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{"created":"2022-01-31T15:06:17.113768+00:00","id":"lit18903","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Tezner, Ernst","role":"author"},{"name":"Johann Roska","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 56: 495-506","fulltext":[{"file":"p0495.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Analyse der Gefrierpunkterniedrigung physiologischer Fl\u00fcssigkeiten.\nII. Mitteilung.')\nGefrierpunkterniedrigung von Suspensionen.\nVon\nDr. Ernst Tezner, Assistent, und Johann Roska, Praktikant.\n(Aus dem physiologischen Institut der K. Ung. Universit\u00e4t zu Budapest.) (Der Redaktion zugegangen am 7. Juli 1908.)\nDie Kolloidchemie bezeichnet als Suspensionen alle heterogenen, festfl\u00fcssigen Systeme, in denen die zwei Phasen zwar gleichm\u00e4\u00dfig verteilt sind, die aber trotzdem als optisch inhomogen erkannt werden k\u00f6nnen. Sie werden nach der Teilchengr\u00f6\u00dfe klassifiziert. Die sogenannte \u00abmechanische\u00bb Suspension wird schon mit freiem Auge als solche erkannt .und ist mittels Filtration leicht zu trennen. Von diesen mechanischen Suspensionen gibt es jeden \u00dcbergang zu den Kolloidl\u00f6sungen, deren Inhomogenit\u00e4t sich nur mehr mit dem Ultramikroskop erweisen l\u00e4\u00dft. Selbstverst\u00e4ndlich sind hier scharfe Grenzen nicht aufzustellen. Lassen sich ja selbst die krvstalloiden L\u00f6sungen nicht prinzipiell von den vorigen trennen, seitdem es Calcar und Lobry de Bruyn gelang, die Homogenit\u00e4t solcher L\u00f6sungen mit Hilfe der Zentrifugalkraft aufzuheben.\nTrotz dieses allm\u00e4hlichen \u00dcberganges von den krystalloiden Losungen wird eine mechanische Suspension in reinem Wasser nie einen osmotischen Druck aus\u00fcben. Derselbe ist n\u00e4mlich an eine bestimmte physikalische oder chemische Reaktion zwischen den Molek\u00fclen des L\u00f6sungsmittels und dem suspendierten Komplex gebunden, und diese Reaktion tritt nur bis zu einer gewissen minimalen Teilchengr\u00f6\u00dfe auf. Die Grenze\n\u2019) Die I. Mitteilung erschien in dieser Zeitschrift. Bd. UV, S. 95.1907.","page":495},{"file":"p0496.txt","language":"de","ocr_de":"496\tErnst Tezner und Johann Roska,\nscheint hier bei den Kolloidl\u00f6sungen mit gr\u00f6\u00dferem Molekulargewicht \u2014 also weit unterhalb der mechanischen Suspensionen \u2014 zu liegen. (Liebermann und Bugarszky, (\u2018) Reid .(*)) Wenn also gr\u00f6bere suspendierte Teilchen an und f\u00fcr sich keinen osmotischen Druck aus\u00fcben k\u00f6nnen, bleibt noch eine Frage zu entscheiden: sind diese Teilchen \u2014 in eine L\u00f6sung von bestimmtem osmot ischen Druck gebracht \u2014 imstande, diesen Druck zu beeinflussen? Dieser Frage wollten wir experimentell n\u00e4her treten. \u2014\nBei der Auswahl der zu untersuchenden Suspensionen wurden wir durch folgende Gesichtspunkte geleitet : 1. Um eine feine, best\u00e4ndige Suspension zu erhalten, mu\u00dften die Teilchen ganz geringe Durchmesser und ein m\u00f6glichst kleines spezifisches Gewicht haben. 2. Sie m\u00fcssen in der Grundl\u00f6sung \u2014 praktisch \u2014 unl\u00f6slich sein. 3. Der suspendierte Stoff mu\u00df von bekannter chemischer Konstitution und frei von Verunreinigungen sein. Den zwei letzten Postulaten wurde in der Weise Gen\u00fcge getan, da\u00df wir das m\u00f6glichst reine Ausgangsmaterial1) einer weiteren Reinigung durch Aussch\u00fctteln mit destilliertem Wasser unterwarfen. Dies wurde bis zum v\u00f6lligen Verschwinden der CF- und SO^-Reaktion im Waschwasser wiederholt. Als Kontrolle dienten Gefrierpunktbestimmungen in Suspensionen, welche den fraglichen Stoff in destilliertem Wasser enthielten. Die Depression m\u00fc\u00dfte hier bei vollkommener Reinheit .== 0 sein, was wir jedoch bei unseren Stoffen nicht erreichen konnten. 1 g Blutkohle in 30 ccm Wasser A = fr- 0,0014 1\t>\tMg-Silikat\t\u00bb\t30\t\u00bb\t\u00bb\tA\t=*\t\u2014\t0,0008\n1\t*\tBaS04\t>\t30\t\u00bb\t\u00bb\tA\t=\t\u2014\t0,0019\n1\t*\tCasein\t*\t30\t\u00bb\t\u00bb\tA\t=\t\u2014\t0,0005\nDie gefundenen minimalen Werte werden in den Versuchen als Korrektion in Rechnung gebracht.\nBei den Gefrierpunktbestimmungen selbst hielten wir uns genau an die Methodik, wie sie von einem von uns im ersten Teil dieser Arbeit angegeben wurde (Tezner). (3) Als Grundl\u00f6sung dienten uns w\u00e4sserige Fetts\u00e4ureverd\u00fcnnungen, bei\n') Es wurden au\u00dfer dem Gr\u00fcblersehen Casein nur Pr\u00e4parate der Firma Merck (purissimum pro analysi) gebraucht.","page":496},{"file":"p0497.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Analyse der Gefrierpunkterniedrigung. II. 497\nwelchen wir gr\u00f6\u00dfere Abweichungen in der angegebenen Richtung erwarten konnten. Unsere Resultate finden sich in folgender Tabelle zusammengestellt.\nI. Tabelle.\nGrundl\u00f6sung :\tHeptyls\u00e4ure.\nKonzentration der S\u00e4ure\t^S(uspension)\t^\u00ab(rundl\u00f6sung)\nA. Suspendiert: Casein.\t\nca. 0,001 norm.\t-f 0,0006\n\u00bb 0,01\t\u2014 0,0032\n\u00bb 0,01\t\u2014 0,0033\nB. Suspendiert : Blutkohle.\t\nca. 0,001 norm.\t- 0,0011\n\u00bb 0,003\t\u00bb\t\u2014 0,0050\n\u00bb 0,0033 ,\t- 0,0045\n\u00bb 0,004\t*\t\u2014 0,0070\n\u00bb 0,005\t\u00bb\t- 0,0132\n> 0,010 >\t- O.OI73\n\u00bb 0,016 \u00bb\t\u2014 0.0300\nWie die folgenden Versuche zeigen, wachst die in der letzten Kolumne stehende Differenz auch mit der Menge'des zugesetzten, suspendierten Stoffes. Wir suspendierten in 0,003 n-Heptyls\u00e4ure :\ng Blutkohle\tAs\t\u2014 AG\n0.01\t\u2014\t0.0018\n0,05\t\u2014\t0.0020\n0,1\t\u2014\t0.0034\n0,3\t\u2014\t0,0050\nAus unseren Versuchen geht hervor, da\u00df die Gefrierpunkterniedrigung der Fetts\u00e4urewasserl\u00f6sungen abnimmt, wenn in der L\u00f6sung feste Teilchen suspendiert werden. Diese Abnahme ist um so auffallender, je konzentrierter die L\u00f6sung und je mehr suspendierte Teilchen vorhanden sind. \u2014 Vor allem wollen wir uns mit dem Vorzeichen der gefundenen Differenz besch\u00e4ftigen. Wie","page":497},{"file":"p0498.txt","language":"de","ocr_de":"498\tErnst Teznerund Johann Roska,\nk\u00f6nnen wir die Verringerung der Gefrierpunkterniedrigung auf Grund der bekannten physikalischen Eigenschaften der Suspensionen erkl\u00e4ren?\nGibbs (4) und Thomson (5) kamen auf Grund thermodynamischer Betrachtungen zu dem Schlu\u00df, da\u00df die Konzentration homogener L\u00f6sungen nicht in deren ganzem Bereich die gleiche sei. L\u00f6sen wir einen Stoff auf, der die Oberfl\u00e4chenspannung des L\u00f6sungsmittels verringert, so wird sich derselbe in den oberfl\u00e4chlichen, sogenannten Grenzschichten in gr\u00f6\u00dferer Konzentration anh\u00e4ufen. Wird dagegen die Oberfl\u00e4chenspannung des Solvens durch den aufgel\u00f6sten Stoff erh\u00f6ht, so tritt eine Verarmung der Grenzschichten an gel\u00f6stem Stoff ein. \u2014 Da Fetts\u00e4uren die Oberfl\u00e4chenspannung des Wassers erheblich herabsetzen (Traube, (6) F\u00f6rch),(7) so ist nach dem vorigen zu erwarten, da\u00df sich die Fetts\u00e4uremolek\u00fcle an der Grenze festfl\u00fcssig ansammeln werden : es tritt Adsorption ein.1) Die Adsorption in Fetts\u00e4urel\u00f6sungen wurde von Freundlich!8) direkt1 experimentell nachgewiesen. Er bestimmte einfach die Konzentration solcher L\u00f6sungen,, nachdem dieselben mit Kohlenpulver gesch\u00fcttelt und dann durch Absetzen von diesem befreit worden waren. Der S\u00e4uregehalt war immer geringer als in der urspr\u00fcnglichen L\u00f6sung. Zawidzki,(9) der der Frage auf andere Weise n\u00e4her trat, gelangte zu demselben Schlu\u00df.\nBringen wir nun eine solche Fetts\u00e4urel\u00f6sung durch Suspendieren feinster Teilchen mit einer ungeheueren festen Grenzfl\u00e4che in Ber\u00fchrung, so spielt sich die Adsorption auf dieser ganzen Fl\u00e4che ab und ihre Wirkung wird me\u00dfbar. Die Homogenit\u00e4t der L\u00f6sung wird merklich gest\u00f6rt \u2014 um jedes einzelne feste Teilchen herum bildet sich ein konzentrierter Mantel Dies bewirkt selbstverst\u00e4ndlich eine Abnahme der Konzentration in den \u00fcbrigen Teilen der L\u00f6sung und dem entsprechend eine Verringerung der Gefrierpunkterniedrigung.\nIn Suspensionen, deren Grundl\u00f6sung eine \u2014 im Vergleich zum Wasser \u2014negative Oberfl\u00e4chenspannung besitzt, m\u00fcssen\n\\> Fetts\u00e4uren w\u00e4hlten wir zu unseren Versuchen eben darum, weil sie, besonders die mit zahlreichen Kohlenatomen, die Oberfl\u00e4chenspannung des Wassers stark herabsetzen.","page":498},{"file":"p0499.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Analyse der Gefrierpunkterniedrigung II. 499\nwir also a priori eine kleinere Depression erwarten als in der reinen L\u00f6sung. Unsere Resultate entsprechen tats\u00e4chlich dieser auf spekulativem Wege abgeleiteten Forderung, so da\u00df wir die Adsorption mit Recht zur Erkl\u00e4rung der gefundenen Differenz in Anspruch nehmen k\u00f6nnen.\nAll dies bezieht sich auf L\u00f6sungen, deren Oberfl\u00e4chenspannung kleiner ist als die des Wassers, die also zur Adsorption geeignet sind. Als Gegenprobe k\u00f6nnte der Fall dienen, wo der aufgel\u00f6ste Stoff die Oberfl\u00e4chenspannung des L\u00f6sungsmittels erh\u00f6ht. Wird in einer solchen L\u00f6sung ein fester Stoff suspendiert, so m\u00fcssen wir nach dem vorher Gesagten erwarten, da\u00df die Konzentration in den Grenzschichten abnimmt. Uni jedes suspendierte Teilchen herum wird sich ein Kugelmantel bilden, der aus d\u00fcnnerer L\u00f6sung besteht. \u2014 H\u00f6here Werte kann aber diese \u00abnegative Adsorption\u00ab nie erreichen, denn sie ruft sofort einen im entgegengesetzten Sinn verlaufenden Pro-hervor, der darin sie selbst zunichte macht Infolge des Anwachsens der Oberfl\u00e4chenspannung sinkt die Konzentration der Grenzschichten, dieses Absinken wieder zieht eine Verringerung der Oberfl\u00e4chenspannung nach sich, so da\u00df der gel\u00fcste \u00abStoff \u2014 wenigstens zum Teil \u2014 wieder an die Oberfl\u00e4che zur\u00fcckwandert, /wischen diesen zwei entgegengesetzten Prozessen kommt schlie\u00dflich ein Gleichgewicht zustande, so da\u00df wir in diesen F\u00e4llen gar keine oder nur ganz minimale \u2022negative Adsorptionswerte\u00bb erwarten k\u00f6nnen.\nDie Verh\u00e4ltnisse werden hier durch noch einen Umstand kompliziert. Wir haben soeben gesehen, da\u00df es keinen Stoff gibt, der \u2014 gel\u00f6st \u2014 die Oberfl\u00e4chenspannung seines L\u00f6sungsmittels wesentlich erh\u00f6hen kann. Die negative Adsorption macht dies unm\u00f6glich. Nun sind aber unsere Methoden zur Bestimmung der Oberfl\u00e4chenspannung, wenn es sich um geringe Unterschiede handelt, nicht zu gebrauchen. Sind ja selbst die Werte f\u00fcr die meist untersuchten Fl\u00fcssigkeiten Wasser. Quecksilber) nur auf 15\u201425% verl\u00e4\u00dflich. L\u00f6sungen, deren ''berfl\u00e4chenspannung die des Wassers wesentlich \u00fcbertreffen, gibt es, wie gesagt, nicht, anderseits sind bei geringen Differenzen die Me\u00dfmethoden unverl\u00e4\u00dflich. Hieraus folgt, da\u00df es","page":499},{"file":"p0500.txt","language":"de","ocr_de":"500\nErnst Tczner und Johann Roska,\neigentlich keinen Stoff gibt, von dem wir mit voller Sicherheit behaupten k\u00f6nnten, da\u00df er gel\u00f6st die Oberfl\u00e4chenspannung des Wassers erh\u00f6ht.\nUnter den Stoffen, die hierbei doch \u2014 wenigstens mit Wahrscheinlichkeit \u2014 in Betracht kommen, w\u00e4hlten wir f\u00fcr unsere Versuche die anorganischen Salze. Nach den Angaben der \u00e4lteren Forscher (Valson, Buliginski, Quincke, Volk* mann, Bother(U))) erh\u00f6hen sie die Oberfl\u00e4chenspannung des Wassers, w\u00e4hrend E\u00d6tv\u00f6s(0) sowie Klupathy(12) das gerade Gegenteil behaupten. Neuerdings stellen sich Sentis(13) und F\u00f6rch(ll) wieder auf den \u00e4lteren Standpunkt. Freundlich-und vor ihm Lagergren(15) stellten Versuche an, die Adsorption in diesen L\u00f6sungen direkt zu bestimmen. Letzterer fand nur bei den Chloriden eine geringe negative Adsorption, bei allen \u00fcbrigen Salzen aber erhielt er \u2014 zwar kleine \u2014 jedoch immer positive Werte. Freundlich kam zu demselben Resultat, doch fand er \u00fcberhaupt nie negative Adsorption.\nDie Frage der Beeinflussung der Oberfl\u00e4chenspannung durch anorganische Salze ist also noch nicht gel\u00f6st. Sicher erscheint nur, da\u00df diese Beeinflussung eine geringe ist \u2014 in positiver oder negativer Richtung. Infolge dessen kann auch die Adsorption nur geringe Werte annehmen. Der Unterschied zwischen der Gefrierpunkterniedrigung der Stamml\u00f6sung und der Suspension kann auch kein gro\u00dfer sein. Dieser Erwarten? entsprechen unsere Ergebnisse vollst\u00e4ndig.\nII. Tabelle.\nGrundl\u00fcsung : 0,04-norm.-NaCl.\nSuspendiert ist\t% - Afi\n1.0 g BaS04\t\u2014 0.0010\n1.0 > \u00bb\t\u2014 0.0014\n0.5 \u00bb Gasein\t- 0,0003\n1.0 \u00bb >\t\u2014 0,0015\n1.0 > V\t\u2014 0,0010\n0.2 * \u00bb\t- 0,0010","page":500},{"file":"p0501.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Analyse der Gefnerpunkterniedrigung. II. 501\nAus dem Vorzeichen der Differenz k\u00f6nnen wir nach dem oben Gesagten zur\u00fcck auf die Oberfl\u00e4chenspannung schlie\u00dfen. Dieselbe erscheint demnach kleiner als die des Wassers und bewirkt so die positive Adsorption, welche in den Werten der letzten Kolumne zum Ausdruck kommt. Negative Adsorption fanden wir niemals, dagegen sind die positiven Werte tats\u00e4chlich sehr gering.\nDas Problem, mit welchem wir uns besch\u00e4ftigten, spielt in der Physiologie eine ziemlich wichtige Rolle. Ein l.ieblings-thenia der physiologischen Phvsikochemie, das Blut, ist ja nichts anderes als eine Suspension roter Blutzellen inr Blutplasma.\nInd die absoluten Werte der gefundenen Abweichungen sind so betr\u00e4chtlich, da\u00df wir dieselben bei physiologischen Betrachtungen keinesfalls au\u00dfer acht lassen d\u00fcrfen.\nVon gr\u00f6\u00dfter prinzipieller Wichtigkeit scheint uns die von uns gefundene latsache, da\u00df sich die Gefrierpunkterniedrigung von L\u00f6sungen auch durch solche Zus\u00e4tze \u00e4ndern kann, die die osmotische Konzentration beinahe oder ganz unber\u00fchrt lassen. >o k\u00f6nnen z. B. minimale Fetts\u00e4uremengen, wie sie durch die physiologische Lipolyse im Blute abgespalten werden, die Oberfl\u00e4chenspannung und dadurch auch die Gefnerpunkterniedrigung \u2022les Blutes wesentlich verringern. Wir haben dann eine \u00c4nderung in dem osmotischen Betriebe des Organismus vor uns, zu \u2022leren Erkl\u00e4rung die geringe \u00c4nderung in der osmotischen Konzentration nicht mehr ausreicht. Wie immer, wenn wir ein derartiges \u2014 hier nur vermeintliches \u2014 Mi\u00dfverh\u00e4ltnis zwischen Ursache und Folge entdecken, w\u00e4ren wir vielleicht geneigt, vitale Funktionen vorauszusetzen, wenn der Vorgang nicht auf\ndem Umweg \u00fcber die Oberfl\u00e4chenenergie eine physikalische L\u00f6sung f\u00e4nde.\nBemerkenswert ist, da\u00df sich mit der Gefrierpunkternie-dngung auch die \u00fcbrigen coliigativen Eigenschaften \u00e4ndern. So werden wir z. B. in der Viskosit\u00e4t des Blutes ganz \u00e4hnliche \u00c4nderungen \u2014 auf unverh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfig geringf\u00fcgige Vorg\u00e4nge \u2014 erwarten k\u00f6nnen.","page":501},{"file":"p0502.txt","language":"de","ocr_de":"50-\tKrnst Tezner und Johann Roska,\nWir wollen uns hier mit diesem Hinweis begn\u00fcgen und unser Interesse einer anderen der zahlreichen hierher geh\u00f6rigen Fragen der Blutphysiologie zuwenden, welche dem hier behandelten Thema ziemlich nahe steht. Es ist dies der Zusammenhang zwischen der Gefrierpunkterniedrigung des Blutes und der des Blutserums resp, Blutplasmas. Zwischen diesen Werten m\u00fcssen wir schon a priori eine Differenz erwarten, welche aber nicht durch einen Unterschied in der osmotischen Konzentration der Elektrolyte begr\u00fcndet ist. Wir werden sogar im allgemeinen aus der Gefrierpunkterniedrigung des Blutes nur mit Vorsicht auf seine osmotische Konzentration folgern d\u00fcrfen. Denn die Verh\u00e4ltnisse liegen hier \u2014 sowie bei der anderen, viel untersuchten Suspension des tierischen Organismus, bei der Milch \u2014. so kompliziert, da\u00df die mathematische Verwertung dieser Daten auf bedeutende Schwierigkeiten st\u00f6\u00dft.\nDie Grundfl\u00fcssigkeiten (Blutplasma, Magermilch) sind n\u00e4mlich Gemenge verschiedener organischer und anorganischer Stoffe, welche die Oberfl\u00e4chenenergie der L\u00f6sung in ganz verschiedenem Ma\u00dfe beeinflussen. Die Salze vermindern sie \u2014 wie oben ausgef\u00fchrt \u2014 nur wenig und ebenso verhalten sich die Zucker (Forch, Freundlich). Intensiver wirken in dieser Richtung die Eiwei\u00dfstoffe (Metcalf)(16) und am st\u00e4rksten die Fetts\u00e4uren. Wir haben gesehen, da\u00df der Gefrierpunkt in Suspensionen eine Funktion auch der Oberfl\u00e4chenspannung ist. welch letzterer Wert sich aus zahlreichen Komponenten zusammensetzt. Die Gr\u00f6\u00dfe der Differenz zwischen der Gefrierpunkterniedrigung der Suspension (Blut, Milch) und der Grundfl\u00fcssigkeit (Plasma, Magermilch) w\u00e4re also von der Konzentration abh\u00e4ngig, in welcher die verschiedenen Stoffe in der Grundl\u00f6sung enthalten sind. Auch wird die Menge der suspendierten Teilchen (Blutk\u00f6rper, Fettk\u00fcgelchen) einen recht bedeutenden Einflu\u00df aus\u00fcben (siehe I. Tabelle, S. 497).\nDie hierher geh\u00f6rigen experimentellen Ergebnisse sind nicht sehr zahlreich, trotzdem es sich hier um die theoretische Begr\u00fcndung eines auch klinisch gebr\u00e4uchlichen Verfahrens handelt, denn der Kliniker folgert einfach aus der Gefrierpunktdepression des Plasmas oder gar des Serums auf die osmotische Konzen*","page":502},{"file":"p0503.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Analyse der Gefrierpunkterniedrigung. II. 503\ntration des Blutes. Hamburger!11) fand keinen regelm\u00e4\u00dfigen Unterschied zwischen Blut und Serum, da er bei dem damaligen Stande der Methodik mit einem Fehler von 0,0070\u00bb arbeiten mu\u00dfte. \u00c4hnlich verh\u00e4lt es sich mit den Versuchen Hedins.(>\u00bb) Bemerkenswert ist, da\u00df trotzdem beide Forscher die Gefrierpunkterniedrigung des Serums in \u00bb/\u2666 der F\u00e4lle gr\u00f6\u00dfer fanden, als die des Blutes. Es entspr\u00e4che dies der Vorstellung, die wir uns \u00fcber die Wirkung der suspendierten Teilchen machten! Gel\u00f6st wird diese Frage durch die obigen Versuche nicht \u2014, auch wenn dieselben den h\u00f6chsten Grad der Genauigkeit erreichten. ln Hinsicht auf die Oberfl\u00e4chenspannung ist ja das Serum dem eiwei\u00dfreicheren Plasma nicht gleichzustellen.\nNoch komplizierter liegen die Verh\u00e4ltnisse bei der Milch, wo auch die vollst\u00e4ndige Entfernung der Fettk\u00fcgelchen auf Schwierigkeiten st\u00f6\u00dft. Die diesbez\u00fcglichen Untersuchungen beschr\u00e4nken sich auf den Vergleich des Gefrierpunktes bei Vollmilch, Magermilch und Sahne (Hamburger,!19) Hotz(\u2018\u00ab)). Die Resultate sind widersprechend. \u2014\nAll diese physiologischen Untersuchungen weisen unserer Versuchstechnik gegen\u00fcber einen prinzipiellen Unterschied auf. \\\\ir bestimmten den Gefrierpunkt einer Fl\u00fcssigkeit und dann die \u00c4nderung desselben durch den Zusatz von festen Teilchen. Die Physiologie dagegen gibt uns die fertige Suspension in die Hand und wir m\u00fcssen die feste und fl\u00fcssige Phase erst von einander trennen. Dies aber ist ein sehr eingreifender Vorgang, welcher auf die Verteilung der gel\u00f6sten Substanz und so auch auf den Gefrierpunkt Einflu\u00df haben kann.\nVon den verschiedenen Trennungsmethoden wollen wir m folgendem das Filtrieren einer genaueren Untersuchung unterziehen und wollen wir diese Frage zuerst theoretisch er\u00f6rtern. Die Manipulation des Filtrierens an sich hat gar keinen Einflu\u00df auf die osmotische Konzentration reiner L\u00f6sungen. Die Adsorption, welche die Cellulosef\u00e4den des Filtrierpapiers aus\u00fcben, ist jedenfalls sogering, da\u00df wir ihr durch Gefrierpunktbestimmungen nicht folgen k\u00f6nnen. Dies erhellt aus den von uns angestellten Versuchen, in denen der Gefrierpunkt von ungef\u00e4hr \"/zs-NaCl-L\u00f6sungen vor (A) und nach dem Filtrieren (A i bestimmt wurde.\t1","page":503},{"file":"p0504.txt","language":"de","ocr_de":"504\tErnst Tczner und Johann Roska,\nA\tA,\n0,im\t0,1490\n0,1561\t0,1561\nGanz anders gestalten sich die Verh\u00e4ltnisse, wenn nicht reine L\u00f6sungen filtriert werden, sondern Suspensionen. Mit den festen Teilchen halten wir auf dem Filter etwas Fl\u00fcssigkeit und zwar die Kugelm\u00e4ntel aus konzentrierterer L\u00f6sung zur\u00fcck, welche sieh als Folge der Adsorption um die festen Partikel herum ausbildeten. Die Konzentration der durch den Filter gehenden L\u00f6sung wird hierdurch nat\u00fcrlich verringert.1) Dies w\u00e4re nur dann nicht der Fall, wenn es gel\u00e4nge, aus der am Filter befindlichen Masse jede Spur der L\u00f6sung zu entfernen. Die Gefrierpunkterniedrigung des Filtrats w\u00e4re dann gleich der der urspr\u00fcnglichen L\u00f6sung, also gr\u00f6\u00dfer, als die der Suspension.\nAf = Ag > As\nEine so vollkommene Trennung ist aber unm\u00f6glich, so da\u00df das Filtrat einer Suspension immer weniger konzentriert ist als die Suspension selbst. Die Gefrierpunkterniedrigung des Filtrats ist also immer kleiner als die der reinen L\u00f6sung, aus welcher die Suspension hergestellt wurde.\nAf < Ag\nBleibt das ganze Material der erw\u00e4hnten Kugelm\u00e4ntel oder noch mehr Fl\u00fcssigkeit am Filter, so ist die Gefrierpunkternie-drigung des Filtrates gleich der der Suspension.\nAf = As\nDie beiden Grenzwerte von Af sind also Ag und ASj von welchen aber Ag nie erreicht werden kann, da eben die vollkommene Trennung der beiden Phasen unm\u00f6glich ist. Ziehen wir nur die Suspension in Betracht, so k\u00f6nnen wir aussprechen, da\u00df die Gefrierpunkterniedrigung eines Suspensionsfiltrates gleich oder gr\u00f6\u00dfer ist als die der Suspension selbst.\nAf >. As .\n\u2018) Da wir niemals negative Adsorption fanden, brauchen wir uns mit dem entgegengesetzten Fall, der Bildung von d\u00fcnneren Grenzschichten, nicht zu-befassen.","page":504},{"file":"p0505.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Analyse der Gefrierpunktemiedrigung. II. 505\nDiese theoretischen Schlu\u00dffolgerungen scheinen sich durch unsere Resultate zu best\u00e4tigen.\nIII. Tabelle.\nSuspendiert ist\tGrundl\u00f6sung\tA-V\nBaS04\t0,\u00dc4-norm.-NaCl\t\u2014 0.0005\n\u00bb\t>\t0,0006\n\u00bb\t\u00bb\t\u2014 0,0017\nKohle\t\u00bb\t\u2014 0,0008\n>\t* /\t\u00b1 0\nTalcum\t\\\t-r- 0,0018 \u2022\n\u00bb\t>\t+ 0,0005\nCasein\t0,01-norm.-Heptyls\u00e4ure\t+ 0,0005\nWir sehen, da\u00df die aus Suspensionen rein gewonnene Grundl\u00f6sung sich in osmotischer Hinsicht anders verh\u00e4lt, als in der Suspension selbst. Die Unterschiede in der Konzentration scheinen ganz betr\u00e4chtlich zu sein.\nZusammenfassung.\n1. Werden in einer L\u00f6sung mit bestimmter Gefrierpunkterniedrigung feste Teilchen suspendiert, so zeigt die Suspension eine kleinere Erniedrigung, als die reine L\u00f6sung.\nDie Ursache dieser Differenz ist die Adsorption, welche zu einer Ansammlung des gel\u00f6sten Stoffes in den Grenzschichten f\u00fchrt. Dies hat wieder eine Verarmung der \u00fcbrigen Teile der Suspension zur Folge.\nDie Gr\u00f6\u00dfe der Adsorption h\u00e4ngt haupts\u00e4chlich von der Oberfl\u00e4chenspannung ab, diese wieder von der Konzentration der verschiedenen gel\u00f6sten Stoffe \u2014 aber nicht im Verh\u00e4ltnis zu ihrer osmotischen Konzentration. Daraus erkl\u00e4rt sich die Tatsache, da\u00df in Suspensionen die Gefrierpunkterniedrigung keine einfache Funktion der osmotischen Konzentration ist.\nEs ist daher verfehlt, aus der Gefrierpunkterniedrigung des Blutes oder der Milch kurzerhand auf die osmotische Kon-\nHoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie. XVI.\n35","page":505},{"file":"p0506.txt","language":"de","ocr_de":"506 Tezner und Roska, \u00dcber Gefrierpunkterniedrigung. II.\nzentration des Plasmas resp. der Magermilch folgern zu wollen Ein geringer Zusatz eines gel\u00fcsten Kolloides (ohne osmotischen Druck z. B. Eiwei\u00df) wird gen\u00fcgen, um bei gleichbleibender osmotischer Konzentration die Depression zu ver\u00e4ndern.\n2.\tNegative Adsorption gibt es nicht.\n3.\tWird die feste und fl\u00fcssige Phase einer Suspension durch Filtrieren getrennt, so ist die Gefrierpunkterniedrigung des Filtrates gleich oder gr\u00f6\u00dfer als die der Suspension \u2014- je\nnachdem die Filtration mehr oder weniger vollst\u00e4ndig zu Ende gef\u00fchrt wurde.\nLiteratur:\n1. Pfl\u00fcgers Archiv, Bd. LXXII, S. 51, 1898.\n2\t9\t\u00bb\t\u00bb GUI, S. 282, 1904.\n3.\tDiese Zeitschrift, Bd. LIV, S. 95, 1907.\n4.\tThermodynamische Studien, Leipzig, S. 258, 1892.\n5.\tApplication of dynamics to physics and chemistry, S. 191.\n6.\tLiebigs Annalen, Bd. CCLVI, S. 27, 1891.\n7.\tPoggendorfs Annalen, Bd. LXVIII, S. 801, 1899.\nH. Zeitschrift f. physik. Chemie, Bd. LVII, S. 385, 1906.\n9-\t\\\t\u00bb\t\u00bb\t\u00bb\t\u00bb XXXV, S. 77, 1900.\n10. Lit. in Winkelmann, Handbuch d. Physik, Bd. I, S. 466, 1891.\n12.\tMathem. u. naturw. Berichte aus Ungarn, Bd. V, S. 101, 1886.\n13.\tComptes rendues de l\u2019Ac. fran\u00e7., Bd. CXVIII, S. 1132, 1894. Joum. de physique (3), Bd. VI, S. 183, 1897.\n14.\tPoggendorfs Annalen, Bd. LXVIII, S. 801, 1899; Bd XVII S. 753, 1905.\n15.\tcit. Beibl\u00e4tter zu Poggendorfs Annalen, Bd. XXIII, S.544,1899.\n16.\tZeitschrift f. physik. Chemie, Bd. LII, S. 1, 1905.\n17.\tZentralblatt f. Physiologie, Bd. XI, S. 217, 1897.\n18.\tSkandinavisches Archiv f. Physiologie, Bd. V, S. 377, 1895.\n19.\tJahresber. f. Tierchemie, Bd. XXVI, S. 251, 1896.\n20.\tK\u00f6nig, Chemie d. menschl. Nahrungs- und Genu\u00dfmittel Bd II\nS. 674, 676.\t\u2019\t' \u2019","page":506}],"identifier":"lit18903","issued":"1908","language":"de","pages":"495-506","startpages":"495","title":"Beitr\u00e4ge zur Analyse der Gefrierpunkterniedrigung physiologischer Fl\u00fcssigkeiten. II. Mitteilung: Gefrierpunkerniedrigung von Suspensionen","type":"Journal Article","volume":"56"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:06:17.113773+00:00"}