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{"created":"2022-01-31T14:03:21.141998+00:00","id":"lit19085","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Abderhalden, Emil","role":"author"},{"name":"Florentin Medigreceanu","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 69: 66-71","fulltext":[{"file":"p0066.txt","language":"de","ocr_de":"Beitrag zur Kenntnis der Bausteine der Zellen von Tumoren.\nV Oll\nEmil Abderhalden und Florentin Medigreeeanu.\n(Au\u00bb dem Imperial Cancer Research Fund. London, und dem physiologischen Institut der tier\u00e4rztlichen Hochschule, Berlin.)\n(Der Redaktion zugegangen am 2\u00ab. August 1910.)\nWiederholt ist die Frage aufgetaucht, ob die am Aufbau von Tumoren, speziell der b\u00f6sartigen, beteiligten Bestandteilt* in ihrer Zusammensetzung Abweichungen gegen\u00fcber der Norm zeigen. Wie an anderer Stelle schon wiederholt zum Ausdruck gebracht worden ist, eilt hier die Fragestellung unseren Kenntnissen weit voraus, und vor allen Dingen werden an dit* Methoden Anforderungen gestellt, denen sie nicht zu gen\u00fcgen verm\u00f6gen. Das Hauptinteresse wurde den Proteinen zugewandt. Sind die Eiwei\u00dfstoffe der Tumorzellen anders gebaut als die Proteine normaler Zellen? Diese Frage wurde zum teil bejaht. Es wurde z. B. in Carcinomgewebe mehr Glutamins\u00e4ure gefunden als in normalen Geweben.2) Wir sind der Ansicht, da\u00df sich dieses wichtige Problem nicht in so direkter \\\\ eise entscheiden l\u00e4\u00dft, wie es bisher versucht worden ist. Es mu\u00df eine Etappe nach der anderen genommen werden.\nDas ganze Problem l\u00e4\u00dft sich zun\u00e4chst von zwei Gesichtspunkten aus in Angril\u00ee nehmen. Erstens kann man den Versuch machen, nach bestimmten Methoden vergleichsweise aus Tumorgewebe und dem entsprechenden Mutterboden Proteine zu isolieren. Es w\u00e4re dann zu entscheiden, ob aus den Geschwulst-\nM Die gesamte Literatur \u00fcber diese Frage findet sich zusammen-gestellt bei Ferdinand Blumenthal, Die chemischen Vorg\u00e4nge hei dei Krebskrankheit. Asher-Spiro, Ergebnisse der Physiologie. 1910.\n*) Emil Abderhalden, Klinische Eiweiftuntersuchungen, Zeitschrift f\u00fcr experimentelle Pathologie und Therapie. Bd. II. S. (542. I9il\u00bbi","page":66},{"file":"p0067.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis der Bausteine der Zellen von Tumoren \u00f67\nzullen sich eigenartige Eiwei\u00dfstoffe gewinnen lassen oder aber, ob ein auch sonst vorhandener Eiwei\u00dfstoff in besonders gro\u00dfen Mengen auftritt. In zweiter Linie w\u00fcrde dann eine eingehende l ntersuchung der isolierten Proteine auf ihre Bausteine notwendig sein. Dieser Gang der Untersuchung w\u00e4re sicher der zweckm\u00e4\u00dfigste. Er wird jedoch sehr erschwert durch den Mangel an Kenntnissen \u00fcber Zellproteine im allgemeinen und dann auch durch das Fehlen von gen\u00fcgendem Material.\nSo mu\u00df notgedrungen ein zweiter Weg beschritten werden. Ks mu\u00df die Frage entschieden werden, ob die Gesamt proteine der GeschwulstzellenBausteine aufweisen, die anderen Proteinen ganz fehlen oder aber in geringerer oder gr\u00f6\u00dferer Menge Vorkommen. Auch hier sind der Fragestellung durch die uns zur Verf\u00fcgung stehenden Methoden sehr enge Grenzen gezogen. Wir besitzen nur f\u00fcr ganz wenige Aminos\u00e4uren quantitative Methoden. Zur Pr\u00fcfung auf neue Bausteine lehlt das Material. So bleibt schlie\u00dflich nichts anderes \u00fcbrig, als die Frage zu entscheiden, ob von den quantitativ bestimmbaren Aminos\u00e4uren die eine oder andere in Geschwulstgewebe in auffallend vermehrter oder verminderter Menge vorkommt. Wird eine solche Feststellung erhoben, dann darf noch lange nicht behauptet werden, da\u00df der Nachweis eines Proteins gegl\u00fcckt sei, das eine eigenartige Zusammensetzung besitzt. Der Einwand bleibt immer offen, da\u00df Ver\u00e4nderungen in der Zusammensetzung des Zelleiwei\u00dfgemenges die Ursache des beobachteten Unterschiedes im Gehalt, der (inen oder anderen Aminos\u00e4ure sein kann. Das Zelleiwei\u00df stellt sicher ein gro\u00dfes Gemenge recht verschieden zusammengesetzter Proteine dar. Es ist wohl m\u00f6glich, da\u00df Proteine unter ihnen sich befinden, die z. B. viel Glutamins\u00e4ure besitzen, w\u00e4hrend andere davon weniger aufweisen. Durch eine, Verschiebung des Mengenverh\u00e4ltnisses dieser beiden Proteine mu\u00df < ine \u00c4nderung des Glutamins\u00e4uregehaltes des Gemisches, zustande kommen. H\u00e4moglobin besitzt bekanntlich viel Histidin. W\u00fcrden wir den Histidingehalt der Proteine des gesamten Illutes bestimmen, dann w\u00fcrde nat\u00fcrlich ein Mindergehalt des Pl\u00fbtes an H\u00e4moglobin den Gesamtwert an Histidin herab-","page":67},{"file":"p0068.txt","language":"de","ocr_de":"bK Emil Abderhalden und Florentin Medigreceanu.\ndr\u00fccken, ohne da\u00df irgend ein Protein im geringsten in seiner Zusammensetzung ver\u00e4ndert zu sein braucht. Unter diesem Gesichtspunkt sind alle Versuche, eine Abartung in der Zusammensetzung von Zellproteinen aufzufinden, zu beurteilen. Keine einzige dieser Untersuchungen hat Beweiskraft.\nUnter Ber\u00fccksichtigung der eben mitgeteilten Einw\u00e4nde gegen\u00fcber bestimmten Schlu\u00dffolgerungen aus Feststellungen, \u00fcber einen verschiedenen Gehalt der Zellproteine an bestimmten Bausteinen, darf eine solche Beobachtung nur als eine erste Etappe in det* ganzen Fragestellung aufgefa\u00dft werden. Es mu\u00df nunmehr versucht werden, aus den Tumoren bestimmte Proteine zu isolieren und festzustellen, ob eines dieser durch die Gewinnungsart charakterisierten Proteine eine eigenartige Zusammensetzung besitzt. Damit kommen wir wieder auf den oben erw\u00e4hnten ersten Weg zur\u00fcck.\nDie Bestimmung einzelner Bausteine im Zelleiwei\u00dfgemisch kann zurzeit als eine Vorpr\u00fcfung aufgefa\u00dft werden. Mehr Bedeutung kann sie nicht beanspruchen. Sie soll entscheiden, ob es sich lohnt, die Proteine der Tumorzellen zu trennen, und nach welcher Richtung wir zu suchen haben. W\u00fcrden z. B. sehr viele Diaminos\u00e4uren gefunden, dann w\u00e4re nach Proteinen aus der Gruppe der Histone zu fahnden usw.\nVon diesen Gesichtspunkten aus wollen wir auch die folgenden Versuche aufgefa\u00dft wissen. Unsere Fragestellung war folgende: Zeigt die Summe der Zellproteine verschiedenartiger Tumoren Unterschiede in ihrem Gehalte an Tyrosin, Glutamins\u00e4ure und Glykokoll?\nZur Untersuchung gelangten drei Carcinome aus der Leber von K\u00fchen (prim\u00e4re Ad\u00e9nocarcinome der Leber von K\u00fchen), Sarkom von Ratten und Carcinom von M\u00e4usen (Tumor 631)).\nS\u00e4mtliche Tumoren wurden zun\u00e4chst durch Waschen mit physiologischer Kochsalzl\u00f6sung von Blut befreit. Die nekrotischen Stellen wurden dabei m\u00f6glichst entfernt. Dann wurden die gr\u00f6beren Tumorst\u00fccke zerkleinert. Nachdem dann das Tumorgewebe bei 105\u00b0 getrocknet worden war, wurde es in einer Reibschale zu Pulver zerrieben. Dann wurde die Masse\n') Vgl. die Beschreibung diese Zeitschrift. Bd. LXII, S. 145, Ihn;*.","page":68},{"file":"p0069.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis dor Bausteine der Zellen von Tumoren.\n09\nmit absolutem Alkohol und dann mit Tetrachlorkohlenstoff ersch\u00f6pft. Nunmehr wurde in einem aliquoten Teil der Aschengehalt und der Stickstoffgehalt bestimmt. Ferner wurde ein Teil bis zur Gewichtskonstanz bei 120\u00b0 getrocknet.\nDie Bestimmung der drei genannten Aminos\u00e4uren erfolgte in der \u00fcblichen Weise. Wir kochten das Tumorgewebe 20 Stunden mit der f\u00fcnffachen Menge 25 \u00b0;\u00bbiger Schwefels\u00e4ure. Dann wurde von dem Ungel\u00f6sten abfiltriert. Der R\u00fcckstand wurde mit verd\u00fcnnter Schwefels\u00e4ure gewaschen und dann nochmals 10 Stunden mit 25\u00b0/oiger Schwefels\u00e4ure gekocht. Es wurde wieder filtriert. Der R\u00fcckstand wurde nun mit destilliertem Wasser so lange gewaschen, bis das Filtrat keine Reaktion auf Schwefels\u00e4ure mehr gab. Er wurde dann bei 120\u00b0 bis zur Gewichtskonstanz getrocknet. Wir haben diesen R\u00fcckstand kurzweg Melanin genannt.\nAlle Filtrate wmrden vereinigt und nun die Schwefels\u00e4ure mit Baryt quantitativ entfernt. Der Baryumsulfatniederschlag wurde abfiltriert und in der \u00fcblichen Weise wiederholt ausgekocht. Das Tyrosin wurde durch Einengen der vereinigten Filtrate vom Baryumsulfat gewonnen. Das Rohtyrosin w urde durch l'mkrystallisieren unter Anwendung von Tierkohle gereinigt.\nDie Mutterlauge des Tyrosins diente zur Gewinnung der ?alzsauren Glutamins\u00e4ure. Wir engten sie ein, nachdem wir sie mit Tierkohle fast ganz entf\u00e4rbt hatten. Dann leiteten wir gasf\u00f6rmige Salzs\u00e4ure in die L\u00f6sung ein. Die durch fraktionierte Krystallisation erhaltenen Krvstallmassen wurden dann unter Anwendung von Tierkohle aus verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure umkrystal-lisiert.\nZur Bestimmung des Glykokollgehaltes wendeten wir die Estermethode an. Es lie\u00df sich kein Glykokollesterchlorhydrat direkt abscheiden. Wir konnten das Glvkokoll erst nach erfolgter Infreiheitsetzung der Ester gewinnen. Die Glykokoll-bestimmung kann keinen gro\u00dfen Anspruch auf Exaktheit machen. Bei den Versuchen, das Glykokollesterchlorhydrat direkt nach erfolgter Veresterung abzuscheiden, waren geringe Verluste unvermeidbar. Es mu\u00dfte wiederholt filtriert werden, um das abgeschiedene Chlorammon zu entfernen.","page":69},{"file":"p0070.txt","language":"de","ocr_de":"70\nEini 1 Abderhalden und Florentin Medigreceanu,\nWir haben die Werte f\u00fcr die einzelnen Aminos\u00e4uren auf den Eiwei\u00dfgehalt der Tumoren bezogen und diesen dadurch berechnet, da\u00df wir den gefundenen Stickstoffwert mit 6,25 multiplizierten. Diese Art der Berechnung darf nat\u00fcrlich keinen Anspruch auf absolute Exaktheit machen.\nVon besonderen Beobachtungen w\u00e4re zu erw\u00e4hnen, da\u00df wir beim Eindampfen der Filtrate vom Barvumsulfat bei den Leber-earcinomen einen auffallenden Geruch, der an Pyridin erinnerte, wahrnahmen.\nDie folgende \u00dcbersicht gibt die erhaltenen Resultate wieder.\n1.\tGarcinom aus Kuhleber:\nAschengehalt\t6.64-\u00b0/o 1 berechnet auf die bei 120\u00b0 bis zur Gewichts-\nStickstoffgehalt 15,42 \u00b0;o J\tkonstanz getrocknete Substanz.\nHydrolysiert wurden 250 g Substanz. Es blieben 13,0 g Melanin zur\u00fcck. Gefunden: 2,05% Tyrosin; 12,0\u00b0('o Glutamins\u00e4ure; l,8\u00b0/o Glykokoll.\n2.\tCarcinom aus Kuhleber:\nAschengehalt 5,80\u00b0,\\> \\ berechnet auf die bei 120\u00fc bis zur Gewichts-Stickstoffgehalt 14,76\u00b0/o J\tkonstanz getrocknete Substanz.\nHydrolysiert wurden 240 g Substanz. Menge des Melanins 18 g. Gefunden: 2,15% Tyrosin; 11,2\u00b0/# Glutamins\u00e4ure; 1,5\u00b0/o Glykokoll.\n3.\tCarcinom aus Kuhleber:\nAschengehalt 5.25\u00b0 o \\ berechnet auf die bei 120\u00b0 bis zur Gewichts-Stickstoffgehalt 13.88 \u00b0/o J\tkonstanz getrocknete Substanz.\nHydrolysiert wurden 100 g. Menge des Melanins 9 g. Gefunden: 1.95\u00b0> Tyrosin ; 12,8\u00b0/o Glutamins\u00e4ure; 2,20\u00b0,o Glykokoll.\n4.\tSarkom von Ratte:\nAschengehalt 6,59 \u00b0/o \\ berechnet auf die bei 120\u00b0 bis zur Gewichts-Stickstoffgehalt 13,15\u00b0i\u00bb |\tkonstanz getrocknete Substanz.\nHydrolysiert wurden 75 g. Menge des Melanins 7,0 g. Gefunden: 1,75\u00b0/o Tyrosin; 12,5*/\u00ae Glutamins\u00e4ure; l,80\u00b0/o Glykokoll.\n5.\tCarcinom von Maus:\nAschengehalt 6.25 \u00b0/o 1 berechnet auf die bei 120\u00b0 bis zur Gewichts-Stickstoffgehalt 13,0\u00b0/o /\tkonstanz getrocknete Substanz.\nHydrolysiert wurden 75 g. Menge des Melanins 8,0 g. Gefunden 2,0\u00b0/o Tyrosin; 11,5\u00b0/o Glutamins\u00e4ure; 2,0\u00b0/o Glykokoll.\nDie \u00dcbereinstimmung der einzelnen Werte ist f\u00fcr die drei Lebercarcinome eine recht gute. Man darf bei der Beurteilung solcher Werte nicht au\u00dfer acht lassen, da\u00df die mannigfachen Operationen trotz aller Sorgfalt zu Verlusten f\u00fchren. Das","page":70},{"file":"p0071.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis der Bausteine der Zellen von Tumoren. 71\nM\u00e4usecarcinom und das Rattensarkom zeigen auch keine Werte, die zu dem Schl\u00fcsse berechtigten, da\u00df Besonderheiten vor-liegen. Nach unseren Erfahrungen findet man mindestens su gro\u00dfe Unterschiede, wenn man in ganz entsprechender Weise normale Organe verarbeitet. Bemerkt sei noch, da\u00df wir Tyro-rin durch die Stickstoffanalyse und das Glutamins\u00e4urechlorhydrat durch die Bestimmung des Chlorgehaltes identifizierten. Zwischen den Ausbeuten an Rohprodukten und den ganz reinen Substanzen ergaben sich gro\u00dfe Unterschiede.\nZusammenfassend w\u00e4re zu bemerken, da\u00df es uns auf dem eingeschlagenen Wege nicht gegl\u00fcckt ist, f\u00fcr eine der untersuchten Tumorarten eine Besonderheit im Gehalte an Tyrosin. i dutamins\u00e4ure und Glykokoll nachzuweisen. Alle bis jetzt erfolgten Mitteilungen \u00fcber Eigenarten von Proteinen von Tumoren auf Grund von Bestimmungen einzelner Bausteine bed\u00fcrfen aus den oben angef\u00fchrten Gr\u00fcnden noch der Best\u00e4-ugung durch Erweiterung der Untersuchungen auf bestimmte Proteine.","page":71}],"identifier":"lit19085","issued":"1910","language":"de","pages":"66-71","startpages":"66","title":"Beitrag zur Kenntnis der Bausteine der Zellen von Tumoren","type":"Journal Article","volume":"69"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:03:21.142004+00:00"}