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{"created":"2022-01-31T13:14:58.646179+00:00","id":"lit1871","links":{},"metadata":{"alternative":"Archiv f\u00fcr Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medicin","contributors":[{"name":"Helmholtz, Hermann von","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Archiv f\u00fcr Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medicin: 199-216","fulltext":[{"file":"p0199.txt","language":"de","ocr_de":"199\nMessungen \u00fcber Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Reizung in den Nerven.\nVon\nH. Helmholtz.\nZweite Reihe.\n(Hiezu Taf. VH.)\nLcli habe in der ersten Reihe*) meiner Untersuchungen \u00fcber die Zeitverh\u00e4ltnisse der Muskel- und Nerventh\u00e4tigkeit durch die electromagnetische Zeitmessungsmethode nachgewiesen, dass die mechanischen Wirkungen der Muskeln in Folge einer Ner-venreizung sp\u00e4ter eintreten, wenn die Reizung ein l\u00e4ngeres St\u00fcck des Nerven zu durchlaufen hat, ehe sie zum Muskel hingelangt. Die genannte Methode bietet allerdings die besten Garantien dar, wo es sich um sichere Ausf\u00fchrung genauer Messungen handelt, hat aber den grossen Nachtheil, das angef\u00fchrte Resultat nur durch ausgedehnte und m\u00fchsame Reihen von Versuchen heraustreten zu lassen, welche wegen ihrer langen Dauer auch eine besonders g\u00fcnstige Beschaffenheit des Froschpr\u00e4parats verlangen. Die andere graphische Zeitmessungsmethode, deren Anwendung in jener Abhandlung ebenfalls schon erw\u00e4hnt ist, und deren Wesen darin besteht, dass der Muskel w\u00e4hrend der Zuckung die Gr\u00f6ssen seiner Verk\u00fcrzung auf einer bewegten Fl\u00e4che aufzeichnet, liess dagegen eine viel einfachere und leichter auszuf\u00fchrende Nachweisung der Fortpflanzungszeit in den Nerven hoffen, und da mir dies wichtig genug erschien, unternahm ich es die Sache in dieser\n*) Archiv 1850. S. \"27G.","page":199},{"file":"p0200.txt","language":"de","ocr_de":"200\nWeise durchzuf\u00fchren, und hatte einen vollkommen g\u00fcnstigen Erfolg.\nDie Art, wie die Versuche anzustellen sind, habe ich schon in der vorigen Abhandlung, a. a. O. S.358, kurz angedeutet. Ein Stift, der durch den zuckenden Muskel gehoben wird, zeichnet auf einer mit gleichf\u00f6rmiger Geschwindigkeit bewegten Fl\u00e4che eine Curve, deren verticale Coordinaten den Verk\u00fcrzungen des Muskels, deren horizontale der Zeit proportional sind. Als Anfangspunkt dieser Curve wollen wir denjenigen ihrer Punkte festsetzen, welcher dem Augenblicke der Reizung des Muskels oder seines Nerven entspricht. Lassen wir nun zwei Curven nacheinander zeichnen, und sorgen wir daf\u00fcr, dass zur Zeit der Reizung der Zeichenstift immer genau dieselbe Stelle auf der Fl\u00e4che einnimmt, so werden beide Curven denselben Anfangspunkt haben, und es wird sich aus der Congruenz oder Nichtcongruenz ihrer einzelnen Theile beobachten lassen, ob die verschiedenen Stadien der mechanischen Wirkung des Muskels in beiden F\u00e4llen gleich oder ungleich sp\u00e4t nach der Reizung eingetreten sind.\nDen Apparat, welchen ich zu diesen Versuchen gebraucht habe, theile ich f\u00fcr die Beschreibung in drei Theile, deren jeder ziemlich unabh\u00e4ngig vom andern ist. Diese sind:\n1.\tDie Verbindungsst\u00fccke des zeichnenden Stiftes mit dem Muskel.\n2.\tDas Uhrwerk, welches den Zeichencylinder in gleich-rn\u00e4ssige Umdrehung versetzt.\n3.\tDie Vorrichtung zur rechtzeitigen Ausl\u00f6sung des elec-trischen Schlages, welcher den Nerven durchf\u00e4hrt.\nEin Durchschnitt des Apparats ist in Fig. 1 dargestellt, die Figuren 2 u. 3 stellen einzelne Theile desselben dar.\nIch habe zu diesen Versuchen wiederum den Wadenmuskel des Frosches mit dem dazu geh\u00f6rigen Il\u00fcftnerven gebraucht. Der Muskel wurde in demselben von Glasw\u00e4nden eingeschlossenen und mit Feuchtigkeit ges\u00e4ttigtem Raume aufgeh\u00e4ngt, wie bei den fr\u00fcheren Versuchen *). Sein Nerv wurde ebenfalls\n*) S. Archiv IS50. S. 286 und Abbildung Xaf, VIII. Fig. 1 u. 2.","page":200},{"file":"p0201.txt","language":"de","ocr_de":"201\nwieder \u00fcber die vier dort befindlichen Dr\u00e4hte gel egt, durchweiche es m\u00f6glich war, bald der einen, bald der andern Nervenstelle von aussen her einen electrischen Schlag zuzusenden. In unserer Fig. 1 sind von den Theilen des fr\u00fcheren Apparats abgebildet : das Brett BB, die S\u00e4ule CD, welche mit einer anderen ihr gleichen die Glasglocke tr\u00e4gt, in welcher der Muskel aufgeh\u00e4ngt ist, der Haken e und der viereckige Rahmen f, Alles entsprechend den gleichnamigen Theilen der Taf. VIII. Fig. 1 d. Jahrg. 1850.\nDer Zweck des Apparats fordert, dass die zeichnende Spitze nur verticale Bewegungen machen k\u00f6nne, in horizontaler Richtung aber unverr\u00fcckbar sei. Das h\u00e4tte ich dadurch erreichen k\u00f6nnen, dass ich sie an einem Schlitten befestigte. Wenn ein solcher aber sicher gehen soll, bietet er stets eine ziemlich betr\u00e4chtliche Reibung dar, und es schien mir rathsam, diese so viel wie m\u00f6glich zu beseitigen, weil ihre Gr\u00f6sse zu ver\u00e4nderlich ist, und st\u00f6rende Unregelm\u00e4ssigkeiten in der Bewegung der Spitze h\u00e4tte hervorbringen k\u00f6nnen. Ich habe deshalb vorgezogen, die letztere an .einem zusammengesetzten Hebel zu befestigen. Zwei S\u00e4ulen EF, von denen nur eine in der Zeichnung sichtbar ist, tragen den bei F um eine horizontale Axe beweglichen Hebel FG. Bei G ist an diesem, wiederum um eine horizontale Axe drehbar, der Hebel GH befestigt, welcher mittelst der Klemmschraube d die zeichnende Spitze tr\u00e4gt. Da beide Hebel um horizontale Axen drehbar sind, k\u00f6nnen sich ihre Theile und so auch die zeichnende Spitze h nur in Verti-calebenen auf und nieder bewegen. Um alle seitliche Schwankungen der Drehungsaxen m\u00f6glichst zu verhindern, geschieht die Drehung in Spitzen, und diesen ist eine ziemlich grosse Entfernung von einander gegeben. Der gr\u00f6ssere Hebel F G ist in Fig. 2 von oben gesehen dargestellt. FF sind die K\u00f6pfe der ihn tragenden S\u00e4ulen; sie sind von Stahlschrauben, welche in Spitzen auslaufen und durch Gegenmuttern festgestellt werden k\u00f6nnen, durchbohrt. Die Spitzen greifen in kegelf\u00f6rmige Vertiefungen des Hebels ein. Auf dieselbe Weise ist bei GG die Axe des kleineren Hebels in dem gr\u00f6sseren befestigt. Durch die Mitte des Hebels G F bei a geht eine Stahlschraube, deren untere Spitze in einer kegelf\u00f6rmigen Vertiefung des","page":201},{"file":"p0202.txt","language":"de","ocr_de":"Rahmens /' ruht. Letzterer wird durch zwei in einander greifende H\u00e4kchen, deren oberstes in die Achillessehne eingehakt ist, vom Muskel getragen. Wenn sich dieser zusammenzieht, hebt er also den Hebel GF, und mit ihm die zeichnende Spitze. Der Druck, mit dem sich diese gegen den kreisenden Cylinder legt, kann durch das Gewichtchen c regulirt werden, welches an dem horizontalen Querarme bb verschiebbar ist. Je n\u00e4her es dem Hebel GH steht, desto weniger, je weiter, desto st\u00e4rker dr\u00fcckt es die Spitze an.\nDiese Befestigungsweise der zeichnenden Spitze entspricht sehr vollst\u00e4ndig den Erfordernissen des Versuchs. Da die Ber\u00fchrungsfl\u00e4che der reibenden Theile sehr klein ist, und sie sich nur wenig gegen einander verschieben, so ist die Reibung an den Befestigungsstellen sehr gering, und kann selbst kleiner, als die der zeichnenden Spitze werden. Allerdings ist bei dieser Befestigungsweise die verticale Erhebung des Zeichenstifts nicht ganz genau proportional den Verk\u00fcrzungen des Muskels, aber das kommt bei unseren jetzigen Versuchen nicht in Betracht.\u2019 Dagegen haben wir den Vortheil, dass in der Zeichnung die verticalen H\u00f6hen auf das Doppelte vergr\u00f6ssert erscheinen.\nDen zweiten Tlieil des Apparats bildet das Uhrwerk, welches den Zeichencylinder in eine Umdrehung mit gleichf\u00f6rmiger Geschwindigkeit versetzen soll. Diese Aufgabe streng zu l\u00f6sen, ist der praktischen Mechanik bisher noch nicht gelungen. So vollkommen man die Uhrwerke mit springendem Gange herzustellen weiss, so wenig ist das bei denen der Fall, welche sich ununterbrochen gleichf\u00f6rmig drehen sollen. Das Kegelpendel, welches man gew\u00f6hnlich als Regulator des Ganges gebraucht, l\u00e4sst sich allerdings so herstellen, dass die Dauer seiner ganzen Umlaufszeit mit der gr\u00f6ssten Regelm\u00e4ssigkeit ihren constanten Werth beh\u00e4lt. Man braucht es nur so schwer zu machen, dass es bei der Drehung durch das Uhrwerk nur sehr kleine Kreise um die Verticallinie beschreibt. Aber leider l\u00e4sst sich die Gleichf\u00f6rmigkeit der Bewegung innerhalb eines jeden einzelnen Umlaufes durch kein Mittel gew\u00e4hrleisten. Das Pendel kann n\u00e4mlich je nach der Gr\u00f6sse und Richtung des","page":202},{"file":"p0203.txt","language":"de","ocr_de":"203\nersten Anstosses bald Kreise, bald Ellipsen um die Verticale beschreiben, und wenn dies letztere der Fall ist, so dreht es sich, und mit ihm das ganze Uhrwerk, schneller in den Punkten der Bahn, wo es der Verticale n\u00e4her, als in denen, wo es ihr ferner ist. Da sich die Drehungsgeschwindigkeiten an verschiedenen Punkten der Bahn umgekehrt verhalten, wie die Quadrate der Abst\u00e4nde von der Verticale, so k\u00f6nnen jene schon bei geringen Graden der Ellipticit\u00e4t sehr verschieden sein. Verhalten sich z. B. die Axen der Ellipse zu einander wie 7 zu 5, so wird die Drehungsgeschwindigkeit an den End punkten der kleinen Axe fast doppelt so gross sein, als an denen der grossen. Wo nun, wie im Kymographion, ein Umgang des Zeichencylinders vielen Umg\u00e4ngen des Pendels entspricht, wird eine kleine periodische Ab- und Zunahme der Drehungsgeschwindigkeit des Cylinders nicht sehr st\u00f6ren. Bei unseren Versuchen treten aber strengere Anforderungen ein. Der Cylinder in dem zu beschreibenden Apparate macht 6 Umdrehungen in der Sekunde. Bei einem elliptisch schwingenden Kegelpendel von einer Sekunde Umlauf w\u00fcrden also die ganzen Umlaufszeiten des Cylinders abwechselnd gr\u00f6sser und kleiner werden. Unsere Versuche bedingen aber, dass die Drehungsgeschwindigkeit des Cylinders nicht um Vioo ihres ganzen Werthes variire. Ein solcher Fehler w\u00fcrde bei einer elliptischen Bahn des Pendels entstehen, wo die grosse zur kleinen Axe sich wie 201 zu 200 verh\u00e4lt. So kleine Abweichungen von der Kreisform k\u00f6nnen wir beim Kegelpendel weder erkennen noch verhindern. Allerdings muss der vereinigte Einfluss der Reibung und des Gewichts ein elliptisch schwingendes Pendel allm\u00e4lig in eine Kreisbahn \u00fcberf\u00fchren, falls das R\u00e4derwerk und die Befestigungsweise des Pendels nicht an einer Stelle seiner Bahn regelm\u00e4ssig wiederkehrende Ungleichm\u00e4ssigkeiten darbietet. Das letztere scheint aber kaum zu vermeiden, besonders bei der gew\u00f6hnlichen Aufh\u00e4ngung des Pendels auf zwei senkrecht gegen einander gestellten Schneiden. Hier m\u00fcssten namentlich die Drehungsmomente und die Reibung f\u00fcr die Drehung des Pendels um beide","page":203},{"file":"p0204.txt","language":"de","ocr_de":"204\nSchneiden gleich sein. Das erstere w\u00fcrde sich wohl durch besondere H\u00fclfsmittel erreichen lassen, das Letztere kaum.\nBei dieser Lage der Sachen m\u00f6chte es misslich mit unserem Versuche ausgesehen haben, wenn nicht gl\u00fccklicherweise die Zeitdauer, w\u00e4hrend welcher wir die Umdrehungsgeschwindigkeit von genau bestimmter Gr\u00f6sse brauchen, sehr klein w\u00e4re, >/,->/, Sekunde. Wenn also auch die Drehungsgeschwindigkeit des Uhrwerks langsame Schwankungen ihrer Gr\u00f6sse zeigt, so brauchen wir das nicht zu f\u00fcrchten, falls wir nur die Zeitpunkte erkennen k\u00f6nnen, wo sie genau den geforderten Werth hat. Ich habe deshalb das Kegelpendel als Regulator des Uhrwerks aufgegeben, es aber in abge\u00e4nderter Form bei-belialten, als Mittel, die Gr\u00f6sse der Umdrehungsgeschwindigkeit zu erkennen. Ausserdem habe ich das Uhrwerk so eingerichtet, dass die Schwankungen seines Ganges nur sehr langsam vor sich gehen k\u00f6nnen. Um den letzteren Zweck zu erreichen, ist an der Axe ik Fig. 1, welche den Zeichencylin-der J tr\u00e4gt, eine schwere, mit Blei ausgegossene Schwungscheibe befestigt, von einem Pfunde Gewicht. Bei dem grossen Beharrungsverm\u00f6gen dieser Scheibe \u00e4ndert sich die Geschwindigkeit ihrer Drehung nur sehr langsam, wenn die treibenden Kr\u00e4fte des Uhrwerks etwas gr\u00f6sser oder kleiner werden. Von den Pfannenlagern der Axe ik befindet sich das obere zwischen Zeichencylinder und Schwungscheibe in einem starken Messingbalken, von dem in der Zeichnung Fig. 1 nur der Querschnitt uu erscheint. Unten endet die Axe in der Spitze k, welche in einer kegelf\u00f6rmigen Vertiefung des oberen Endes der Schraube v ruht. An der unteren Seite der Schwungscheibe K sind zwei Fl\u00fcgel mm angebracht, welche in einer kreisf\u00f6rmigen zum Theil mit Oel gef\u00fcllten Rinne LMML laufen. Die Fl\u00fcgel k\u00f6nnen um eine-senkrechte Axe gedreht werden, welche durch die Schwungscheibe hindurchgeht, und oberhalb bei n mittelst eines besonderen Schl\u00fcssels gestellt werden kann. Die Rinne LMML kann h\u00f6her und niedriger gestellt werden; im Mittelpunkte der Scheibe n\u00e4mlich, welche ihren Boden bildet, ist die Schraubenmutter oo angebracht, welche auf den \u00e4usserlieh der R\u00f6hre NN eingeschnittenen","page":204},{"file":"p0205.txt","language":"de","ocr_de":"Schraubeng\u00e4ngen l\u00e4uft. Durch die verschiedene Stellung der Fl\u00fcgel m und der Rinne kann der Widerstand, welchen das Oel der Bewegung der Fl\u00fcgel entgegensetzt, und dadurch auch die Geschwindigkeit des Uhrwerks innerhalb ziemlich weiter Grenzen beliebig ge\u00e4ndert und regulirt werden. Ich habe die in Oel laufenden Fl\u00fcgel den sonst als Hemmung gebr\u00e4uchlichen Windfl\u00fcgeln vorgezogen, weil sie bei viel kleineren Dimensionen dasselbe leisten.\nDie Axe ik tr\u00e4gt an ihrem unteren Ende das Getriebe l von 12 Z\u00e4hnen, in welche das Rad 0 von 48 Z\u00e4hnen eingreift,. In der nach unten verl\u00e4ngerten Axe dieses Rades ist eine horizontale Queraxe r angebracht, an welcher die Schwungkugeln AA h\u00e4ngen. Letztere bilden das Kegelpendel, welches zur Messung der Geschwindigkeit dienen soll. Sie h\u00e4ngen, w\u00e4hrend der Apparat ruht, neben einander herab; wird er aber in Bewegung gesetzt, und erreicht eine gewisse Geschwindigkeit, so entfernen sie sich von einander, und zwar desto mehr, je schneller er sich dreht. Wir k\u00f6nnen ann\u00e4hernd voraussetzen, dass die ganze Masse der Kugeln in ihrem Schwerpunkte con-centrirt sei, dass also eine jede in ihrer Bewegung einem einfachen Pendel entspreche, dessen L\u00e4nge l gleich der Entfernung ihres Schwerpunktes vom Aufh\u00e4ngungspunkte w\u00e4re. Nennen wir ferner die Schwerkraft g, die Umdrehungszeit t, und \u00ab den Winkel, welchen die Verbindungslinien der Kugel-centra und ihres Aufh\u00e4ngungspuuktes mit der Verticale machen, so ist\n in 2 1 oos a\ner\n\u00f6\nBei ruhigem Herabh\u00e4ngen der Kugeln ist der Winkel \u00ab gleich 40 50. Aus der Formel ergiebt sich, dass wenn sich die Kugeln bei 1 ys maliger Umdrehung in der Sekunde von einander l\u00f6sen sollen, die L\u00e4nge des einfachen Pendels l gleich 111 Millimetern sein muss. Die entsprechende Entfernung der Kugelmittelpunkte vom Aufh\u00e4ngungspunkt wurde dem ungef\u00e4hr gleich gemacht, und dann mittelst der Schraubenmuttern ss so lange abge\u00e4ndert, bis das Uhrwerk, wenn es bei sehr geringer Entfernung der Kugeln von einander ging, die verlangte Anzahl","page":205},{"file":"p0206.txt","language":"de","ocr_de":"206\nvon Rotationen machte. Dazu mussten die Kugeln um einige Millimeter gesenkt werden.\nEs ergiebt sich ferner aus obiger Formel, dass wenn die Drehungsgeschwindigkeit nur um '/vm ihres Werthes diejenige \u00fcbertrifft, bei welcher sich die Kugeln von einander l\u00f6sen, der Winkel \u00ab auf 7\u00b0 26' wachsen muss, so dass schon die Kugeln mehr Distanz zwischen sich lassen, als die L\u00e4nge ihres Halbmessers betr\u00e4gt. W\u00e4hlt man nun zur Anstellung der Versuche solche Zeitr\u00e4ume, wo die Kugeln weniger als ihren Halbmesser Distanz zwischen sich lassen, so ist man sicher, dass die Drehungsgeschwindigkeit bei den verschiedenen Versuchen nicht um ]/400 ihres Werthes variirt hat.\nDer \u00fcbrige Theil des Uhrwerks, welcher nicht mitgezeichnet ist, enth\u00e4lt nur noch ein R\u00e4derwerk zur Vervielfachung der Bewegung und das treibende Gewicht. Obgleich das R\u00e4derwerk sehr gut und genau gearbeitet ist, und alle Umst\u00e4nde, welche einen gleichf\u00f6rmigen Gang sichern k\u00f6nnen, ber\u00fccksichtigt wurden, schwankt die Geschwindigkeit des Ganges fortdauernd langsam auf und nieder, und zwar um etwa yso des ganzen Werthes, wie man aus den Bewegungen der Kugeln schliessen kann.\nDer Zeichencylinder befindet sich auf dem oberen Theile der Axe ik. Er ist von dem hiesigen Mechanikus Herrn Re-koss, der auch die \u00fcbrigen Theile des Apparats gebaut hat, \u00e4usserst genau cylindrisch aus Glas geschliffen worden. Ein passend abgeschnittenes St\u00fcck aus einem dicken, nahe cylin-drischen Champagnerglase wurde in die Metallfassung eingesetzt, welche sp\u00e4ter den Cylinder halten sollte, mittelst dieser auf der Axe ik befestigt, so auf die Drehbank gesetzt, geschliffen und polirt. Dadurch wurde eine Cylinderfl\u00e4che erhalten, welche ohne das geringste Schwanken sich auf ihrer Axe dreht,\nDie Fassung besteht aus zwei Messingscheiben xx und yij, welche die Grundfl\u00e4chen des Cylinders bilden, und in der Mitte durch ein r\u00f6hrenf\u00f6rmiges St\u00fcck vereinigt sind. In die R\u00f6hre passt die Axe ik genau hinein. Ein Vorsprung in ihrem Inneren entspricht dem Ausschnitt der letzteren, den man am","page":206},{"file":"p0207.txt","language":"de","ocr_de":"oberen Ende sieht, und verhindert die Drehung um die Axe. Mittelst der Schraubenmutter i, deren unteres scheibenf\u00f6rmiges Ende zwischen die beiden Platten xx und lt eingeschlossen ist, kann der Cylinder fest gegen die Axe angezogen werden. Um ihn mit Kuss anlaufen zu lassen, l\u00f6st man die Schraube i, nimmt ihn ab, und befestigt ihn auf einer \u00e4hnlich geformten Axe, welche sich zwischen den Armen einer Gabel dreht. Indem man ihn dort.mit der Hand in Rotation versetzt, h\u00e4lt man ihn \u00fcber eine Lichtflamme und l\u00e4sst ihn ganz d\u00fcnn mit Russ anlaufen. Wenn die Russschicht zu dick ist, werden die Striche in ihr zu breit. Nachher \u00fcbertr\u00e4gt man ihn wieder auf die Axe ik, indem man ihn nur bei dem Knopfe i anfasst, um den Russ\u00fcberzug nicht zu verwischen.\nDer Theil des Apparates, welcher dazu dient die electri-schen Schl\u00e4ge rechtzeitig auszul\u00f6sen, ist theilweise in Fig. 1 sichtbar, und ausserdem von oben gesehen mit dem anstossen-den Theile des Randes der Schwungscheibe K in Fig. 3 dargestellt worden. Er ruht auf einem Messingkreuz, dessen l\u00e4ngeres St\u00fcck (RR Fig.3) an den Enden mit Ringen und Klemmschrauben versehen, von den S\u00e4ulen CD getragen, und an diesen auf- und abgeschoben werden kann. Das k\u00fcrzere Kreuzst\u00fcck QQ Fig. 1 dient nur dazu die Schrauben \u00ab, und \u00ab2 aufzunehmen. Auf den l\u00e4ngeren Schenkeln des Kreuzes sind vertical hervortretende St\u00fccke qo befestigt; diese sind in ihrem oberen Theile von Schrauben yy durchbohrt, zwischen deren Spitzen sich das Brettchen PP dreht. In Fig. 1 ist mit y der Punkt der Durchschnittsfl\u00e4che bezeichnet, welcher der Dre-liungsaxe angeh\u00f6rt. Durch die Schrauben \u00ab, und \u00ab2 wird der Spielraum der Drehung so weit als zul\u00e4ssig ist, beschr\u00e4nkt. Auf der oberen Seite des Brettchens PP nehmen zwei senkrechte Metallplatten die in Spitzen drehbare Axe\n#2 zwischen sich. Am Ende .9, derselben, welches der Schwungscheibe K zugewendet ist, befindet sich ein senkrecht stehender Hebelarm, dessen oberes Ende u sich zu dem oberen Rande der Scheibe K hin\u00fcberbiegt, und von einem Vorsprunge z dieses Randes getroffen werden kann, wenn das entsprechende Ende des Brettchens P sich bis zur Kuppe der","page":207},{"file":"p0208.txt","language":"de","ocr_de":"Schraube n, gesenkt hat. Wird dagegen das hintere Ende des Brettchens bis zur Ber\u00fchrung der Schraube n2 herabgedr\u00fcckt, so geht der Daumen z an dem Hebel u vorbei, ohne ihn zu ber\u00fchren. Eine Feder \u00df\u00df zwischen dem Querst\u00fcck des Kreuzes QQ und dem Brettchen P strebt die erste jener Stellungen herbeizuf\u00fchren. In der Axe 9, '>2 befinden sich zwei Draht-klemmen z und l. Die letztere enth\u00e4lt einen Kupferdraht, dessen amalgamirtes Ende in das Quecksilbern\u00e4pfchen 7j eingetaucht, die andere x dagegen enth\u00e4lt eben solchen Draht, dessen Spitze aus Platina besteht, und auf dem Platinapl\u00e4ttchen f ruht. Letzteres steht unterhalb des Brettchens mit der Drahtklemme f, und durch den darin befestigten Draht mit dem Quecksilbern\u00e4pfchen \u00e2 in leitender Verbindung. Die Axe 9, 9hat in der hier gezeichneten Stellung ein geringes Ueber-gewicht nach der Seite der Dr\u00e4the y.'i und Iij, und deshalb st\u00fctzt sich die Platinaspitze des ersteren mit gelindem Drucke auf das Pl\u00e4ttchen f. So lange dies geschieht, sind demnach die N\u00e4pfe 3 und r, leitend verbunden, so wie aber der Daumen z gegen den Hebel \u00ab st\u00f6sst, wird, die Leitung bei f unterbrochen. Durch die N\u00e4pfe 3 und r\\ hindurch wird der Strom eines Daniell\u2019schen Elements geleitet, in dessen Kreis gleichzeitig eine Drahtspirale No. 1 eingeschaltet ist. Diese liegt in einer zweiten solchen Spirale No. 2, deren Enden mit dem Nerven in Verbindung gesetzt sind. In dem Moment also, wo der Daumen * gegen den Hebel fj, st\u00f6sst, wird der Strom in No. 1 unterbrochen, und dadurch in No. 2 ein inducirter Strom erregt, welcher den Nerven durchf\u00e4hrt. Dass zwischen dem Moment der Unterbrechung des inducirenden und der Entwickelung des inducirten Stromes keine messbare Zeit vergeht, habe ich nachgewiesen in einer Abhandlung: \u201e\u00fcber die Dauer und den Verlauf der durch Stromesschwankungen inducirten electrisclien Str\u00f6me (Poggen-dorffs Ann. Bd.83. S.505). Der Moment des Stosses f\u00e4llt also mit dem Moment der Nervenreizung zusammen. Es ist ferner klar, dass bei unver\u00e4nderter Stellung des Zeichenstiftes dieser bei Ausf\u00fchrung einer zweiten Zeichnung im Augenblicke des Stosses, also auch der Reizung, genau dieselbe Stelle des Cy-","page":208},{"file":"p0209.txt","language":"de","ocr_de":"209\nlinders ber\u00fchren wird, wie das erste Mal, dass also auf dem Cylinder der Anfangspunkt der zweiten Zeichnung genau mit dem Anfangspunkte der ersten zusammenfallen wird.\nDer Faden, welcher von d \u00fcber den cylindrischen Querbalken g nach 7i hingespannt ist, dient dazu den -Zeichenstift so lange von dem Cylinder entfernt zu halten, bis die Zeichnung ausgef\u00fchrt werden soll. Sein unteres Ende ist um den runden Stahlstab herurngelegt, so dass es sich bei Drehungen des letzteren entweder auf- oder abwickelt. Zwei Klemmschrauben v und n halten den Stab in seiner Lage. Man wik-kelt den Faden gerade so weit auf, dass sich dieZeichenspitze vom Cylinder entfernt, wenn sich das Ende P2 des Brettchens senkt, sich dagegen anlegt, wenn sich P, senkt.\nDie Axe \u00bb,&2 muss so viel Reibung haben, dass bei den Bewegungen des Brettchens P,P2 kein Klirren zwischen den Platinatheilen der Unterbrechungsstelle eintreten kann; denn die kleinste und k\u00fcrzeste L\u00f6sung ihrer Ber\u00fchrung w\u00fcrde sogleich eine Zuckung zur Folge haben. Die Reibung kann durch Anziehen der Schraube bei 02 regulirt werden, auf deren Spitze die Axe hier sich dreht. Um das Brettchen m\u00f6glichst sanft fallen zu lassen, sind die oberen Enden der Schrauben k, und a2 mit Leder \u00fcberzogen. Da der Daumen z den Hebel fi wohl mitunter noch, w\u00e4hrend das Brettchen f\u00e4llt, ergreifen k\u00f6nnte, muss gesorgt werden, dass dies nur bei derselben Stellung der Scheibe K geschieht, bei der es nach vollendetem Falle geschehen w\u00fcrde. Zu dem Ende muss die Stossfl\u00e4che des Hebels bei /i eine auf der Axe yy senkrechte Ebene bilden, und die des Daumens muss solche Gestalt haben, dass sich entweder diese ganze Fl\u00e4che auf einmal anlegt, oder doch keiner ihrer Theile eher als die Spitze. Sind diese Bedingungen erf\u00fcllt, so kommt es nicht darauf an, welche Lage das Brettchen zur Zeit des Stosses hat.\nDie Versuche werden in folgender Weise ausgef\u00fchrt. Zun\u00e4chst bezeichnet man den Punkt des Cylinders, welcher dem Augenblicke der Reizung entspricht. Zu dem Ende l\u00e4sst man den Zeichenstift sich an den Cylinder anlegen, und dreht die Schwungscheibe ganz langsam, bis ihr Daumen den Hebel fi\nMuller's Archiv. 1852.\t14","page":209},{"file":"p0210.txt","language":"de","ocr_de":"210\nber\u00fchrt. So lange hat der Stift eine horizontale Linie gezeichnet; in dem Augenblicke der Ber\u00fchrung aber l\u00f6st sich der inducirte Strom aus, der Muskel zuckt und dieser Zuckung entspricht auf dem Cylinder eine einfache Verticallinie, vorausgesetzt, dass man den Cylinder langsam genug verschiebt, um seine Stellung w\u00e4hrend der Dauer der Zuckung nicht merklich zu ver\u00e4ndern. Es ist klar, dass diese Verticallinie an der Stelle gezeichnet wird, wo der Stift in dem Augenblicke des Zusammenstosses von Hebel und Daumen, d. h. im Augenblicke der Reizung steht.\nDer Hebel /u, welcher durch das Anstossen des Daumens aus seiner verticalen Stellung etwas entfernt worden ist, wird in diese zur\u00fcckgef\u00fchrt, so dass sich der inducirende Strom wiederum schliesst. Die Enden der inducirten Spirale No. 2 verbindet man mit dem Ende des Nerven, von welchem zun\u00e4chst die Reizung ausgehen soll. Den Knopf \u00a3 dr\u00fcckt man herunter, um den Zeichenstift vom Cylinder zu entfernen, und den Hebel jtt vor der Ber\u00fchrung des Daumens zu sch\u00fctzen, und l\u00e4sst dann das Uhrwerk sich in Bewegung setzen. Sobald man bemerkt, dass die Schwungkugeln sich zu trennen anfangen, kann die Zeichnung ausgef\u00fchrt werden. Zu dem Ende l\u00e4sst man das Brettchen P, P2 sich senken, wobei sich auch der Zeichenstift anlegt. Nun geht der Daumen nicht mehr an dem Hebel vor\u00fcber, sondern trifft ihn, wirft ihn um und bewirkt dadurch die Zuckung, deren Verlauf auf dem Cylinder sich aufzeichnet. Gleich nachher entfernt man den Zeichenstift vom Cylinder, indem man den Knopf f wieder herabdr\u00fcckt, und h\u00e4lt das Uhrwerk an, nat\u00fcrlich nicht pl\u00f6tzlich, weil sonst die heftig bewegte Schwungscheibe die Axen zerbrechen w\u00fcrde, sondern langsam, z. B. durch Andr\u00fccken des Fingers gegen den cylindrischen Umfang der Scheibe. Man findet nun auf dem Cylinder die erste Curve gezeichnet. Ich pflegte mit einer Staarnadel zwei gekr\u00fcmmte, sie ber\u00fchrende H\u00e4kchen in die Russschicht einzuzeichnen, um sie sp\u00e4ter sicher von der zweiten noch erst auszuf\u00fchrenden Curve unterscheiden zu k\u00f6nnen. Und zwar setzte ich diese H\u00e4kchen so an den auf- und absteigenden Theil der ersten Curve, dass sie von der zweiten","page":210},{"file":"p0211.txt","language":"de","ocr_de":"211\nabgewendet standen. Hatte icb also zuerst das dem Muskel entferntere Nervenst\u00fcck gereizt, so setzte ich die H\u00e4kchen an die R\u00fcckseite, wie in Fig. 7, hatte ich das n\u00e4here gereizt, an die Vorderseite der gezogenen Linie, wie in Fig. 6.\nUm die zweite Curve zu zeichnen bringt man das andere Nervenst\u00fcck in die Leitung des inducirten Stroms, stellt den Hebel fi wieder vertical und verf\u00e4hrt ganz wie vorher. Je schneller man die betreffenden Handgriffe ausf\u00fchren lernt, desto sicherer ist man, das zweite Mal die Reizbarkeit des Muskels nicht merklich ver\u00e4ndert zu linden, was f\u00fcr das Gelingen des Versuchs eine wesentliche Bedingung ist.\nDie so angefertigten Zeichnungen kann man aufbewahren. Zu dem Ende befestigt man den Cylinder wieder in der Gabel, auf der man ihn angerusst hat, und rollt ihn auf einer angehauchten Fischleimplatte ab von der Art, wie sie die Kupferstecher zum Copiren der Zeichnungen gebrauchen. Durch das Anhauchen wird die Leimplatte etwas klebrig und h\u00e4lt den Russ des Cylinders fest, so dass sich die Zeichnung von der cylindrischen auf die ebene Fl\u00e4che ab wickelt. Das Leimblatt kann man mit der berussten Seite gegen ein nasses weisses Papier legen, wo es anklebt. Die Curven erscheinen dann weiss auf schwarzem Grunde, und sind sehr deutlich sichtbar.\nDie Curven haben im Allgemeinen die Gestalt, welche ich schon in der zur ersten Abhandlung geh\u00f6rigen Tafel Fig. 3 dargestellt habe. Wenn ich die Hebel, welche den Zeichenstift tragen, durch m\u00f6glichst zarte Einstellung der Spitzen, um welche sie sich drehen, sehr leicht beweglich machte, erschien auch derselbe h\u00e4ufige Wechsel convexer und concaver Stellen, wie au jener abgebildeten Curve, bedingt, wie man sich entsinnen wird, durch die senkrechten Schwankungen, welche die angeh\u00e4ngten Metallmassen unter dem Einfl\u00fcsse der Elasticit\u00e4t des Muskels vollf\u00fchren. Bei den Versuchen, wo die Curven zur Darstellung der Fortpflanzungszeit im Nerven gebraucht werden sollten, zog ich es aber vor, die Schrauben, um welche die Hebel sich drehen, etwas fester zu ziehen, um mich gegen kleine seitliche Schwankungen der Zeichenspitze m\u00f6glichst sicher zu stellen. Dadurch wurde die Reibung an den\n14*","page":211},{"file":"p0212.txt","language":"de","ocr_de":"212\nAxen gr\u00f6sser, und die Wechsel von Convexit\u00e4ten und Con-cavit\u00e4ten demgem\u00e4ss seltner, weil die Schwankungen des Gewichts durch die st\u00e4rkere Reibung schneller vernichtet wurden.\nEhe wir die Curven gebrauchen, um daraus Schl\u00fcsse auf die Fortpflanzungszeit in den Nerven zu machen, ist es n\u00f6thig die Ver\u00e4nderungen zu kennen, welche durch die allm\u00e4lige Abnahme der Reizbarkeit des Pr\u00e4parats an ihnen hervorgebracht werden. Vergleicht man Curven, welche derselbe Muskel bei Reizung derselben Nervenstelle hinter einander gezeichnet hat, so findet man anfangs nur eine geringe Abnahme der H\u00f6he der Zuckung, es werden s\u00e4mmtliche verticale Ordi-naten proportional verringert, w\u00e4hrend L\u00e4nge und Gestalt der Curve unver\u00e4ndert bleiben. Erst in den sp\u00e4teren Stadien der abnehmenden Reizbarkeit wird auch die Dauer der Zusammenziehung ge\u00e4ndert, und zwar, was man vielleicht nicht ver-muthet haben m\u00f6chte, sie wird nicht k\u00fcrzer sondern l\u00e4nger. In Fig. 4 sind zwei solche Curven copirt, und passend auf einander gelegt. Die horizontale Abscissenaxe ab entspricht in dieser und den folgenden Figuren der Linie, welche der Muskel ohne Zuckung gezeichnet haben w\u00fcrde; die senkrechte ac bezeichnet den Zeitpunkt der Nervenreizung. Die verticalen H\u00f6hen der Originalzeichnung sind der Deutlichkeit wegen verdoppelt worden, betragen also das Vierfache der wirklichen Zusammenziehung des Muskels. Auf der Abscissenaxe bezeichnet ah die L\u00e4nge des Cylinderumfangs, und entspricht einem Zeitwerthe von \u2019/6 Sekunde. Die Theile zwischen h und b fallen deshalb in den Originalen wieder mit dem Anfang der Zeichnung zusammen. Die ausgezogene Curve der Fig. 4 war die erste einer l\u00e4ngeren Reihe, welche einer der angewandten Muskeln gezeichnet hatte, die punctirte dagegen die letzte. Wir bemerken zun\u00e4chst, dass die h\u00f6chste Erhebung der ersten Curve bei ft, gr\u00f6sser ist, als die der zweiten bei k, ; ferner, dass das Maximum k,l sp\u00e4ter nach der Reizung eingetreten ist als ft,. Noch aulfallender wird der Unterschied beider Curven beim Sinken ; die zweite n\u00e4hert sich der Abscissenaxe viel langsamer als die erste. W\u00e4hrend die Einbiegung der ersten bei m, sich fast an die Abscissenaxe anschliesst; in anderen","page":212},{"file":"p0213.txt","language":"de","ocr_de":"213\nF\u00e4llen sogar unter sie hinabsinkt, bleibt die entsprechende der zweiten bei m2 ziemlich hoch dar\u00fcber. Ebenso liegt auch das ganze hintere Ende der ersten Curve unter der zweiten, bis sich endlich beide bei fortgesetzter Zeichnung asymptotisch der Abscissenaxe anschliessen w\u00fcrden. Je weiter die Reizbarkeit sinkt, desto mehr verschwindet die Einbiegung bei m-2, desto langsamer und gleichm\u00e4ssiger sinkt die Curve von ihrem Gipfelpunkte ab. Schliesslich bemerke ich noch, dass diese Ver\u00e4nderungen in allen F\u00e4llen,\" wo ich eine gr\u00f6ssere Reihe von Versuchen mit demselben Muskel ausf\u00fchrte, in ganz \u00e4hnlicher Weise eingetreten sind, wie in dem abgebildeten Beispiele.\nWir entnehmen aus dem eben Gesagten eine Vorsichtsmaassregel. Gesetzt, wir h\u00e4tten zuerst die Eintrittsstelle des Nerven gereizt, und es w\u00e4re die ausgezogene erste Curve der Fig. 4 gezeichnet worden, dann h\u00e4tten wir eine weiter vom Muskel entfernte Nervenstelle gereizt, und es w\u00e4re eine Linie \u00e4hnlich der punktirten Curve entstanden, so w\u00fcrden wir nicht wissen, ob die Versp\u00e4tung der zweiten Curve gegen die erste von der l\u00e4ngeren Fortpflanzungszeit im Nerven oder von der verminderten Reizbarkeit herr\u00fchrt. Wir m\u00fcssen also bei unseren Versuchen entweder stets die entferntere Stelle des Nerven zuerst reizen, so dass die Fortpflanzungs-Differenz in den Nerven und die Aenderung der Reizbarkeit in entgegengesetztem Sinne einwirken, oder besser nach einander mehrere Cur-venpaare zeichnen lassen, bei denen abwechselnd die Reizung der n\u00e4heren und der ferneren Nervenstelle vorangeht.\nSind die thierischen Theile recht kr\u00e4ftig und frisch, so ist die Gestalt der Doppelcurven ganz gleich, bei welcher Nervenstelle man auch mit der Reizung beginnen mag. Jede Zeichnung besteht dann aus zwei Curven von congruenter Gestalt, die in horizontaler Richtung um ein gewisses St\u00fcck gegen einander verschoben sind, wie in Fig. 5, und zwar so, dass diejenige Curve, welche bei Reizung der n\u00e4heren Nervenstelle gezeichnet worden ist, auch dem Zeitpunkte der Reizung n\u00e4her liegt als die andere. In Fig. 5. entspricht die Curve adefg der Reizung der n\u00e4heren, u\u00f6ttpy der ferneren Nervenstelle. Die Bedeutung der \u00fcbrigen Buchstaben und die","page":213},{"file":"p0214.txt","language":"de","ocr_de":"214\nGr\u00f6ssenverh\u00e4ltnisse sind in dieser und den folgenden Figuren ganz wie in Fig. 4. Beide Curven haben genau gleiche H\u00f6hen, L\u00e4ngen, kurz genau congruente Gestalt, und unterscheiden sich nur dadurch, dass alle Theile der einen um ein gleiches Zeittheilchen sp\u00e4ter ausgef\u00fchrt worden sind, als die entsprechenden Theile der andern.\nHat man es mit thierischen Pr\u00e4paraten zu thun, deren Reizbarkeit von einer Zuckung zur folgenden sich merklich verringert, so werden die beiden Curven nicht mehr ganz genau congruent. Im Anfang besteht diese Aenderung, wie ich angef\u00fchrt habe, nur darin, dass die senkrechten Ordinaten kleiner werden, ohne dass sich die horizontalen verl\u00e4ngern. Wird nun zuerst die n\u00e4here Nervenstelle gereizt, also die Curve adefy Fig. 5 zuerst gezeichnet, dann die zweite a\u00e4eipy, und sind deren s\u00e4mmtliche Ordinaten etwas kleiner geworden, so entfernt sich dadurch das St\u00fcck \u00e2 von d, und <p von f, w\u00e4hrend sich c dem e n\u00e4hert. Es bekommt dann die Doppelcurve das Ansehn von Fig. 6, worin die H\u00e4kchen bei d, e und f die zuerst gezeichnete Curve bezeichnen. F\u00e4ngt man dagegen mit der Reizung der entfernteren Stelle an, so senkt sich d zu 4, und f zu <p, w\u00e4hrend sich e von e entfernt, wie in Fig. 7. Die H\u00e4kchen bei 4, e und <p bezeichnen hier durch ihre Stellung die Curve der entfernteren Nervenstelle als die erstgezeichnete. L\u00e4sst man also eine Reihe von Doppelcurven zeichnen, w\u00e4hrend man die Reihenfolge der beiden Nervenstellen in Bezug auf die Reizung stets wechselt, so bekommt man Zeichnungen, welche abwechselnd der Fig. 6 und 7 \u00e4hnlich sehen. Sinkt die Reizbarkeit noch weiter, so dass sich die Curven auch immer mehr zu verl\u00e4ngern anfangen, so werden die Abweichungen ihrer Gestalt meist zu bedeutend, als dass es noch lohnte, Doppelcurven zeichnen zu lassen.\nWenn wir die Doppelcurve Fig. 5 betrachten, so geht aus ihr hervor, dass die beiden in ihr verzeichneten Muskelzuckungen in Bezug auf St\u00e4rke, Dauer und Verlauf der einzelnen Stadien der Zusammenziehung ganz gleich gewesen sind. Nur ist die eine sp\u00e4ter nach der Reizung eingetreten als die andere. Da nun in beiden F\u00e4llen die Einrichtung des Apparats und","page":214},{"file":"p0215.txt","language":"de","ocr_de":"die mechanischen Kr\u00e4fte des Muskels ganz dieselben gewesen sind, so kann die Versp\u00e4tung der Wirkung in dem einen Falle nur von der l\u00e4ngeren Fortpflanzung im Nerven herger\u00fchrt haben. Ganz dasselbe sehen wir in den Curven Fig. 6 und 7. Obgleich hier die Abnahme der Reizbarkeit merklich wird, ist deren Einfluss doch noch nicht im Stande den Zeitunterschied, welcher von der Fortpflanzung im Nerven herr\u00fchrt, zu verdecken, es sind auch hier noch alle Stadien der Zuckung bei Reizung der entfernteren Stelle sp\u00e4ter eingetreten, als bei der der n\u00e4heren. Ein besonderes Interesse bieten namentlich die der Fig. 7 \u00e4hnlichen Curven, weil sie nachweisen, dass auch in solchen F\u00e4llen die Zuckung von der entfernteren Stelle aus sp\u00e4ter eintritt, als die von der n\u00e4heren, wo sie bei einem h\u00f6heren Grade von Reizbarkeit ausgef\u00fchrt ist, als die letztere. Es wird dadurch der Einwand widerlegt, dass die Abweichung der Curven in Fig. 5 auch nur wie die in Fig. 4 von einer Verschiedenheit der Reizbarkeit herr\u00fchren m\u00f6chte, indem vielleicht die entferntere Nervenstelle stets weniger reizbar sei als die n\u00e4here. In Fig. 7 hat gerade die Zuckung, welche von der entfernteren Stelle aus erregt ist, eine gr\u00f6ssere H\u00f6he (s. den Gipfel bei k), entspricht also einem h\u00f6heren Grade der Reizbarkeit, und doch beh\u00e4lt der Unterschied in der Lage beider Curven denselben Sinn.\nDer grosse Vortheil der beschriebenen Methode besteht darin, dass man in jeder einzelnen Zeichnung zweier zusammengeh\u00f6rigen Curven unmittelbar aus ihrer Gestalt erkennen kann, ob der Muskel in beiden F\u00e4llen gleichm\u00e4ssig gearbeitet habe, w\u00e4hrend wir dasselbe bei der electromagnetischen Zeitmessungsmethode nur aus einer langen Reihe von Einzelversuchen entnehmen konnten. Was den absoluten Werth der Fortpflanzungsgeschwindigkeit betrifft, so lassen sich die horizontalen Abst\u00e4nde der beiden Curven nicht mit sehr grosser Genauigkeit messen; doch finden sich die Werthe jener Geschwindigkeit ungef\u00e4hr ebenso gross, wie nach der fr\u00fcheren Methode. In Fig. 5 z. B. ist der horizontale Abstand ungef\u00e4hr lmm, die L\u00e4nge des Cylinderumfangs, entsprechend \u2019/6 Sekunde, ist 85,7mm, also die Abscissenl\u00e4nge f\u00fcr 1 Sekunde 514,2mm","page":215},{"file":"p0216.txt","language":"de","ocr_de":"216\nDie L\u00e4nge von lmm entspricht also \u2018/5142 Sekunde. Die L\u00e4nge der Nervenleitung war 53mm; daraus folgt die Fortpflanzungsgeschwindigkeit von 27,25 Metern in der Sekunde. Der wahrscheinlichste Werth aus den fr\u00fcheren Versuchen war 26,4 Meter.\nAm Schl\u00fcsse meiner fr\u00fcheren Abhandlung habe ich durch die electro-magnetische Messungsmethode die Ver\u00e4nderungen der Zuckungsdauer und der Fortpflanzungszeit der Reizung untersucht, welche eintreten, wenn man den Nerven auf Eis legt, und habe gefunden, dass beide Zeitgr\u00f6ssen dabei betr\u00e4chtlich zunehmen. Dasselbe l\u00e4sst sich leicht durch die zeichnende Methode nach weisen. Die Zuckungscurven behalten dieselbe verticale H\u00f6he, welche sie hatten, ehe der Nerv auf Eis lag, bekommen aber eine viel gr\u00f6ssere horizontale Ausdehnung. Ohne besondere neue Einrichtungen des Apparats kann man allerdings die Temperaturunterschiede nicht so constant machen, dass Doppelcurven von \u00fcbereinstimmender Gestalt erhalten werden k\u00f6nnten. Der Zeitunterschied f\u00fcr die Fortleitung im Nerven wird aber gleichzeitig so vergr\u00f6ssert, dass die beiden Curven trotz ihres Mangels an Congruenz doch immer im richtigen Sinne von einander ab weichen.\nBerichtigungen zu der fr\u00fcheren Abhandlung im Jahrgang 1850.\nS. 281. Z. 8. v. o. statt Fig. 4. lies \u201eFig. 3\u201c.\nS. 303 in der Tabelle unter Versuch No. 5. Differenz der Ausschl\u00e4ge statt 0,99 lies 93,90\u201c.\nS. 305. in der Tabelle unter Versuch No. 8. Differenz der Ausschl\u00e4ge statt 85,1 lies \u201e65,1\u201c.","page":216},{"file":"z0007tablevii.txt","language":"de","ocr_de":"Mu\u00dft* Jrr/ffi\u25a0\n|\nj\n\u00df\nj\tif!\n\t\nII (I; (1115\t\tly\ni[o]i iii 1\t\t\n\t|j( -w\th?9\n\t\t","page":0}],"identifier":"lit1871","issued":"1852","language":"de","pages":"199-216","startpages":"199","title":"Messungen \u00fcber Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Reizung in den Nerven","type":"Journal Article"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:14:58.646185+00:00"}