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{"created":"2022-01-31T14:11:09.901388+00:00","id":"lit18999","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Neubauer, Otto","role":"author"},{"name":"Hans Fischer","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 67: 230-240","fulltext":[{"file":"p0230.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Kenntnis der Leberfunktionen.\n(Desaminierung, Reduktion und Kohlens\u00e4ureabspaltung in der k\u00fcnstlich durchbluteten Leber.)\nVon\nOtto Neubauer und Hans Fischer.\ni\t.\n(Aus der II. medizinischen Klinik in M\u00fcnchen.)\n(Der Kedaktion zugegangen am 10. Juni 1010.)\nSchotten1) hat im Jahre 1883 gefunden, da\u00df Hunde nach Hingabe von Phenylaminoessigs\u00e4ure mit ihrem Harn Mandels\u00e4ure \u00e4usscheiden. Die am n\u00e4chsten liegende Deutung, da\u00df es sich hier um eine einfache hydrolytische Ammoniakabspaltung handelt\nC6H5. CH . NH2 \u2022 COOH + H20 = C6H5. CHOH . COOH -f- NHt trifft, wie der eine von uns2) nachzuweisen Gelegenheit hatte, nicht zu; es zeigte sich vielmehr, da\u00df die Ammoniakabspaltung (die \u00fcbrigens ausschlie\u00dflich oder fast ausschlie\u00dflich aus dem rechtsdrehenden Anteil der verf\u00fctterten Aminos\u00e4ure erfolgt i unter gleichzeitiger Oxydation verl\u00e4uft, so da\u00df als Desaminierungsprodukt die Ketons\u00e4ure, die Phenylglyoxyls\u00e4ure, auf-tritt; diese wird erst sekund\u00e4r durch Reduktion teilweise in Mandels\u00e4ure und zwar in rein aktive 1-Mandels\u00e4ure umgewandelt.\nC6ll5 \u2022 CH . NH,. COOH + 0 = C6H5 - CO \u2022 COOH + NH3\nd-Phenylaminoessigs\u00e4ure\tPhenylglyoxyls\u00e4ure\nC6H5 \u2022 CO . COOH + 2H = C6H5 i CHOH . COOH.\n1-Mandels\u00e4ure\nEs wurde ferner festgestellt, da\u00df diese Prozesse auch im Organismus des Menschen stattlinden, w\u00e4hrend beim Kaninchen der Reduktionsvorgang nicht nachgewiesen werden konnte.\nEs war nun von Interesse, den Ort des Organismus ausfindig zu machen, an welchem diese Umwandlung der Aminos\u00e4uren erfolgt, denn es ist in hohem Ma\u00dfe wahrscheinlich, da\u00df\nM Schotten. Diese Zeitschrift, Bd. VW, S. 07 (1888).\n*) Neuhauer. D. Arch. f. klin. Med., Bd. XGV. S. 211 (1900).","page":230},{"file":"p0231.txt","language":"de","ocr_de":"231\nBeitr\u00e4ge zur Kenntnis der Leberfunktionen.\ndie NH3-Abspaltung aus anderen Aminos\u00e4uren, speziell aus denen der Eiwei\u00dfk\u00f6rper, denselben Gesetzen folgt und auch an denselben Stellen stattfindet.\nWenn nun auch der relativ hohe NH3-Gehalt des Pfortaderblutes daran denken l\u00e4\u00dft, da\u00df die Abspaltung von'NH3 im Darm stattfindet, so war doch von vornherein die Leber als dasjenige Organ anzusprechen, in welchem Desaminierungsprozesse in gro\u00dfem Ma\u00dfstab am ehesten erwartet werden durften. Zwar der von Schittenhelm, sowie von Jones und 1\u2018atridge gef\u00fchrte Nachweis, da\u00df die Lebern verschiedener Tiere Fermente enthalten, welche die Desaminierung der Amino-purine, Adenin und Guanin, besorgen, berechtigt keineswegs etwa zu dem Analogieschlu\u00df' da\u00df an demselben Ort auch die* Aminos\u00e4uren desaminiert werden, denn die Desaminierung der Aminos\u00e4uren ist offenbar ein ganz andersartiger Proze\u00df als die der Purinbasen, die ja als einfache hydrolytische NH3-Abspaltung verl\u00e4uft. F\u00fcr die Verlegung des Abbaues der Aminos\u00e4uren in die Leber spricht aber zun\u00e4chst die am Krankenbett gewonnene Erfahrung, da\u00df gerade bei schweren Degenerationen des Leberparenchyms, wie sie bei der akuten gelben Leberatrophie, der Phosphorvergiftung und der Eklampsie eintreten. unver\u00e4nderte Aminos\u00e4uren (Leucin, Tyrosin, Glykokoll, Aspara-gins\u00e4ure, Lysin) im Harn erscheinen; die Tatsache, da\u00df es sich bei diesen Erkrankungen um autolytischen Zerfall von Eiwei\u00dfk\u00f6rpern handelt, bei dem solche Aminos\u00e4uren gebildet werden, reicht f\u00fcr sich allein keineswegs zur Erkl\u00e4rung aus, .da wir beim autolytischen Zerfall in anderen Organen (Pneumonie) Aminos\u00e4uren nicht oder doch in sehr viel geringerer Menge im Harn finden: es mu\u00df bei diesen schweren Leberaffektionen also auch eine Sch\u00e4digung der weiteren Abbauvorg\u00e4nge amgenommen werden.\nIn neuerer Zeit ist man darangegangen, auch bei weniger schweren Lebererkrankungen eine St\u00f6rung im Abbau der Aminos\u00e4uren nachzuweisen und diagnostisch zu verwerten, indem man den Patienten Aminos\u00e4uren in gr\u00f6\u00dferer Menge zuf\u00fchrte und so durch st\u00e4rkere Inanspruchnahme eine sonst latent bleibende St\u00f6rung der desaminierenden Funktion der Leber mani-\n10*","page":231},{"file":"p0232.txt","language":"de","ocr_de":"Otto Neubauer und Hans Fischer,\n232\nfest zu machen suchte. So hat K. Glaessner1) 20\u201425 g Alanin. Aparagins\u00e4ure, Leucin oder Glykokoll verabreicht und beobachtet, da\u00df diese eingef\u00fchrten Aminos\u00e4uren bei Leber-oikrankungen, bei denen das Parenchym in gr\u00f6\u00dferem Ma\u00dfstabe zugrunde geht, nicht vollst\u00e4ndig in Harnstoff \u00fcbergef\u00fchrt werden, sondern die Aminos\u00e4urefraktion des Harns vermehren. .lastrowitz,2) der mit Glykokoll arbeitete, konnte diese Resultate im wesentlichen best\u00e4tigen.\nIn gleichem Sinne wie diese Ergebnisse der pathologischen Forschung sprechen die Versuche von Embden, Salomon und Schmidt,3) welche gezeigt haben, da\u00df die \u00fcberlebende, mit Rinderblut durchblutete Hundeleber nach Zusatz verschiedener Aminos\u00e4uren (Leucin, Phenylalanin, Tyrosin) erhebliche Mengen von Aceton (resp. Acetessigs\u00e4ure) bildet: das Aceton ist augenscheinlich aus den zugesetzten Aminos\u00e4uren entstanden, und es ist klar, da\u00df bei diesem Umwandlungsproze\u00df auch der Stickstoff abgespalten werden mu\u00dfte.\nFerner hat Salaskin4) gezeigt, da\u00df die \u00fcberlebende, mit arteriellem Blut gespeiste Hundeleber die F\u00e4higkeit hat, Glykokoll, Leucin und Asparagins\u00e4ure in Harnstoff oder wenigstens5) in eine diesem nahestehende Substanz umzuwandeln.\nNur mit Vorsicht k\u00f6nnen f\u00fcr die Lokalisation der Desaminierungsvorg\u00e4nge im lebenden Organismus die Untersuchungen ap autolysierenden Organen verwendet werden. 0. Loewi und M. Jacobyfi) haben gezeigt, da\u00df bei der Autolyse der Leber festgebundener Stickstoff in lockergebundenen \u00fcbergeht, und S. Lang7) fand, da\u00df die Ammoniakbildung in verschiedenen autolysierenden Organen (Leber, Darmschleimhaut, Pankreas, Nebenniere) durch Zusatz von Aminos\u00e4uren gesteigert wird.\n\\) K. Glaessner, Zeitschr. f. exp. Path.u. Ther., Bd. IV, S. 330 (1907).\n*) Jastrowitz, Arch. f. exp. Paih. u. Pharm., Bd. LIX, S. 471.\n3) Embden, Salomon u. Schmidt, Hofmeisters Beitr., Bd. VIII, S. 1, 1900.\n*) Salaskin, Diese Zeitschrift, Bd. XXV, S. 128 (1898).\n:i Otto Loewi, ebenda, S. 522.\ne) \u00f6. Loewi, ebenda, S. 511. M. Jacoby, ebenda. Bd. XXX, S. 149\nJ1900).\n7) S: Lang, Hofmeisters Beitr., Bd. V, S. 321 (1904).","page":232},{"file":"p0233.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Kenntnis der Leberfunktionen.\t233\nTrotzdem .alle diese Tatsachen mit gro\u00dfer Bestimmtheit auf die desaminierende Funktion der Leber schlie\u00dfen lassen, schien es uns docli w\u00fcnschenswert, festzustellen, ob auch der Abbau der Phenylaminoessigs\u00e4ure in der Leber erfolgt: denn hier bot sich die M\u00f6glichkeit, nicht nur die Entstehung von Ammoniak oder Harnstoff oder die Bildung eines entfernten Abbaupr\u00f6duktes, sondern das Auftreten des charakteristischen Desaminierungsproduktes selbst, der Kelons\u00e4ure, mit aller Sicherheit nachzuweisen, was bei den nat\u00fcrlichen Aminos\u00e4uren des Eiwei\u00dfes auf Schwierigkeiten sto\u00dfen mu\u00df, da die hierbei entstehenden Ketons\u00e4uren offenbar sehr leicht weiter ver\u00e4ndert werden. Ferner konnte untersucht werden, ob auch die Deduktion der gebildeten Ketons\u00e4ure zur Alkohols\u00e4ure (Mandels\u00e4ure) als eine Funktion der Leber anzusehen ist.\nWir stellten also Durchblutungsversuche mit Hundelebern an unter Zusatz von Phenylaminoessigs\u00e4ure (Kahlbaum) zur Durchstr\u00f6mungsfl\u00fcssigkeit. Diese Versuche hat der eine von uns in Gemeinschaft mit Herrn Dr. Warburg bereits vor 3 Jahren begonnen: sie f\u00fchrten damals nicht zur Auffindung der Des-aminierungsprodukte, jedoch zeigte sich, da\u00df eine N-haltige \u00e4therl\u00f6sliche rechtsdrehende S\u00e4ure entstanden war: die Aufkl\u00e4rung der Zusammensetzung dieses, im folgenden als \u00abSubstanz A\u00bb (S. 235) bezeichnten K\u00f6rpers verz\u00f6gerte sich durch \u00e4u\u00dfere Umst\u00e4nde: doch kann voraussichtlich in n\u00e4chster Zeit \u00fcber diesen K\u00f6rper berichtet werden. Die weitere Untersuchung auf Desaminierungsprodukte wurde dann von uns gemeinschaftlich fortgef\u00fchrt.\nDie Technik der Versuche war so, wie sie in der Publikation von Neubauer und Gro\u00df1) beschrieben ist, nur wurde hier, da es sich nicht um vergleichende Acetonbestirninungen handelte, kein Wert darauf gelegt, da\u00df die Menge der Durchstr\u00f6mungsfl\u00fcssigkeit immer das Dreifache des Lebergewichtes betrug: ferner wurde das Blut nicht mit dem doppelten Volumen Ringe rscher L\u00f6sung verd\u00fcnnt, sondern es wurden 3\u2014i- g Phenylaminoessigs\u00e4ure zun\u00e4chst durch Anfeuchten mit \u00c4ther f\u00fcr Wasser benetzbar gemacht, dann in ca. K00 ccm siedender Ringerl\u00f6sung'gel\u00f6st, die L\u00f6sung hei\u00df filtriert und nach dem Abk\u00fchlen auf 40\u00b0 mit dem defi-brinierten Blut des Tieres (500-1300 ccm) gemischt, und die Mischung als Durchstr\u00f6mungsfl\u00fcssigkeit verwendet. \u2019 Die Durchblutungen verliefen\nl) Neubauer u. Gro\u00df. Diese Zeitschrift (dieses Heft) S. 222.","page":233},{"file":"p0234.txt","language":"de","ocr_de":"234\nOtto Neubauer und Hans Fischer.\nohne jede St\u00f6rung, nur der Grad der Arterialisierung wechselte in den einzelnen Versuchen.\nNach 2\u2014-2\u2018ssl\u00fcndiger Dauer wurde die Durchblutung abgebrochen und die Leber sowie die Durchstr\u00fcmungsfl\u00fcssigkeit gemeinsam auf Reaktionsprodukte untersucht.\nDas Blut wurde mit Wasser verd\u00fcnnt, durch Kochen unter Zusatz von prim\u00e4rem Natriumphosphat koaguliert, das Filtrat auf dem Wasserbad (oder im Vakuum) eingeengt; der Eiwei\u00dfr\u00fcckstand auf dem Filter wurde noch 1\u20142 mal ausgekocht, das Filtrat ebenfalls eingeengt und mit der ersten Fl\u00fcssigkeit vereinigt. Die Leber wurde in analoger Weise behandelt, d. h. in der Hackmaschine zerkleinert, mit Wasser versetzt, durch Kochen unter Phosphatzusatz koaguliert, der nach dem Filtrieren bleibende Niederschlag noch einmal ausgekocht, die vereinigten Filtrate eingeengt und schlie\u00dflich mit dem eingeengten w\u00e4sserigen Dlutextrakt vereinigt.\nOie vereinigten Extrakte von Blut und Leber, deren Volumen etwa 100 ccm betrug, wurden mit Salzs\u00e4ure (bis zur starken Blauf\u00e4rbung von Kongopapier) anges\u00e4uert und im Sch\u00fctteltrichter wiederholt mit \u00c4ther extrahiert.\nDie mit \u00c4ther ersch\u00f6pfte salzsaure L\u00f6sung mu\u00dfte die unver\u00e4ndert gebliebene Aminos\u00e4ure enthalten; sie wurde (wenigstens in einigen Versuchen) mit gepulvertem essigsaurem Natron versetzt, bis die Fl\u00fcssigkeit Kongopapier nicht mehr bl\u00e4ute: es liel ein Niederschlag aus, der sich als Phenylamino-essigs\u00e4ure erwies.\n0.1818 g Substanz (aus verd\u00fcnntem Ammoniak umkrystallisiert), enthalten nach Kjeldahl (42,0 ccm n/to-S\u00e4ure) . . 9,24V N.\nBerechnet f\u00fcr GgH^N ....... . 9,27 V N.\nBei der optischen Untersuchung der in Normalsalzs\u00e4ure gel\u00f6sten Substanz ergab sich, da\u00df sie die Ebene des polarisierten Lichtes nach links drehte; so wurden z. B. in einem Versuche, zu dem 4,2 g Phenvlaminoessigs\u00e4ure verwendet worden waren, 0,9 g Aminos\u00e4ure zur\u00fcckgewonnen, die zu 5 \u00b0/o in n, 2-HCl gel\u00f6st, im 1 dm-Rohr 0,69\u00b0 nach links drehten; daraus berechnet sich f\u00fcr eine 100\u00b0/oige L\u00f6sung eine Drehung von \u2014 7,38\u00b0. Da f\u00fcr optisch reine 1-Phenylaminoessigs\u00e4ure cm = \u2014 157,78\u00b0, \u2019) so lag also ein Gemisch von viel racemischer mit etwas 1-Phenyl-aminoessigs\u00e4ure vor; mit anderen Worten: von dem d-Anteil\n})E. Fischer u. Weichhold. Rer. d. Deutsch, ehern. Ges., Bd.XLI, 8. 1286 .1908).","page":234},{"file":"p0235.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Kenntnis der Leberfunktionen.\t235\nder zur Durchstr\u00f6mungsfl\u00fcssigkeit zugesetzten Substanz war ein Teil (ca. 5\u00b0,V) irgendwie ver\u00e4ndert Worden.\nDie Umwandlungsprodukte wurden in den vereinigten \u00e4therischen Extrakten aufgesucht: diesen wurden durch Sch\u00fctteln mit einem geringen \u00dcberschu\u00df von Normalnatronlauge die S\u00e4uren wieder entzogen (Fett und fettartige Substanzen blieben dabei in dem \u00c4ther zur\u00fcck); aus der alkalischen L\u00f6sung wurden nach dem Ans\u00e4uern mit Salzs\u00e4ure die S\u00e4uren durch wiederholtes Sch\u00fctteln mit \u00c4ther wieder extrahiert; aus den \u00c4therextrakten wurde der \u00c4ther bei gelinder W\u00e4rme vertrieben; es hinterblieb ein hellbrauner sirup\u00f6ser R\u00fcckstand, der mit ein paar Kubikzentimetern Wasser und etwas Tierkohle (Merck \u00abpro analysis) kurz zum Sieden erhitzt und hei\u00df filtriert wurde; das fast farblose klare^Filtrat erwies sich bei der Polarisation fast immer als rechtsdrehend ; nur in wenigen Versuchen war es fast inaktiv oder sogar linksdrehend ; schon dies Verhalten wies darauf hin, da\u00df wenigstens zwei optisch aktive \u00e4therl\u00f6sliche S\u00e4uren entstanden waren, von denen die eine nach rechts, die andere nach links drehte.\nBeim Stehen der L\u00f6sung im Vakuumexsikkator \u00fcber Schwefels\u00e4ure schieden sich nun wasserhelle Nadeln ab, welche die Ebene des polarisierten Lichtes nach rechts drehten. Die Eigenschaften und die Struktur dieser N-haltigen, in Wasser schwer-l\u00f6slichen \u00abSubstanz A\u00bb sind von dem einen von uns in Gemeinschaft mit Warburg untersucht worden und soll\u00e9n demn\u00e4chst mitgeteilt werden (s. oben S. 233).\nIn der Mutterlauge der \u00abSubstanz A-> war nun auf die Desaminierungsprodukte zu fahnden; sie wurde mit Bisullit-lauge versetzt, um etwa vorhandene Ketons\u00e4ure zu binden, und dann wiederholt mit \u00c4ther extrahiert; in den \u00c4ther mu\u00dfte jetzt Mandels\u00e4ure, wenn solche vorhanden war, \u00fcbergehen 'Mandels\u00e4urefraktion, s. unten). Die w\u00e4sserige, bisulfit-haltige Fl\u00fcssigkeit wurde mit verd\u00fcnnter Schwefels\u00e4ure (bis zur stark kongosauren Reaktion) anges\u00e4uert und dann wieder mit \u00c4ther extrahiert : jetzt mu\u00dfte etwa vorhandene Ketons\u00e4ure, durch die Schwefels\u00e4ure aus ihrer Bisulfitverbindung abgespalten, in den \u00c4ther \u00fcbergehen: Ketons\u00e4\u00fcrefraktion.","page":235},{"file":"p0236.txt","language":"de","ocr_de":"23H\nOtto Neubauer und Hans Fischer,\nAus der Ketons\u00e4urefraktion lie\u00dfen wir den \u00c4ther abdunsten: eine Probe des sirup\u00f6sen R\u00fcckstandes gab mit gew\u00f6hnlichem (thiophenhaltigem) Benzol und konzentrierter Schwefels\u00e4ure starke violettrote F\u00e4rbung; diese Reaktion machte die Gegenwart von Phenylglyoxyls\u00e4ure schon sehr wahrscheinlich : zur Sicherstellung wurde der gesamte R\u00fcckstand mit destilliertem Wasser aufgenommen und mit einer klaren salzsauren L\u00f6sung von salzsaurem Phenylhydrazin versetzt; es entstand fast augenblicklich ein gelber Niederschlag, der sich beim Stehen in der K\u00e4lte noch vermehrte und mikroskopisch das charakteristische Bild des Phenylglypxyls\u00e4ure-phenylhydrazons (kleine gebogene N\u00fcdelchen) darbot; der Niederschlag wurde auf einer Nutsche abgesaugt, mit kaltem Wasser gewaschen und im Vakuum \u00fcber Schwefels\u00e4ure getrocknet.\nDie Ausbeute an reinem Hydrazon war in den einzelnen Versuchen sehr verschieden, bis zu 0,15 g.\nZur Analyse wurden die Produkte aus mehreren Versuchen vereinigt, aus hei\u00dfem Alkohol -f- Wasser umkrystallisiert und im Vakuum bei 60\u00b0 \u00fcber Phosphorpentoxvd bis zur Gewichtskonstanz getrocknet. Schmelzpunkt 164\u00b0 (korr.) beim schnellen Erhitzen.\n\u00d6.1160 g Substanz liefern 11,8 ccm N bei 17\u00b0 und 765 mm Hg\n== 12,05 N.\nBerechnet f\u00fcr CuHl\u00c40.,N2: 11.67% N.\nDamit ist festgestellt, da\u00df Phenylaminoessigs\u00e4ure wie im lebenden Organismus, so auch in der k\u00fcnstlich durchbluteten Hundeleber desaminiert und zwar in Phenylglyoxyls\u00e4ure \u00fcbergef\u00fchrt wird.\nEs war noch zu untersuchen, ob die gebildete Phenylglyoxyls\u00e4ure in der isolierten durchbluteten Leber auch eine teilweise Reduktion zu Mandels\u00e4ure erf\u00e4hrt. Die deutlich linksdrehenden \u00abMandels\u00e4urefraktionen\u00bb mehrerer Versuche wurden vereinigt ; nach einiger Zeit schieden sich rhombische T\u00e4felchen ab, welche durch L\u00f6sen in wenig kaltem Wasser von gleichzeitig mit abgeschiedenen geringen Mengen von \u00abSubstanz A\u00bb getrennt werden konnten : sie wurden noch wiederholt aus Wasser und aus hei\u00dfem Benzol umkrvstallisiert : schlie\u00df-\n\u00ab\nlieh wurde eine sehr geringe Menge silbergl\u00e4nzender Krystalle","page":236},{"file":"p0237.txt","language":"de","ocr_de":"Beit r\u00e4ge zur Kenntnis der Lyberlunktionen,\t237\nvom typischen Aussehen der Mandels\u00e4ure gewonnen, die aber zu einer genaueren Untersuchung nicht ausreichte. v\nUm nun die Reduktion der aus der'Phenylaminoessigs\u00e4ure gebildeten Phenylglyoxyls\u00e4ure zu 1-Mandels\u00e4ure mit Sicherheit festzustellen, haben wir auch zwei Durchblutungsversuche mit Phenylglyoxvls\u00e4ure ausgef\u00fchrt (Zusatz von 3,0 resp. 2,2 g der S\u00e4ure als Na-Salz). Die Phenylglyoxvls\u00e4ure wurde nach den Angaben von Claisen (Rer. d. d. ehern. (l\\ Bd. X* S. 430, 315) dargestellt, die erhaltene S\u00e4ure wurde in Bisulfitlauge gel\u00f6st, Verunreinigungen durch Aus\u00fcthern entfernt; daim wurde die Ketons\u00e4ure durch Salzs\u00e4ure in Freiheit gesetzt und ausge\u00e4thert; der eingedampfte \u00c4therextrakt erstarrte \u00fcber Schwefels\u00e4ure zu einem Krystallbrei. In diesen Versuchen zeigten die. \u00c4therextrakte aus Blut und Leber von vorneherein eine starke Linksdrehung fz. B. in dem einen Versuch ca. 30 ccm L\u00f6sung, die im 2-dm-Rohr\u20142,5\" drehte), und es gelang hier, neben unver\u00e4nderter Phenylglyoxyls\u00e4ure 1-Mandels\u00e4ure in ausreichender Menge zu isolieren. Die wiederholt aus Wasser und aus hei\u00dfem Benzol umkrystallisierte Substanz zeigte einen Schmelzpunkt von 132\u00b0. Zur Bestimmung der optischen Drehung, die m Anbetracht der geringen Substanzmenge mikropolarimetrisch ausgef\u00fchrt werden mu\u00dfte;\u00bb) wurden 0,0082 g Substanz in Wasser gel\u00f6st; Gesamtgewicht der L\u00f6sung 0,0036 g, spezifisches Gewicht 1,004. Drehung im 10-cm-Rohr = -r- l s75 \u00b0 Daraus berechnet sich die spezifische Drehung ai, = \u2014 151.1\u00b0 (spez. Drehung der 1-Mandels\u00e4ure nach Waiden = \u2014 153,00\u00b0).\nDamit ist der Nachweis der aktiven, und zwar der linksdrehenden Mandels\u00e4ure erbracht: in der \u00fcberlebenden Leber erfolgt also nicht nur die Desaminierung der Phenylamino-essigs\u00e4ure zu Phenylglyoxyls\u00e4ure, sondern auch deren Reduktion zur aktiven 1-Mandels\u00e4ure: diese ist demnach, wie schon\n\u25a0\u201d f\ndie Versuche am lebenden Hund ergeben hatten, als sekund\u00e4res Produkt anzusehen.\nAu\u00dferdem enthielt das \u00e4therische Extrakt eine weitere S\u00e4ure. Sie war in \u00c4ther und (zum Unterschied von Mandel-\n\\) K. Fischer. Sitzungsber.d.k. preu\u00df. Ak.d. Wissensch.; 19\u00d9H.S.h\\t.","page":237},{"file":"p0238.txt","language":"de","ocr_de":"238\nOtto Neubauer und Hans Fischer.\ns\u00e4ure) auch in Benzol leicht l\u00f6slich, schwerer l\u00f6slich in Wasser; sie zeigte nach zweimaligem \u00dcmkrystallisieren einen Schmelzpunkt von 120- 122\u00b0, erwies sich als frei von Stickstoff (Las saigne sehe Probe): ihre L\u00f6sung war optisch inaktiv: beim trockenen Erhitzen auf dem Wasserbad sublimierte sie in langen Nadeln: nach diesen Eigenschaften lag Benzoes\u00e4ure vor, was mit dem Ergebnis der Titration \u00fcbereinstimmt:\n0.\t0780.g Substanz verbrauchen zur Neutralisation gegen Phenolphthalein 6,1 ccm n 10-Natronlauge (Theorie verlangt 6,39 ccm).\nEin Kontrollversuch ergab, da\u00df die erhaltene Benzoes\u00e4ure nicht etwa erst bei der Verarbeitung des Organes aus der zugesetzten S\u00e4ure entstanden war. Sie war demnach offenbar w\u00e4hrend der Durchblutung durch oxydative C02-Abspaltung aus der Phenylglyoxyls\u00fcure gebildet worden. Auch im lebenden Organismus geht diese S\u00e4ure ja zu einem kleinen Teil in Benzoes\u00e4ure resp. Hippurs\u00e4ure \u00fcber.1)\nDie im Vorstehenden beschriebenen Versuche haben also ergeben:\n1.\tIn der \u00fcberlebenden, k\u00fcnstlich durchbluteten Hundeleber wird von zugesetzter Phenylaminoessigs\u00e4ure die d-Komponente zum Teil ver\u00e4ndert, so da\u00df linksdrehende Aminos\u00e4ure \u00fcbrig bleibt.\n2.\tAls Desaminierungsprodukt der zersetzten Aminos\u00e4ure tritt dabei zun\u00e4chst die entsprechende Ketons\u00e4ure, die Phenylglyoxyls\u00fcure, auf.\n3.\t.Sekund\u00e4r kommt es zu einer Reduktion der Phenvl-glyoxvls\u00e4ure zu Mandels\u00e4ure, und zwar zu 1-Mandels\u00e4ure.\nL Au\u00dferdem wird ein Teil der Phenylglyoxvls\u00e4ure in Benzoes\u00e4ure verwandelt.\nDamit sind sowohl die oxydative Desaminierung als auch die optisch aktive Reduktion und die oxydative C02-Abspaltung (also mit Ausnahme der Glykokollpaarung der gebildeten Benzoes\u00e4ure alle Ver\u00e4nderungen, welche die Phenylaminoessigs\u00e4ure im lebenden Organismus erf\u00e4hrt) als Funktionen der Leber sichergestellt.\n1) s. Neubauer, a. a. 0.. S. 238.","page":238},{"file":"p0239.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Kenntnis der Leberfunktionen.\t\u00ab39\nUm zu entscheiden, ob diese Leberfunktionen an ein Erhaltensein der Struktur der Leber, wie es durch Anwendung der Durchblutungstechnik erreicht wird, gebunden sind, haben wir ferner untersucht, ob nicht auch die dem Tiere frisch entnommene und zu einem Brei zerkleinerte Leber imstande ist, diese Prozesse durchzuf\u00fchren. Da die Desaminierung zur Ketons\u00e4ure ein oxydativer Proze\u00df ist, wurde in den meisten Versuchen durch den Leberbrei Luft durchgeleitet\nVersuch I. 225 g frische Hundeleber (das Tier war zur v\u00f6lligen Entblutung mit physiologischer Kochsalzl\u00f6sung (lurchgesp\u00fclt worden) wurden in der Hackmaschine zerkleinert, mit 1.5 g Phenylaminoessigs\u00e4ure, gel\u00f6st in P/\u00ab 1 Brunnenwasser, und etwas Toluol versetzt, durchgesch\u00fcttelt und durch 16 Stunden unter gleichzeitigem Durchleiten von Luft bei 87\u00b0 gehalten. Die Verarbeitung geschah wie bei den Durchbiutungsversuchen; es wurden Krystalle vom Aussehen des Phenylglyoxyls\u00fcurephenylhydrazins erhalten, die bei 147\u2014153\u00b0 schmolzen; zum Umkryslallisieren reichte die Menge nicht aus.\nVersuch II. 350g Rinderleber wurden in gleicher Weise zerkleinert. mit 3.0 g Phenylaminoessigs\u00e4ure, 1 1 Wasser und Toluol versetzt, durch 7 Stunden Luft bei 37\u00b0 durchgeblasen. Im sauren \u00c4lherextrakt erzeugte salzsaures Phenylhydrazin sofort einen Niederschlag, der beim Umkrystallisieren lange Nadeln lieferte, die den Schmelzpunkt des Phenyl-glyoxyls\u00e4urephenylhydrazons (164\u00b0 [korr.]) zeigten. Isolierung von Mandels\u00e4ure gelang dagegen nicht, obzwar der \u00c4therextrakt eine deutliche Linksdrehung zeigte (8 ccm drehten im 2 dm-Rohr \u2014 0,25u).\nAuch in 2 Versuchen, in denen Phenylglyoxyls\u00e4ure mit Hunde- resp. Rinderleberbrei digeriert wurde, konnte Mandels\u00e4ure nicht isoliert werden.\nDie oxydative Desaminierung erfolgte also nicht nur in der k\u00fcnstlich durchstr\u00f6mten Leber, sondern auch im Leberbrei, freilich in quantitativ viel geringerem Ma\u00dfe.\nEs sind noch 2 Fragen zu diskutieren.\n1. F\u00fchrt die Leber dieselben beiden Prozesse auch bei andern Aminos\u00e4uren, speziell bei denen des Eiwei\u00dfes, durch? Wenn man die in der Einleitung angef\u00fchrten Tatsachen mit den Resultaten der beschriebenen Versuche zusammen nimmt, so wird man diese Frage wohl mit Wahrscheinlichkeit bejahen d\u00fcrfen, wenigstens soweit sie die Desaminierung bis zur Ketons\u00e4ure anlangt : was dagegen die folgende Reduktion zur Alkohols\u00e4ure betrifft, so soll es dahingestellt bleiben, ob es sich hier","page":239},{"file":"p0240.txt","language":"de","ocr_de":"240 Otto Neubauer und Hans Fischer. \u00dcber Leberfunktionen\num einen allgemein g\u00fcltigen normalen Vorgang handelt oder um einen Proze\u00df, der gerade nur im speziellen Falle der Phenvl-glyoxvls\u00fcure eintritt, weil diese Substanz, wohl infolge des Baues ihrer Seitenkette, den normalen Abbauvorg\u00e4ngen nicht weiter zug\u00e4nglich ist (\u00abParektrqpie\u00bb1)). Im Sinn der ersten Annahme spricht vielleicht der w\u00e4hrend-der Durchf\u00fchrung dieser Versuche bekannt gewordene Befund von Embden und Kraus.2) welche nachweisen konnten, da\u00df nach Zusatz von Alanin zur k\u00fcnstlich durchbluteten Hundeleber eine starke Milchs\u00e4urebildung stattfindet; wir glauben annehmen zu d\u00fcrfen, da\u00df diese Milchs\u00e4ure aus prim\u00e4r gebildeter Brenztraubens\u00e4ure gebildet worden sein d\u00fcrfte.\nDie 2. Frage ist die, ob diese Desaminierungs- und Be-duktionsprozesse nur in der Leber, in keinem andern Organ vor sich gehen; zur Beantwortung sind Versuche mit andern Organen n\u00f6tig: jedoch weisen die Befunde S. Langs,3) der nach Digestion verschiedener zerkleinerter Organe mit Aminos\u00e4uren ein Ansteigen des Ammoniakgehaltes fand, ferner die Tatsache, da\u00df entleberte G\u00e4nse gro\u00dfe Mengen von Ammoniak bilden,1 ) und die Beobachtung, da\u00df auch bei Hunden mit Eckscher Fistel Ammoniak in den Organen sich anh\u00e4uft,5) darauf hin, da\u00df auch in andern Organen Ammoniak aus Eiwei\u00df resp. au> Aminos\u00e4uren abgespalten wird: ob auch hier nach dem Typus der Ketons\u00e4urebildung, bliebe noch zu untersuchen.\nAuf der andern Seite weist die klinische Erfahrung, da\u00df gerade bei den schweren Erkrankungen der Leber unver\u00e4nderte Aminos\u00e4uren im Harn erscheinen, darauf hin, da\u00df dieses Organ, wennschon nicht als die einzige, so doch als die Hauptst\u00e4tte des Desaminierungsprozesses anzusehen ist.\nNeubauer, a. a. 0., S. 244.\n*> G. Embden und Fr. Kraus, Verhandlungen des 26. Kongr. f. inn. Med., 1900, S. 35;}.\n:'r S. Lang. Hofmeisters Beitr., Bd. V. S. 321 (1904).\n*) Minkowski, Arch. f. exp. Path. u. Pharm.. Bd. XXI. S. 41(1886'.\ns) Salaskin, Diese Zeitschrift, Bd. XXV, S. 479 (1898).","page":240}],"identifier":"lit18999","issued":"1910","language":"de","pages":"230-240","startpages":"230","title":"Beitr\u00e4ge zur Kenntnis der Leberfunktionen. (Desaminierung, Reduktion und Kohlens\u00e4ureabspaltung in der k\u00fcnstlich durchbluteten Leber)","type":"Journal Article","volume":"67"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:11:09.901394+00:00"}