Open Access
{"created":"2022-01-31T13:55:32.468500+00:00","id":"lit18579","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Fischer, Emil","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 53: 126-139","fulltext":[{"file":"p0126.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Spinnenseide.1)\nVon\nEmil Fischer.\n(Aus dem Chemischen Institute der Universit\u00e4t Berlin.) (Der Redaktion zugegangen am 30. Juli 1907.)\nDer Hauptbestandteil der gew\u00f6hnlichen Seide, das sogenannte Seidenfibroin, zeichnet sich vor den anderen Proteinen dadurch aus, da\u00df es zum gr\u00f6\u00dferen Teil aus den einfachsten Aminos\u00e4uren Glykokoll und Alanin zusammengesetzt ist und\nau\u00dfer ihnen in erheblicher Quantit\u00e4t nur noch Tyrosin und Serin\n\u2022 \u2022\nenth\u00e4lt. Wegen der \u00e4u\u00dferen \u00c4hnlichkeit lag die Vermutung nahe, da\u00df die Spinnf\u00e4den ein verwandtes Material seien ; und es war deshalb l\u00e4ngst mein Wunsch, sie einer genaueren chemischen Pr\u00fcfung zu unterziehen. Aber ich bin bisher nicht in der Lage gewesen, eine ausreichende Menge in einem gen\u00fcgend hohen Grade von Reinheit zu sammeln, da die meisten Spinngewebe derart mit Insekten, Staub und anderen Fremdk\u00f6rpern behaftet sind, da\u00df eine Abtrennung unm\u00f6glich erscheint.\nAuf der Pariser Weltausstellung 1900 hatte ich nun Kenntnis erhalten von einem seideartigen Produkt (soie d\u2019araign\u00e9e de Madagascar), das von einer gro\u00dfen Spinne in Madagaskar herr\u00fchrt.\nIch habe mich l\u00e4ngere Zeit vergeblich bem\u00fcht, eine gr\u00f6\u00dfere Menge dieses Stoffes zu erhalten, bis es schlie\u00dflich den eifrigen Bem\u00fchungen meines Freundes, des Herrn Ernest Fourneau in Paris, gelungen ist, mir ungef\u00e4hr 200 g davon zu verschaffen. Sie stammen von der letzten franz\u00f6sischen Kolonialausstellung in Marseille her und waren zum gr\u00f6\u00dften Teil aufgespult. \u00dcber\n9 Diese Abhandlung wurde der Berliner Akademie der Wissenschaften am 16. Mai 1907 vorgelegt (Sitzungsberichte, Bd. XXIY, S. 440).","page":126},{"file":"p0127.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Spinnenseide.\t127\nden Ursprung des Materials verdanke ich Herrn Fourneau folgende Angaben:\nEs wird bereitet von \u00abNephila madagascariensis\u00bb, einer gro\u00dfen Spinne, die in den W\u00e4ldern von Madagaskar auf den B\u00e4umen, besonders in der N\u00e4he der St\u00e4dte, z. B. in den alten k\u00f6niglichen G\u00e4rten zu Tananariva, lebt. Der franz\u00f6sische Pater Cambou\u00e9 ist zuerst auf den Gedanken gekommen, ihr seide\u00e4hnliches Gespinnst technisch zu verwertenx) und hat zu dem Zweck eine Versuchsanstalt in Tananariva begr\u00fcndet, wo die Spinnen gez\u00fcchtet und von ihnen der Faden k\u00fcnstlich entnommen wird. Eine Spinne liefert 150\u2014600 m Seidenfaden, im Durchschnitt 200 m jedesmal und kann in einem Monat 5\u20146 mal entleert werden, worauf sie dann stirbt. Die Gewinnung des Materials scheint aber doch so kostspielig zu sein, da\u00df es mit der gew\u00f6hnlichen Seide nicht in Wettbewerb treten kann.\nNach einer g\u00fctigen Mitteilung des Herrn Professor Dahl hier zeichnet sich die Gattung Nephila, die in den Tropen weit verbreitet ist, durch die Gr\u00f6\u00dfe aus ; das gilt aber nur f\u00fcr das Weibchen, w\u00e4hrend das M\u00e4nnchen durch au\u00dferordentliche Kleinheit gekennzeichnet und so vor der Feindschaft der Gattin gesch\u00fctzt ist. Die Gespinste von Nephila haben meist eine nat\u00fcrliche gelbe Farbe, die bei Nephila madagascariensis in Orange hin\u00fcberspielt und besonders sch\u00f6n ist.\nChemische Untersuchung.\nSoviel mir bekannt geworden ist, hat das mir \u00fcberlassene Material keine Behandlung durch hei\u00dfes Wasser, Seife u. dergl.\n0 Von Hrn. Prof. Dahl wurde ich darauf aufmerksam gemacht, da\u00df mit europ\u00e4ischen Spinnen solche Versuche schon vor 200 Jahren angestellt worden ^ind. Eine Abhandlung von R\u00e9aumur mit dem Titel \u00abExamen de la Soie des Araign\u00e9es\u00bb erschien im Jahre 1710 (M\u00e9moires de l\u2019Acad\u00e9mie Royale des Sciences); hier wird Hr. Bon als Entdecker eines Verfahrens zur Herstellung von Geweben aus Spinnenseide genannt. Versuche mit tropischen Spinnen sind noch im 18. Jahrhundert von Raymond de Termeyer ver\u00f6ffentlicht worden. Die Methode des Abhaspelns wurde 1865 von B. G. Wilder vervollkommnet, der auch schon mit einer Nephilaart experimentierte.","page":127},{"file":"p0128.txt","language":"de","ocr_de":"128\nEmil Fischer,\nerfahren. Ich glaube es demnach als den urspr\u00fcnglichen Faden, wie er von der Spinnwarze der Nephila abgesondert wird, betrachten zu k\u00f6nnen.\n\u2022 \u2022\n\u00c4hnlich der gew\u00f6hnlichen Seide ist das Material hygroskopisch. Bei 110\u00b0 verlor es zu verschiedenen Zeiten einmal 8,4 und ein anderes Mal 8,8\u00b0/o an Gewicht. Es unterscheidet sich aber wesentlich von der Rohseide durch das Fehlen des Seidenleims, wie folgender Versuch zeigt:\nVerhalten gegen hei\u00dfes Wasser.\n3 g Seide (mit 8,4\u00b0/o Wassergehalt) wurden mit 75 ccm reinem Wasser im Porzellanbecher im Autoklaven drei Stunden auf 115\u2014120\u00b0 erhitzt, wobei das Wasser sich schwach gelb f\u00e4rbte, w\u00e4hrend die Seide zu einem Klumpen zusammenballte und wTohl den Glanz, aber nicht die Farbe verlor. Nachdem das Material durch Auseinanderrei\u00dfen wieder gelockert war, wurde die Behandlung mit Wasser in der gleichen Weise wiederholt. Diesmal war die L\u00f6sung kaum gef\u00e4rbt und die Seide nicht mehr zusammengeballt. Die vereinigten w\u00e4sserigen Ausz\u00fcge hinterlie\u00dfen beim Verdampfen nur 0,09 g trockenen R\u00fcckstand; das ist nur 3\u00b0/o der urspr\u00fcnglichen Spinnenseide, w\u00e4hrend die gew\u00f6hnliche lombardische Rohseide bei dieser Operation ungef\u00e4hr 30\u00b0/o l\u00f6slichen Seidenleim liefert.\nBestimmung der Asche.\nBeim Gl\u00fchen hinterlie\u00df die Seide eine fast farblose Asche, und zwar 0,59\u00b0/o der trockenen Substanz. Die Asche ist in Wasser teilweise unl\u00f6slich und enth\u00e4lt Calcium, Phosphors\u00e4ure und etwas Schwefels\u00e4ure. Die letztere stammt vielleicht von dem Schwefelgehalt des Proteins her.\nVerhalten gegen Alkalien und Ammoniak.\n\u00dcbergie\u00dft man die Faser mit Normalkalilauge, so geht besonders bei ganz gelindem Erw\u00e4rmen die orange Farbe in ein stark leuchtendes, gelbstichiges Rot \u00fcber und die L\u00f6sung nimmt die gleiche Farbe an. Beim Kochen der Fl\u00fcssigkeit wird die Farbe sowohl in der L\u00f6sung als auf der Faser schw\u00e4cher, es entwickelt sich Ammoniak, die F\u00e4rbung der Faser ver-","page":128},{"file":"p0129.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Spinnenseide.\n129\nschwindet dann ziemlich bald und diese l\u00f6st sich allm\u00e4hlich auf. Bei einer kleinen Probe war nach 20 Minuten langem Kochen eine fast klare, gelbrote Fl\u00fcssigkeit entstanden.\nMit verd\u00fcnntem Ammoniak \u00fcbergossen f\u00e4rbt sich die Spinnenseide zun\u00e4chst st\u00e4rker orange; der Farbstoff geht aber schon bei gew\u00f6hnlicher Temperatur allm\u00e4hlich in die L\u00f6sung, welche r\u00f6tlichgelb wird, und die Faser ist schlie\u00dflich fast farblos. \u00c4hnlich, nur etwas langsamer, wirkt kalte, w\u00e4sserige Seifenl\u00f6sung.\nVerhalten gegen starke, kalte Salzs\u00e4ure.\nDas gew\u00f6hnliche Seidenfibroin wird bekanntlich von rauchender Salzs\u00e4ure rasch gel\u00f6st und beim Eingie\u00dfen der L\u00f6sung in Alkohol f\u00e4llt ein amorphes, in Wasser fast unl\u00f6sliches Produkt\naus, das leicht chlorfrei erhalten werden kann und das von\n\u2022 \u2022\nTh. Weyl1) den Namen Sericoin erhielt. \u00c4hnlich verh\u00e4lt sich die Spinnenseide. Da aber die L\u00f6sung schwerer erfolgt, so ist es ratsam, mehr Salzs\u00e4ure anzuwenden.\n2 g Spinnenseide wurden mit 15 ccm w\u00e4sseriger Salzs\u00e4ure, die bei 0\u00b0 ges\u00e4ttigt war, \u00fcbergossen und sorgf\u00e4ltig durchger\u00fchrt. Die Faser zerfiel bald, ihre Farbe verschwand und es entstand zun\u00e4chst eine dicke, gallertige Masse, die allm\u00e4hlich d\u00fcnnfl\u00fcssiger wurde. Trotz sorgf\u00e4ltiger Mischung waren noch nach 20 Minuten einzelne gallertige Klumpen \u00fcbrig. Die honiggelbe L\u00f6sung wurde\ndeshalb abgesaugt und in 300 ccm absoluten Alkohol eingegossen,\n* \u2022\nder amorphe Niederschlag abgesaugt, mit Alkohol und \u00c4ther gewaschen und im Vakuum \u00fcber Natronkalk getrocknet. Das fast wei\u00dfe Produkt, das in recht guter Ausbeute erhalten wird, enth\u00e4lt etwas Chlor, das aber beim Behandeln mit Wasser fast v\u00f6llig in L\u00f6sung geht. Beim Kochen mit Wasser quillt es auf und bleibt gr\u00f6\u00dftenteils ungel\u00f6st ; die w\u00e4sserige L\u00f6sung gibt dann mit Alkali und Kupfersalz eine schwache Biuretf\u00e4rbung. Auch in kaltem, verd\u00fcnntem Alkali ist das Produkt gr\u00f6\u00dftenteils unl\u00f6slich. Man k\u00f6nnte es Spinnen-sericoin nennen, da es h\u00f6chstwahrscheinlich zur Spinnenseide in demselben Verh\u00e4ltnis steht,\n*) Berichte d. Deutsch, chem. Ges., Bd. XXI, S. 1407 u. 1529 (1888).\nHoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie. LUI.\t9","page":129},{"file":"p0130.txt","language":"de","ocr_de":"130\nEmil Fischer,\nwie das Sericoin zur gew\u00f6hnlichen Seide. Analysiert wurde es bisher nicht.\nHydrolyse der Spinnenseide mit Schwefels\u00e4ure.\n10 g Faser, die 8,8 \u00b0/o Feuchtigkeit enthielt, wurden mit einem Gemisch von 20 ccm konzentrierter Schwefels\u00e4ure und 100 ccm Wasser am R\u00fcckflu\u00dfk\u00fchler gekocht/ Sie verlor sehr bald ihre Farbe, zerfiel dann und ging im Verlauf von einigen Stunden in L\u00f6sung. Nach 18st\u00fcndigem Kochen wurde die gelbbraune Fl\u00fcssigkeit von einem geringen schleimigen R\u00fcckstand durch Filtration getrennt und nach dem Verd\u00fcnnen auf 500 ccm mit einem geringem Uberschu\u00df einer konzentrierten L\u00f6sung von Baryumhydroxyd versetzt. Dabei schlug die Farbe in Rosa um, und ebenso war das gef\u00e4llte Baryumsulfat gef\u00e4rbt. Der urspr\u00fcngliche Farbstoff der Spinnenseide wird also durch die S\u00e4ure nicht ganz zerst\u00f6rt; au\u00dferdem verh\u00e4lt er sich wie die Indikatoren der Alkalimetrie. Die Fl\u00fcssigkeit wurde filtriert und der abgesaugte Niederschlag nochmals mit Wasser ausgekocht, um alles Tyrosin in L\u00f6sung zu bringen, dann aus dem Filtrat der Baryt genau mit Schwefels\u00e4ure ausgef\u00e4llt, in der Hitze mit Tierkohle entf\u00e4rbt und die abermals filtrierte Fl\u00fcssigkeit auf etwa 75 ccm eingedampft. Nach l\u00e4ngerem Stehen in der K\u00e4lte betrug die Menge des auskrystallisierten Tyrosins 0,65 g; die Mutterlauge gab noch 0,1 g. Mithin Gesamtausbeute 0,75 g oder 8,2 \u00b0/o der trockenen Spinnenseide.\nZur Analyse und optischen Untersuchung war das Pr\u00e4parat durch Umkrystallisieren aus hei\u00dfem Wasser gereinigt.\n0,1537 g Subst. 0,3354 g C02 0,0831 g H20.\nC9H1103N Berechnet: C 59,64 H 6,12.\nGefunden:\t59,51\t6,05.\nDie spezifische Drehung in 21\u00b0/oiger Salzs\u00e4ure betrug Md \u2014 \u2014 6,4\u00b0. Mithin handelt es sich um 1-Tyrosin, dem aber\n^eine erhebliche Menge Racemk\u00f6rper beigemengt war.\nDie vom Tyrosin abfiltrierte Fl\u00fcssigkeit diente zum Nachweis der Diaminos\u00e4uren. Sie wurde mit Wasser auf 500 ccm verd\u00fcnnt und nach Zugabe von 10 ccm konzentrierter Schwefel-","page":130},{"file":"p0131.txt","language":"de","ocr_de":"131\n\u00dcber Spinnenseide.\ns\u00e4ure vorsichtig mit einer L\u00f6sung von Phosphorwolframs\u00e4ure (1 : 1) bei gew\u00f6hnlicher Temperatur so lange versetzt, bis kein Niederschlag mehr entstand, wozu ungef\u00e4hr 15 ccm n\u00f6tig waren. Nach 5 Minuten wurde der flockige Niederschlag abgesaugt, mit Wasser gewaschen und im Vakuumexsikkator \u00fcber Schwefels\u00e4ure getrocknet.\nErhalten 8,1 g, die nach einer Kjeldahl-Bestimmung 1,9\u00b0/o Stickstoff enthielten. Die Natur der Diaminos\u00e4uren wurde nicht festgestellt.\nDa bei Anwesenheit von viel Glykokoll und Alanin die Gefahr besteht, da\u00df der Niederschlag mit Phosphorwolframs\u00e4ure auch von diesen Aminos\u00e4uren etwas enth\u00e4lt, so ist es zur Vermeidung grober Irrt\u00fcmer ratsam, ihn mit Baryt zu zerlegen und die F\u00e4llung in verd\u00fcnnter L\u00f6sung zu wiederholen. Zu dem Zweck wurden 7 g des obigen Niederschlages fein zerrieben und mit 14 g krystallisiertem Barythydrat und etwa 50 ccm Wasser bei gew\u00f6hnlicher Temperatur 8 Stunden auf der Maschine gesch\u00fcttelt, dann abgesaugt, der Baryt mit Schwefels\u00e4ure gef\u00e4llt, das Filtrat auf etwa 100 ccm verd\u00fcnnt, so viel konzentrierte Schwefels\u00e4ure zugef\u00fcgt, da\u00df die L\u00f6sung etwa 5\u00b0/oig war, und dann wieder mit Phosphorwolframs\u00e4ure gef\u00e4llt. Dieser Niederschlag wog nach dem Trocknen im Vakuum 4 g. Da bei dieser wiederholten F\u00e4llung Verluste unvermeidlich sind, so kann man aus dem Resultat schlie\u00dfen, da\u00df der urspr\u00fcngliche Phosphorwolframs\u00e4ureniederschlag keine erhebliche Menge Monoaminos\u00e4uren enthielt.\nDie Menge der Diaminos\u00e4uren ist demnach ziemlich betr\u00e4chtlich. Macht man die willk\u00fcrliche Annahme, da\u00df nur Arginin vorhanden sei, so w\u00fcrde sich dessen Menge aus dem Stickstoffgehalt auf 5,24 \u00b0/o der Spinnenseide berechnen.\nHydrolyse der Spinnenseide mit Salzs\u00e4ure.\n50 g (mit 8,8 \u00b0/o Feuchtigkeit) wurden mit 200ccm rauchender Salzs\u00e4ure (spez. Gew. 1,19) \u00fcbergossen und zuerst gelinde auf dem Wasserbade erw\u00e4rmt. Die Farbe verschwand sofort, die Faser zerfiel, und es entstand eine dickliche, gelbe L\u00f6sung. Die bei der gew\u00f6hnlichen Seide unter den gleichen Bedingungen stets","page":131},{"file":"p0132.txt","language":"de","ocr_de":"132\nEmil Fischer,\nvor\u00fcbergehend auftretende dunkelblauviolette F\u00e4rbung wurde hier nicht beobachtet. Beim Kochen am R\u00fcckflu\u00dfk\u00fchler ging die Farbe der Fl\u00fcssigkeit von Gelb in Rothbraun \u00fcber. Nach sechsst\u00fcndigem Kochen wurde die Fl\u00fcssigkeit v\u00f6llig abgek\u00fchlt und filtriert. Der geringe R\u00fcckstand l\u00f6ste sich gr\u00f6\u00dftenteils in warmem \u00c4ther, und beim Verdampfen des \u00c4thers wurden 0,3 g einer fettigen, halbfesten Masse erhalten, die wohl gr\u00f6\u00dftenteils aus h\u00f6heren Fetts\u00e4uren bestand. Ihre Menge betrug also 0,66\u00b0/o der trockenen Spinnenseide. Die salzsaure L\u00f6sung wurde unter vermindertem Druck m\u00f6glichst stark verdampft und in der \u00fcblichen Weise mit 150 ccm Alkohol durch Einleiten von Salzs\u00e4uregas verestert. Die anfangs klare, dunkelbraune Fl\u00fcssigkeit schied sp\u00e4ter schon in der W\u00e4rme einen Niederschlag von anorganischen Hydrochloraten aus, der nach raschem Abk\u00fchlen filtriert wurde, bevor die Krystallisation des Glykokollesterchlor-hydrats begonnen hatte. Seine Menge betrug 2,1 g, und davon waren 1,66 g Chlorammonium, das entspricht l,16\u00b0/o Ammoniak f\u00fcr die trockene Spinnenseide. Die sp\u00e4ter angef\u00fchrte Bestimmung des Ammoniaks durch Destillation mit Magnesiumoxyd hat nahezu den gleichen Wert gegeben.\nDas salzsaure alkoholische Filtrat schied nach dem Impfen bei 16 st\u00e4ndigem Stehen bei 0\u00b0 Glykokollesterchlorhydrat ab, dessen Menge nach dem Absaugen, Waschen mit kaltem Alkohol und Trocknen \u00fcber Natronkalk 26,8 g betrug. Die alkoholische Mutterlauge wurde unter vermindertem Druck verdampft und nochmals mit 75 ccm Alkohol und Salzs\u00e4uregas verestert. Sie gab dann bei 25 st\u00e4ndigem Stehen bei 0\u00b0 noch 2,2 g Glykokollesterchlorhydrat; mithin zusammen 29 g oder 34,19 \u00b0/o Glykokoll berechnet auf die trockene Spinnenseide. Dazu kommen noch 0,43 g oder 0,94\u00b0/o Glykokoll, die sp\u00e4ter beim Alanin gefunden wurden; mithin 35,13\u00b0/o Gesamtausbeute an Glykokoll.\nZur v\u00f6lligen Reinigung wurde eine Probe des Esterchlorhydrats aus der sechsfachen Menge hei\u00dfen Alkohols unter Zusatz von Tierkohle umkrystallisiert. Die feinen farblosen Nadeln schmolzen bei 145\u00b0 (korr.).\n0,2934 g Subst. verbrauchten 20,83 ccm Vio-n-AgNOg.\nBerechnet f\u00fcr C4H902N \u2022 HCl : Gl 25,40.\nGefunden:\t25,17.","page":132},{"file":"p0133.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Spinnenseide.\n133\nDie vom Glykokollesterchlorhydrat getrennte Mutterlauge wurde in der \u00fcblichen Weise unter geringem Druck m\u00f6glichst vollst\u00e4ndig verdampft und die Ester durch Alkali in Freiheit gesetzt. Die alkalische Salzmasse nahm hierbei eine starke himbeerrote Farbe an, die offenbar von dem urspr\u00fcnglichen Farbstoff der Spinnenseide herr\u00fchrte. Die \u00e4therischen Ausz\u00fcge waren wie gew\u00f6hnlich gelbbraun gef\u00e4rbt. Sie wurden, wie \u00fcblich, zuerst fl\u00fcchtig mit Kaliumcarbonat, dann mit Natriumsulfat getrocknet und nach Verdampfen des \u00c4thers unter vermindertem Druck fraktioniert:\nFraktion\nI.\t(bei 12 mm)\tTemperatur des Bades bis 85\u00b0 erhalten\t19,6 g\nII.\t( \u00bb\t0,4 \u00bb )\t\u00bb\t\u00bb\t\u00bb\t\u00bb\t100\u00b0\t\u00bb\t3,4\t>\nIII.\t( >\t0,3 \u00bb )\t\u00bb\t\u00bb\t100\u2014130\u00b0\t\u00bb\t5,0\t\u00bb\nSumma 28,0 g\nR\u00fcckstand (dunkelbraune z\u00e4he Masse) 6,0 g\nDie I. Fraktion wurde durch mehrst\u00fcndiges Erhitzen mit 100 ccm Wasser am R\u00fcckflu\u00dfk\u00fchler verseift und die L\u00f6sung bis zur beginnenden Krystallisation eingedampft. Erhalten 5,6 g Alanin.\n0,1778 g Subst. 0,2641 g C02 0,1227 g H20.\nBerechnet f\u00fcr C3H702N: G 40,40 H 7,92.\nGefunden:\t40,51\t7,72.\nDie spezifische Drehung des Hydrochlorates betrug\nMd == 4~ 9,6\u00b0.\nMithin fast reines d-Alanin.\nDie w\u00e4sserige Mutterlauge wurde zur Trockene verdampft und mit Alkohol ausgekocht, der R\u00fcckstand betrug 5,49 g. Er wurde aus m\u00f6glichst wenig hei\u00dfem Wasser umkrystallisiert und die Mutterlauge (etwa 3 g) auf salzsauren Glykokollester verarbeitet. Erhalten 0,8 g = 0,43 g Glykokoll. Mithin berechnet sich die Gesamtmenge des Alanins auf 10,66 g, was 23,4 \u00b0/o f\u00fcr die trockene Spinnenseide entspricht.\nDie II. Fraktion der Ester enthielt Derivate des Prolins, Leucins und sehr geringe Mengen von Alanin. Um die Anoder Abwesenheit von Phenylalanin darin festzustellen, bin ich von dem \u00fcblichen Gange der Untersuchung etwas abgewichen. Denn es wurde diese Fraktion der Ester mit der f\u00fcnffachen","page":133},{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"184\nEmil Fischer,\nMenge Wasser versetzt und das Gemisch mit dem doppelten Volumen Petrol\u00e4ther ausgesch\u00fcttelt, dann der Petrol\u00e4therauszug nochmals mit Wasser gr\u00fcndlich gewaschen. Die w\u00e4sserigen L\u00f6sungen wurden in der \u00fcblichen Weise am R\u00fcckflu\u00dfk\u00fchler gekocht, bis die alkalische Reaktion verschwunden war, dann zur Trockene verdampft und die feste Masse mit absolutem Alkohol ausgekocht. Hierbei ging der gr\u00f6\u00dfere Teil (Prolin) in L\u00f6sung. Der R\u00fcckstand betrug nur 0,4 g. Er enthielt sehr wenig Leucin und au\u00dferdem Alanin.\nDer Petrol\u00e4therauszug enthielt den Leucinester. Er wurde vorsichtig verdampft, der R\u00fcckstand mit \u00fcbersch\u00fcssiger Salzs\u00e4ure auf dem Wasserbade verseift und das 1-Leucin in der \u00fcblichen Weise isoliert.\nNach dem Umkrvstallisieren aus Wasser gab es folgende Zahlen :\n0,1762 g Subst. 0,3532 g C02 0,1553 g H20.\nC6H1s02N Berechnet: C 54,96 H 10,00.\nGefunden:\t54.67\t9,86.\n0,1267 g Substanz gel\u00f6st in 20\u00b0/oiger Salzs\u00e4ure. Gesamtgewicht der L\u00f6sung 4,0099 g. d \u2014 1,1. Drehung im 1-dm-Rohr bei 18\u00b0 und Natriumlicht 0,55\u00b0 nach rechts.\nMithin [a]^8 = -f- 15,8\u00b0.\nDie Gesamtmenge des Leucins einschlie\u00dflich des kleinen Restes, der aus der III. Fraktion der Ester zu gewinnen war, betrug 0,8 g oder 1,76 \u00b0/o der trockenen Spinnenseide.\nF\u00fcr die Gewinnung des Prolins dienten die alkoholischen Ausz\u00fcge, die, wie vorher beschrieben, aus den trockenen Aminos\u00e4uren bereitet wurden. Sie wurden verdampft, der R\u00fcckstand nochmals mit absolutem Alkohol aufgenommen und wieder verdampft. Die Menge des so resultierenden rohen Prolins betrug 1,68 g oder 3,68 \u00b0/o der trockenen Spinnenseide. Es war ein Gemisch von viel aktivem und wenig racemischem Prolin; f\u00fcr die Identifizierung diente das Kupfersalz des letzteren, das nach dem Umkrvstallisieren aus Wasser folgende Zahlen gab:\n%i\n0.1436 g lufttrockene Subst. verloren bei 110\u00b0 0.0146 g H20.\nC10H16O4N2Cu + 2H20 Berechnet: H20 10,99\u00b0/o.\nGefunden :\t10,17 \u00b0/o.","page":134},{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"135\n\u00dcber Spinnenseide.\n0,1290 g trockene Subst.: 0,0352 g CuO.\nCi0H16O4N2Cu Berechnet: Cu 21,8.\nGefunden:\t21,8.\nDie III. Fraktion wurde zun\u00e4chst in der 5fachen Menge Wasser gel\u00f6st und mit Petrol\u00e4ther ausgesch\u00fcttelt. Die geringe Menge Ester, die in L\u00f6sung ging, war gr\u00f6\u00dftenteils Leucinderivat, Phenylalanin konnte nicht nachgewiesen werden. Die im Wasser l\u00f6slichen Ester wurden in der \u00fcblichen Weise mit Baryumhydroxyd verseift und nach genauer Ausf\u00e4llung des Baryts die L\u00f6sung eingedampft. Bei gen\u00fcgender Konzentration fielen Krystalle aus, die nach einmaligem Umkrystallisieren aus warmem Wasser reine Glutamins\u00e4ure waren:\n0,1750 g Subst. 0,2609 g C02 0,0973 g H20.\nC5H904N Berechnet: C 40,79 H 6,17.\nGefunden:\t40,66\t6,22.\nAus der Mutterlauge wurde der Rest der Glutamins\u00e4ure durch Einleiten von Salzs\u00e4ure gef\u00e4llt (erhalten 1,1 g Hydro-chlorat). Die jetzt bleibenden Mutterlaugen waren arm an Aminos\u00e4uren, denn sie hinterlie\u00dfen beim Verdampfen nur 0,6 g R\u00fcckstand. Ob Asparagins\u00e4ure darin war, kann ich nicht sicher sagen. Auch die Anwesenheit von Serin war zweifelhaft, da das \u00df-Naphthalinsulfoderivat nicht krystallisierte.\nDer bei der Destillation der Ester bleibende R\u00fcckstand wurde zun\u00e4chst durch L\u00f6sen in Alkohol und l\u00e4ngeres Stehenlassen nach Einimpfen eines Kryst\u00e4llchens auf Serinanhydrid gepr\u00fcft; das Resultat war negativ. Dagegen enthielt er Tyrosin . und au\u00dferdem noch erhebliche Mengen von Glutamins\u00e4ure. F\u00fcr ihre Gewinnung wurde er mit 100 ccm Wasser und 20 g kry-stallisiertem Barythydrat drei Stunden am R\u00fcckflu\u00dfk\u00fchler gekocht, aus der filtrierten Fl\u00fcssigkeit der Baryt genau mit Schwefels\u00e4ure gef\u00e4llt, die Mutterlauge mit Tierkohle entf\u00e4rbt und die abermals filtrierte Fl\u00fcssigkeit unter vermindertem Druck stark eingedampft. Zuerst schied sich Tyrosin ab, und als die auf etwa 30 ccm eingeengte Mutterlauge mit gasf\u00f6rmiger Salzs\u00e4ure ges\u00e4ttigt war, fiel in der K\u00e4lte das Hydrochlorat der Glutamins\u00e4ure aus. Erhalten 1,3 g und aus der Mutterlauge noch 0,5 g. Nach dem Umkrystallisieren gab das Salz folgende Zahlen:","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"136\nEmil Fischer,\n0,2091 g Subst. verbrauchten 11,32 ccm ^lo-n-AgNOg.\nC5Hg04N \u2022 HCl Berechnet: CI 19,31.\nGefunden:\t19,2.\n0,2533 g Hydrochlorat gel\u00f6st in Wasser. Gesamtgewicht der L\u00f6sung 3,8772 g; d = 1,02; Drehung im 1-dm-Rohr bei 24 0 und Natriumlicht 1,62\u00b0 nach rechts. Mithin auf freie Glutamins\u00e4ure berechnet:\nMd = + 30-350.\nDie Gesamtmenge der Glutamins\u00e4ure, die aus dem R\u00fcckstand und der Fraktion III teils als freie S\u00e4ure, teils als Hydro-ehlorat isoliert wurde, betrug 2,77 g oder 6,1 \u00b0/o der trockenen Spinnenseide.\nDirekte Bestimmung der Glutamins\u00e4ure und des\nAmmoniaks.\nDie Glutamins\u00e4use l\u00e4\u00dft sich bekanntlich aus dem Gemisch der Spaltungsprodukte direkt als Hydrochlorat abscheiden, und da dieses Verfahren erheblich genauer ist als die Isolierung aus dem Ester, so habe ich es in einem besonderen Versuche benutzt und dadurch in der Tat einen erheblichen Gehalt an Glutamins\u00e4ure feststellen k\u00f6nnen. Bei dieser Gelegenheit wurde auch eine direkte Bestimmung des Ammoniaks ausgef\u00fchrt, die aber fast das gleiche Resultat wie die Krystallisation des Chlorammoniums ergab.\n10 g Spinnenseide (mit 8,6 \u00b0/o Feuchtigkeit) wurden mit 40 ccm Salzs\u00e4ure (spez. Gew. 1,19) 5 Stunden am R\u00fcckflu\u00dfk\u00fchler gekocht und die Fl\u00fcssigkeit nach dem Erkalten filtriert. Der zehnte Teil dieser L\u00f6sung - diente f\u00fcr die Bestimmung des Ammoniaks. Er wurde verdampft, der R\u00fcckstand mit Magnesiumoxyd gekocht und das Ammoniak in der \u00fcblichen Weise in titrierter S\u00e4ure aufgefangen. Gefunden 5,9 ccm Vio-n-Ammoniak, was einem Gehalt von 1,1 \u00b0/o Ammoniak in der trockenen Spinnenseide entspricht.\nDer Rest der salzsauren L\u00f6sung wurde zun\u00e4chst mit 1kl Wasser verd\u00fcnnt, durch Kochen mit Tierkohle fast vollst\u00e4ndig entf\u00e4rbt, das Filtrat auf dem Wasserbade verdampft nnd der zur\u00fcckbleibende gelbe Sirup mit 20 ccm rauchender","page":136},{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"137\n\u00dcber Spinnenseide.\nSalzs\u00e4ure vermischt. Nach 2 t\u00e4gigem Stehen bei 0\u00b0 wurde die Krystallmasse abgesaugt und mit wenig ganz kalter konzentrierter Salzs\u00e4ure gewaschen. Nach dem Trocknen im Vakuum \u00fcber Natronkalk betrug ihre Menge 1,65 g. Durch L\u00f6sen in verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure und Abscheiden durch Einleiten von gasf\u00f6rmiger Salzs\u00e4ure bei niederer Temperatur konnten daraus 1,2 g reine salzsaure Glutamins\u00e4ure isoliert werden:\n0,1965 g Subst. 10,7 ccm Vio-n-AgNOg.\nC5H904N \u2022 HCl Berechnet: CI 19,31.\nGefunden:\t19,30.\nDie Ausbeute an Glutamins\u00e4ure entsprach also 11,7 \u00b0/o der trockenen Spinnenseide.\nZusammenfassung der Resultate.\nI. 100 Teile trockene Spinnenseide von Nephila mada-gascariensis gaben bei der Hydrolyse mit S\u00e4uren:\n35,13 Teile Glykokoll\n23,4\t\u00bb\td-Alanin\n1,76\t\u00bb\t1-Leucin\n3,68\t\u00bb\tProlin\n8,2\t\u00bb\t1-Ty rosin\n11,7\t\u00bb\td-Glutamins\u00e4ure\n5,24\t\u00bb\tDiaminos\u00e4uren (als Arginin willk\u00fcrlich berechnet)\n1,16\t\u00bb\tAmmoniak\n0,66\t\u00bb\tF etts\u00e4uren\n90,93 Teile\nferner beim Gl\u00fchen:\n0,59 Teile Asche.\nDer Gesamtwert 91,5 \u00b0/o verringert sich aber auf 74\u00b0/o, wenn man das durch die Hydrolyse zutretende Wasser abrechnet, dessen Menge ich f\u00fcr die 5 ersten Aminos\u00e4uren gleich 1 Mol. und f\u00fcr die Glutamins\u00e4ure gleich 2 Mol. annehmen will.\nII. Der sch\u00f6ne orangegelbe Farbstoff wird durch Alkalien viel intensiver, verschwindet aber bei der Wirkung von S\u00e4uren, ohne zerst\u00f6rt zu werden. Er verh\u00e4lt sich also wie ein Indikator der Alkalimetrie.","page":137},{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138\nEmil Fischer,\nIII.\tDie Spinnenseide unterscheidet sich von der gew\u00f6hnlichen Seide durch den Mangel an wasserl\u00f6slichen Substanzen (Seidenleim).\nIV.\tSie zeigt gro\u00dfe \u00c4hnlichkeit mit dem Seidenfibroin. Denn sie l\u00f6st sich wie jenes in starker Salzs\u00e4ure und gibt beim F\u00e4llen mit Alkohol ein Produkt von \u00e4hnlichen Eigenschaften wie das Sericoin. Ferner enth\u00e4lt sie,ann\u00e4hernd die gleiche Menge an Glykokoll, Alanin, Tyrosin und Leucin. Etwas gr\u00f6\u00dfer ist die Menge des Prolins und der Diaminos\u00e4uren.\nV.\tHervorzuheben ist der ziemlich gro\u00dfe Gehalt der Spinnenseide an Glutamins\u00e4ure, die in dem Seidenfibroin bisher nicht beobachtet wurde.]) Ein weiterer Unterschied besteht in dem Gehalt an Serin, das im Seidenfibroin in ziemlich betr\u00e4chtlicher Menge vorhanden ist, aber in der Spinnenseide bisher nicht gefunden wurde und jedenfalls nicht in erheblicher Menge zugegen ist. Phenylalanin scheint auch in der Spinnenseide nicht zu sein, w\u00e4hrend im Seidenfibroin davon IV20/0 gefunden wurden.\nVI.\tTrotz der zuletzt erw\u00e4hnten Unterschiede ist im gro\u00dfen und ganzen die Spinnenseide dem Seidenfibroin, das den wesentlichen Bestandteil des Seidenfadens bildet, chemisch sehr\n\u2022 \u2022\nnahe verwandt, so da\u00df die \u00e4u\u00dferliche \u00c4hnlichkeit beider Materialien nicht mehr als Zufall erscheint. Beide entstehen bekanntlich aus einem fl\u00fcssigen Dr\u00fcsensekret, das beim Austritt aus dem K\u00f6rper des Tieres alsbald erstarrt und eine \u00fcberraschende Festigkeit erlangt. Der Vorgang erinnert an die Gerinnung des Blutes. Allerdings sind die Spinnwarzen, die den Spinnfaden absondern und im Hinterteil des Tieres liegen, morphologisch wesentlich verschieden von den Dr\u00fcsen der Raupe, die das Material des Seidenfadens liefern und von den Zoologen als modifizierte Speicheldr\u00fcsen betrachtet werden. Um so beachtenswerter ist vom biologischen Standpunkte aus die chemische \u00c4hnlichkeit der beiden Sekrete; aus diesem Grunde\n*) In der Rohseide habe ich neuerdings eine kleine Menge Aspa-ragins\u00e4ure beobachtet (gefunden 36,1 \u00b0/o C, 5,0 \u00b0/o H, berechnet 36,1 \u00b0/o C, 5,3 \u00b0/o H). Es bleibt aber noch zu entscheiden, ob sie vom Seidenfibroin oder vom Seidenleim berr\u00fchrt.","page":138},{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":"139\n\u00dcber Spinnenseide.\nerscheint es mir auch w\u00fcnschenswert, da\u00df die Untersuchung auf die gleichen Produkte anderer Spinnen und Raupen ausgedehnt wird.\nGegen\u00fcber den gl\u00e4nzenden Errungenschaften der vergleichenden Morphologie steht die vergleichende chemische Physiologie trotz zahlreicher Anl\u00e4ufe]) noch in den Kinderschuhen. Aber man darf erwarten, da\u00df mit der Verbesserung der chemischen Methoden, zumal auf dem Gebiete der Proteine, eine kr\u00e4ftige Entwicklung dieses Teiles der Biologie einsetzen wird, die zu ganz neuen Gesichtspunkten \u00fcber die Verwandtschaft und Genesis sowohl einzelner Organe wie auch ganzer Spezies von Lebewesen f\u00fchren kann.\nSchlie\u00dflich sage ich Hrn. Dr. Walter Axhausen f\u00fcr die Hilfe, die er mir bei diesen Versuchen leistete, besten Dank.\n>) Eine sehr n\u00fctzliche Zusammenstellung der Resultate f\u00fcr einen Teil der Tierwelt findet sich in dem Werk von Otto von F\u00fcrth \u00abVergleichende chemische Physiologie der niederen Tiere\u00bb.","page":139}],"identifier":"lit18579","issued":"1907","language":"de","pages":"126-139","startpages":"126","title":"\u00dcber Spinnenseide","type":"Journal Article","volume":"53"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:55:32.468506+00:00"}