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{"created":"2022-01-31T13:54:38.542112+00:00","id":"lit18848","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Kossel, A.","role":"author"},{"name":"F. Weiss","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 60: 311-316","fulltext":[{"file":"p0311.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Einwirkung von Alkalien auf Proteinstofe.\nII. Mitteilung.\nVon\nA. Kossel und F. Weiss.\nUnsere fr\u00fcheren Untersuchungen \u00fcber die Einwirkung von\nAlkalien auf Proteinstoffe1) haben uns zu folgenden Ergebnissen\ngef\u00fchrt:\t.\nBei der Einwirkung von Natronhydrat oder von Baryt-hydrat bei Zimmertemperatur oder im Br\u00fctofen findet eine Umwandlung der Proteinstoffe statt, bei welcher das optische brehungsverm\u00f6gen fast v\u00f6llig verschwindet.\nDiese Umwandlung konnte nicht ohne weiteres als eine Kacemisierung aufgefalit werden. Denn das Drehungsvermdgen < mes so kompliziert gebauten Molek\u00fcls ist offenbar als Hesul-tante verschiedenartiger, innerhalb des Molek\u00fcls vorhandener htrukturverh\u00e4ltnisse zu betrachten, welche die Polarisations-tbene in verschiedener Richtung beeinflussen k\u00f6nnen. Wenn das Molek\u00fcl teilweise abgebaut wird, so kann ein Teil derjenigen Gruppen, welche die Linksdrehung bewirken, verschwinden, w\u00e4hrend diejenigen Gruppen, welche im Sinne einer Rechts-drehung des Ganzen wirken, bestehen bleiben, .ln diesem Falle w\u00fcrde die Linksdrehung abnehmen und das ganze System k\u00f6nnte - eh der Inaktivit\u00e4t n\u00e4hern.\t'\nWir haben in unserer fr\u00fcheren Mitteilung nachgewiesen, da\u00df eine in diesem Sinne wirkende Ver\u00e4nderung der Konsti-' :\u2018i\"n- falls sie \u00fcberhaupt vorhanden ist, nicht als die einzige \u2019 Ursache der Inaktivierung betrachtet werden kann W\u00e4re die Inaktivierung in der eben bezeichneten Weise durch Konstitu-\n\u2019.) Diese Zeitschrift. Bd. L1X. S. 492\t\u25a0","page":311},{"file":"p0312.txt","language":"de","ocr_de":"312\nA. Kossel und F. Weiss.\ntions\u00e4nderung hervorgerufen, so m\u00fc\u00dften die bei der vollst\u00e4ndigen Spaltung des inaktiven Eiwei\u00dfk\u00f6rpers entstehenden Produkte oder Bausteine\u00bb in derselben Weise optisch aktiv sein, wie die bei der Spaltung eines optisch aktiven Proteinstoffs entstehenden. Nun fanden wir aber in dem durch Alkalien hervorgerufenen Heaktionsgemisch dl-Arginin und dl-Ornithin. Letztere Basen sind bisher bei der S\u00e4urespaltung des betreffenden optisch aktiven Proteinstoffs nicht beobachtet worden. Sie k\u00f6nnen auch* nicht durch nachtr\u00e4gliche Bacemisierung von dem prim\u00e4r abgespaltenen d-Arginin oder d-Ornithin gebildet sein, denn unsere Versuchsbedingungen waren nicht derartige, da\u00df sie diese Konfigurations\u00e4nderung der Spaltungsprodukte h\u00e4tten herbeif\u00fchren k\u00f6nnen, mit anderen Worten, da\u00df sie das d-Arginin in dl-Arginin, oder d-Ornithin in dl-Ornithin h\u00e4tten verwandeln k\u00f6nnen. Somit sind wir zu dein Schlu\u00df gekommen, da\u00df die von uns beobachtete Inaktivit\u00e4t der Proteinkomplexe mindestens zum Teil auf Bacemisierung zur\u00fcckgef\u00fchrt werden mu\u00df, und da\u00df die Arginingruppe, solange sie innerhalb des Proteinmolek\u00fcls gebunden ist, leichter racemisiert wird, als in freiem Zustand\nDie vorliegenden Untersuchungen waren dazu bestimmt, denselben Beweis noch in anderer Weise zu f\u00fchren: wir haben aus dem fast v\u00f6llig inaktiven Beaktionsgemisch, welches bei der Alkali-Spaltung eines einfachen Proteinstoffs (des Clupeins) entsteht, eine Fraktion isoliert, welche kein pr\u00e4formiertes Ornithin enthalten konnte, und welche im wesentlichen aus dem albumose-oder peptonartigen Derivat des Proteins (dem \u00abinaktiven Clu-peon ) bestand. Diese Fraktion wurde der S\u00e4urehydrolyse unterworfen. W\u00e4hrend die S\u00e4urehydrolyse bei dem optisch aktiven Proton d-Arginin bildet, f\u00fchrte sie bei dem \u00abinaktiven Proton zur Bildung von dl-Ornithin. Neben dem dl-Ornithin war kein d-( trnithin nachweisbar.\nDies Ergebnis kann nicht anders erkl\u00e4rt werden als durch die Annahme, da\u00df der peptonartige Komplex aus zwei optischen Antipoden zusammengesetzt war, deren einer das d-Ornithin und deren zweiter das 1-Ornithin geliefert hat.\nHierdurch ist von neuem der Beweis geliefert, da\u00df unter den von uns gew\u00e4hlten Bedingungen eine","page":312},{"file":"p0313.txt","language":"de","ocr_de":"313\n\u00dcber die Einwirkung von Alkalien auf Proteinstoffe.\nRacemisierung von Proteinkomplexen vor sich gegangen ist.1)\t,\nUnsere Versuchsresultate erscheinen uns aber noch in einer anderen Richtung bemerkenswert. A Kossel und H. D. Dakin-i haben im Jahre 1904 festgestellt, da\u00df durch gewisse Einwirkungen die Arginingruppe innerhalb des Proteinmolek\u00fcls in der Weise ver\u00e4ndert werden kann, da\u00df bei der nachtr\u00e4glichen S\u00e4urespaltung des Proteinkomplexes nicht Arginin, sondern Ornithin entsteht. Diese Ver\u00e4nderung mu\u00df also die Guanidingruppe betreffen und kann am leichtesten durch die Annahme der Ontraproteinen\u00bb Abspaltung von Harnstoff aus dieser Gruppe erkl\u00e4rt werden. Diese Annahme ist in physiologischer Hinsicht sehr bemerkenswert, denn sie f\u00fchrt zu dem Gedanken, da\u00df der tierische Organismus bei der Bildung von Harnstoff aus Eiwei\u00df dieses letztere nicht v\u00f6llig zu zersetzen braucht, sondern dull er aus dem Gef\u00fcge eines Proteinstoffs die Elemente des Harnstoffs entnehmen kann, ohne im \u00fcbrigen die Peptidbindungen zu l\u00f6sen.\nDie Bedingungen, unter denen A. Kossel und H. D: Dakin diese Umwandlung Zuerst beobachteten, waren zun\u00e4chst noch wenig pr\u00e4zisierte und lie\u00dfen die M\u00f6glichkeit einer Enzymwirkung vermuten. A. Kossel hat sp\u00e4ter festgestellt,3) da\u00df salpetrige S\u00e4ure in \u00e4hnlicher Weise auf gewisse Proteinsubstanzen einwirkt. Unsere jetzigen Versuche ergeben, da\u00df dieselbe Ver\u00e4nderung des Proteinmolek\u00fcls auch durch Alkali hervorgerufen werden kann.\nExperimenteller Teil.\nDie ersten Versuche sollten eine. Orientierung \u00fcber den Verlauf der durch Natronhydrat bewirkten Hydrolyse des Clupeins geben und wurden in folgender Weise ausgef\u00fchrt. \u25a0;\nVersuch I. Wir l\u00f6sten 10 g Clupeinsulfat in 200 ccm 1 -\u2018Natronlauge und lie\u00dfen es bei Zimmertemperatur stehen. Die Drehung war nach 4 Wochen von\u2014 2,3\u00b0 auf \u2014 0,6\u00b0 (im\nD Zugleich ist der in unserer ersten Mitteilung S. m (Fu\u00dfnote) erw\u00e4hnte Einwand beseitigt.\n*) Diese Zeitschrift, Bd. XLII. S. 185\n3) Biochem. Zentralbl., Bd. V.","page":313},{"file":"p0314.txt","language":"de","ocr_de":"A. Kossel und F. Weiss,\ndm-Rohr) zur\u00fcckgegangen. Nach 6 Wochen wurde die Fl\u00fcssigkeit mit Salpeters\u00e4ure neutralisiert, sodann mit \u00dcberschu\u00df von Baryumcarbonat versetzt und durch hindurchgeleiteten Wasserdampf von Ammoniak befreit, anges\u00e4uert und nach dem mehrfach beschriebenen Verfahren mit Silbernitrat und Baryt gef\u00e4llt Auf diese Weise wird das Clupeon und das Arginin niedergeschlagen, w\u00e4hrend etwa vorhandenes Ornithin sowie Monoamidu-s\u00e4uren gel\u00f6st bleiben w\u00fcrden. Da die vom Silberniederschlag abliltrierte Fl\u00fcssigkeit nach Entfernung des Silbers in saurer L\u00f6sung keine erhebliche F\u00e4llung mit Phosphorwolframs\u00e4ure ergab, war bei diesem Versuch die Anwesenheit von freiem Ornithin \u00fcberhaupt ausgeschlossen.\nDer Silberniederschlag wurde vom Silber befreit und das Clupeon, welches auch freies Arginin enthalten konnte, durch bst\u00fcndiges Kochen am R\u00fcckflu\u00dfk\u00fchler mit einer Mischung von 27 g Schwefels\u00e4ure und 54 ccm Wasser vollst\u00e4ndig hydrolysiert. Das Reaktionsprodukt wurde nun bez\u00fcglich der Verteilung des Stickstoffs auf Arginin, Diamidos\u00e4ure (Ornithin), Monoamido-s\u00fcure und zum Teil Ammoniak quantitativ untersucht.\nVersuch II. Wie beim vorhergehenden Versuch wurden 10 g Clupeinsulfat in \u00bb/^-Natronlauge gel\u00f6st und bei 40\u00b0 digeriert. Nach 6 Tagen war die Drehung der alkalischen Fl\u00fcssigkeit im dm-Rohr von \u2014 2,3\u00b0 auf \u2014 0,20\u00b0 zur\u00fcckgegangen. Die L\u00f6sung wurde jetzt ebenso wie in Versuch I verarbeitet. Die Resultate von Versuch I und II sind aus der folgenden Tabelle ersichtlich. Zum Vergleich sind diejenigen Zahlen mit angef\u00fchrt, welche bei der analogen Verarbeitung aus dem durch S\u00e4urewirkung gebildeten Clupeon erhalten worden sind.\nAus diesen Zahlen ist zu ersehen, da\u00df unter der Einwirkung der Alkalien auf Clupein ein clupeonartiger, durch das Silbersulfat-Baryt-Verfahren f\u00e4llbarer Stoff entsteht, welcher eine andere Zusammensetzung besitzt, wie das durch gelinde S\u00e4urewirkung entstehende Clupeon. Die Unterschiede sind folgende:\n1. Das \u00abAlkaliclupeon\u00bb liefert weniger Arginin. Die in der Tabelle enthaltenen Werte der Argininfraktion sind h\u00f6chstwahrscheinlich noch zu hoch, da anzunehmen ist, da\u00df dieser","page":314},{"file":"p0315.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Einwirkung von Alkalien auf Proteinstoffe. 315\n\tProzente des Gesamtstickstoffs\t\t\n\tClupeon durch S\u00e4ure Wirkung gebildet * *)\tClupeon durch Natronhydrat gebildet\t\n\t\tVersuch I bei Zimmer: temperatur\tVersuch II bei 401*\nDurch das Silbersulfat-Baryt-Verfahren f\u00e4llbar (\u00abArgininfraktion\u00bb)\t87,0\t70,9\t55.9 * )\nDurch das Silbersulfat-Baryt-Verfahren nicht f\u00e4llbar, durch Phosphorwolframs\u00e4ure f\u00e4llbar (\u00ab Ornithinfraktion\u00bb)\t0\t8,4 - ' ' ', .\t13,9 i\t. \u25a0\nWVder durchSilbersulfat-Baryt, noch durch Phosphorwolfram-^\ts\u00e4ure f\u00e4llbar\t12,4 \u25a0 .\t' 10.0 ; \u25a0' v; ' \u2022\t. i \u25a0\t\u25a0\t19,4\nAmmoniak\t0\tnicht\t! bestimmt\t\u2022 - .. . 2,3\nFraktion noch von vornherein eine gewisse Menge freies Arginin beigemischt war.\t?\n2.\tAus dem Alkaliclupeon geht bei der v\u00f6lligen Aufspaltung durch S\u00e4ure ein K\u00f6rper hervor, welcher nicht durch das Silber-Barytverfahren, wohl aber durch Phosphorwolframs\u00e4ure f\u00e4llbar ist. Diese Fraktion fehlt unter den S\u00e4urespaltungsprodukten des S\u00e4ureclupeons.\n3.\tDie \u00ab Monoamidos\u00e4urefraktion \u00bb ist bei Alkaliclupeon gr\u00f6\u00dfer als beim S\u00e4ureclupeon.\n4.\tDie Ver\u00e4nderungen sind in Versuch II (Einwirkung des Natronhydrats bei 40\u00b0) weitergehende als in Versuch I (Einwirkung bei Zimmertemperatur).\nEine Beimischung von Ornithin zu dem untersuchten Alkaliclupeon war ausgeschlossen, da das betreffende Clupeon durch das Silber-Barytverfahren niedergeschlagen und gut ausgewaschen war. Hierbei wird kein freies Ornithin gef\u00e4llt. Es war somit\n') Mittel aus 4 Pr\u00e4paraten. Diese Zeitschrift. Bd, XLIX. S. 313.\n*) Aus dieser Fraktion wurde inaktives Arginin dargestellt","page":315},{"file":"p0316.txt","language":"de","ocr_de":"\u25a0' 1 \u00f6\tA. Kossel und F. Weiss, Uber ProteinstofTe.\nwahrscheinlich, da\u00df bei der S\u00e4urehydrolyse des Alkaliclupeons Ornithin entstanden war. Dies wurde durch die folgende Unter* suchung sichergestellt.\nWir benutzten hierzu das Glupeon, welches bei der Einwirkung einer \u00abl\u00e4-Barytl\u00f6sung bei 40\u00b0 auf 100 g Clupeinsulfat gewonnen war.1) Das Glupeon wurde durch das Silbersulfat-Baryt-Verfahren niedergeschlagen und auf diese Weise vom Ornithin abgetrennt.\nDie Menge des f\u00e4llbaren Teils betrug ungef\u00e4hr 8 g. Diese Fraktion wurde nun durch sechsst\u00fcndiges Kochen mit Schwefels\u00e4ure vollst\u00e4ndig hydrolysiert.\nBei der Verarbeitung der Spaltungsprodukte erhielten wir eine Argininfraktion, aus welcher ein Pikrolonat isoliert werden konnte, welches sich durch den Schmelzpunkt 2380 und das Fehlen des Krystallwassers als dl-Argininpikrolonat charakterisierte.\nWir m\u00fcssen es dahingestellt bleiben lassen, ob das hier gefundene dl-Arginin bereits durch die Einwirkung des Barvt-hydrats entstanden und dem hydrolysierten Glupeon beigemischt oder ob es durch die S\u00e4urewirkung gebildet war.\nDie vom Argininsilber abfiltrierte Fl\u00fcssigkeit wurde mit Phosphorwolframs\u00e4ure gef\u00e4llt. Nach Entfernung des F\u00e4llungsmittels erhielten wir einen stark alkalisch reagierenden Sirup, der auch nach Zusatz \u00fcbersch\u00fcssiger Salzs\u00e4ure v\u00f6llig inaktiv befunden wurde. Auf Zusatz von Platinchlorid wurde etwas mehr als 3 g eines gut krystallisierten Platinsalzes gewonnen, welches bei der Analyse folgende Zahlen lieferte:\nGefunden :\tBerechnet f\u00fcr C5H!2N20, \u2022 H2PtCl\u00fc :\nPt 35.8 %\t35,92 \u00b0/o\nN \u2014 5,38 \u00b0/o\t5.2 \u00b0/o\nDas nach Entfernung des Platins erhaltene Chlorhydrat erwies sich auch jetzt als optisch inaktiv; es wurde in die Ornithurs\u00e4ure \u00fcbergef\u00fchrt, die als krystallisierte Substanz vom Schmelzpunkt 184\u00b0 (unkorr.) gewonnen wurde.\nHeidelberg, den 4. Mai 1909.\n*j cf. unsere fr\u00fchere Mitteilung. Diese Zeitschrift, Bd. LIX, S. 497.","page":316}],"identifier":"lit18848","issued":"1909","language":"de","pages":"311-316","startpages":"311","title":"\u00dcber die Einwirkung von Alkalien auf Proteinstoffe. II. Mitteilung","type":"Journal Article","volume":"60"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:54:38.542118+00:00"}