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{"created":"2022-01-31T13:56:06.791167+00:00","id":"lit18721","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Ascoli, A.","role":"author"},{"name":"B. Neppi","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 56: 135-149","fulltext":[{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Specificit\u00e4t der Glutinase.\nVon\nPrivatdozenten Dr. A. Ascoli und Dr. B. Neppi.\n(Aus dem serotherapeutischen Institute in Mailand.)\n(Der Redaktion zugegangen am 11. Mai 1U08.)\nDie streng spezifische Auffassung der Wirkungsweise der Fermente ist in neuester Zeit derartig ersch\u00fcttert worden, da\u00df vor kurzem der eine von uns1) mit Nachdruck die Notwendigkeit betonte, unsere Anschauungen \u00fcber die Spezifizit\u00e4t der Enzyme, vom Standpunkte der Lehre von der Reaktionsbeschleunigung durch Fremdstoffe aus, einer Sichtung und Richtigstellung zu unterziehen. Es ist n\u00e4mlich eine unbestrittene Tatsache, da\u00df die kolloidalen Katalysatoren nicht nur oberfl\u00e4chliche Analogien mit den Enzymen aufweisen, vielmehr durch ihre Modelleigenschaften als anorganische Fermente\u00ab) uns das Verst\u00e4ndnis und das Studium der komplizierteren eigentlichen Fermente wesentlich erleichtern. Es soll ja damit nur eine \u00dcbereinstimmung in den wesentlichsten Z\u00fcgen angestrebt und ein Einblick in die allzu empirische Fermentlehre erm\u00f6glicht werden, wobei freilich in den Einzelheiten noch gar manche un\u00fcberbr\u00fcckte Kluft bestehen d\u00fcrfte. Aber gerade die j\u00fcngsten stereochemischen Ans\u00e4tze3) in der Lehre von der Katalyse geben uns einen Wink daf\u00fcr, da\u00df die vermuteten Gegens\u00e4tze bei einem tieferen Studium sich als unhaltbar erweisen d\u00fcrften.\n') Ascoli, Concetto odicrno di ferment\u00ab. Rassegna di bacterio-opo c sieroterapia. Anno III, fase. 6\u20148 Juni-August 1907, Seite 20 und folg.\n*) Bredig, Die Elemente der chemischen Kinetik mit besonderer Ber\u00fccksichtigung der Katalyse und der Fermentwirkungen. Ergebnisse der Physiologie, Bd. I, S. 134, 1902.\n\u2019) Predig u. Fajans, Zur Stereochemie der Katalyse. Bcrl. Ber., J- 41, Nr. 4, S. 752.\n10*","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"136\tA. Ascoli und B. Neppi,\nNamentlich aber eine Eigenart der Enzyme, ihre spezifische Wirkung, ist es, welche zu ihrer Sonderstellung als spezifische Katalysatoren gef\u00fchrt hat, und gerade der Begriff der Specificit\u00e4t scheint dem Gebiete der Fermentlehre ein besonderes Gepr\u00e4ge zu verleihen. Demgegen\u00fcber mu\u00df hervorgehoben werden, da\u00df die Fermentwirkungen nicht immer streng spezifisch sind, da ein und dasselbe Enzym verschiedene Reaktionen auszul\u00f6sen vermag, wie das Emulsin, welches Arbutin, Helicin, Salicin, Phloridzin, Coniferin und Aeskulin zu spalten vermag,1) oder die Laccase, welche eine ganze Reihe mehrwertiger Phenole oxydiert ,2) oder Pepsin und Trypsin, welche verschiedene Polypeptide3) angreifen. Immerhin ist die M\u00f6glichkeit nicht von der Hand zu weisen, da\u00df in den chemisch nicht n\u00e4her bekannten Extrakten, die wir Emulsin, Laccase oder Trypsin nennen, ebensoviele Fermente Vorkommen m\u00f6gen, als sie Ferment Wirkungen auszul\u00f6sen verm\u00f6gen. Der Grund f\u00fcr die in dieser Frage herrschende Unsicherheit liegt eben in der Mangelhaftigkeit unserer Kenntnisse \u00fcber die chemische Zusammensetzung der Fermente, weil die zu ihrer Charakterisierung angestellten Untersuchungen insgesamt als nicht einwandfrei sieh erwiesen haben, sondern bei einer strengen Kritik4) mit zahlreichen und unkontrollierbaren Fehlerquellen behaftet erscheinen. Mit Recht betont deshalb Emil Fischer,5 6) da\u00df die L\u00f6sung der Frage nach der chemischen Natur der Fermente erst durch deren Synthese m\u00f6glich sein wird. Bis\nl) Oppenheimer, Die Fermente und ihre Wirkungen. Leipzig 1903.\n*) Bertrand, Sur les rapports qui existent entre la constitution chimique des compos\u00e9s organiques et leur oxydabilit\u00e9 sous l\u2019influence de la laccase. Compt. rend., t. 122, 1896.\n3) Fischer u. Ber gell, \u00dcber die Derivate einiger Dipeptide und\nihr Verhalten gegen Pankreasfermente. Berl. Ber., Bd. XXXVI, S. 2592. Spaltung einiger Dipeptide durch Pankreasferment. Berl. Ber., Bd. XXXVII. S. 3103. Siehe auch Abderhalden, Diese Zeitschrift, Bd. XLVI.\n*) Ascoli, Dissertazione di libera docenza. Milano, Tipo-litografia Ceriani e Cesana 1907, pag. 65.\n6) Fischer, Die Chemie der Proteine und ihre Beziehungen zur Biologie. Sitzungsberichte der K. preu\u00df. Akad. der Wissensch., 24. Januar 1907.","page":136},{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Specificit\u00e4t der Glutinase.\t137\ndahin werden wir aber in keiner Weise ausschlie\u00dfen k\u00f6nnen, da\u00df in der L\u00f6sung, die wir auf Grund ihrer Wirkungsweise mit einem bestimmten Namen belegen, neben der aktiven Substanz anderweitige fremde K\u00f6rper sich vorfinden. Ebensowenig darf aber auch auf die Abwesenheit eines Fermentes dort geschlossen werden, wo dessen Wirkung ausbleibt, weil letztere irgendwie maskiert oder gehemmt sein kann, wie dies z. B. Hafner1 *) beim Invertin beobachtete, welches durch Ammoniak leicht vergiftet werden kann und bei der einfachen Dialyse sich schnell wieder erholt.\nMit diesen Fehlerquellen sind aber leider auch die Untersuchungen behaftet, auf Grund welcher bestimmten Fermenten eine strenge Specificit\u00e4t zuerkannt wurde.\nEinen gl\u00e4nzenden Beleg daf\u00fcr bieten uns die sch\u00f6nen Untersuchungen von Pawlow und Parastschuk*) \u00fcber Pepsin und Labferraent, durch welche bewiesen wurd\u00e8, da\u00df die von Hammarsten3) auf chemischem Wege bewerkstelligte Trennung der beiden Fermente auf einer T\u00e4uschung beruht, insofern mit der Methode von Hammarsten blo\u00df eine Maskierung oder Hemmung einer der beiden Fermentwirkungen erzielt wurde: sobald n\u00e4mlich durch Ans\u00e4uern oder Dialyse die hemmenden Faktoren beseitigt waren, gelang es, sowohl die labende als die proteolytische Wirkung mit der erforderlichen Proportionalit\u00e4t in allen jenen Pr\u00e4paraten nachzuweisen, die als labfreies-Pepsin oder umgekehrt als pepsinfreies Lab angesprochen wurden.\nEs soll damit selbstverst\u00e4ndlich <Jer Begriff der Specificit\u00e4t blo\u00df innerhalb seiner nat\u00fcrlichen Grenzen verwiesen werden und nur davor gewarnt sein, k\u00fcnstliche Laboratoriumsprodukte als spezifisch anzusprechen, ohne vorher den Einflu\u00df der zu ihrer Darstellung verwendeten Reagenzien genau ausprobiert zu\n\u2019) Hafner, Einige Beitr\u00e4ge zur Kenntnis des Invertins der Hefe. Diese Zeitschrift, Bd. XLII, S. 27.\n*) Pawlow u. Parastschuk, \u00dcber die ein und demselben Eiwei\u00df-fermente zukommende proteolytische und milchkoagulierende Wirkung verschiedener Verdauungss\u00e4fte. Diese Zeitschrift, Bd. XLII, S. 415, 1904.\n3) Hammarsten, Lehrbuch der physiologischen Chemie. Wiesbaden, Bergmann, 1907.","page":137},{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138\nA. Ascoli und B. Neppi,\nhaben; es kann n\u00e4mlich die Specificit\u00e4t dadurch vorget\u00e4uscht sein, da\u00df die Wirkung ein und derselben Substanz verschieden erscheinen kann, weil einfach das Medium, in dem sie sich abspielt, ver\u00e4ndert ist.\nDie oben aufgeworfene Frage, inwiefern ein nat\u00fcrlich vorkommendes Ferment als polyvalent oder als streng spezifisch zu betrachten sei, bleibt also offen. Man kann ebensogut mit Emil Fischer\u00bb) annehmen, da\u00df bei der Spaltung chemisch einander nahestehender K\u00f6rper ein und dasselbe Enzym t\u00e4tig sei, trotzdem gerade die Forschungen Fischers \u00fcber die Beziehungen zwischen stereo-chemischer Konfiguration und Verg\u00e4rbarkeit f\u00fcr eine strenge Specificit\u00e4t der Fermente sprechen; mit demselben Rechte kann man aber auch die Ansicht vertreten, da\u00df f\u00fcr jede Spaltung ein besonderes Enzym vorkommt, ohne da\u00df es bei dem heutigen Stande unserer Kenntnisse m\u00f6glich sei, eine Entscheidung in dieser Frage zu treffen.\nAnders bei den durch chemische Eingriffe k\u00fcnstlich geschaffenen Specificit\u00e4ten, wo der Verdacht berechtigt ist, da\u00df bei der Darstellung unbeachtete Nebenfaktoren eine urspr\u00fcnglich nicht existierende Specificit\u00e4t vorzut\u00e4uschen imstande seien. In diesem Sinne d\u00fcrfte es w\u00fcnschenswert erscheinen, alle chemischen Trennungsmethoden von Fermenten, bei denen die erw\u00e4hnten Fehlerquellen nicht gen\u00fcgend ber\u00fccksichtigt worden sind, einer strengen Nachpr\u00fcfung zu unterwerfen, um derartige Kunstprodukte richtig beurteilen zu k\u00f6nnen.\nIm folgenden wurde der Versuch gemacht, von diesem Gesichtspunkte aus die Frage nach der einheitlichen und spezifischen Natur des Pankreastrypsins wieder aufzuwerfen und in das richtige Geleise zu bringen. Es bietet n\u00e4mlich die Frage, ob die proteolytische Wirkung des Pankreas auf die verschiedenen Eiwei\u00dfk\u00f6rper durch mehrere Fermente oder durch ein einziges polyvalentes ausgel\u00f6st wird, nicht nur ein theoretisches, sondern auch ein praktisches Interesse, insofern es f\u00fcr die Physiopathologie der Verdauung nicht gleichg\u00fcltig sein kann, ob den verschiedenen mit der Nahrung eingef\u00fchrten Eiwei\u00df-\nV Fischer, Bedeutung der Stereochemie f\u00fcr die Physiologie. Diese Zeitschrift. Bd. XXVI.","page":138},{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Specificit\u00e4t der Glutinase.\t139\nk\u00f6rpern eine ganze Reihe von Fermenten entsprechen, wie man auf Grund des klassischen Vergleiches Emil Fischers von Schlo\u00df und Schl\u00fcssel und der gl\u00e4nzenden beim Studium der Verg\u00e4rbarkeit von Polysacchariden und Polypeptiden erzielten Resultate a priori anzunehmen berechtigt w\u00e4re. Die vielfach angestellten Versuche, um aus dem Pankreas Fermente zu gewinnen, die ihre Wirkung blo\u00df gegen\u00fcber bestimmten Eiwei\u00dfk\u00f6rpern zu entfalten imstande w\u00e4ren, wurden aber nur in einzelnen F\u00e4llen von Erfolg gekr\u00f6nt. Mithin ist es erkl\u00e4rlich, da\u00df Mays,1) trotz zahlreicher Untersuchungen, in der Frage, ob f\u00fcr die ereptische Wirkung der Pankreasextrakte ein Erepsin gefordert werden m\u00fcsse, keine definitive Entscheidung zu treffen sich getraut. Ebenso berechtigt erscheinen uns auch die Zweifel, welche Sachs2) bez\u00fcglich der Berechtigung \u00e4u\u00dfert, die Nuclease als ein besonderes Enzym zu betrachten, obwohl er sich schlie\u00dflich f\u00fcr letztere Annahme entscheidet. Derlei Zweifel sind umsomehr angebracht, als ja auch die Ansicht, da\u00df die milchkoagulierende und die proteolytische Wirkung des Pankreas verschiedenen Fermenten angeh\u00f6ren \u2014 erstere der Casease,8) letztere dem Trypsin \u2014, auf Grund der Pawlowschen Versuche4) wohl als widerlegt betrachtet werden kann.\nSpeziell f\u00fcr die Gelatine, welche durch das Fehlen des Tyrosins und des Tryptophans unter ihren Spaltungsprodukten in ihrem chemischen Bau von den gew\u00f6hnlichen Proteinen abweicht, ist die Existenz eines besonderen Fermentes im Pankreas angenommen worden und ist diese sogenannte Glutinase als ein spezifisches, vom Trypsin verschiedenes Enzym in die Hand- und Lehrb\u00fccher5) \u00fcbergegangen.\nVon den Gesichtspunkten ausgehend, die oben eingehend \u00f6rtert wurden, schien es uns w\u00fcnschenswert, dieses besondere\nl) Mays, Beitr\u00e4ge zur Kenntnis der Trypsinwirkung. Diese Zeitschrift, Bd. XLIX.\n*) Sachs, Ist die Nuclease mit dem Trypsin identisch? Dissert., Heidelberg 1905. \u00dcber die Nuclease. Diese Zeitschrift, Bd. XLVI.\n3)\tDuclaux, Trait\u00e9 de microbiologie, Tome II, pag. 622.\n4)\tPawlow u. Parastschuk, I, c., S. 425.\n8) Euler, Allgemeine Chemie der Enzyme. Ergebnisse der Physiologie, Bd. VI, S. 187,1907. Siehe auch das Lehrbuch von Ham mars ten.","page":139},{"file":"p0140.txt","language":"de","ocr_de":"A. Ascoli und B. Neppi,\nim wesentlichen durch seine Widerstandsf\u00e4higkeit gegen S\u00e4uren charakterisierte Enzym n\u00e4her zu studieren, um festzustellen, inwiefern seine Auffassung als spezifisches, vom Trypsin verschiedenes Enzym berechtigt sei.\nDie zur Darstellung der Glutinase >) empfohlene Methode besteht in Zusatz von Normalsalzs\u00e4ure zum Pankreasextrakt und Neutralisierung mit Normalnatronlauge, nachdem die S\u00e4ure je nach der zugesetzten Menge verschieden lange eingewirkt hatte. Durch diese Behandlung soll der Pankreasauszug sein Verdauungsverm\u00f6gen f\u00fcr Pferdeserum und Eiklar einb\u00fc\u00dfen, w\u00e4hrend die verdauende Wirkung auf die Gelatine in geringerem Ma\u00dfe geschw\u00e4cht wird und deutlich nachweisbar bleibt. Die Wirkung auf Fibrin ist nicht in allen auf koaguliertes Serum Unwirksamen Pr\u00e4paraten v\u00f6llig geschwunden und es entfaltet die Glutinase auch eine schwache tryptische Wirkung auf Edestin.\nDer Begriff der Specificit\u00e4t erweist sich also bez\u00fcglich der Glutinase als ziemlich elastisch, da der mit S\u00e4ure vorbehandelte Pankreasauszug au\u00dfer der Gelatine auch Fibrin und Edestin in geringerem Grade zu hydrolysieren vermag ; immerhin d\u00fcrfte der Name Glutinase bis zu einem gewissen Punkte durch den Verlust der proteolytischen Wirkung auf das Serumeiwei\u00df und Eiklar gerechtfertigt sein.\nWenn sich aber dieser Verlust als ein blo\u00df scheinbarer erweist und es gelingt, das Verdauungsverm\u00f6gen f\u00fcr letztere Eiwei\u00dfk\u00f6rper mittels einfacher Eingriffe, \u00e4hnlich den von Paw-low bei seinen sch\u00f6nen Untersuchungen \u00fcber das Labferment verwendeten, wiederherzustellen, so d\u00fcrfte kein Grund mehr vorliegen, die Glutinase als ein spezifisches vom Trypsin verschiedenes Ferment anzusprechen. Inwieweit es uns gegl\u00fcckt ist, die \u00dcnhaltbarkeit der Glutinase nachzuweisen, sollen die unten mitgeteilten Versuche lehren.\nDie Darstellung der Glutinase nach dem erw\u00e4hnten Verfahren bereitete uns anf\u00e4nglich einige Schwierigkeiten, weil Pollak keine allgemein g\u00fcltigen Angaben \u00fcber die Menge und Einwirkungszeit der S\u00e4ure macht, sondern r\u00e4t, in jedem beson-\n*) Pollak, Zur Frage der einheitlichen und spezifischen Natur des Pankreastrypsins. Beitr\u00e4ge z. chem. Physiol, und Pathol., Bd. VI, S. 95.","page":140},{"file":"p0141.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Specificit\u00e4t der GIutina.se.\t141\nderen Falle die geeignetsten Werte f\u00fcr S\u00e4uremenge und Einwirkungszeit erst auszuprobieren. ')\nZur Isolierung der Glutinase gingen wir in unseren ersten Versuchen immer von Trypsin \u00abGr\u00fcbler\u00bb aus, um ein auch von Pol la k benutztes Pr\u00e4parat zu verwenden, wobei wir das vom Verfasser empfohlene Verfahren genau einhielten: wir nahmen davon Abstand, die andere von Pollak vorgeschlagene Methode anzuwenden, weil sie noch weniger sicher zum Ziele zu f\u00fchren scheint. Sp\u00e4ter verwendeten wir mit gleich gutem Resultate Pankreasausz\u00fcge, die durch Extraktion des fein zerriebenen Organs mittels schwach anges\u00e4uerten Wassers bereitet wurden.\nDa in der Arbeit von Pollak2) genauere Angaben \u00fcber das Verhalten der Trypsinl\u00f6sung gegen\u00fcber den zur Bereitung der Glutinase verwendeten Reagenzien fehlen, so m\u00f6gen einige Bemerkungen dar\u00fcber hier eingeschaltet werden. Der Zusatz von Salzs\u00e4ure zur Trypsinl\u00f6sung ruft einen reichlichen Niederschlag hervor, \u00fcber dem eine milchige tr\u00fcbe Fl\u00fcssigkeit steht, die schwer zu filtrieren ist; sobald aber die S\u00e4ure mittels Lauge auch nur teilweise abgestumpft wird, setzt sich der Niederschlag gut ab und die dar\u00fcberstehende Fl\u00fcssigkeit kl\u00e4rt sich und l\u00e4\u00dft \u25a0ich leicht abfiltrieren. Bevor die ganze, der verwendeten Normal-salzs\u00e4ure entsprechende Normallauge zugesetzt worden, reagiert zu einem bestimmten Zeitpunkte die Fl\u00fcssigkeit gegen\u00fcber .Methylorange neutral, w\u00e4hrend sie bei der Pr\u00fcfung mit Lackmus saure Reaktion zeigt; um neutrale Reaktion gegen Lackmus zu erhalten, ist weiterer Zusatz von Natronlauge erforderlich, lueses verschiedene Verhalten gegen\u00fcber den beiden Indikatoren wird von Pollak nicht erw\u00e4hnt, sondern er pflegte stets mit der entsprechenden Menge Normalnatronlauge zur\u00fcckzutitrieren. Vielleicht hat aber gerade die Vernachl\u00e4ssigung dieser Details nicht wenig dazu beigetragen, die Angaben Poliaks so unsicher und seine Resultate so wechselnd zu gestalten. Tats\u00e4chlich scheiterten unsere ersten auf die Darstellung der Glutinase gerichteten Versuche, weil wir diesen Faktor nicht gen\u00fcgend be-\n*i Pollak, 1. c., S. 100.\n*) Pollak, 1. c., S. 99.","page":141},{"file":"p0142.txt","language":"de","ocr_de":"142\nA. Ascoli und B. Neppi,\nr\u00fccksichtigten : ebenso wie es Pollak oft passierte, da\u00df ihm die Vernichtung der proteolytischen Wirkung auf die anderen Eiwei\u00dfk\u00f6rper mi\u00dflang, in analoger Weise wollte es auch uns nicht gl\u00fccken, eine Glutinase darzustellen, solange wir Alkali bis zur Neutralisierung gegen\u00fcber Lackmus hinzuf\u00fcgten.\nSobald wir aber, durch geeignete Versuche aufmerksam gemacht, die Neutralisierung in dem Zeitpunkte abzubrechen begannen, in welchem die Fl\u00fcssigkeit gegen Methylorange neutral reagierte, gelang es uns fast regelm\u00e4\u00dfig, eine blo\u00df f\u00fcr die Gelatine wirksame L\u00f6sung, also die sogenannte Glutinase darzustellen, gleichg\u00fcltig ob wir von Trypsin Gr\u00fcbler oder von unseren Pankreasextrakten ausgingen, mit denen wir hierauf die Mehrzahl unserer Versuche anstellten.\nDie Darstellung der Glutinase gestaltete sich demnach etwa folgenderma\u00dfen.\nZu 100 ccm Pankreasextrakt oder Trypsinl\u00f6sung werden 50 ccm Normalsalzs\u00e4ure hinzugef\u00fcgt, die man ungef\u00e4hr 36 Stunden einwirken l\u00e4\u00dft; daraufhin wird die L\u00f6sung mit Normalnatronlauge versetzt, bis sie gegen Methylorange neutral reagiert, Wozu gew\u00f6hnlich 46\u201447 ccm Normallauge gen\u00fcgen. Man filtriert vom entstandenen Niederschlage und erh\u00e4lt so eine leicht gelbliche klare Fl\u00fcssigkeit, die keine proteolytische Wirkung, weder auf Pferdeserum noch auf Eiklar und Fibrin besitzt, Gelatine hingegen leicht zu l\u00f6sen vermag.\nZur Bestimmung des Verdauungsverm\u00f6gens wurde die Methode von Mett verwendet, welche zu vergleichenden Bestimmungen, deren viele notwendig sind, besonders geeignet erscheint. Die Gelatinel\u00f6sungen waren 10\u00b0/oig und waren anf\u00e4nglich mit Methylviolett, sp\u00e4ter durchwegs mit Karmin gef\u00e4rbt, weil letzteres sich nicht l\u00f6st und daher das Abmessen der verdauten S\u00e4ule von der unverdauten besser gestattet. Die Verdauung von Eiwei\u00df, Fibrin und Milch ging im Brutschrank, jene der Gelatine bei Zimmertemperatur zwischen 15\u201420\u00b0 vor sich. Die Resultate wurden in der Regel nach 16 Stunden abgelesen. Die Verdauungsl\u00f6sungen wurden stets auf dasselbe Volumen gebracht. Um eine etwaige l\u00f6sende Wirkung der Salze auf die Gelatine nicht zu \u00fcbersehen, wurden Parallelproben mit denselben Verdauungsl\u00f6sungen angestellt, nachdem letztere vorher zum Sieden gebracht worden waren.\nIn der folgenden Tabelle (Tab. I) sind einige Ergebnisse zusammengestellt, die bei Einwirkung von Trypsin einerseits und von der entsprechenden, nach der oben mitgeteilten Methode dargestellten Glutinase anderseits auf die verschiedenen","page":142},{"file":"p0143.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Specificit\u00e4t der Glutinase.\t143\nEiwei\u00dfarten erzielt wurden. Die angef\u00fchrten Zahlen sind Mittelwerte mehrerer Bestimmungen; au\u00dfer den von P\u00f6llak herangezogenen Eiwei\u00dfsorten wurde von uns auch die verdauende Wirkung der beiden L\u00f6sungen gegen\u00fcber der Milch nach der Methode von Bierry und Henri1) studiert.\nTabelle I.\nWirkung Xr. von\tAuf Pferde- serum mm\tAuf ' Eiklar mm\tAuf Fibrin\tAuf Milch\tAuf Ge- latine mm\nTrypsin 1\t7\t\u2014\tkomplette Verdauung\t' komplette Verdauung\t15\nGlutinase !\t0\t\u2014\tkeine\t*\tpartielle /\t*\t10\nTrypsin\t4\t\u2014\tkomplette\t\u00bb.\tkomplette\t\u00bb\t8\n\" Glutinase\t0\t\u2014\tkeine\t\u00bb\tpartielle\t\u00bb\t5\nTrypsin\t7\t\u2014\tkomplette\t>\tkomplette\t\u00bb\t10\nGlutinase\t0\t\u2014\tkeine\t*\tpartielle \u2018\t\u00bb\t8\nTrypsin\t5\t10\t\u2014\tkomplette\t\u00bb\t11\nGlutinase\t0\t0\t\u2014\tpartielle\t\u00bb\t9\nTrypsin i}\t9\t8\t\u2014\tkomplette\t>\t16\nGlutinase\t0\t0\t\u2014\tpartielle\t>\t13\nAus der Tabelle geht hervor, da\u00df das Pankreasextrakt tats\u00e4chlich nach Vorbehandlung mit Salzs\u00e4ure und Neutralisierung in der angegebenen Weise weder Pferdeserum noch Eiklar noch Fibrin mehr zu verdauen vermag, w\u00e4hrend es die Gelatine noch zu l\u00f6sen imtande ist. Sein Verdauungsverm\u00f6gen f\u00fcr Milch ist ebenfalls abgeschw\u00e4cht, da die Glutinase die Eiwei\u00dfk\u00f6rper der Milch nur teilweise anzugreifen vermag. Am Boden der Gef\u00e4\u00dfe, in denen die Verdauung vorgenommen wurde, blieben n\u00e4mlich stets einige Fl\u00f6ckchen unverdauter Substanz zur\u00fcck, wenn auch noch so viel Ferment zugesetzt und die.Einwirkungs-\nl) Bierry und Henri,. Lait r\u00e9activ sensible du suc pancr\u00e9atique. Coinpt. rendus, Soc. biol., Bd. LIV, 1902.","page":143},{"file":"p0144.txt","language":"de","ocr_de":"144\tA. Ascoli und B. Neppi,\n(lauer verl\u00e4ngert wurde; die dar\u00fcberstehende Fl\u00fcssigkeit hingegen wies die f\u00fcr verdaute Milch charakteristische gelblichgr\u00fcne Opalescenz auf.\nEs fragt sich aber nun weiter, ob angesichts der von Pollak und uns erzielten Resultate die Auffassung der Glutinase als eines vom Trypsin verschiedenen und f\u00fcr die Gelatine spezifischen Fermentes gerechtfertigt ist.\nVor allem mag hervorgehoben werden, da\u00df schon Pollak eine proteolytische Wirkung der Glutinase auf das Edestin und manchmal auch auf das Fibrin feststellen konnte, und da\u00df wir ihr Verdauungs verm\u00f6gen f\u00fcr die Milch zwar abzuschw\u00e4chen, aber nicht vollst\u00e4ndig aufzuheben vermochten. Weitere Untersuchungen f\u00fchrten aber zu viel beweiskr\u00e4ftigeren Ergebnissen, welche es au\u00dfer Zweifel setzen, da\u00df man nach dem beschriebenen Verfahren das Trypsin nicht zerst\u00f6rt, sondern dessen Wirkung auf einige Eiwei\u00dfk\u00f6rper blo\u00df hemmt, indem man das Milieu ver\u00e4ndert; es gen\u00fcgt n\u00e4mlich, wie unten n\u00e4her auseinandergesetzt wird, die Reaktion der L\u00f6sung zu ver\u00e4ndern, um die proteolytische Wirkung, welche verschwunden zu sein schien, wiederherzustellen. Durch genaue Titrierung der zugesetzten S\u00e4ure und Natronlauge brachten wir es so weit, da\u00df die Umwandlung von Trypsin in Glutinase und umgekehrt durch abwechselnden Zusatz von Saure und Alkali in bestimmter Menge bewerkstelligt wrerden konnte.\nWie schon erw\u00e4hnt, reagiert n\u00e4mlich unsere Glutinase gegen Methylorange neutral und die Neutralisierung wird schon vor Zusatz der ganzen Alkalimenge erreicht, welche der zur Zerst\u00f6rung der tryptischen Wirkung verwendeten S\u00e4ure entsprechen w\u00fcrde. Sobald nun zu der gegen Methylorange neutral reagierenden L\u00f6sung neues Alkali hinzugef\u00fcgt wurde, so da\u00df neutrale Reaktion gegen\u00fcber Lackmustinktur erreicht wurde \u2014 es reichten gew\u00f6hnlich dazu 3\u20144 ccm Normalalkali auf je 50 ccm Glutinase aus \u2014, kam die Vorher vermi\u00dfte tryptische Wirkung wieder zum Vorschein. Durch Zusatz von so viel Normals\u00e4ure (ca. 3\u20144 ccm auf 50 ccm Glutinase) zu dieser L\u00f6sung, bis neutrale Reaktion gegen\u00fcber Methylorange wiederhergestellt wrar, konnte die tryptische Wirkung wieder zum","page":144},{"file":"p0145.txt","language":"de","ocr_de":"145\n\u00dcber die Specificit\u00e4t der Glutinase.\nVerschwinden gebracht werden, w\u00e4hrend sie bei leicht alkalischer Reaktion gegen\u00fcber Lackmus bestehen blieb.\nIn der folgenden Tabelle (Tab. II) sind die Resultate zusammengestellt, welche erzielt wurden, als wir a) die wahre Glutinase, d. h. die gegen Methylorange neutral reagierende Glutinase r. M., h) die neutrale Reaktion gegen Lackmus aufweisende Glutinase n. L, c) die gegen Lackmus alkalisch reagierende Glutinase und d) die nach voraufgegangener Neutralisierung gegen\u00fcber Lackmus wieder auf neutrale Reaktion gegen\u00fcber Methylorange eingestellte Glutinase n. M, auf Pferdeserum, Eiklar, Fibrin, Milch und Gelatine einwirken lie\u00dfen.\nDie Tabelle zeigt, da\u00df die Glutinasen n. M. und n. M,. d. h. jene, die gegen Methylorange neutral reagierten, nur die Gelatine zu verdauen vermochten und \u00fcberdies ein schwaches Verdauungsverm\u00f6gen f\u00fcr Milch aufwiesen. Sowohl letzteres als auch die proteolytische Wirkung auf Pferdeserum, Eiklar und Fibrin lie\u00dfen sich aber durch einfachen Zusatz von Alkali oder die Dialyse, welche gleichfalls die Acidit\u00e4t der L\u00f6sung herabsetzt, wiederherstelien.\nL\u00e4\u00dft sich jedoch aus der Tatsache, da\u00df unter bestimmten Bedingungen einer L\u00f6sung die proteolytische Wirkung auf einige Eiwei\u00dfk\u00fcrper zu fehlen scheint, w\u00e4hrend sie gegen\u00fcber einem einzigen Eiwei\u00dfk\u00f6rper wirksam bleibt, ohne weiteres der Schlu\u00df ziehen, da\u00df die Trennung eines f\u00fcr letzteren spezifischen Fermentes gegl\u00fcckt ist?\nBei der Leichtigkeit, mit der es gelingt, das proteolytische Verm\u00f6gen wiederherzustellen, darf man sich wohl fragen, ob nicht die Auffassung mehr f\u00fcr sich hat, es handle sich um ein und dasselbe Ferment, welches je nach den Eigenschaften der Proteine, auf die es wirkt, und des Mediums, in dem'es seine T\u00e4tigkeit entfaltet, solche Verschiedenheiten aufweist, da\u00df seine Agnoszierung leicht zu T\u00e4uschungen Veranlassung geben kann.\nEs ist ja bekannt, was i\u00fcr einen immensen Einflu\u00df manchmal der Zusatz kleiner Mengen von S\u00e4uren, Alkalien und Salzen auf Fermentreaktionen aus\u00fcben kann, sowohl in der Richtung einer Aktivierung als in jener einer Hemmung der enzymatischen T\u00e4tigkeit.","page":145},{"file":"p0146.txt","language":"de","ocr_de":"146\tA. Ascoli und B. Neppi,\n\u00c4 * Ci\n\u00a9 f* -IO \u00a9\t\u00a9 Cv \u00a9 *\u25a0* SC \u00a9 O iJ \u00a9 W C O\nO\n\u00a9 c\nO .\u00bb\nO O\nT3 O\n. \u00bb\n*r -o .\no P\nO\n^ 00 \u00a9 \u00a9\n\u00a9 X \u00a9 *\u2014 \u00a9\n\u00a9 CO tC Si to","page":146},{"file":"p0147.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Specificit\u00e4t der Glutinase.\t147\nSo hebt z. B. Bertrand,1) um blo\u00df eine erst vor kurzem mitgeteilte Beobachtung zu erw\u00e4hnen, hervor, da\u00df ganz geringe Unterschiede des S\u00e4uregrades bei Pflanzens\u00e4ften gen\u00fcgen, um das Resultat der auf das Studium ihres Oxydationsverm\u00f6gens gerichteten Untersuchungen zu f\u00e4lschen; deshalb betont auch dieser Forscher die Notwendigkeit, die Reaktion des Mediums, in dem sich die Fermentprozesse abspielen, sorgf\u00e4ltig qualitativ und quantitativ zu studieren, wenn man sich vor Trugschl\u00fcssen h\u00fcten will.\nZur richtigen Deutung der erzielten Resultate ist es wohl rationell, entsprechend der Auffassung der Enzyme als Katalysatoren, zwischen dem spezifischen Hauptfaktor der Katalyse und den die letztere aktivierenden oder paralysierenden Einfl\u00fcssen zu unterscheiden. Der Lehre von der Katalyse gem\u00e4\u00df kann n\u00e4mlich die Beschleunigung eines chemischen Prozesses durch einen Katalysator oder ein Ferment in Gegenwart von bestimmten Substanzen eine Steigerung resp. eine Hemmung erfahren; diese Substanzen, welche als Aktivatoren resp. Para-lysatoren der Enzymwirkungen bezeichnet werden, entfalten\nihre Wirkung durch Verbindung teils mit dem Substrat, teils mit dem Enzym.\nEs geht daraus hervor, da\u00df die Beschleunigung nicht nur vom Katalysator, sondern auch vom Substrat und dem Medium abh\u00e4ngig sein wird, in dem der katalysierte Proze\u00df sich ab-spielt. In der Tat hatten auch neulich Berg und Gries,2) beim Studium des Einflusses der S\u00e4uren auf die peptische und tryp-tische Verdauung verschiedener Eiwei\u00dfk\u00f6rper, Gelegenheit, die Bedeutung der Natur der einzelnen Eiwei\u00dfk\u00f6rper auf den Verruf der Proteolyse hervorzuheben, und gerade f\u00fcr die Gelatine hatte schon vorher Fermi3) eine au\u00dferordentliche Empfindlich-keit gegen\u00fcber der tryptischen Wirkung nachgewiesen.\n\u2018) Bertrand, Recherche sur l'influence paralysante exerc\u00e9e par certains acides sur la laccase. Annales de l\u2019Institut Pasteur, Tome XXI Nr. 9, Sept. 1907.\n*) Berg \u00e4nd Gries, Studies of the effects of ions on catalysis, *'ith particular reference to peptolysis and tryptolysis. Journ. of Biol Cliem., Bd. II, S. 439, 1907.\ns) Fermi, Metodi vecchi e nuovi nella ricerca e nello studio degli enzimi proteolitici. Giorn. d. Reale Soc. di Igiene, Ann. XXVII, Nr. 10\u201412.","page":147},{"file":"p0148.txt","language":"de","ocr_de":"148\nA. Ascoli und B. Neppi,\nDemnach scheint uns folgende Deutung der bez\u00fcglich der Glutinase erhobenen Befunde am einfachsten. In den Pankreasextrakten ist wohl ein einziges f\u00fcr die Proteolyse der verschiedenen Eiwei\u00dfk\u00f6rper spezifisches Enzym vorhanden, n\u00e4mlich das Trypsin; die Salzs\u00e4ure wirkt als Paralysator der proteolytischen Wirkung und diese Hemmung tritt gegen\u00fcber den verschiedenen Eiwei\u00dfk\u00f6rpern in verschiedenem Ma\u00dfe zutage, so da\u00df bei einem bestimmten S\u00e4uregrad die Hemmung f\u00fcr Pferde serum, Eiklar und Fibrin schon vollst\u00e4ndig ist, w\u00e4hrend eine gewisse Wirkung auf Gelatine und Milch erhalten bleibt.\nDa\u00df unsere Deutung tats\u00e4chlich zutrifft, wird durch folgende Versuchsreihe best\u00e4tigt, welche den letzten Ring zur Kette liefert, die den Zyklus der Zerst\u00f6rung und Wiederherstellung der tryptischen Wirkung veranschaulicht. Es gelang uns n\u00e4mlich in der sogenannten Glutinase, d. h. in der gegen Methylorange neutral reagierenden L\u00f6sung auch die Wirkung auf die Gelatine durch Zusatz kleiner S\u00e4uremengen zu hemmen und durch nochmalige Neutralisierung gegen Methylorange wiederherzustellen.\nSo erhielten wir z. B. in einer Versuchsreihe bei der Bestimmung des Verdauungsverm\u00f6gens a) der gegen Methylorange neutralen L\u00f6sung, d. h: der Glutinase, b) der gegen Methylorange sauren L\u00f6sung und c) der gegen Lackmus neutralen L\u00f6sung folgende Werte:\n\tVerdauung der Gelatine\tVerdauung des Pferdeserums\tVerdauung des Eiklars\n\tmm\tmm\tmm\nGegen Methylorange neutrale L\u00f6sung (Glutinase)\t4\t0\t0\nGegen Methylorange saure L\u00f6sung (schwach anges\u00e4uerte Glutinase)\t0\t0\t0\nGegen Lackmus neutrale L\u00f6sung (mit Alkali versetzte Glutinase)\tp* /\t3\t6\nAuf diese Weise ist man demnach in der Lage, das Pankreasextrakt derart zu verwandeln, da\u00df es, je nach der Reaktion, bald als Trypsin bald als Glutinase wirkt und sein Verdauungs-verm\u00f6gen durch einfachen Zusatz von S\u00e4ure oder Alkali einb\u00fc\u00dft und wiedergewinnt.","page":148},{"file":"p0149.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Specificit\u00e4t der Glutinase.\t149\nWenn wir von einer gegen Lackmus neutral oder schwach alkalisch reagierenden L\u00f6sung ausgehen, welche alle verwendeten Eiwei\u00dfk\u00f6rper zu verdauen vermag, k\u00f6nnen wir, durch Zusatz von S\u00e4ure (als Paralysator) bis zur neutralen Reaktion gegen Methylorange, die proteolytische Wirkung auf Pferdeserum, Eiklar oder Fibrin hemmen, w\u00e4hrend das L\u00f6sungsverm\u00f6gen f\u00fcr Gelatine bestehen bleibt und die Wirkung auf Milch blo\u00df abgeschw\u00e4cht wird; bei st\u00e4rkerem Ans\u00e4uern verschwindet auch dieser Rest der proteolytischen Wirkung. Umgekehrt sieht man, wenn man von einer gegen Methylorange sauer reagierenden L\u00f6sung, die keine proteolytische Wirkung entfaltet, ausgeht, bei Neutralisierung gegen\u00fcber diesem Indikator zuerst das L\u00f6sungsverm\u00f6gen f\u00fcr die Gelatine wieder auftreten: und bei weiterem Zusatz von Alkali bis zur neutralen oder schwach alkalischen Reaktion gegen Lackmus erholen sich auch die \u00fcbrigen dem Trypsin zustehenden proteolytischen Wirkungen.\nAus unseren Untersuchungen geht demnach hervor, da\u00df auch in dem vorliegenden Falle Nebenfaktoren, die wohl nicht als spezifisch angesehen werden k\u00f6nnen, eine echte Specificit\u00e4t vorzut\u00e4uschen vermochten. Diese scheinbaren Specificit\u00e4ten werden selbstverst\u00e4ndlich, wie der eine von uns (Aseoli, I. c., Seite 30 resp. 36) schon hervorhob, umso leichter auftreten,\u2019 je gr\u00f6\u00dfer die Zahl der bei der Katalyse mitspielenden Faktoren i>t: bei den Fermentreaktionen sind die denkbar g\u00fcnstigsten Verh\u00e4ltnisse zur Vort\u00e4uschung derartigerSpecilicit\u00e4ten vorhanden, wodurch ihre Klassifizierung zweifellos erschwert wird.\nUnser mehr negativer Standpunkt, welcher k\u00fcnstlich geschaffene Schranken niederrei\u00dft, besteht wohl,auch f\u00fcr andere auf chemischem Wege durchgef\u00fchrte Trennungen von Fermentreaktionen zu Recht.\nW ir d\u00fcrfen die Hoffnung hegen, da\u00df die mitgeteilten Befunde zu einer richtigen Beurteilung jener Specificit\u00e4ten f\u00fchren werden, welche bestimmten, im Laboratorium ohne Ber\u00fccksichtigung des nat\u00fcrlichen Mediums, in dem die katalytisch beeinflu\u00dfte Fermentreaktion sich abspielt, hergestellten Kunst-Produkten zugewiesen wurden.\nHoppe-Soyler\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie. LVI.\t||","page":149}],"identifier":"lit18721","issued":"1908","language":"de","pages":"135-149","startpages":"135","title":"\u00dcber die Specificit\u00e4t der Glutinase","type":"Journal Article","volume":"56"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:56:06.791172+00:00"}