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{"created":"2022-01-31T14:59:25.625805+00:00","id":"lit18753","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Oswald, Adolf","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 58: 290-294","fulltext":[{"file":"p0290.txt","language":"de","ocr_de":"Beitrag zur Kenntnis der Einf\u00fchrung von Jod in den Benzolring.\nVon\nAdolf Oswald.\n(Aus dem agrikultur-chemischen Laboratorium des Polytechnikums in Z\u00fcrich.)\n(Der Redaktion zugegangen am 16. Dezember 1908.)\n_ . ---- \u00ab\nEs ist eine bekannte Eigenschaft der Eiwei\u00dfk\u00f6rper, da\u00df sie Jod leicht intramolekular zu binden verm\u00f6gen. Versetzt man eine Eiwei\u00dfl\u00f6sung mit einer w\u00e4sserigen L\u00f6sung von Jod (in Jodkalium), so entsteht allm\u00e4hlich ein dunkelbrauner Niederschlag, ein Jodderivat des Eiwei\u00dfes, Die Reaktion verl\u00e4uft am komplettesten, d. h. die Jodierung ist die ausgiebigste bei Vornahme derselben in Gegenwart eines die dabei entstehende JodwasserstofTs\u00e4ure bindenden K\u00f6rpers, und zwar ist das gegebenste f\u00fcr die Eiwei\u00dfstoffe ein Alkali (\u00c4tznatron oder \u00c4tzkali, Natriumcarbonat oder -bicarbonat, Magnesiumcarbonat usw.). Das resultierende Produkt stellt ein Perjodid des Eiwei\u00dfes dar, das einen Teil seines Jodes sehr leicht wieder abgibt. Durch Behandeln mit Thiosulfalt und Waschen mit Wasser geht es in einen farblosen oder doch nur hellgelb gef\u00e4rbten K\u00f6rper \u00fcber, der je nach der Eiwei\u00dfart, von der man ausging, rund 10 bis 14\u00b0/o Jod in fester Bindung h\u00e4lt.1)\nSolche jodierte Eiwei\u00dfstoffe geben im Gegensatz zu den nicht jodierten die Millonsche Reaktion nicht mehr, woraus man auf eineq Eintritt des Jods in das Tyrosin und zwar in dessen Ringsystem geschlossen hat. Nachdem ich gezeigt hatte,2) da\u00df in der Tat Tyrosin unter denselben Bedingungen, unter welchen das gesamte Eiwei\u00dfmolek\u00fcl Jod zu binden vermag,\nl) Nur Leim weist einen betr\u00e4chtlich niedrigeren Jodgehalt auf (1,3-2 \u00bb.\n8) A. Oswald, \u00dcber die jodbindende Gruppe der Proteinstoffe. Hofmeisters Beitr\u00e4ge, Bd, III, S. 514 (1903).","page":290},{"file":"p0291.txt","language":"de","ocr_de":"Beitrag zur Kenntnis der Einf\u00fchrung von Jod in den Benzolring. 291\nsich jodieren l\u00e4\u00dft, haben Wheeler und Jamieson,1) nach einem fr\u00fcher schon von Messinger und Vortmann2) zur Jodierung von Phenolen angewandten Verfahren, ein Dijod-tyrosin in krystallisiertem Zustande erhalten. Wie sich aus meinen fr\u00fcheren Beobachtungen3) ergeben hat, stellt jedoch das Tyrosin nicht den einzigen jodbindenden Komplex des Eiwei\u00dfmolek\u00fcls dar, denn einmal sind, wenn auch nur in geringem Ma\u00dfe, auch solche Proteine der Jodbindung f\u00e4hig, welche frei von Tyrosin sind, wie Leim, und anderseits nimmt auch ein von Tyrosin befreites Gemisch von Eiwei\u00dfspaltprodukten Jod auf. Ich hatte seinerzeit an die M\u00f6glichkeit der Jodbindung durch Phenylalanin gedacht, obschon in der chemischen Literatur nichts bekannt war, das f\u00fcr eine solche Eigenschaft sprach. Sp\u00e4ter zeigten Rhode,4) Neuberg5) und N\u00fcrnberg,6) da\u00df Tryptophan sie besitzt, ohne jedoch zu reinen krystallisations-f\u00e4higen Substanzen gelangt zu sein.\nDie hier zu berichtenden Untersuchungen hatten den Zweck, das Verhalten des Phenylalanins dem Jod gegen\u00fcber zu pr\u00fcfen, und zwar speziell unter Anwendung des mit Erfolg auf das Tyr os in an gewandten Messinger-Vortmann sehen V erfahrens.\nEin Gramm Phenylalanin7) wurde mit 0,7 g (2 Molek\u00fcle)\n\u2022 \u2022\nAtzkali in 30 ccm Wasser gel\u00f6st, und langsam unter kr\u00e4ftigem und anhaltendem Sch\u00fctteln eine Aufl\u00f6sung von 3 g (4 Molek\u00fcle) Jod in einer w\u00e4sserigen L\u00f6sung von Jodkalium hinzugef\u00fcgt. Es stellte sich jedoch heraus, da\u00df Phenylalanin unter diesen\n0 H. L. Wheeler und G. S. Jamieson, Synthesis of jodgorgoic acid, Americ. chem. Journ., Bd. XXXIII, S. 365 (1905).\n2)\tJ. Messinger und G. Vortmann, \u00dcber eine neue K\u00f6rperklasse von jodierten Phenolen. Ber. d. d. chem. Ges., Bd. XXII, S. 2312 (1889).\n3)\tloc. cit.\n4)\tE. Rhode, Die Farbenreaktionen der Eiwei\u00dfk\u00f6rper mit p-Di-\nmethylaminobenzaldehyd und anderen aromatischen Aldehyden. Diese Zeitschrift, Bd. XLIV, S. 161 (1905).\n6) C. Neuberg, Verschiedenes \u00fcber Tryptophan. Biochem. Zeitschrift, Bd. VI, S. 276 (1907).\n6)\tA. N\u00fcrnberg, Zur Kenntnis des Jodothyrins. Hofmeisters Beitr\u00e4ge, Bd. X, S. 125 (1907).\n7)\tDas Pr\u00e4parat verdankte ich der Liebensw\u00fcrdigkeit des Herrn Prof. Winterstein.","page":291},{"file":"p0292.txt","language":"de","ocr_de":"292\nAdolf Oswald.\nBedingungen kein Jod zu binden vermag. Freies Jod trat bald im \u00dcberschu\u00df auf und es schied sich nichts aus, auch beim Ans\u00e4uern mit Essigs\u00e4ure nicht.\nNachdem meine Untersuchungen schon l\u00e4ngst beendet waren, erschien eine Arbeit von v. F\u00fcrth und Schwarz,1) welche angaben, auf die geschilderte Weise ein jodiertes Phenylalanin erhalten zu haben, welches sie zum Zwecke des Studiums der Einwirkung jodierter aromatischer Produkte auf den Blutkreislauf darzustellen beabsichtigt hatten. Mit R\u00fccksicht auf unsere gegens\u00e4tzlichen Resultate und insbesondere wegen der Bestimmtheit ihrer Angaben hielt ich es f\u00fcr angebracht, denVersuch nochmals zu wiederholen, und zwar hielt ich mich ganz genau an die von den genannten Autoren angegebenen Versuchsbedingungen und insbesondere an die von ihnen innegehaltenen Mengenverh\u00e4ltnisse. Ich ging dabei gleich ihnen von k\u00e4uflichem Phenylalanin (Kahlbaum) aus. 3 g Phenylalanin wurden in einer Aufl\u00f6sung von 2 g \u00c4tzkali in 50 ccm Wasser gel\u00f6st und 7 g Jod in Jodkalium gel\u00f6st unter Umsch\u00fctteln allm\u00e4hlich hinzugef\u00fcgt. Ich kam jedoch\nabermals zu dem gleichen, schon fr\u00fcher erzielten, negativen Re-\n\u2022 *\nsultate. Aus der freies Jod in gro\u00dfem Uberschu\u00df enthaltenden L\u00f6sung schied sich nach dem Ans\u00e4uern mit Essigs\u00e4ure beim Stehen ein gelbbraunes krystallinisches Produkt aus, das jedoch nach dem Umkrystallisieren aus Wasser und Alkohol oder aus verd\u00fcnntem Ammoniak und nachfolgendem Ans\u00e4uern mit Essigs\u00e4ure in blendend wei\u00dfen, asbestgl\u00e4nzenden Schuppen (Tafeln) sich absonderte, die sich als unver\u00e4ndertes Phenylalanin erwiesen. Das Produkt war v\u00f6llig jodfrei, schmolz bei 271\u00b0 (unkorr.),2) lie\u00df sich in die typische Kupferverbindung \u00fcberf\u00fchren und wies einen Stickstoffgehalt von 8,49 \u00b0/o auf.\n0,1635 g Substanz ergaben 12,4 ccm Stickstoff bei 17\u00b0 und 734 mm Bar.-D. = 8,49 \u00b0/o N. Berechnet f\u00fcr CgH^OgN : 8,48 \u00b0/o N.\nBeim trockenen Erhitzen im Reagenzglas verbreitete es einen Geruch nach Phenyl\u00e4thylamin. Nach diesen Feststellungen\n*) 0. v. F\u00fcrth und C. Schwarz, \u00dcber die Einwirkung des Jodo-thyrins auf den Zirkulationsapparat. Pfl\u00fcgers Arch., Bd. CXXIV, S. 113 (1908).\n2) Das Ausgangsmaterial schmolz bei 268\u00b0 (unkorr.).","page":292},{"file":"p0293.txt","language":"de","ocr_de":"Beitrag zur Kenntnis der Einf\u00fchrung von Jod in den Benzolring. 293\nkonnte es keinem Zweifel unterliegen, da\u00df es sich um unver\u00e4ndertes Phenylalanin handelte.\nGanz \u00e4hnlich verhielten sich auch andere Phenylderivate, und zwar wurden gepr\u00fcft Phenylessigs\u00e4ure und Phenyl -propions\u00e4ure. Keines von ihnen nahm unter den angegebenen\nVersuchsbedingungen Jod auf.\nDieser Reaktionslosigkeit ist die leichte Jodbindungsf\u00e4higkeit des eine Hydroxylgruppe im Kern enthaltenden Tyrosins entgegenzuhalten. Wie aus Messingers und Vortmanns1) schon \u00e4lteren Untersuchungen hervorgeht, ist nun diese auch andern aromatischen Phenolen eigen. Sie haben dies au\u00dfer dem Phenol f\u00fcr die 3 Kresole, das Thymol, Resorcin, Guajakol, die 3 Oxybenzoes\u00e4uren und beide Naphthole dargetan, und zweifellos l\u00e4\u00dft sich die Reihe dieser K\u00f6rper noch vermehren.\nSie erhielten aus Phenol ein Trijodphenol und einen K\u00f6rper, den sie als Diphenyljodid ansprachen, aus den Kresolen Di- und Trijodverbindungen, desgleichen aus Thymol, aus Resorcin ein Dijodresorcinjodid, aus den Oxybenzoes\u00e4uren Di-und Tetrajodk\u00f6rper und ebenso Dijodverbindungen aus beiden Naphtholen. Auch Guajakol und das dem Thymol isomere Carvacrol nahmen Jod auf.2)\nEs ergibt sich aus dem Mitgeteilten als allgemeine Regel, da\u00df die Gegenwart eines Hydroxyls im Benzolkern diesem eine leichte Bindungsf\u00e4higkeit f\u00fcr Jod verleiht, und da\u00df hydroxylfreie Benzolderivate diese Eigenschaft nicht besitzen.\t,\nAls jodbindende Gruppe im Eiwei\u00df kommt mithin das Phenylalanin nicht in Betracht. Um Jod in diesen K\u00f6rper einzuf\u00fchren, ist jedenfalls ein anderer Weg einzuschlagen.\nDie Jodierung dieses K\u00f6rpers und das Verhalten des Jodproduktes im tierischen Organismus m\u00f6chte ich mir gerne Vorbehalten.\n*) loc. cit.\n2) Die leichte Oxydierbarkeit des Brenzkatechins in alkalischem Medium hindert die Anwendung des Verfahrens auf diese Substanz. Ich habe bei eigens daraufhin angestellten Versuchen einen amorphen, \u00abmelaninartigen\u00bb K\u00f6rper erhalten, der nur 8,2 \u00b0/o Jod enthielt.","page":293},{"file":"p0294.txt","language":"de","ocr_de":"294 A. Oswald, \u00dcber Einf\u00fchrung von Jod in den Benzolring.\nAuf \u00e4hnliche Verh\u00e4ltnisse wie bei den Phenolen ist m\u00f6glicherweise die leichte Jodbindungsf\u00e4higkeit des Tryptophans zur\u00fcckzuf\u00fchren, da bekanntlich Pyrrol in mancher Hinsicht wie Phenole sich verh\u00e4lt und auch das im Indolkern enthaltene, also gebundene Pyrrol in dieser Richtung dem freien Pyrrol gleichkommt. Dies hat Ellinger1) mit R\u00fccksicht auf das Verhalten bei der Tiemann-Reimersehen Reaktion dargetan. \u2014 Das Pyrrol geht bei der Einwirkung von Jod in alkalischer L\u00f6sung in Tetrajodpyrrol \u00fcber.\nOb nun das Jod bei der Jodierung d\u00e9s Tryptophans in den Pyrrolring eintritt oder ob durch die Angliederung des Pyrrolringes auch der Benzolkern das leichte Jodbindungsverm\u00f6gen erlangt, ist noch nicht untersucht, da die bisherigen Jodierungsprodukte nicht in reinem Zustande erhalten wurden. Neuberg2) spricht mit Reserve von einer Mono- und Dijod-verbindung, die er erhalten hat. Nach demselben Verfahren habe ich aus a-Methylindol auch nur ein amorphes Produkt erhalten, das einen Jodgehalt von 50,09 \u00b0/o aufwies. (Monojodderivat?)3) Die Untersuchungen werden fortgesetzt.\nEs sei mir gestattet, auch an dieser Stelle Herrn Prof. Schulze und Herrn Prof. Winter stein zu danken f\u00fcr die mir g\u00fctigst erteilte Erlaubnis, diese Untersuchungen in ihrem Laboratorium ausf\u00fchren zu d\u00fcrfen.\nZ\u00fcrich, im Dezember 1908.\n9 A. E llin g er, \u00dcber die Konstitution der Indolgruppe im Eiwei\u00df, in. Mitteilung. Oxydation des Tryptophans zu \u00df-lndolaldehyd. Ber. d. D. chem. Gesellsch., Bd. XXXIX, S. 2515 (1906).\n2)\tloc. cit.\n3)\tEin Monojodmethylindol erfordert 49,41 \u00b0/o J. Die Jodbestimmung wurde durch Schmelzen im offenen Tiegel und Titrierung mit Thiosulfat-l\u00f6sung vorgenommen.","page":294}],"identifier":"lit18753","issued":"1908-09","language":"de","pages":"290-294","startpages":"290","title":"Beitrag zur Kenntnis der Einf\u00fchrung von Jod in den Benzolring","type":"Journal Article","volume":"58"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:59:25.625811+00:00"}