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{"created":"2022-01-31T14:12:11.664591+00:00","id":"lit19136","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Jager, L. de","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 70: 60-64","fulltext":[{"file":"p0060.txt","language":"de","ocr_de":"Ein gelber K\u00f6rper im Harn.\nVon\nDr. L. de Jager zu Stiens (Niederland).\n(Der Redaktion zugegangen am 1. November 1910.)\nWenn zu Harn eine geeignete Menge Salzs\u00e4ure und Formalin hinzugesetzt wird, so entsteht ein gelb bis rot gef\u00e4rbter Niederschlag, welcher wesentlich aus einer Verbindung von Harnstoff und Formaldehyd besteht, daneben aber einen oder mehrere Farbstoffe enth\u00e4lt. Den in diesem Niederschlag enthaltenen Farbstoff habe ich fr\u00fcher beschrieben.1)\nWeitere Versuche haben ergeben, da\u00df mehrere Farbstoffe mechanisch von dem Formolharnstoff niedergerissen werden, aber so, da\u00df dieselben nicht wieder von dem Formolharnstoff zu trennen sind.\nAus einer L\u00f6sung von Urobilin wird, nachdem in derselben Harnstoff gel\u00f6st worden ist, durch Zusatz von Salzs\u00e4ure und Formalin das Urobilin ausgef\u00e4llt.\nEbenso wird Blutfarbstoff gef\u00e4llt. Durch Betupfen des abfiltrierten Niederschlags eines Harns, welcher nur Spuren Blut enth\u00e4lt, mit einer Mischung von Wasserstoffsuperoxyd und Benzidinl\u00f6sung entsteht ein Fleck von der Farbe des Berlinerblau. Ich m\u00f6chte diese Ab\u00e4nderung der Benzidinprobe als eine sehr empfindliche Blutprobe empfehlen.\nDer im Harn durch Salzs\u00e4ure und Formalin hervorgerufene Niederschlag entsteht nach einigen Minuten, es dauert aber bis zu 24 Stunden, ehe die F\u00e4llung vollkommen ist. Wenn die von diesem Niederschlag abfiltrierte Fl\u00fcssigkeit mit Ammoniumsulfat ges\u00e4ttigt wird, so entsteht ein gelber volumin\u00f6ser Niederschlag, den ich einer eingehenden Pr\u00fcfung unterworfen habe. Die Bildung dieser F\u00e4llung gelingt am besten, wenn zu 100 ccm Harn soviele Kubikzentimeter Formalin hinzugesetzt werden, als den vierten Teil der zwei letzten Ziffern des spezifischen Gewichts ergibt. Hat der Harn ein spezifisches Gewicht von 1020, so sind zu 100 ccm Harn 5 ccm Formalin erforderlich. Darauf wird die doppelte Menge Salzs\u00e4ure zu 25\u00b0/o (in diesem Fall 10 ccm) zugesetzt. Wird die Salzs\u00e4ure zuerst\n*) Diese Zeitschrift, Bd. LX1V, Heft 2.","page":60},{"file":"p0061.txt","language":"de","ocr_de":"Ein gelber K\u00f6rper im Harn.\n61\nzugesetzt, und mit dem Zusatz des Formalins einige Minuten gewartet, so mi\u00dflingt der Versuch.\nDer mit Formalin und Salzs\u00e4ure versetzte Harn wird nach wenigstens 24 Stunden filtriert. Gew\u00f6hnlich wird nach dieser Frist das Filtrat bei weiterem Stehen klar bleiben. Das Filtrat wird mit Ammoniumsulfat ges\u00e4ttigt, ohne Anwendung von W\u00e4rme. Sobald eine ausreichende Menge Ammoniumsulfat in L\u00f6sung gegangen ist, scheidet sich ein volumin\u00f6ser gelber Niederschlag ab, der wie eine Rahmschicht emporsteigt. Setzt man Wasser hinzu, so l\u00f6st sich dieser K\u00f6rper wieder.\nDie F\u00e4llung ist nicht vollst\u00e4ndig; wenn abfiltriert wird, so tr\u00fcbt sich die Fl\u00fcssigkeit aufs neue, aber dieser Niederschlag bleibt in der Fl\u00fcssigkeit schwebend.\nDie L\u00f6slichkeit in Wasser nimmt nach und nach ab; es ist daher am besten, sobald die Rahmschicht sich gebildet hat, zu filtrieren. Der auf dem Filter gesammelte Niederschlag wird mit konzentrierter Ammoniumsulfatl\u00f6sung ausgewaschen.\nAnfangs l\u00f6st sich dieser weich anf\u00fchlende, gelbe, mikroskopisch aus formlosen Kugeln bestehende K\u00f6rper fast vollst\u00e4ndig mit gelber Farbe in Wasser, aus welchem es durch S\u00e4ttigung mit Ammoniumsulfat wieder ausgef\u00e4llt wird. Man kann dasselbe beliebig wiederholen. Wird einige Zeit zugewartet, so b\u00fc\u00dft der K\u00f6rper betr\u00e4chtlich an L\u00f6slichkeit ein. Die L\u00f6slichkeit kann durch Kochen erh\u00f6ht werden, eine v\u00f6llige L\u00f6sung ist nicht mehr m\u00f6glich. Wenn der K\u00f6rper mit Wasser gekocht wird, so ballt er sich zu dicken Klumpen zusammen und es bleibt ein kalkartiger kr\u00fcmliger Rest.\nWird der frisch gef\u00e4llte K\u00f6rper mit Alkohol zusammengebracht, so wird er krystallinisch, w\u00e4hrend eine gelbe alkoholische L\u00f6sung entsteht. Dieser krvstallinisehe Rest besteht aus Ammoniumsulfat. Der Vorgang l\u00e4\u00dft sich mikroskopisch verfolgen. Wird, nachdem der Niederschlag unter Einflu\u00df des Alkohols sich zersetzt hat, eine gleiche Menge Wasser hinzugesetzt, so l\u00f6st sich das ausgeschiedene Ammoniumsulfat und man bekommt eine klare gelbe L\u00f6sung.\nMan kann den K\u00f6rper in reinere Form bringen durch wiederholtes F\u00e4llen mit Ammoniumsulfat und L\u00f6sen in Wasser.","page":61},{"file":"p0062.txt","language":"de","ocr_de":"62\nL. de Jager,\nDer zuletzt entstandene Niederschlag wird mit Alkohol extrahiert. Besser ist aber folgendes Verfahren, obwohl der Verlust gr\u00f6\u00dfer ist. Der Niederschlag wird in einer gleichen Menge Alkohol und Wasser gel\u00f6st, die gelbe L\u00f6sung wird filtriert und unter Erw\u00e4rmung mit Ammoniumsulfat ges\u00e4ttigt. Die oben befindliche braune alkoholische L\u00f6sung wird mit Wasser verd\u00fcnnt, mit Ammoniumsulfat ges\u00e4ttigt usw. In beiden F\u00e4llen bekommt man eine gelbe bis braune alkoholische L\u00f6sung; diese wird durch Zusatz von Ammoniumsulfat entw\u00e4ssert und filtriert.\nDie alkoholische L\u00f6sung wird bei niedriger Temperatur eingedampft. Es bleibt ein brauner harz\u00e4hnlicher Rest, welcher etwa das Aussehen von Schellack hat und durch Abkratzen in harten Splittern sich leicht aus der Eindampfschale entfernen l\u00e4\u00dft. Die Ausbeute aus 250 ccm Harn betrug in einem Fall 400 mg.\nDieser gelbe K\u00f6rper ist unl\u00f6slich in absolutem Alkohol, \u00c4ther, Essig\u00e4ther, Amylalkohol, Benzol, Aceton, Chloroform, fast unl\u00f6slich in kaltem Wasser und gew\u00f6hnlichem Alkohol. In hei\u00dfem Wasser wird er weich und l\u00f6st sich nach l\u00e4ngerem Kochen zum gr\u00f6\u00dften Teil. Es. gelingt aber nicht, den K\u00f6rper ganz in L\u00f6sung zu bringen. Beim Kochen entwickelt sich der Geruch nach Formaldehyd. Der unl\u00f6slich gebliebene Rest, wie auch der im hei\u00dfen Wasser erweichte K\u00f6rper selbst wird beim Abk\u00fchlen .wieder hart. Bringt man ein wenig in ein trockenes Reagenzrohr und h\u00e4lt letzteres in hei\u00dfes Wasser, so wird der gelbe K\u00f6rper weich, knetbar, beim Abk\u00fchlen wieder hart und spr\u00f6de.\nDer K\u00f6rper ist unl\u00f6slich in kalter Salzs\u00e4ure, l\u00f6st sich aber beim Erhitzen unter Entwickelung von Formaldehyd. In konzentrierter Salzs\u00e4ure wird er leicht gel\u00f6st. Dasselbe Verhalten zeigt Salpeters\u00e4ure. Wird zu der L\u00f6sung in konzentrierter Salpeters\u00e4ure Natronlauge in \u00dcberschu\u00df zugesetzt, so wird die Farbe braun.\nVon verd\u00fcnnter Natronlauge wird der K\u00f6rper gel\u00f6st. Dabei entwickelt sich Ammoniak und macht sich ein urin\u00f6ser Geruch merkbar. Die Ammoniakentwicklung wird wohl durch anhaftendes Ammoniumsulfat verursacht werden.","page":62},{"file":"p0063.txt","language":"de","ocr_de":"Ein gelber K\u00f6rper im Harn.\n63\nDer K\u00f6rper wird von Silbernitrat und von Bleiacetat gef\u00e4llt. Durch Silbernitrat entsteht ein gelblichwei\u00dfer Niederschlag, welcher von Ammoniak leicht gel\u00f6st und von Salpeters\u00e4ure wieder gef\u00e4llt wird. Es schien fast, als ob eine gro\u00dfe Menge Chlorid anwesend war. Doch bleibt das Verhalten das n\u00e4mliche, wenn durch wiederholtes L\u00f6sen in Wasser und F\u00e4llen mit Ammoniumsulfat der Niederschlag gereinigt wird. Au\u00dferdem zeigt der Niederschlag einige Eigent\u00fcmlichkeiten. Derselbe ist gelblich, w\u00e4hrend das Filtrat farblos erscheint. Wird der Niederschlag auf dem Filter dem Lichte ausgesetzt, so wird er bald br\u00e4unlich und l\u00f6st sich jetzt mit brauner Farbe in Ammoniak. Diese wird wohl durch das Formaldehyd verursacht werden.\nDurch Bleiacetat entsteht ebenfalls ein starker gelblicher Niederschlag, welcher im kochenden Wasser unl\u00f6slich ist, aber leicht mit gelber Farbe von wenig Salpeters\u00e4ure und auch von Salzs\u00e4ure gel\u00f6st wird.\nAus der alkoholischen L\u00f6sung wird der K\u00f6rper durch \u00c4ther flockig ausgef\u00e4llt. Dieser K\u00f6rper ist unl\u00f6slich in absolutem Alkohol, die w\u00e4sserige L\u00f6sung zeigt die oben beschriebenen Eigenschaften.\nDie Substanz stellt offenbar eine Verbindung von Formaldehyd mit einem gelben K\u00f6rper dar, welche sich in einer ges\u00e4ttigten L\u00f6sung von Ammoniumsulfat mit letzterem K\u00f6rper zu einer sehr labilen Verbindung vereinigt. Letztere Verbindung wird durch Zusatz von Alkohol zerlegt. Aus der harzigen Verbindung gelingt es nicht, den urspr\u00fcnglichen Harnbestandteil wieder zu bekommen.\nDieser Bestandteil ist kein Urobilin. Die L\u00f6sung \u00fcbt gar keinen Einflu\u00df auf das Spektrum aus. Es w\u00e4re m\u00f6glich, da\u00df das Urobilinspektrum durch die Verbindung mit Formaldehyd verschwinde, aber dieses ist nicht der Fall. Der Niederschlag von Formolharnstoff enth\u00e4lt Urobilin, welches nach L\u00f6sen in starker S\u00e4ure spektroskopisch nachzuweisen ist, zwar nicht rein, infolge einer Beimischung anderer Farbstoffe, wahrscheinlich des Uroroseins.1)\nMit Uroehrom zeigt der K\u00f6rper einige \u00dcbereinstimmung.\n\u2022) a. o. 0.","page":63},{"file":"p0064.txt","language":"de","ocr_de":"64\nL. de Jager, Ein gelber K\u00f6rper im Harn.\nDoch hat man es wahrscheinlich nicht mit eirier Verbindung von Urochrom und Formaldehyd zu tun. Dem von dem Ammoniumsulfatniederschlag, nachdem keine weitere Tr\u00fcbung sich bemerkbar machte, abfiltrierten Harn wurde nach dem Verfahren Gar rods durch absoluten Alkohol das Urochrom entzogen. Diese alkoholische L\u00f6sung wurde nach weiterer Reinigung zur Trockene eingedampft. Der br\u00e4unliche Rest wird durch kaltes Wasser ganz leicht mit braungelber Farbe aufgenommen. Diese w\u00e4sserige L\u00f6sung bleibt nach S\u00e4ttigung mit Ammoniumsulfat ganz klar, auch nachdem Salzs\u00e4ure und Formalin zugegeben worden war. Durch absoluten Alkohol wird das Urochrom wieder extrahiert und die alkoholische L\u00f6sung zur Trockne eingedampft. Der br\u00e4unliche Rest l\u00f6st sich ganz leicht in kaltem Wasser.\nDaraus ergibt sich, da\u00df der von mir beschriebene gelbe K\u00f6rper keine Verbindung von Urochrom sein kann.\nEs ist m\u00f6glich, da\u00df dieser K\u00f6rper nach dem Verfahren Gar rods mitsamt dem Urochrom von Alkohol aufgenommen wird. Doch ist das Verhalten des Silberniederschlags ein anderes, als es Thudichum f\u00fcr das Urochrom beschrieben hat. Letztere Silberverbindung ist l\u00f6slich in Salpeters\u00e4ure, w\u00e4hrend der von mir aufgefundene gerade durch Zusatz von Salpeters\u00e4ure aus einer ammoniakalischen L\u00f6sung ausgef\u00e4llt wird.\nVielleicht auch hat man das von Moor1) beschriebene Urein vor sich. Der K\u00f6rper zeigt eine gewisse \u00dcbereinstimmung mit Formolharnstoff, auch Moor weist auf den urin\u00f6sen Geruch hin, und die Farbe ist wie beim Urein gelb.\nWeil aber ebenso, wie dieses bei dem Formolharnstoff der Fall ist, die Muttersubstanz nicht aus der Formolverbindung zu l\u00f6sen ist, ist es mir nicht gelungen, dieser Muttersubstanz n\u00e4her zu kommen. Eine Stickstoffbestimmung habe ich nicht gemacht, weil dem K\u00f6rper immer noch Ammoniumsulfat anhaftet, das aus der alkalischen L\u00f6sung nicht zu entfernen ist.\nNachschrift: Weitere Versuche, welche noch nicht zu Ende gef\u00fchrt sind, haben ergeben, da\u00df der K\u00f6rper einen Abk\u00f6mmling oder eine Verbindung von Harnstoff enth\u00e4lt.\n*) Zcitschr. f. Biologie, Bd. XL1V und XLV.","page":64}],"identifier":"lit19136","issued":"1910-11","language":"de","pages":"60-64","startpages":"60","title":"Ein gelber K\u00f6rper im Harn","type":"Journal Article","volume":"70"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:12:11.664596+00:00"}