserhelle Fl\u00fcssigkeit wurde von dem anorganischen R\u00fcckstand (0,045 \u00b0/o) durch Filtration befreit, auf 500 ccm aufgef\u00fcllt und in je 100 ccm der Schwefel als BaS04 bestimmt.\nEs wurden 5,91 und 6,3 \u00b0/o Schwefel gefunden.\nDie Gesamtschwefelbestimmung der n\u00e4mlichen Haare (mittels Soda und Na202) ergab 5,88 \u00b0/o.\nDurch das anhaltende Kochen der menschlichen Haare mit 30\u00b0/oigem H202 war somit der gesamte Schwefel zu Schwefels\u00e4ure oxydiert worden.\nSommer 1906.","page":169}],"identifier":"lit18524","issued":"1907","language":"de","pages":"159-169","startpages":"159","title":"Beitr\u00e4ge zur Kenntnis des oxydativen Abbaues der Keratine mit Wasserstoffsuperoxyd","type":"Journal Article","volume":"52"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:45:40.853994+00:00"}