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{"created":"2022-01-31T13:54:50.612645+00:00","id":"lit18531","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Herwerden, M. van","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 52: 184-206","fulltext":[{"file":"p0184.txt","language":"de","ocr_de":"Beitrag zur Kenntnis der Labwirkung auf Casein.\nVon\nM. van Herwerden.\n(Aus dem physiologischen Laboratorium in Utrecht.)\n(Der Redaktion zugegangen am 24. Mai 1907.)\nSeit der klassischen Arbeit von Hammarsten1) im Jahre 1877 war der Weg ge\u00f6ffnet zu Untersuchungen, welche eine genauere Kenntnis der durch Einwirkung von Lab auf Casein gebildeten Spaltungsprodukte herbeif\u00fchren konnten. Nachdem Hammarsten das Casein in reinem Zustande isoliert hatte, nachdem er auf die Bedeutung der l\u00f6slichen Kalksalze beim Koagulationsprozesse hingewiesen hatte, mangelte es nicht an Versuchen, die \u00c4nderungen des Caseins unter dem Einfl\u00fcsse des Labenzyms kennen zu lernen. Dennoch gab es so wenig tats\u00e4chliche Angaben zur Beantwortung der schon im Jahre 1877 von Hammarsten gestellten Frage: Verursacht Labwirkung eine hydrolytische Spaltung des Caseins?, da\u00df dieser Uorscher2) 22 Jahre sp\u00e4ter die Worte schrieb: \u00bb. . .und auch hier k\u00f6nnte man daran denken, da\u00df das sogenannte Molkeneiwei\u00df nur ein Rest von in L\u00f6sung gebliebenem und ver\u00e4ndertem Casein, bezw. Paracasein ist. .. Es ist also recht wohl denkbar, da\u00df es sich bei der Caseingerinnung nicht um eine hydrolytische Bpaltung, sondern um eine intramolekul\u00e4re Umlagerung oder um irgend welche andere, noch unbekannte Umwandlung des Caseins handelt \u00ab.2)\nEs ist bekannt, da\u00df bei der K\u00e4sebildung zwei Prozesse\n\u2022 \u2022\n^scharf von einander zu trennen sind, die chemische \u00c4nderung des Caseins, vom Lab hervorgerufen, und die F\u00e4llung eines (oder mehrerer) der Spaltungsprodukte durch die anwesenden Kalksalze. Den ersten Proze\u00df sehen wir auch ohne Gegenwart\nb Nova Acta reg. societat. scient. Upsalensis 1877. s) Diese Zeitschrift, Bd. XXVIJI, S. 114.","page":184},{"file":"p0185.txt","language":"de","ocr_de":"Beitrag zur Kenntnis der Labwirkung auf Casein.\n185\neines Kalksalzes im reinen, mit Lab behandelten Casein zustande kommen. Lundberg1) zeigte uns, da\u00df beim zweiten Prozesse Kalksalze von Strontium- und Baryumsalzen vertreten werden k\u00f6nnen, eine Beobachtung, welche sp\u00e4ter von andern Untersuchern best\u00e4tigt wurde.\nDer als Kalksalz gef\u00e4llte, unter dem Namen Paracasein bekannte Eiwei\u00dfk\u00f6rper ist noch sehr ungen\u00fcgend untersucht worden. Trotzdem ist es m\u00f6glich, diese Substanz (welche, wie wir sehen werden, kein einheitlicher K\u00f6rper ist) durch bestimmte Eigenschaften von dem noch nicht durch Lab verwandelten Casein zu unterscheiden.\nSo hat schon Hammarsten2) hingewiesen auf die Unf\u00e4higkeit des Paracaseins, mit Lab, bei Gegenwart einer Quantit\u00e4t Calciumsalzes, welche bei K\u00f6rpertemperatur noch keine F\u00e4llung verursacht, von neuem K\u00e4se zu bilden.\nLaqueur3) erw\u00e4hnt die Tatsache, da\u00df f\u00fcr Paracaseinalkali die F\u00e4llungsgrenze gegen\u00fcber Ammoniumsulfat niedriger\nliegt als f\u00fcr die Alkaliverbindung des Caseins. Im Gegensatz\n*\nmit Laqueurs Auffassung, der auf Grund von chemischen und physikalischen Untersuchungen das Paracasein als Spaltungsprodukt des Caseins betrachtet, hatte fr\u00fcher Loewenhart4 *) zwischen diesen beiden Substanzen nur einen Unterschied physikalischer Natur gesehen. Das Paracasein sei einfach eine Modifikation, welche sich in anderem kolloidalen Zustande befinde und von verschiedenen Beagenzien fr\u00fcher gef\u00e4llt werde, unter welchen vor allem Calciumchlorid genannt werden mu\u00df.\nAis Resultat seiner Elementaranalyse des Paracaseins gibt Rose-Schulze an*): C 53,94%, H7,14\u00b0/o, N 15,14\u00b0/o, S 1,01\u00b0/0| 0 22,77 \u00b0/o -j- Phosphor (Prozentzahl nicht erw\u00e4hnt).\nIn Paracasein, dargestellt durch wiederholte L\u00f6sung in Alkali und F\u00e4llung mit Salzs\u00e4ure, fand v. Basch6): N 15,5\u00b0/o,\nq Vide Fuld, .Ergebnisse der Physiol. Biochem., Bd. I, 1902, S. 497.\n2)\tDiese Zeitschrift, Bd. XXII, S. 103.\n3)\tHofmeisters Beitr\u00e4ge, Bd. VH, 1906, S. 273.\n4)\tDiese Zeitschrift, Bd. XLI, 1904, S. 177.\n6) Vide Rau dnitz, Ergehn, der Physiol. Biochem., Bd. II, 1903, S. 244.\n6) Ibid., S. 243.","page":185},{"file":"p0186.txt","language":"de","ocr_de":"186\nM. van Herwerden,\nP l,3\u00b0/o. Neben dem K\u00e4se wird von verschiedenen Autoren ein in L\u00f6sung gebliebenes Produkt, das sogenannte Molkeneiwei\u00df, beschrieben. Hammarsten gab schon in seiner ersterw\u00e4hnten Arbeit einige Eigenschaften dieser Substanz an, u. a. kann sie weder gef\u00e4llt werden von Sublimat, Ferrocyanwasser-stoff, Bleizucker, noch durch Kochen mit verd\u00fcnnter Essigs\u00e4ure, dagegen gibt sie eine sehr deutliche F\u00e4llung mit Tanninessigs\u00e4ure.\nDie erste, etwas genauere Untersuchung verdanken wir K\u00f6ster,1) der nach Abfiltrieren des K\u00e4ses (aus reinem nach Hammarsten bereiteten Casein dargestellt) das Filtrat bis zum Kochen erhitzte, um Spuren von in L\u00f6sung gebliebenem K\u00e4se zu entfernen. Nach Eindampfen des neuen Filtrates wurde das Molkeneiwei\u00df mit 96\u00b0/oigem Alkohol gef\u00e4llt. Durch L\u00f6sen in Wasser und nachtr\u00e4gliche F\u00e4llung mit Alkohol wurde das Pr\u00e4parat von den letzten K\u00e4seresten gereinigt. Diese Substanz gab nach dem Referat von Hammarsten (die urspr\u00fcngliche Mitteilung war mir nicht zug\u00e4nglich) alle \u00bbPeptonreaktionen\u00ab, unterschied sich aber vom \u00bbPepton\u00ab durch den auffallend niedrigen Stickstoffgehalt (13,1\u201413,9 \u00b0/o). Auch aus dem mit Lab ohne Zuf\u00fcgen von Calciumchlorid behandelten Casein hat K\u00f6ster diese Substanz isolieren k\u00f6nnen, nachdem er das Paracasein durch Essigs\u00e4ure gef\u00e4llt hatte.\nEine neue Eigenschaft dieses wenig scharf definierten K\u00f6rpers hat uns M\u00fcller2) gezeigt, n\u00e4mlich da\u00df er erst bei 58\u00b0/oiger S\u00e4ttigung mit Ammoniumsulfat gef\u00e4llt wird, eine Eigenschaft, welche uns die Verschiebung der F\u00e4llungsgrenze nach der Einwirkung des Labenzyms auf das Caseinalkali deutlich macht. W\u00e4hrend die letztere L\u00f6sung schon bei 36\u00b0/oiger S\u00e4ttigung vollkommen gef\u00e4llt wird, findet man, sobald durch den Einflu\u00df des Labenzyms die neue Fraktion hinzu kommt, da\u00df erst bei 58<>/oiger S\u00e4ttigung im Filtrate keine Eiwei\u00dfk\u00f6rper mehr nachzuweisen sind.\nEinen ebenfalls \u00fcberzeugenden Beweis f\u00fcr das Hinzukommen einer neuen Substanz nach der Labwirkung hat Schmidt\n9 Upsala L\u00e4kare f\u00f6rening Forhandlingar, Bd. XI. Vide Ref. Hammarsten, Jahresber. f. Tierchemie, Bd. XI, 1881.\n2) Arch. f. Hygiene, Bd. XLIV, 1902.","page":186},{"file":"p0187.txt","language":"de","ocr_de":"Beitrag zur Kenntnis der Labwirkung auf Casein.\n187\nNielsen1) neuerdings gegeben. Nachdem dieser Untersucher gezeigt hatte, da\u00df Casein und Paracasein beide durch rohes kalkhaltiges Kochsalz vollkommen gef\u00e4llt werden, vermochte er nachzuweisen, da\u00df nur nach Zusatz des Labenzyms das Filtrat dieser F\u00e4llung noch einen deutlichen Niederschlag mit von Natriumchlorid ges\u00e4ttigter Essigs\u00e4ure gab. In einer sp\u00e4teren Publikation zeigte derselbe Forscher,2) da\u00df die Bildung des Molkeneiwei\u00dfes ganz unabh\u00e4ngig ist von der Bereitungsweise des Caseins und deswegen nicht als Beimischung, sondern als Spaltungsprodukt betrachtet werden mu\u00df.\nDie Stelle, welche dies Molkeneiwei\u00df, das sich nach den Mitteilungen der verschiedenen Autoren mehr durch negative als durch positive Eigenschaften unterscheidet, im System der Eiwei\u00dfk\u00f6rper einnimmt, ist nur \u00e4u\u00dferst mangelhaft angedeutet.\nAu\u00dfer dem Molkeneiwei\u00df sollte eine Spur der Paracaseincalciumverbindung in L\u00f6sung bleiben. Die Beobachtung, da\u00df ein Teil des Paracaseins l\u00f6slich sei im \u00dcberschu\u00df von Calciumchlorid, f\u00fchrte zur Annahme, da\u00df die in der L\u00f6sung nebst dem Molkeneiwei\u00df befindliche Substanz, welche in Gegensatz zum ersteren beim Erhitzen koagulierte, identisch sei mit dem Paracasein. Es wurde die M\u00f6glichkeit \u00fcbersehen, da\u00df nebst dem Paracasein und dem Molkeneiwei\u00df noch ein anderer K\u00f6rper sich unter dem Einfl\u00fcsse des Labenzyms entwickeln k\u00f6nnte. Erst Petry3) hat neulich die Genese einer mit Paracasein verwandten Substanz beschrieben, welche wohl von verd\u00fcnnter Essigs\u00e4ure, aber nicht von Calciumchlorid gef\u00e4llt wird.\nMeine Untersuchung f\u00fchrte, unabh\u00e4ngig von Petry, zu demselben Resultat. Aus dem Folgenden wird sich ergeben, da\u00df es diese Substanz ist, welche neben dem Molkeneiwei\u00df in der L\u00f6sung nachgewiesen werden kann.\nW\u00e4hrend Petry das Molkeneiwei\u00df als eine sekund\u00e4re Albumose betrachtet, hat er daneben durch Labwirkung schon nach 24 Stunden in* bedeutender Quantit\u00e4t eine prim\u00e4re Albumose gefunden, welche er, was die Beziehung zu Ammonium-\nb Festschrift f. Hammarsten, 1906, S. 15.\n2)\tHofmeisters Beitr\u00e4ge, Bd. IX, Heft 8\u201411, 1907, S. 322.\n3)\tHofmeisters Beitr\u00e4ge, Bd. VIII, 1906, S. 339.","page":187},{"file":"p0188.txt","language":"de","ocr_de":"188\nM. van Herwerden,\nsulfat betrifft, in \u00dcbereinstimmung bringt mit den Gaseinen, die Alexander1) bei peptischer Spaltung von Casein gefunden hat.\nIch beabsichtigte, mit meiner eigenen Untersuchung einige mit einander in Widerspruch stehende Befunde der verschiedenen Untersucher zu pr\u00fcfen und einen klaren Einblick in die Natur der Spaltungsprodukte zu bekommen, welche sich nach kurzer oder langdauernder Einwirkung des Labenzyms\nbei schwach saurer oder neutraler Reaktion entwickeln. Schon\n\u00ab\nhier bemerke ich, da\u00df meine Erwartung, isolierte Spaltungsprodukte zu erlangen, deren Elementar analyse zu genauerer Kenntnis derselben beitragen w\u00fcrde, eingeschr\u00e4nkt wurde durch die Beobachtung, da\u00df die Enzymwirkung kontinuierlich fortschreitet, in der Weise, da\u00df aus den Spaltungsprodukten wieder andere von ge\u00e4ndertem Bau gebildet werden. Bei der Beschreibung meiner Untersuchungsmethoden werde ich diese Tatsache n\u00e4her hervorheben.\nDas von mir benutzte Casein wurde ausschlie\u00dflich aus frischer abgerahmter Milch nach der Hammarsten sehen Methode bereitet. Soweit dies nicht in loco erw\u00e4hnt ist, wurden die verschiedenen Versuche angestellt mit einer 3- bis 5\u00b0/oigen Caseinl\u00f6sung in verd\u00fcnnter Natronlauge bei schwach saurer Reaktion. Bei l\u00e4ngerem Verbleiben auf K\u00f6rpertemperatur wurde Thymol der L\u00f6sung zugesetzt.\nAls Enzym bediente ich mich sowohl des Labs (\u00abKaas-stremsel van Has seit\u00bb) als des Pepsins, nach der Methode von Pekelharing2) aus der Magenschleimhaut des Schweins bereitet. Dieses letztere Enzym wurde nach L\u00f6sung in 0,2\u00b0/oiger Salzs\u00e4ure und nachtr\u00e4glicher Neutralisation mit sehr verd\u00fcnnter Natronlauge der auf 38\u00b0 bis 40\u00b0 erw\u00e4rmten Caseinl\u00f6sung zugesetzt. Es stellte sich heraus, da\u00df die Wirkung dieser beiden Substanzen qualitativ vollkommen identisch war; auch bei langdauernder Einwirkung des neutralisierten Pepsins waren die Spaltungsprodukte dieselben, welche auch vom Handelslab hervorgerufen wurden.\n0 Diese Zeitschrift, Bd. XXV, 1898, S. 411.\n2) Diese Zeitschrift, Bd. XXII, S. 283.","page":188},{"file":"p0189.txt","language":"de","ocr_de":"Beitrag zur Kenntnis der Labwirkung auf Casein.\n189\nIch gebe eine kurze Beschreibung der von mir verwendeten Methode beim Versuche, die Spaltungsprodukte zu trennen, welche durch den Einflu\u00df von Lab oder Pepsin auf Casein entstehen.\nZuerst wurde der Einflu\u00df von neutralisiertem Pepsin bei sehr kurz dauernder Einwirkung auf Casein nach Hinzuf\u00fcgung vonCalciumchlorid gepr\u00fcft. Es wurdeVorsorge getroffen, die Enzymwirkung, welche innerhalb 1 bis 2 Minuten Koagulation verursacht hatte, durch Abk\u00fchlen und schnelles Filtrieren so bald wie m\u00f6glich zu hemmen. Durch ein zuvor bereitetes Saugfilter aus zusammengepre\u00dfter Papierpappe wurde innerhalb einiger Minuten ein klares Filtrat erlangt, das fraktioniert gef\u00e4llt wurde durch 30- und 60\u00b0/oige S\u00e4ttigung mit Ammoniumsulfat. Die ganze Behandlung war in weniger als 10 Minuten abgelaufen. Das bei 30\u00b0/oiger S\u00e4ttigung gebildete Pr\u00e4zipitat kam nach 24st\u00fcndiger Dialyse gegen Aqua destillata nicht zur L\u00f6sung, wohl aber nach Zusatz von Alkali bei neutraler Reaktion. Verd\u00fcnnte Essigs\u00e4ure verursachte eine F\u00e4llung, Calciumchlorid aber nicht. Bei qualitativer Untersuchung ergab sich diese Fraktion als phosphorhaltig (Neumannsehe Methode). Die bei 60\u00b0/oiger S\u00e4ttigung mit Ammoniumsulfat gef\u00e4llte Fraktion l\u00f6ste sich im Gegensatz zur erstgenannten im Dialysator vollkommen, ohne zu diffundieren. Diese Fraktion konnte weder von Essigs\u00e4ure, noch von Calciumchlorid gef\u00e4llt werden; sie zeigte \u00fcbrigens die meisten Eiwei\u00dfreaktionen. Charakteristisch ist aber das Ausbleiben einer F\u00e4llung mit Ferrocyanwasser-stoff, w\u00e4hrend sich mit Tanninessigs\u00e4ure ein Niederschlag bildet, welcher bei Erw\u00e4rmung verschwindet und bei Abk\u00fchlung zur\u00fcckkehrt. Mit Natriumchlorid und Essigs\u00e4ure (Reaktion von Heynsius) bildet sich eine geringe F\u00e4llung, die bei Erw\u00e4rmung fortbesteht.\nDiese letztere Substanz stimmt, was ihre Eigenschaften betrifft, \u00fcberein mit dem Molkeneiwei\u00df der verschiedenen Autoren. Zum Vergleich mit andern Spaltungsprodukten des Caseins w\u00fcnsche ich sie vorl\u00e4ufig Substanz C zu nennen. Sp\u00e4tere Versuche lehrten nur, da\u00df sie auch schon teilweise in der bei 30\u00b0/oiger S\u00e4ttigung mit Ammoniumsulfat gebildeten Fraktion","page":189},{"file":"p0190.txt","language":"de","ocr_de":"190\nM. van Herwerden,\ngefunden wird, und erst von der oben erw\u00e4hnten Substanz vollst\u00e4ndig zu trennen ist durch ihre Unf\u00e4higkeit, von verd\u00fcnnter Essigs\u00e4ure gef\u00e4llt zu werden.\nWenn man im Gegensatz zu dem \u00e4u\u00dferst schnellen Vorgang, bei welchem versucht wurde, jede Digestion auszuschlie\u00dfen, die Erw\u00e4rmung auf K\u00f6rpertemperatur w\u00e4hrend drei Stunden fortsetzt, ist es nicht m\u00f6glich, eine merkbare \u00c4nderung in der Natur der Spaltungsprodukte hervorzurufen. Dasselbe gilt f\u00fcr die Einwirkung von Lab. Wird aber w\u00e4hrend sehr langer Zeit die Fl\u00fcssigkeit dem Einfl\u00fcsse des Enzyms ausgesetzt, so kann, wie sich aus meinen sp\u00e4teren Versuchen ergeben wird, der Charakter der entwickelten Produkte sich wesentlich \u00e4ndern.\nNach Einwirkung von Lab auf eine schwach sauer reagierende Natriumcaseinl\u00f6sung ohne Zuf\u00fcgung von CaCl2 kann man, wie bekannt, das Paracasein durch verd\u00fcnnte Essigs\u00e4ure ausf\u00e4llen, w\u00e4hrend das Molkeneiwei\u00df in L\u00f6sung bleibt. F\u00fcgt man Essigs\u00e4ure hinzu, bis das Filtrat nicht mehr mit Ferroeyanwasserstoff reagiert, so ist man berechtigt, anzunehmen, da\u00df letzteres gr\u00f6\u00dftenteils (falls nicht vollkommen) von Paracasein befreit ist. L\u00f6st man jetzt diese Paracaseinf\u00e4llung in verd\u00fcnnter Natronlauge bei schwach saurer Reaktion, und f\u00e4llt nachtr\u00e4glich mit einem \u00dcberschu\u00df von Calciumchlorid, so stellt sich heraus, da\u00df im Filtrat mit verd\u00fcnnter Essigs\u00e4ure noch ein feinflockiges Pr\u00e4zipitat gebildet wird. Auch die Substanz C, welche, wie gesagt, nicht von Essigs\u00e4ure gef\u00e4llt wird, ist im Filtrat nachzuweisen. Bei zwei- und dreimaliger F\u00e4llung mit Calciumchlorid k\u00f6nnen jedesmal im Filtrat dieselben Spaltungsprodukte gefunden werden. Da\u00df der bei der prim\u00e4ren F\u00e4llung mit Essigs\u00e4ure erlangte Niederschlag kein einheitlicher K\u00f6rper ist, ergab sich also aus der Tatsache, da\u00df er neben einer mit Calciumchlorid f\u00e4llbaren Substanz (Paracasein A) eine andere enth\u00e4lt, welche wohl von verd\u00fcnnter Essigs\u00e4ure, dagegen nicht von Calciumchlorid pr\u00e4zipitiert wird (Paracasein B).\nEs gelang mir, in der oben beschriebenen Weise diese Produkte einigerma\u00dfen von einander zu trennen, obgleich wegen","page":190},{"file":"p0191.txt","language":"de","ocr_de":"Beitrag zur Kenntnis der Labwirkung auf Casein.\t191\nder fortschreitenden Spaltung von einer wirklichen Isolation freilich nicht die Rede sein konnte. Die Voraussetzung, da\u00df Paracasein B nichts anderes sein w\u00fcrde als ein im \u00dcberschu\u00df von Calciumchlorid l\u00f6sliches Paracasein A, kann durch die Beobachtung widerlegt werden, da\u00df erstens das m\u00f6glichst gereinigte Paracasein A nicht l\u00f6slich ist im \u00dcberschu\u00df von Calciumchlorid und zweitens Paracasein B in sehr konzentrierter L\u00f6sung absolut nicht von diesem Kalksalz gef\u00e4llt werden kann. Wir haben also hier eine Substanz kennen gelernt, welche sich durch eine bestimmte Eigenschaft von dem in der Literatur bekannten Paracasein unterscheidet. Bemerkenswert ist nun die Tatsache, da\u00df bei wiederholter L\u00f6sung des Paracaseins A in Natronlauge und nachtr\u00e4glicher F\u00e4llung mit Calciumchlorid sowohl dieses Paracasein B als die obenerw\u00e4hnte Substanz C im Filtrate nachzuweisen sind, in einer Quantit\u00e4t, welche (wenn man den Verlust in Betracht zieht, der wegen der Schwerl\u00f6slichkeit der Calciumverbindung unvermeidlich ist) nicht merkbar abnimmt. Im Gegenteil sieht man nicht selten, da\u00df in der zweiten Fraktion die Reaktion mit Tanninessigs\u00e4ure betr\u00e4chtlicher ist als in der ersteren. Weil hier von Verunreinigung nicht die Rede sein kann, m\u00f6chte ich schlie\u00dfen, da\u00df der Spaltungsproze\u00df, durch das Labenzym eingeleitet, auch nach der Pr\u00e4zipitation mit Essigs\u00e4ure fortschreitet, ohne da\u00df aber der Charakter der Spaltungsprodukte sich merkbar ver\u00e4ndert. Ich konnte also den Ausspruch Petrys1) best\u00e4tigen: \u00abDie Molkeneiwei\u00dfbildung bleibt nicht im Momente der Paracaseinbildung stehen, sondern schreitet \u00fcber diesen hinaus kontinuierlich weiter.\u00bb\nIn keiner dieser Fraktionen befanden sich prim\u00e4re Albu-mosen, wie sie von Alexander2) bei peptischer Digestion des Caseins beschrieben sind.\nSchreitet, wie ich es mir vorstelle, die Spaltung kontinuierlich fort, so wird das Pr\u00e4parat Paracasein A, welches wir durch dreimalige\u00bb F\u00e4llung mit Calciumchlorid erhalten, nicht vollkommen befreit sein von Paracasein B und Substanz G. Auch wenn man m\u00f6glichst rasch das Pr\u00e4zipitat der Calcium-\n') Hofmeisters Beitr\u00e4ge, Bd. VIII, S. 343.\n*) Diese Zeitschrift, Bd. XXV, 1898.","page":191},{"file":"p0192.txt","language":"de","ocr_de":"192\nM. van Herwerden,\nVerbindung mit Alkohol behandelt, ergibt sich sp\u00e4ter, da\u00df das vollkommen getrocknete Paracasein A bei nachtr\u00e4glichem L\u00f6sen in verd\u00fcnnter Natronlauge wieder ein kleines Quantum der genannten Spaltungsprodukte eingeschlossen h\u00e4lt.\nNachdr\u00fccklich bemerke ich, da\u00df dies nachgewiesen wurde ohne Zuf\u00fcgung von neuem Lab. Schmidt Nielsen1) hat n\u00e4mlich in einer j\u00fcngst nach Abschlu\u00df meiner Arbeit erschienenen Publikation eine Spaltung des Paracaseins nach Zusatz von Lab beschrieben. Dieses Paracasein, das durch Essigs\u00e4uref\u00e4llung nach Labwirkung auf Gasein hergestellt wurde, und also eine Mischung sein mu\u00df von unserem Paracasein A und B, soll nach Schmidt Nielsen unter dem Einfl\u00fcsse einer dem Chymosin anhaftenden Protease weiter gespalten werden. Da\u00df tats\u00e4chlich die Molkeneiwei\u00dffraktion sich auf Kosten des Paracaseins vermehrt, wird aus meinen l\u00e4nger fortgesetzten Verdauungsproben hervorgehen.\nIn der Absicht, den Verlauf des Spaltungsprozesses bei langdauernder Labwirkung zu studieren, wurde eine 5\u00b0/oige Caseinl\u00f6sung bei sehr schwach saurer Reaktion, ohne Zusatz von Calciumchlorid, mit Lab auf K\u00f6rpertemperatur erw\u00e4rmt. Nach 48 Stunden hatte die urspr\u00fcnglich schwach opalescierende Fl\u00fcssigkeit ein milch\u00e4hnliches Aussehen. Zwei Tage sp\u00e4ter war ein Sediment nachzuweisen, das erst bei alkalischer Reaktion l\u00f6slich war und nicht mehr gef\u00e4llt wurde von Calciumchlorid, dagegen wohl von verd\u00fcnnter Essigs\u00e4ure. Au\u00dferdem befand sich im Filtrat eine Substanz, die, was die Reaktionen angeht, \u00fcbereinstimmt mit Substanz C, in gr\u00f6\u00dferer Quantit\u00e4t, als sie bei momentaner Labwirkung zu erhalten war. Daneben hatte sich eine prim\u00e4re Albumose gebildet, was zu erkennen war an der F\u00e4llung mit Natriumchlorid und Essigs\u00e4ure (Reaktion von Heynsius) und L\u00f6slichkeit beim nachtr\u00e4glichen Erhitzen. Erw\u00e4rmt man dieselbe Caseinl\u00f6sung w\u00e4hrend vier Monaten auf K\u00f6rpertemperatur, so hat die Fraktion der prim\u00e4ren Albumose bedeutend zugenommen; auch Substanz C\n\u00dc Hofmeisters Beitr\u00e4ge, Bd. IX, Heft 8\u201411, 1907.","page":192},{"file":"p0193.txt","language":"de","ocr_de":"Beitrag zur Kenntnis der Lab Wirkung auf Casein.\n193\nist in gr\u00f6\u00dferer Quantit\u00e4t gebildet, w\u00e4hrend das nur bei alka-lischer Reaktion sieh l\u00f6sende Sediment allm\u00e4hlich an Umfang abgenommen hat. Aus dem Gemische von Substanz G und prim\u00e4rer Albumose kann man die letztere durch 40\u00b0/oige S\u00e4ttigung mit Ammoniumsulfat vollkommen entfernen. Es gelingt dann, im Filtrate die Substanz G mit Tanninessigs\u00e4ure nachzuweisen.\nDie \u00dcberlegung, da\u00df m\u00f6glicherweise eine Verunreinigung des Handelslabs mit einem proteolytischen Nebenfermente die Ursache sein k\u00f6nnte von der Entwicklung einer prim\u00e4ren Albumose bei langdauernder Labwirkung, f\u00fchrte mich zu dem folgenden Versuch: Eine ungef\u00e4hr 5\u00b0/oige Caseinl\u00f6sung wurde mit Lab bei neutraler Reaktion gegen\u00fcber Lackmus w\u00e4hrend 14 Tagen auf K\u00f6rpertemperatur erw\u00e4rmt und gleichzeitig als Kontrollprobe Mett sehe R\u00f6hrchen in aqua destillata mit einer gleichgro\u00dfen Labkonzentration gebracht. Was die urspr\u00fcngliche Caseinl\u00f6sung betrifft, zeigte diese nach 14 Tagen nicht mehr eine neutrale, sondern eine amphotere Reaktion. Die bekannten Spaltungsprodukte hatten sich gebildet; auch prim\u00e4re Albumose in geringer Menge. Diese letztere war ebenfalls deutlich nachzuweisen in der neutralen, w\u00e4sserigen L\u00f6sung mit Mett sehen R\u00f6hrchen, an welchen eine \u00e4u\u00dferst geringe Verdauung stattgefunden hatte. Das Handelslab ist also imstande, bei einer gegen\u00fcber Lackmus neutralen Reaktion bei langdauerndem Einflu\u00df auf H\u00fchnereiwei\u00df proteolytisch zu wirken.\nZur Reantwortung der Frage, ob eine Gaseinl\u00f6sung, welche sich mit Phenolphthalein schwach rot f\u00e4rbt, einer Labwirkung zug\u00e4nglich sei, wurde bei dieser Reaktion nach Zusatz von Calciumchlorid eine Caseinl\u00f6sung mit Lab auf K\u00f6rpertemperatur erw\u00e4rmt. Bemerkenswert ist die Tatsache, da\u00df, sobald Calciumchlorid zugesetzt ist, die Reaktion wieder sauer gegen\u00fcber Phenolphthalein wird. Hat man die Fl\u00fcssigkeit wieder neutralisiert, so trifft man sie regelm\u00e4\u00dfig nach 24 Stunden von neuem sauer gegen\u00fcber Phenolphthalein, oft noch alkalisch oder neutral gegen\u00fcber Lackmus. Bei diesem Versuch hatte sich nach einigen Tagen ein Sediment abgesetzt, das aber absolut den eigent\u00fcmlichen Charakter des K\u00e4ses vermissen\n13\nHoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie. LII.","page":193},{"file":"p0194.txt","language":"de","ocr_de":"194\nM. van Herwerden,\nlie\u00df. Auch die Substanz C war nachzuweisen, was aber, wie sich sp\u00e4ter ergeben wird, kein Beweis zu sein braucht, da\u00df tats\u00e4chlich Lab Wirkung stattgefunden hat. Von prim\u00e4ren Albu-mosen war nichts zu entdecken.\nSetzt man zu Milch soviel Alkali hinzu, da\u00df sie sich schwach rot f\u00e4rbt mit Phenolphthalein, so sieht man auch hier w\u00e4hrend der Labwirkung die Reaktion sich nach der s\u00e4uern Seite verschieben, bis schlie\u00dflich Koagulation stattfmdet, w\u00e4hrend die Reaktion neutral oder noch schwach alkalisch ist Lackmus gegen\u00fcber. Bei \u00dcberschu\u00df von Alkali bleibt die Koagulation vollkommen aus. \u2014 In den n\u00e4chstfolgenden Seiten gebe ich eine kurze Beschreibung der unter dem Namen Paracasein A, Paracasein B und Substanz G erw\u00e4hnten Spaltungsprodukte.\nParacasein A.\nWie gesagt ist diese Substanz kein rein dargestellter K\u00f6rper. Nach Labbehandlung der Gaseinl\u00f6sung und nachtr\u00e4glicher einmaliger F\u00e4llung mit verd\u00fcnnter Essigs\u00e4ure und dreimaliger mit Calciumehlorid wurde eine Parac a seinkalk verbin dung hergestellt, welche infolge der fortdauernden Spaltung noch kleine Quantit\u00e4ten von Paracasein B und Substanz G eingeschlossen h\u00e4lt. Da\u00df dies tats\u00e4chlich der Fall ist, geht, wie ich schon Seite 191 bemerkte, hervor aus der Beobachtung, da\u00df nach L\u00f6sen des getrockneten Paracaseinkalkes A in Alkali bei neutraler Reaktion und weiterer Behandlung die beiden genannten Substanzen wieder hervortreten. Weil die L\u00f6sung des Paracaseinkalkes A als solche nicht gef\u00e4llt wird von Tanninessigs\u00e4ure, k\u00f6nnte man\nzu dem Schl\u00fcsse neigen, da\u00df die Substanz G abwesend sei. Da\u00df\n\u00ab \u2022\ndieser Schlu\u00df aber nicht berechtigt ist und da\u00df nur der Uberschu\u00df von Paracasein die Tanninverbindung in L\u00f6sung h\u00e4lt, wird deutlich, wenn man eine Paracaseinalkalil\u00f6sung zu einer verd\u00fcnnten L\u00f6sung von Substanz G bringt, welche zuvor einwandsfrei mit Tanninessigs\u00e4ure reagierte. Nach Zusatz von diesem Paracasein bleibt n\u00e4mlich eine F\u00e4llung vollkommen aus. Eine Analogie sehen wir bei der mit Lab versetzten Gaseinl\u00f6sung, welche keine Reaktion mit Tanninessigs\u00e4ure gibt, obgleich sie Substanz C eingeschlossen h\u00e4lt.","page":194},{"file":"p0195.txt","language":"de","ocr_de":"Beitrag zur Kenntnis der Labwirkung auf Casein.\n195\nDie genannte Verunreinigung unseres Paracaseinpr\u00e4parates erkl\u00e4rt auch die verschiedenen Resultate der Elementaranalyse, welche ich aus diesem Grunde nicht fortgesetzt habe. Paracaseincalcium wird beim Erhitzen stark opaleseierend, bei Abk\u00fchlung wieder klar, eine Eigenschaft, welche allen Erdalki-verbindungen des Caseins und des Paracaseins gemeinsam ist und nach Laqueur und Sackurder Pr\u00e4zipitation des Casein- (resp. Paracasein-)Hydrosols bei zunehmender Hydrolyse zu verdanken ist.\nDie Alkaliverbindungen des Paracaseins opalescieren nicht beim Erhitzen, ebenso wenig wie diejenigen des reinen Caseins. Paracaseinkalk, bei neutraler Reaktion in Alkali gel\u00f6st, gibt die gew\u00f6hnlichen Eiwei\u00dfreaktionen (ich verwaise auf die Tabelle Seite 205). Es wird vollkommen ausgef\u00e4llt von Magnesiumsulfat bei totaler S\u00e4ttigung. Dasselbe gilt von kalkhaltigem Natriumchlorid.\nDie Frage, ob Paracasein nicht gef\u00e4llt wird von kalkfreiem Kochsalz, ist, wie sich versteht, nicht beim Versuche mit der Paracaseinkalkverbindung zu l\u00f6sen. An einem Pr\u00e4parat, das aus einem Gemische von Paracasein A und B gebildet war und isoliert wurde durch wiederholte F\u00e4llung mit Essigs\u00e4ure ohne Zusatz von Calciumchlorid, ergab sich aber, da\u00df \u00fcbereinstimmend mit der Schmidt-Nielsenschen1 2) Mitteilung kalkfreies Chlornatrium nicht hinreicht, diese Verbindung zu pr\u00e4zipitieren.\nDie F\u00e4llungsgrenze gegen\u00fcber Ammoniumsulfat liegt f\u00fcr Paracasein A niedriger als f\u00fcr das Casein. In einer ungef\u00e4hr 2\u00b0/oigen Caseinl\u00f6sung verursacht 15\u00b0/oige S\u00e4ttigung mit Ammoniumsulfat nur Opalescenz, w\u00e4hrend nach der Labwirkung schon direkt eine geringe F\u00e4llung auftritt. Bei30\u00b0/oiger S\u00e4ttigung ist das Paracasein A vollkommen gef\u00e4llt.\nIch halte es f\u00fcr wenig angezeigt, wie es in letzterer Zeit wiederholt geschah, diese F\u00e4llungsgrenze sch\u00e4rfer abzugrenzen. Bei meiner eigeneh Untersuchung bemerkte ich n\u00e4mlich, wie sehr die Konzentration der L\u00f6sung, die Temperatur, die Gegenwart von anderen Salzen und vielleicht noch andere mir un-\n1)\tHofmeisters Beitr\u00e4ge, Bd. III, 1902, S. 193.\n2)\tHofmeisters Beitr\u00e4ge, Bd. IX, Heft 8\u201411, S. 311.\n13*","page":195},{"file":"p0196.txt","language":"de","ocr_de":"196\nM. van Herwerden,\nbekannte Faktoren kleine \u00c4nderungen in diesem Verh\u00e4ltnis ges\u00e4ttigten Salzl\u00f6sungen gegen\u00fcber herbeif\u00fchren k\u00f6nnen.\nDas m\u00f6glichst gereinigte Pr\u00e4parat Paracasein A ist phosphorhaltig. Quantitative Bestimmungen nach der Neumannschen Methode gaben, wie zu erwarten war, keine einheitlichen Resultate. Der Phosphorgehalt blieb in drei Bestimmungen unter dem Wert von 0,2\u00b0/#, w\u00e4hrend aus den Elementaranalysen des Caseins von Hammarsten, Laqueur-Sackur, Chit-tenden-Painter \u2018) hervorgeht, da\u00df diese letztere Substanz einen Phosphorgehalt von 0,8 \u00b0/o hat.\nZusammenfassend m\u00f6chte ich die folgenden Kennzeichen aufz\u00e4hlen, durch welche Paracasein A sich von Casein unterscheidet :\n\u2022 \u2022\n1.\tL\u00f6sliche Kalksalze, welche bei Casein erst im Uberschu\u00df angewendet, eine F\u00e4llung geben, verursachen in einer L\u00f6sung von Paracasein A sogleich einen k\u00e4seartigen Niederschlag, welcher, was die Konsistenz betrifft, durchaus abweicht von dem feinflockigen Pr\u00e4zipitat der Caseinkalkverbindung.\n2.\tDie F\u00e4llungsgrenze gegen\u00fcber Ammoniumsulfat liegt niedriger als diejenige des Caseins.\n3.\tDer Phosphorgehalt des Paracaseins ist geringer. Auch ist noch die M\u00f6glichkeit zu erw\u00e4gen, da\u00df dieser Gehalt an Phosphor Verunreinigung mit anderen phosphorhaltigen Spaltungsprodukten zuzuschreiben ist, w\u00e4hrend das absolut reine Paracasein A phosphorfrei sein k\u00f6nnte.\nParacasein B.\nDiese Substanz bekommt man durch Behandlung des Filtrates des mit Calciumchlorid gef\u00e4llten Paracaseins A mit verd\u00fcnnter Essigs\u00e4ure. Der feinflockige Niederschlag ist auch nach wiederholtem Auswaschen mit destilliertem Wasser nicht vollkommen von Substanz C zu trennen. Auch hier ergab sich der Phosphorgehalt als ein inkonstanter, ebenso wie bei Paracasein A, weniger als 0,2o/o. Dieses Paracasein B, welches nicht eine Albumosereaktion zeigte, stimmt, was die meisten Eiwei\u00dfreaktionen und sein Verh\u00e4ltnis gegen\u00fcber ges\u00e4ttigten\n*) Vide Raudnitz, 1. c. S. 232.","page":196},{"file":"p0197.txt","language":"de","ocr_de":"Beitrag zur Kenntnis der Labwirkung auf Casein.\n197\nSalzl\u00f6sungen betrifft, mit Paracasein A \u00fcberein (ich verweise auf die Tabelle Seite 205), unterscheidet sich haupts\u00e4chlich von dieser letzteren Substanz durch seine Unf\u00e4higkeit, von Calciumchlorid gef\u00e4llt zu werden. Ebenso wie Paracasein A ist Paracasein B in Wasser unl\u00f6slich. Es kommt mir vor, da\u00df diese Substanz identisch ist mit dem von Petry beschriebenen Spaltungsprodukte des Caseins, welches wohl von verd\u00fcnnter Essigs\u00e4ure, nicht aber von Calciumchlorid pr\u00e4zipitiert wird. Die Mitteilung, da\u00df Sublimat keine F\u00e4llung verursacht, konnte ich nicht best\u00e4tigen, dagegen vermi\u00dfte ich die Schwefelbleireaktion, welche bei Paracasein A deutlich nachzuweisen ist. Die Gegenwart von Paracasein B unter den durch Labwirkung aus Casein entwickelten Spaltungsprodukten gibt uns Aufkl\u00e4rung \u00fcber die Natur der Substanz, welche neben dem Molkeneiwei\u00df bei der K\u00e4sebildung in der L\u00f6sung wiederholt beschrieben und als ein in L\u00f6sung gebliebener Teil des K\u00e4ses betrachtet worden ist. Isolieren wir diese Substanz, welche in \u00e4u\u00dferst geringer Quantit\u00e4t gebildet wird, so ergibt sich, da\u00df auch diese nicht von Calciumchlorid, wohl aber von verd\u00fcnnter Essigs\u00e4ure gef\u00e4llt wird und ebenfalls wie das oben beschriebene Paracasein B phosphorhaltig ist (Seite 189).\nSubstanz C.\nUm diese Substanz m\u00f6glichst gut zu isolieren, war es angezeigt, die F\u00e4llung mit verd\u00fcnnter Essigs\u00e4ure \u00e4u\u00dferst vorsichtig vorzunehmen, in der Weise, da\u00df das Filtrat nicht mehr mit Ferrocyanwasserstoff reagierte, ein Kriterium, da\u00df nicht ein Teil des Paracaseins sich wieder gel\u00f6st hatte oder ungen\u00fcgend pr\u00e4zipitiert war. Nach 60\u00b0/oiger S\u00e4ttigung mit Ammoniumsulfat wurde die Substanz C gef\u00e4llt, welche, wie gesagt, nur durch eine positive Eigenschaft (n\u00e4mlich durch die F\u00e4llung mit Tanninessigs\u00e4ure), daneben durch einzelne negative [Tabelle Seite 205], sich v.on dem oben erw\u00e4hnten Eiwei\u00dfk\u00f6rper unterscheidet. Der abfiltrierte Niederschlag wurde zwischen Filtrierpapier ausgepre\u00dft und nachtr\u00e4glich mit 85\u00b0/oigem Alkohol gekocht. wobei er sich l\u00f6ste und beim Abk\u00fchlen wieder aus^-\nj\nschied. Durch wiederholten Zusatz von frischem Alkohol ge-","page":197},{"file":"p0198.txt","language":"de","ocr_de":"198\nM. van Herwerden,\nlang es, diese Substanz gr\u00f6\u00dftenteils von Ammoniumsulfat zu reinigen.\nIm Vergleich mit Paracasein A und B bildet die Substanz C nur eine \u00e4u\u00dferst geringe Fraktion der Spaltungsprodukte. Bemerkenswert ist die Tatsache, da\u00df sie im ersten Filtrat der Essigs\u00e4uref\u00e4llung (vide Seite 191) in kleinerer Quantit\u00e4t auf-tritt als in den sp\u00e4teren Fraktionen nach Isolation des Paracaseins A und B. Im Gegensatz zu den oben erw\u00e4hnten Pro-\n*\ndukten ist die frisch bereitete Substanz C in Wasser l\u00f6slich; nach langdauerndem Verbleiben unter Alkohol verliert sie diese F\u00e4higkeit. Die Schwierigkeiten, welche bei der Aussalzung mit Ammoniumsulfat einer eventuellen Stickstoffbestimmung im Wege stehen, w\u00e4ren zu vermeiden durch Aussalzen mittels S\u00e4ttigung mit Kaliumoxalat bei einer Temperatur von 33\u00b0 und nachtr\u00e4glicher Entfernung des Oxalates durch Zusatz von Calciumchlorid zum siedenden Alkohol, in welchem die gef\u00e4llte Substanz gel\u00f6st wird. Wegen der schon erw\u00e4hnten Labilit\u00e4t der verschiedenen Spaltungsprodukte wurde eine Elementaranalyse aber vorl\u00e4ufig als wertlos betrachtet. Es stellte sich heraus, da\u00df auch die Substanz G phosphorhaltig ist im Gegensatz zu der Behauptung von v. Basch,1) welcher das Molkeneiwei\u00df, das in seinen \u00fcbrigen Eigenschaften mit meiner Substanz C v\u00f6llig identisch ist, phosphorfrei gefunden hat.\nDie bereits von andern Untersuchern hervorgehobene Frage, ob das Casein als solches, bevor es der Labwirkung ausgesetzt wird, eine einheitliche Substanz sei, f\u00fchrte mich zu weiteren Versuchen. Es galt n\u00e4mlich, festzustellen, ob vielleicht schon das nach Hammarsten bereitete Gasein die oben erw\u00e4hnte Substanz G entweder als Verunreinigung oder als abgespaltetes Fragment eingeschlossen h\u00e4tte, die Substanz, welche sich nach momentaner Labwirkung in deutlich nachweisbarer Quantit\u00e4t in der L\u00f6sung vorfindet. Wenn man eine L\u00f6sung der Substanz G mit Casein zusammenmischt, so maskiert das Casein die bekannte Reaktion mit Tanninessigs\u00e4ure ; in \u00e4hnlicher Weise, als wir dies bei der Paracaseinalkalil\u00f6sung\nx) Vide Raudnitz, Ergebnisse der Physiol., Bd. II, 1903, S. 244.","page":198},{"file":"p0199.txt","language":"de","ocr_de":"199\nBeitrag zur Kenntnis der Labwirkung auf Casein.\nbeobachtet haben (Seite 194). In einer L\u00f6sung von Casein ist Substanz C also nicht zu erkennen. Nur wenn es gelingt, das Casein vollkommen mit verd\u00fcnnter Essigs\u00e4ure zu f\u00e4llen, w\u00e4re es m\u00f6glich, im Filtrate eine eventuell anwesende Substanz C zu finden. Ein kleiner \u00dcberschu\u00df von Essigs\u00e4ure, welcher einen Teil des Caseins in L\u00f6sung h\u00e4lt, w\u00fcrde imstande sein, die F\u00e4llung mit Tanninessigs\u00e4ure zu verhindern, auch bei Gegenwart von Substanz C.\nTats\u00e4chlich gelang es, bei \u00e4u\u00dferst vorsichtiger F\u00e4llung mit Essigs\u00e4ure im klaren Filtrate mit 1 anninessigs\u00e4ure eine deutliche Opalescenz zu erlangen, welche beim Erhitzen vollkommen verschwand und bei Abk\u00fchlung wiederkehrte. Es wurde die M\u00f6glichkeit erwogen, da\u00df eine Spur des Caseins, welche der Pr\u00e4zipitation mit Essigs\u00e4ure entgangen sein k\u00f6nnte, im klaren Filtrate die Reaktion mit Tanninessigs\u00e4ure bewirkte. Es stellte sich aber heraus, da\u00df in \u00e4u\u00dferst verd\u00fcnnter Caseinl\u00f6sung durch Tanninessigs\u00e4ure keine beim Erhitzen verschwindende Opalescenz zu erzeugen war. Aus dieser Tatsache geht hervor, da\u00df das nach Hammarsten bereitete, viermal gef\u00e4llte Casein in schwach saurer oder neutraler L\u00f6sung nach F\u00e4llung mit verd\u00fcnnter Essigs\u00e4ure in minimaler Quantit\u00e4t eine Substanz einschlie\u00dft, welche, was ihre Eigenschaften betrifft, \u00fcbereinstimmt mit Substanz C.\nDie bekannte Beobachtung, da\u00df Casein bei 40\u00b0/oiger S\u00e4ttigung mit Ammoniumsulfat total gef\u00e4llt wird, braucht diesen Befund nicht zu widerlegen, denn es ist sehr wohl m\u00f6glich, da\u00df die sehr geringf\u00fcgige Menge von Substanz C bei der F\u00e4llung des Caseins mitgerissen wird (wie wir bemerkten, wird die Substanz C zwischen 20- und 60\u00b0/oiger S\u00e4ttigung mit Ammoniumsulfat gef\u00e4llt). Tats\u00e4chlich sehen wir, da\u00df im Filtrate der bei 40\u00b0/oiger S\u00e4ttigung mit Ammoniumsulfat pr\u00e4zipitierten Substanz jede Opalescenz mit Tanninessigs\u00e4ure ausbleibt. Da\u00df nicht die Gegenwart; des Ammoniumsulfates als solche die Ausf\u00e4llung der Tanninverbindung verhindert, geht gen\u00fcgend aus den Seite 189 beschriebenen Versuchen hervor.\nEbenso wenig gelang es, im Filtrate des nach S\u00e4ttigung mit kalkhaltigem Kochsalz vollkommen gef\u00e4llten Caseins noch","page":199},{"file":"p0200.txt","language":"de","ocr_de":"200\nM. van Herwerden,\ndie Substanz C nachzuweisen. Auch in diesem letzteren Fall war wahrscheinlich die in \u00e4u\u00dferst geringer Menge anwesende Substanz bei der F\u00e4llung mitgerissen worden.\nZur Feststellung, ob hier eine Verunreinigung des Gaseins vorlag, wurde dieser Eiwei\u00dfk\u00f6rper bis siebenmal mit verd\u00fcnnter Essigs\u00e4ure gef\u00e4llt. Auch das siebenmal pr\u00e4zipitierte Gasein, bei schwach saurer Reaktion in Alkali gel\u00f6st, zeigte wiederum denselben Befund.\nEs liegt auf der Hand, anzunehmen, da\u00df auch ohne Labwirkung in \u00e4u\u00dferst geringer Quantit\u00e4t eine leicht ab spaltbare Substanz, die noch den Charakter eines Eiwei\u00dfk\u00f6rpers tr\u00e4gt, sich vom Caseinmolek\u00fcl zu l\u00f6sen vermag, ohne da\u00df dies Molek\u00fcl tief eingreifenden Ver\u00e4nderungen ausgesetzt zu sein braucht. Sobald das Labenzym seinen Einflu\u00df auf das Caseinmolek\u00fcl geltend macht, w\u00fcrde dieses Fragment in gr\u00f6\u00dferer Quantit\u00e4t abgetrennt werden.\nIm Zusammenhang mit dieser Spaltung des Caseins ohne Zusatz von Lab k\u00f6nnte auch die Verschiebung der Reaktion nach der s\u00e4uern Seite stehen, wenn man eine neutral gegen\u00fcber Lackmus oder schwach alkalisch gegen\u00fcber Phenolphthalein reagierende L\u00f6sung w\u00e4hrend einiger Zeit auf K\u00f6rpertemperatur erw\u00e4rmt. Sehr deutlich war die Zunahme der abgespaltenen, mit Tanninessigs\u00e4ure reagierenden Fraktion in einer schwach sauren Caseinl\u00f6sung, welche w\u00e4hrend vier Tagen im Brutschrank der K\u00f6rpertemperatur ausgesetzt war. S\u00e4ttigte man diese L\u00f6sung bis 40\u00b0/o mit Ammoniumsulfat, so zeigte das Filtrat, im Gegensatz mit dem Befunde beim frisch bereiteten, nicht der K\u00f6rpertemperatur ausgesetzten Casein, noch eine Tr\u00fcbung mit Tanninessigs\u00e4ure.\nNicht ohne Bedeutung war nun die Beantwortung der Frage, ob vielleicht ein dem Casein anhaftendes proteolytisches Enzym diese Abspaltung bewirken k\u00f6nnte. Slowtzoff1) hat neulich die Bemerkung gemacht, da\u00df auch das gereinigte Casein von einem solchen Enzym begleitet wird. In bezug auf diese Frage habe ich die eine H\u00e4lfte einer 2\u00b0/oigen Caseinl\u00f6sung\nl) Hofmeisters Beitr\u00e4ge, Bd. IX, 1907, S. 150.","page":200},{"file":"p0201.txt","language":"de","ocr_de":"Beitrag zur Kenntnis der Labwirkung auf Gasein.\n201\ngekocht und gleichzeitig mit der anderen H\u00e4lfte auf K\u00f6rpertemperatur erw\u00e4rmt, ohne Labzusatz, bei schwach saurer Reaktion. Beim Anfang des Versuches war die Reaktion mit Tanninessigs\u00e4ure im Filtrate der F\u00e4llung mit verd\u00fcnnter Essigs\u00e4ure gleich stark in beiden Fraktionen. Nach viert\u00e4gigem Verbleiben auf K\u00f6rpertemperatur war deutlich nachzuweisen, da\u00df in der ungekochten Caseinl\u00f6sung ein gr\u00f6\u00dferes Quantum der Substanz C sich gebildet hatte als in der gekochten H\u00e4lfte. Diese Beobachtung spricht f\u00fcr die Auffassung, da\u00df ein Enzvm die Ursache der erw\u00e4hnten Gleichgewichtsst\u00f6rung sein k\u00f6nnte. Dieses Enzym w\u00fcrde dem soviel wie m\u00f6glich gereinigten Casein noch anhaften und durch Kochen vernichtet werden.\nVon den besprochenen, unter dem Einfl\u00fcsse des Labenzyms entwickelten Spaltungsprodukten des Caseins ist ohne Zweifel das Paracasein A am n\u00e4chsten mit der Muttersubstanz verwandt, w\u00e4hrend in der absteigenden Reihe Substanz C bei kurzdauernder Labwirkung die untere Stelle einnimmt. Diese Substanz, welche nicht diffundiert durch Pergamentpapier, mu\u00df, wie die verschiedenen Eiwei\u00dfreaktionen anzeigen, noch als Eiwei\u00dfk\u00f6rper betrachtet werden. Sie l\u00e4\u00dft die Eigenschaft der prim\u00e4ren Albumosen vermissen, welche mit Essigs\u00e4ure und Natriumchlorid eine beim Erw\u00e4rmen verschwindende, bei Abk\u00fchlung wiederkehrende F\u00e4llung zeigen. Nach F\u00e4llung mit Tanninessigs\u00e4ure aber l\u00f6st sie sich in der Hitze wohl, eine Eigenschaft, welche auch \u00abWittes Pepton\u00bb (hier aber gleichzeitig mit andern Eigenschaften der prim\u00e4ren Albumosen) zukommt. Das Ausbleiben einer F\u00e4llung mit Salpeters\u00e4ure und mit FerrocyanWasserstoff stimmt \u00fcberein mit Eigenschaften der sekund\u00e4ren Albumosen; in Widerspruch mit den letzteren ist wieder die genannte F\u00e4llung mit Essigs\u00e4ure und Natriumchlorid in der K\u00e4lte.\nSubstanz C pa\u00dft nicht hinein in das Schema der Caseosen, welche Alexander1) durch peptische Spaltung des Gaseins erhielt.\nl) Diese Zeitschrift, Bd. XXY, 1898, S. 411.","page":201},{"file":"p0202.txt","language":"de","ocr_de":"202\nM. van Herwerden,\nSobald die Labwirkung bei K\u00f6rpertemperatur l\u00e4ngere Zeit fortgesetzt wird, entsteht eine prim\u00e4re Albumose, deren Stelle im System der Eiwei\u00dfk\u00f6rper leichter zu bestimmen ist. Bei schwach saurer Reaktion gelingt es, nach Verlauf von 5 Tagen diese Albumose in der mit Lab behandelten Caseinl\u00f6sung deutlich nachzuweisen.\nNach unserer Beobachtung, da\u00df Lab bei neutraler Reaktion w\u00e4hrend langdauernder Einwirkung einen geringen proteolytischen Einflu\u00df auf koaguliertes Eiwei\u00df hat (vide S. 193), neigen wir zu der Annahme, die Entstehung der prim\u00e4ren Albumose einem eiwei\u00dfspaltenden Enzym zuzuschreiben, ohne aber mit Petry1) anzunehmen, da\u00df dies ein f\u00fcr Casein spezifisches Agens sein sollte, das dem Labextrakt verbunden sei und anderes Eiwei\u00df unangegriffen lie\u00dfe. Bemerkenswert bleibt die Tatsache, da\u00df die Spaltung w\u00e4hrend einer bestimmten Phase nach einem regelm\u00e4\u00dfigen Schema vor sich geht, d. h. in dem Sinne, da\u00df der Charakter der entwickelten Eiwei\u00dfk\u00f6rper qualitativ ein konstanter bleibt, wie sehr auch die quantitativen Verh\u00e4ltnisse, in welchen man sie zu bestimmten Zeiten antrifft, sich verschieben. Ich will hier die Tatsache hervorheben, da\u00df erst nach langdauernder Labwirkung eine Phase anf\u00e4ngt, in welcher eine prim\u00e4re Albumose sich den urspr\u00fcnglichen Spaltungsprodukten des Caseins zugesellt. Diese Phase f\u00e4llt ungef\u00e4hr mit derjenigen zusammen, in welcher auch die anderen Substanzen weitere Umwandlungen erfahren, was erkenntlich wird an dem Ausfallen eines Sedimentes. Dieses ist erst bei alkalischer Reaktion l\u00f6slich und verliert allm\u00e4hlich die charakteristische Eigenschaft des anfangs dominierenden Spaltungsproduktes Paracasein A, n\u00e4mlich die F\u00e4higkeit, mit Calciumchlorid K\u00e4se zu bilden.\nDie Frage, ob bei bleibender neutraler Reaktion prim\u00e4re Albumosen durch Labwirkung auf Casein entstehen k\u00f6nnen, ist nicht zu l\u00f6sen aus einer Caseinnatrium Verbindung, welche neutral gegen\u00fcber Lackmus reagiert, weil diese w\u00e4hrend der Labwirkung innerhalb einzelner Tage die Reaktion in eine am-\n9 1. c. S. 5.","page":202},{"file":"p0203.txt","language":"de","ocr_de":"Beitrag zur Kenntnis der Labwirkung auf Casein.\n203\nphotere ver\u00e4ndert. W\u00e4hrend der Spaltung werden also H-Ionen freigemacht.\nEine Verschiebung nach der sauren Richtung sehen wir ebenfalls in der L\u00f6sung, welche, urspr\u00fcnglich schwach rot gef\u00e4rbt mit Phenolphthalein, schon nach 48 Stunden sauer gegen\u00fcber diesem Indikator, neutral mit Lackmus reagiert. Prim\u00e4ra Albumosen habe ich in dieser L\u00f6sung nicht angetroffen. Auch hat das Sediment, welches sich, wie ich Seite 193 bemerkte^ allm\u00e4hlich absetzte, nicht den typischen Charakter des Paracaseins. Da\u00df aber freie H-Ionen zur Labwirkung nicht absolut notwendig sind, geht aus der Tatsache hervor, da\u00df bei alkalischer Reaktion der Milch nach Labzusatz schlie\u00dflich Koagulation ein-treten kann, wenn man, wie gesagt, nur daf\u00fcr sorgt, da\u00df die Reaktion nicht bedeutend alkalisch wird gegen\u00fcber Phenolphthalein. Ein \u00dcberschu\u00df von OH-Ionen sch\u00e4digt also die Labwirkung. Da\u00df diese sp\u00e4te Koagulation (Va bis 1 Stunde, abh\u00e4ngig von dem Grade der Alkalitit\u00e4t) nicht der Bildung von Milchs\u00e4ure zuzuschreiben ist, beweist sowohl eine Kontroll-probe ohne Lab, wo die Koagulation ausbleibt, als auch dio Tatsache, da\u00df die Reaktion, obgleich sie verschoben wurda nach der sauren Seite, doch oft noch schwach alkalisch gegen\u00fcber Lackmus war.\nSchlie\u00dflich noch ein Wort \u00fcber dasjenige, was man bei der jetzigen Kenntnis des aus Gasein durch Labwirkung entwickelten Spaltungsproduktes von einer eventuellen Elementaranalyse zu erwarten hat. W\u00fcnschenswert w\u00e4re vor allem dio Vernichtung des Enzyms in bestimmten Phasen der Labwirkung. Die Weise, auf welche sie von K\u00f6ster ausgef\u00fchrt wurde (n\u00e4mlich Erw\u00e4rmen der L\u00f6sung bis zur Kochhitze), leitet gewi\u00df nicht zum erw\u00fcnschten Ziel, da zu gleicher Zeit die zu untersuchenden Eiwei\u00dfk\u00f6rper ihre Zusammensetzung \u00e4ndern k\u00f6nnen. Deswegen darf meiner Ansicht nach der K\u00f6ster sehen Analyse des Molkeneiwei\u00dfes, die einzige, welche mir aus der Literatur bekannt ist, kein gro\u00dfer Wert zugeschrieben werden.\nEbensowenig ist es n\u00fctzlich, durch Zusatz von OH-Ionen die Labwirkung zu hemmen, da wir ja in Zusammenhang mit der bekannten Empfindlichkeit des Caseins gegen Alkali be-","page":203},{"file":"p0204.txt","language":"de","ocr_de":"204\nM. van Herwerden,\nrechtigt sind, auch bei den Spaltungsprodukten dieses Eiwei\u00dfk\u00f6rpers dieselbe Eigenschaft zu vermuten.\nSolange es sich als unm\u00f6glich herausstellt, den durch das Enzym herbeigerufenen labilen Zustand in einem willk\u00fcrlichen Moment in einen stabilen zu \u00e4ndern, werden unsere Versuche, die Spaltungsprodukte des Caseins, befreit von Nebenmischungen, zu isolieren und quantitativ zu analysieren, keine befriedigenden Resultate haben.\n\u00ab\nZusammenfassung.\nDas Labenzym wirkt in solcher Weise auf das Caseinmolek\u00fcl ein, da\u00df aus diesem andere Molek\u00fcle mit sehr labilem Gleichgewicht entstehen. Diese zerfallen selber w\u00e4hrend der Enzymwirkung unaufh\u00f6rlich in Molek\u00fcle von anderer Konstruktion. So werden aus dem urspr\u00fcnglichen Hauptspaltungsprodukt, dem Paracasein A, immer Molek\u00fcle des Paracaseins B und der Substanz C gebildet, bis schlie\u00dflich das Paracasein A selbst vollkommen verschwunden ist, w\u00e4hrend es bei kurzdauerndem Einfl\u00fcsse des Enzyms als Hauptprodukt betrachtet werden darf. Erst bei sehr langdauernder Labwirkung tritt neben den genannten Substanzen eine prim\u00e4re Albumose hinzu. Dies ist der Anfang einer neuen Phase, charakterisiert durch weiteren Zerfall des Caseinmolek\u00fcls.\nWeiter hat sich ergeben, da\u00df das Casein kein stabiler K\u00f6rper ist, sondern \u00e4u\u00dferst empfindlich ist f\u00fcr Gleichgewichtsst\u00f6rung. Es h\u00e4ngt ihm eine sehr leicht abspaltbare Substanz an, welche vollkommen mit der obenerw\u00e4hnten Substanz C \u00fcbereinstimmt. Diese Abspaltung kann sich vollziehen, ohne da\u00df irgend welches Enzym oder sonstiges Agens diesem Eiwei\u00dfk\u00f6rper zugesetzt wird. Da\u00df diese Substanz keine Verunreinigung, sondern ein abgespaltenes Fragment des Caseinmolek\u00fcls ist, wird wahrscheinlich durch die Beobachtung, da\u00df das siebenmal nach der Hammarstenschen Methode gef\u00e4llte Casein diese Substanz noch enth\u00e4lt. Gen\u00fcgend beweisend f\u00fcr diese letztere Auffassung ist aber die Tatsache, da\u00df eine L\u00f6sung dieses Caseinats ohne Labzusatz auf K\u00f6rpertemperatur erw\u00e4rmt, eine evidente Zunahme des erw\u00e4hnten Spaltungsproduktes zeigt.","page":204},{"file":"p0205.txt","language":"de","ocr_de":"Beitrag zur Kenntnis der Labwirkung auf Casein.\nTabelle.\n205\n\tCasein\tParacasein A\tParacasein B\tSubstanz C\nCalciumchlorid\t\t-f- (feinflockig)\t+ (k\u00e4sig)\t\u2014\t\u2014\nVerd\u00fcnnte Essigs\u00e4ure . . .\t+\t+\t\u00ab |\t\u2014\nSublimat\t\t+\t\u25a0\t| i \u25a0\t\u25a0 | 1\t\u00bb 11\nZinksulfat \t\t\t\u00bb.\t|\u25a0 i\u00bb\t\u201cI-\t\u25a0 | \u25a0\t+\nPikrins\u00e4ure\t\t+\t+\t+\t+\nTanninessigs\u00e4ure\t\t\u2014-\t\u2014\t\u2014\t+\nSalpeters\u00e4ure\t\t+\t+\t+\t\u2014\nNatriumchlorid und Essigs\u00e4ure\t+\t+\t+\t+\nFerrocyanwasserstoffs\u00e4ure . .\t+\t\u25a0 | \u25a0\t+\t\u2014\nSchwefelbleireaktion ....\t+\t\u25a0\u25a0 j- \u25a0\t\u2014\t\u2014\nReaktion Millon\t\t+\tm | \u25a0\t\t+\nReaktion Adamkiewicz . .\t> | \u25a0\t+\t\u00ab\u25a0 j \u00ab\t-f- (schwach)\nXanthoproteinreaktion . . .\t+\t+\t+\t-j- (stark)\nBiuretreaktion . \u00ab\t\t+\t+\t+\t+ (stark)\nTotale S\u00e4ttigung mit kalkhaltigem Natriumchlorid . . .\t+\t+\t+\t<r\nTotale S\u00e4ttigung mit kalkfreiem Natriumchlorid . .\t\t.\t\u2014\t\u2014\t\u2014\nTotale S\u00e4ttigung mit Magnesiumsulfat \t\t+\t+\t+\tnicht total\nTotale F\u00e4llung mit Ammoniumsulfat bei einer S\u00e4ttigung von\to \u00a9 \u00a9\t\u00a9 \u00a9 o co\t20bis30\u00b0/o\t60 \u00b0/o\nL\u00f6slichkeit in Wasser . . .\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u25a0 ^ \u00ab\nL\u00f6slichkeit in siedendem 85\u00b0/oigen Alkohol ....\twenig\twenig\t\t+\nSchlie\u00dflich konnte ich vollst\u00e4ndig den Ausspruch von Schmidt-Nielsen1) best\u00e4tigen, da\u00df freie H-Ionen zur Koagulation der Milch oder einer kalkreichen Caseinatl\u00f6sung nicht notwendig sind. Seine Behauptung, da\u00df die Anzahl der OH-Ionen nicht so gro\u00df sein darf, da\u00df eine Reaktion mit Phenolphthalein eintritt, m\u00f6chte ich nach der Richtung hin einschr\u00e4nken, da\u00df\n*) Festschrift f. Ham mar st en, S. 21.","page":205},{"file":"p0206.txt","language":"de","ocr_de":"206 M. van Herwerden, Beitrag zur Kenntnis der Labwirkung.\nnur eine bleibende Rotf\u00e4rbung mit Phenolphthalein der Koagulation im Wege steht. In der mit Phenolphthalein sehr schwach rot gef\u00e4rbten Milch sehen wir (wenn die Milch auf K\u00f6rpertemperatur gehalten wird) die Reaktion sich nach der sauren Seite verschieben (Schwund der roten Farbe), bis schlie\u00dflich die Milch durch Lab koagulieren kann, w\u00e4hrend die Reaktion noch schwach alkalisch, oder neutral gegen\u00fcber Lackmus ist. Nur wenn fortw\u00e4hrend durch Zusatz von kleinen Mengen Alkali die Reaktion auf dem ersten Niveau gehalten wird, oder wenn von Anfang an ein \u00dcberschu\u00df von Alkali zugesetzt wird, bleibt auch bei langdauernder Labwirkung die Koagulation vollkommen aus.","page":206}],"identifier":"lit18531","issued":"1907","language":"de","pages":"184-206","startpages":"184","title":"Beitrag zur Kenntnis der Labwirkung auf Casein","type":"Journal Article","volume":"52"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:54:50.612651+00:00"}