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{"created":"2022-01-31T16:47:01.531409+00:00","id":"lit18608","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Abderhalden, Emil","role":"author"},{"name":"Martin Kempe","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 53: 398-402","fulltext":[{"file":"p0398.txt","language":"de","ocr_de":"Vergleichende Untersuchung \u00fcber den Gehalt von befruchteten H\u00fchnereiern in verschiedenen Entwicklungsperioden an Tyrosin,\nGlykokoll und an Glutamins\u00e4ure.\nVon\nEmil Abderhalden und Martin Kempe.\n(Aus dem Chemischen Institut der Universit\u00e4t Berlin.) (Der Redaktion zugegangen am 26. August 1907.)\nDie Frage des Eiwei\u00dfstoffwechsels im tierischen Organismus ist bisher im allgemeinen unter der Voraussetzung in Angriff genommen und beurteilt worden, da\u00df eine Neubildung von Aminos\u00e4uren resp. eine Umwandlung der einen Aminos\u00e4ure in eine andere nicht stattfindet. Eine Ausnahme macht vielleicht das Glykokoll. Es spricht manches daf\u00fcr, da\u00df diese Aminos\u00e4ure im tierischen Organismus teilweise synthetisch entsteht. Auch f\u00fcr die \u00fcbrigen Aminos\u00e4uren darf a priori die M\u00f6glichkeit nicht verneint werden, da\u00df sie einesteils durch Abbau oder Umbau aus anderen Aminos\u00e4uren sich bilden k\u00f6nnen und anderenteils direkt aufgebaut werden. Ein strikter Beweis f\u00fcr eine solche Annahme liegt allerdings nicht vor. Es wird auch bei der Raschheit, mit welcher der Eiwei\u00dfstoffwechsel abl\u00e4uft, schwer sein, einen einwandfreien Beweis nach dieser Richtung durch Stoffwechselversuche zu erbringen. Wir haben deshalb einen anderen Weg eingeschlagen. Wir untersuchten befruchtete H\u00fchnereier vor ihrer Bebr\u00fctung auf ihren Gesamtgehalt an Tyrosin, Glykokoll und an Glutamins\u00e4ure. Dieselben Aminos\u00e4uren bestimmten wir am 10. Tage der Bebr\u00fctung und endlich am Tage des Ausschl\u00fcpfens der H\u00fchnchen. Tyrosin- und Glutamins\u00e4ure lassen sich innerhalb enger Grenzen quantitativ bestimmen, und f\u00fcr das Glykokoll kann man mit Hilfe der Estermethode wenigstens gut vergleichbare Werte erhalten. Hatten w\u00e4hrend der Entwicklung der H\u00fchnerembryonen in den Mengen der einzelnen Aminos\u00e4uren betr\u00e4chtliche Verschiebungen stattgefunden, so mu\u00dften sie sich unzweifelhaft nachweisen lassen. Wir folgten bei diesem Versuchsplane ganz analogen Untersuchungen","page":398},{"file":"p0399.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchung \u00fcber den Gehalt von befruchteten H\u00fchnereiern usw. 399\nvon A. Kossel1) \u00fcber das Mengenverh\u00e4ltnis der Purinbasen im Dotter unbebr\u00fcteter und bebr\u00fcteter Eier. Wir m\u00f6chten die erhaltenen Resultate nicht als ganz definitive bezeichnen. Der ganze Versuch mu\u00df wiederholt werden, um jedem Zufalle vorzubeugen. Wir teilen die Ergebnisse dieser Untersuchung jetzt schon mit, weil einesteils die Wiederholung des Versuches naturgem\u00e4\u00df nicht so bald erfolgen kann, und anderenteils der eine von uns (Kempe) das chemische Institut verl\u00e4\u00dft. Wir hatten nat\u00fcrlich auch daran gedacht, die gestellte Frage an S\u00e4ugetieren zu entscheiden. Die Verh\u00e4ltnisse liegen jedoch hier so verwickelt, da\u00df einstweilen ein eindeutiges Resultat kaum zu erwarten ist. Da der S\u00e4ugling mit den Eiwei\u00dfk\u00f6rpern der Milch wenig Glykokoll erh\u00e4lt, so k\u00f6nnte man daran denken, das Problem der synthetischen Bildung dieser Aminos\u00e4ure im tierischen Organismus durch vergleichende Untersuchungen an S\u00e4ugetieren in verschiedenen Entwicklungsstadien zur Entscheidung zu bringen. Alle \u00fcbrigen Aminos\u00e4uren erh\u00e4lt der S\u00e4ugling nach unseren jetzigen Kenntnissen in ausreichender Menge. Nun scheint jedoch das neugeborene Tier einen ganz betr\u00e4chtlichen Vorrat speziell an Glykokoll bei der Geburt zu erhalten. Seine Gewebe sind besonders reich an leimgebenden Substanzen und diese weisen bekanntlich einen sehr hohen Gly-kokollgehalt auf. Mit dem Fortschreiten der Verkn\u00f6cherung ist die M\u00f6glichkeit gegeben, da\u00df Glykokoll f\u00fcr den allgemeinen Stoffwechsel frei wird und auf diesem Wege dem geringen Glykokoll-gehalt der Milchproteine entgegengewirkt wird. Also auch hier ergeben sich f\u00fcr eine klare Beantwortung der gestellten Frage Schwierigkeiten. Es wird sich immerhin lohnen, den Glyko-kollgehalt des neugeborenen Tieres mit demjenigen eines Tieres desselben Wurfs w\u00e4hrend der S\u00e4ugungsperiode zu vergleichen.\nWas nun die ausgef\u00fchrten Versuche anbetrifft, so ist zu erw\u00e4hnen, da\u00df * wir eine gr\u00f6\u00dfere Anzahl von befruchteten Eiern bei demselbem H\u00e4ndler auf einmal einkauften. Sie stammten alle von derselben H\u00fchnerrasse. 12 Eier (1 Tag alt) wurden sofort verarbeitet und zwar in der Weise, da\u00df Eiereiwei\u00df und\n>) A. Kossel, Weitere Beitr\u00e4ge zur Chemie des Zellkerns, Diese Zeitschrift, Bd. X, S. 248, 1886.","page":399},{"file":"p0400.txt","language":"de","ocr_de":"400\tEmil Abderhalden und Martin Kempe,\nDotter zusammen in einer Schale vermischt wurden. Die Eierschalen wurden sorgf\u00e4ltig von allen Eiwei\u00dfsubstanzen gereinigt, nur das Eih\u00e4utchen wurde nicht mitverarbeitet, sondern an den Schalen haften gelassen. Nun wurde der ganze Brei zun\u00e4chst mit absolutem Alkohol am R\u00fcckflu\u00dfk\u00fchler l\u00e4ngere Zeit gekocht, dann abgenutscht und der R\u00fcckstand im Soxhlet solange mit \u00c4ther extrahiert, als etwas in L\u00f6sung ging. Das Gesamtgewicht der Eier betrug 686 g. Ihr Inhalt wog 611 g. Nach dem Kochen\n\u2022 m\nmit Alkohol und \u00c4ther verblieben 85,8 g lufttrockene Substanz. Sie enthielt 13,45 \u00b0/o Stickstoff.\n80 g der getrockneten Substanz wurden nun mit der f\u00fcnffachen Menge 25\u00b0/oiger Schwefels\u00e4ure 16 Stunden am R\u00fcckflu\u00dfk\u00fchler gekocht, die Schwefels\u00e4ure aus der mit Wasser verd\u00fcnnten L\u00f6sung quantitativ mit Baryt entfernt und der abgenutschte, scharf abgepre\u00dfte Baryumsulfatniederschlag solange mit Wasser ausgekocht, bis das Filtrat mit Milions Reagens keine Spur einer Rotf\u00e4rbung mehr gab. Nun vereinigten wir alle Filtrate und engten sie ein, bis Krystallisation eintrat. Die Krystalle wurden abgenutscht und die Mutterlauge weiter eingeengt, bis wiederum Krystallisation erfolgte. Dieser Proze\u00df wurde solange wiederholt, bis die Mutterlauge keine Tyrosinreaktion mehr gab. Das so erhaltene Rohtyrosin wurde aus hei\u00dfem Wasser unter Anwendung von Tierkohle umkrystallisiert. Die Mutterlauge des reinen Tyrosins wurde dann, sobald sie mit Milions Reagens keine Reaktion mehr zeigte, mit derjenigen des Rohtyrosins vereinigt und aus der eingeengten, mit gasf\u00f6rmiger Salzs\u00e4ure ges\u00e4ttigten L\u00f6sung die Glutamins\u00e4ure als Chlorhydrat, abgeschieden. Die quantitative Gewinnung des Glutamins\u00e4urechlorhydrats war mit Schwierigkeiten verkn\u00fcpft. Es kry-stallisierte zun\u00e4chst schwer und unvollst\u00e4ndig. Wir verd\u00fcnnten den dicken Sirup mit Wasser, sch\u00fcttelten die L\u00f6sung mit etwas \u00fcbersch\u00fcssigem Kupferoxydul, filtrierten ab und f\u00e4llten das gel\u00f6ste Kupfer mit Schwefelwasserstoff. Es gelingt so leicht, die die Krystallisation st\u00f6renden und die Fl\u00fcssigkeit dunkelbraun f\u00e4rbenden Stoffe niederzuschlagen, ohne da\u00df Verluste eintreten. Das Filtrat vom Schwefelkupfer war nun nur noch hellgelb gef\u00e4rbt. Es wurde unter vermindertem Druck stark eingeengt und dann","page":400},{"file":"p0401.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchung \u00fcber den Gehalt von befruchteten H\u00fchnereiern \u00fcsw. 401\nwiederum gasf\u00f6rmige Salzs\u00e4ure eingeleitet. Beim Stehen auf Eis erfolgte nun bald reichliche Krystallisation. Die Krystalle wurden abgesaugt und die Mutterlauge weiter eingeengt. Das erhaltene rohe Glutamins\u00e4urechlorhydrat krystallisierten wir aus verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure unter Anwendung von Tierkohle um. Die Mutterlauge des rohen Glutamins\u00e4urechlorhydrates und des reinen vereinigten wir dann, verdampften die Fl\u00fcssigkeit unter vermindertem Drucke bei 40\u00b0 Au\u00dfentemperatur zum Sirup und veresterten den R\u00fcckstand in der gewohnten Weise mit Alkohol und gasf\u00f6rmiger, trockener Salzs\u00e4ure. Die Veresterung wurde zweimal wiederholt. Aus den Esterchlorhydraten setzten wir die Ester mit Natriumalkoholat in Freiheit und destillierten dann die freien Ester bei 12 mm Druck bei 100\u00b0 des Wasserbades. Das Destillat wurde mit w\u00e4sseriger Salzs\u00e4ure gesch\u00fcttelt, zur Trockene verdampft und der R\u00fcckstand mit der f\u00fcnffachen Menge absoluten Alkohols \u00fcbergossen und gasf\u00f6rmige, trockene Salzs\u00e4ure bis zur S\u00e4ttigung eingeleitet. Wir impften dann mit einem Kryst\u00e4llchen von Glykokollesterchlorhydrat und stellten die L\u00f6sung auf Eis. Nach wenig Stunden erfolgte reichliche Abscheidung von gegen 144\u00b0 (korr.) schmelzenden Krystallen.\nWir haben die Ausbeuten an Tyrosin, an Glutamins\u00e4ure und an Glykokoll auf 100 g Eiwei\u00df berechnet. Den Eiwei\u00dfgehalt wiederum stellten wir durch Multiplikation des gefundenen Stickstoffgehaltes mit 6,25 fest. Diese Berechnung ist nur eine approximative, da wir jedoch in allen F\u00e4llen von gleicher Basis ausgingen, d\u00fcrften die Fehler sich entsprechen.\nErhalten wurden auf 100 g Eiwei\u00df berechnet bei den befruchteten, unbebr\u00fcteten Eiern: 1,82 g Tyrosin, 12,8 g Glutamins\u00e4ure und 1,2 g Glykokoll.\nVon denselben Eiern hatten wir eine gr\u00f6\u00dfere Anzahl im Brutofen angesptzt. 12 Eier von 695 g Gewicht wogen nach 10t\u00e4gigem Aufenthalt bei 40\u00b0 noch 653 g. Ihr Inhalt wog 585 g. Er wurde ganz genau so verarbeitet, wie oben angegeben. Wir haben nur solche Eier verarbeitet, deren Embryonen in ihrer Entwicklung dem 10. Tage der Bebr\u00fctung entsprachen.\nSie wurden mit der Schere vor der Extraktion mit Alkohol\n\u2022 \u2022\nund \u00c4ther zerhackt. Das Gewicht der Substanz betrug nach","page":401},{"file":"p0402.txt","language":"de","ocr_de":"402 Abderhald en und Kempe, Untersuchung \u00fcber H\u00fchnereier.\n\u2022 \u2022\ndem Extrahieren mit Alkohol und \u00c4ther 80,7 g. Die Stickstoffbestimmung ergab 13,57\u00b0/o N.\nErhalten wurden 2,11 g Tyrosin, 13,5 g Glutamins\u00e4ure und 1,15 g Glykokoll (auf 100 g Eiwei\u00df berechnet).\n10 Eier vom urspr\u00fcnglichen Gewicht 597 g belie\u00dfen wir bis zum Ende der Entwicklung des Embryos im Brutschrank, d. h. 20 Tage. Das Gewicht der Eier betrug nunmehr 520,3 g. Ihr Inhalt wog 460,1 g. Die entwickelten, aus den Eiern herausgenommenen H\u00fchnchen wurden nebst Dottersack fein zerhackt\n\u2022\u2022\nund mit Alkohol und \u00c4ther behandelt. Es verblieben 71,2 g an trockenen, festen Stoffen. Die Stickstoffbestimmung ergab 13,16o/o N.\nAuf 100 g Eiwei\u00df berechnet, ergaben sich 2,25 g Tyrosin, 12,52 g Glutamins\u00e4ure und 1,35 g Glykokoll.\nVergleicht man die gefundenen Zahlen, so ergibt sich, da\u00df f\u00fcr die Glutamins\u00e4ure und das Glykokoll \u00c4nderungen in den Mengen w\u00e4hrend der Entwicklung des H\u00fchnerembryos nicht zu erkennen sind. Der Tyrosingehalt ist beim ausgebr\u00fcteten H\u00fchnchen etwas h\u00f6her als beim unbebr\u00fcteten Ei. Wir wagen nicht, aus den geringen Unterschieden Schl\u00fcsse zu ziehen. Es ist immerhin m\u00f6glich, da\u00df sie der Methode zur Last fallen. Es scheint, als ob eine Neubildung resp. eine Umwandlung von Aminos\u00e4uren w\u00e4hrend der Entwickelung des H\u00fchnerembryos nicht stattfindet. Selbstverst\u00e4ndlich darf, falls diese Schlu\u00dffolgerung sich sp\u00e4ter als ganz allgemein geltend erweisen sollte, nicht der Schlu\u00df gezogen werden, da\u00df die Proteine des Eies als solche direkt beim Aufbau der Gewebe teilnehmen. Es spricht alles daf\u00fcr, da\u00df diesem ein weitgehender Umbau der \u00abNahrungsproteine\u00bb vorausgeht, und da\u00df sich hier in gewissem Sinne \u00e4hnliche Prozesse vollziehen, wie im keimenden Samen. Es ist verlockend, in das Geheimnis dieser offenbar tiefgreifenden Umwandlungen durch direkte Versuche einzudringen. Eine klarere Entscheidung der gestellten Frage wird \u00fcbrigens erst dann m\u00f6glich sein, wenn Methoden bekannt sind, die es erm\u00f6glichen, alle einfachen Bausteine der Proteine quantitativ zu bestimmen.","page":402}],"identifier":"lit18608","issued":"1907","language":"de","pages":"398-402","startpages":"398","title":"Vergleichende Untersuchung \u00fcber den Gehalt von befruchteten H\u00fchnereiern in verschiedenen Entwicklungsperioden an Tyrosin, Glykykoll und an Glutamins\u00e4ure","type":"Journal Article","volume":"53"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:47:01.531415+00:00"}