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{"created":"2022-01-31T14:03:21.800795+00:00","id":"lit18967","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Kossel, A.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 66: 257-261","fulltext":[{"file":"p0257.txt","language":"de","ocr_de":"Ober das Agmatin.\nVon\nA. Kossel. ' \u00bb\nMit dem Namen Agmatin bezeichne ich eine Base von der Zusammensetzung C5H14N4, welche ich bei der Verarbeitung von Heringssperma nach folgendem Verfahren aufgefunden habe\nVier Kilo Heringsmilch wurde mit 800 ccm Wasser, welches 40 ccm konzentrierte Schwefels\u00e4ure enthielt, versetzt, 10 Stunden bei 4 Atmosph\u00e4ren im Autoklaven erhitzt. Das Reaktionsprodukt wurde filtriert und das Filtrat zur Entfernung der Alloxurbasen in der schwefelsauren L\u00f6sung mit Quecksilbersulfat gef\u00e4llt. Das abgenutschte Filtrat wurde mit soviel Quecksilbernitrat versetzt, bis mit Natriumcarbonat bei einer T\u00fcpfelprobe gelbes Oxyd fiel, und dann mit Barythydrat ges\u00e4ttigt. Es schied sich ein volumin\u00f6ser Niederschlag aus, welcher fast alle durch Phosphorwolfr\u00e4ms\u00e4ure f\u00e4llbare Substanz enthielt. Dieser Niederschlag wurde abgesaugt, durch mehrmaliges Anreiben mit Wasser und Wiederholung des Absaugens m\u00f6glichst sorgf\u00e4ltig ausgewaschen und bei Gegenwart von etwas Schwefels\u00e4ure mit Schwefelwasserstoff zerlegt. Die Schwefels\u00e4ure wurde jetzt mit Baryt entfernt und die mit Salpeters\u00e4ure anges\u00e4uerte L\u00f6sung in der von mir zur Ausf\u00e4llung des Arginins angegebenen Weise2) mit Silbernitrat versetzt, bis eine T\u00fcpfelprobe mit Barythydrat eine braungelbe Farbe zeigte. Der in saurer L\u00f6sung gef\u00e4llte Niederschlag wurde entfernt und das Filtrat nach nochmaligem Zusatz von Silbernitrat mit Baryt ges\u00e4ttigt. Im ganzen waren 250 g Silbernitrat erforderlich. Der Niederschlag wurde abzentrifugiert, solange mit Wasser gewaschen, bis keine Sal-\nDer Heidelberger Akademie der Wissenschaften mittetent am 17. Mai 1910.\n*) Diese Zeitschrift, Bd. XXV. S. 177\t\u2022","page":257},{"file":"p0258.txt","language":"de","ocr_de":"258\nA. Kossel,\npeters\u00e4ure mehr nachweisbar war, und bei Gegenwart von Schwefels\u00e4ure mit Schwefel Wasserstoff zerlegt. Die vom Schwefelsilber abfiltrierte Fl\u00fcssigkeit wurde durch Baryt von Schwefels\u00e4ure und durch Kohlens\u00e4ure vom \u00fcbersch\u00fcssigen Baryt befreit.\nDiese L\u00f6sung enthielt eine Mischung verschiedener Produkte, unter ihnen eine nicht unbedeutende Menge protonartiger K\u00f6rper, welche nach weiterer Isolierung Biuretreaktion zeigten. Die Mischung drehte die Ebene des polarisierten Lichtes nach links. Nach sechsst\u00fcndigem Kochen einer kleinen Probe mit starker Schwefels\u00e4ure zeigte sie jedoch Rechtsdrehung, offenbar war diese Inversion auf eine Spaltung der linksdrehenden Protone unter Bildung von rechtsdrehendem \u00c4rginin zu beziehen.\nZur weiteren Untersuchung wurde die L\u00f6sung mit Pikrins\u00e4ure gef\u00e4llt. Hierbei fielen zun\u00e4chst amorphe Niederschl\u00e4ge von Protonpikrat, denen sich bei weiterem Zusatz von Pikrin-s\u00e4urel\u00f6sung bald kleine Krystallaggregate beimischten. Diese lie\u00dfen sich von den amorphen Pikraten durch mehrfaches Uml\u00f6sen einigerma\u00dfen trennen, da sie in Wasser leichter l\u00f6slich waren. Das mehrfach umkrystaUisierte Pikrat wurde nun durch Aussch\u00fctteln mit verd\u00fcnnter Schwefels\u00e4ure und \u00c4ther in das Sulfat und dies durch Baryt und Kohlens\u00e4ure in das Carbonat verwandelt.\nDas Carbonat scheidet sich zun\u00e4chst aus der konzentrierten L\u00f6sung langsam in Form kreidiger Massen ab, die ziemlich schwer in Wasser l\u00f6slich sind und sich nach mehrfachem Umkrystallisieren in feine rosettenf\u00f6rmig angeordnete Krystallbl\u00e4ttchen verwandeln. Die etwa 4\u00b0/oige w\u00e4sserige L\u00f6sung des Carbonats lie\u00df im Dezimeterrohr ein optisches Drehungsverm\u00f6gen nicht erkennen. Aus diesem Carbonat konnten nun die \u00fcbrigen Salze des Agmatins erhalten werden. Au\u00dfer dem Pikrat und dem Carbonat wurden als krystallisierte Verbindungen erhalten: das Chloraurat, das Chloroplatinat, das Chlorhydrat und das Sulfat. F\u00fcr die Analyse erwies sich das Chloraurat und das Sulfat am meisten geeignet.\nF\u00fcgt man zu dem in Alkohol aufgeschwemmten Agmatincarbonat einige Tropfen konzentrierte Salzs\u00e4ure, so l\u00f6st sich","page":258},{"file":"p0259.txt","language":"de","ocr_de":"259\n\u00dcber das Agmatin. .\ndas Salz unter Kohlens\u00e4ureentwicklung schnell auf. Setzt man nun zu der alkoholischen L\u00f6sung \u00c4ther hinzu, so Scheidet sich das Chlorhydrat in krystallisierter Form ab. Das Chlorhydrat ist in Wasser sehr leicht l\u00f6slich, Setzt man zu einer hinreichend konzentrierten\tw\u00e4sserigen\tL\u00f6sung dieses Salzes,\nwelche \u00fcbersch\u00fcssige Salzs\u00e4ure enth\u00e4lt, eine L\u00f6sung von Goldchlorid, so scheidet sich das Agmatinchloraurat langsam in Form gelber Nadeln ab. Dieselben lie\u00dfen sich aus Wasser umkrystallisieren und gaben nach dem Trocknen im Vakuum bei 60\u00b0 folgende Analysenwerte.\n1 0,1643 g Substanz gab 0,0462 g CO, und 0,0327 g H,0. d. i. 7,67 \u00b0\\\u00bb C\nund 2,21 \u00b0/o H.\n2. 0.1947 g Substanz gab 12,2 ccm N bei 16\u00ae und 736 mm Bar., d. i. 7,07 V N.\n3. 0,1589 g Substanz gab\t0,0769\tg Au,\td.\ti.\t48,39 \u2022/\u00ab\tAu.\n4.0,1215*\t*\t\u00bb\t0,0587\t* \u00bb\td.\ti.\t48,31 \u00b0/o\t\u00bb\n5. 0,1467 *\t*\t. \u00bb\t0,0709\t* *\td.\ti.\t48,33 \u00b0/o\t*\nGefunden:\nBerechnet f\u00fcr C6HI4N4, 2 HCl, 2AuCls: 7,41 1,97 6,91 48,68\nC 7,67 H 2,21 N 7,07\nAu 48,39, 48,31, 48,33\nDas Agmatinsulfat wurde zum Teil aus dem Chlorhydrat gewonnen, indem die L\u00f6sung dieses Salzes durch einen geringen \u00dcberschu\u00df von Silbersulfat vom Chlor befreit und das \u00fcbersch\u00fcssige Silber durch Schwefelwasserstoff entfernt wurde. Die eingedampfte L\u00f6sung schied auf Zusatz von Alkohol das Sulfat als eine sirup\u00f6se, schnell krystallisierende Masse ab. Das Sulfat konnte auch direkt aus dem Carbonat durch Aufl\u00f6sung in wenig verd\u00fcnnter Schwefels\u00e4ure und F\u00e4llung mit Alkohol dargestellt werden.\nZur weiteren Reinigung wurde der durch Alkohol erhaltene Niederschlag in wenig hei\u00dfem Wasser gel\u00f6st und mit erw\u00e4rmtem Methylalkohol bis zur beginnenden Tr\u00fcbung versetzt. Es schieden sich allm\u00e4hlich zentimeterlange, stark doppelbrechende Nadeln ab, welche bei 224\u2014225\u00b0 (unkorr.) zu einer farblosen Fl\u00fcssigkeit schmolzen.\nDas bei 100\u00b0 getrocknete Sulfat gab bei der Analyse folgende Zahlen.","page":259},{"file":"p0260.txt","language":"de","ocr_de":"260\nA. Kossel,\n1.\t0,1441 g Substanz gab 0,1404 g CO, und 0,0925 g H,0.\nd. i. 20,52 V C und 7,12* 0 H.\n2.\t0,1098 g Substanz gab 23,2 ccm N bei 12* und 750 mm Bar..\nd. i. 24,71 \u00b0/o N.\n3.\t0,1098 g Substanz gab 0,1112 g BaS04, d. i. 42.54\u00b0/o H2S04.\nGefunden:\tBerechnet f\u00fcr C6H14N4. H2S04:\nC\t26.52\t26,31\nH\t7,12\t7,02\nN\t24.71\t24,56\nH,S04 42,54\t42,98\nDas Sulfat ist in Wasser ziemlich leicht l\u00f6slich, in Alkohol unl\u00f6slich oder sehr wenig l\u00f6slich.\nAuch das Chloroplatinat ist in Wasser leicht l\u00f6slich. Von den oben erw\u00e4hnten Salzen ist das Pikrat am wenigsten l\u00f6slich. Versetzt man auf dem Objekttr\u00e4ger einen Tropfen der L\u00f6sung des Chlorhydrats mit einem Tropfen Natriumpikratl\u00f6sung, so bemerkt man unter dem Mikroskop die Ausscheidung kurzer, kleiner, stark doppelbrechender Nadeln. Auch durch Phosphorwolframs\u00e4ure wird das Agmatin gef\u00e4llt.\nDa die Menge des bisher dargestellten Agmatins nur eine geringe war, konnten die Verbindungen dieser Base noch nicht in w\u00fcnschenswerter Vollst\u00e4ndigkeit untersucht werden. Wenn dies geschehen ist, wird man auch voraussichtlich imstande sein, eine bequemere Darstellungsweise ausfindig zu machen.\nDie Vergleichung der Formel des Agmatins mit der des Arginins zeigt, da\u00df ersteres um C02 \u00e4rmer ist als das letztere. Es ergibt sich also hier bez\u00fcglich der Bruttoformel des Agmatins zu der des Arginins dasselbe Verh\u00e4ltnis, in welchem das Isoamylamin zum Leucin, das Phenyl\u00e4thylamin zum Phenylalanin und das Putrescin und Cadaverin zum Ornithin und Lysin stehen. Zieht man nun in Erw\u00e4gung, da\u00df ein gro\u00dfer Teil des Stickstoffs der Testikelmasse in Form des Arginins enthalten ist, so wird man geneigt sein, eine genetische Beziehung beider Basen anzunehmen. Wenn das Agmatin durch eine fermentative Abspaltung von Kohlens\u00e4ure aus dem Arginin hervorgeht, so mu\u00df ihm die Konstitution eines Amidobutylen-guanidins zugeschrieben werden, wie die folgenden Formeln zeigen :","page":260},{"file":"p0261.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber das Agmatin.\nNH,\tNH,\n/\t/\nCNH\tCNH\n\\\t\\\nNH\tNH\nch2\t1 CH,\nCH,\tCH,\nI\t!\nch2\tCH,\nf'HNH,\tCH,NH,\nCOOH\nArginin.\tAgmatin.\n261\nDiese Strukturformel steht mit den bisher bekannten Eigenschaften des Agmatins im Einklang und sie ist den bereits in Angriff genommenen Versuchen \u00fcber die Konstitution und \u00fcber die Bildung aus Arginin zugrunde gelegt worden.","page":261}],"identifier":"lit18967","issued":"1910","language":"de","pages":"257-261","startpages":"257","title":"\u00dcber das Agmatin","type":"Journal Article","volume":"66"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:03:21.800800+00:00"}