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{"created":"2022-01-31T13:46:49.229755+00:00","id":"lit18733","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Strzyzowski, Casimir","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 58: 92-96","fulltext":[{"file":"p0092.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis der physikalisch-chemischen Eigenschaften milchig aussehender Ascitesfl\u00fcssigkeiten.\nYon\nCasimir Strzyzowski.\n(Aus dem Laboratorium f\u00fcr physiologische Chemie an der medizinischen Universit\u00e4tsklinik in Lausanne.)\n(Der Redaktion zugegangen am 13. Oktober 1908.)\nEs darf immerhin nicht nur als etwas Auffallendes, sondern auch als etwas Beachtenswertes gelten, wenn bei einer Abdominalpunktion eine bisweilen absolut wei\u00dfe Fl\u00fcssigkeit entleert wird, die dem Aussehen nach der besten Kuhmilch an die Seite gestellt werden k\u00f6nnte. Untersucht man aber diese beiden Fl\u00fcssigkeiten mikroskopisch (Obj. 7; Ok. 3), so findet man meist, da\u00df die Verteilung des Fettes \u2014 welch letztere doch die Ursache des wei\u00dfen Aussehens ist \u2014 bei diesen Fl\u00fcssigkeiten eine ganz verschiedene ist. W\u00e4hrend bei der Milch das Fett bei einer 480 fachen Vergr\u00f6\u00dferung in Form von 1,6\u201410 p gro\u00dfen K\u00fcgelchen erscheint, gibt sich dasselbe bei wei\u00df aussehenden Ascitesfl\u00fcssigkeiten h\u00e4ufig durch nichts Besonderes zu erkennen. Das Gesichtsfeld ist, abgesehen von den ab und zu vereinzelt vorkommenden wei\u00dfen Blutzellen, fast vollkommen homogen und l\u00e4\u00dft auf eine \u00fcberaus feine Verteilung des Fettes schlie\u00dfen. Einer solchen staubf\u00f6rmigen Fettverteilung, die wir so vollkommen nicht einmal in dem Chylus antreffen, begegnete ich bei einer mir von den Herren Prof. Dr. Roux und Dr. Be go un freundlich zur Verf\u00fcgung gestellten Ascitesfl\u00fcssigkeit, \u00fcber deren Herkommen, Eigenschaften und Zusammensetzung hier kurz das Nachstehende mitgeteilt werden soll.\nAnamnese.\nDie sich, auf diesen Fall beziehende Krankheitsgeschichte, welche ich gleichfalls den beiden vorgenannten Kollegen verdanke, war folgende :\n56 Jahre alte Patientin, die viel \u00e4lter aussieht und sehr herab-gekommen ist. Wird den 10. August 1901 zum erstenmal in die Klinik des Professors Roux aufgenommen. Chronischer Ileus, der operiert werden mu\u00df. Diagnose: Carcinom des Caecums. Operation den 14. August. Tumor von der Gr\u00f6\u00dfe einer Faust, der sich in dem Hauptanteil des Caecums ausbreitet und durch zahlreiche knotenartige Gebilde im Mesenterium, mit Metastase im Leberhilus, kennzeichnet. Prof. Roux f\u00fchrt die Ileo-colostomie aus.","page":92},{"file":"p0093.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber milchig aussehende Ascitesfl\u00fcssigkeiten.\n93\n10. Mai 1904 neue Aufnahme in die Klinik. Patientin ern\u00e4hrt sich wegen der stark vorgeschrittenen Pylorusverengerung schlecht und erbricht. Bei der Betastung an der Pylorusgegend, am Hypochondrium und der Fossa iliaca zahlreiche harte Massen. Neue Operation : 13. Mai. Gastroenterostomie r\u00e9trocolique post\u00e9rieure simple. Befund. Pylorus-kompression durch eine metastatische Geschwulst. \u00c4hnliche von dem prim\u00e4ren Tumor ausgehende Neubildungen befinden sich gleichfalls in der Fossa iliaca und im Hypochondrium. Patientien erholt sich auch diesmal. Ern\u00e4hrung sowie Darmfunktion bedeutend gebessert.\n2 Jahre darauf (8. Mai 1906) dritte und letzte Aufnahme. Status praesens. \u00d6dem an den beiden unteren Extremit\u00e4ten in Begleitung mit ausgepr\u00e4gtem, bis auf die Bauchhaut sich ausdehnendem Ascites. Allgemeiner Schw\u00e4chezustand. Temperatur: 38,2\u201438,5\u00b0. Harn: Spuren Eiwei\u00df. Die Ern\u00e4hrung liegt sehr darnieder. Die Patientin wird vom 1. Juni an bettl\u00e4gerig. Wegen der \u00fcberaus gro\u00dfen Bauchdimension und der daraus resultierenden sehr starken Oppression wird den 12. Juni links am unteren Drittel eine Abdominalpunktion vorgenommen, wobei eine milchwei\u00dfe Fl\u00fcssigkeit entleert wird, deren Volumen 3140 ccm entspricht. Die Gesamtmenge d\u00fcrfte indessen viel gr\u00f6\u00dfer gewesen sein, da ein Teil von dem Erg\u00fcsse absichtlich in der Bauchh\u00f6hle zur\u00fcckgelassen wurde. Die Patientin wird mit der zunehmenden Kachexie und Inanition immer schw\u00e4cher. Exitus letalis: 18. Juli, d. h. 5 Jahre nach dem ersten chirurgischen Eingriff, der wegen des zu sehr vorger\u00fcckten \u00dcbels nur palliativ wirken konnte.\nEigenschaften und Zusammensetzung der Ascitesfl\u00fcssigkeit.\nBei der mikroskopischen Untersuchung war, wie bereits erw\u00e4hnt, au\u00dfer vereinzelt vorkommenden Blutzellen nichts anderes zu verzeichnen. Das Fett war staubf\u00f6rmig verteilt und die Reaktion alkalisch. Beim Aufkochen trat keine Gerinnung ein, auch nicht nach Zusatz von 5\u00b0/oiger Essigs\u00e4ure. Wurden dagegen etwa 10 ccm in einem Reagenzrohre in ein kaltes Wasserbad gebracht und letzteres nach und nach auf 100\u00b0 erw\u00e4rmt, so war das Transsudat in eine halbfl\u00fcssige gel\u00e9eartige\n*\tf\nMasse umgewandelt. Wenn nun auch auf diesem Wege die Eiwei\u00dfstoffe nicht zur F\u00e4llung kamen, so konnte dies auf die nachstehende Weise leicht erzielt und nebenbei auch eine fast vollst\u00e4ndige TreiJJhing der Fette erreicht werden.\n1 1 von dem unter best\u00e4ndigem Umr\u00fchren bis zum Aufkochen erhitzten Transsudate wurde in 970 ccm kalten Alkohol","page":93},{"file":"p0094.txt","language":"de","ocr_de":"94\nCasimir Strzyzowski,\n(95\u00b0/o) gegossen, darauf der Mischung 30 ccm Essigs\u00e4ure (5\u00b0/o) hinzugef\u00fcgt und diese Fl\u00fcssigkeit in einem Kolben mit R\u00fcckflu\u00dfk\u00fchler auf dem Wasserbade 3\u20144 Stunden unter zeitweisem Umr\u00fchren erhalten. Darauf wurde der hei\u00dfe Kolbeninhalt ruhig und langsam abk\u00fchlen gelassen, wobei sich die Eiwei\u00dfk\u00f6rper koaguliert auf dem Boden absetzten, w\u00e4hrend die Fette an der Oberfl\u00e4che erschienen. Auffallend war, da\u00df hierbei eine Trennung des Trioleins von dem Tripalmitin und Tristearin zustande kam, soda\u00df das erstere fl\u00fcssige von den beiden letzteren bei Zimmertemperatur starren und an den Gef\u00e4\u00df Wandungen haftenden Fetten getrennt gesammelt werden konnte.1)\nDas n\u00e4here \u00fcber die weitere Untersuchung sowie \u00fcber die Zusammensetzung dieses Transsudates ist aus dennachstehenden Daten ersichtlich.\nVolumen\t3140 ccm.\t\t\nAussehen\tKuhmilch gleich.\t\t\nReaktion\tAlkalisch.\t\t\nSp. Gewicht\t1,0113.\t\t\nA\t\t0,505\u00b0.\t\nZusammensetzung\t\tGramm in 100 ccm\tGramm in dem Gesamtvolumen: 3140 ccm\nWasser\t\t\t950,08\t2983,25\nTrockenr\u00fcckstand (100\u00b0)\t\t\t49,92\t156,74\nAschenr\u00fcckstand . \t\t\t\t8,04\t25,24\nNatriumchlorid\t\t\t6,05\t18,99\nf Serumalbumin8) . . . Pr0teine \\ Serumglobulin*) . . .\t\u2022 \u2022\t8,084\t25,38\n\t\u2022 \u2022\t14,30\t44,90\nGesamtstickstoff\t\t\t3,57\t11,20\nHarnstoff\t\t\t0,275\t0,86\nFett (spurenhaft lecithinhaltig)3) .\t\u2022 \u00ab\t16,738\t52,55\nZucker \t\t\t0,704\t2,21\n9 Das Verh\u00e4ltnis dieser festen Fette zu dem fl\u00fcssigen Fette war wie etwa 2 : 1.\n2) Da sich diese Proteine im Blut in einem ziemlich konstanten Verh\u00e4ltnisse befinden, so d\u00fcrfte es hier angezeigt sein, auf die auch","page":94},{"file":"p0095.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber milchig aussehende Ascitesfl\u00fcssigkeiten.\n95\nWie aus den obigen Daten zu ersehen ist, nimmt das Fett unter den Komponenten dieses Ergusses quantitativ die erste Stellung ein und es tr\u00e4gt sich nur, auf welche Weise die so \u00fcberaus feine Fettverteilung \u00fcberhaupt zustande kommt? Wenn man nun auch von mancher Seite das B er net sehe Globulin-Lecithin, eine Verbindung von Lecithin mit Globulin, als Ursache dabinzustellen geneigt war, so glaube ich dennoch, da\u00df hier ganz andere Faktoren mit im Spiele sind. So d\u00fcrfte unter anderem die Bewegung des Ergusses in der K\u00f6rperh\u00f6hle, die Temperatur wie auch die Alkalescenz des Milieus, denen das den Kapillarchylusgef\u00e4\u00dfen entstammende Fett stets ausgesetzt ist, teilnehmend wirken. Au\u00dferdem m\u00fcssen hierbei noch die osmotischen Kr\u00e4fte, die Beschaffenheit resp. das Verh\u00e4ltnis der fl\u00fcssigen zu den festen Fetten und insbe-\nschon bereits von mehreren Autoren hervorgehobenen, \u00fcberaus gro\u00dfen Schwankungen der Proportion, in der sich das Serumalbumin zu dem Serumglobulin in Ascitesfl\u00fcssigkeiten gew\u00f6hnlich vorfindet, hinzuweisen. Dies geht auch aus der nachstehenden, fr\u00fcher von mir ausgef\u00fchrten Analyse (Korrespondenz-Bl. f. Schweiz. \u00c4rzte, 1903 : \u00ab\u00dcber die chemische Zusammensetzung einer chyl\u00f6sen Ascitesfl\u00fcssigkeit\u00bb) deutlich hervor. Dieselbe bezieht sich auf ein Transsudat, das ich dem Herrn Prof. Dr. Bourget verdanke und von einer 60j\u00e4hrigen, an einem Tumor nahe am Leberhilus leidenden Patientin herr\u00fchrte. Dasselbe hatte folgende Zusammensetzung :\nVolumen: ca. 4000 ccm.\nSpez. Gewicht Wasser\nTrockenr\u00fcckstand (bei 99,5\u00b0) Aschenr\u00fcckstand Ser.umalbumin Serumglobulin\n\u00a9 00 \u00a9 1\tFett (lecithinhaltig) :\t6,396 \u00b0/oo\n1,0095\tZucker\t:\t1,388 \u00b0/oo\n970,74 \u00b0/oo\tHarnstoff\t:\t0,137 \u00b0/oo\n29,26 >o\tNatriumchlorid\t:\t6,375 %o\n9,39 % o\tCaO\t:\t0,149 \u00b0/oo\n7,078 J/oo\tP 0\t0,158 \u00b0/oo\n4,102 \u00b0/oo\tH2S04\t:\tSpuren.\nHoffmann und Pigeaud (zit. nach Hammarstens Lehrbuch der physiolog. Chemie, 1904, S. 219) sollen gefunden haben, da\u00df das in dem Erg\u00fcsse angetroffene Albumin-Globulinverh\u00e4ltnis dasselbe wie im Serum des betreffenden Kranken sein soll. Da\u00df ein solcher Befund eine gr\u00fcndliche Best\u00e4tigung n\u00f6tig hat, bedarf wohl keines Kommentars.\n3) Sowohl das Tripalmitin und Tristearin als auch das Triolein erwiesen sich als lecithinhaltig. Doch waren die Spuren, die in diesem letzteren zu eruieren waren, bei weitem geringer als diejenigen in den beiden ersteren Fettarten.","page":95},{"file":"p0096.txt","language":"de","ocr_de":"96\tCasimir Strzyzowski, \u00dcber Ascitesfl\u00fcssigkeiten.\nsondere auch der Eiwei\u00dfgehalt, sowie die Dauer des Aufenthaltes der Fette in der Ergu\u00dfh\u00f6hle mit in Betrachtung gezogen werden. Der Bernetsehen Globulin-Lecithinverbindung, die bekanntlich blo\u00df das wei\u00dfliche resp. chyl\u00f6se Aussehen der pseudochyl\u00f6sen Transsudate zu verursachen scheint, und \u00fcberdies meist nur in ganz geringer Menge vorkommt, d\u00fcrfte somit an der Bildung der staubf\u00f6rmigen Fettsuspension, die doch schon f\u00fcr sich allein das rein milchige Aussehen gewisser Erg\u00fcsse zustande zu bringen bef\u00e4higt ist, kaum eine Nebenrolle beigemessen werden.\nWas endlich die Konservierung solcher Fl\u00fcssigkeiten anbetrifft, so wird es vielleicht nicht \u00fcberfl\u00fcssig sein, wenn ich noch hinzuf\u00fcge, da\u00df sich hierzu ein kleiner Zusatz von Chloroform mit Formalin, \u00e4\u00e4 0,5\u2014l\u00b0/oo, unter zeitweisen Durchsch\u00fctteln des Transsudates,1) ganz vortrefflich bew\u00e4hrt. Auf diese Weise war es mir m\u00f6glich, das milchige Aussehen dieses bereits \u00fcber zwei Jahre alten Ergusses zu bewahren und das seltene Pr\u00e4parat f\u00fcr Demonstrationszwecke zu erhalten.\n0 1\u20142 mal monatlich.","page":96}],"identifier":"lit18733","issued":"1908-09","language":"de","pages":"92-96","startpages":"92","title":"Zur Kenntnis der physikalisch-chemischen Eigenschaften milchig aussehender Ascitesfl\u00fcssigkeiten","type":"Journal Article","volume":"58"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:46:49.229761+00:00"}