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{"created":"2022-01-31T13:47:13.153108+00:00","id":"lit18598","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Abderhalden, Emil","role":"author"},{"name":"Carl Voegtlin","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 53: 315-319","fulltext":[{"file":"p0315.txt","language":"de","ocr_de":"Studien \u00fcber den Abbau des Caseins durch Pankreassaft.\nVon\nEmil Abderhalden und Carl Voegtlin.\n(Aus dem chemischen Institut der Universit\u00e4t Berlin.)\n(Der Redaktion zugegangen am 11. August 1907.)\nIn einer fr\u00fcheren Mitteilung des einen von uns mit B\u00e9la Reinbold1) war nachgewiesen worden, da\u00df bei der Verdauung von Edestin mit aktiviertem Pankreassaft die einzelnen Bausteine verschieden rasch abgespalten werden. Schon am zweiten Tage war alles Tyrosin in der Verdauungsfl\u00fcssigkeit in freiem Zustande vorhanden, w\u00e4hrend z. B. von der Glutamins\u00e4ure am 16. Tage der Verdauung erst 2k der im Edestin gebundenen Aminos\u00e4ure abgespalten waren. Auch das Tryptophan wird rasch frei. \u00dcber das Verhalten der \u00fcbrigen Aminos\u00e4uren l\u00e4\u00dft sich zur Zeit Bestimmtes nicht aussagen. Viele Beobachtungen machen es jedoch h\u00f6chstwahrscheinlich, da\u00df Asparagins\u00e4ure, Alanin, Valin, Leucin usw. ein ganz \u00e4hnliches Verhalten zeigen, wie die Glutamins\u00e4ure, w\u00e4hrend Phenylalanin, Prolin und Gly-kokoll durch Pankreassaft offenbar \u00fcberhaupt nicht aus ihren Verbindungen frei werden. F\u00fcr die Beurteilung des Grades des Abbaus von Proteinen durch Pankreassaft sind diese Resultate von gro\u00dfer Bedeutung. Sie zeigen, da\u00df es ganz unstatthaft ist, gest\u00fctzt auf die Bestimmung einer einzelnen Aminos\u00e4ure resp. auch mehrerer ohne weiteres einen Schlu\u00df auf ein mehr oder weniger vollst\u00e4ndig abgebautes Eiwei\u00dfpr\u00e4parat zu ziehen. Es kann die eine oder andere Aminos\u00e4ure quantitativ\nl) Emil Abderhalden und B\u00e9la Reinbold, Die Monoaminos\u00e4uren des \u00abEdestins\u00bb aus Sonnenblumensamen und dessen Verhalten\ngegen Pankreassaft, Diese Zeitschrift, Bd. XLIV, S. 284, 1905, und Der Abbau des Edestins aus Baumwollsamen durch Pankreassaft, Ebenda, Bd. XLVI, S. 159, 1905.","page":315},{"file":"p0316.txt","language":"de","ocr_de":"316\nEmil Abderhalden und Carl Voegtlin,\nabgespalten sein, und trotzdem k\u00f6nnen sich noch sehr komplizierte Produkte in der Verdauungsfl\u00fcssigkeit vorfinden. Nur eine direkte Analyse des gesamten Verdauungsproduktes wird vor gro\u00dfen Irrt\u00fcmern sch\u00fctzen.\nUm festzustellen, ob die am Edestin gemachten Beobachtungen auch f\u00fcr andere Proteine Geltung haben, haben wir mit Casein (Hammarsten) ganz analoge Versuche ausgef\u00fchrt. Von demselben Pr\u00e4parate wurden gleiche Portionen mit derselben Menge aktiviertem Pankreassaft vom Hunde verschieden lange unter \u00f6fterem Umsch\u00fctteln im Brutraum aufbewahrt. Nach bestimmten Zeiten wurden die einzelnen Versuche abgebrochen, die Verdauungsfl\u00fcssigkeit aufgekocht, filtriert und das Filtrat dann mit soviel Wasser verd\u00fcnnt, bis die gesamte Fl\u00fcssigkeit l\u00b0/o an festen Bestandteilen enthielt. Nun f\u00e4llten wir mit Phosphorwolframs\u00e4ure im \u00dcberschu\u00df und nutschten den Niederschlag ab. Dieser wurde mit Wasser gr\u00fcndlich ausgewaschen, scharf abgepre\u00dft und dann die gesamten Filtrate mit Baryt von der \u00fcbersch\u00fcssigen Phosphorwolframs\u00e4ure befreit und dessen \u00dcberschu\u00df quantitativ mit Schwefels\u00e4ure gef\u00e4llt. Das Filtrat vom Baryumsulfat engten wir unter vermindertem Druck stark ein, bis Abscheidung von Tyrosin erfolgte. Die Mutterlauge dieser ersten Krystallisation engten wir dann auf dem Wasserbade so lange weiter ein, bis die abfiltrierte Fl\u00fcssigkeit keine Reaktion mit Milions Reagens mehr gab. Das rohe Tyrosin wurde nun aus hei\u00dfem Wasser unter Anwendung von Tierkohle umkrystallisiert und die letzte Mutterlauge mit derjenigen der letzten Krystallisation des Rohtyrosins vereinigt. Diese L\u00f6sung diente zur Gewinnung der Glutamins\u00e4ure und zwar wurde diese nach dem Einleiten von gasf\u00f6rmiger Salzs\u00e4ure bis zur S\u00e4ttigung als Chlorhydrat abgeschieden. Die Mutterlauge der ersten Krystallisation wurde eingeengt und dieser Proze\u00df so lange wiederholt, bis eine Abscheidung nicht mehr erfolgte. Wir haben vier solche Versuchsserien\nausgef\u00fchrt. Die Resultate finden sich in folgender \u00dcbersicht.\n\u00bb\nVersuch 1.\nAm 15. Juni 1906 wurden 5 X J65* 100 g Casein (Hammarsten) in einem Liter Wasser suspendiert und je 50 ccm","page":316},{"file":"p0317.txt","language":"de","ocr_de":"Studien \u00fcber den Abbau des Caseins durch Pankreassaft. 317\naktivierter Pankreassaft vom Hunde zugegeben. Nach Zusatz von Toluol verblieben die einzelnen Portionen 2, 4, 8, 10 und 12 Tage im Brutraum. Das verwendete Casein enthielt 4,5 g Tyrosin und 10,5 g Glutamins\u00e4ure.\n1.\tNach zweit\u00e4giger Verdauung wurden isoliert 2,55 g Tyrosin und 1,50 g Glutamins\u00e4ure.\n2.\tNach 4 Tagen waren 4,4 g Tyrosin und 2,35 g Glutamins\u00e4ure abgeschieden.\n3.\tNach 8 Tagen isolierten wir 4,55 g Tyrosin und 6,45 g Glutamins\u00e4ure.\n4.\tNach 10 Tagen waren 4,45 g Tyrosin und 7,15 g Glutamins\u00e4ure abgeschieden.\n5.\tAm 12. Tage enthielt die Verdauungsfl\u00fcssigkeit 4,35 g freies Tyrosin und 7,75 g Glutamins\u00e4ure.\nVersuch 2.\nAm 12. Februar 1907 verdauten wir je 100 g Casein (Hammarsten) in 1 Liter Wasser suspendiert mit je 50 ccm aktiviertem Pankreassaft vom Hunde. Die einzelnen Portionen verblieben nach Zusatz von Toluol 2, 4, 6, 8 und 10 Tage im Brutraum. Das verwendete Casein enthielt 4,45 g Tyrosin und 10,75 g Glutamins\u00e4ure.\n1.\tNach zweit\u00e4giger Verdauung wurden erhalten 2,45 g Tyrosin und 1,25 g Glutamins\u00e4ure.\n2.\tNach viert\u00e4giger Verdauung waren abgeschieden 4,25 g Tyrosin und 2,0 g Glutamins\u00e4ure.\n3.\tNach 6 Tagen isolierten wir 4,52 g Tyrosin und 3,75 g Glutamins\u00e4ure.\n4.\tNach 8 Tagen fanden wir 4,42 g Tyrosin und 6,15 g Glutamins\u00e4ure.\n5.\tNach 10 Tagen waren 4,38 g Tyrosin und 7,0 g Glutamins\u00e4ure abgeschieden.\nVersuch 3.\nAm 19. Februar 1907 wurden je 5 Portionen zu 100 g Casein mit einem Liter Wasser verr\u00fchrt und nach Zusatz von je 50 ccm Pankreassaft -f- 5 ccm Darmsaft und Toluol im Brut-","page":317},{"file":"p0318.txt","language":"de","ocr_de":"318\nEmil Abderhalden und Carl Voegtlin,\nraum aufbewahrt. Das verwendete Casein enthielt 4,45 g Tyrosin und 10,55 g Glutamins\u00e4ure.\n1.\tNach 2 Tagen isolierten wir 2,65 g Tyrosin und 1,65 g Glutamins\u00e4ure.\n2.\tNach 4 Tagen waren 4,35 g Tyrosin und 3,11 g Glutamins\u00e4ure abgeschieden.\n3.\tNach 8 Tagen isolierten wir 4,25 g Tyrosin und 7,85 g Glutamins\u00e4ure.\n4.\tNach 16 Tagen gewannen wir 4,50 g Tyrosin und 8,25 g Glutamins\u00e4ure.\n5.\tNach 24 Tagen isolierten wir 4,45 g Tyrosin und 8,75 g Glutamins\u00e4ure.\nVersuch 4.\nAuch hier wurden je 100 g Casein mit je einem Liter Wasser \u00fcbergossen und nach Zusatz von Toluol, 50 ccm Pankreassaft 4\u201c 5 ccm Darmsaft im Brutraum aufbewahrt. Im ganzen setzten wir 8 Portionen an. Das angewandte Casein enthielt 4,50 g Tyrosin und 10,8 g Glutamins\u00e4ure.\nNach 1 Tag waren abgespalten 0,75 g Tyrosin und 1,53 g Glutamins\u00e4ure.\nNach 3 Tagen waren abgespalten 4,40 g Tyrosin und 1,76 g Glutamins\u00e4ure.\nNach 6 Tagen waren abgespalten 4,36 g Tyrosin und 4,88 g Glutamins\u00e4ure.\nNach 9 Tagen waren abgespalten 4,34 g Tyrosin und 9,01 g Glutamins\u00e4ure.\nNach 11 Tagen waren abgespalten 4,20 g Tyrosin und 8,65 g Glutamins\u00e4ure.\nNach 13 Tagen waren abgespalten 4,50 g Tyrosin und 8,80 g Glutamins\u00e4ure.\nNach 17 Tagen waren abgespalten 4,47 g Tyrosin und 8,90 g Glutamins\u00e4ure.\nNach 21 Tagen waren abgespalten 4,36 g Tyrosin und 9,27 g Glutamins\u00e4ure.\nDie erhaltenen Resultate stimmen mit den bei der Verdauung des Edestins gewonnenen Erfahrungen \u00fcberein. Tyrosin","page":318},{"file":"p0319.txt","language":"de","ocr_de":"Studien \u00fcber den Abbau des Caseins durch Pankreassaft. 319\nwird rasch und vollst\u00e4ndig abgeschieden, die Glutamins\u00e4ure dagegen ganz allm\u00e4hlich. Ein Unterschied zwischen dem Edestin und Casein besteht insofern, als bei letzterem nach etwa 8 bis 10 Tagen bereits ca. 80\u00b0/o der gesamten Glutamins\u00e4ure frei geworden waren, w\u00e4hrend beim Edestin nach 8 Tagen erst 31\u00b0/o und nach 16 Tagen 60\u00b0/o davon isoliert werden konnten. Nicht ohne Interesse ist die Beobachtung, da\u00df in den ersten Tagen der Verdauung die Glutamins\u00e4urewerte rasch ansteigen, um dann etwa vom 8.\u201410. Tage an nur ganz allm\u00e4hlich zuzunehmen. Auf Grund anderer Erfahrungen ist wohl diese starke Verlangsamung der Hydrolyse auf eine Hemmung der Fermentwirkung durch die gebildeten Spaltungsprodukte zur\u00fcckzuf\u00fchren.1)\nWir wollen noch erw\u00e4hnen, da\u00df nicht alle vier Versuche ganz gleichwertig sind, indem wir bei Versuch 1 und 2 Pankreassaft anwandten, der in aktiviertem Zustand zur Abscheidung kam, w\u00e4hrend wir bei Versuch 3 und 4 noch Darmsaft zusetzten, um den schwach aktiven Pankreassaft zu aktivieren. Betrachten wir die einzelnen Versuchsreihen, so ergibt sich, da\u00df bei Versuch 1 am 12. Tage 7,75 g Glutamins\u00e4ure abgeschieden waren, bei Versuch 2 am 10. Tage 7,07 g, bei Versuch 3 am 8. Tage schon 7,85 g und bei Versuch 4 am 9. Tage 9,01 g. In Versuch 3 und 4 war somit die Hydrolyse rascher erfolgt. Vollst\u00e4ndige Spaltung war jedoch auch am 21. Tage noch nicht eingetreten. Wir m\u00fcssen es vorl\u00e4ufig noch offen lassen, welcher Ursache die raschere Hydrolyse bei Versuch 3 und 4 zuzuschreiben ist. Am naheliegendsten ist es, an die Wirkung des Erepsins zu denken. Weitere Versuche m\u00fcssen hier entscheiden. Es sind auch Versuche im Gange, um festzustellen, ob unter normalen Verh\u00e4ltnissen, also bei kombinierter Magen-, Pankreas- und Darmsaftverdauung im Magendarmkanal selbst der Abbau analog erfolgt, wie es f\u00fcr Edestin und Casein durch die beschriebenen Versuche bei Verdauung mit aktiviertem Pankreassaft festgestellt worden ist.\n1) Vgl. Emil Abderhalden und Alfred Gigon, Weiterer Beitrag zur Kenntnis des Verlaufs der fermentativen Polypeptidspaltung. Diese Zeitschrift, Bd. Lffl, S. 251, 1907.","page":319}],"identifier":"lit18598","issued":"1907","language":"de","pages":"315-319","startpages":"315","title":"Studien \u00fcber den Abbau des Caseins durch Pankreassaft","type":"Journal Article","volume":"53"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:47:13.153113+00:00"}