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{"created":"2022-01-31T13:54:36.940819+00:00","id":"lit18627","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Steudel, H.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 53: 539-544","fulltext":[{"file":"p0539.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Guanyls\u00e4ure aus der Pankreasdr\u00fcse.\nVon\nH. Steudel.\n(Aus dem physiologischen Institut in Heidelberg.)\n(Der Redaktion zugegangen am 28. Oktober 1907.)\nDie Guanyls\u00e4ure, von Bang1) aus dem Nucleoproteid der Pankreasdr\u00fcse dargestellt, unterscheidet sich so wesentlich von den echten Nucleins\u00e4uren, da\u00df sie ein besonderes Interesse beansprucht. Da\u00df gerade in der Pankreasdr\u00fcse eine den Nucleins\u00e4uren nahestehende Substanz Vorkommen sollte, die kein Adenin enthalten sollte, war schon auffallend: war doch das Adenin gerade in der Pankreasdr\u00fcse zuerst von Kos sei2) aufgefunden. Ferner mu\u00dfte das Vorkommen von Glycerin unter den Spaltungsprodukten der Guanyls\u00e4ure als ungew\u00f6hnlich erscheinen, da s\u00e4mtliche anderen, bisher gedauer untersuchten Nucleins\u00e4uren kein Glycerin enthielten und die Guanyls\u00e4ure durch diesen Bestandteil in nahe Beziehung zu den Lecithinen ger\u00fcckt wT\u00e4re. Sodann lie\u00dfen sp\u00e4tere Angaben von Bang3) selbst seine fr\u00fcheren Resultate zweifelhaft erscheinen, denn nach seinen neueren Mitteilungen hat er, freilich nach einem anderen Verfahren, eine nucleins\u00e4ureartige Substanz aus Pankreas erhalten, die wesentlich von der fr\u00fcheren Guanyls\u00e4ure ab weicht. Endlich l\u00e4\u00dft sich nach Neumanns Angaben4) nach dem von ihm ver\u00f6ffentlichten Verfahren eine der Thymusnucleins\u00e4ure \u00e4hnliche Substanz aus Pankreas gewinnen, die nach Levenes 5) Untersuchungen au\u00dfer Guanin auch Adenin enthalten soll.\n*) Diese Zeitschrift, Bd. XXVI, S. 133 ; Bd. XXXI, S. 411.\n2) Ber. d. Deutsch, chem. Gesellsch., Bd. XVIII, S. 79 und 1928.\nDiese Zeitschrift, Bd. X, S. 250.\n8) Beitr\u00e4ge zur chem. Physiologie, Bd. IV, S. 175.\n4)\tHoppe-Seyler-Thierfeld er, Handbuch d. physiol.-chemischen Analyse, 7. Auflage, S. 363.\n5)\tDiese Zeitschrift, Bd. XXXII, S. 540 ; Bd. XXXVII, S. 402 ; Bd. XLI, S. 404; Bd. XLIH, S. 199.","page":539},{"file":"p0540.txt","language":"de","ocr_de":"540\nH. Steudel,\nSo waren denn Zweifel an der Richtigkeit der Bangschen Angaben gewi\u00df berechtigt und ich habe vor etwa einem Jahre die Untersuchung der Guanyls\u00e4ure aufgenommen. Da\u00df die Resultate jetzt schon ver\u00f6ffentlicht werden, geschieht, weil v. F\u00fcrth1) auf Grund von Untersuchungen, die er gemeinschaftlich mit E. Jerusalem angestellt hat, zu Anschauungen gekommen ist, die sich nicht ganz mit meinen Beobachtungen decken, v. F\u00fcrth stellt die Existenz der Guanyls\u00e4ure g\u00e4nzlich in Abrede und meint, die Nucleins\u00e4ure des Pankreas entspr\u00e4che durchaus den Nucleins\u00e4uren der anderen Organe.\nDie Ursache daf\u00fcr, da\u00df v. F\u00fcrth zu so wesentlich anderen Resultaten gekommen ist wie Bang, liegt darin, da\u00df sich die Guanyls\u00e4ure nur nach der von Bang zuerst angegebenen Methode isolieren l\u00e4\u00dft.\nEs wurde nach den Angaben von Hammarsten2) zuerst\nein Pankreasnucleoproteid bereitet. Frische Dr\u00fcsen, direkt aus\ndem Schlachthaus bezogen, wurden zerkleinert und mit Wasser\nrasch zum Sieden erhitzt ; nach dem Erkalten wurde filtriert3)\nund aus dem hellbernsteingelben Filtrat das Nucleoproteid durch\nZusatz von 5\u201410\u00b0/oo Essigs\u00e4ure ausgef\u00e4llt. Die F\u00e4llung wurde\nzur Reinigung in Wasser gel\u00f6st und noch einmal mit S\u00e4ure\nwieder ausgef\u00e4llt. Der Niederschlag wurde abfiltriert und mit\n\u2022 \u2022\nAlkohol und \u00c4ther getrocknet. Es resultierte einfeines, staubendes, wei\u00dfes Pulver, von dem nach und nach etwa 75 g gesammelt wurden.\nZur Kontrolle wurden in dem Pr\u00e4parat einige Phosphorbestimmungen gemacht, der Phosphor wurde nach der Veraschung mit Soda und Salpeter als Magnesiumpyrophosphat zur W\u00e4gung gebracht.\n0,5290 g gaben\t0,0924\tg\tMg2P207\t=\t4,86 \u00b0/o\tP\n0,5472 \u00bb\t\u00bb\t0,0884\t\u00bb\t\u00bb\t=\t4,50 \u00b0/o\t\u00bb\n0,6204 \u00bb\t\u00bb\t0,1082\t\u00bb\t\u00bb\t=\t4,85%\t\u00bb\nHammarsten hat in seinen Pr\u00e4paraten durchschnittlich 4,48 \u00b0/o P gefunden.\n*) Beitr\u00e4ge zur chem. Physiologie, Bd. X, S. 174.\n2)\tDiese Zeitschrift, Bd. XIX, S. 19.\n3)\tDie Verarbeitung des R\u00fcckstandes siehe S. 543.","page":540},{"file":"p0541.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Guanyls\u00e4ure aus der Pankreasdr\u00fcse.\nDieses Nucleoproteid wurde nachBangs erster Vorschrift1)\nzur Darstellung der Guanyls\u00e4ure in Portionen von je 12 g\nmit 400 ccm 2\u00b0/oiger Kalilauge versetzt und eine halbe Stunde\nlang im siedenden Wasserbade gehalten, dann mit verd\u00fcnnter\nH2S04 neutralisiert und kochend hei\u00df filtriert. Am n\u00e4chsten\nTage hatte sich, Bangs Angaben entsprechend, ein Bodensatz\nabgeschieden, der filtriert und aus hei\u00dfem Wasser umgel\u00f6st\nwurde. Dann wurde der Niederschlag in l\u00b0/oiger Kalilauge\ngel\u00f6st, vom Ungel\u00f6sten filtriert und zum Filtrat 5\u00b0/oige Essig-\n\u2022 \u2022\ns\u00e4ure im geringen Uberschu\u00df zugesetzt, der Bodensatz filtriert, mit Alkohol gewaschen und mit \u00c4ther getrocknet. Die Ausbeute an freier Guanyls\u00e4ure betrug 7,66 g, entsprechend einer Ausbeute von ca. 10\u00b0/o (Bang).\nZur Identifizierung wurde an dem Pr\u00e4parat eine Phosphor-und eine Stickstoffbestimmung gemacht.\n0,1776 g gaben 0,0480 g Mg2P207 = 7,52 \u00b0/o P\n0,1756 g neutralisieren 22,3 ccm n/io-Oxals\u00e4ure = 17,88\u00b0/o N (Kjeldahl). Bang fand in seinem Pr\u00e4parat ca. 7,65\u00b0/o P und 18,10\u00b0jo N\n7 g Guanyls\u00e4ure wurden darauf mit 400 ccm 5\u00b0/oiger Schwefels\u00e4ure 3 Stunden lang im siedenden Wasserbade erw\u00e4rmt. Nach 24 st\u00e4ndigem Stehen in der K\u00e4lte hatte sich eine reichliche Krystallisation langer Nadeln aus der wasserklaren Fl\u00fcssigkeit abgeschieden, die durch Erw\u00e4rmen wieder in L\u00f6sung\ngebracht wurde. Die Reaktionsfl\u00fcssigkeit wurde nun einer\n\u2022 \u2022\nenergischen Atherextraktion in dem von Kutscher und mir2) beschriebenen Apparate unterworfen und das \u00c4therextrakt nach Verjagen des \u00c4thers auf L\u00e4vulins\u00e4ure gepr\u00fcft. .Es gelang aber weder l\u00e4vulinsaures Silber zu bekommen noch fiel die empfindliche Reaktion mit Nitroprussidnatrium positiv aus. Dagegen gab das Extrakt s\u00e4mtliche Reaktionen des Furfurols.\nNach der Extraktion mit \u00c4ther wurde die Zersetzungsfl\u00fcssigkeit mit Natronlauge genau neutralisiert, worauf sich ein amorpher flockiger Niederschlag ausschied, der auf gewogenem Filter gesammelt wurde (2,43 g).\n0 Diese Zeitschrift, Bd. XXVI, S. 133.\n2) Diese Zeitschrift, Bd. XXXIX, S. 473.\nHoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie. LIII.\n36","page":541},{"file":"p0542.txt","language":"de","ocr_de":"542\nH. Steudel,\nEine Stickstoffbestimmung im Niederschlag ohne weitere Reinigung zeigt, da\u00df es sich im wesentlichen um Guanin handelte, da\u00df jedenfalls dem Niederschlag kein Adenin beigemengt war, denn der gefundene Wert blieb noch um l\u00b0/o hinter dem f\u00fcr Guanin berechneten zur\u00fcck, w\u00e4hrend ein Gehalt an Adenin (berechnet: 51,90\u00b0/o N) sich durch eine Erh\u00f6hung der f\u00fcr den Stickstoff gefundenen Zahl h\u00e4tte bemerkbar machen m\u00fcssen.\n0,0918 g neutralisieren 29,8 ccm n/io-Oxals\u00e4ure = 45,45\u00b0/o N (Kjeldahl).\nBerechnet f\u00fcr Guanin :\t46,43 \u00b0/o N.\nRechnet man die Ausbeute an Rohguanin in Prozente der Guanyls\u00e4ure um, so ergibt sich ein Wert von 34,72 \u00b0/o, w\u00e4hrend theoretisch 34,75\u00b0/o Guanin aus der Guanyls\u00e4ure hervorgehen soll. Das Filtrat vom Guanin wurde auf 250 ccm aufgef\u00fcllt, davon wurden 10 ccm nach Kjeldahl verascht. Sie neutralisierten bei der Destillation 4,4 ccm nlio-Oxals\u00e4ure, enthielten also 0,00616 g N. Im gesamten Filtrat befanden sich also noch 0,1540 g N. Vernachl\u00e4ssigt man das im Filtrat sicher vorhandene Ammoniak und etwa noch unzersetzt gebliebene Guanyls\u00e4ure, so w\u00fcrde der gesamte im Filtrat noch vorhandene Stickstoff, auf Guanin berechnet, 0,3 g ergeben, also eine der Hauptf\u00e4llung gegen\u00fcber sehr geringe Menge. Mit pikrinsaurem Natron lie\u00df sich keine irgendwie in Betracht kommende F\u00e4llung mehr erzielen, soda\u00df man wohl mit Bang zu der Aussage berechtigt ist, da\u00df in der Guanyls\u00e4ure das Guanin als einziges stickstoffhaltiges Spaltungsprodukt vorkommt.\nDas Filtrat vom Guanin zeigte starkes Reduktionsverm\u00f6gen gegen Fehlingsche L\u00f6sung, eine Identifizierung des Zuckers durch Oxydation mit Brom zu 1-Xylons\u00e4urel) ist mir aber bisher nicht gegl\u00fcckt, ebenso verlief ein Versuch zum Nachweis des Glycerins g\u00e4nzlich erfolglos. Da\u00df es sich bei dem Zucker in der Guanyls\u00e4ure nicht um ein Kohlehydrat der 6-Kohlenstoffreihe, auch nicht, wie v. F\u00fcrth meint, um eine Beimengung von Glykogen handelt, wird durch den Befund der \u00c4therextraktion bewiesen. Hier h\u00e4tte unter den v. F\u00fcrth vorausgesetzten Umst\u00e4nden L\u00e4vulins\u00e4ure gefunden werden m\u00fcssen ;\n*) Neuberg, Ber. d. Deutsch, chem. Ges., Bd. XXXY, IL, S. 1471.","page":542},{"file":"p0543.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Guanyls\u00e4ure aus der Pankreasdr\u00fcse.\t543\ndie reichliche Bildung von Furfurol und das Fehlen der L\u00e4vulins\u00e4ure spricht mehr f\u00fcr eine Pentose.\nSo kann das Ergebnis dieses Teiles der Untersuchung dahin zusammengefa\u00dft werden, da\u00df aus dem Pankreasnucleo-proteid von Hammarsten eine Guanyls\u00e4ure gewonnen werden kann, die in ihrer Zusammensetzung im wesentlichen den Angaben Bangs entspricht. So enth\u00e4lt sie vor allem nur Guanin als stickstoffhaltiges Spaltungsprodukt, ferner ein Kohlenhydrat, das keine L\u00e4vulins\u00e4ure, wohl aber Furfurol liefert; dagegen ist das Glycerin kein Spaltungsprodukt der Guanyls\u00e4ure.\nAls die Pankreasdr\u00fcsen zum Zweck der Darstellung des Nucleoproteids mit Wasser ausgekocht worden waren, habe ich die B\u00fcckst\u00e4nde von der Filtration (siehe Seite 540) gesammelt und dann nach dem Neumann sehen Verfahren weiter auf Nucleins\u00e4ure verarbeitet. Diese R\u00fcckst\u00e4nde sind dazu sehr gut geeignet, denn auch nach Neumann wird das Organ zun\u00e4chst mit Wasser gekocht und dann erst weiter verarbeitet. Neumann schreibt allerdings schwach essigsaure Reaktion des Wassers vor, w\u00e4hrend die Pankreasdr\u00fcsen meist ganz schwach alkalisch reagierten, das ist aber f\u00fcr die Darstellung der Nucleins\u00e4ure gleichg\u00fcltig.\nEs lie\u00df sich so nach Neumann eine Substanz gewinnen, die den echten Nucleins\u00e4uren anderer Organe glich und nur ein Gelatinierungsverm\u00f6gen nicht zeigte. Sie ist von mir bisher nicht genauer auf ihre Elementarzusammensetzung untersucht worden, sondern wurde sofort der Spaltung mit konzentrierter Salpeters\u00e4ure1) unterworfen. Die nach einigen Tagen aus-krystallisierten Nitrate der Alloxurbasen wurden in hei\u00dfem Wasser gel\u00f6st und das Guanin durch \u00dcbers\u00e4ttigen mit Ammoniak ausgeschieden. Es fiel als schneewei\u00dfe Masse aus. Das Filtrat vom Guanin wurde durch Erw\u00e4rmen vom \u00fcbersch\u00fcssigen Ammoniak befreit und mit pikrinsaurem Natron bei neutraler Reaktion ausgef\u00e4llt. Nun entstand der f\u00fcr Adenin-pikrat charakteristische hellgelbe Niederschlag, der sich schon makroskopisch von dem goldgelben Guaninpikrat unterscheidet. Das Adeninpikrat wurde noch einmal aus hei\u00dfem Wasser um-\n\u2022) H. Steudel, Diese Zeitschrift, Bd. XLVIII, S. 425.","page":543},{"file":"p0544.txt","language":"de","ocr_de":"544 H. Steudel, \u00dcber die Guanyls\u00e4ure aus der Pankreasdr\u00fcse.\nkrystallisiert ; es fielen dann zierliche Nadeln aus, die einen Schmelzpunkt von 280\u00b0 hatten, also den f\u00fcr Adeninpikrat verlangten.\nIch glaube, der Widerspruch, der in den Angaben Bangs und v. F\u00fcrths liegt, wird durch die vorstehend geschilderten Versuche gel\u00f6st. Zweifellos existiert die von Bang beschriebene Guanyls\u00e4ure (freilich enth\u00e4lt sie kein Glycerin), .daneben existiert aber noch eine echte Nucleins\u00e4ure im Pankreas, die auch Adenin in ihrem Molek\u00fcl enth\u00e4lt. Diese letzte Substanz ist nach dem Verfahren von Neumann darstellbar, w\u00e4hrend die Guanyls\u00e4ure sich nach Bangs urspr\u00fcnglichen Angaben bereiten l\u00e4\u00dft. Das von Bang und Raaschou angegebene Verfahren, nach dem v. F\u00fcrth und Jerusalem gearbeitet haben, w\u00fcrde dann im wesentlichen dieselbe Substanz liefern, die man nach der Neumannschen Methode gewinnen kann.","page":544}],"identifier":"lit18627","issued":"1907","language":"de","pages":"539-544","startpages":"539","title":"\u00dcber die Guanyls\u00e4ure aus der Pankreasdr\u00fcse","type":"Journal Article","volume":"53"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:54:36.940825+00:00"}