Open Access
{"created":"2022-01-31T15:18:23.946185+00:00","id":"lit18731","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Cohnheim, Otto","role":"author"},{"name":"Georges L. Dreyfus","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 58: 50-83","fulltext":[{"file":"p0050.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Physiologie und Pathologie der Magenverdauung.\nVon\nOtto Cohnheim und Georges L. Dreyfus.\n(Aus dem physiologischen Institut und der medizinischen Klinik in Heidelberg.) (Der Redaktion zugegangen am 2. Oktober 1908.)\nDie Physiologie der Magenverdauung ist bisher im wesentlichen in vier verschiedenen Arten untersucht worden. Einmal hat Pawlow die Sekretion des Magens an Hunden mit Magenfisteln oder am \u00abkleinen Magen\u00bb studiert, zweitens haben Hirsch, v. Mering, Moritz und Pawlow an Duodenalfisteln die Entleerung des Magens beobachtet und die Pylorusreflexe entdeckt. Drittens hat Cannon die Bewegungen des mit wismuthaltiger Nahrung gef\u00fcllten Magens auf den R\u00f6ntgenschirm projiziert, und weiter haben, abgesehen von \u00e4lteren Beobachtungen, Ellenbergerund seine Mitarbeiter, Gr\u00fctzner, Sick,*) Prym2) u. a., den Magen und den Mageninhalt frisch get\u00f6teter Tiere untersucht. Beim Menschen verf\u00fcgt man \u00fcber die Ergebnisse der Ausheberungen mit der Sonde, die mit der letztgenannten Methode verglichen werden k\u00f6nnen. Allen diesen Methoden ist gemeinsam, da\u00df dabei entweder nur die Sekretion oder nur die Motilit\u00e4t bestimmt werden k\u00f6nnen, oder da\u00df man nur einen einzelnen Moment der Magen Verdauung zur Beobachtung bekommt, nicht aber den gesamten, sich \u00fcber Stunden hinziehenden Ablauf. Dagegen gestattet die Methode der Beobachtung an einer hohen Duodenalfistel, wie sie von dem einen von uns und Tob 1er3) ausgebildet und vielfach angewendet\nK. Sick, Deutsch. Arch. f. klin. Med., Bd. LXXXVIII, S. 169 (1906).\n*) O. Prym, ibid., Bd. XC, S.310 (1907) ; M\u00fcnchener mediz. Wochenschrift, 1908, Nr. 2.\n3) L. Tobler, Diese Zeitschrift, Bd. XLV, S. 185 (1905). \u2014 Derselbe, Magenverdauung der Milch, Verh. d. Ges. f. Kinderhe\u00fckunde, Bd. XXIII, 1906 (auch abgedruckt Naturforseherversammlung 1906). \u2014 O. Cohn-heim, M\u00fcnchener mediz. Wochenschr., 1907, 2581.","page":50},{"file":"p0051.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Physiologie und Pathologie der Magenverdauung.\n51\nworden ist, sowohl die Entleerung des Magens direkt zu sehen, als auch den Mageninhalt zu messen und chemisch zu untersuchen und auf diese Weise die Absonderung des Magensaftes und den Grad der Magenverdauung zu bestimmen.\nAls wir daher, einem Vorschl\u00e4ge des Herrn Geheimrat Krehl folgend, darangingen, gemeinsam die Physiologie und Pathologie des Magens zu studieren, haben wir in der Hauptsache an Hunden mit Duodenalfisteln gearbeitet. Die im folgenden mitzuteilenden Resultate liefern den Beweis, da\u00df es mittels dieser Methode in der Tat gelingt, nicht nur die physiologischen Vorg\u00e4nge im Magen vollst\u00e4ndiger als irgendwie sonst zu beobachten. Auch \u00fcber die Pathologie des Magens, die experimentell bisher ja nur ganz vereinzelt in Angriff genommen worden ist, haben sich \u00fcberraschende Aufschl\u00fcsse ergeben. \u2014 Bei einem Teil der Versuche hat uns Herr Dr. Mueller, St. Louis, unterst\u00fctzt, wof\u00fcr wir ihm auch an dieser Stelle unseren verbindlichsten Dank aussprechen.\nBetreffs der Technik verweisen wir auf die schon zitierte erste Abhandlung von Tobler sowie die von Cohnheim. Die Versuche wurden zun\u00e4chst an einer gro\u00dfen H\u00fcndin angestellt, die eine Duodenalfistel etwa 5 cm unterhalb des Pylorus trug. Die Kan\u00fcle war so eingerichtet (vgl. Cohnheim), da\u00df durch ihre Haupt\u00f6ffnung der durch den Pylorus hindurchgespritzte Mageninhalt vollst\u00e4ndig nach au\u00dfen abflo\u00df. Au\u00dferdem verlief in der Kan\u00fclenwand eine d\u00fcnne R\u00f6hre, und an dieser war ein Gummischlauch befestigt, der abw\u00e4rts gerichtet im Lumen des Darmes lag; so war es m\u00f6glich, durch dieselbe Kan\u00fcle Mageninhalt oder Salzs\u00e4ure in den abf\u00fchrenden Schenkel des Duodenums einzuf\u00fchren.*) Wenn immer nur kleine Mengen, wenige Kubikzentimeter, auf einmal eingef\u00fchrt wurden, war es nicht erforderlicfi, abw\u00e4rts von der Kan\u00fcle einen Ballon einzuf\u00fchren, um das Zur\u00fcckflie\u00dfen der Einspritzfl\u00fcssigkeit zu verh\u00fcten. Auch flo\u00df kein Mageninhalt an der Kan\u00fcle vorbei. Wir konnten so den Mageninhalt vollst\u00e4ndig auffangen, aber gleichzeitig flo\u00df aus der Kan\u00fcle die gesamte Galle und minde-\n4) Genaueres vgl. 0. Cohnheim, Zeitschr. f. biolog. Technik und Methodik, 1908.\n4*","page":51},{"file":"p0052.txt","language":"de","ocr_de":"52\nOtto Cohnheim und Georges L. Dreyfus,\nstens ein Teil des Pankreassaftes nach au\u00dfen ab, der sich von dem Mageninhalt in der Regel nicht sondern lie\u00df. Wir haben daher einem weiteren Hunde \u2014 und als dieser einem der ersten Versuche erlag, s. u. \u2014 einem dritten, einem gro\u00dfen Hunde, 2 Kan\u00fclen ins Duodenum eingef\u00fchrt. Von diesen lag die erstere so hoch, da\u00df ihr Rand den Pylorusring ber\u00fchrte; sie diente nur zum Auffangen des Mageninhaltes. Die zweite Kan\u00fcle lag mehrere Zentimeter weiter unterhalb ; sie trug die Einspritzvorrichtung und diente au\u00dferdem dazu, Galle und Pankreassaft aufzufangen. Um eine Entleerung von Pankreassaft und Galle durch die vordere Kan\u00fcle zu verhindern, war es n\u00f6tig, den Hund sich hinsetzen zu lassen, so da\u00df der Hinterk\u00f6rper tiefer stand. Zu bestimmten Versuchen diente ferner ein Hund mit einer einfachen Magenkan\u00fcle im Fundusteil, durch deren \u00d6ffnung ohne jeden Eingriff der Mageninhalt entleert werden konnte. Bestimmungen der Speichelmenge haben wir an einem zu anderen Zwecken operierten Hunde mit \u00d6sophagotomie und Magenfistel nach Pawlow ausgef\u00fchrt. \u00dcber Untersuchungen an Menschen wird von anderer Seite berichtet werden.\nBisher ist mittels der Duodenalfistel die Verdauung von rohem Fleisch (Tobler, Cohnheim), von Brot (Cohnheim) und von Milch (Tobler) untersucht worden. Die Magenverdauung von 100 g fein gehacktem Fleisch erfordert 3 bis 31/* Stunden und \u00fcber 300 ccm Verdauungssekret, wovon der gr\u00f6\u00dfte Teil Magensaft. Die Konzentration des ins Duodenum \u00fcbertretenden Mageninhaltes entspricht ungef\u00e4hr einer Vio-nor-malen Salzs\u00e4ure, also nach der \u00fcblichen klinischen Bezeichnung = 100; freie Salzs\u00e4ure fehlte. Zwei Dritteile des Fleisches sind peptonisiert. Bei Fleisch, das nur in grobe W\u00fcrfel zerschnitten war, dauerte die Verdauung noch etwas l\u00e4nger und erforderte \u00fcber 200 ccm Verdauungssekret f\u00fcr 50 g. Die Verdauung von 21 g Brot dauerte \u00fcber 1 Stunde und erforderte 210 g Sekrete, \u00fcberwiegend Pankreassaft und Galle. Der aus der Fistel sich entleerende Mageninhalt zeigte freie Salzs\u00e4ure. Bei der Magenverdauung von Milch gerinnt die Milch bald im Magen und die Molke l\u00e4uft, nur schwach anges\u00e4uert, schnell durch den Pylorus, die Verdauung des fettreichen K\u00e4se-","page":52},{"file":"p0053.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Physiologie und Pathologie der Magenverdauung.\t53\ngerinnsels zieht sich dagegen schon bei 250 ccm Milch \u00fcber mehr als 5 Stunden hin und erfordert das Mehrfache der getrunkenen Milch an Sekret.\nWir haben, da wir von vornherein den Vergleich mit der menschlichen Verdauung im Auge hatten, unseren Hunden die Probemahlzeit und das Probefr\u00fchst\u00fcck zu fressen gegeben, die zur klinischen Untersuchung der Magenfunktion verwendet werden. Das Probefr\u00fchst\u00fcck f\u00fcr Menschen besteht aus 400 ccm d\u00fcnnem Tee, in den ein VTei\u00dfbr\u00f6tchen, etwa 50 g, gebrockt wird. Einer unserer Hunde nahm dies Gemisch anstandslos, bei den andern mu\u00dften wir den Tee durch Wasser ersetzen, und h\u00e4ufig war es erforderlich, dem Gemenge von Brot und Wasser einige K\u00f6rnchen \u2014 weniger als 1 g \u2014 Hundekuchen hinzuzusetzen, es aufzukochen und abzuk\u00fchlen. Dann nahmen es die Hunde immer gern. Nur gelegentlich fra\u00dfen sie das eingebrockte Brot heraus und lie\u00dfen 100\u2014180 ccm Wasser zur\u00fcck, die dann zur\u00fcckgewogen wurden. Die in der K\u00fcche der medizinischen Klinik hergestellte Probemahlzeit bestand aus 300\u2014350 g Schleimsuppe, 1 Beefsteak (107\u2014160 g) mit etwa 20 g Sauce und 250\u2014300 g Kartoffelbrei. Der Stickstoffgehalt des Beefsteaks betrug 3,66 o/o, des Kartoffelbreis 0,27\u20140,37 \u00b0/o, der Suppe 0,17\u20140,3 \u00b0/o.\nUm das sehr viel gr\u00fcndlichere Kauen des Menschen nachzuahmen, haben wir das Beefsteak vorher sorgf\u00e4ltig mit der Hand zerkleinert, Beefsteak und Kartoffelbrei, biswe\u00fcen auch die ganze Mahlzeit gut durchmischt, und meist noch 10\u201440 ccm menschlichen Speichel hinzugef\u00fcgt. Hundespeichel enth\u00e4lt wenig oder kein Ptyalin, und es ist nicht ausgeschlossen, da\u00df die Aufl\u00f6sung der St\u00e4rke die Magenverdauung irgendwie beeinflu\u00dft. Der so entstandene Brei wurde von den Hunden gierig aufgeleckt. Bei allen Versuchen bekamen die Hunde 24 Stunden vorher nichts zu fressen, wurden aber in der versuchsfreien Zeit mit Hundekuchen, Brot oder K\u00fcchenabf\u00e4llen gut gef\u00fcttert. Bei derartigen Versuchen, bei denen den Hunden gro\u00dfe Mengen der Verdauungssekrete entzogen werden, ist es unbedingt erforderlich, erstens abgesehen von reichlicher F\u00fctterung nach jedem Versuch f\u00fcr den notwendigen Ersatz von Wasser und","page":53},{"file":"p0054.txt","language":"de","ocr_de":"54\nOtto Cohnheim und Georges L. Dreyfus,\nvon Chlornatrium zu sorgen, und zweitens die Hunde nicht zu oft in Versuch zu nehmen, ihnen vielmehr zwischen je 2 Versuchen mindestens einen, besser 2 Tage Ruhe zu g\u00f6nnen. Erm\u00fcdete, an Chlor verarmte und besonders durstige Hunde geben zu niedrige Werte f\u00fcr die Sekretion und zeigen verlangsamte Motilit\u00e4t des Magens. Die Hunde leben Monate und Jahre in bestem Wohlbefinden.\nDie Versuche wurden nun in zweierlei Art angestellt:\nErstens wurde, genau wie es fr\u00fcher T obier und der\n\u00ab\neine von uns beschrieben haben, w\u00e4hrend der ganzen Zeit der Verdauung der Mageninhalt aus der Duodenalfistel aufgefangen, w\u00e4hrend gleichzeitig das Verdauungsprodukt eines fr\u00fcheren Versuches in den abf\u00fchrenden Schenkel des Duodenums eingespritzt wurde. Auf diese Weise konnten wir den Vorgang der Magenentleerung bei erhaltenen Pylorusreflexen von Anfang bis zu Ende beobachten, und wir konnten die absolute Menge der abgesonderten Sekrete und der abgesonderten Salzs\u00e4ure bestimmen, konnten auch den Grad des Abbaus der Speisen im Magen feststellen. Da\u00df die Werte, die sich hierbei f\u00fcr die Magensaftabsonderung ergeben, richtig sind, daran kann nicht gezweifelt werden, da der Einflu\u00df des Fre\u00dfaktes, der Einflu\u00df der Speisen im Mageninnern und die Einfl\u00fcsse vom Darm her in normaler Weise vorhanden sind, und da nirgends Hemmungen gesetzt werden. Auch werden dem K\u00f6rper keine f\u00fcr die Bildung des Magensaftes erforderlichen Stoffe entzogen, da die Salzs\u00e4ure und der \u00fcbrige Mageninhalt wieder in den Darm eingespritzt werden. Dagegen sind die Werte f\u00fcr den Pankreassaft und die Galle, die wir ja zumal bei den Hunden mit 2 Fisteln ebenfalls auffangen konnten, ebenso sicher unrichtig, da eben diese Stoffe dem K\u00f6rper entzogen werden. Bayliss und Starling haben bereits beobachtet, da\u00df die Sekretion von Pankreassaft auf gleichstarken Reiz immerfort abnimmt, wenn das verlorene Alkali nicht ersetzt wird, und wir k\u00f6nnen das allm\u00e4hliche Versiegen der Pankreassekretion bei fortgesetzter Einspritzung durchaus best\u00e4tigen. Es w\u00e4re nat\u00fcrlich m\u00f6glich, durch abwechselndes Einf\u00fchren von S\u00e4ure und Alkali in den Darm auch f\u00fcr Galle und Pankreassaft normale Werte zu erhalten, wir haben uns","page":54},{"file":"p0055.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Physiologie und Pathologie der Magenverdauung.\n55\naber bisher auf die Untersuchung der Magensaftsekretion beschr\u00e4nkt. Aus demselben Grunde, dem Abflie\u00dfen der alkalischen Duodenalsekrete nach au\u00dfen, k\u00f6nnen wir die Zeit der Magenentleerung auf diesem Wege nicht ganz richtig bestimmen. Das Probefr\u00fchst\u00fcck enth\u00e4lt kein Fett, die Probemahlzeit sehr wenig; als wirksamer Reiz, der die Entleerung des Magens vom D\u00fcnndarm bei unseren Versuchen hemmt, kommt also nur die Salzs\u00e4ure des Mageninhalts in Betracht, und diese mu\u00df hier nat\u00fcrlich l\u00e4ngere Zeit vom D\u00fcnndarm wirken, als wenn sie normalerweise durch den Pankreassaft neutralisiert w\u00fcrde.\nWir haben uns daher noch einer zweiten Versuchsanordnung bedient. Wir haben die Hunde bei geschlossener Duodenalkan\u00fcle fressen lassen und nur von Zeit zu Zeit Proben aus der Kan\u00fcle entnommen. Auf diese Weise konnten wir mit voller Sicherheit feststellen, wie lange die Entleerung dauerte, und wir konnten weiterhin die Konzentration der Salzs\u00e4ure und der Verdauungsprodukte zu verschiedenen Zeiten bestimmen. Auf diese Konzentration aber mu\u00dfte sehr viel ankommen, da auf ihr die M\u00f6glichkeit beruhte, unsere Resultate am Hunde mit denen am Menschen zu vergleichen. K\u00f6nnen wir doch, wenn nicht einmal ein Zufall die Beobachtung einer Duodenalfistel am Menschen gestattet, beim Menschen immer nur die Konzentration des Mageninhalts bestimmen, nicht die absolute Menge des Sekretes. Die Bestimmung der Acidit\u00e4t im Mageninhalt geschah in der \u00fcblichen Weise durch Titration mit Phenolphthalein (Gesamtacidit\u00e4t) und mit G\u00fcnzburgschem Reagens (freie Salzs\u00e4ure, bezw. Salzs\u00e4uredefizit), die Bestimmung des Stickstoffs nach Kjeldahl. Die aufgefangenen Fl\u00fcssigkeiten wurden zur Titration filtriert oder absitzen gelassen, was keinen Unterschied bedingt.\nMit dem aus der Duodenalfistel aufgefangenen Mageninhalt haben wir nun weiterhin das verglichen, was sich bei dem Hunde mit der Magenfistel bei Er\u00f6ffnen der Fistel aus dieser entleerte, und ferner haben wir bei den Duodenalfistelhunden durch Erbrechen Mageninhalt gewonnen. Durch die Schlundsonde unverd\u00fcnnten Mageninhalt zu gewinnen, ist schwierig, da man die Hunde nicht pressen lassen kann. Wir bedienten","page":55},{"file":"p0056.txt","language":"de","ocr_de":"56\tOtto Cohnheim und Georges L. Dreyfus,\nuns einer fr\u00fcheren Beobachtung des einen von uns, wonach Hunde erbrechen, wenn man ihren D\u00fcnndarm durch Auf blasen eines Ballons ausdehnt. Bei einem der Hunde bedurfte es hierzu einer starken Ausdehnung des Darmes, bei der H\u00fcndin mit einer Duodenalfistel gen\u00fcgte es dagegen, einen kleinen Ballon aus d\u00fcnnem Gummi in das Duodenum einzuf\u00fchren und mit 40\u201460 ccm Wasser zu f\u00fcllen, um prompt Erbrechen auszul\u00f6sen. Der Hund begann zu kauen, sich das Maul mit der Zunge zu lecken, eigent\u00fcmliche Bewegungen mit dem Kopfe zu machen, tief Atem zu holen, und in 1\u2014IV2 Minuten erbrach er. Auch bei vollem Magen wurden meist nur 50\u2014100 ccm erbrochen, lie\u00df man den Ballon aber liegen, oder f\u00fcllte ihn nach kurzer Zeit zum zweiten Male, so erfolgte bald neues Erbrechen.\nProbefr\u00fchst\u00fcck.\n2\u20143 Minuten nach der Nahrungsaufnahme beginnen, wie dies fr\u00fcher schon f\u00fcr Fleisch und Brot beschrieben ist,x) Galle und Pankreassaft abgesondert zu werden. Einige Minuten sp\u00e4ter beginnt die Magenentleerung, und zwar kommt zun\u00e4chst l\u00e4ngere Zeit fast reines Wasser, das schlie\u00dflich saurer wird, aber nur ganz vereinzelte Brotst\u00fcckchen enth\u00e4lt. Nach 15 Minuten war zuerst freie Salzs\u00e4ure nachweisbar. W\u00e4hrend dieser Zeit haben wir ins Duodenum Salzs\u00e4ure von entsprechender niedriger Konzentration eingespritzt. 35\u201440 Minuten nach der Nahrungsaufnahme kommen zuerst reichlichere Brotpartikelchen und bald entleert sich aus der Kan\u00fcle ein d\u00fcnner Brei, der durchaus das Aussehen zeigt wie der beim gesunden Menschen 45 bis 60 Minuten nach dem Probe fr\u00fchst\u00fcck ausgeheberte Mageninhalt. W\u00e4hrend dieser Zeit wurde entweder der von einem fr\u00fcheren Versuch erhaltene Brei oder Salzs\u00e4ure von entsprechender Konzentration ins Duodenum eingespritzt. Der Mageninhalt nach Probefr\u00fchst\u00fcck rief eine sehr reichliche Sekretion von Pankreassaft und Galle hervor. Kleine Mengen wurden aber auch ohne Einspritzung abgesondert. Die reichliche Entleerung von Brotbrei dauerte etwa 45 Minuten, dann wurde sie zusehends\n0 O. Cohnheim, M\u00fcnchener mediz. Wochenschr., 1907.","page":56},{"file":"p0057.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Physiologie und Pathologie der Magenverdauung.\n57\nsp\u00e4rlicher und erfolgte nur noch in gro\u00dfen Zwischenr\u00e4umen. Die Aussto\u00dfung der letzten Reste nahm, wie dies ja auch schon f\u00fcr Fleisch und Brot beobachtet ist (Gohnheim 1. c.), oft noch bis zu einer Stunde in Anspruch, und die langen Pausen bewirkten nat\u00fcrlich eine gewisse Unsicherheit, ob der Versuch schon zu beenden war oder nicht. Einige Male lie\u00dfen wir den Hund in dieser Zeit Wasser saufen, worauf die Entleerung\u201c beschleunigt, aber freilich auch ein neuer Sekretionsreiz gesetzt wurde.\nWenn wir w\u00e4hrend der langsam aufh\u00f6r enden Magenentleerung den Hunden Wasser vorsetzten, machten wir eine Beobachtung, die von Interesse f\u00fcr die Entstehung der Magenbewegungen ist. Woraufhin der Pylorus sich schlie\u00dft, das wissen wir, aber auf welchen Reiz hin \u00f6ffnet sich der Pylorus und setzt die Peristaltik des Antrum pylori ein ? Am n\u00e4chsten l\u00e4ge es, an die F\u00fcllung des Magens zu denken ; aber die Entleerung\u201c des Magens beginnt erst 10 Minuten nach der F\u00fctterung, der Magen kann also eine gewisse Zeit gef\u00fcllt sein, ohne sich zu entleeren. Gannon1) hat infolgedessen eine Ansicht ausgesprochen und durch eine Reihe von Versuchen gest\u00fctzt, da\u00df die Ber\u00fchrung der Schleimhaut des Antrum pylori mit Salzs\u00e4ure den wirksamen Reiz f\u00fcr die Entleerung des Magens darstellt. Cannons Versuche beweisen in der Tat, da\u00df Salzs\u00e4ure im Antrum pylori die Bewegung des Magens beschleunigt, bezw. hervorrufen kann, aber sie besagen nat\u00fcrlich nicht, da\u00df dieser Reiz der einzige ist. Wir haben nun oft beobachtet, da\u00df die stockende Magenentleerung schnell wieder in Gang kam, da\u00df nach l\u00e4ngerer Pause rasch Schu\u00df auf Schu\u00df aus der Duodenalkan\u00fcle folgte, wenn wir dem durstigen Hunde Wasser oder auch etwas zu fressen vorhielten, und er danach gierte. Dasselbe sahen wir\u00bb in einigen F\u00e4llen, in denen der Hund vor Beginn des Versuches gegen unsere Absicht Wasser gesoffen hatte, und der Magen Fl\u00fcssigkeit enthielt. Aus der Duodenalkan\u00fcle entleerte sich zun\u00e4chst nichts, aber als wir den Hund f\u00fcttern wollten, kamen rasch hintereinander mehrere, reichliche G\u00fcsse aus der Fistel. Ein weiteres Experimentieren war dann\n4) W. B. C annon, Americ. Journ. of Physiology, Bd. XX, S. 283 (1907).","page":57},{"file":"p0058.txt","language":"de","ocr_de":"58\nOtto Cohnheim und Georges L. Dreyfus,\nnat\u00fcrlich zun\u00e4chst unm\u00f6glich, aber die Beobachtungen machen es uns wahrscheinlich, da\u00df derselbe, mit der Nahrungsaufnahme zusammenh\u00e4ngende Reiz, der den psychischen Magensaft flie\u00dfen l\u00e4\u00dft, auch die Bewegungen des Magens hervorrufen kann. Es ist ja von KatschkowskyJ) festgestellt, da\u00df Vagusdurchschneidung die Bewegungen des Magens hemmt, und die Hemmung der Magenbewegung durch Unlustgef\u00fchle ist von Pawlo w, Cannon und Cohn he im beschrieben. Wir erkl\u00e4ren uns also unsere Beobachtungen durch eine \u00abpsychische\u00bb Erregung der Magenentleerung durch den Appetit. Die vonCannon beschriebene S\u00e4urewirkung besteht nebenher. Es ist bei diesen Beobachtungen noch der Einflu\u00df der Anf\u00fcllung des Magens auf die Entleerung zu ber\u00fccksichtigen, den wir viele Male deutlich sahen. Ist im Magen nur wenig Inhalt vorhanden, so unterbricht die Einspritzung von 10 ccm Mageninhalt ins Duodenum die Entleerung aus der Duodenalfistel f\u00fcr 10\u201415 Minuten, ist der Magen dagegen mit Fl\u00fcssigkeit gef\u00fcllt, so schlie\u00dft derselbe Reiz den Pylorus nur f\u00fcr 1 bis IV2 Minuten, dann beginnen die Sch\u00fcsse usw. von neuem. Das Verh\u00e4ltnis des Sphinkter pylori und der Bewegungsmuskulatur des Antrum pylori zu einander, die ja Antagonisten sind, wird also durch den F\u00fcllungsgrad in analoger Weise beeinflu\u00dft, wie wir dies von der Muskulatur am Ausgang des Rektums und der Harnblase sehen.\nVersuch 1. Hund mit 2 Kan\u00fclen.\n9\u00b0\u00b0 452 g Brot und Wasser gefressen.\n1029 2 80 g fast reine Fl\u00fcssigkeit entleert. Acidit\u00e4t 21 Freie HCl eben positiv.\n1210 347 g entleert (die letzten Portionen durch etwas Galle verunreinigt, daher nicht zur Titration benutzt. Gesamtacidit\u00e4t 55. Freie HCl 21.\nEs wurden also 627 g entleert, 452 aufgenommen, folglich waren durch Sekretion 175 g hinzugekommen. Hiervon sind einige Kubikzentimeter Galle abzuziehen, die bei einer Bewegung des Hundes hineinliefen, und ferner mu\u00df etwras Speichel dabei sein. Um dessen Menge zu sch\u00e4tzen, haben wir ein\nP. Katschkowsky, Pfl\u00fcgers Arctu, Bd. LXXXIV, S. 6 (1901).","page":58},{"file":"p0059.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Physiologie und Pathologie der Magenverdauung.\n59\ngewogenes halbes Probefr\u00fchst\u00fcck an den Hund mit \u00d6sopha-\n\u2022 \u2022\ngotomie verf\u00fcttert, und das aus der Osophagus\u00f6ffnung Herauskommende wieder gewogen. Es war um 8 g schwerer geworden. Es k\u00f6nnen also bei den 175 g Sekret bis zu 16 g Speichel sein, wegen des Wasserreichtums eine sehr geringe Menge; auf trockenes Brot wird viel mehr sezerniert. Der weitaus gr\u00f6\u00dfte Teil des Sekrets mu\u00df also Magensaft sein, und f\u00fcr diese Menge steht uns noch eine zweite Bestimmungsmethode zur Verf\u00fcgung. Hundemagensaft hat nach Pawlo w eine recht konstante Acidit\u00e4t, n\u00e4mlich von 0,56 %> HCl, das bedeutete eine sog. Acidit\u00e4t von 153. Wenn man daher die Acidit\u00e4t des aus der Fistel str\u00f6menden Mageninhaltes kennt, so kann man berechnen, wie viel Magensaft darin enthalten sein mu\u00df. In Versuch 1 haben die in den ersten 39 Minuten entleerten 280 ccm eine Acidit\u00e4t von 21, das w\u00e4ren 38 ccm Magensaft, die Hauptmenge sind 347 g mit einer Gesamtacidit\u00e4t von 55, das w\u00e4re 125 ccm Magensaft. Nach der Acidit\u00e4t w\u00e4ren also 163 ccm Magensaft, nach der Menge 175 ccm Magensaft und Speichel (plus etwas Galle) entleert worden, eine hinreichende \u00dcbereinstimmung.\nVersuch 2. Hund mit 2 Kan\u00fclen.\n486 g verf\u00fcttert, au\u00dferdem gegen Schlu\u00df 95 ccm Wasser gesoffen. Aufgefangen\n1.\tStunde\t183\tg,\tAcidit\u00e4t\t35, daher\tMagensaft\t42\tg\n2.\t\u00bb\t409\t\u00bb\t\u00bb\t30,\t\u00bb\t>\t80\t\u00bb\n3.\t\u00bb\t135\t\u00bb\t\u00bb\t35,\t\u00bb\t\u00bb\t30\t\u00bb\n727 g\nabz\u00fcglich 581 \u00bb\n146 g Sekret\t152 g Magensaft.\nVersuch 3. Hund mit 2 Kan\u00fclen. Dauer 2lh Stunden.\n371 g verf\u00fcttert.\n525 \u00bb aufgefangen (dabei wieder einige Tropfen Galle).\n154 g Sekret. Acidit\u00e4t 40, daher 137 g Magensaft.\nVersuch 4. Hund mit 1 Kan\u00fcle.\nKeine Einspritzung. Es kommt vorwiegend Magensaft, daneben aber auch Pankreassaft und Galle. Dauer 2 Stunden. Sekret 210 g.","page":59},{"file":"p0060.txt","language":"de","ocr_de":"60\nOtto Cohnheim und Georges L. Dreyfus,\nVersuch 5. Genau so.\nDauer 2J/4 Stunden. Sekret 240 g.\nVersuch 6. Derselbe Hund.\nEinspritzung, daher reichlich Pankreassaft und Galle. Sekret 657 g.\nVersuch 7. Ebenso.\nSekret 520 g. Dauer Vk Stunden.\nBeim Vergleich von Versuch 6 und 7 gegen\u00fcber Versuch 4 und 5 ist bemerkenswert, da\u00df durch die Einspritzung ins Duodenum die Dauer der Magenverdauung beim Probefr\u00fchst\u00fcck nicht verl\u00e4ngert wird. Bei Fleisch, bei Milch, und wie wir unten mitteilen, auch bei der Probemahlzeit, ist das anders, hier entleert sich der Magen, falls nicht durch S\u00e4ure ein Wirkung vom Duodenum f\u00fcr einen Schlu\u00df des Pylorus gesorgt wird, abnorm schnell. Der Grund des Unterschieds liegt anscheinend darin, da\u00df auf den Pylorus 2 Arten von Reflexen einwirken, Chemoreflexe vom Duodenum, und Tango- oder Ber\u00fchrungsreflexe vom Magen-innernher; die letzeren lassen den Pylorus sich schlie\u00dfen, wenn gr\u00f6\u00dfere feste Partikelchen ihn passieren wollen (Cannon). Das Brot als fester K\u00f6rper ruft die Tangoreflexe leichter hervor als Fleisch, Milch und Brei, und der Wegfall der Chemoreflexe vom Duodenum macht sich daher weniger bemerkbar.\nDie absolute Menge Magensaft, die auf ein Probefr\u00fchst\u00fcck ergossen wird, betr\u00e4gt also (Versuch 1\u20143) 140\u2014165 ccm Magensaft, die Acidit\u00e4t des Mageninhalts nach Ablauf der Hauptmenge des Wassers betr\u00e4gt 55, bzw. 21 freie HCl. Die Konzentration haben wir nun weiter in einer Reihe von Versuchen an dem Hunde mit 1 Duodenalfistel und dem Hunde mit Magenfistel untersucht:\nVers. 8. Duodenalkan\u00fcle. 1 St. n. F\u00fctt. 58 G.-A., 22 freie HG1, 24 mg N in 10 ccm\n>\t9.\t* 1 \u00bb \u00bb\t> 70\t\u00bb\t29\t\u00bb\t\t\t\n\t\tGleichzeitig Erbrochenes 68\t\t\u00bb\t35\t\t\u00bb\t\t\n\t10. Duodenalkan\u00fcle. 1 St. n. F\u00fctt. 52\t\t\t\u00bb\t27\t2>\t\u00bb\t\t\n>\t11.\tMagenfistel. 1 \u00bb \u00bb\t> 59\t>\t23\t2>\tS*\t\t\n>\t12.\t\u00bb\t3/4 \u00bb\t\u00bb\t> 80\t>\t20\t2>\t\u00bb\t\t\n>\t13.\t>\t3A \u00bb \u00bb\t\u00bb 56\t>\t16\t>\t\t29 \u00bb\t\u00bb > 10 \u00bb\n>\t14.\t\u00bb\t3/4\t\u00bb\t\u00bb\t\u00bb 70\t>\t35\t\u00bb\t*\t27 >\t\u00bb * 10 >","page":60},{"file":"p0061.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Physiologie und Pathologie der Magenverdauung.\n61\nWie man sieht, entsprechen diese Zahlen durchaus denen, die beim Menschen normalerweise beobachtet werden. Die Dauer der Magenverdauung und die Konzentration des Mageninhaltes sind also beim Probefr\u00fchst\u00fcck bei Mensch und Hund gleich. Gleich ist auch die Menge Mageninhalt, die man nach 45 bis 60 Minuten noch im Magen vorfindet, und auch das zeitliche Verh\u00e4ltnis der Entleerung, da\u00df erst das Wasser den Magen verl\u00e4\u00dft, und dann erst das Feste, mu\u00df bei Mensch und Hund gleich sein. Denn die klinische Erfahrung lehrt, da\u00df die Menge und die Konzentration des Mageninhaltes nicht beeinflu\u00dft werden, wenn von den 400 ccm Tee etwas nicht getrunken wird, und dasselbe haben wir an unseren Hunden beobachtet. In Versuch 8, 11, 12 und 13 hatten die Hunde au\u00dfer dem Br\u00f6tchen auch die ganzen 400 ccm Fl\u00fcssigkeit genommen, in Versuch 10 und 14 dagegen nur 170 und 190 ccm Wasser, die Acidit\u00e4tszahlen differieren nicht merklich.\nProbemahlzeit.\nAuch hier begann 2\u20143 Minuten nach Beginn der Nahrungsaufnahme Pankreassaft und Galle zu flie\u00dfen. Nach etwa 10 Minuten setzte dann die Entleerung des Magens ein. Die ersten Portionen waren eine d\u00fcnnere klare Fl\u00fcssigkeit, nach einiger Zeit wurde der Inhalt breiiger und enthielt Fleischbr\u00f6ckelchen, doch war der Unterschied nie so deutlich wie beim Probefr\u00fchst\u00fcck. Vielmehr sah w\u00e4hrend des gr\u00f6\u00dften Teils der Entleerung das aus der Kan\u00fcle Kommende sehr gleichm\u00e4\u00dfig aus. Es war dabei auch kein Unterschied zu bemerken, ob wir die ganze Probemahlzeit zu einem Brei vermischt gaben, oder ob wir den Hund erst die Schleimsuppe saufen und dann das Gemisch von Beefsteak und Kartoffelbrei auflecken lie\u00dfen. Es flo\u00df aus der Kan\u00fcle immer ein d\u00fcnner Brei ab, der sich beim Stehen ziemlich rasch in eine hellgelb gef\u00e4rbte d\u00fcnne Fl\u00fcssigkeit und in einen dicken Bodensatz trennte, in dem Fleisch-br\u00f6ckelchen deutlich zu sehen waren. Im ganzen war der Mageninhalt, der sich aus der Kan\u00fcle entleerte, etwas st\u00e4rker verfl\u00fcssigt, als es ausgeheberter menschlicher Mageninhalt 2\u20143 Stunden nach der Probemahlzeit zu sein pflegt. Die Fl\u00fcssigkeit","page":61},{"file":"p0062.txt","language":"de","ocr_de":"62\nOtto Cohnheim und Georges L. Dreyfus,\ngab eine starke Biuretreaktion, sie wurde mit oder ohne vorheriges Filtrieren zu den Titrationen verwandt, und diente weiterhin zur Einspritzung bei sp\u00e4teren Versuchen. W\u00e4hrend des ganzen Versuchs wurde die gleiche Fl\u00fcssigkeit eingespritzt.\nVersuch 15. Hund mit 1 Duodenalkan\u00fcle.\n958 g verf\u00fcttert. Keine Einspritzung, also nur wenig Pankreassaft und Galle. 1394 g entleert, also 438 g Sekret. Acidit\u00e4t 42, N im Filtrat 1,88 g. Hauptmasse in 41 Minuten entleert.\nVersuch 16. Derselbe Hu\u00fcd.\nEinspritzung von 180 ccm, d. h. zu wenig, daher etwas Pankreassaft und Galle, aber nicht genug, auch sonst zu schnelle Entleerung. Dauer 1 Stunde 40 Minuten.\nVerf\u00fcttert wurden: 350 ccm Sappe mit 0,617 g N\n276 g\tKartoffelbrei\t\u00bb\t1,013\t\u00bb\t>\n107 \u00bb\tBeefsteak\t\u00bb\t3,916\t\u00bb\t\u00bb\n11 \u00bb\tSauce\n50 \u00bb\tSpeichel\n794 g\t5,546 g N\nalso im ganzen etwa 5,6\t\u00bb >\nEntleert wurden 1595 g. Also 801 g Sekret. Acidit\u00e4t 35. Dieses wird filtriert. Filtrat betr\u00e4gt etwa 1100 ccm. In 10 ccm sind 15 mg N, also 2,372 g N im Filtrat.\nVersuch 17. Derselbe Hund.\nEinspritzung von 635 g Mageninhalt im richtigen Tempo, daher Sekretion und Dauer normal. Dauer 33/4 Stunden.\nVerf\u00fcttert wurden: 253 g\tSuppe mit 0,43\tg\tN\n213 \u00bb\tBrei\t\u00bb\t0,680\t\u00bb\t\u00bb\n137 \u00bb\tBeefsteak \u00bb\t5,2\t\u00bb\t\u00bb\n39 \u00bb\tSauce\n20 \u00bb\tSpeichel\n662 g\t6,316 g N\nalso im ganzen etwa 6,4 bis 6,5\t\u00bb \u00bb\nEntleert wurden 1913 g, also 1251 g Sekret. Acidit\u00e4t 35. Das Filtrat betr\u00e4gt 1400 ccm. 10 ccm enthalten 25,6 mg N und 0,515 g Trockensubstanz. Im Filtrat sind demnach 3,58 g N enthalten; der R\u00fcckstand enth\u00e4lt 2,5 g N. Entleert wurden also 6,08 g N, wovon 59\u00b0/o in gel\u00f6ster Form.","page":62},{"file":"p0063.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Physiologie und Pathologie der Magenverdauung.\n63\nIn einem Parallelversuch werden demselben Hunde bei leerem Magen 210 g desselben Mageninhaltes ins Duodenum eingespritzt, worauf er 167 ccm Pankreassaft und Galle mit einer Acidit\u00e4t von 74 aus der Kan\u00fcle entleert. Daraus berechnet sich, da\u00df auf die im Hauptversuch eingespritzten 635 ccm 505 ccm Pankreassaft und Galle sezerniert sein m\u00fcssen, und 746 g Magensaft auf die Probemahlzeit kamen. Aus der Acidit\u00e4t des Entleerten und der Alkalescenz und Menge der Duodenalsekrete kann man \u2014 eine freilich wenig sichere Rechnung \u2014 682 ccm Magensaft berechnen.\nVersuch 18. Hund mit 2 Kan\u00fclen.\nEs wird \u2014 des Vergleichs mit pathologischen Zust\u00e4nden halber, vgl. S. 80 \u2014 die Probemahlzeit gut gemischt, aber nur die H\u00e4lfte verf\u00fcttert. Einspritzung von Salzs\u00e4ure. Nur der Mageninhalt wird aufgefangen. Dauer 3 Stunden 15 Min.\nVerf\u00fcttert: 482 g Probemahlzeit\n80 \u00bb Wasser (gegen Schlu\u00df des Versuches).\n562 g Zufuhr.\n960 \u00bb Entleerung. Acidit\u00e4t 63.\nDaher 398 g Sekret, nach der Acidit\u00e4t 395 g Magensaft.\nDie Speichelmenge kann bei der Probemahlzeit ganz vernachl\u00e4ssigt werden. Der Rest der Probemahlzeit dieses Versuches, 380 g, wurde an den \u00f6sophagotomierten Hund verf\u00fcttert und vermehrte sich dabei nur um 3 g. Auf die Probemahlzeit sind also nur 6\u20147 g Speichel zu rechnen. Auf die Probemahlzeit werden also 700 \u2014 800 ccm Magensaft und mindestens 500 ccm Pankreassaft und Galle ergossen.\nEin Vergleich der Versuche 15, 16 und 17 lehrt die gro\u00dfe Bedeutung des Pylorusreflexes f\u00fcr die Motilit\u00e4t und Sekretion des Magens.\nEinspritzung 0 ccm. Dauer 41 Minuten. Sekret 438 g. N gel\u00f6st : 1,88 g \u00bb\t180 \u00bb\t\u00bb\t1 St. 40 Min.\t\u00bb\t801 \u00bb\t\u00bb\t\u00bb\t2,37 \u00bb\n\u00bb\t635 \u00bb\t\u00bb\t33/* Stunden.\t>\t1251 >\t\u00bb\t\u00bb\t3,58 >\nRuft man den Pylorusreflex nicht oder nicht gen\u00fcgend hervor, so entleert sich der Magen zu rasch und man erh\u00e4lt zu niedrige Werte f\u00fcr die Sekretion und f\u00fcr das Ma\u00df der Ver-","page":63},{"file":"p0064.txt","language":"de","ocr_de":"64\nOtto Cohnheim und Georges L. Dreyfus,\ndauung im Magen. Wir m\u00f6chten die Bedeutung des Pylorus-reflexes gegen\u00fcber Prym1) betonen, der f\u00fcr die Sonderung des Mageninhaltes und seine langsame Entleerung nur die Art der T\u00e4tigkeit der Fundus- und Antrummuskulatur verantwortlich macht. Wenn wir w\u00e4hrend der Verdauung (s. o.) die Duodenalfistel bei Probefr\u00fchst\u00fcck und -mahlzeit \u00f6ffneten, so beobachteten wir durchschnittlich 3 Sch\u00fcsse in der Minute, w\u00e4hrend die R\u00f6ntgenbeobachtungen von Gannon und Magnus bei verschiedenster Nahrung h\u00e4ufigere Bewegungen des Antrum pylori erkennen lassen. Das l\u00e4\u00dft sich nicht anders deuten, als da\u00df das Antrum pylori peristaltische Bewegungen auch bei geschlossenem Pylorus ausf\u00fchrt. Cannon hat eine Stillstellung der Peristaltik des Antrum pylori vom Zentralnervensystem her durch Unlustgef\u00fchle beobachtet, ob es auch eine Hemmung dieser Peristaltik vom D\u00fcnndarm her gibt, ist bisher nicht erwiesen; die Verz\u00f6gerung der Magenentleerung durch Chemo-reflexe vom Duodenum her kommt nach diesen Zahlen vielmehr durch einen Schlu\u00df des Sphinkter pylori zustande. \u2014 Nur bei erhaltenem Pylorusreflex l\u00e4\u00dft sich auch eine Resorption von stickstoffhaltigen Substanzen im Magen mit Sicherheit beobachten; die negativen Resultate von London2) und seinen Mitarbeitern beruhen wohl darauf, da\u00df die Nahrung abnorm kurz im Magen verweilte. In unserem Versuch 17 wurden 6,4 g N verf\u00fcttert, 6,08 g N aufgefangen ; in diesen aber sind 700 g Magensaft mit 0,19 g N enthalten3) und 500 g Pankreassaft und Galle. 250 g Galle4) enthalten 0,25 g N, 250 g Pankreassaft5) 0,18 g N. Es ist demnach mindestens 1 g N resorbiert worden, wie dies auch schon die fr\u00fcheren Versuche von Tobler und Gohnheim gelehrt haben.\n\u00dcber die Konzentration des Mageninhalts zu verschiedenen\n9 0. Prym, M\u00fcnchener medizin. Wochenschr., 1908, Nr. 2.\n2)\tE. S. L o n d o n und W.W.Polowzowa, Diese Zeitschrift, Bd. L VII, S. 113 (1908).\n3)\tE. 0. Schoumow-Simanowsky, Arch.f. exper. Path.u. Pharm., Bd. XXXIII, S. 336 (1894).\n4)\tNach Bung es physiol. Chemie.\n5)\tL. A. E. de Ziiwa, Journ. of Physiol., Bd. XXXI, S. 230 (1904).","page":64},{"file":"p0065.txt","language":"de","ocr_de":"65\nZur Physiologie und Pathologie der Magenverdauung.\nZeiten und die Dauer der Magenverdauung bei der Probemahlzeit geben folgende Versuche an der H\u00fcndin mit einer Duodenalkan\u00fcle und dem Magenfistelhund Aufschlu\u00df, bei denen die Kan\u00fclen nur von Zeit zu Zeit ge\u00f6ffnet wurden.\nVers.19 Magenfistel. 70Min.n.F\u00fctt.50G.-A.,keinefreieHCl\n\u00bb\t78\t\u00bb\n\u00bb 81 \u00bb\t>\t\u00bb\t\u00bb 29 mg N in 10 ccm\n\u00bb\t88\t\u00bb \u2014 65HC1-Defizit 31 \u00bb > > 10 \u00bb\n\u00bb 60\t\u00bb\t\u201474 \u00bb 29\t\u00bb\t\u00bb\t> 10\t*\n\u00bb\t48\t\u00bb\tkeine freie HCl 17\t\u00bb\t\u00bb\t\u00bb 10\t\u00bb\n\u00bb 63\t\u00bb\t\u00bb \u00bb \u00bb 23\t\u00bb\t\u00bb\t\u00bb 10\t\u00bb\n\u00bb 70 \u00bb 2 \u00bb \u00bb\n\u00bb Magen leer.\n\u00bb\t88\tCr.*A.\t\u2014lOHCl-Defiz. 24\t\u00bb\t*\t\u00bb 10\t*\n\u00bb 102\t\u00bb\t\u2014 8 \u00bb 28\t\u00bb\t\u00bb\t\u00bb 10\t\u00bb\n\u00bb\t62\t\u00bb\t\u201433 \u00bb 21\t\u00bb\t\u00bb\t\u00bb 10\t\u00bb\n\u00bb 100\t\u00bb\tHCl eben posit. 27\t\u00bb\t\u00bb\t\u00bb 10\t\u00bb\n\u00bb 98\t\u00bb\t\u2014\u00f6HCl-Defizit 28\t\u00bb\t\u00bb\t\u00bb 10\t\u00bb\n\u00bb 115\t\u00bb\tHCl eben positiv 32\t\u00bb\t\u00bb\t\u00bb 10\t\u00bb\nAus diesen Zahlen ergibt sich dreierlei: Erstens besteht eine Differenz zwischen dem, was aus der Kan\u00fcle abflie\u00dft, und dem, was zu gleicher Zeit im Magen enthalten ist. Der nach 2 bis 3 Stunden noch vorhandene Mageninhalt ist weniger sauer und auch weniger stark verfl\u00fcssigt, als das, was den Pylorus passiert. Zweitens nimmt die Acidit\u00e4t des aus dem Pylorus Kommenden von der 2. zur 3. Stunde noch deutlich zu. Drittens endlich zeigt der Mageninhalt, den man aus der Magenfistel auff\u00e4ngt, in bezug auf die Gesamtacidit\u00e4t dieselbe Konzentration wie der menschliche Mageninhalt nach Probemahlzeit zur gleichen Zeit. An die Stelle der beim Menschen vorhandenen freien Salzs\u00e4ure tritt beim Hunde dagegen ein Salzs\u00e4uredefizit, das bei dem aus der Magenfistel gewonnenen Inhalt sogar sehr betr\u00e4chtlich, bei den aus der Duodenalkan\u00fcle stammenden Mengen klein ist.\nWie erkl\u00e4ren sich nun diese scheinbar widersprechenden Tatsachen? Was zun\u00e4chst das Verhalten der \u00abfreien Salzs\u00e4ure\u00bb anlangt, so ist, wie vielfache Untersuchungen gezeigt haben, eine andere S\u00e4ure als die vom Magen sezernierte Salzs\u00e4ure weder im menschlichen noch im Hundemagen vorhanden. In\nHoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie. LVIII.\t^\n20.\t23/4 St. \u00bb\n21.\t3 \u00bb \u00bb\n22.\t3 \u00bb \u00bb\n23.\t3 \u00bb \u00bb\n24. Duodenalfistel. 1 \u00bb \u00bb 2 \u00bb \u00bb 3\t\u00bb \u00bb 4\t\u00bb \u00bb\t\n25.\t2 \u00bb \u00bb 3 \u00bb \u00bb\n26.\t2 \u00bb \u00bb 3 \u00bb \u00bb\n27.\t2 \u00bb \u00bb 3 \u00bb \u00bb","page":65},{"file":"p0066.txt","language":"de","ocr_de":"66\nOtto Cohnheim und Georges L. Dreyfus,\nwelcher Form diese bei der Titration gefunden wird, das h\u00e4ngt bekanntlich ausschlie\u00dflich von dem Verh\u00e4ltnis der Salzs\u00e4ure zu den Eiwei\u00dfk\u00f6rpern der Nahrung ab. Das Probefr\u00fchst\u00fcck reagiert neutral, von der Probemahlzeit reagieren Schleimsuppe und Kartoffelbrei, wie wir feststellten, auf Phenolphthalein ganz schwach sauer, aber so unbedeutend, da\u00df es auf das Resultat der Titration des Mageninhalts keinen deutlichen Einflu\u00df aus\u00fcben kann. Auch Umsetzungen mit anderen, neutralen Salzen, die vielleicht in der Nahrung vorhanden sind, k\u00f6nnen die Gesamtacidit\u00e4t nat\u00fcrlich nicht beeinflussen. * Und ebensowenig wird die Gesamtacidit\u00e4t durch die basischen Eigenschaften der Eiwei\u00dfk\u00f6rper der Nahrung und der aus ihnen entstehenden Albumosen und Peptone beeinflu\u00dft, da infolge der hydrolytischen Dissoziation der salzsauren Eiwei\u00dfe die Salzs\u00e4ure so titriert werden kann, als ob die Eiwei\u00dfk\u00f6rper garnicht vorhanden w\u00e4ren, als ob der Magensaft durch einen chemisch indifferenten Stoff verd\u00fcnnt w\u00e4re. Die Gesamtacidit\u00e4t ist also ein Ma\u00df f\u00fcr die Menge des abgesonderten Magensaftes, und da man die Acidit\u00e4t des reinen Magensaftes kennt (0,56 \u00b0/o HCl = 153 Acidit\u00e4t), so kann man aus einer Gesamtacidit\u00e4t von 78 oder 84 beispielsweise schlie\u00dfen, da\u00df etwas \u00fcber die H\u00e4lfte des aus der Magenfistel gewonnenen Mageninhalts Magensaft ist. Eine Acidit\u00e4t von 100, 102 und 115 in der Duodenalfistel besagt, da\u00df dieser Inhalt zu 2U aus Magensaft besteht, zu 113 aus Nahrung. Bei der Titration mit dem G\u00fcnzburgschen Reagens oder mit Kongorot auf \u00abfreie Salzs\u00e4ure\u00bb aber erh\u00e4lt man, wie durch physikalische Methoden kontrolliert worden ist,die wirklich noch als solche vorhandene Salzs\u00e4ure, die nicht durch Eiwei\u00df und Pepton neutralisiert ist. Da die Menge der sezernierten Salzs\u00e4ure durch die Gesamtacidit\u00e4t gegeben ist, h\u00e4ngt der Wert f\u00fcr freie Salzs\u00e4ure also von der Menge des gel\u00f6sten, bereits verdauten Eiwei\u00dfes ab, wird daher unter anderem von der Pepsinmenge beeinflu\u00dft. Beim Hunde mu\u00df mehr Pepsin vorhanden sein, als beim Menschen. Denn der Stickstoffgehalt\n0 O. Cohnheim, Zeitschr. f. Biol., Bd. XXXIII, S. 489 (1896). \u2014 0. Cohnheim und H. Krieger, ibid., Bd. XL, S. 95 (1900).","page":66},{"file":"p0067.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Physiologie und Pathologie der Magenverdauung.\n67\ndes Mageninhalts betr\u00e4gt beim Hunde (siehe oben S. 60 und S. 65) 27 und 29 mg N in 10 ccm bei Probefr\u00fchst\u00fcck und \u00e4hnliche Werte bei der Probemahlzeit, w\u00e4hrend man beim Menschen nur 12\u201414 mg findet.l) Dementsprechend findet man im Mageninhalt gesunder Menschen zwar die gleiche Gesamtacidit\u00e4t, wie wir sie jetzt beim Hunde beobachtet haben, aber einen Salzs\u00e4ure\u00fcberschu\u00df. Menschlicher Mageninhalt enth\u00e4lt \u00abfreie Salzs\u00e4ure\u00bb von 20\u201440, w\u00e4hrend wir im Mageninhalt der Hunde zu gleicher Zeit ein betr\u00e4chtliches Salzs\u00e4uredefizit gefunden haben. Auch dies wird ja durch die hydrolytische Dissoziation der salzsauren Eiwei\u00dfe verst\u00e4ndlich. Denn da diese Salze auch bei theoretisch vollkommener Neutralisation der Salzs\u00e4ure doch immer noch S\u00e4ure-Ionen in w\u00e4sseriger L\u00f6sung abspalten, so geht die Pepsinverdauung weiter, auch wenn keine freie Salzs\u00e4ure mehr vorhanden ist, es gehen mehr basische Valenzen in L\u00f6sung, als die Salzs\u00e4ure zu s\u00e4ttigen vermag, und trotz stark saurer Reaktion der L\u00f6sung auf Phenolphthalein besteht, wenn man nach G\u00fcnzburg oder mit Kongo oder Trop\u00e4olin titriert, ein \u00abSalzs\u00e4uredefizit\u00bb. Es gen\u00fcgt, wie wir uns \u00fcberzeugt haben, menschlichen Mageninhalt mit den in ihm enthaltenen Fleischst\u00fcckchen unter h\u00e4ufigem Umsch\u00fctteln bei K\u00f6rpertemperatur stehen zu lassen, um den zun\u00e4chst vorhandenen Salzs\u00e4ure\u00fcberschu\u00df in ein Defizit zu verwandeln; der N-Gehalt geht dabei betr\u00e4chtlich in die H\u00f6he. Da\u00df der Hund ein Salzs\u00e4uredefizit aufweist, wo man beim Menschen freie Salzs\u00e4ure vorfindet, h\u00e4ngt also nur mit seinem gr\u00f6\u00dferen Reichtum an Pepsin zusammen. Die gleiche Dauer der Magenverdauung und die \u00dcbereinstimmung in der Gesamtacidit\u00e4t zeigen, da\u00df in bezug auf Motilit\u00e4t und auf Sekretion auch bei der Probemahlzeit Hund und Mensch gleichgesetzt werden k\u00f6nnen.\nDie Vergleichung der Acidit\u00e4ten im Duodenum und in der Magenfistel gestattet so einen weiteren Schlu\u00df auf den Mechanismus der Magenentleerung. Ellenberger und seine Mitarbeiter2)\n9 Dr. A. Rose, Erscheint demn\u00e4chst im Deutsch. Arch. f. klin. Med. \u2014 Freundliche private Mitteilung von Herrn Dr. Rose.\n2) Ellenberger, Pfl\u00fcgers Arch., Bd. GXIV, S. 93. \u2014 A. Scheu-nert, ibid., Bd. CXIV, S. 64 (1906).\n5*","page":67},{"file":"p0068.txt","language":"de","ocr_de":"68\tOtto Cohnheim und Georges L. Dreyfus,\nund Gr\u00fctzner1) haben f\u00fcr dickbreiige und f\u00fcr feste Nahrung gezeigt, da\u00df der gr\u00f6\u00dfte Teil des Verschluckten zun\u00e4chst ruhig im Fundusteil des Magens liegen bleibt, w\u00e4hrend nur die \u00e4u\u00dferen Portionen durch den Magensaft verfl\u00fcssigt und dann durch den Pylorus forttransportiert werden. Tobler hat dann f\u00fcr die Magenverdauung der Milch nach dem Ablaufen der Molke dasselbe gesehen, und wir m\u00fcssen aus unseren Zahlen schlie\u00dfen, da\u00df auch bei der Probemahlzeit das Mageninnere und die beweglichen Randschichten verschieden zusammengesetzt sind. Wenn der Pylorus 3 Stunden lang* eine recht d\u00fcnne Fl\u00fcssigkeit austreibt, in der 2 Dritteile und mehr Magensaft sind, so mu\u00df diese dauernd schon im Antrum pylori vorhanden sein. Aus der Magenfistel im Fundusteil erh\u00e4lt man Mengen, die nur zur H\u00e4lfte aus Magensaft bestehen, und die dickfl\u00fcssiger sind als die duodenalen Produkte. Je weiter die Verdauung fortschreitet, desto \u00e4hnlicher werden sich beide Anteile, aber die verschiedenen Konzentrationen k\u00f6nnen nur so erkl\u00e4rt werden, da\u00df im Innern des Magens eine Masse liegt, in die der Magensaft nur allm\u00e4hlich eindringt.\nDurch den Pylorus fortbewegt werden nur die verfl\u00fcssigten, salzs\u00e4urereichen Teile, bei Er\u00f6ffnung der Magenfistel dagegen mengt sich der innere, von dem Magensaft noch weniger durchdrungene Teil bei und setzt die Gesamtacidit\u00e4t herab, das Salzs\u00e4uredefizit herauf. Je kleiner der unverdaute Rest ist, desto weniger macht seine Beimengung aus, w\u00e4hrend an der Duodenalfistel die Unterschiede zwischen der 2. und 3. Stunde bemerkbar, aber nicht gro\u00df sind. Beim Probefr\u00fchst\u00fcck haben wir diesen Unterschied zwischen den beiden Fisteln nicht sehen k\u00f6nnen. Offenbar ist nach dem Ablaufen des Wassers die Menge des Brotbreis zu gering, um auf die Dauer die Bildung einer Innen- und einer Au\u00dfenzone zu erm\u00f6glichen. Allerdings m\u00fcssen wir darauf hinweisen, da\u00df wir die Magenfistel nur einfach er\u00f6ffnet und das, was herauslief, aufgefangen haben. Vollst\u00e4ndig entleert wird der Magen ohne Aussp\u00fclung auch durch die weite Magenkan\u00fcle weder beim Probefr\u00fchst\u00fcck noch der Probemahlzeit.\n\u2018) P. Gr\u00fctzner, ibid., Bd. GYI, S. 463 (1905).","page":68},{"file":"p0069.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Physiologie und Pathologie der Magenverdauung.\n69\nVon einer Aussp\u00fclung haben wir aber schon um deswillen abgesehen, weil wir den Vergleich mit der Ausheberung beim Menschen durch die Schlundsonde haben wollten. Gr\u00fctzner hat, als er die eigenartige Anordnung verf\u00fctterten Breies im Magen sah, darauf hingewiesen, da\u00df man mit der Schlundsonde zerst\u00f6rend in diese Anordnung hereinf\u00fchre, und je nach dem Ort im Magen, an dem das Fenster der Sonde liegt, ganz verschiedene Werte erhalten m\u00fcsse. Gr\u00fctzners Einwand gegen die Richtigkeit der durch Aushebern erhaltenen Resultate hat gro\u00dfen Eindruck gemacht. Wenn man die letzten Autoren h\u00f6rt, die mit Gr\u00fctzners Methodik gearbeitet haben, Sick und Prym, so mu\u00df man zu der \u00dcberzeugung kommen, da\u00df die Sondenuntersuchung zu diagnostischen Zwecken einen recht geringen Wert habe. Aber nach dem, was wir bei der Einf\u00fchrung der gut zerkleinerten Probemahlzeit und des Probefr\u00fchst\u00fccks gesehen haben, scheinen gerade f\u00fcr diese die Bedenken nicht oder doch nur wenig zu gelten. Auch wir haben nach Fleischf\u00fctterung am frischget\u00f6teten Hund Bilder des Mageninhalts gesehen, die es unm\u00f6glich erscheinen lassen, da\u00df man mittels Ausheberung brauchbare Resultate erh\u00e4lt ; bei der Milch ergibt sich aus Toblers Beschreibung, wie vollst\u00e4ndig different die Innen- und Au\u00dfenzone des Magens sind und wie weit verschieden das, was im Magen bleibt, von dem ist, was ihn verl\u00e4\u00dft. Aber bei dem d\u00fcnnen, wasserreichen Brei des Probefr\u00fchst\u00fccks haben wir einen Unterschied in der Konzentration zwichen dem Entleerten und dem Magenrest nicht gesehen, bei der Probemahlzeit ist er anfangs gro\u00df, sp\u00e4ter aber auch klein. Von einer vollst\u00e4ndigen Entleerung des Magens durch die Sonde ist sicher keine Rede, sie erfolgt nicht einmal durch die weite Magenfistel. Aber das, was aus dieser flie\u00dft oder was wir durch Erbrechen gewonnen haben, wird etwa mit dem durch die Sonde Exprimierten \u00fcbereinstimmen. Au\u00dfer den schon angef\u00fchrten werden unsere unten mitzuteilenden Zahlen bei pathologischen Versuchen beweisen, da\u00df das aus der Duodenalfistel Kommende, das Erbrochene und das aus der Magenfistel Entleerte recht \u00e4hnlich zusammengesetzt sind. Wir m\u00fcssen den Erfindern der Probemahlzeit und des Probefr\u00fchst\u00fccks","page":69},{"file":"p0070.txt","language":"de","ocr_de":"70\nOtto Cohnheim und Georges L. Drevfns.\nt#\t*\t*\nunsere allergr\u00f6\u00dfte Bewunderung zollen, da\u00df sie zu einer Zeit, als man ganz andere Vorstellungen yon der Physiologie der Magenbewegungen und der Magenverdauung hegte, so besonders brauchbare diagnostische Hilfsmittel angegeben haben. Die Auswahl der Stoffe und die Auswahl der Zeit, in der ausgehebert wird, erm\u00f6glicht wirklich ein typisches Bild von der Zusammensetzung des Mageninhaltes zu erhalten. Die wenigstens ann\u00e4hernde Richtigkeit der Sondenausheberung bei Magenkranken erm\u00f6glicht uns auch, die pathologischen Beobachtungen am Tier, zu denen wir nun \u00fcbergehen, mit denen am Menschen zu vergleichen.\nPathologischer Teil\nUnsere Kenntnisse von der Pathologie der Verdauung sind gering, ja gerade die h\u00e4ufigsten Erkrankungen der Verdauungsorgane, der Magen- und Darmkatarrh, sind am wenigsten aufgekl\u00e4rt. Da man an diesen Krankheiten nicht stirbt und wegen ihrer nicht operiert, versagt die pathologische Anatomie. Was man am lebenden Menschen beobachten kann, sind objektive Ver\u00e4nderungen des Mageninhalts und Ver\u00e4nderungen des Stuhls, ferner subjektive Angaben der Patienten \u00fcber Schmerzen, \u00dcbelkeit, unbehagliche Empfindungen verschiedener Art im Gebiete des Abdomens und Appetitlosigkeit. Bei den subjektiven Angaben aber darf nie vergessen werden, da\u00df von dem gr\u00f6\u00dften Teil der Verdauungsorgane kein Weg zum Gro\u00dfhirn f\u00fchrt. Reflexe spielen in der Koordination der Verdauungsorgane eine bedeutende Rolle, aber sie verlaufen ohne Empfindung. Von der normalen Bewegung und Sekretion des Magens und Darms und den sie hervorrufenden Reizen empfinden wir nicht das mindeste. Wie zahlreiche Erfahrungen am Menschen und unsere Beobachtungen am Tier gezeigt haben, ruft bei den Abdominalorganen Schneiden, Brennen, Dr\u00fccken nicht die leiseste Empfindung hervor und ist nur eine Zerrung am Mesenterium schmerzhaft.x) Nur am Anfang und\n\u00df Lennander, Mitt. a. d. Grenzgeb. der Med. u. Chir., Bd. X, H. 1 (1902). \u2014 L. R. M\u00fcller, ibid., Bd. XVIII, S. 600, 1908.","page":70},{"file":"p0071.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Physiologie und Pathologie der Magenverdauung.\n71\nam Ende des Verdauungskanals kommen bestimmte Erregungen uns zum Bewu\u00dftsein, beim Verschlucken haben wir noch bestimmte Empfindungen, und manche der unangenehmen Gef\u00fchle, die wir bei Verdauungsst\u00f6rungen haben, werden im Magen lokalisiert empfunden. Von dem, was im D\u00fcnndarm und den gro\u00dfen Dr\u00fcsen vorgeht, kommt nichts in unser Bewu\u00dftsein. Das hat dazu gef\u00fchrt, da\u00df die Laien bei allen St\u00f6rungen der Verdauung, von \u00abMagenst\u00f6rungen\u00bb sprechen und derselbe Grund sowie die M\u00f6glichkeit, den Magen zu untersuchen, hat auch die \u00c4rzte dazu gebracht, viele Krankheiten in den Magen zu verlegen, die vielleicht in anderen Organen ihren Sitz haben.\nEine weitere Schwierigkeit, die besonders die experimentelle Erforschung der Verdauungskrankheiten hintangehalten hat, ist, da\u00df wir die Ursache der meisten in Betracht kommenden Krankheiten nicht kennen und sie infolgedessen auch nicht hervorrufen k\u00f6nnen. Die Erforschung der Kreislaufst\u00f6rungen bei Infektionskrankheiten z. B. konnte so ausgef\u00fchrt werden, da\u00df man mit den bekannten Erregern der Pneumonie, der Diphtherie usw. bei Tieren Erkrankungen hervorrief. Als wir daran gingen, bei unseren Versuchstieren St\u00f6rungen der Magenverdauung hervorzurufen, um deren Symptome an der Duodenalfistel zu beobachten, da blieb uns nichts anderes \u00fcbrig, als herumzuprobieren, durch was f\u00fcr Eingriffe wir Symptome erlangen konnten, die denen beim Menschen gleichen.\nBei Hunden mit Magenfisteln und kleinem Magen haben bereits Pawlow und Sawriew1) durch chemische, W\u00e4rme-und K\u00e4ltereize akute Katarrhe des Magens hervorgerufen und beobachtet, da\u00df der Magen nach starken Eingriffen statt sauren Magensaft alkalischen Schleim absonderte. Nach Ablauf des Katarrhs kehrte die Sekretion bald wieder, aber sowohl die Menge des Magensaftes, als auch der Verlauf der Absonderung war dann vor\u00fcbergehend ver\u00e4ndert. Wir sind zun\u00e4chst in derselben Weise vorgegangen. Wir haben bei dem Hunde mit der Magenfistel und dem Hunde mit der einen Duodenalkan\u00fcle durch Eingie\u00dfen von eiskaltem 5\u00b0/oigen Ammoniak oder von\n*) J. Sawriew, Diss. St. Petersburg 1900. \u2014 J. P. Pawlow, Das Experiment als Methode mediz. Forschung, Wiesbaden 1900.","page":71},{"file":"p0072.txt","language":"de","ocr_de":"72\tOtto Cohnheim und Georges L. Dreyfus,\n55\u00b0 hei\u00dfem Wasser einen Magenkatarrh zn erzeugen versucht und haben dann den Hunden das Probefr\u00fchst\u00fcck zu fressen gegeben. Unmittelbar nach dem Eingriff erbrachen die Hunde ein oder mehrere Male, machten einen recht kranken Eindruck und weigerten sich, zu fressen. Wenn sie sich aber erholt hatten, so war auch von der Wirkung des Eingriffes nicht mehr viel zu sehen. Vor allem ist es uns nicht gelungen, die Motilit\u00e4t des Magens irgendwie zu beeinflussen. Aus der Magenfistel entleerte sich nach 45 Minuten ebensoviel Brotbrei wie in den normalen Versuchen, und bei Er\u00f6ffnung der Duodenalkan\u00fcle zeigten sich auch normale Verh\u00e4ltnisse. Die Acidit\u00e4t war anfangs ein wenig vermindert, sp\u00e4ter vielleicht h\u00f6her als gew\u00f6hnlich, aber die Unterschiede waren so gering, da\u00df man nichts Bestimmtes aus ihnen entnehmen kann.\nVersuch 28. Magenfistelhund.\nEingie\u00dfen von eiskaltem Ammoniak. Erbrechen.\nN\u00e4chsten Tag. Probefr\u00fchst\u00fcck. 45 Min. sp\u00e4ter 43 Ges.-Ac., 7 freie HCl.\n2. \u00bb\t2>\t45 \u00bb\t\u00bb\t66\t\u00bb\tSpur \u00bb\t\u00bb\n3.\t\u00bb\t\u00bb\t45 \u00bb\t\u00bb\t74\t\u00bb\t10 \u00bb\t\u00bb\n5.\t\u00bb\t>\t45 \u00bb\t\u00bb\t72\ty>\t14\t\u00bb\t\u00bb\nVersuch 29. Magenfistelhund.\nEingie\u00dfen von 55\u00b0 hei\u00dfem Wasser. Erbrechen.\nN\u00e4chsten Tag. Probefr\u00fchst\u00fcck. 45 Min. sp\u00e4ter 56 Ges.-Ac., 7 freie HCl. 2.\t\u00bb\t\u00bb\t45\t\u00bb\t\u00bb\t66\t\u00bb\t20\t\u00bb\t\u00bb\nVersuch 30. Duodenalfistelhund.\nEingie\u00dfen von eiskaltem Ammoniak bei offener Kan\u00fcle. Erbrechen.\nN\u00e4chsten Tag. Probefr\u00fchst\u00fcck. 45 Min. sp\u00e4ter 65 Ges.-Ac., 25 freie HCl.\nVersuch 31. Duodenalfistelhund.\nEingie\u00dfen von 550 hei\u00dfem Wasser. Erbrechen. Nahrungsverweigerung.\nN\u00e4chsten Tag. Probefr\u00fchst\u00fcck.\n45 Min. sp\u00e4ter in der Kan\u00fcle 30 Ges.-Ac., 10 freie HCl.\nDie feinen Unterschiede, die Pawlow mit der Methode des \u00abkleinen Magens\u00bb noch beobachten konnte, verwischen","page":72},{"file":"p0073.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Physiologie und Pathologie der Magenverdauung. 73\nsich bei der Acidit\u00e4tsbestimmung offenbar, und st\u00e4rkere Abweichungen ergaben sich bei diesen Versuchen nicht.\nWir haben dann die Entleerung des Magen zu verz\u00f6gern gesucht, indem wir in die Duodenalfistel des Hundes mit 1 Kan\u00fcle Gummiballons einf\u00fchrten und durch ihr Aufblasen den Weg ins Freie, wie den Weg in den Darm versperrten. Dabei kam es (s. o.) infolge der Ballonwirkung auch bei schwachem Aufblasen nach einiger Zeit zu Erbrechen.\nVersuch 32.\nProbefr\u00fchst\u00fcck. Beginn der Sperrung 25 Minuten nachher, Ende 50 Minuten sp\u00e4ter:\n25 Minuten.\tErbrochenes.\t42\tGes.-Ac.,\t15 freie\tHCl.\n50\t\u00bb\t\u00bb\t68\t\u00bb\t40\t\u00bb\t\u00bb\n60\t\u00bb\tKan\u00fcle.\t60\t\u00bb\t45\t\u00bb\t\u00bb\nVersuch 33.\nProbefr\u00fchst\u00fcck. Sperrung von der 25. bis 60. Minute. 60 Minuten. Kan\u00fcle. 70 Ges.-Ac., 50 freie HCl.\nVersuch 34.\nProbemahlzeit. Von der 2. bis 3. Stunde Sperrung.\n2 St. 30 Min. Erbrochenes. 57 Ges.-Ac., \u2014 35 HCl-Defizit.\n2\t\u00bb 50 \u00bb\t\u00bb\t58\t\u00bb\t\u2014\t28\t\u00bb\n3\t> \u2014\t\u00bb\tKan\u00fcle.\t82\t>\t\u2014\t5\t\u00bb\t26\tmg\tN\tin\t10 ccm.\nVersuch 35.\nProbemahlzeit. Sperrung von 75 Minuten bis 3 Stunden.\n3 Stunden. Kan\u00fcle. 102 Ges.-Ac., Spur freie HCl.\nDie Acidit\u00e4ten sind also entweder normal, oder sie zeigen \u00abine Steigerung der freien Salzs\u00e4ure, weil sich der Magensaft im Magen ansammelt. Eine genauere Analyse wurde durch das Erbrechen unm\u00f6glich, und er\u00fcbrigte sich, da Weintraud1) vor Jahren schon dife Wirkung eines Hindernisses am Pylorus auf den Magen untersucht hat. Er verengte bei Hunden den Pylorus durch ein Gummiband mehr oder weniger, und beobachtete dann die Ansammlung fl\u00fcssiger Massen im Magen, Ektasie des Magens, Erbrechen, Behinderung der Resorption usw.\n0 W. Weintraud, 16. Kongr. f. innere Medizin, 1899.","page":73},{"file":"p0074.txt","language":"de","ocr_de":"74\nOtto Cohnheim und Georges L. Dreyfus,\nErheblichere Abweichungen von der Norm erhielten wir erst, als wir garnicht den Magen angriffen, sondern als wir, ankn\u00fcpfend an fr\u00fchere Beobachtungen1) des einen von uns, den Einflu\u00df einer D\u00fcnndarmst\u00f6rung auf die Magen Verdauung untersuchten. Es gen\u00fcgte, eine 4\u00b0/oige Kochsalzl\u00f6sung oder eine 4\u00b0/oige Magnesiumsulfatl\u00f6sung in den D\u00fcnndarm zu bringen, um eine schwere St\u00f6rung der Motilit\u00e4t und der Sekretion des Magens hervorzurufen. Die Magenentleerung wird durch beide Salze um Stunden verz\u00f6gert, die Sekretion aber wird durch Kochsalz stark verringert, durch Magnesiumsulfat abnorm gesteigert.\nDie ersten Versuche bestanden darin, da\u00df wir dem Hund mit der Magenfistel bei geschlossener Kan\u00fcle mit der Schlundsonde 500\u2014700 ccm einer L\u00f6sung eingossen, die im Liter 46 g MgS04 enthielt. Verd\u00fcnntere L\u00f6sungen oder geringere Mengen erwiesen sich als wirkungslos, auf diese Mengen bekam der Hund dagegen, wie zu erwarten, eine starke Diarrh\u00f6e, es erfolgten mehrmals hintereinander reichliche, d\u00fcnne Entleerungen, der Hund machte kurze Zeit einen elenden Eindruck und verweigerte die Nahrungsaufnahme. Nach IVa Stunden oder l\u00e4nger, wenn er sich erholt hatte, bekam er zu fressen und es fanden sich folgende Zahlen:\nVersuch 36.\n250ccm 3,3\u00b0/oMgS04. Nach 3\u20144 Stunden Probefr\u00fchst\u00fcck.\nNach 1 Stunde 72 Ges.-Ac., 35 freie HCl.\nVersuch 37.\n700 ccm 4,6 \u00b0/o MgS04. Nach 20 Stunden Probefr\u00fchst\u00fcck.\nNach 1 Stunde 91 Ges.-Ac., 51 freie HCl, 29 mg N in 10 ccm.\nVersuch 38.\n700 ccm 4,6 \u00b0/o MgS04. Nach 21/a Stunden Probefr\u00fchst\u00fcck.\nNach 1 Stunde 88 Ges.-Ac., 58 freie HCl.\nVersuch 39.\n500ccm 4,6\u00b0/o MgS04. Nach PI2 Stunden Probefr\u00fchst\u00fcck.\nNach 1 Stunde 89 Ges.-Ac., 53 freie HCl.\n9 0. Cohnheim, M\u00fcnchener med. Wochenschr., 1907.","page":74},{"file":"p0075.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Physiologie und Pathologie der Magenverdauung.\n75\nVersuch 40.\n700 ccm 4,6\u00b0/o MgS04. Nach VU Stunden Probemahlzeit.\nNach 3 Stunden 97 Ges.-Ac., \u201417 HCl-Defizit, 40 mg N in 10 ccm.\nDer Inhalt war au\u00dferdem in allen F\u00e4llen gr\u00f6\u00dfer, als wir es sonst gewohnt waren, und auffallend d\u00fcnnfl\u00fcssig, kurz er machte den Eindruck eines hyperaciden Mageninhalts. Wir lie\u00dfen nun eine Anzahl Versuche an dem Hund mit einer Duodenalkan\u00fcle folgen und lie\u00dfen, unmittelbar nachdem der Hund das Probefr\u00fchst\u00fcck gefressen hatte, eine 4\u00b0/oige Magnesiumsulfatl\u00f6sung in die Duodenalkan\u00fcle laufen. Entweder lie\u00dfen wir die Kan\u00fcle offen, oder versperrten den R\u00fccklauf mit einem Ballon, soda\u00df sicher nichts in den Magen gelangen konnte. Hier kam es zu viel st\u00e4rkeren Diarrh\u00f6en, und au\u00dferdem wurde das Allgemeinbefinden der Hunde schwer gest\u00f6rt ; sie zeigten die fr\u00fcher beschriebenen deutlichen Zeichen der Nausea und erbrachen schlie\u00dflich. Aus der Kan\u00fcle kam in einer Stunde kein Mageninhalt. In dem Erbrochenen fanden sich:\nVersuch 41. 42 Ges.-Ac., 26 freie HCl.\n\u00bb\t42. 31\t13\t\u00bb\nWir \u00e4nderten nun die Versuchsanordnung so ab, da\u00df wir diesem, sowie 2 Hunden mit 2 Duodenalkan\u00fclen zun\u00e4chst n\u00fcchtern die Magnesiumsulfatl\u00f6sung in die Einspritz Vorrichtung der Kan\u00fcle einlaufen lie\u00dfen, und die Tiere erst sp\u00e4ter, wenn der Durchfall und die Allgemeinerscheinungen vor\u00fcber waren, f\u00fctterten. Au\u00dfer den reichlichen, d\u00fcnnen Kotentleerungen flo\u00df auch aus der Duodenalkan\u00fcle Fl\u00fcssigkeit ab, in der Schleimflocken und mikroskopisch Leukocyten und abgesto\u00dfene Darmepithelien sichtbar waren. Es kommt bei der \u00dcberschwemmung des Darms mit der starken Salzl\u00f6sung zu einem \u00abdesquamativen Katarrh\u00bb des D\u00fcnndarms, wie man dies wohl nennen mu\u00df, und zu einem sehr reichlichen Ergu\u00df von Fl\u00fcssigkeit in den Darm. Die Hunde leiden stark Durst und saufen gro\u00dfe Mengen Wasser. Erst wenn diese den Magen wieder verlassen hatten, wurde das Probefr\u00fchst\u00fcck gegeben. Es ergaben sich folgende Acidit\u00e4ten:\nVersuch 43.\t60 Ges.-Ac., 33 freie HCl (Erbrechen).\n\u00bb\t44. 62\t\u00bb\t22 \u00bb\t\u00bb","page":75},{"file":"p0076.txt","language":"de","ocr_de":"76\tOtto Cohnheim und Georges L. Dreyfus,\nVersuch 46.\t75 Ges.-Ac., 48 freie HCl\n\u00bb\t47. 103\t\u00bb\t71 \u00bb\nV2 Stunde sp\u00e4ter 116\t\u00bb\t85 \u00bb\t\u00bb\nDie Steigerung der Acidit\u00e4t ist in den meisten Versuchen ebenfalls deutlich, das aus der Kan\u00fcle Kommende war viel fl\u00fcssiger und ebenso war die Verz\u00f6gerung der Entleerung immer zu sehen, nach einer Stunde waren erst die 1. Portionen Brot in der Duodenalkan\u00fcle zu beobachten. Wir wollten dann sehen, ob etwa \u2014 mit R\u00fccksicht auf die unten anzuf\u00fchrenden Kochsalzversuche \u2014 eine h\u00f6here, dem Chlornatrium von 4\u00b0/o isotonische Konzentration des Magnesiumsulfats andere Resultate h\u00e4tte. Wir lie\u00dfen 2 Hunden eine L\u00f6sung von 8,5 \u00b0/o einlaufen, aber beide reagierten mit einem schweren Kollapszustand. Der eine lag fast 2 Stunden in tiefem Koma mit kleinem, langsamem Puls, erholte sich dann langsam. Der andere starb im Koma etwa 1 Stunde nach der Injektion; die Sektion ergab, da\u00df der Darm schwappend mit Fl\u00fcssigkeit gef\u00fcllt war. Die Schleimhaut war ganz auffallend bla\u00df, die Mesenterialgef\u00e4\u00dfe dagegen strotzend mit Blut gef\u00fcllt. Eine Giftwirkung des Magnesiums, die ja nach den Meitzer sehen Beobachtungen denkbar w\u00e4re, halten wir f\u00fcr unwahrscheinlich, da wir derartige Kollapse, wie gleich zu erw\u00e4hnen, auch nach Injektion von Kochsalz in den Darm gesehen haben. Vielmehr mu\u00df entweder der auf den Darm ausge\u00fcbte Reiz oder die eigent\u00fcmliche m\u00e4chtige Blutansammlung in den Darmgef\u00e4\u00dfen die Ursache sein.\nAn einem weiteren Hunde mit 2 Duodenalfisteln, die ein getrenntes Auffangen des Mageninhaltes gestatteten, haben wir dann 2 Versuche gemacht, in denen w\u00e4hrend der ganzen Dauer der Entleerung der Mageninhalt aufgefangen und gleichzeitig Salzs\u00e4ure von entsprechender Konzentration ins Duodenum eingef\u00fchrt wurde, also genaue Analoga der Versuche 1\u20143 und 18. Nur wurde bei Beginn des Versuches Magnesiumsulf'alt in den Darm eingelassen.\nVersuch 48.\nProbefr\u00fchst\u00fcck. Dauer 5 Stunden.\nVerf\u00fcttert: 454 g Probefr\u00fchst\u00fcck.\n190 \u00bb Wasser.\n644 g","page":76},{"file":"p0077.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Physiologie und Pathologie der Magenverdauung.\n77\nEntleert 934 g Acidit\u00e4t 37.\nSekret 290 > Sekret aus Acidit\u00e4t 226.\nVersuch 49.\nHalbe Probemahlzeit. 1020 F\u00fctterung, unmittelbar vorher und w\u00e4hrend des Fressens Einlauf von MgS04. Erst um 12 Uhr wird die Entleerung etwas reichlicher. 4 Uhr Ende, von l30 an wird keine Salzs\u00e4ure mehr eingef\u00fchrt, und die Entleerung geht doch sehr langsam. Der Inhalt ist sehr verfl\u00fcssigt.\nVerf\u00fcttert: 452 g Probemahlzeit.\n320 \u00bb Wasser.\n772 g\nEntleert: 1201 \u00bb Acidit\u00e4t 65.\tSekret 510 g\n131 >\t\u00bb\t115.\t\u00bb\t98 \u00bb\n1332 g\t608 g\nSekret 560 \u00bb\nDie Verz\u00f6gerung der Entleerung und die Vermehrung der Sekretion sind in den beiden Versuchen gegen die Norm sehr deutlich.\nVersuche mit CINa von 4\u00b0/o.\nDie Versuchsanordnung war genau die gleiche wie in den Magnesiumsulfatversuchen, auch der starke Durchfall, die Entleerung einer schleimhaltigen, mit abgesto\u00dfenen Darmepithelien erf\u00fcllten Fl\u00fcssigkeit war die gleiche. Ebenso waren bei den Hunden deutliche Erscheinungen von Nausea aufgetreten, einige Male kam es zu Erbrechen, soda\u00df der Versuch nicht zu Ende gef\u00fchrt werden konnte, 2 mal kollabierten die Hunde vor\u00fcbergehend. Die Hunde hatten starken Durst und verweigerten eine Zeitlang die Nahrungsaufnahme, soda\u00df bei einigen Versuchen zwischen der Einspritzung des Kochsalzes in den Darm und der F\u00fctterung eine gewisse Zeit verlief. In anderen Versuchen lie\u00dfen wir \u00a7ine Kochsalzl\u00f6sung gleichzeitig mit der F\u00fctterung in den Darm einlaufen. Dann haben wir, wenn die Hunde durstig wurden, Wasser in den Darm eingespritzt. Was die uns interessierende Einwirkung auf den Magen anlangt, so war in allen F\u00e4llen eine sehr betr\u00e4chtliche Verz\u00f6gerung der Entleerung zu beobachten, und au\u00dferdem eine starke Herabsetzung der Sekretion. In den Versuchen, in denen wir w\u00e4hrend","page":77},{"file":"p0078.txt","language":"de","ocr_de":"78\nOtto Cohnheim und Georges L. Dreyfus,\nder ganzen Versuchszeit den Mageninhalt aus der Duodenalkan\u00fcle auffingen, war die Verminderung der Sekretmenge sehr deutlich, in den Versuchen, in denen wir die Duodenalkan\u00fcle \u00f6ffneten, machte sich die Sekretionsverminderung in einer Herabsetzung der Acidit\u00e4t geltend.\nVersuch 50.\nHund mit 2 Kan\u00fclen. Probefr\u00fchst\u00fcck. Um 10 Einlauf des Kochsalzes und F\u00fctterung. Kollaps des Hundes, starke Diarrh\u00f6en. Einspritzung von Wasser in den Darm. Erst um 12 10 beginnt die Magenentleerung und dauert bis 425, langsame Entleerung, erst Wasser, dann Brotbrei, der weniger verfl\u00fcssigt ist, als in den Normalversuchen.\nVerf\u00fcttert: 433 g Probefr\u00fchst\u00fcck.\n180 \u00bb Wasser.\n613 g\nEntleert: 673 \u00bb\tAcidit\u00e4t 24. Sekret 106.\nSekret :\t60 \u00bb\nVersuch 51.\nDerselbe Hund. Halbe Probemahlzeit. 1016 Einspritzung\n\u2022 \u2022 ______\nund F\u00fctterung. Pause mit Zeichen der \u00dcbelkeit, Durst ; Wassereinspritzung. Bis 1250 entleert sich kein Tropfen, dann beginnt die Entleerung und geht in verlangsamtem Tempo weiter; die ersten Portionen sind kaum sauer, sp\u00e4ter nimmt die Acidit\u00e4t stark zu. Ende 3 Uhr.\nVerf\u00fcttert: 440 g Probemahlzeit.\n605 \u00bb Wasser.\n1045 g\nEntleert: 951 \u00bb\tAcidit\u00e4t 30. Sekret 186 g\n330 >\t>\t45.\t97 >\n1281 g\t283 g\nSekret :\t236 \u00bb\nVersuch 52.\nDer Hund mit 2 Kan\u00fclen erh\u00e4lt nachmittags einen Einlauf von Chlornatrium. N\u00e4chsten Mittag Verf\u00fctterung einer ganzen Probemahlzeit. Beginn und Dauer der Entleerung normal, 3V4 Stunden.","page":78},{"file":"p0079.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Physiologie und Pathologie der Magenverdauung.\n79\nZufuhr: 806 g Probemahlzeit.\n175 \u00bb Wasser.\n981 g\nEntleert: 1463 > Acidit\u00e4t 77.\t721 g Sekret.\nSekret :\t452 g\nDie Acidit\u00e4t wurde in folgenden Versuchen bestimmt, bei denen an den Hund mit 1 Kan\u00fcle das Probefr\u00fchst\u00fcck verf\u00fcttert wurde:\nVersuch 53.\tNach 70 Min.\t\t\t14 Ges.-Ac.,\t\t4 freie HCl\t(Erbrechen)\n\t\u00bb\t70\t\t38\t3>\t16 \u00bb\t(Kan\u00fcle)\n\t3>\t75\t>\t40\t\u00bb\t12 >\t\u00bb\nVersuch 54.\t\u00bb\t\u2014\t\u00bb\t24\t> \t\t18 HCl-Defizit\t>\n\t>\t\u2014\t\u00bb\t27\t\u00bb \t\t5\t(Erbrechen)\nVersuch 55.\t\u00bb\t45\t>\t33\t\u00bb \t\t2\t(Kan\u00fcle)\nN\u00e4chsten Tag\t\u00bb\t45\t\u00bb\t50\t\u00bb\t13 freie HCl\t>\nVersuch 56.\t\u00bb\t60\t\u00bb\t42\t>\t8 \u00bb \u00bb\t\n\t\u00bb\t60\t>\t64\t\u00bb\t28 \u00bb \u00bb\t(Erbrechen)\nVersuch 57.\t\u00bb\t45\t\u00bb\t54\t2>\t32\t\u00bb\t\u00bb\t(Kan\u00fcle)\nDie Acidit\u00e4t ist also mit Ausnahme von 1 Versuch deutlich, in mehreren Versuchen erheblich niedriger als in der Norm, was man dem Brotbrei auch an seiner gr\u00f6\u00dferen Trockenheit deutlich ansieht. Mehrmals war es kaum m\u00f6glich, genug Fl\u00fcssigkeit zur Titration zu erhalten. Einige aus dem Rahmen fallende Versuche sehen so aus, als ob die Sekretion erst vermindert. nachher aber vermehrt sei; auch Versuch 52 deutet daraufhin, und Pawlow hat \u00e4hnliches gesehen.\nWir stellen tabellarisch die Versuchsergebnisse der Normalversuche, der Versuche mit MgS04 und mit CINa zusammen.\nIn der 2. Tabelle sind die in einer zusammenh\u00e4ngenden Reihe ausgef\u00fchrten Versuche an ein und demselben Hund, der 2 Kan\u00fclen trug, vereinigt, 3 Probefr\u00fchst\u00fccke (Versuch 1\u20143) und eine halbe Prot)emahlzeit (Versuch 18) unter normalen Bedingungen, 1 Probefr\u00fchst\u00fcck (Versuch 48) und 1 halbe Probe-mahizeit (Versuch 49) nach Einspritzung von MgS04,1 Probefr\u00fchst\u00fcck (Versuch 50) und 1 halbe Probemahlzeit (Versuch 51) nach CINa. Die Sekretmenge ist sowohl aus dem Gewichtsunterschied zwischen Ein- und Ausfuhr als aus der Acidit\u00e4t berechnet.","page":79},{"file":"p0080.txt","language":"de","ocr_de":"80\tOtto Cohnheim und Georges L. Dreyfus,\nTabelle I.\nAcidit\u00e4ten beim Probefr\u00fchst\u00fcck.\nNormal\t\tMgS04\t\tNaCl\t\nGes.-Ac.\tHCl\tGes.-Ac.\tHCl\tGes.-Ac.\tHCl\n58\t22\t60\t33\t14\t4\n70\t29\t62\t22\t38\t16\n68\t35\t81\t40\t40\t12\n52\t27\t75\t48\t24\t\u2014 18\n59\t23\t103\t71\t27\t\u2014 5\n80\t20\t116\t85\t13\t\u2014 2\n56\t16\t91\t51\t42\t8\n70\t35\t88\t58\t64\t28\n\t\t89\t53\t54\t32\nTabelle II.\n\tNormal\t\tMgS04\t\tNaCl\t\n\tSekret nach Gewicht\tSekret aus Acidit\u00e4t\tSekret nach Gewicht\tSekret aus Acidit\u00e4t\tSekret nach Gewicht\tSekret aus Acidit\u00e4t\nProbe-\t175\t163\t290\t226\t60\t106\n\t146\t152\t\t\t\t\nfr\u00fchst\u00fcck\t154\t137\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\nProbe- mablzeit\t398\t395\t560\t608\t236\t283\n(halb)\t\t\t\t\t\t\nAus diesen Tabellen, besonders der zweiten, geht die starke und gegens\u00e4tzliche Beeinflussung der Magensaftsekretion durch die Einwirkung der beiden Salze vom Darm aus hervor.\nDie letzte Tabelle beweist, da\u00df dabei nicht nur die Menge, sondern auch die Zusammensetzung des Magensaftes ver\u00e4ndert ist. Denn w\u00e4hrend bei den Normal versuch en die Berechnung aus der Menge und die aus der Acidit\u00e4t nahezu \u00fcbereinstimmende Werte liefert, ist das nach der Einspritzung der Salzl\u00f6sungen nicht der Fall, also mu\u00df der abgesonderte Magensaft eine andere","page":80},{"file":"p0081.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Physiologie und Pathologie der Magenverdauung.\n81\nAcidit\u00e4t haben. Besonders scharf zeigt sich der Unterschied im Versuch 52, in dem die Nachwirkung von Ghlornatrium beobachtet wurde, und in dem ein abnorm saurer Magensaft abgesondert worden sein mu\u00df. Es sind von verschiedenen Seiten Zweifel ge\u00e4u\u00dfert worden, ob die Hyperacidit\u00e4t des Mageninhalts notwendig auf einer zu hohen Konzentration des Magensaftes beruhe. Besonders hat Bickel1) auseinandergesetzt, wie eine ver\u00e4nderte Motilit\u00e4t oder \u00c4nderungen der Pepsinwirkung eine Hyperacidit\u00e4t bewirken k\u00f6nnen. Anderseits finden sich in den Arbeiten von Katschkowsky2) und von Boldireff3) vereinzelte Angaben \u00fcber einen abnorm hohen S\u00e4uregehalt des Magensaftes. An der M\u00f6glichkeit einer wirklichen Hyperacidit\u00e4t ist nach unseren Befunden nicht zu zweifeln, wenn auch die \u00c4nderungen in der Sekretmenge die in der Zusammensetzung weit \u00fcberwiegen.\nDas wichtigste Resultat scheint uns aber zu sein, da\u00df man \u00fcberhaupt vom Darm aus starke und ganz typische St\u00f6rungen der Magensaftsekretion und der Magenmotilit\u00e4t hervorrufenkann. Im Gegensatz zu der Unempfindlichkeit des Magens, der durch derartig rohe Eingriffe, wie hei\u00dfes Wasser oder eiskaltes Ammoniak, nur vor\u00fcbergehend in Unordnung ger\u00e4t, gen\u00fcgt die Einf\u00fchrung zu konzentrierter Salzl\u00f6sungen in den Darm, um Sekretion und Motilit\u00e4t des Magens in charakteristischer Weise zu ver\u00e4ndern. Dabei sind wir bei unserer Versuchsanordnung ganz sicher, da\u00df kein Tropfen der Salzl\u00f6sungen in den Magen gekommen sein kann. Was wir beim Hunde auf Einspritzung von MgS04 in den D\u00fcnndarm beobachten, Verlangsamung der Entleerung um mehrere Stunden, starke Vermehrung des Mageninhalts, starke Hyperacidit\u00e4t, Nausea und \u00dcbelbefinden des Tieres w\u00fcrde beim Menschen als der Beweis f\u00fcr eine ernste Magenerkrankung angesehen werden. Der Befund w\u00fcrde eher zur Diagnose einer \u00abGastroxynsis\u00bb f\u00fchren, als zur Annahme einer Resorptionst\u00f6rung im Darm. Nach der Einspritzung von CINa\nA) A. Bickel, Biochem. Zeitschr., Bd. I.\n2)\tP. Katschkowsky, Pfl\u00fcgers Arch., Bd. LXXXIY, S. 6 (1901).\n3)\tW. N. Boldireff, Arch, des Sciences biolog. de St. P\u00e9ters-bourg, Bd. XI, S. 1 (1905).\nHoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie. LVIII.\t\u00ae","page":81},{"file":"p0082.txt","language":"de","ocr_de":"82\nOtto Cohnheim und Georges L. Dreyfus,\nin den Darm blieb die Probemahlzeit 2Va Stunden unver\u00e4ndert im Magen liegen, ohne da\u00df die kleinste Portion den Pylorus passierte ; als dann die Entleerung begann, war die erste Portion kaum sauer und kaum angedaut, soda\u00df also auch die Sekretion bis dahin nicht nennenswert gewesen sein kann. Wenn man 2lk Stunden nach der Probemahlzeit noch die ganze Masse unver\u00e4ndert im Magen vorf\u00e4nde, w\u00fcrde man an ein vorgeschrittenes Carcinom mit Motilit\u00e4tsst\u00f6rung denken. Nun k\u00f6nnen ja beim Menschen sich nat\u00fcrlich keine 4\u00b0/oigen Salzl\u00f6sungen im Darm ansammeln, aber wir wissen j\u00e4 auch garnicht, auf welche Weise diese Salzl\u00f6sungen vom Darm aus wirken und worauf die gegens\u00e4tzliche Wirkung der beiden Salze beruht. Irgendwelche andere Dinge, Gifte usw., k\u00f6nnen eventuell denselben Einflu\u00df haben.\nEs w\u00e4re ja nicht das erstemal, da\u00df durch experimentellpathologische Untersuchungen sich ein anderer Sitz einer Krankheit ergeben hat, als man bis dahin widerspruchslos angenommen hatte. So ist das Sinken des Blutdrucks bei Infektionskrankheiten fr\u00fcher allgemein als eine Herzschw\u00e4che aufgefa\u00dft worden, bis Romberg und P\u00e4ssler zeigten, da\u00df das Gef\u00e4\u00dfzentrum in der Medulla oblongata prim\u00e4r erkrankt, und das Herz sekund\u00e4r in Mitleidenschaft gezogen wird. Es liegt uns nat\u00fcrlich fern, zu behaupten, da\u00df die St\u00f6rungen der Magenverdauung immer vom Darm ausgehen. Aber das scheint uns aus unseren Versuchen hervorzugehen, da\u00df man bei allen St\u00f6rungen des Verdauungstraktus nicht nur an den Magen denken darf, den wir leidlich gut untersuchen k\u00f6nnen, und auf den subjektiv die Beschwerden immer bezogen werden. Es ist sehr gut m\u00f6glich, da\u00df viele dieser Beschwerden vom D\u00fcnndarm ausgehen, der anatomisch und funktionell das Zentrum der Verdauung bildet, und dessen Pathologie noch kaum erforscht ist. Eine gro\u00dfe Anzahl von Magenkrankheiten, die wir diagnostizieren, z. B. chronischer Magenkatarrh, Atonia ventriculi, Gastroptose, Ulcus ventriculi ohne H\u00e4matemesis, sind so verschwommen, da\u00df man zu der Vermutung gedr\u00e4ngt wird, es handle sich hier garnicht um Krankheiten, sondern nur um wechselnde Magensymptome von Erkrankungen, die ganz wo anders ihren Sitz","page":82},{"file":"p0083.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Physiologie und Pathologie der Magenverdauung.\n83\nhaben. Der experimentelle Nachweis, da\u00df es m\u00f6glich ist, Magensymptome vom D\u00fcnndarm aus hervorzurufen, spricht sehr f\u00fcr diese Vermutung.\nWir fassen die Hauptresultate zusammen: Die Verdauung des Probefr\u00fchst\u00fccks und der Probemahlzeit geschieht im Magen des Hundes in der gleichen Zeit wie beim Menschen, und die Acidit\u00e4t des Mageninhaltes ist bei Mensch und Hund gleich.\nBei dem Probefr\u00fchst\u00fcck und der Probemahlzeit ist die Anordnung des Mageninhalts eine solche, da\u00df die Ausheberung des Magens recht wohl brauchbare Resultate geben kann.\nAuf die Probemahlzeit werden 700\u2014800 ccm Magensaft und mehr als 500 ccm Pankreassaft und Galle ergossen.\nAuf das Probefr\u00fchst\u00fcck werden etwa 150 ccm Magensaft und mehr als 250 g Pankreassaft und Galle ergossen.\nWenn man einem Hunde mehrere 100 ccm einer 4\u00b0/oigen Magnesiumsulfatl\u00f6sung mit Umgehung des Magens in den D\u00fcnndarm einspritzt, so tritt eine starke Verlangsamung der Magenentleerung und eine Hypersekretion und Hyperacidit\u00e4t des Magens ein.\nWenn man eine 4\u00b0/oige Chlornatriuml\u00f6sung einspritzt, erh\u00e4lt man dieselbe Motilit\u00e4tsst\u00f6rung, aber eine Hypacidit\u00e4t und Hyposekretion.\nf\n6*","page":83}],"identifier":"lit18731","issued":"1908-09","language":"de","pages":"50-83","startpages":"50","title":"Zur Physiologie und Pathologie der Magenverdauung","type":"Journal Article","volume":"58"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:18:23.946190+00:00"}